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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB230328
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230328 vom 22.11.2023 (ZH)
Datum:22.11.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einfache Körperverletzung und Widerruf
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Berufung; Vorinstanz; Aussage; Geldstrafe; Urteil; Privatklägers; Bedingte; Verteidigung; Aussagen; Staatsanwalt; Probezeit; Staatsanwaltschaft; Einfache; Körperverletzung; Faust; ärztlich; Kiefer; Amtlich; Einfachen; Verfahren; Faustschlag; ärztliche; Zeugin; Polizei; Verletzung; Genugtuung
Rechtsnorm: Art. 105 StGB ; Art. 106 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 391 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StGB ; Art. 45 StGB ; Art. 46 StGB ; Art. 47 OR ; Art. 49 OR ; Art. 72 ATSG ; Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:107 IV 40; 115 II 156; 119 IV 1; 119 IV 25; 120 II 97; 125 III 412; 134 IV 189; 134 IV 1; 134 IV 60; 146 IV 145; 72 IV 21;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230328-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. C. Maira und Ersatzoberrichterin lic. iur. S. Nabholz sowie der Gerichtsschreiber MLaw L. Zanetti

Urteil vom 22. November 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin MLaw X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

vertreten durch Stv. Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Regenass,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend einfache Körperverletzung und Widerruf Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 8. März 2023 (GG220259)

Anklage:

(Urk. 18)

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 26. September 2022 ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 35 S. 31 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 50.– sowie mit einer Busse von Fr. 300.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.

    Die Busse ist zu bezahlen.

  4. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfrei- heitsstrafe von 3 Tagen.

  5. Die mit Strafbefehl des Untersuchungsamts Altstätten vom 8. Februar 2018 für die bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.– angesetzte Probezeit wird um 1 Jahr verlängert.

  6. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger Schadenersatz von Fr. 632.70 zuzüglich 5 % Zins ab 13. August 2020 zu bezahlen.

  7. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger Fr. 500.– zuzüglich 5 % Zins ab 6. Juni 2020 als Genugtuung zu bezahlen.

  8. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'500.–; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 900.– Gebühr für das Vorverfahren. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  9. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  10. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger für das gesamte Verfahren eine Pro- zessentschädigung von Fr. 6'432.50 (inkl. MWST) zu bezahlen.

  11. (Mitteilungen)

  12. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten (Urk. 49 S. 2):

    1. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB freizusprechen.

    2. Die Zivilklage sei abzuweisen, eventuell auf den Zivilweg zu verweisen.

    3. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 2'400.– seien auf die Staatskasse zu nehmen.

    4. Die mit Strafbefehl des Untersuchungsamts Altstätten vom 8. Februar 2018 für die bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.– angesetzte Probezeit sei nicht zu verlängern.

    5. Dem Privatkläger sei keine Parteientschädigung auszurichten.

    6. Der Beschuldigte sei unter dem Vorbehalt der amtlichen Verteidigung für seine Wahlverteidigung zu entschädigen.

    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse.

  2. Der Staatsanwaltschaft (Urk. 42):

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Prozessuales

      1. Zum Verfahrensgang bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils kann auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 35 S. 4). Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom

      8. März 2023 gemäss dem eingangs zitierten Urteilsdispositiv schuldig gespro- chen. Innert gesetzlicher Frist liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 9. März 2023 Berufung anmelden (Urk. 30; Art. 399 Abs. 1 StPO). Nachdem das begrün- dete Urteil den Parteien zugestellt worden war, reichte der Beschuldigte wiederum fristgerecht mit Eingabe vom 15. Juni 2023 die Berufungserklärung ein (Urk. 37; Art. 399 Abs. 3 StPO). Gleichzeitig stellte der Beschuldigte ein Gesuch um Ein- setzung seiner erbetenen Verteidigerin als amtliche Verteidigung (Urk. 38). Mit Präsidialverfügung vom 20. Juni 2023 wurde die amtliche Verteidigung rückwir- kend per Gesuchseinreichung bewilligt. Gleichzeitig wurde der Staatsanwaltschaft und dem Privatkläger Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Hauptberufung zu beantragen sowie um sich zu einer allfälligen schriftlichen Durchführung des Berufungsverfahrens zu äussern (Urk. 40). Die Staatanwaltschaft verzichtete in der Folge auf eine Anschlussberu- fung und erklärte, mit einem schriftlichen Verfahren einverstanden zu sein (Urk. 42). Der Privatkläger liess sich nicht vernehmen. Mit Präsidialverfügung vom

      18. Juli 2023 wurde daraufhin die Durchführung eines schriftlichen Berufungsver- fahrens angeordnet und dem Beschuldigten Frist angesetzt, um seine Berufung zu begründen (Urk. 45). Innert erstreckter Frist reichte der Beschuldigte seine Be- rufungsbegründung ein (Urk. 49). Nachdem der Staatsanwaltschaft und dem Pri- vatkläger Frist zur Erstattung einer Berufungsantwort angesetzt worden war, er- klärten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Privatkläger, auf eine solche zu verzichten (Urk. 53 und 54). Auch die Vorinstanz verzichtete auf eine Ver- nehmlassung (Urk. 52).

