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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB230376
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230376 vom 23.11.2023 (ZH)
Datum:23.11.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_182/2024
Leitsatz/Stichwort:Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte
Zusammenfassung : In dem vorliegenden Gerichtsfall vor dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, ging es um einen Beschuldigten, der wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte angeklagt war. Das Urteil der Vorinstanz ergab, dass der Beschuldigte in einem Fall schuldig und in einem anderen Fall unschuldig war. Er wurde zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die bereits verbüsste Untersuchungshaft angerechnet wurde. Zudem wurde ihm eine Genugtuung von Fr. 800 zugesprochen. Die Gerichtskosten betrugen insgesamt Fr. 24'470.50. Der Beschuldigte, männlich, verlor den Fall gegen die Staatsanwaltschaft, vertreten durch stv. Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. A. Fischbacher.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Aussage; Zeuge; Berufung; Gewalt; Zeugen; Aussagen; Verteidigung; Finger; Urteil; Vorinstanz; Beamte; Transport; Sicherheit; Staatsanwalt; Sinne; Freiheitsstrafe; Dispositiv; Staatsanwaltschaft; Drohung; Schuld; Entscheid; Gericht; Sachverhalt; Behörden; Dossier; Auslagen; Untersuchung; Entschädigung
Rechtsnorm:Art. 10 StPO ; Art. 107 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 292 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 391 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 431 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:127 I 38; 133 I 33; 136 I 229; 137 IV 219; 138 IV 81; 141 IV 249;
Kommentar:
-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230376-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, lic. iur. B. Amacker und Ersatzoberrichterin lic. iur. S. Nabholz sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Donatsch

Urteil vom 23. November 2023

in Sachen

  1. ,

    Beschuldigter und Berufungskläger

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1.

    gegen

    Staatsanwaltschaft See/Oberland,

    vertreten durch stv. Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. A. Fischbacher,

    Anklägerin und Berufungsbeklagte

    betreffend Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Hinwil, Einzelgericht,

    vom 13. April 2023 (GG230004)

    Anklage:

    Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 19. Januar 2023 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 12).

    Urteil der Vorinstanz:

    (Urk. 48 S. 23 ff.)

    Es wird erkannt:

    1. Der Beschuldigte ist bezüglich Dossier Nr. 2 der Gewalt und Drohung gegen Behür- den und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB schuldig.

    2. Der Beschuldigte ist bezüglich Dossier Nr. 1 der Gewalt und Drohung gegen Behür- den und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.

    3. Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 Monaten Freiheitsstrafe.

    4. Es wird vorgemerkt, dass die Freiheitsstrafe gemäss Dispositiv-Ziffer 3 bereits voll- umfänglich durch die erstandene Untersuchungshaft und den vorzeitigen Vollzug der freiheitsentziehenden Massnahme (stationüre Einleitung der ambulanten Massnahme) verbüsst ist.

    5. Für die restlichen Tage erstandene Untersuchungshaft (4 Tage überhaft) wird dem Beschuldigten aus der Staatskasse eine Genugtuung von Fr. 800 zugesprochen.

    6. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

      Fr. 1'500.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.00 gebühr für das Vorverfahren

      Fr. 9'800.00 Auslagen (Gutachten)

      Fr. 1'100.00 Kosten OGer ZH, III. StrK. (UB210132-O/U/HON)

      Fr. 60.00 Zeugenentschädigung

      Fr. 6'009.50 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt

      lic. iur. X2. (inkl. Auslagen und MwSt; bereits entschädigt)

      Fr. 9'900.00 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. (inkl. Auslagen und MwSt).

      Verlangt keine der Parteien eine schriftliche Begründung des Urteils, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

    7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, inkl. die Kosten des Obergerichts des Kantons Zürichs, III. StrK. (UB210132-O/U/HON) für das Beschwerdeverfahren in Haftsachen, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigen zu zwei Dritteln auferlegt und zu einem Drittel definitiv auf die Staatskasse genommen.

    8. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Staatskasse genommen.

      Vorbehalten bleibt das Nachforderungsrecht gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von zwei Dritteln der Kosten. Zu einem Drittel werden die Kosten der amtlichen Verteidigung definitiv auf die Staatskasse genommen.

    9. (Mitteilung)

    10. (Rechtsmittel)

BerufungsAnträge:

(Prot. II S. 3)

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 62; Prot. II S. 5)

    1. Das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 13. April 2023 (Geschäfts-Nr.

      GG23004-E) sei betreffend die Dispositiv Ziffern 1, 3, 4, 5, 7 und 8 aufzuheben.

    2. A.

      sei vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und

      Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB freizusprechen.

    3. A. sei eine Genugtuung von Fr. 100'000 zuzusprechen.

    4. Alles unter ausgangsgemüsser Kosten- und Entschädigungsfolge (zzgl. MwSt.)

    Darunter zählt naTürlich auch die entsprechend konsequente Anpassung der Kostenauferlegung bzw. -verteilung des erstinstanzlichen Urteils.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 56; schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte
      1. Das vorstehend wiedergegebene Urteil vom 13. April 2023 wurde den Parteien schriftlich eröffnet, wobei die Zustellung an den Beschuldigten am 19. April 2023 und an die Staatsanwaltschaft See/Oberland am 20. April 2023 erfolgte (Prot. I S. 65, Urk. 41). Der Beschuldigte meldete mit Eingabe vom 21. April 2023 innert Frist Berufung an (Urk. 42).

