Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230308 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 21.02.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Körperverletzung |
Zusammenfassung : | Die Chambre des recours pénale hat über einen Einspruch entschieden, den X.________ gegen ein Urteil des Bezirksstrafgerichts Lausanne eingereicht hat. X.________ wurde wegen Fahrens in fahruntüchtigem Zustand zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Einspruch von X.________ wurde als unzulässig erklärt, da er verspätet war. Das Gericht entschied, dass das Urteil vollstreckbar sei und keine Kosten verursache. X.________ legte daraufhin erneut Einspruch ein, der als unbegründet abgewiesen wurde. Die Gerichtskosten in Höhe von 440 CHF wurden X.________ auferlegt. |
Schlagwörter : | Privatkläger; Beschuldigte; Beschuldigten; Privatklägers; Aussage; Aussagen; Kollision; Unfall; Fahrbahn; Berufung; Urteil; Fahrzeug; Vorinstanz; Gericht; Expertise; Verfahren; Entschädigung; Fahrrad; Verfahren; Sachverhalt; Einvernahme; Fahrzeuge; Zivilklage; Berufungsverfahren; Verfahrens; Erwägungen; Person; öglich |
Rechtsnorm: | Art. 115 StPO ; Art. 126 StPO ; Art. 139 StPO ; Art. 318 StPO ; Art. 32 StReG ; Art. 343 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 41 OR ; Art. 424 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 432 StPO ; Art. 436 StPO ; Art. 58 SVG ; Art. 641 ZGB ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 138 IV 248; 146 IV 211; 147 IV 47; 148 IV 432; 148 IV 43; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230308-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Wasser-Keller, Präsidentin, Oberrichter lic. iur.
Hoffmann und Oberrichter Dr. iur. Rauber sowie Gerichtsschreiberin MLaw Lazareva
Urteil vom 21. Februar 2024
in Sachen
,
Privatkläger und Berufungskläger
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.
sowie
gegen
,
Beschuldigter und Berufungsbeklagter verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Fahrlässige Körperverletzung
Anklage:
(Urk. 35)
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 29. Juni 2022 ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 61 = Urk. 64 S. 18)
Der Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die Schadenersatz- und Genugtuungsbegehren des Privatklägers werden abgewiesen.
Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'100.00 gebühr für das Vorverfahren.
Die Kosten gemäss vorstehender Ziffer werden auf die Gerichtskasse ge- nommen.
Dem Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von Fr. 5'846.50 für die anwaltliche Vertretung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Dem Privatkläger wird keine Prozessentschädigung zugesprochen.
BerufungsAnträge:
Der Vertretung des Privatklägers: (Urk. 66 S. 2)
Es sei das Urteil des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich (10. Abteilung) vom 13. Januar 2023 vollumfänglich aufzuheben und es sei der Beschuldigte wegen Fahrlässiger Körperverletzung schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.
Die Zivilklage des Privatklägers sei gutzuheissen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschuldigten, wobei dem Privatkläger eine angemessene Parteientschädigung (zuzüglich MwSt. und Spesen) zuzusprechen ist.
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 79 S. 2)
Die Berufung sei abzuweisen und der Beschuldigte und Berufungsbeklagte sei freizusprechen.
Die Kosten der Gerichtsverfahren beider Instanzen seien auf die Staatskasse zu nehmen und es sei dem Beschuldigten eine Entschädigung gemäss Ziff. 5 des vorinstanzlichen Dispositivs (von Fr. 5'846.50) sowie für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von weiteren
Fr. 2'465.90 zuzüglich Fr. 237.80 (inkl. 8.1% MwSt.) pro Stunde Dauer der heutigen Hauptverhandlung zuzusprechen.
Die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen des Privatklägers seien abzuweisen.
Erwägungen:
Prozessgeschichte
Hinsichtlich des Gangs des Verfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil kann auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 64
S. 3 f.). Das Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, sprach den Beschuldigten mit Urteil vom 13. Januar 2023 vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung zum Nachteil des Privatklägers A. frei (Urk. 61 = Urk. 64). Das Urteil wurde in Anwesenheit des Beschuldigten, seines Verteidigers sowie der Vertreterin des Privatklägers Mändlich eröffnet (Prot. I S. 19). Letztere meldete namens des Privatklägers mit Schreiben vom 20. Januar 2023 fristwahrend Berufung an (Urk. 59).
Nach Zustellung der begründeten Ausfertigung des Urteils liess der Privatkläger mit Eingabe vom 8. Juni 2023 rechtzeitig die schriftliche Berufungserklärung erstatten (Urk. 66) und leistete ebenso rechtzeitig die ihm mit Verfügung vom
12. Juni 2023 (Urk. 68) auferlegte Prozesskaution (Urk. 70). Hernach wurde der Staatsanwaltschaft sowie dem Beschuldigten Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben werde (Urk. 71). Mit Schreiben vom 3. Juli 2023 erklürte die Staatsanwaltschaft Verzicht auf Anschlussberufung und auf das Stellen von Anträgen. Ferner hielt sie fest, sie werde sich am weiteren Verfahren nicht aktiv beteiligen (Urk. 73). Der Beschuldigte bzw. die Verteidigung liess sich nicht vernehmen. Die Parteien wurden sodann zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 75). Erschienen sind der Beschuldigte in Begleitung seines Vertei- digers Rechtsanwalt lic. iur. Y. sowie der Privatkläger in Begleitung seiner Rechtsvertreterin Rechtsanwältin lic. iur. X. . Der Mändlichen Urteilseröff- nung blieb der Privatkläger fern (Prot. II S. 5 und S. 19).