      2. Der Beschuldigte ficht abgesehen von der Kostenfestsetzung gemäss Dis- positivziffer 8 das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich an (Urk. 37). Vorab festzu- stellen ist demnach, dass das Urteil der Vorinstanz betreffend Ziff. 8 in Rechts- kraft erwachsen ist. Im Übrigen steht es im Berufungsverfahren – unter Beach- tung des Verschlechterungsverbots gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO – zur Dispositi- on.

    2. Sachverhalt

      1. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten zusammengefasst vor, am

      6. Juni 2020 um ca. 23:45 Uhr im Rahmen eines verbalen Streits wegen Lärmbe- lästigung dem Privatkläger mit der rechten Hand einen Faustschlag gegen die lin- ke Seite des Kiefers verpasst zu haben. Der Privatkläger habe dadurch eine Prel- lung des Kiefergelenks erlitten. Die Vorinstanz sah den Anklagevorwurf als voll- umfänglich erstellt an (Urk. 35 S. 21).

      1. Die Vorinstanz hat bereits zutreffend festgehalten, dass als relevante Be- weismittel vorliegend insbesondere die Aussagen des Beschuldigten und des Privatklägers zu würdigen sind. Weiter liegen diverse Zeugenaussagen der mit dem Beschuldigten in der Wohnung anwesenden Personen, namentlich Frau

        B.

        (Urk. 5/1), Herr C.

        (Urk. 5/2), Frau D.

        (Urk. 5/3) und Frau

        E.

        (Urk. 5/4), vor. Weiter wurden die beiden Polizeibeamten F.

        und

        G. als Zeugen einvernommen, welche nach einem Anruf des Privatklägers an den Tatort ausgerückt waren (Urk. 5/5 und 5/7). Schliesslich ist auch der ärztli- che Befund des Zentrums für Zahnmedizin vom 1. November 2021 zur Erstellung des Sachverhalts heranzuziehen (Urk. 8/5).

        Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Beweiswürdigung sowie die Aussagen der Beteiligten zutreffend aufgeführt, weshalb zwecks Vermeidung unnötiger Wieder- holungen vorab darauf zu verweisen ist. Im Weiteren unterzog sie die Aussagen des Beschuldigten, des Privatklägers sowie der Zeugen einer sorgfältigen Glaub- haftigkeitsanalyse, welche als zutreffend übernommen werden kann (Urk. 35

        S. 7 ff. Art. 82 Abs. 4 StPO).

        Stark zusammengefasst führte der Beschuldigte aus, dass es zwar zu einem Gespräch mit dem Privatkläger gekommen sei, sie Stirn an Stirn gestanden sei- en und er ihn weggestossen habe. Er habe den Privatkläger aber nicht geschla- gen. Der Privatkläger stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, der Beschul- digte habe ihn – als er ein zweites Mal, nun mit dem Mietvertrag zur Wohnung gegangen sei – mit der Faust gegen sein Gesicht geschlagen, nachdem die eben- falls anwesende ältere Frau den Mietvertrag zerknüllt und zu Boden geworfen habe. Die Zeugin E. (Bewohnerin der Wohnung) führte aus, es sei zu keiner physischen Auseinandersetzung gekommen (Urk. 5/1 Frage 29 ff.). Der Zeuge C. (Bewohner der Wohnung) gab zu Protokoll, er habe den Vorfall nicht ge- sehen, da er erst vor die Türe gegangen sei, als bereits die Polizei vor Ort gewe-

        sen sei (Urk. 5/2 Frage 12 ff.). Die Zeugin D.

        (Schwiegermutter des Beschuldigten) führte aus, sie habe den Privatkläger vor der Einvernahme noch nie gesehen und könne sich nicht an den Vorfall erinnern (Urk. 5/3 Frage 17 ff.). Die Zeugin E. (Ehefrau des Beschuldigten) machte schliesslich von ihrem Aus- sageverweigerungsrecht Gebrauch (Urk. 5/4). Die ebenfalls einvernommenen Po- lizisten konnten sich ihrerseits nur noch vage an den Vorfall erinnern. Aussagen dazu, ob der Beschuldigte damals von einem Schlag mit der offenen Hand oder mit der Faust berichtet habe, konnte nur der Zeuge F. machen, welcher die Vermutung äusserte, der Privatkläger habe eine Geste mit der offenen Hand ge- gen das Gesicht gezeigt (Urk. 5/7 Frage 28). Sie bestätigten zudem in allgemei- ner Weise, dass es ein übliches Vorgehen sei, einen angeblichen Schlag durch den Geschädigten mittels einer Geste zeigen zu lassen. Im Einzelnen wird jeweils auf die ausführliche Darstellung der Aussagen im vorinstanzlichen Urteil verwie- sen (Urk. 35 S. 8 ff.).

