Zusammenfassung des Urteils SF140006: Obergericht des Kantons Zürich
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl reichte eine Anklage gegen eine schuldunfähige Person ein, die des Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen wurde. Das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich ordnete eine stationäre Massnahme an. Der Gesuchsgegner lehnte die Behandlung ab und reagierte nicht auf Vorladungen. Nach mehreren Verfahrensschritten wurde Sicherheitshaft angeordnet, da der Gesuchsgegner die stationäre Massnahme nicht antreten wollte. Die Sicherheitshaft wurde bis zum Antritt der Massnahme bestätigt. Die Kosten wurden auf die Gerichtskasse genommen, da der Gesuchsgegner nicht zahlungsfähig war. Gegen diesen Entscheid kann keine ordentliche Rechtsmittel eingelegt werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SF140006 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 14.08.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Anordnung / Überprüfung der Sicherheitshaft zur Sicherung des Vollzugs einer stationären Massnahme |
Schlagwörter : | Gesuchsgegner; Massnahme; Beschuldigte; Vollzug; Behandlung; Urteil; Sicherheit; Sicherheitshaft; Sinne; Beschuldigten; Person; Verfahren; Gutachten; Flucht; Gesuchsgegners; Kantons; Vollzugs; Staatsanwaltschaft; Drohung; Vorladung; Klinik; Fluchtgefahr; Kammer; Bezirksgericht; Vollzug; Befehl |
Rechtsnorm: | Art. 180 StGB ;Art. 186 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 237 StPO ;Art. 36 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 439 StPO ;Art. 440 StPO ;Art. 59 StGB ;Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 125 I 60; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SF140006-O/U/eh
Präsidialverfügungvom14.August2014
in Sachen
Gesuchstellerin
gegen
,
Gesuchsgegner
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
betreffend
Verfahrensgang
Nach durchgeführtem Vorverfahren reichte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl am 16. Oktober 2012 beim Bezirksgericht (mit gleichem Dokument) eine Anklage sowie einen Antrag auf Anordnung einer Massnahme für eine schuldunfähige
Person - A.
(nachstehend Gesuchsgegner) ein (Akten DG120352, Urk.
17). Bereits im Vorverfahren zeigte sich, dass es schwierig war, mit dem Gesuchsgegner Befragungen durchzuführen, weil er Vorladungen in der Regel keine Folge leistete und polizeilich vorgeführt werden musste.
Mit Urteil der 10. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich vom 19. März 2013 wurde der Gesuchsgegner des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB schuldig gesprochen und mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von
2 Monaten bestraft. Die vom Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (nachstehend JUV) gewährte bedingte Entlassung des Gesuchsgegners aus dem Strafvollzug wurde widerrufen und der Vollzug der Reststrafe von 26 Tagen Freiheitsstrafe angeordnet. Weiter wurde festgestellt, dass der Gesuchsgegner die Tatbestände der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB und der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB in objektiver Hinsicht erfüllt habe. Aufgrund der nicht selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit wurde in diesen Anklagepunkten von einer Strafe abgesehen. Es wurde eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB angeordnet und zu diesem Zweck der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe sowie der Reststrafe aufgeschoben (Urk. 4/41).
Aufgrund einer Berufung des Gesuchsgegners führte die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich das Berufungsverfahren durch. Der Gesuchsgegner wurde damals mit Vorladung vom 14. August 2013 ordnungsgemäss zur Berufungsverhandlung auf den 3. Oktober 2013 vorgeladen (Urk. 4/50). Nachdem er jene Vorladung nicht abgeholt hatte, wurde eine weitere Vorladung an ihn versandt. Auch diese Vorladung holte der Gesuchsgegner damals nicht ab, wobei die Vorladung gleichzeitig auch per A-Post an ihn gesandt wurde (vgl. Urk. 4/52).
Mit Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom
3. Oktober 2013 wurde festgestellt, dass der Schuldspruch der Vorinstanz (10. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich vom 19. März 2013) wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB sowie die Feststellung, dass der Gesuchsgegner den Tatbestand der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB in objektiver Hinsicht erfüllt habe, in Rechtskraft erwachsen seien. Ebenfalls rechtskräftig sei die vom Bezirksgericht für die Hausfriedensbrüche ausgesprochene unbedingte Freiheitsstrafe von 2 Monaten (abzüglich 29 Tage erstandener Haft). Zudem stellte die hiesige Kammer fest, dass der Gesuchsgegner den Tatbestand der versuchten Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt habe, wobei aber aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit von einer zusätzlichen Strafe abgesehen wurde. Ferner wurde die mit Verfügung des JUV vom 28. Dezember 2010 angeordnete bedingte Entlassung des Gesuchsgegners aus dem Strafvollzug widerrufen und der Vollzug der noch offenen Reststrafe von 26 Tagen angeordnet. Schliesslich wurde eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB angeordnet, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe von 2 Monaten (abzüglich 29 Tage erstandener Haft) und der Reststrafe von 26 Tagen zum Zwecke der stationären Massnahme aufgeschoben wurde (Urk. 4/56).
Das JUV gelangte am 13. Januar 2014 an verschiedene Kliniken bzw. Massnahmeinstitutionen mit der Frage, ob sie die stationäre Massnahme vollziehen könnten (Urk. 16/7-11).
Am 14. Januar 2014 bot das JUV den Gesuchsgegner zu einer Besprechung auf den 23. Januar 2014 auf, um mit ihm den Ablauf der anstehenden stationären Massnahme zu besprechen (Urk. 16/12). Weil der Gesuchsgegner diesen Termin nicht wahrnahm, wurde er am 23. Januar 2014 auf den 12. Februar 2014 zu einer solchen Besprechung aufgeboten (Urk. 16/13). Der Gesuchsgegner holte den eingeschriebenen Brief nicht ab (Urk. 16/16).