Umfang der Berufung
Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung (Art. 402 StPO) und hemmt damit die Rechtskraft des angefochtenen Entscheides entsprechend. Der Privatkläger lässt das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich anfechten (Urk. 66 S. 2). Die erstinstanzliche Kostenauflage sowie die Zusprechung einer Prozessentschädigung an den Beschuldigten wurden dabei zwar nicht explizit angefochten, sind aber untrennbar mit dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache verbunden, weshalb auch diese Punkte zur Disposition stehen.
Sachverhalt
Tatvorwurf
Dem Beschuldigten wird im Wesentlichen vorgeworfen, er sei auf die C. strasse in Zürich getreten. Dabei habe er aus mangelnder Aufmerksamkeit den Privatkläger übersehen, welcher mit seinem Fahrrad von rechts kommend gefahren sei. Daher sei es zu einer Kollision gekommen. Dabei sei der Privatkläger zu
Boden gesTürzt und habe eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten. Dies sei für den Beschuldigten vorhersehbar und vermeidbar gewesen (Urk. 35 S. 2).
Allgemeines zur BeweisWürdigung
Was die vorliegenden Beweismittel und die allgemeinen Grundsätze der BeweisWürdigung angeht, kann auf die Erwägungen der Vorinstanz (Urk. 64
Erw. III.4. und III.5.1.) verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Ergänzend und verdeutlichend ist festzuhalten, was folgt:
Selbst dann, wenn die Aussagen einer beschuldigten Person als unglaubhaft einzustufen wären sie sogar der Läge überführt wäre, wäre damit für sich alleine noch kein Schuldnachweis erbracht. Ein Allfälliges Widerlegen der Sachverhaltsdarstellung der beschuldigten Person bedeutet nicht automatisch die Verwirklichung des Anklagesachverhaltes. Der blosse Ausschluss einer bestimmten Alternative ist (von Ausnahmen abgesehen) grundsätzlich keine geeignete Grundlage für die persönliche Gewissheit des Gerichts. Eine Erklärungshypothese kann erst dann als eine sicher richtige Beschreibung der zugrunde liegen- den Realität akzeptiert werden, wenn sie allein in der Lage ist, eine restlose und annehmbare Erklärung des vorliegenden Informationsmaterials zu bieten
(Bender / H?cker / Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl., 2021, S. 140 Rz. 581).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass insbesondere bei überschaubaren Sachverhalten und wenigen Aussagen ein glaubhaftes lägen durchaus möglich ist. Ohne Kenntnis und Reflexion möglicher Motive fehlt der BeweisWürdigung ein wesentlicher Baustein. Je wahrscheinlicher es erscheint, dass die Aussageperson zu einer Läge motiviert sein könnte, desto eindeutiger Müssten die Ergebnisse der Beweisaufnahme und der Aussageanalyse sein, damit man sich trotzdem von der Wahrheit der Angaben überzeugt zeigen kann (vgl. Bender / H?cker / Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl., 2021, S. 70-72 Rz 292 und 298 sowie
S. 132 Rz 550 f.).
Insgesamt ist die Antwort auf die Frage entscheidend, ob die einvernommene Person ihre Aussagen vernünftigerweise so hätte deponieren können, wenn sie das Berichtete nicht erlebt hätte. Das Vorhandensein von Realitätskriterien be- deutet noch nicht, dass eine Aussage wahr ist. Vielmehr muss eine Kompetenzanalyse ergeben, dass eine Person nicht in der Lage wäre, den dargelegten Sachverhalt zu erfinden (vgl. Bender / H?cker / Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl., 2021, S. 78 Rz 332-334).
Motivlage
Abgesehen davon, dass der Beschuldigte ein Interesse haben dürfte, den Sachverhalt auf Grund einer drohenden Verurteilung möglichst in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen, ist bei ihm kein Motiv für Falschaussagen ersichtlich.
Der Privatkläger hat sich dagegen anlässlich der vorliegend relevanten Kollision erhebliche Verletzungen zugezogen, die ihm offenkundig auch emotional schwer zu schaffen machen (vgl. Urk. 5 F/A 2 und Urk. 28 F/A 22, vgl. auch
Urk. 66 S. 7 Rz 15-17). Ferner stellt er namhafte Zivilforderungen (Urk. 30/2,
Urk. 52 und Urk. 53/1-4 sowie Prot. I S. 5). Er dürfte somit ein gewisses Interesse an einem verurteilenden Erkenntnis haben.
Diese Motivlage hat zur Folge, dass die Aussagen der beiden Kollisionsbeteiligten Sorgfältig und mit der gebotenen zurückhaltung zu würdigen sind.
Würdigung der einzelnen Beweise
Bezüglich Polizeirapport sowie Fotodokumentationen kann unter Vorbehalt nachstehender Erwägungen auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 64 Erw. III.5.2.).
Soweit der Privatkläger selber erklärt bzw. erklären lässt, der Unfallort sei entgegen der Ansicht der Polizei und der Vorinstanz nicht unverändert dokumentiert worden (Urk. 5 S. 3 F/A 4, Urk. 66 S. 8 Rz 18), so ist dies sofern es relevant ist im Rahmen der Würdigung seiner Aussagen zu berücksichtigen. Es bedeutet
indes nicht, dass die bei den Akten liegende Fotodokumentation nicht in die BeweisWürdigung einbezogen werden kann.
Die im Polizeirapport zusammengefassten ersten Aussagen des Privatklägers sind zwar informelle Angaben gegenüber der Polizei, können aber, da sie Teil des Polizeirapports und damit eines Beweismittels sind, verwertet werden, zumal der Beschuldigte im Verlauf des Verfahrens mit den Aussagen des Privatklägers konfrontiert wurde (s. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_75/2023 vom 18. April 2023 E.3.3.1).