      2. Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 46) reichte die amtliche Verteidigung des Beschuldigten am 7. Juli 2023 fristgerecht die BerufungsErklärung ein (Urk. 51). Mit präsidialVerfügung vom 24. Juli 2023 wurde die Berufungs- Erklärung in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 und Art. 401 StPO der Staatsanwaltschaft zugestellt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 54). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 26. Juli 2023 auf Anschlussberufung (Urk. 56).

      3. Am 15. August 2023 wurde auf den 23. November 2023 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 57).

      4. Am 23. November 2023 fand die Berufungsverhandlung statt. Es erschien der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers (Prot. II S. 3). Vorfragen waren keine zu entscheiden und abgesehen von der Befragung des Beschuldigten (Urk. 61) keine Beweise abzunehmen (Prot. II S. 4). Nach den ParteivortRügen und dem Schlusswort des Beschuldigten verzichteten die Parteien auf eine Mändliche UrteilsEröffnung und -erläuterung (Art. 84 Abs. 3 StPO; Prot. II S. 5). Die geheime Beratung fand gleichentags statt, das Urteil wurde

      ebenfalls am 23. November 2023 gefällt (Prot. II S. 7 ff.) und den Parteien schriftlich im Dispositiv eröffnet (Urk. 63).

    2. Prozessuales
  1. Umfang der Berufung

    1. Der Beschuldigte beantragt, er sei bezüglich Dossier Nr. 2 von Schuld und Strafe freizusprechen (Dispositivziffern 1, 3, 4). Zudem wendet er sich gegen die Bemessung der Entschädigung (Dispositivziffer 5), die Kostenauflage (Dispositivziffer 7) und den Vorbehalt betreffend Nachforderungsrecht hinsichtlich der Kosten der amtliche Verteidigung (Dispositivziffer 8).

    2. Unangefochten blieb der Freispruch vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte bezüglich Dossier Nr. 1 (Dispositivziffer 2) sowie die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Dispositivziffer 6). In diesem Umfang ist der vorinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschlusses vorzumerken ist (Art. 399 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 437 StPO).

    3. Im übrigen steht der angefochtene Entscheid unter BeRücksichtigung des Verschlechterungsverbots im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO zur Disposition.

  2. Verwertbarkeit der Beweismittel

    Hinsichtlich der in vorliegendem Verfahren zu den Akten genommenen Urkun- denbeweise ist festzuhalten, dass diese gesetzeskonform erhoben wurden und dem Beschuldigten resp. dessen Verteidiger auch Einsicht, mithin das rechtliche Gehör (vgl. Art. 107 StPO), Gewährt wurde. Sie sind deshalb verwertbar.

    Auch die Einvernahmen des Beschuldigten sowie der Zeugen sind gesetzeskonform erfolgt. Es kann damit vollumfänglich auf sie abgestellt werden.

  3. BeweisAnträge

Die Parteien stellten keine BeweisAnträge.

Die Strafsache erweist sich als spruchreif, wobei bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen ist, dass sich das urteilende Gericht nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausDrücklich widerlegen muss (BGE 136 I 229 E. 5.2; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; BGE 139 IV

179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2, je mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.

III. Sachverhalt
  1. Verbleibend zu beurteilender Tatvorwurf

    Dem Beschuldigten wird unter Dossier Nr. 2 der Anklage vorgeworfen, er habe sich am 10. August 2021 nachmittags, als er zwecks Hafteinvernahme aus dem Gefängnis Kasernenstrasse 41, 8004 Zürich zur Staatsanwaltschaft See/Oberland hätte transportiert werden sollen, bereits anlässlich der Fesselung im Polizeigefängnis renitent und aggressiv verhalten. Er habe zunächst versucht, den Sicher-

    heitsassistenten B.

    zu treten und Schwedenküsse auszuteilen, was ihm

    indessen nicht gelungen sei. Die Zuführung sei daraufhin abgebrochen worden und der Beschuldigte habe da er sich weiterhin verweigert habe in die Zelle zurückgetragen werden müssen. Als die Handfesseln des Beschuldigten in der Zelle geläst worden seien, habe der Beschuldigte den Zeigefinger des Sicherheitsassistenten C. ergriffen und verdreht, was eine Stauchung des Fingers mit der Folge einer 4-tätigen Arbeitsunfähigkeit verursacht habe. Erst nach Einsatz von Reizstoff habe der Beschuldigte von C. abgelassen. Das gesamte Vorgehen des Beschuldigten sei auf eine Verhinderung des Transports sowie auf die Verletzung der Sicherheitsassistenten ausgerichtet gewesen, was der Beschuldigte gewusst und gewollt bzw. zumindest in Kauf genommen habe (Urk. 12 S. 3).