Am 23. Januar 2014 teilte die Psychiatrische Klinik dem JUV mit, sie kön- ne die angeordnete stationäre Massnahme vollziehen, doch bestehe eine Wartezeit von mindestens sechs bis zehn Monaten (Urk. 16/15). Andere Kliniken teilten
mit, sie hätten keine Möglichkeit, die Massnahme zu vollziehen es bestehe eine Wartezeit bis mindestens Anfang 2015 (Urk. 16/14 + 17 + 18).
Weil der Gesuchsgegner auch den Termin vom 12. Februar 2014 unentschuldigt nicht wahrnahm, wurde ihm am 8. Mai 2014 ein neuer Termin auf den
27. Mai 2014 angesetzt mit der Androhung, dass bei erneutem unentschuldigtem Fernbleiben eine polizeiliche Vorführung erfolgen werde (Urk. 16/19). Auch diese eingeschriebene Aufforderung holte der Gesuchsgegner nicht ab (Urk. 16/20).
Am 11. Juli 2014 teilte die Klinik dem JUV mit, der Gesuchsgegner könne am 29. August 2014, 14.30 Uhr, bei ihnen eintreten (Urk. 16/21).
Am 5. August 2014 verfügte das JUV, dass der Gesuchsgegner gestützt auf Art. 440 StPO in Sicherheitshaft gesetzt werde (Urk. 3 und Urk. 16/23). Der Gesuchsgegner wurde am 6. August 2014 verhaftet (Urk. 7 und Urk. 16/24).
Das JUV liess den Gesuchsgegner im Hinblick auf den Vollzug der stationären Massnahme am 6. August 2014 verhaften (Urk. 7) und gelangte mit Eingabe vom 8. August 2014 (Eingang Obergericht: 11. August 2014) gestützt auf Art. 440 StPO an die hiesige Kammer mit dem Antrag, es sei über den Gesuchsgegner bis zum Antritt der stationären Massnahme Sicherheitshaft zu verhängen. Der Gesuchsgegner könne am 29. August 2014 in der Klinik die rechtskräftig angeordnete stationäre Massnahme antreten. Er sei mehreren Einladungen des Bewährungsund Vollzugsdienstes nicht nachgekommen, weshalb davon auszugehen sei, dass er die stationäre Massnahme auch nicht freiwillig antreten werde (Urk. 1).
Mit Präsidialverfügung vom 12. August 2014 wurde dem Gesuchsgegner in der Person von Rechtsanwalt Dr. iur. X. für vorliegendes Verfahren ein amtlicher Verteidiger beigegeben. Gleichzeitig wurde eine Anhörung des Gesuchsgegners auf den 14. August 2014 angeordnet (Urk. 11).
Am 14. August 2014 fand in Anwesenheit des amtlichen Verteidigers - die Anhörung des Gesuchsgegners statt (Prot. S. 2 ff.; Urk. 17). Der Gesuchsgegner erklärte bezüglich der rechtskräftig angeordneten Massnahme, dass er die Massnahme antreten werde, da dies so entschieden worden sei. Um in eine Klinik zu gehen, sei aber eine Krankheit erforderlich, und er sei nicht krank (Urk. 17 S. 5).
Zur Person von A.
Zur Person des Gesuchsgegners sind dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 19. März 2013 (Urk. 4/41 S. 26 f.) folgende Kernpunkte zu entnehmen:
Der Beschuldigte wurde am tt.mm.1959 in Ghana geboren, wo er sechs Jahre die Primarschule, vier Jahre die Sekundarschule und vier Jahre eine Technikumschule absolvierte. Danach hat er als Fleischhändler für seinen Vater gearbeitet bis er im Jahr 1991 in die Schweiz gekommen ist. Hier hat er fünf Jahre als Fleischer gearbeitet. Ab 1997 folgten verschiedene kurze Arbeitsverhältnisse. Seit dem Jahr 2004 ist der Beschuldigte IV-Rentner. Gemäss Angaben des Beschuldigten erhalte er die IV-Rente, weil bei ihm eine unheilbare chronische Störung diagnostiziert worden sei. Die Diagnose sei aber Teil einer raffinierten Strategie gegen ihn. Zum Krankheitsbild und der (fehlenden) Krankheitseinsicht des Beschuldigten kann an dieser Stelle auf die nachfolgenden Erwägungen unter Ziff. VIII. und IX. verwiesen werden.
Der Beschuldigte ist geschieden und lebt alleine.
Mit seiner Exfrau hat er eine Tochter. In Ghana
hat er ein weiteres Kind, welchem er monatlich ca. Fr. 250.- überweise, wenn auch nicht regelmässig. Sein monatliches Einkommen beläuft sich auf Fr. 3'000.-. Die Alimente für die in der Schweiz lebende Tochter des Beschuldigten werden direkt von der IV-Rente abge-zogen. Er zahlt monatlich eine Miete von rund Fr. 800.- und rund Fr. 400.- Versicherungsprämien. Gemäss eigenen Angaben
verbleiben ihm monatlich für sich selbst rund Fr. 1'000.- (HD act. 4/7 S. 7 ff.; HD act. 28 S. 2 f.).
Anlässlich der Berufungsverfahrens im Rahmen des Verfahrens SB130242 teilte der damalige (und heutige) Verteidiger des Gesuchsgegners mit, er gehe davon aus, der Gesuchsgegner sei nach wie vor erwerbslos und lebe von seiner IV-Rente und Unterstützungsleistungen der Fürsorge (Urk. 4/48). Weil der Gesuchsgegner zu der auf den 3. Oktober 2013 angesetzten Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht erschien, konnten damals seine persönlichen Verhältnisse nicht aktualisiert werden.