Die am Fahrrad des Privatklägers festgestellten Beschädigungen (Urk. 2
S. 2 f.), deren Ursache unzweifelhaft der Sturz des Privatklägers ist, geben keine Auskunft über den Grund des Sturzes und tragen damit nichts zur Klürung des umstrittenen Sachverhaltes bei.
Sowohl die Aussagen des Beschuldigten als auch diejenigen des Privatklägers wurden von der Vorinstanz zutreffend wiedergegeben (Urk. 64 Erw. III.5.3. und III.5.4.). Darauf kann verwiesen werden. Sodann kann vorab hinsichtlich der Würdigung der Aussagen beider Kollisionsbeteiligter festgehalten werden, dass der Sachverhalt sehr einfach ist, das eigentliche Kerngeschehen einen extrem kurzen Zeitraum betrifft und zwischen dem Unfallgeschehen und den ersten korrekt durchgefährten Einvernahmen geraume Zeit vergangen ist. So fand die polizeiliche Einvernahme des Beschuldigten rund eineinhalb Monate nach der Kollision statt (Urk. 4). Der Privatkläger wurde sogar erst 10 Monate nach dem Unfall detailliert dazu befragt (Urk. 5). Schon dies erschwert eine Prüfung der relevanten Aussagen auf ihre Zuverlüssigkeit und es ist daher bei ihrer Würdigung mit der gebotenen Sorgfalt und zurückhaltung vorzugehen.
Hinsichtlich der Aussagen des Beschuldigten kann im Wesentlichen mit der Vorinstanz festgehalten werden, dass sie widerspruchsfrei und nicht übertrieben wirken. Sie enthalten Details und stimmen mit der Fotodokumentation überein (Urk. 64 Erw. III.5.5.2.). Der Beschuldigte hat zudem über mehrere Einvernahmen hinweg konstant ausgesagt, dass er sein Fahrzeug in der blauen Zone auf der rechten Seite der C. -strasse in Fahrtrichtung parkiert, danach die C. _strasse mit drei Taschen eine in der linken und die andere in der rechten Hand sowie eine über die Schulter gehängt - überquert habe und dann auf dem Trottoir bergabwürts entgegen der Fahrtrichtung gelaufen sei. Ca. 20 bis 30 Meter von seinem parkierten Fahrzeug entfernt sei er dann zwischen zwei in der blauen Zone parkierte Fahrzeuge getreten, da er sich nicht mehr sicher gewesen sei, ob er sein Fahrzeug abgeschlossen habe. Mit einem Blick zu den Seitenspiegeln, die eingeklappt gewesen seien, habe er festgestellt, dass er sein Fahrzeug tatsächlich abgeschlossen habe. Gerade als er wieder zum Trottoir habe zurückkehren wollen, habe es dann gegen die Einkaufstasche in seiner rechten Hand geknallt. Das Vorderrad des Fahrrads sei in seine Tasche gefahren, der Fahrradlenker habe seinen Torso leicht gestreift und sei dann zu Boden gefallen (Urk. 4 F/A 4 und 8; Urk. 27 F/A 5; Prot. I S. 11). Mit der Vorinstanz ist dieser Umstand angesichts dessen hervorzuheben, dass das Verfahren mehrere Jahre in Anspruch ge- nommen hat und teilweise grosse Zeitabstände zwischen dem Ereignis und den einzelnen Einvernahmen liegen. Diese inhaltliche Konstanz zeigte sich auch im Berufungsverfahren. Obschon der Beschuldigte zu Beginn seiner Befragung anlässlich der Berufungsverhandlung angab, seine Erinnerung an den Vorfall vom
18. April 2019 aufgefrischt zu haben, indem er die Akten nochmals angeschaut habe (Prot. II S. 11), wirken seine in der Folge deponierten Aussagen nicht auswendig gelernt. So konnte er zunächst ein weiteres Mal in freier Rede schil- dern, was am besagten Tag vorgefallen war (Prot. II S. 11). Anschliessend konnte er auch widerspruchsfrei zu seinen bisherigen Aussagen auf die einzelnen Fragen der Präsidentin jeweils erklären, wie er sich vor der Kollision mit dem Privatkläger verhalten habe (vgl. Prot. II S. 11-15). Weiter erläuterte der Beschuldigte schlüssig und nachvollziehbar, dass er nicht die Absicht gehabt habe, die Fahrbahn, nachdem er sie bereits zuvor nach dem Parkieren seines Fahrzeugs überquert habe, nochmals zu überqueren (Prot. I S. 10 f.; Prot. II S. 13). Im Gegenteil sei er lediglich zwischen die seitlich parkierten Fahrzeuge getreten, um zu prüfen, ob er sein Fahrzeug abgeschlossen habe (Urk. 4 F/A 4; Urk. 27 F/A 5 und 9; Prot I
S. 11; Prot. II S. 11 und 13). überdies ist hervorzuheben, dass der Beschuldigte im Gegensatz zum Privatkläger (vgl. dazu nachfolgend) zurückhaltend aussagte. So gab er zwar an, dass der Privatkläger nach der Kollision geschimpft habe,
wollte sich dazu aber nicht im Detail äussern (Urk. 4 F/A 4; Urk. 27 F/A 5). Schliesslich erwog bereits die Vorinstanz zutreffend, dass sich die Aussagen des Beschuldigten mit den äusseren Umständen verflechten lassen. Gemäss seiner Darstellung habe er sich kurz vor der Kollision noch in der blauen Zone befunden. Mit einem Fuss sei er auf dem Strich der blauen Zone gestanden und der andere sei sicher noch innerhalb der blauen Zone gewesen (Urk. 4 F/A 4; Urk. 27 F/A 5 und 14; Prot. I S. 10 und 12; Prot. II S. 13 und 15). Dies deckt sich mit der Position seiner Taschen, welche gemäss der Fotodokumentation nach der Kollision auf knapp neben der blauen Linie zu Boden fielen (vgl. Urk. 2 S. 1 und 2).