  2. Stellungnahme des Beschuldigten

    Der Beschuldigte erklärte, er habe sich bei den Vorbereitungen zum Transport gegen die Fussfesselung gewehrt. Er habe sich geweigert, die Fussfesseln anzuziehen, weil er schlechte Erfahrungen damit gemacht habe. Kopfnüsse habe er nicht verteilt (Prot. I. S. 57 ff). Er sei von der Polizei misshandelt worden (Prot. I

    S. 58, Urk. 61 S. 7 ff.). In der Zelle habe er den Finger von C. gehalten und wieder losgelassen. Erst nachher habe er Pfefferspray ins Auge bekommen (Prot. I S. 6, Urk. 61 S. 9 f.).

    Auch die Verteidigung machte geltend, der Beschuldigte habe sich lediglich gegen die unverhältnismässige Gewaltanwendung der Sicherheitsassistenten gewehrt und sei selbst verletzt worden. Insbesondere sei der Pfefferspray erst gegen den Beschuldigten eingesetzt worden, als dieser den Finger des Sicherheitsbeamten bereits losgelassen habe (Urk. 38 S. 12 ff., Urk. 62 S. 2 ff.). überdies sei lediglich erstellt, dass der Beschuldigte den Finger von C. gehalten habe; dass er den Finger umgedreht habe, sei nicht erstellt; vielmehr habe er diesen nur gehalten (Urk. 62 S. 5, S. 8 f.). Des Weiteren könne nicht ausgeschlossen wer- den, dass die Verletzung am Finger im Gerangel zwischen den Beteiligten anders herbeigefährt worden sei, als durch das Verhalten des Beschuldigten (Urk. 62 S. 9).

    Der Sachverhalt ist entsprechend zu erstellen.

  3. Allgemeine Grundsätze

    1. Das Gericht legt seinem Urteil denjenigen Sachverhalt zugrunde, den es nach seiner freien, aus der Hauptverhandlung und den Untersuchungsakten geschöpften überzeugung als verwirklicht erachtet (Art. 10 Abs. 2 StPO). Bestehen unüberwindbare Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für den Beschuldigten günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO).

      Stätzt sich die Beweisführung auf die Aussagen von Beteiligten, ist zu unterschei- den zwischen der allgemeinen Glaubwürdigkeit der Aussageperson und der

      Glaubhaftigkeit der konkreten Aussagen. Der allgemeinen Glaubwürdigkeit einer Person kommt allerdings eher untergeordnete Bedeutung zu. In erster Linie ist nicht auf die prozessuale Stellung der Beteiligten abzustellen, sondern auf den materiellen Gehalt ihrer Aussagen. Bei der Abklärung des Wahrheitsgehalts von Aussagen hat sich die sogenannte Aussageanalyse durchgesetzt. Nach deren empirischem Ausgangspunkt erfordern wahre und falsche Schilderungen unterschiedliche geistige Leistungen. überpröft wird dabei in erster Linie die Hypothese, ob die aussagende Person unter BeRücksichtigung der Umstände, der intellektuellen Leistungsfühigkeit und der Motivlage eine solche Aussage auch ohne realen Erlebnishintergrund machen könnte. Methodisch wird die Prüfung in der Weise vorgenommen, dass eine Aussage durch Inhaltsanalyse (aussageimmanente Qualitätsmerkmale, sogenannte Realkennzeichen) und Bewertung der Entstehungsgeschichte sowie des Aussageverhaltens auf Fehlerquellen überpröft und die persönliche Kompetenz der aussagenden Person analysiert werden. Bei der Glaubhaftigkeitsbewertung ist immer davon auszugehen, dass die Aussage auch nicht realitätsbegründet sein kann. Ergibt die Prüfung, dass diese Unwahrhypothese (Nullhypothese) mit den erhobenen Fakten nicht mehr in übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen. Es gilt dann die Alternativhypothese, dass die Aussage wahr sei (BGE 133 I 33 E. 4.3; 129 I 49 E. 5.; je mit Hinweisen). Zu achten ist inhaltlich auf Strukturbrüche innerhalb einer Aussage, auf überoder Untertreibungen, auch auf Widerspräche, vor allem aber auf das Vorhandensein ei- ner hinreichenden Zahl von Realitätskriterien und das Fehlen von lägensignalen (BENDER/NACK/TREUER, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, 3. Aufl., 2007, S. 68 ff. und S. 72 ff.).

    2. Gemäss dem in Art. 32 Abs. 1 BV und in Art. 10 Abs. 1 StPO verankerten Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Beschuldigten) ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die wegen einer strafbaren Handlung beschuldigte Person unschuldig ist (BGE 137 IV 219 E. 7.3; BGE 127 I 38 E. 2a; BGer 6B_617/2013 vom 4. April 2014, E. 1.2; PRA 2002 Nr. 2 S. 4 f.).