Anlässlich der Anhörung vom 14. August 2014 führte der Gesuchsgegner aus, dass er nicht arbeite. Er erhalten eine Invalidenrente von Fr. 921.-- und Zusatzleistungen von Fr. 2'200.--. Insgesamt werde er monatlich mit Fr. 3'300.-- unterstützt. Seinen Tagesablauf schilderte der Gesuchsgegner wie folgt: Er stehe täglich zwischen acht und neun Uhr auf, dann esse er etwas Kleines und gehe gegen Mittag jeweils am See im Wald spazieren. Danach gehe er einkaufen und koche etwas zum Abendessen. Normalerweise esse er zu Hause. Später schaue er noch Fernsehen und gehe dann schlafen. Das sei fast jeden Tag so. Er höre sehr gerne Musik und sammle diese auch. Er sei momentan weder in ärztlicher Behandlung noch nehme er Medikamente ein. In der Schweiz habe er eine Schwester und einen Bruder (Urk. 17 S. 6).
DeliktischeVorbelastung
Der Gesuchsgegner weist gemäss Vorstrafenbericht vom 20. Juni 2013 folgende Vorstrafen auf (Urk. 4/44):
Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 3. April 2007: Der Gesuchsgegner wurde wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.--, Probezeit
2 Jahre, bestraft. Am 25. Juni 2008 verzichtete die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat auf einen Widerruf. Am 12. Januar 2009 verlängerte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl die Probezeit um 1 Jahr und widerrief am
17. März 2009 den bedingten Vollzug.
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 8. Juni 2007: Der Gesuchsgegner wurde wegen einfacher Körperverletzung im Sinne von
Art. 123 Ziff. 1 StGB und Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB mit einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (Probezeit 2 Jahre) sowie mit einer Busse von Fr. 300.-bestraft, dies als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 3. April 2007. Am 25. Juni 2008 verzichtete die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat auf einen Widerruf. Am
12. Januar 2009 verlängerte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl die Probezeit um 1 Jahr und widerrief am 17. März 2009 den bedingten Vollzug.
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 20. November 2007: Der Gesuchsgegner wurde wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB mit einer bedingten Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (Probezeit 2 Jahre) bestraft. Am
12. Januar 2009 verlängerte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl die Probezeit um 1 Jahr und widerrief am 17. März 2009 den bedingten Vollzug.
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 12. Januar 2009: Der Gesuchsgegner wurde wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB mit einer unbedingten Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 50.-sanktioniert.
Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 17. März 2009: Der Gesuchsgegner wurde wiederum wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagesätzen zu Fr. 30.-bestraft.
Weil der Gesuchsgegner die ausgefällten Geldstrafen vom 12. Januar 2009 und 17. März 2009 nicht bezahlte, wurde dafür eine Ersatzfreiheitsstrafe gemäss Art. 36 StGB angeordnet. Am 18. Januar 2011 wurde er gestützt auf eine Verfügung des Amts für Justizvollzug des Kantons Zürich (nachstehend JUV) vom
28. Dezember 2010 bei einer Restfreiheitsstrafe von 26 Tagen bedingt aus dem Vollzug entlassen, wobei ihm für diese Restfreiheitsstrafe eine Probezeit von 1 Jahr angesetzt wurde (Urk. 4/44 S. 2).
PsychiatrischeErkenntnisse
Facharzt B. erstellte am 17. August 2012 ein Aktengutachten über den Gesuchsgegner. Der Gesuchsgegner hatte seine Mitwirkung zur Erstellung des Gutachtens verweigert.
Im Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 19. März 2013 (Urk. 4/41 S. 32 f.) wurden die Erkenntnisse des psychiatrischen Gutachtens wie folgt (zusammenfassend) wiedergegeben:
Laut medizinischem Gutachten leidet der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie. Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten standen demnach in einem engen Zusammenhang mit dieser psychischen Störung. Gemäss Gutachten besteht auch die Gefahr, dass der Beschuldigte erneut Straftaten verübt. Eine hohe Rückfallgefahr hinsichtlich drohender Verhaltensweisen bestehe dabei insbesondere, wenn der Beschuldigte sich aus seinem wahnhaften Erleben in vermeintlichen Ansprüchen Rechten beeinträchtigt in seinem Leben bedroht fühlt und meint, sich dieser erwehren zu müssen. Die bestehenden Probleme bei der situativen Impuls-kontrolle bergen ausserdem eine nicht unerhebliche Gefahr, dass in entsprechend wahnhaft und bedrohlich erlebten Situationen zwecks
Bedrohungsabwehr auch Waffen wie beispiels-
weise das im vorliegenden Verfahren zur Drohung
verwendetet Messer zum Einsatz gebracht werden. Auch zeige das Verhalten gegenüber der Zeugin
C.
auf, wie schnell
eine unbeteiligte Person in die wahnhafte Verar-
beitung des Beschuldigten einbezogen werde und
ins Zentrum seiner Aggression rücken könne (HD act. 8/7 S. 22, S. 27 und S. 31 f.).
Der Gutachter kommt zum Schluss, dass es für die festgestellte psychische Störung eine Behandlung gibt, mit der sich auch der Gefahr neuerlicher
Straf-taten begegnen lässt. Die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung seien aber ungewiss, wobei am ehesten im Zuge einer mehrjährigen Behandlung mit nachhaltigen Veränderungen gerechnet werden könne. Konkret erachtet der Gutachter ein-
zig eine stationäre forensisch-psychiatrische Behandlung als geeignet, wobei diese eines klinischen Rahmens bedarf, da eine Massnahme in einer Strafvollzugsanstalt wohl nicht die notwendige medizinisch-psychiatrische Begleitung anzubieten vermöchte (HD act. 8/7 S. 32).