Insgesamt können die Aussagen des Beschuldigten als glaubhaft gewertet werden. Darauf kann daher abgestellt werden.
Hinsichtlich der Würdigung der Aussagen des Privatklägers kann vollumfänglich auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 64
Erw. III.5.5.1.). Ergänzend ist auszuführen, was folgt:
Die Aussagen des Privatklägers weisen gewisse AufFälligkeiten auf, die ihre Glaubhaftigkeit in Frage stellen:
Der Privatkläger ist auffallend bemüht, wortreich zu erklären, wie schlimm das Geschehene für ihn ist, und den Beschuldigten möglichst schlecht aussehen zu lassen (vgl. z.B. Urk. 5 F/A 4). Gleichzeitig stellt er sich selber in ein möglichst gutes Licht (Ich bin diese Strasse schon 100 Mal gefahren, Urk. 5 F/A 4 S. 2 oben; Ich konnte nicht mehr reagieren. Wenn jemand reagieren kann, dann ich.,
Urk. 28 F/A 8 letzte beiden SSätze).
In diesem Kontext fällt auch auf, dass der Privatkläger nicht davor zurückschreckt, den nicht plausiblen und auch nicht eingeklagten Vorwurf zu erheben, der Beschuldigte habe ihn absichtlich (und nicht etwa nur aus mangelnder Aufmerksamkeit) vom Fahrrad gestossen. So sagt er anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 19. Februar 2020 aus: Ich hoffe, er ist nicht raus, weil er dachte: 'Hee wieso führt der nicht ganz links?' Man will einfach die Schuld
auf mich abwälzen. Herr B. war total vorbereitet (...) es war wie ein Check. In derselben Antwort führt er aus: (...) er war gefasst auf mich, (Urk. 5 F/A 4).
Die Aussagen des Privatklägers zu den Umständen, wie sich der Unfall seiner Ansicht nach zugetragen haben soll, sind widersprächlich. So ist unbestritten, dass er vor dem Unfall in Richtung des Beschuldigten fuhr. Der Beschuldigte war demgemäss in seinem Blickfeld. Der Privatkläger gibt denn auch mehrfach zu Protokoll, er habe den Beschuldigten vor dem Unfall gesehen. Dabei fällt auf, dass er in seiner ersten Einvernahme am 19. Februar 2020 nur zu Protokoll gibt, mutmasslich unmittelbar vor der Kollision den Kopf des Beschuldigten gesehen zu haben (Urk. 5 F/A 5). Dass er ihn sonst vor dem Unfall gesehen hätte, erwähnt er zu diesem Zeitpunkt nicht. In seiner zweiten Einvernahme am 9. Juni 2022 führt er dann aus, er habe den Beschuldigten die Strasse von rechts kommend überqueren sehen (Urk. 28 F/A 8 S. 3). Anschliessend sagt er aus, er hätte den Beschuldigten gesehen, wenn dieser den Kopf zwischen den Autos herausgestreckt hätte, was impliziert, dass er ihn zu diesem Zeitpunkt - nach dem Queren der Strasse - nicht mehr gesehen haben will (Urk. 28 F/A 9 S. 3). Das würde ei- nerseits bedeuten, dass er die präsenz des Beschuldigten wahrgenommen hatte, und anderseits erscheint es trotz der parkierten Autos nicht nachvollziehbar, dass der Beschuldigte für den Privatkläger kurz vor dem Unfall komplett unsichtbar gewesen sein soll. So sagt er in der Folge auch aus, er habe gesehen, dass dort eine Person [der Beschuldigte] stand (Hervorhebung hinzugefügt). Der Beschul- digte habe ihn auch gesehen. Er [der Beschuldigte] könne über die Autos sehen (Urk. 28 F/A 11 S. 3). Dies kann zwanglos so interpretiert werden, dass der Privatkläger den Beschuldigten kurz vor dem Unfall zwischen den Autos stehen sah. Dies steht aber im Widerspruch zu seiner Aussage, er habe ihn vor dem Unfall gerade nicht gesehen (Urk. 28 F/A 9 und F/A 20 Ich sah ihn nicht). Wenig plausibel ist damit auch, dass der Privatkläger nicht gesehen haben will, wie der Beschuldigte an den Rand der blauen Parkzone getreten sei (Urk. 28 S. 18).
Der Privatkläger stellt sich auf den Standpunkt, der Beschuldigte sei unvermittelt in die Fahrbahn bzw. zwischen den Autos auf die Fahrbahn hinausgetreten (vgl. Urk. 5 F/A 6 und Urk. 28 F/A 16), wobei hierzu eine konsistente Sachverhaltsdarstellung fehlt. Der Beschuldigte sei in ihn hinein gekommen (Urk. 28 F/A 16). Dagegen sagt er in der ersten Einvernahme, er sei in den Beschuldigten gefahren: Die Taschen [mutmasslich des Beschuldigten] waren unter dem Velo als ich in ihn rein bin. Der Privatkläger macht mithin zur nicht unerheblichen Frage, ob die Kollision aus seiner Sicht frontal seitlich erfolgt sei, wider-
sprächliche Angaben. Gleichzeitig ist wenig nachvollziehbar, wie sich die Taschen des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Kollision bereits unter dem Velo befunden haben sollen.