        Dem ärztlichen Befund des Zentrums für Zahnmedizin vom 1. November 2021 ist zu entnehmen, dass der Privatkläger am 8. Juni 2020 zu einer Konsultation erschien. Der Privatkläger habe eine Kontusion (Prellung) des Kiefergelenks er- litten. Der Privatkläger habe hierzu angegeben, dass er einen Faustschlag gegen den Unterkiefer erhalten habe. Weiter wird festgehalten, dass es bei einem Schlag gegen den Unterkiefer zu einer Druckübertragung zum Kiefergelenk kom- men könne, was die Beschwerden erklären würde. Theoretisch sei eine Selbstbei- bringung möglich (Schlag/Sturz). Dies sei jedoch schwer durchzuführen. Als Fol- ge der Kontusion sei eine temporär eingeschränkte Mundöffnung festgestellt wor- den (Urk. 8/5).

      2. Angesichts des aktenkundigen ärztlichen Berichts steht fest, dass der Pri- vatkläger zumindest zwei Tage nach dem Vorfall an einer Kieferkontusion litt, welche mit einem Schlag gegen das Gesicht, wie er es zu Protokoll gegeben hat,

      ohne Weiteres zu vereinbaren wäre. Eine Selbstbeibringung ist gemäss ärztlichen Feststellung nur schwer auszuführen. Entgegen der Argumentation der Verteidi- gung (Urk. 49 S. 11) bestehen angesichts der ärztlichen Feststellungen zudem auch keine Anhaltspunkte, dass die Symptome des Privatklägers durch Zähne- knirschen, eine Entzündung oder einen Sturz verursacht worden sein könnten. Der Verteidigung ist auch nicht zu folgen, wenn sie darauf hinweist, dass die Poli- zeibeamten vor Ort keine sichtbare Verletzung des Privatklägers erkennen konn- ten, und daraus ableiten will, dass der Privatkläger keine Verletzung erlitten habe (Urk. 49 S. 8). Die ärztlich beschriebene Kontusion des Kiefers ist von aussen nicht sichtbar bzw. für Laien zumindest nicht ohne Weiteres erkennbar. Entspre- chend ergibt aus der Nichterwähnung einer Verletzung im Polizeirapport bzw. aufgrund des Umstands, dass die Polizisten keine Verletzung wahrnehmen konn- ten, nichts Entscheidendes.

      Die Aussagen des Privatklägers erweisen sich ihrerseits in jeder Hinsicht als glaubhaft. In freier Rede schilderte er detailliert, wie sich das Geschehen im Trep- penhaus abgespielt habe. Er konnte sich hierbei an nebensächliche Details wie die Farbe der Kleidung der jeweils vor der Tür stehenden Personen erinnern (Urk. 4 Frage 13). Dass diese Beschreibungen korrekt waren, wurde durch die

      Zeugin B.

      und den Beschuldigten bestätigt (Urk. 3/3 Frage 9 f.; Urk. 5/1

      Frage 64). Weiter beschrieb er lebensnah, wie er zunächst ohne Mietvertrag zu den Nachbarn gegangen sei und diese um Ruhe gebeten habe. Erst als diese die Meinung vertreten hätten, man dürfe bis Mitternacht laut sein, habe er den Miet- vertrag geholt, dort nachgeschaut und sei damit wieder zur Türe der Nachbarn zu- rückgekehrt (Urk. 4 Frage 13). Lebensnah erscheint dabei – entgegen der Argu- mentation der Verteidigung (Urk. 49 S. 6) – auch seine Schilderung, man habe den Mietvertrag sodann zerknüllt und ihm vor die Füsse geworfen (Urk. 4 Fra- ge 13). Dies erscheint zumindest deutlich nachvollziehbarer als die Schilderung des Beschuldigten, wonach der Privatkläger seinen eigenen Mietvertrag auf den Boden geworfen habe (Urk. 3/1 Frage 17). Diese vom Beschuldigten vorgebrach- te Darstellung erscheint bereits deshalb nicht nachvollziehbar, da der Privatkläger sich einerseits ausdrücklich auf die Ruhezeitangaben in eben diesem Dokument

      beziehen wollte und sein eigener Mietvertrag für ihn von doch erheblicher Bedeu- tung sein dürfte, weshalb er ihn nicht ohne Weiteres auf den Boden werfen dürfte.

      Auch den Schlag an sich, vermochte der Privatkläger insoweit nachvollziehbar zu beschreiben, insoweit er aussagte, sein Kopf sei durch den Schlag zur Seite gedreht worden. Auch die Interaktionen mit der Polizei konnte er detailliert be- schreiben. So führte er insbesondere aus, dass ihn die Polizeibeamten nach der Art des Schlages gefragt hätten (Urk. 4 Frage 13), was seitens der Polizeibeam- ten zumindest als übliches Vorgehen bestätigt wurde (Urk. 5/5 Frage 26; Urk. 5/7 Frage 27).