Aus gutachterlicher Sicht sei von einer sehr gerin-
gen Bereitschaft des
Beschuldigten auszugehen, sich einer stationären
Behandlung zu unter-ziehen. Es müsse damit ge-
rechnet werden, dass der Beschuldigte die stationäre Massnahme in sein psychotisches Wahnsystem einbaue, was die Einbindung in verlässliche therapeutische Beziehungsstrukturen schwierig mache. Eine stationäre Massnahme sei aber in jedem Fall dem Versuch einer neuerlichen ambulanten Massnahme vorzuziehen (HD act. 8/7 S. 29 und 32 f.).
Im Urteil der I. Strafkammer vom 3. Oktober 2013 wurde ergänzend zum Gutachten und zur stationären Massnahme nach Art. 59 StGB folgendes ausgeführt (Urk. 4/59 S. 10 ff.):
Wie oben ausgeführt, diagnostizierte der Gutachter
B.
im aktuellen Gutachten vom 17. August
2012 beim Beschuldigten eine paranoide Schizo-
phrenie (Urk. 8/7 S. 22 f.). Zur Rückfallgefahr des
Beschuldigten führte der Gutachter aus, der Beschuldigte habe ein deutliches strukturelles Rückfallrisiko und weise eine praktisch nicht vorhandene Beeinflussbarkeit auf. Bei den inkriminierten Drohungshandlungen handle es sich um eine Art Fortsetzung des bereits früher praktizierten Handelns, was legalprognostisch ungünstig sei. Die Anlasstaten seien nicht vor dem Hintergrund hochspezifischer Täter-Opfer-Beziehungen einzuordnen.
Zwar sei der Beschuldigte seit Jahren mit der Vormundschaftsbehörde im Streit ob der ihm vermeintlich zustehenden Mittel, doch zeige sein Verhalten gegenüber einer Mitarbeiterin einer DennerFiliale auf, wie schnell eine scheinbar unbeteiligte Person in seine wahnhafte Verarbeitung einbezogen und ins Zentrum seiner Aggression rücken könne. Dies bedeute, dass potentielle Opfer seiner stark affektgeladenen Aggression recht rasch austauschbar seien (Urk. 8/7, S. 27). Eine Einsicht in die psychische Gesundheitsproblematik - und damit eine Behandlungseinsicht habe nicht bewirkt werden können. Der Beschuldigte anerkenne sein eigenes Verhalten nicht als inadäquat und strafrechtlich problematisch. So habe er sich durch bisherige Sanktionierungen nicht beeindrucken lassen. Gesamthaft stuft der Gutachter die Rückfallgefahr für ein den aktuellen Taten vergleichbares Delikt (Drohung) als hoch bis sehr hoch ein (Urk. 8/7, S. 28).
Ambulante Behandlungsversuche in den letzten zehn Jahren seien ge-scheitert. Zwangsläufig impliziere dies eine stationäre Behandlungsintervention als nächsten Schritt. Die Massnahmefähigkeit werde durch das krankheitsbedingte Beziehungsnetz des Beschuldigten beeinflusst. Es dürfte selbst im Rahmen eines stationären Behandlungssettings schwer fallen, den Beschuldigten in ein verlässliches und als wesentlich für den Erfolg einer
Behandlung auch notwendiges therapeutisches Beziehungsbündnis einzubinden, über das letztlich auch eine Förderung von Krankeitsund Behandlungsnotwendigkeitseinsicht gefördert bzw. erreicht werden könnte. Selbst wenn die Erfolgsaussichten
auch einer stationären Behandlungsmassnahme als ungünstig anzusehen seien, so sei eine solche aus gutachterlicher
Perspektive im Falle einer gerichtlichen Massnahmenausfällung zumindest dem Versuch zu einer
neuerlichen ambulanten Massnahme vorzuziehen (Urk. 8/7 S. 29 f.). Die Gefahr, dass der Beschuldigte ein Messer zur vermeintlichen Bedrohungsabwehr zum Einsatz bringe, bezeichnete der Gutachter als nicht unerheblich (Urk. 8/7 S. 31 f.).
Das Gutachten ist detailliert, die Schlussfolgerun-
gen sind ausführlich, lückenlos dokumentiert und
insgesamt problemlos nachvollziehbar. Auch wenn
sich der Beschuldigte weigerte, mit dem Gutachter
zu kooperieren, lagen diesem umfassende Akten über frühere Verfahren und Behandlungen des Beschuldigten vor, welche im Gutachten referiert werden (Urk. 8/7 S. 4 ff.). Es besteht kein Anlass, vom Gutachten abzuweichen.
[ ]
Der Beschuldigte geriet in den letzten Jahren öfters
in Auseinandersetzungen mit ihm bekannten und
unbekannten Personen. Er führte dabei teilweise
ein Messer mit, welches er zur Drohung einsetzte.
Dass ein solches Verhalten aufgrund seiner bestehenden psychischen Verfassung, welche sich trotz ambulanter Behandlung kaum verbesserte, eskalieren könnte, liegt auf der Hand. Die Abwägung der Interessen der öffentlichen Sicherheit mit den Interessen des Beschuldigten muss angesichts dieser doch hohen Rückfallgefahr des unbehandelten Beschuldigten zugunsten der Allgemeinheit ausfallen.