Der Privatkläger gibt in der Einvernahme vom 19. Februar 2020 zu Protokoll, der Beschuldigte habe sich wenigstens entschuldigt (Urk. 5 F/A 4 S. 2), nur um in derselben Antwort auszusagen, er - der Privatkläger hätte nicht so ein Lamento gemacht, wenn die Versicherung alles gezahlt hätte und er mutmasslich der Beschuldigte sich entschuldigt hätte (Urk. 5 F/A 4 S. 3).
Es drängt sich aufgrund der weitgehend unspezifischen, teils widersprächlichen Aussagen des Privatklägers der Schluss auf, dass der Privatkläger den Beschul- digten, noch bevor er über den Schachtdeckel fuhr, welcher sich wie in der Foto- dokumentation ersichtlich (Urk. 2 S. 1) in Fahrtrichtung gesehen in der linken Hälfte der Fahrbahn befindet, gesehen hat und irrtümlicherweise davon ausgegangen ist, dieser würde die Strasse überqueren (vgl. Urk. 28 F/A 8 S. 3 und
Urk. 1 S. 2), wie er es bereits unmittelbar nach dem Unfall gegenüber der Polizei erklärt hatte (Urk. 1 S. 2). Offensichtlich hat er sich in der Folge als er mit sei- nem Fahrrad nach links zog und über den Schachtdeckel, mithin in der linken Fahrbahnhälfte, fuhr zu wenig darauf geachtet, was vor ihm geschah, sodass er den vor ihm stehenden (und nicht die Strasse überquerenden) Beschuldigten unmittelbar vor der Kollision übersehen hat. So sagt er anlässlich seiner Einver- nahme vom 19. Februar 2020 auf die Frage, wohin sein Blick anlässlich des Unfalls gerichtet gewesen sei, ausweichend aus, das sei eine gute Frage. Ein Velofahrer könne nicht immer alles sehen. Er wisse, dass er nach vorne geschaut habe, als es runter gegangen sei (Urk. 5 F/A 10), was auf Grund seiner eigenen Darstellung durchaus die Möglichkeit eröffnet, dass er davor gerade nicht nach
vorne geschaut habe, insbesondere in der falschen Annahme, der Beschuldigte habe die Strasse in der Zwischenzeit wohl bereits überquert.
Insgesamt ergibt sich, dass die Aussagen des Privatklägers nicht zuverlüssig erscheinen.
Nachfolgend ist auf die relevanten Einwendungen des Privatklägers gegen die vorinstanzliche BeweisWürdigung einzugehen, sofern dies nicht bereits geschehen ist:
Vorab ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht des Privatklägers (vgl. Urk. 66 S. 6 Rz 12 und S. 9 Rz 24) für den Sachverhalt und die Frage, wer wen wann gesehen hat, und wer wann wo hinausgetreten wer wo gefahren ist,
nicht relevant ist, ob entsprechende Verhaltensweisen rechtlich als Verkehrsregelverletzungen zu qualifizieren wären. wäre der Privatkläger zu Unrecht zu weit links gefahren, würde das den Beschuldigten nicht legitimieren, ihn umzustossen. wäre der Beschuldigte unberechtigterweise auf die Fahrbahn getreten, würde das den Privatkläger nicht legitimieren, in ihn hineinzufahren.
Dass sich der Beschuldigte beim Privatkläger entschuldigte, folgt gesellschaftlichen Gepflogenheiten und ist entgegen der Ansicht des Privatklägers (Urk. 66
S. 4 Rz 6) kein Schuldeingeständnis.
Unerfindlich ist, was der Privatkläger aus der E-Mail des Beschuldigten an die Anwältin des Privatklägers herleiten will, wonach er auf der Fahrbahn angefahren worden sei (Urk. 66 S. 4 Rz 7). Dass er nicht zwischen den parkierten Autos angefahren worden sein kann, liegt auf der Hand und sagt nichts darüber, wer die Kollision verursacht hat.
Wenn der Privatkläger ausführen lässt, die Erwägungen der Vorinstanz würden an Anmassung und mangelnden Respekt grenzen (Urk. 66 S. 7 Rz 15), so ist er daran zu erinnern, dass es Aufgabe des Gerichtes ist, die vorliegenden Beweismittel zu würdigen. Dabei kann bei der Wahrheitssuche nicht Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Parteien genommen werden. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung, Aussagen seien nicht glaubhaft, nicht bedeutet, dass
sie gelogen sind. Es bedeutet nur (aber immerhin), dass ihr Wahrheitsgehalt unbekannt ist, was dazu führt, dass man darauf nicht abstellen kann.
Der Privatkläger lässt sodann ausführen, er habe die fragliche Strecke sehr oft gefahren und sei ein sehr guter Velofahrer (Urk. 66 S. 7 Rz 17). Das schliesst je- doch nicht aus, dass er zu gegebener Zeit unaufmerksam gewesen sein könnte. Ebenso wenig wird dadurch die Schuld des Beschuldigten nachgewiesen.
Beweisantrag
In der Untersuchung und vor Vorinstanz liess der Privatkläger einen Augenschein am Unfallort sowie das Einholen einer Expertise über den streitgegenständlichen Unfallhergang beantragen (Urk. 13/1, Urk. 49 und Prot. I S. 7). Im Berufungsverfahren wird noch das Einholen einer Expertise beantragt (Urk. 66 S. 9 und S. 12 f.).