      Ein Schuldspruch darf mit anderen Worten nie auf blosser Wahrscheinlichkeit beruhen, sondern darf nur erfolgen, wenn die Schuld des Beschuldigten mit hinreichender Sicherheit erwiesen ist, das heisst Beweise dafür vorliegen, dass der Beschuldigte mit seinem Verhalten objektiv und subjektiv den ihm zur Last gelegten Straftatbestand verwirklicht hat. Von diesen Grundsätzen darf auch nicht abgewichen werden mit der Begründung, dass sich das Opfer einer Straftat manchmal in einem eigentlichen Beweisnotstand befindet, weshalb es in solchen Fällen ausreiche, wenn die Sachdarstellung des Opfers zumindest nicht unglaubhaft wirke. Das heisst umgekehrt nicht, dass bei einer Aussage gegen Aussage Situation stets ein Freispruch zu ergehen hat. Die Qualität der Aussagen muss aber in solchen Fällen bei einem Schuldspruch deutliche Unterschiede aufweisen in dem Sinne, dass die Validität der Aussage des Opfers sehr hoch ist und/oder jene der Aussagen des Beschuldigten sehr tief.

  4. BeweisWürdigung

    1. Der vorliegende Anklagevorwurf basiert schwerpunktmässig auf den Aussagen der Zeugen C. und B. . Daneben sind die Aussagen des Beschuldigten zu würdigen.

    2. Vorweg gilt festzuhalten, dass sich die Vorinstanz differenziert, genau und eingehend mit den Deposition der beiden Zeugen und des Beschuldigten auseinander gesetzt hat. Sie gab die Aussagen der Zeugen und des Beschuldigten korrekt wieder und würdigte diese zutreffend. Darauf kann vorab grundsätzlich verwiesen werden (Urk. 48 S. 11 ff., Art. 82 Abs. 4 StPO). Ergänzend bzw. teilweise präzisierend ist Folgendes festzuhalten:

    3. Insbesondere der Zeuge C. vermochte detailliert und nachvollziehbar zu schildern, wie es zur Gegenwehr des Beschuldigten anlässlich der Transportvorbereitung gekommen sei. So schilderte er anschaulich und differenziert, dass zu- nächst das Anziehen der Handschellen kein Problem dargestellt habe und die Situation sodann erst bei den Fussfesseln eskaliert sei, der Beschuldigte sich gewehrt und um sich geschlagen habe. Dabei habe der Beschuldigte versucht, zu treten und Kopfnüsse zu verteilen (Prot. I. S. 23 f.). Diese Schilderung deckt sich dahingehend mit den Aussagen des Beschuldigten, als dieser ebenfalls einräumte, er habe sich gegen die Fussfesselung gewehrt (Prot. I. S. 58; Urk. 61 S. 7 ff.). Auch der Beschuldigte selbst äusserte sich ferner dahingehend, dass die Sicher-

heitsbeamten aufgrund seiner Weigerung, die Fussfesseln anzuziehen, gegen ihn vorgegangen seien, namentlich den Kopf zu Boden gedRückt hätten, mit dem Knie gegen den Rücken gegangen seien sowie die Hände schmerzhaft verdreht hätten (Prot. I. S. 58; Urk. 61 S. 7 ff.). Der Beschuldigte stellt sich bei seiner Schilderung der Begebenheiten aber auf den Standpunkt, er habe nur verbal geäussert, dass er mit der Fussfesselung nicht einverstanden sei bzw. diese als nicht notwendig erachte (Urk. Prot. I. S. 57 ff.; Urk. 61 S. 7 ff.). Entgegen den Aussagen des Beschuldigten erscheint es indessen wenig plausibel, dass die mit der Transportvorbereitung betrauten Sicherheitsassistenten derart heftig reagiert hätten, wenn der Beschuldigte einzig verbal sein UnVerständnis für die Notwendigkeit einer Fussfesselung geäussert hätte. Zwar ist nicht auszuschliessen, dass sich der Beschul- digte zunächst verbal gegen die Fesselung stellte, indessen bringt auch er nicht vor, dass er daraufhin selbige habe über sich ergehen lassen. Die hat er erstmals im Rahmen der Berufungsverhandlung und mithin wenig glaubhaft geltend gemacht (Urk. 61 S. 11 f.). Die vom Zeugen C. dargestellte Chronologie, wo- nach das Einschreiten der Sicherheitsassistenten aufgrund der körperlichen Verweigerung und Gegenwehr der Beschuldigten gegen die Fussfesselung erfolgte (vgl. Prot. I S. 21 ff.), erscheint insgesamt als logischer und nachvollziehbarer Vorgang und ist entsprechend als glaubhaft zu erachten. Ferner ist auch vom Beschuldigten nicht in Abrede gestellt worden, dass der geplante Transport schliesslich nicht durchgefährt werden konnte. Vielmehr räumte selbst er ein, dass er wahrscheinlich in Rage geraten sei und in die Zelle habe zurückgetragen werden müssen (Prot. I S. 57; Urk. 61 S. 8 ff.). Bereits diese Umstände lassen auf massive Körperliche Gegenwehr des Beschuldigten schliessen, wird doch andernfalls ein mit erheblichem logistischem und personellem Aufwand verbundener Transport zu einer Einvernahme wenn irgend möglich wie geplant durchgefährt. Damit spricht auch die Tatsache, dass der Transport abgebrochen werden musste, für den Wahrheitsgehalt der Schilderungen des Zeugen C. .