In der Untersuchung lehnte der Beschuldigte die Anordnung einer stationären Massnahme vehement ab (vgl. Urk. 4/7 S. 10 ff.). Anlässlich der Hauptverhandlung der Vorinstanz erklärte er, eine Behandlung bei seinem Psychiater antreten zu wollen. Er lehne aber eine stationäre Massnahme ab (Urk. 28 S. 8).
[ ]
Der Gutachter bezeichnete die Erfolgsaussichten der
stationären Massnahme bei fehlender Behand-
lungsbereitschaft des Beschuldigten entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 30 S. 14 und Urk. 53 S. 7) nicht als aussichtlos bzw. ohne Erfolgsaussichten, sondern als ungünstig. So hinterfragte der Gutachter den Erfolg einer stationären Massnahme aufgrund des Krankheitsbildes des Beschuldigten, von welchem er Widerstand in der Therapie erwartet. Diese Befürchtung genügt jedoch im heutigen Zeitpunkt nicht, um von einer fehlenden Behandlungsfähigkeit des Beschuldigten auszugehen. Der Vorinstanz ist vollumfänglich beizupflichten, dass die fehlende Krankheitseinsicht gerade Teil des Krankheitsbildes ist und deren Erarbeitung als Teil der stationären Massnahme zu sehen ist (Urk. 8/7 S. 34). Zudem ist nicht von
einer völligen Behandlungsunwilligkeit auszuge-
hen, erklärte der Beschuldigte vor der Vorinstanz,
dass er sich zumindest auf eine ambulante Thera-
pie
einlassen würde (Urk. 28 S. 8). Eine völlige Ablehnung jeglicher Behandlung ist somit nicht ersichtlich. Eine stationäre Massnahme kann vorliegend somit auch gegen den ausdrücklichen Willen des
Beschuldigten angeordnet
werden.
Im Übrigen wird in der Lehre darauf hingewiesen,
dass das Vorliegen eines Massnahmewillens zwar
im Grundsatz zu verlangen sei, es jedoch durchaus
Fälle gebe, bei denen zunächst durch erzwungene Therapie ein Zustand erreicht werden müsse, der dem Patienten einen verantwortlichen Entscheid über die Mitwirkung bei der Therapie erlaube (Trechsel, a.a.O., N 9 zu Art. 59 StGB; a.M.: Schwarzenegger/Hug/Jositsch, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen, 8. Aufl., Zürich 2007, S. 163 f.). Gerade im Bereich schizophrener Erkrankungen zeigt sich, dass eine Krankheitsund Behandlungseinsicht und somit ein Setting, welches eine nachhaltige medikamentöse Behandlung ermöglicht, oft nur in stationärem Rahmen erreichbar ist.
Das Urteil der I. Strafkammer vom 3. Oktober 2013 ist in Rechtskraft erwachsen. Mit anderen Worten wurde rechtskräftig entschieden, dass eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB durchzuführen ist. Im Rahmen jenes Urteils wurde auch die Problematik beleuchtet, dass der Gesuchsgegner nicht bereit ist, sich einer solchen stationären Massnahme zu unterziehen. Ebenso wurde die Frage der Verhältnismässigkeit einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB überprüft und sie als verhältnismässig taxiert. Es kann auf jene Erwägungen verwiesen werden, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben.
SicherheitshaftzurSicherungdesMassnahmenantritts
Verfahren und Zuständigkeiten
Zum Vollzug von Strafen und Massnahmen erlässt das JUV einen Vollzugsbefehl (Art. 439 Abs. 2 StPO). Gemäss Art. 439 Abs. 3 StPO sind rechtskräftige freiheitsentziehende Massnahmen bei Fluchtgefahr (lit. a), bei erheblicher
Gefährdung der Öffentlichkeit (lit. b) wenn die Erfüllung des Massnahmenzwecks anders nicht gewährleistet werden kann (lit. c) sofort zu vollziehen. Das JUV kann zur Durchsetzung des Vollzugsbefehls die verurteilte Person verhaften ausschreiben lassen (Art. 439 Abs. 4 StPO). In dringenden Fällen kann das JUV die verurteilte Person zur Sicherung des Vollzugs einer Massnahme in Sicherheitshaft setzen (Art. 440 Abs. 1 StPO). Das JUV hat diesfalls den Fall innert 5 Tagen seit der Inhaftierung dem Gericht zu unterbreiten, das die zu vollziehende Massnahme ausgesprochen hat (Art. 440 Abs. 2 lit. a StPO). Das angerufene Gericht entscheidet endgültig, ob die verurteilte Person bis zum Antritt der Massnahme in Haft bleibt (Art. 440 Abs. 3 StPO).
Das JUV war/ist zuständig, um im vorliegenden Fall einen Vollzugsbefehl zu erlassen. Das JUV war/ist zuständig, um zur Durchsetzung seines Vollzugsbefehls den Gesuchsgegner zu verhaften. Das JUV war/ist ferner zuständig, den Gesuchsgegner in Sicherheitshaft zu versetzen (sofern man die Voraussetzungen von Art. 439 Abs. 3 StPO sowie der Dringlichkeit bejaht).
Für das Verfahren und die Zuständigkeiten betreffend Sicherheitshaft ist sinngemäss auf die Bestimmungen von Art. 229 ff. StPO abzustellen, wobei auch die allgemeinen Bestimmungen zur Untersuchungsund Sicherheitshaft in Art. 212 - 214 und 220 - 223 StPO zu beachten sind (Cavallo in: Zürcher Kommentar zur StPO [Hrsg. Donatsch/Hansjakob/Lieber], Zürich 2010, Art. 440 N 2). Nachdem die I. Strafkammer mit Urteil vom 3. Oktober 2013 eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB angeordnet hat, die es nunmehr zu vollziehen gilt, ist der Präsident dieser Strafkammer auch zuständig, um die vom JUV angeordnete Sicherheitshaft zu überprüfen.