      Nicht überzeugend bzw. teilweise nicht sachdienlich sind die Aussagen der Teil- nehmenden der Party in der fraglichen Wohnung. Die Zeugin D. behaupte- te, nie an der Türe gewesen zu sein (Urk. 5/3 Frage 28). Dennoch konnte der Pri- vatkläger die Farbe ihrer Kleidung beschreiben, welche von einer anderen Zeugin bzw. vom Beschuldigten bestätigt wird (Urk. 3/3 Frage 9 f.; Urk. 5/1 Frage 64). Dies spricht dafür, dass die Zeugin entgegen ihrer Aussage doch an der Türe war. Ohnehin sind aus ihren Aussagen aber keine sachdienlichen Erkenntnisse zu ge- winnen, zumal sie sich an den Vorfall nicht erinnern können will. Auch die Aussa- gen des Zeugen C. können zur Sachverhaltserstellung nichts Entscheiden- des beitragen, da dieser erst nach Eintreffen der Polizei zur Türe gekommen sein will (Urk. 5/2 Frage 14 ff.). Dies widerspricht zwar den Aussagen des Beschuldig- ten, gemäss welchen C. eben bereits früher zur Tür gegangen sei (Urk. 3/1 Frage 20). So oder anders lässt sich aus seinen Aussagen aber nichts Erhellen- des ableiten. Die Ehefrau des Beschuldigten, die Zeugin E. , machte sodann von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch (Urk. 5/4 Frage 13), weshalb sich auch aus ihrer Einvernahme nichts Relevantes ergibt. Einzig die Zeugin

      B.

      führte ausdrücklich aus, es sei zu keiner körperlichen Auseinandersetzung gekommen (Urk. 5/1 Frage 15 und 30). Dass dies so aber nicht zutreffen kann, geht aber auch aus den Aussagen des Beschuldigten anlässlich der vo- rinstanzlichen Hauptverhandlung hervor. Er führte auf Frage des Einzelrichters aus, er und der Privatkläger seien Stirn an Stirn zueinander gestanden und er habe den Privatkläger daraufhin weggestossen (Prot. I S. 7). Vor diesem Hintergrund muss die Aussage der Zeugin B. als Schutzbehauptung zu Gunsten des Beschuldigten, mit welchem sie freundschaftlich verbunden ist, qualifiziert werden.

      Der Umstand, dass im Polizeirapport von einer Ohrfeige die Rede ist hat – entge- gen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 49 S. 7 f.) – keine entscheidende Bedeu- tung. Bekannt ist, dass die Polizeibeamten sich mit dem Beschuldigten auf Eng- lisch unterhalten und entsprechende Übersetzungen im auf Deutsch verfassten Rapport vornehmen mussten. Ein Dolmetscher war im Gegensatz zu den später bei der Staatsanwaltschaft durchgeführten Einvernahmen bei der Intervention vor Ort noch nicht anwesend. Allfällige sprachliche Ungenauigkeiten und Überset- zungsfehler können entsprechend nicht ausgeschlossen werden. Demgegenüber war bei der Einvernahme des Privatklägers vor der Staatsanwaltschaft eine zuge- lassene Dolmetscherin anwesend (vgl. Urk. 4 S. 1), welche den durch den Privat- kläger beschriebenen Schlag als Faustschlag übersetzte. Hiervon muss ausge- gangen werden.

      Weiter bringt die Verteidigung vor, das Schreiben des Privatklägers vom

      14. August 2020, mit welchem er den Betrag von Fr. 3'500.– verlangt habe, damit er keine Strafanzeige einreiche (Urk. 3/2), zeige ein unverkennbares finanzielles Interesse, dass der Beschuldigte verurteilt werde (Urk. 49 S. 5 und S. 9). Die For- derung des Privatklägers ist zwar tatsächlich relativ hoch und erweckt den Ein- druck, als wollte er – auch – finanziellen Profit aus der Angelegenheit schlagen. Gleichwohl führt dies nicht zum Schluss, dass seine glaubhaften Aussagen und die objektiven Beweismittel entkräftet würden. Inwiefern der Beschuldigte vorlie- gend zu verpflichten ist, dem Privatkläger aufgrund des Vorfalls etwas zu bezah- len, wird unter dem Titel der Zivilforderungen zu prüfen sein.

      4. Zusammenfassend erscheinen die Aussagen des Privatklägers demnach überzeugend. Sie werden zudem durch den ärztlichen Bericht gestützt. Die Aus- sagen der weiteren Zeugen sind demgegenüber entweder nicht überzeugend o- der für den Anklagesachverhalt nicht von Relevanz. Der Anklagesachverhalt ist damit vollumfänglich erstellt.

    3. Rechtliche Würdigung

      1. Nach Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich der einfachen Körperverletzung schuldig, wer vorsätzlich einen Menschen in anderer als schwerer Weise an Kör- per oder Gesundheit schädigt. Bei Blutergüssen, Schürfungen, Kratzwunden oder Prellungen ist die Abgrenzung der einfachen Körperverletzung zum Tatbestand der Tätlichkeiten begrifflich nur schwer möglich (BGE 134 IV 189 E. 1.3 mit Hin- weisen). Für die Abgrenzung kommt dem Mass des verursachten Schmerzes ent- scheidendes Gewicht zu. Wenn vom Eingriff keine äusseren Spuren bleiben, ge- nügt schon das Zufügen erheblicher Schmerzen als Schädigung im Sinne einer einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 StGB (BGE 107 IV 40 mit Hinweisen). Bei den Begriffen der Tätlichkeiten und der Verletzung der körperli- chen Integrität handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Dem Sachgericht kommt bei der Abgrenzung dieser Tatbestände ein Ermessensspielraum zu, da die Feststellung der Tatsachen und die Auslegung des unbestimmten Rechtsbe- griffs eng miteinander verflochten sind (BGE 134 IV 189 E. 1.3; 127 IV 59 E. 2a/bb; BGer Urteile 6B_447/2021 vom 16. Juli 2021 E. 4.1.1; 6B_822/2020 vom