Hinsichtlich des chronologisch nachfolgenden Anklagesachverhaltsabschnittes betreffend das Verletzen des Fingers des Sicherheitsassistenten C. in der Zelle erweisen sich dessen Depositionen ungeachtet einiger Erinnerungslücken als nachvollziehbar, authentisch und glaubhaft. So vermochte der Zeuge anschaulich darzulegen, dass der auf dem Bauch liegende Beschuldigte nach der Entfernung der Handschellen zunächst seine Hand gepackt habe. Da er die Hand habe entwinden können, habe der Beschuldigte am Schluss noch seinen Finger erwischt (Prot. I. S. 28). Sehr genau abwägend äusserte er sich daraufhin dahingehend, dass der Beschuldigte versucht habe, seinen Finger zu brechen, wobei er sofort einwarf, dies sei seine Sicht, mithin spontan subjektives Empfinden bzw. die Möglichkeit einer subjektiven Wahrnehmung einräumte. Zudem konnte er sei- ne Reaktion ausgesprochen detailliert darlegen, insbesondere, dass er den Arm des Beschuldigten gehalten habe, diesen dreimal aufgefordert habe, loszulassen,

und er daraufhin um Unterstätzung gerufen habe, worauf B.

sich Pfefferspray auf den Handschuh gespräht und diesen dem Beschuldigten ins Gesicht gerieben habe (Prot. I. S. 29). Dass er einräumte, sich nicht daran erinnern zu können, welcher Finger von der Verletzung betroffen gewesen sei (Prot. I. S. 27), stellt ferner entgegen den Vorbringen der Verteidigung (Prot. I S. 64 f.) kein Indiz für eine fehlende Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen dar. Bei der Befragung waren seit dem Vorfall schon über 1 Jahre vergangen und nachdem es sich nicht um eine gravierende Verletzung mit langfristigen Auswirkungen handelte, ist angesichts des Zeitablaufs die entsprechende Erinnerungsschwäche durchaus erklürbar. darüber hinaus spricht es durchaus für den Wahrheitsgehalt der Depositionen, dass der Zeuge Erinnerungslücken freimötig einräumte und solche nicht zu Fällen suchte. Die damit uneingeschränkt glaubhaft wirkenden Aussagen des Zeugen C. decken sich im Weiteren, wie bereits die Vorinstanz korrekt ausführte, in grundsätzlicher Hinsicht mit den Aussagen des Beschuldigten, differieren einzig dahingehend, als der Beschuldigte bestritt, den Finger umgedreht zu haben und darüber hinaus geltend machte, den Finger freiwillig losgelassen zu haben, wobei er erst danach Pfefferspray ins Auge bekommen habe (Urk. D2/3/3 S. 4, Prot. I. S.60; Urk. 61 S. 9 f.).

Hinsichtlich dieser Differenzen erscheinen indessen die Aussagen des Zeugen C. logisch nachvollziehbarer und in sich stimmiger und werden insbesondere durch weitere Beweismittel gestützt. So unterstreicht einerseits das Arztzeugnis vom 11. August 2021, welches im Nachgang zum dargestellten Vorfall eine mehrtätige Arbeitsunfähigkeit attestierte (Urk. D2/4/1), dass es sich nicht um eine reine

Bagatellverletzung handelte, weshalb unwahrscheinlich erscheint, dass der Finger nur festgehalten worden war. Der Zeuge C. hat hierzu zu Protokoll gegeben, der Beschuldigte habe immer wieder versucht, ihm den Finger umzudrehen (Urk. D2/3/2 F/A 5 ff. S. 1 f.; Prot. I S. 28). Es kann zumindest erstellt werden, dass der Beschuldigte den Finger gepackt und derart Gewalt im dynamischen Geschehen ausgeübt hat, das eine entsprechende Verstauchung resultierte. Gravierendere Verletzungen konnten verhindert werden. Dass es sich beim Arztzeugnis um ein GeFälligkeitsattest handelt, ist mangels konkreter Anhaltspunkte hierfür und in Verneinung einer entsprechenden Notorietät entgegen den Vorbringen des Beschuldigten (Prot. I. S. 61, zu verwerfen. Ebenfalls erscheint angesichts der gesamten Umstände entgegen der Verteidigung (Urk. 62 S. 9) abwegig und die Möglichkeit lediglich rein theoretischer Natur, dass die Verletzung am Finger des Beamten anders als durch die Gewaltausübung des Beschuldigten im Rahmen des dynamischen Geschehens herbeigefährt worden ist, weshalb dies ausgeschlossen werden kann.

darüber hinaus wurde das vom Zeugen C.

beschriebene Szenario aber

insbesondere auch durch den Zeugen B. bestätigt (Prot. I. S. 39 ff.). Dieser

sagte ebenfalls aus, dass der Beschuldigte die Hand des Zeugen C.

gepackt habe und er (B. ) daraufhin Pfefferspray in seine Handfläche habe sprayen und dem Beschuldigten damit über das Gesicht habe fahren müssen, wobei er erst dann die Umklammerung habe lösen können und sie (B. und C. ) die Zelle verlassen hätten (Prot. I. S. 39). Diese Aussagen des Zeugen B. erscheinen umso fundierter und glaubhafter, als er als Zeuge zum ersten Sachverhaltskomplex betreffend Transport befragt durchwegs und strikt einräumte, sich nicht mehr daran erinnern zu können und keine Aussagen dazu machen zu können. Es ist vor diesem Hintergrund kein Grund dafür ersichtlich, dass er ohne reale und genaue Erinnerung solch konzise Aussagen zum zweiten Sachverhaltskomplex, dem Vorfall in der Zelle, deponieren sollte.

Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen C.

und B. , welche

zudem über weite Strecken mit den Aussagen des Beschuldigten korrespondieren, ist der Sachverhalt, soweit von rechtlicher Relevanz, damit als rechtsgenügend erstellt zu erachten.

Ergänzend ist festzuhalten, dass die Verletzungen, welche der Beschuldigte beim Vorfall erlitten hatte (Schwellung und Schürfungen an den Fussgelenken und am Ohr), ebenfalls dokumentiert sind (Urk. D2/1 S. 4). Die vom Beschuldigten hierzu geltend gemachte grundlose Misshandlung durch die Beamten (Urk. D2/3/3 S. 1 ff., Prot. I. S. 57 ff.; Urk. 61 S. 7 ff.) lässt sich indessen nicht erhürten. Der Zeuge

C.

negierte übermässige Gewaltanwendung klar (Prot. I. S. 32). Solche

wurde auch vom Zeugen B. nicht bejaht (Prot. 39 ff.). Beide Zeugen vermochten darüber hinaus wie dargelegt glaubhaft den Ablauf zu schildern, wobei das entstandene Verletzungsbild des Beschuldigten durchaus in Einklang mit den dargelegten Abläufen gebracht werden kann. Eine grundlose überbor- dende Gewaltanwendung durch die Sicherheitsbeamten kann vor diesem Hintergrund nicht erstellt werden.

  1. Rechtliche Würdigung
    1. Die Vorinstanz würdigte das Verhalten des Beschuldigten als Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB (Urk. 48

      S.15 ff.).

    2. Betreffend die Grundlagen des Tatbestandes von Art. 285 Ziff. 1 StGB kann vollumfänglich auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 48 S. 15).

    3. Die rechtliche Würdigung erweist sich als zutreffend: Die Zeugen C. und B. sowie die weiteren beim Transport involvierten Personen verrichteten ihre Handlungen in Ausübung ihres Berufes als Sicherheitsassistenten im Haftbetrieb, mithin in Ausübung einer öffentlich-rechtlichen Funktion. Damit stellten sie Beamte im Sinne der Gesetzesbestimmung dar. Die Gegenwehr des Beschuldigten anlässlich der Transportvorbereitung aufgrund der vorzunehmen- den Fussfesselung und ebenso in der Zelle bei Abnahme der Handschellen erreichten eine Körperliche Intensität (Tritte, Versuch, Kopfnüsse zu verteilen, Packen und versuchtes Verdrehen des Fingers, sodass eine Verstauchung resultierte), die unzweifelhaft als Gewaltanwendung zu qualifizieren sind. Diese Handlungen erfolgten gewollt und im Wissen darum, dass sie sich gegen die staatlich verordnete Zwangsmassnahmen richtete, mithin vorsätzlich.

      Korrekt ist sodann die Feststellung der Vorinstanz, dass sich die Gewalt gegen verschiedene Personen richtete, indessen als Gegenwehr zur Fesselung bzw. zum Festhalten als einheitlicher Akt, gerichtet gegen die staatlichen Zwangsmass- nahmen, welche der Beschuldigte zu dulden hatte, eingeordnet werden muss, weshalb eine Einheitstat anzunehmen ist.

    4. Damit ist der Tatbestand der Gewalt gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB erfüllt.

    5. Breits im Sachverhalt wurde dargetan, dass keine übermässige ungerechtfertigte Gewalt Seitens des Staates angewandt worden sind, weshalb eine rechtfertigende Notwehr nicht gegeben ist. Andere RechtfertigungsGründe wurden weder dargetan, noch sind solche ersichtlich.

    6. Gemäss Gutachten vom 3. Januar 2022 (Urk. D1/6/9) ist dem Beschuldigten zum Tatzeitpunkt eine mittelgradige Verminderung der Schuldfühigkeit zu attestieren, auf welche im Rahmen der Strafzumessung zurückzukommen ist. SchuldausschlussGründe sind nicht gegeben (Urk. D1/6/9 S. 53).

  2. Strafzumessung
  1. Vorbemerkungen

    Die Vorinstanz hat sich zu den Grundsätzen der Strafzumessung sowie zum Strafrahmen zutreffend geäussert, worauf vorab, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen werden kann (Urk. 48 S. 17 ff.).