In sinngemässer Anwendung der vorerwähnten Bestimmungen wurde der Gesuchsgegner am 14. August 2014 angehört (Prot. S. 2 ff.; Urk. 17).
Nachdem der StPO nichts darüber zu entnehmen ist, innert welcher Frist der gerichtliche Entscheid (Bestätigung der Sicherheitshaft Entlassung aus der Sicherheitshaft) zu fällen ist, zumal in Art. 440 StPO (dies im Unterschied zu Art. 224 und 226 StPO) nichts darüber steht, dass dieser Entscheid unverzüglich innert 48 Stunden zu fällen sei, muss der fragliche Entscheid aber
doch innerhalb von 5 Tagen gefällt werden. Diese Frist lässt sich dadurch vertreten, dass nicht mehr wie im Falle der Anordnung von Untersuchungshaft über einen dringenden Tatverdacht befunden werden muss; vielmehr liegt bereits ein vollstreckbares Urteil vor. Die analoge Anwendung jener Regelung, die sich bei Haftverlängerungsbzw. Haftentlassungsgesuchen findet, drängt sich daher auf (Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 10).
Überprüfung der vom JUV angeordneten Sicherheitshaft
Die Verteidigung des Gesuchsgegners führte anlässlich der Haftanhörung zusammengefasst aus, vorliegend könne nicht von einem dringenden Fall im Sinne von Art. 440 Abs. 1 StPO ausgegangen werden. Es bestehe weder Fluchtgefahr noch eine erhebliche Gefährdung des Massnahmezwecks der Öffentlichkeit. So habe sich der Gesuchsgegner seit September 2010 nichts mehr zuschulden kommen lassen. Im Jahre 2012 habe er lediglich zwei Migros-Filialen trotz eines Hausverbots betreten. Er habe einen festen Wohnsitz in der Schweiz und halte sich seit Jahren in seiner Wohnung an der D. -Strasse ... in auf. Er sei lediglich zwischendurch in Ghana gewesen. Auch eine Gefährdung des Massnahmevollzugs könne nicht allein damit begründet werden, er sei mehreren Einladungen des Bewährungsund Vollzugsdienstes nicht nachgekommen. Der Gesuchsgegner könne, sollte er die stationäre Massnahme am 29. August 2014 nicht antreten, ohne weiteres innert 24 Stunden an seinem Wohnort aufgegriffen werden. Das Vorgehen der Vollzugsbehörde müsse als völlig unverhältnismässig taxiert werden (Urk. 18 S. 2 ff.).
Es liegt ein vollstreckbares Urteil vor, mit welchem eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB angeordnet worden ist.
Nach Art. 440 Abs. 1 StPO darf die verurteilte Person nur in dringenden Fällen in Sicherheitshaft versetzt werden. Bei Personen, die sich nicht freiwillig dem Vollzug stellen, dient der sogenannte Verhaftsbefehl als Rechtstitel zur Durchsetzung des rechtskräftigen Freiheitsentzugs (vgl. BSK-StPO, Brägger, a.a.O., Art. 439 N 24). Immerhin kann ein dringender Fall im Sinne von Art. 440 Abs. 1 StPO insbesondere in den in Art. 439 Abs. 3 StPO genannten Fällen vorliegen, also bei Fluchtgefahr sowie bei einer erheblichen Gefährdung der Öffentlichkeit des Massnahmenzwecks (Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 4). Mithin sind diese drei Möglichkeiten einer näheren Prüfung zu unterziehen.
Fluchtgefahr:
Fluchtgefahr bedeutet in diesem Kontext, dass die erhebliche Befürchtung besteht, der Gesuchsgegner werde sich dem Vollzug der Massnahme entziehen (Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 4). Bezüglich Fluchtgefahr ist jedoch auf den Begriff zu verweisen, wie er in Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO verwendet wird.
Fluchtgefahr liegt vor, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, der Gesuchsgegner würde sich wenn er in Freiheit wäre - durch Flucht ins Ausland Untertauchen im Inland der Strafverfolgung dem Vollzug der Strafe entziehen. Es sind die gesamten Umstände des Einzelfalles wie die familiären, beruflichen und sozialen Bindungen zur Schweiz bzw. zum Ausland sowie die finanzielle Situation des Gesuchsgegners zu berücksichtigen (vgl. Forster in: Niggli/Heer/Wiprächtiger, Basler Kommentar zur StPO, Basel 2011, N 5 zu Art. 221 StPO; Hug in: Kommentar zur StPO, Zürich 2010, Art. 221 N 12 ff.; Urteil des Bundesgerichtes 1B_166/2010 vom 14. Juni 2010, E. 4). Es müssen Gründe bestehen, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Schwere der drohenden Sanktion darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden, genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62 mit Hinweisen; Urteil 1B_632/2011 vom 2. Dezember 2011, E. 5.1; Urteil 1B_426/2013 vom 10.12.2013, E.3).