BeweisAnträge können abgelehnt werden, wenn damit die Beweiserhebung über Tatsachen verlangt wird, die unerheblich, offenkundig, der StrafBehörde bekannt bereits rechtsgenügend erwiesen sind (Art. 139 Abs. 2 StPO und
Art. 318 Abs. 2 StPO, dessen Grundsatz auch für die Gerichte gilt, BSK StPO - Wiprächtiger, Art. 343 StPO N 33 f.).
Die Notwendigkeit einer Expertise wird zunächst damit begründet, dass auf Grund der Topographie der C. -strasse der Beschuldigte entgegen seinen Ausführungen nicht ohne Weiteres habe sehen können, ob die Spiegel seines Fahrzeuges eingeklappt gewesen seien. Um sich diesbezüglich zu vergewissern, habe er in die Fahrbahn hineintreten müssen. Die Distanz vom Ort, wo der Beschuldigte auf die Fahrbahn getreten sei, und dem Standort seines Fahrzeuges sei denn auch einiges mehr als 20 bis 30 Meter gewesen (Urk. 13/1 S. 3 Rz 7).
Dabei ist daran zu erinnern, dass nicht relevant ist, ob der Beschuldigte die Spiegel seines Fahrzeuges sehen konnte. Dies mag lediglich eine Erklärung seines Verhaltens sein. Relevant ist vielmehr in diesem Kontext, dass er teilweise die Fahrbahn betrat, was unbestritten ist. Zur Frage, wie weit, wie lange wie plötzlich er die Fahrbahn betrat, kann eine Expertise keine Auskunft geben.
Ferner wird ausgefährt, dass der Privatkläger nicht gehalten gewesen sei, vor jedem Wechsel der Parkreihe sozusagen im rechten Winkel die Fahrlinie zu ändern. Er sei zweifellos innerhalb der Fahrbahn der Einbahnstrasse gefahren. Er habe angesichts der Fahrbahnbreite, der Tatsache des Seitenwechsels der Parkreihen und dem einzuhaltenden Abstand von einem Meter zu den parkierten Autos so fahren müssen, wie er gefahren sei (Urk. 13/1 S. 3 f. Rz 8-10). Diesbezüglich ist jedoch nicht ersichtlich, auf Grund welcher objektiver Umstände wor- über eine Expertise Auskunft geben sollte. Ausserdem würden Allfällige Erkennt- nisse über die theoretisch optimale Fahrlinie keine Auskunft über die konkrete Fahrweise des Privatklägers geben.
Weiter macht der Privatkläger geltend, auf Grund der vollen Einkaufstasche des Beschuldigten habe dieser über einen Meter in die Fahrbahn geragt. Ausser- dem sei es unsinnig anzunehmen, dass er - der Privatkläger so nahe an die links parkierten Fahrzeuge gefahren sei, wie es in der Polizeiskizze dargelegt werde. Seine Ausführungen zu den herumliegenden Taschen und Lebensmitteln seien nicht beRücksichtigt worden (Urk. 13/1 S. 4 Rz 13).
Auch in diesem Punkt erschliesst sich nicht, wozu eine Expertise dienen soll. Soweit der Unfallort fotographisch dokumentiert ist, ist eine Expertise unnötig. Sofern er nicht dokumentiert ist, kann daran auch eine Expertise nichts mehr ändern, kann doch eine Expertise einen veränderten Tatort in Unkenntnis der vorgenommenen Änderungen nicht nachstellen. Ausserdem ist auch an dieser Stelle daran zu erinnern, dass unbestritten ist, dass der Privatkläger auf der Fahrbahn unterwegs war und sich der Beschuldigte damit zwangsläufig zumindest teilweise auch auf der Fahrbahn befunden haben muss, ansonsten es nicht zur Kollision gekommen wäre. Einer Expertise bedarf es hierfür nicht.
Der Privatkläger lässt ausserdem ins Feld führen, seine Schuhe seien mit den Pedalen verbunden gewesen, so dass er versucht habe, sich beim Zusammenstoss auszuklicken, was ihm auf Grund des überraschenden Zusammenstosses nicht gelungen sei. Durch die Ausklickbewegung während des Fallens sei das Velo näher an die parkierten Fahrzeuge gestossen worden (Urk. 13/1 S. 5 Rz 14). Welche Relevanz dieser Umstand jedoch haben sollte, ist nicht ersichtlich, sagt
doch der Versuch des Privatklägers, sich von den Pedalen zu lösen, nichts dar- über aus, wer sich wann wo aufgehalten und wer was übersehen hat. Nicht ersichtlich ist denn auch, wozu diesbezüglich eine Expertise nützlich sein sollte.
Der Privatkläger führt weiter aus, die Aussagen des Beschuldigten seien nicht glaubhaft, weil er ihn - den Privatkläger bei genügender Vorsicht zwingend hätte sehen müssen. Ferner sei es die Pflicht des Beschuldigten gewesen, sich zu vergewissern, dass die Fahrbahn frei sei. Es könne nur so gewesen sein, dass der Beschuldigte unvermittelt auf die Fahrbahn getreten sei, als er - der Privatkläger sich auf seiner Höhe befunden habe. Der Unfall könne sich nicht so zugetragen haben, wie es der Beschuldigte darstelle. Diesen Schluss würden weder die vom Beschuldigten an den Rand des Parkfeldes zurück genommenen Taschen noch die Endposition des Fahrrades zulassen. Letztere lasse vielmehr erkennen, dass er - der Privatkläger so gefahren sei, wie er es angegeben habe. Ausser- dem sei die Verschiebung des Fahrrades durch den Sturz in Richtung der parkierten Fahrzeuge zu beachten (Kratzer am Velo).