  2. Strafzumessung in concreto

    1. Tatkomponente

      1. Zur objektiven Tatkomponente ist festzuhalten, dass sich der Beschuldigte nur während relativ kurzer Zeit wehrte und trotz seiner nicht zu bagatellisierenden Gewaltbereitschaft letztlich niemand ernsthaft zu Schaden kam. Die Situation konnte insgesamt relativ rasch unter Kontrolle gebracht werden. Indessen ist mit der Vorinstanz aber auch zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte in der kurzen Zeit eine angesichts seines gefesselten Zustandes massive Gegenwehr an den Tag legte, geradezu in Rage geriet, so, dass der Transport nicht wie geplant durchgefährt werden konnte. Er zeigte bei diesem Rundumschlag letztlich eine ausGeprägte Missachtung von Behörden bzw. fehlende Akzeptanz und fehlenden Respekt gegenüber Personen im öffentlichen Dienst. Deren Körperliche seelische Integrität war dem Beschuldigten schlicht gleichgültig. Es ist angesichts sämtlicher objektiver Tatumstände von einem noch leichten Verschulden auszugehen. Eine Einsatzstrafe in der Höhe von etwa 6 Monaten Freiheitsstrafe bzw. 180 Tagessätzen Geldstrafe wie die Vorinstanz festlegte (Urk. 48 S. 19 f.) erscheint im Rahmen des Ermessens verschuldensangemessen.

      2. In subjektiver Hinsicht fällt einerseits der direkte Vorsatz ins Gewicht, andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass die Tat im Kontext der Stresssituation des Transports und der Fesselung zu verorten ist und sich die Gewalt dementsprechend spontan und ungeplant entlud. darüber hinaus ist auf das forensischpsychiatrische Gutachten von Dr. med. D. vom 3. Januar 2022 zu verweisen, gemäss welchem der Beschuldigte aufgrund einer zum Tatzeitpunkt relevanten mittelgradig ausGeprägten rezidivierenden depressiven STürung in der Steuerungsfühigkeit eingeschränkt war und demzufolge seine Schuldfühigkeit mittelgradig reduziert war (Urk. D1/6/9 S. 52 ff.). Das Gutachten ist Sorgfältig redigiert, nachvollziehbar aufgebaut und in seinen Schlussfolgerungen überzeugend, weshalb kein Grund besteht, an der attestierten Verminderung der Schuldfühigkeit zu zweifeln.

        Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich aufgrund der subjektiven Tatkomponente eine merkliche Reduzierung der Einsatzstrafe um 2 Monate Freiheitsstrafe bzw. 60 Tagessätze Geldstrafe.

      3. Es resultiert demnach eine Einsatzstrafe aufgrund der Tatkomponente von 4 Monaten Freiheitsstrafe bzw. 120 Tagessätzen Geldstrafe.

    2. täterkomponente

      1. Betreffend die Würdigung des persönlichen Werdegangs des Beschuldigten kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 48 S. 20). Aus der Biographie des Beschuldigten (Prot. I. S. 46 ff.; Urk. 61 S. 1 ff.) ergeben sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren.

      2. Im Rahmen des Vortatverhaltens ist zu berücksichtigen, dass der Beschul- digte mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 30. Oktober 2018 wegen mehrfach versuchter Drohungen als Ehegatte mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30 unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges sowie unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren bzw. mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 18. September 2019 wegen mehrfach versuchter Drohung, teilweise als Ehegatte, sowie mehrfachen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30 und einer Busse in Höhe von Fr. 300 als Gesamtstrafe zum Grundurteil vom 30. Oktober 2018 sanktioniert wurde (Urk. 52). Der Beschuldigte ist mithin vorbestraft, wobei sich die Vorstrafe vom 19. September 2019 hinsichtlich des mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinne von Art. 292 StGB als einschlägig erweist.

        Diese Umstände sind im Umfang von 2 Monaten Freiheitsstrafe bzw. 60 Tagessätzen Geldstrafe strafErhöhend zu veranschlagen.

      3. Hinsichtlich des Nachtatverhaltens ist zwar festzustellen, dass sich der Beschuldigte zumindest teilweise gestündig zeigte, insoweit, als er einräumte, sich gewehrt zu haben bzw. den Finger des Sicherheitsassistenten gehalten zu haben. Indessen berief er sich darauf, Opfer überschiessender Staatsgewalt geworden zu sein, was sich nicht erhürten liess. Das teilweise erfolgte Geständnis betreffend die äusseren Abläufe Rückt angesichts dieser Einbettung in einen anderen Sachverhalt dermassen in den Hintergrund, dass eine Strafreduktion gestützt darauf nicht angebracht erscheint.

        Einsicht und Reue können dem Beschuldigten ebenfalls nicht zugutegehalten werden. Gegenteils äusserte sich der Beschuldigte auch in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung abschätzig über Amtspersonen (Prot. I S. 59, S. 62).

  3. Fazit

    Nach dem Gesagten erscheint die von der Vorinstanz ausgefällte Strafhöhe vertretbar und es ist nicht in ihr Ermessen einzugreifen. Es resultiert mithin eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bzw. eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen.