Das hier massgebende Urteil wurde allerdings in Abwesenheit des unentschuldigt nicht zur Berufungsverhandlung erschienenen Gesuchsgegners am
3. Oktober 2013 gefällt. Das schriftlich begründete Urteil wurde den Parteien im November 2013 zugestellt (Urk. 4/62). Der Gesuchsgegner weiss somit mit seinem Verzicht auf Weiterzug ans Bundesgericht seit November 2013, dass er eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB zu absolvieren hat. Der Gesuchsgegner wurde mehrmals vom JUV kontaktiert, doch reagierte er auf die entsprechenden Vorladungen nicht (Urk. 1). Der Gesuchsgegner ist an der D. -Strasse ... in gemeldet; er wohnt auch dort. Er konnte am 6. August
2014 von der Polizei auch dort verhaftet werden (Urk. 7). Obschon der Gesuchsgegner somit seit November 2013 weiss, dass er in absehbarer Zeit die stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB wird antreten müssen und er weder familiäre noch berufliche Bindungen hat, die ihn hier halten würden, ist er nicht untergetaucht. Allerdings wusste der Gesuchsgegner bis zur Verhaftung vom 6. August 2014 auch nicht, dass er am 29. August 2014 die stationäre Massnahme anzutreten hat. Bis zum 6. August 2014 konnte daher aufgrund der konkreten Umstände nicht von einer Fluchtgefahr im Sinne obiger Umschreibung gesprochen werden. Ob die nunmehrige Kenntnis des konkreten Antrittstermins eine konkrete Fluchtgefahr zu begründen vermag, erscheint eher fraglich, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich eine solche Gefahr nunmehr etwas akzentuiert darstellt. Dies kann jedoch unter dem Titel Gefährdung des Massnahmenzwecks abgehandelt werden.
Erhebliche Gefährdung der Öffentlichkeit:
Es kann auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 4.3 verwiesen werden. Der Gesuchsgegner geriet in den letzten Jahren öfters in Auseinandersetzungen mit ihm bekannten und unbekannten Personen. Er führte dabei teilweise ein Messer mit, welches er zur Drohung einsetzte. Dass ein solches Verhalten aufgrund seiner bestehenden psychischen Verfassung, welche sich trotz ambulanter Behandlung kaum verbesserte, eskalieren könnte, liegt auf der Hand. Es muss von einer erheblichen Rückfallgefahr - und damit in diesem Kontext auch von einer nicht zu unterschätzenden Gefahr für die Öffentlichkeit ausgegangen werden. Allerdings reicht diese latente Gefahr im vorliegenden Fall nicht aus, um Sicherheitshaft anzuordnen. Von einer konkreten Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO kann jedenfalls nicht gesprochen werden. Das JUV hat nichts geltend gemacht, wonach das Verhalten des Gesuchsgegners diesbezüglich gegenüber der Berufungsverhandlung vom 3. Oktober 2013 eskaliert wäre. Damals bestand kein Anlass, den Gesuchsgegner wegen Wiederholungsgefahr zu inhaftieren.
Erhebliche Gefährdung des Massnahmenzwecks
Wie vorn mehrfach aufgezeigt, verweigert sich der Gesuchsgegner recht konsequent gegenüber den Behörden deren Anordnungen. So verweigerte der Gesuchsgegner eine Mitwirkung bei der Erstellung des psychiatrischen Gutachtens. Er musste jeweils auch zu Befragungen vorgeführt werden. Auf Einladungen bzw. Vorladungen des JUV reagiert er nicht; er erscheint konsequent nicht zu Besprechungen, was insofern auch nicht erstaunt, als er eingeschriebene Post konsequent nicht abzuholen scheint.
Anlässlich der Anhörung vom 14. August 2014 erklärte der Gesuchsgegner auf die Frage, weshalb er auf die Vorladungen nicht reagiert habe, dass er die Vorladungen nicht einfach ignoriere, aber er nehme die Situation nicht ernst. Er habe genug von dieser ganzen Situation, diese sei unnötig (Urk. 17 S. 2 und 4).
Dem JUV fiel es angesichts der knapp zur Verfügung stehenden Massnahmeplätze sehr schwer, für den Gesuchsgegner eine geeignete Institution zu finden, in welcher die rechtskräftig angeordnete stationäre Massnahme vollzogen werden kann. Erscheint der Gesuchsgegner am 29. August 2014 nicht in der Klinik , besteht die sehr grosse Gefahr, dass der für den Gesuchsgegner vorgesehene und reservierte Platz sehr schnell einer anderen Person zur Verfügung gestellt wird. Zwar wäre die Möglichkeit, dass das JUV den Gesuchsgegner beispielsweise am Vortag des 29. August 2014 hätte verhaften lassen, um ihn dann am 29. August 2014 in die Klinik überführen zu können, durchaus prüfenswert gewesen. Tatsache ist jedoch, dass nicht zwingend damit gerechnet werden konnte, dass man den Gesuchsgegner beispielsweise am 28. August 2014 tatsächlich an seinem Wohnort antreffen würde. Hier ist zu bemerken, dass der Gesuchsgegner in den letzten Monaten auch im Ausland war, mithin nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass man ihn am Vortag des 29. August 2014 zuhause antreffen wird. Nachdem sich der Gesuchsgegner recht konsequent verweigert, was durchaus auf seine diagnostizierte Krankheit zurückzuführen sein könnte, zudem eine nicht zu unterschätzende Rückfallgefahr besteht, ist die Anordnung der Sicherheitshaft durch das JUV nicht zu beanstanden. Mit der Kenntnis des konkreten Vollzugsdatums besteht aufgrund der konkreten Situation die erhebliche Gefahr, dass der Gesuchsgegner am 29. August 2014 nicht der stationären Massnahme zugeführt werden könnte, wenn er in Freiheit wäre.