      13. April 2021 E. 3.3; je mit Hinweisen). Hat das Bundesgericht in früheren Ent- scheiden teilweise noch schwerwiegendere Beeinträchtigungen als Tätlichkeiten qualifiziert (Schürfung an der rechten Nasenseite und eine Quetschung mit Ver- färbung der rechten Gesichtshälfte verursachte [BGE 72 IV 21]; schmerzempfind- liche Druckstellen mit einem tiefen Hämatom und einer schmerzenden Verren- kung des Kiefergelenkes [BGE 107 IV 40]), wird der Anwendungsbereich der ein- fachen Körperverletzung gemäss neuerer Praxis deutlich weiter gefasst. So wer- tete das Bundesgericht mit BGE 119 IV 1 Schläge an den Kopf eines zweieinhalb Jahre alten Kindes, die noch am nächsten Tag feststellbare Spuren am linken Kiefer und beim rechten Ohr hinterlassen hatten, nicht mehr als Tätlichkeiten, sondern als einfache Körperverletzungen, da derartige Schläge nach der Le- benserfahrung nicht geringe Schmerzen verursachen würden. Das gilt nach BGE 119 IV 25 auch für einen Faustschlag ins Gesicht, wenn dieser einen Bluterguss unter der linken Augenhöhle mit Schmerzen beim Berühren des Wangenkno- chens zur Folge hat. Als Tätlichkeiten sind damit einzig Eingriffe in die körperliche Integrität zu werten, die nur Schrammen, Kratzer, Schürfungen, blaue Flecken

      oder Quetschungen bewirken, ohne erhebliche Schmerzen zu verursachen (BSK StGB-ROTH/KESHELAVA, Art. 126 N 5 m.H.; Praxiskommentar StGB- TRECHSEL/GETH, Art. 126 N 3 m.H.).

      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der zweite Absatz von aArt. 123 Ziff. 1 StGB, wonach in leichten Fällen der Richter die Strafe mildern kann, durch das Bundes- gesetz vom 17. Dezember 2021 über die Harmonisierung der Strafrahmen auf den 1. Juli 2023 aufgehoben wurde (AS 2023 259; BBl 2018 2827). Allerdings gilt das Rückwirkungsverbot bzw. der Grundsatz der lex mitior gemäss Art. 2 StGB. Mithin ist eine rückwirkende Anwendung einer Gesetzesänderung unzulässig, wenn sie sich zulasten des Täters auswirkt.

      1. Vorliegend resultierte durch den Faustschlag des Beschuldigten eine Kiefer- kontusion, wodurch der Privatkläger den Mund temporär nur eingeschränkt öffnen konnte. Von ärztlicher Seite wurde empfohlen, während zwei Wochen nur weiche Kost zu sich zu nehmen (Urk. 8/5). Er habe eigenen Angaben zufolge Schmerzen beim Essen verspürt und sei deswegen zum Arzt gegangen. Er habe während ca. 17 bis 18 Tagen Schmerzen gehabt, wobei die Ärztin gesagt habe, es könne ca. zwei Wochen dauern. Für die Schmerzen habe er von der Ärztin ein Rezept für ein Schmerzmittel und ein weiteres Medikament erhalten (Urk. 4 Frage 13, 25 und 28 f.). Die durch den Beschuldigten mittels Faustschlags verursachte Beeinträchtigung überschritt damit die Grenze einer Tätlichkeit, zumal eine solche in der Regel nur dann vorliegt, wenn die Folgen bereits nach wenigen Stunden nicht mehr spürbar sind. Auch die ärztliche Empfehlung, während der nächsten zwei Wochen nur weiche Kost zu sich zu nehmen, belegt die nicht ganz vernach- lässigbare körperliche Beeinträchtigung, welche der Privatkläger durch den Faustschlag erlitt. Mit der Vorinstanz und entgegen der Argumentation der Vertei- digung (Urk. 49 S. 11 ff.) ist der der objektive Tatbestand einer einfachen Körper- verletzung erfüllt, wobei ein leichter Fall im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB vorliegt.

        Der Beschuldigte nahm mit dem Faustschlag in Kauf, dem Privatkläger eine zu- mindest leichte Verletzung zuzufügen. Der subjektive Tatbestand ist demnach ebenfalls erfüllt.

      2. Da im Übrigen weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschlussgründe vor- liegen, ist der vorinstanzlich ausgefällte Schuldspruch wegen eines leichten Falles der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB zu bestätigen.