  4. Strafart

    In Anwendung von Art. 41 StGB erkannte die Vorinstanz vor dem Hintergrund der finanziell angespannten Situation des Beschuldigten als Sozialhilfeempfänger sowie angesichts der bereits als vollziehbar ausgesprochenen Geldstrafe, welche offensichtlich kein Umdenken beim Beschuldigten bewirken konnte, auf eine Freiheitsstrafe (Urk. 48 S. 20). Dies erscheint unter zusätzlichem Verweis auf die fehlende Reue und Einsicht des Beschuldigten sowie die im psychiatrischen Gutachten vom 3. Januar 2022 attestierten Erhöhten Rückfallgefahr und in Anbetracht der damit einhergehenden schlechten Zukunftsprognose (Urk. D1/6/9

    S. 54) als korrekt und ist entsprechend zu bestätigen.

  5. Vollzug

Infolge der bereits verbüssten Untersuchungshaft sowie des vorzeitigen Mass- nahmevollzugs ist die Freiheitsstrafe bereits erstanden. Hiervon ist Vormerk zu nehmen.

  1. Entschädigung und Genugtuung
    1. Gemäss Art. 431 Abs. 2 StPO hat ein Beschuldigter Anspruch auf eine angemessene Entschädigung und Genugtuung, wenn im Fall von Untersuchungs- und Sicherheitshaft die zulässige Haftdauer überschritten ist (überhaft) und der übermässige Freiheitsentzug nicht an wegen anderer Straftaten ausgesprochene Sanktionen angerechnet werden kann. liegen keine aussergewöhnlichen Umstände vor, die eine Höhere Entschädigung rechtfertigen würden, gilt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine Entschädigung von Fr. 200 pro Tag überhaft als angemessen (vgl. BGer 6B_491/2020 vom 13. Juli 2020, E. 2.3.2).

    2. Der Beschuldigte befand sich gemäss Vorinstanz während 6 Monaten und 4 Tagen in Untersuchungshaft bzw. im vorzeitigen Massnahmenvollzug (station?re Einleitung der ambulanten Massnahme). Eigentlich waren es indes nur 6 Mo- nate und 3 Tage. Bei einer auszusprechenden Freiheitsstrafe von 6 Monaten liegt somit eigentlich eine überhaft von 3 Tagen vor. Unter BeRücksichtigung des Verschlechterungsverbots im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO sind indes 4 Tage überhaft zu entschädigen. Diese ist, weil keine aussergewöhnlichen Umstände vorliegen, mit insgesamt Fr. 800 zu entschädigen.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Da es im Berufungsverfahren betreffend das angefochtene Dossier Nr. 2 bei einem vollständigen Schuldspruch bleibt, ist die erstinstanzliche Kostenauflage gemäss Dispositivziffern 7 und 8 des angefochtenen Entscheids ausgangsgemäss zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO).

  2. Die Entscheidgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'600 zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit 16 Abs. 1 GebV OG und

    ? 14 Abs. 1 lit. a GebV OG).

  3. Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). In Anbetracht dessen, dass der Beschul- digte mit seiner Berufung gänzlich unterliegt, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

  4. Die amtliche Verteidigung macht für ihre Aufwendungen (inklusive geschätzte Dauer der Berufungsverhandlung) und Barauslagen im Berufungsverfahren Fr. 3'937.50 geltend (Urk. 60). Das geltend gemachte Honorar steht im Einklang mit den Ansätzen der Anwaltsgebührenverordnung und erweist sich grundsätzlich als angemessen. Mithin ist der amtliche Verteidiger unter BeRücksichtigung der effektiven Dauer der Berufungsverhandlung mit einem Honorar von Fr. 3'226.70 (inkl. MwSt.) aus der Gerichtskasse zu entschädigen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 13. April 2023 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1. (...)

    2. Der Beschuldigte ist bezüglich Dossier Nr. 1 der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.

    3.-5. (...)

    6. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.00 gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 9'800.00 Auslagen (Gutachten)

    Fr. 1'100.00 Kosten OGer ZH, III. StrK. (UB210132-O/U/HON)

    Fr. 60.00 Zeugenentschädigung

    Fr. 6'009.50 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt lic. iur. X2. (inkl. Auslagen und MwSt; bereits entschädigt)

    Fr. 9'900.00 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1._ (inkl. Auslagen und MwSt).

    Verlangt keine der Parteien eine schriftliche Begründung des Urteils, ermössigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

    7.-8. (...)

    9. (Mitteilungen)

    10.-11. (Rechtsmittel)

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist bezüglich Dossier Nr. 2 schuldig der Gewalt

    und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 Monaten Freiheitsstrafe.

    Die Strafe ist durch Untersuchungshaft sowie durch Massnahmevollzug erstanden.

  3. Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 7 und 8) wird bestätigt.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600.00 ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 3'226.70 amtliche Verteidigung

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  6. Dem Beschuldigten werden Fr. 800 als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen. Die weitergehende Genugtuungsforderung wird abgewiesen.

  7. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (versandt)

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland (versandt) sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland

    • Bundesamt für Polizei fedpol, Bundeskriminalpolizei, Guisanplatz 1A, 3003 Bern,

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials

  8. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Zürich, 23. November 2023

Der Präsident:

lic. iur. Ch. Prinz

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw A. Donatsch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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