Verhältnismässigkeit / Ersatzmassnahmen
Als übergesetzliche Voraussetzung der Anordnung von Sicherheitshaft ist auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten, weshalb auch Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 237 StPO zu prüfen sind (Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 6). Gemäss psychiatrischem Gutachten wird die stationäre Massnahme eine länger dauernde Angelegenheit sein, zumal es anfänglich darum gehen wird, beim Gesuchsgegner die erforderliche Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung zu wecken. Nachdem seitens der Klinik die Zusicherung vorliegt, dass der Gesuchsgegner am 29. August 2014 eintreten kann, wird der Gesuchsgegner 23 Tage in Haft zu verbringen haben, welche im übrigen auf die zu verbüssende (aufgeschobene) Strafe anzurechnen ist (Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 8). Stellt man diese 23 Tage Haft der Dauer der rechtskräftig angeordneten stationären Massnahme gegenüber und berücksichtigt man überdies, dass gemäss psychiatrischem Gutachten doch eine nicht zu unterschätzende Rückfallgefahr besteht, liegt keine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips vor. Überdies wird der Gesuchsgegner nicht aus einer Erwerbstätigkeit einer intakten Familie herausgerissen.
Nachdem der Gesuchsgegner behördlichen Anordnungen konsequent nicht nachkommt, ist auch nicht ersichtlich, inwiefern hier Ersatzmassnahmen greifen könnten. Würde dem Gesuchsgegner beispielsweise eine tägliche Meldepflicht auferlegt, ist aufgrund seines bisherigen Verhaltens offensichtlich, dass er einer solchen Meldepflicht nicht nachkommen würde. Eine Passund Schriftensperre könnte ebenfalls nicht sicherstellen, dass der Gesuchsgegner am 29. August 2014 freiwillig in die Klinik eintreten würde. Bezüglich Passund Schriftensperre ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeit gegenüber ausländischen Häftlingen eher gering ist. Diese können nämlich jederzeit Ersatzpapiere beschaffen und so die Passund Schriftensperre unterlaufen (vgl. BGE vom 11.4.2007, 1B _49/2007, Erw. 2.6.). Ausserdem ist auch wegen der Lückenhaftigkeit der Personenkontrollen im Schengen-Raum Zweifel an der Wirksamkeit der Passund Schriftensperre angebracht (vgl. BSK-StPO, Härri, a.a.O., Art. 237 N 9 f.; Hug in: Zürcher Kommentar zur StPO, a.a.O., Art. 237 N 9).
Die vom JUV aufgrund von Art. 440 Abs. 1 StPO angeordnete Sicherheitshaft ist zu bestätigen und dauert bis zum Antritt der rechtskräftig angeordneten stationären Massnahme nach Art. 59 StGB.
Kosten
Die StPO sieht für das Verfahren nach Art. 440 StPO keine spezielle Regelung betreffend Kosten vor. Zu prüfen ist, ob die StPO Kostenregelungen enthält, die sich auf die vorliegende Konstellation anwenden lassen.
Das Verfahren nach Art. 440 StPO ist nicht ein Rechtsmittelverfahren, weshalb Art. 428 StPO (Regelung nach Obsiegen und Unterliegen) nicht zum Tragen kommen kann.
Vorliegendes Verfahren trägt ähnliche Züge wie jene nach Art. 363 ff. StPO (selbständige nachträgliche Entscheide). Art. 426 Abs. 5 StPO hält fest, dass Art. 426 StPO sinngemäss für die Partei im selbständigen Massnahmeverfahren gilt, wenn der Entscheid zu ihrem Nachteil ausfällt. Auch wenn vorliegendes Verfahren nicht ein Verfahren nach Art. 363 ff. StPO ist, macht es Sinn, Art. 426 StPO sinngemäss anzuwenden.
Der Gesuchsgegner unterliegt, weshalb er mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung grundsätzlich kostenpflichtig wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Sowohl das Bezirksgericht in seinem Urteil vom 19. März 2013 (Urk. 4/41 S. 36) als auch die hiesige Kammer in ihrem Urteil vom 3. Oktober 2013 (Urk. 4/59
S. 15) haben die Kosten auf die Gerichtskasse genommen, weil der Gesuchsgegner als IV-Rentner und ohne Vermögen angesichts der anstehenden stationären Massnahme nicht in der Lage ist und sein wird, die Kosten zu bezahlen.
Es rechtfertigt sich daher, die Kosten dieses Verfahrens, einschliesslich der Kosten der amtlichen Verteidigung, definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Rechtsmittel
Gemäss Art. 440 Abs. 3 StPO entscheidet das Gericht endgültig darüber, ob die verurteilte Person bis zum Antritt der Massnahme in Haft bleibt.
Dies bedeutet, dass gegen diesen Entscheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Hingegen muss eine Überprüfung durch das Bundesgericht gemäss Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG offenstehen (vgl. Cavallo, a.a.O., Art. 440 N 11; BSKStPO, 2010, B. Brägger, Art. 440 N 5; N. Schmid, Handbuch StPO, 2. Auflage 2013, N 1855).
Eswirdverfügt:
(Oberrichter lic. iur. P. Marti)
Die vom Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich über A. , geb. tt.mm.1959, am 5. August 2014 angeordnete Sicherheitshaft wird bestätigt.
Diese Sicherheitshaft dauert bis zum Antritt der mit Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Oktober 2013 angeordneten stationären Massnahme nach Art. 59 StGB.
Die Kosten dieses Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung im Betrag von Fr. 850.--, werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung an
die amtliche Verteidigung (vorab per Fax)
A. (persönlich)
den Justizvollzug des Kantons Zürich
die Verwaltung des Flughafengefängnisses (vorab per Fax).
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann soweit die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte geltend gemacht wird (Art. 98 BGG) gestützt auf Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, beiderErstenöffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Zürich, 14. August 2014
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. P. Marti
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Truninger
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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