    4. Sanktion und Vollzug

      1. Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Strafzumessung und der Wahl der Sanktionsart zutreffend aufgeführt (Urk. 35 S. 23 f.). Dies ist zu übernehmen.

        1. Der Beschuldigte hat dem Privatkläger überraschend im Rahmen eines zunächst verbalen Streits um abendlichen Lärm einen Faustschlag verpasst, wo- bei dieser nicht besonders hart war. Gleichwohl erlitt der Privatkläger eine Kiefer- kontusion und verspürte während einigen Tagen Schmerzen beim Essen bzw. Öffnen des Mundes. Gemäss ärztlicher Empfehlung sollte er deswegen während zwei Wochen nur weiche Kost zu sich nehmen. Der Beschuldigte handelte dabei eventualvorsätzlich. Das Tatverschulden ist – mit der Vorinstanz (Urk. 35 S. 24) – als gering zu bezeichnen.

        2. Zu den persönlichen Verhältnissen hat die Vorinstanz festgehalten, dass der Beschuldigte am tt. August 1989 in der Dominikanischen Republik geboren worden sei. Bis zum Alter von 14 Jahren habe er dort die Schule besucht, bevor er nach Spanien gegangen sei. Dort habe er die obligatorische Sekundarschule absolviert und anschliessend verschiedene Kurse als Schweisser, Aluminiumbau- arbeiter, Geschäftsleiter und Gabelstapelfahrer besucht. In Spanien habe er als Lagerist und Verkäufer gearbeitet. Im Jahre 2014 sei er in die Schweiz gekom- men. Nachdem er eine Zeit lang als Tellerwäscher gearbeitet habe, sei er nun in der Reinigungsbranche tätig. Im Jahre 2015 habe er geheiratet. Er habe zwei Töchter (Urk. 35 S. 24 ff.; Urk. 3/4 Frage 24; Prot. I S. 5 f.). Im Berufungsverfah- ren brachte der Beschuldigte keine wesentlichen Änderungen in seinen persönli- chen Verhältnissen vor (Urk. 49), weshalb von unveränderten Umständen auszu- gehen ist. Mit der Vorinstanz sind die persönlichen Verhältnisse strafzumes- sungsneutral zu werten.

          Der Beschuldigte ist zweifach vorbestraft. So wurde er mit Strafbefehl der Staats- anwaltschaft Zürich-Sihl vom 6. Juni 2017 wegen einer groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzten zu Fr. 50.– sowie einer Busse von Fr. 500.– bestraft. Weiter wurde er mit Strafbefehl des Untersuchungsamts Altstätten vom 8. Februar 2018 wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall, Verletzung der Verkehrsregeln sowie Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.– sowie einer Busse von Fr. 1'500.– bestraft (Urk. 36). Die Vorstrafen wirken sich straferhöhend aus.

          Ein Geständnis legte der Beschuldigte nicht ab, was indessen bloss strafzu- messungsneutral zu werten ist.

        3. Insgesamt erweist sich die von der Vorinstanz festgesetzte Geldstrafe von 30 Tagessätzen dem Tatverschulden und den täterbezogenen Aspekten ange- messen.

        4. Die Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe beträgt mindestens Fr. 30.– und höchstens Fr. 3'000.– (Art. 34 Abs. 2 StGB). Die Tagessatzhöhe wird nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum be- stimmt (Art. 34 Abs. 2 StGB).

          In Bezug auf seine finanziellen Verhältnisse schilderte der Beschuldigte in der Untersuchung und im vorinstanzlichen Verfahren, dass er monatlich Fr. 4'250.– brutto verdiene und einen 13. Monatslohn erhalte. Er lebe zusammen mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern, welche drei und acht Jahre alt seien. Seine Ehefrau arbeite nicht, die Miete koste monatlich Fr. 1'440.– und er habe Schulden in der Höhe von ca. Fr. 12'000.–. Sodann unterstütze er seine Mutter monatlich mit Fr. 300.– bis Fr. 400.– (Urk. 3/4 Frage 14 ff., Prot. I S. 5). Im Berufungsverfah- ren bezifferte er seine Schulden gar auf Fr. 15'000.– (vgl. Urk. 44/1).

          Angesichts dieser knappen finanziellen Verhältnisse rechtfertigt es sich, den Tagessatz auf Fr. 50.– festzusetzen.

        5. Zusammenfassend ist der Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 30 Tages- sätzen zu Fr. 50.– zu bestrafen.

      1. Die Vorinstanz hat dem Beschuldigten für die neu auszufällende Geldstrafe den bedingten Vollzug gewährt (Urk. 35 S. 27). Dies ist aufgrund des Verschlech- terungsverbots gemäss Art. 391 Abs. 2 StGB ohne Weiteres zu bestätigen. Die von der Vorinstanz auf 4 Jahre angesetzte Probezeit erweist sich angesichts der aufgrund der zwei Vorstrafen verbleibenden Bedenken hinsichtlich des Wohlver- haltens als angemessen und ist ebenfalls zu bestätigen.

      2. Die Vorinstanz hat dem Beschuldigten schliesslich eine sogenannte Verbin- dungsbusse in Höhe von Fr. 300.– auferlegt (Urk. 35 S. 26).

      Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse (Art. 106 StGB) verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Mit der Verbindungsbusse soll im Bereich der Massende- linquenz die Möglichkeit geschaffen werden, eine spürbare Sanktion zu verhän- gen. Die Bestimmung dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwi- schen der gemäss Art. 105 Abs. 1 StGB stets unbedingten Busse für Übertretun- gen und der bedingten Geldstrafe für Vergehen zu entschärfen. Auf Massendelik- te, die im untersten Bereich bloss mit Bussen geahndet werden, soll auch mit ei- ner unbedingten Sanktion reagiert werden können, wenn sie die Schwelle zum Vergehen überschreiten. Im Bereich der leichteren Kriminalität verhilft Art. 42 Abs. 4 StGB demnach zu einer rechtsgleichen Sanktionierung. Die Verbindungsbusse trägt ferner dazu bei, das unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten eher geringe Drohpotential der bedingten Geldstrafe zu erhöhen. Dem Verurteil- ten soll ein Denkzettel verabreicht werden können, um ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen und zugleich zu zeigen, was bei Nichtbewährung droht (BGE 146 IV 145 E. 2.2; BGE 134 IV 1 E. 4.5. S. 8, BGE 134 IV 60 E. 7.3.1 S. 74 f. mit

      Hinweisen).

      Vorliegend liegt kein Fall eines Massendelikts vor, bei welchem zwingend eine unbedingte Sanktion angezeigt ist. Anhaltspunkte, dass durch die bedingte Geldstrafe sowie die Verlängerung der Probezeit betreffend eine Vorstrafe (vgl. sogleich) nicht in ausreichendem Masse spezialpräventiv auf den Beschul- digten eingewirkt werden könnte, sind nicht ersichtlich. Von einer Verbindungs- busse ist daher abzusehen.

    5. Widerruf

      Die Vorinstanz hat auf den Widerruf der mit Strafbefehl des Untersuchungsamts Altstätten vom 8. Februar 2018 bedingt ausgefällten Strafe verzichtet (Urk. 35

      S. 28). Dies ist aufgrund des Verschlechterungsverbots gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO ohne Weiteres zu bestätigen. Weiter hat die Vorinstanz die Probezeit ge- stützt auf Art. 46 Abs. 2 StGB um ein Jahr verlängert (Urk. 35 S. 28). Aufgrund der erneuten – wenn auch nicht einschlägigen – Delinquenz erweist sich eine Ver- längerung der Probezeit um ein Jahr als angemessen. Die vorinstanzliche Rege- lung ist damit zu bestätigen.

    6. Zivilforderungen

      1. Der Privatkläger macht eine Schadensersatzforderung in der Höhe von Fr. 632.70 zuzüglich 5 % Zins seit dem 13. August 2020 geltend (Urk. 25 S. 1). Aufgrund der durch den Faustschlag erlittenen Kieferkontusion habe sich der Pri- vatkläger in ärztliche Behandlung begeben müssen, was Kosten in Höhe von Fr. 632.70 verursacht habe (Urk. 25 N 19; Urk. 1 N 9 f.). Der Beschuldigte lässt dagegen vorbringen, dass die Abrechnung der Arztkosten nach dem Unfallver- sicherungsgesetz erfolgt sei und aufgrund der Subrogation (Art. 72 Abs. 1 ATSG) dem Privatkläger kein Forderungsrecht zukomme (Urk. 27 N 38; Urk. 49 S. 13).

        Die Vorinstanz erwog, der Privatkläger habe angegeben, dass sein Schaden nicht durch eine Versicherung übernommen werde und verweist hierzu auf das vorge- druckte Formular der Staatsanwaltschaft und das entsprechend gesetzte Kreuz des Privatklägers (Urk. 35 S. 29 mit Verweis auf Urk. 9/6). Da es sich vorliegend indessen eindeutig um einen Unfall handelte, für welchen die Unfallversicherung –

        oder allenfalls die Krankenversicherung (vgl. Art. 1a Abs. 2 lit. b KVG; SR 832.10, Bundesgesetz über die Krankenversicherung) – grundsätzlich aufzukommen hat, ist fraglich, welche Kosten der Privatkläger letztlich selbst zu tragen hatte. Dass es sich beim vorliegend geltend gemachten Betrag von Fr. 632.70 um von der Un- fallversicherung rückforderungsfähige Leistungen handelt, belegt zudem der durch das Universitätsspital Zürich, Zentrum für Zahnmedizin, ausgestellte Rück- forderungsbeleg (Urk. 8/1; vgl. insbesondere auch die Vermerke Behandlungs- grund: Unfall sowie Gesetz: UVG). Der Beschuldigte macht hinsichtlich der tat- sächlich durch ihn zu tragenden Kosten (Selbstbehalt, Franchise etc.) bzw. hin- sichtlich einer allfälligen Rückforderung durch die Unfallversicherung keine Aus- führungen und reicht auch keine Belege ein. Sein Schadenersatzbegehren ist da- her auf den Zivilweg zu verweisen.