diesbezüglich ist nicht ersichtlich, was der Privatkläger durch eine Expertise überprüfen Möchte. Ob der Beschuldigte den Privatkläger vor dem Unfall sah, kann eine Expertise nicht erstellen. Dass der Beschuldigte ihn theoretisch hätte sehen können, wenn er sich auf der C. -strasse befand und in Richtung des Privatklägers blickte (wenn er dies getan hat), steht ausser Frage. Eine Auswertung des Unfallortes, sofern ihn die aktenkundigen Fotos nicht authentisch wiedergeben sollten, erscheint nicht möglich, da der ursprängliche Unfallort nach einer allfälligen Veränderung nicht mehr rekonstruiert werden könnte. Eine Auswertung der Kratzer am Velo des Privatklägers könnte sodann ebenso wenig Informationen dazu liefern, wer wen wann gesehen (oder übersehen) hat.
Sofern der Privatkläger im Rahmen seiner BerufungsErklärung vom 8. Juni 2023 erneut eine Expertise zum Unfallhergang verlangt (Urk. 66 S. 9 und S. 12 f.), bringt er hierzu im Wesentlichen keine neuen Argumente vor, die die verlangte Beweisabnahme notwendig und überhaupt zielführend durchführbar erscheinen liessen.
5.4 Auf Grund dieser Erwägungen ist keine Expertise anzuordnen. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass bereits die Vorinstanz kein Gutachten zum Unfallhergang angeordnet hat.
Ergebnis
Nach Würdigung sämtlicher Beweismittel ergibt sich, dass der Anklagesachverhalt nicht erstellt werden kann. Daran könnten auch die BeweisAnträge des Privatklägers nichts ändern. So steht nach Würdigung der Aussagen beider Kollisionsbeteiligter fest, dass der Privatkläger den Beschuldigten vor der Kollision wahrgenommen hat und irrtümlicherweise davon ausgegangen ist, dass dieser die C. -strasse überqueren wollte. Der Beschuldigte hat indes plausibel dargelegt, das er dies gerade nicht beabsichtigt hat, sondern vielmehr lediglich zwischen die beiden in der blauen Zone parkierten Fahrzeuge getreten ist, um zu prüfen, ob er sein kurz zuvor ca. 20 bis 30 Meter in Fahrtrichtung entfernt parkiertes Fahrzeug abgeschlossen hat (was dem Privatkläger indes zweifellos nicht bekannt war). Hierfür drehte der Beschuldigte seinen Kopf in Richtung Fahrtrichtung. Weiter steht mit der Vorinstanz (vgl. Urk. 64 Erw. III.5.5.1. und III.5.5.3.) fest, dass der Privatkläger kurz vor der Kollision mit seinem Fahrrad nach links zog und über den Schachtdeckel fuhr, der sich in Fahrtrichtung gesehen in der linken Hälfte der Fahrbahn sowie unmittelbar vor der Unfallstelle befindet. Der Beschuldigte muss zwar im Zeitpunkt der Kollision zwangsläufig zumindest teilweile mit seinem Kürper bzw. der Einkaufstasche etwas in den Fahrbahnbereich geragt sein, ansonsten es nicht zur Kollision mit dem Privatkläger hätte kommen können. Irrelevant ist jedoch letztlich, wie weit dies tatsächlich der Fall war. Massgebend ist vielmehr, dass der Privatkläger, welcher in Fahrtrichtung fuhr und den Beschuldigten zuvor zwischen den Autos wahrgenommen hatte, kurz vor der Kollision in der linken Hälfte der Fahrbahn und damit in einem Gefahrenbereich fuhr. Notorischerweise ist in einer solchen Umgebung regelmässig mit aussteigenden Autofahrern, Anwohnern und auch mit die Strasse betretenden Kindern und Tieren zu rechnen. Dieser Gefahr war sich der Privatkläger durchaus bewusst, wie aus seinen Aussagen hervorgeht (vgl. Urk. 5 F/A 4 S. 3). Aufgrund des Rechtsfahrgebotes für den Privatkläger auf seinem Fahrrad musste denn auch der Beschuldigte nicht damit
rechnen, dass ein Velofahrer derart links auf der Fahrbahn herannaht und ihn am Rand der blauen Parkzone übersehen könnte. Somit lag es nicht an einer mangelnden Aufmerksamkeit des Beschuldigten, dass es zur Kollision mit dem Privatkläger kam. Mithin kann nicht erstellt werden, dass der Beschuldigte den Privatkläger aus mangelnder Aufmerksamkeit übersah und deshalb mit dem Fahrrad des Privatklägers kollidierte. Stattdessen drängt sich gestützt auf sämtliche Beweismittel der Schluss auf, dass es zur Kollision kam, weil der Privatkläger, welcher den Beschuldigten zwischen den parkierten Fahrzeugen wahrgenommen hatte und die Situation fälschlicherweise so einschätzte, dass dieser die Strasse überqueren würde, mit seinem Fahrrad nach links mithin in den Gefahrenbereich
zog und aus mangelnder Aufmerksamkeit schliesslich in den Beschuldigten fuhr. Der Beschuldigte ist daher in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils vollumfänglich freizusprechen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigen sich Erwägungen zur rechtlichen Qualifikation des Sachverhaltes.
ZivilAnsprüche
1. Die Vorinstanz hat die ZivilAnsprüche des Privatklägers abgewiesen. Sie be- Gründet dies damit, dass der Beschuldigte nicht tatbestandsmässig und damit nicht widerrechtlich gehandelt habe (Urk. 64 Erw. V.).
Gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. b StPO wird über die Zivilklage bei einem Freispruch materiell dann entschieden, wenn der Fall spruchreif ist. Ist der Fall nicht spruchreif, so wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen (Art. 126 Abs. 2 lit. d StPO). Spruchreif ist der Sachverhalt, wenn auf Grund der im bisherigen Verfahren gesammelten Beweise ohne Weiterungen über den Zivilanspruch entschieden werden kann, er mithin ausgewiesen ist (BGE 146 IV 211 E. 3.1 mit Hinweisen). wäre die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwen- dig, kann das Gericht die Zivilklage nach Art. 126 Abs. 3 StPO nur dem Grundsatz nach entscheiden und sie im übrigen auf den Zivilweg verweisen. ZivilAnsprüche, die auf einem Vertrag beruhen, können nicht Gegenstand einer adh?sionsweise
erhobenen Zivilklage im Strafverfahren sein (BGE 148 IV 432 E. 3.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_57/2021 vom 27. April 2023 E. 4.2.2).
Die im Strafverfahren gestellten Zivilforderungen (Schadenersatz, Genugtuung) stätzen sich meist auf den Rechtstitel der unerlaubten Handlung (Art. 41 ff., 47 f. OR; Art. 58 und 62 SVG). Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen sind die Persönlichkeitsrechte (Art. 28 ff. ZGB), die Eigentums- (Art. 641 ZGB) und Besitzesrechte (Art. 927, 928 und 934 ZGB) auch Art. 9 und 23 UWG (BGE 148 IV 432 E. 3.1.3 mit Hinweisen). ZivilAnsprüche, die auf einem Vertrag beruhen, kön- nen hingegen nicht Gegenstand einer adhäsionsweise erhobenen Zivilklage im Strafverfahren sein. Denn soweit jemand einen vertraglichen Anspruch besitzt, ist er nicht geschädigte Person (Art. 115 Abs. 1 StPO), weil sich die Forderung nicht auf eine unmittelbar durch die Straftat verursachte Verletzung von Rechten stätzt (BGE 148 IV 43 E. 3.2 und 3.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_57/2021 vom
27. April 2023 E. 4.2.2).
Nachdem der Privatkläger seine Forderung auf Art. 41 Abs. 1 OR stätzt, wobei sich die Widerrechtlichkeit aus der vom Beschuldigten angeblich begangenen Verkehrsregelverletzung ergibt, der Beschuldigte vorliegend jedoch freizusprechen ist, fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für die Adhäsionsklage aus
Art. 41 OR. Die Zivilklage ist daher abzuweisen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Die Vorinstanz hat zutreffend ausgefährt, dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen sind, dem Beschuldigten eine Prozessentschädigung auszurichten und dem Privatkläger keine Prozessentschädigung zuzusprechen ist (Urk. 64 Erw. VI.). Entsprechend dem Ausgang des zweitinstanzlichen Verfahrens bleibt es dabei.
Hinsichtlich der Höhe der Kosten und der dem Beschuldigten zuzusprechen- den Entschädigung ist das vorinstanzliche Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden. diesbezüglich wurde auch nichts Abweichendes geltend gemacht.
Damit ist insgesamt die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des erstinstanzlichen Urteils zu bestätigen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Da der Privatkläger praktisch vollständig unterliegt, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ist auf Fr. 3'600 zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit 16 Abs. 1 GebV OG und 14
Abs. 1 lit. a GebV OG) und entsprechend mit der vom Privatkläger geleisteten Prozesskaution von Fr. 4'000 zu verrechnen.
Gemäss Art. 436 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person, wenn sie freigesprochen wird, Anspruch auf Entschädigung für ihre Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach den Anwaltstarifen und nach dem Zeitaufwand, den der Verteidiger aufgewendet hat. Die Bemöhungen des Anwaltes müssen im Umfang aber den Verhältnissen entsprechen, das heisst sachbezogen und angemessen sein. Die Verteidigungskosten müssen mithin in einem vernünftigen Verhältnis zur Komplexität bzw. Schwierigkeit des Falles und zur Wichtigkeit der Sache stehen (BSK StPO - Wehrenberg/Frank, Art. 429 StPO N 15 f.). Eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 3'300 (inkl. Mehrwertsteuer und Barauslagen; vgl. Urk. 77) für das Berufungsverfahren erweist sich als angemessen.
Im Berufungsverfahren kann die unterliegende Privatklägerschaft sowohl betreffend Offizialwie auch Antragsdelikten verpflichtet werden, der beschuldigten Person die Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte zu ersetzen (Art. 436 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 432 Abs. 2 StPO; vgl. BGE 147 IV 47 E. 4.2.6 und BGE 138 IV 248 E. 5.3). Entsprechend ist der Privatkläger zu verpflichten, dem Beschuldigten die festgesetzte Entschädigung von Fr. 3'300 zu entrichten.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte B. wird vollumfänglich freigesprochen.
Die Zivilklage des Privatklägers wird abgewiesen.
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 3-6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'600.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Privatkläger auferlegt.
Der Privatkläger wird verpflichtet, dem Beschuldigten für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 3'300 zu bezahlen.
Die durch den Privatkläger geleistete Prozesskaution von Fr. 4'000 wird zunächst zur Deckung der Gerichtskosten und hernach zur Deckung der Entschädigung gemäss vorstehenden Dispositivziffern 4 und 6 verwendet.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers (übergeben)
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben ( 54a Abs. 1 PolG)
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 32 Abs. 1 StReG mittels Kopie von Urk. 65.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 21. Februar 2024
Die Präsidentin:
Oberrichterin lic. iur. Wasser-Keller
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Lazareva
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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