      2. Der Privatkläger verlangt zudem gestützt auf Art. 47 OR eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 500.– zuzüglich 5 % Zins seit dem 6. Juni 2020 (Urk. 1 N 10; Urk. 25 S. 1 und N 19). Der Beschuldigte macht geltend, die für die Zusprechung einer Genugtuung notwendige Intensität sei vorliegend nicht gegeben, weshalb die Forderung abzuweisen sei (Urk. 49 S. 13 f.).

      Die Genugtuung nach Art. 49 OR setzt insbesondere voraus, dass die objektive und die subjektive Schwere der Verletzung die Zusprechung einer Geldsumme rechtfertigt (BGE 120 II 97 E. 2). Ob eine Persönlichkeitsverletzung hinreichend schwer wiegt, um die Zusprechung einer Geldsumme als Genugtuung zu recht- fertigen, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BGE 125 III 412 E. 2a). Bei der Beurteilung der Frage, ob besondere Umstände eine Ge- nugtuung rechtfertigen, steht dem Gericht ein weites Ermessen zu (BGE 115 II 156 E. 1 mit Hinweis).

      Der Privatkläger erlitt vorliegend bloss vorübergehend eine leichte Beeinträchti- gung beim Essen bzw. beim Öffnen des Mundes. Bleibende Schäden oder Be- einträchtigungen sind nicht bekannt. Es liegt zudem nur ein leichter Fall einer einfachen Körperverletzung vor, welcher sich an der Grenze zur Tätlichkeit be- wegt. Die eingetretene Verletzung der Persönlichkeit erreicht daher noch nicht die Intensität, welche die Zusprechung einer Genugtuung rechtfertigen könnte. Das

      Begehren des Privatklägers auf Zusprechung einer Genugtuung in Höhe von Fr. 500.– ist daher abzuweisen.

    7. Kosten- und Entschädigungsfolgen

1. Ausgangsgemäss ist die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 9) zu bestäti- gen (Art. 426 Abs. 1 StPO).

    1. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf Fr. 3'600.– festzusetzen (Art. 424 Abs. 1 StPO i.V.m. § 16 Abs. 1 und § 14 GebV OG).

    2. Im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StGB). Der Beschuldigte un- terliegt mit seinen Berufungsanträgen grösstenteils, zumal er insbesondere im Schuld- und Strafpunkt mit einen Anträgen nicht durchdringt. Lediglich von einer Verbindungsbusse wird abgesehen. Zudem dringt er betreffend die Zivilforderun- gen des Privatklägers mit seinen Berufungsanträgen teilweise durch. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Beschuldigten vor diesem Hintergrund zu 4/5 aufzuerlegen und im Übrigen auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    3. Die amtliche Verteidigerin macht für das Berufungsverfahren Aufwände im Umfang von 2'809.– geltend (Urk. 57). Diese sind ausgewiesen und erscheinen angemessen. Es ist ihr daher eine Entschädigung in der beantragten Höhe zuzu- sprechen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind – analog zur Kostenaufla- ge – zu 4/5 einstweilen und zu 1/5 definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen. Vorbehalten bleibt die Rückforderung beim Beschuldigten gestützt auf Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von 4/5.

    4. Die Vorinstanz hat den Beschuldigten verpflichtet, dem Privatkläger für seine anwaltliche Vertretung im gesamten Verfahren eine Prozessentschädigung in Hö- he von Fr. 6'432.50 (inkl. MwSt.) zu bezahlen (Urk. 35 S. 31). Nachdem der Privatkläger im vorliegenden Verfahren auf eine Stellungnahme verzichtet hat, sind abgesehen von der Entgegennahme der verfahrensleitenden Entscheide keine relevanten Umtriebe ersichtlich. Es rechtfertigt sich insgesamt, die durch

den Beschuldigten zu bezahlende Prozessentschädigung für das gesamte Ver- fahren in geringem Umfang auf insgesamt Fr. 6'600.– (inkl. MwSt.) zu erhöhen

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 8. März 2023 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1.-7 (…)

    8. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'500.–; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 900.– Gebühr für das Vorverfahren. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    9.-10. (…)

    1. (Mitteilungen)

    2. (Rechtsmittel)

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der einfachen Körperverletzung (leichter Fall) im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 50.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.

  4. Die mit Strafbefehl des Untersuchungsamts Altstätten vom 8. Februar 2018 für die bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.– angesetzte Probezeit wird um 1 Jahr verlängert.

  5. Der Privatkläger wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  6. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers wird abgewiesen.

  7. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 9) wird bestätigt.

  8. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 2'809.– amtliche Verteidigung

  9. Die Kosten des Berufungsverfahrens – mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung – werden dem Beschuldigten zu 4/5 auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen.

    Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden im Umfang von 4/5 einstweilen und im Übrigen definitiv auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten im Umfang von 4/5 bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  10. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger für das gesamte Ver- fahren eine Prozessentschädigung von Fr. 6'600.– zu bezahlen.

  11. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

  12. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 22. November 2023

Der Präsident:

lic. iur. B. Gut

Der Gerichtsschreiber:

MLaw L. Zanetti

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

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