Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230291 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 22.03.2024 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_481/2024 |
Leitsatz/Stichwort: | vorsätzliche Tötung etc. und Widerruf |
Zusammenfassung : | Der Beschuldigte wurde wegen mehrfacher Straftaten, darunter Gefährdung des Lebens, fahrlässiger Tötung und schwerer Körperverletzung im Strassenverkehr, verurteilt. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten, die vollstreckt wird. Zudem wurde die Abnahme einer DNA-Probe angeordnet. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten auferlegt. Der Anwalt des Beschuldigten wurde entschädigt. Die Privatkläger erhielten eine Prozessentschädigung. Die Staatsanwaltschaft forderte eine höhere Strafe und war der Meinung, dass der Beschuldigte den Tod oder schwere Verletzungen in Kauf genommen habe. Die Verteidigung argumentierte, dass der Beschuldigte unbewusst oder eventuell bewusst fahrlässig gehandelt habe, da er kognitive Einschränkungen und eine Alkoholisierung hatte. Letztendlich wurde festgestellt, dass der Beschuldigte nicht eventualvorsätzlich, sondern bewusst fahrlässig gehandelt hat. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Recht; Rastplatz; Sattelzug; Fahrzeug; Verteidigung; Lebens; Sinne; Verletzung; Vorinstanz; Über; Freiheit; Berufung; Freiheitsstrafe; Verkehr; Täter; Risiko; Unfall; Privat; Urteil; Privatkläger |
Rechtsnorm: | Art. 111 StGB ; Art. 117 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 122 StGB ; Art. 125 StGB ; Art. 129 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 138 StPO ; Art. 2 StGB ; Art. 2 VRV ; Art. 22 StGB ; Art. 257 StPO ; Art. 31 SVG ; Art. 32 SVG ; Art. 399 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 54 StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 90 SVG ; Art. 90 StGB ; |
Referenz BGE: | 101 IV 154; 109 IV 18; 114 IV 103; 121 IV 67; 125 IV 242; 126 I 97; 129 I 232; 130 IV 58; 131 IV 1; 133 I 277; 133 IV 1; 133 IV 222; 133 IV 9; 134 IV 26; 134 IV 82; 134 IV 97; 135 IV 12; 136 I 229; 136 IV 55; 137 IV 1; 138 IV 120; 141 IV 61; 142 IV 137; 142 IV 93; 143 IV 373; 144 IV 217; 144 IV 313; 147 IV 241; 91 IV 194; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230291-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Bertschi, Präsidentin, Oberrichter lic. iur.
Castrovilli und Ersatzoberrichterin lic. iur. Tschudi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. Schwarzenbach-Oswald
Urteil vom 22. März 2024
in Sachen
Beschuldigter und Erstberufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.
gegen
sowie
Privatkläger
1 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend vorsätzliche Tütung etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (Ergänzte Version) vom 14. Juli 2021 (Urk. 52) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte A. ist schuldig
der mehrfachen gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB,
der fahrlässigen Tütung im Sinne von Art. 117 StGB,
der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 StGB,
der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG und Art. 32
Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG,
des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (qualifizierte Alkoholkonzentration) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 2 Abs. 1 VRV, Art. 1 Abs. 1 lit. a sowie mit Art. 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung der Bundesversammlung über die Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr.
Der Beschuldigte A. wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten.
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.
Auf eine Verlängerung der Probezeit der gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Abteilung 2 Emmen vom 30. Juni 2016 (Akten-Nr. SA2 16 4704 23) ausgesprochenen bedingten Geldstrafe wird verzichtet.
Es wird gegenüber dem Beschuldigten die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 5 des DNA-Profil-Gesetzes angeordnet.
Der Vollzugsauftrag wird der Kantonspolizei Zürich erteilt.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, sich innert 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils bei der Kantonspolizei Zürich, Erkennungsdienst, Kaser- nenstrasse 28, 8004 Zürich, zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit Wangenschleimhautabnahmen zu melden.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Allfällige weitere Kosten vorbehalten.
Die in Ziffer 6 genannten Kosten werden dem Beschuldigten auferlegt.
Rechtsanwalt MLaw X. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten aus der Gerichtskasse mit Fr. 27'366.50(inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) entschädigt.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung gemäss Dispositiv-Ziffer 8 werden dem Beschuldigten auferlegt, indessen einstweilen auf die Gerichtskasse ge- nommen. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung nach Art. 135 Abs. 4 StPO.
Der Beschuldigte wird verpflichtet der Privatklägerin 1 eine Prozessentschä- digung von Fr. 11'166.25 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen, zahlbar an den erbetenen Rechtsvertreter Dr. iur. Y. .
Es wird davon Vormerk genommen, dass die Privatkläger 24 keine Prozessentschädigung gefordert haben.
BerufungsAnträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 89 S. 1 ff.)
Das Urteil des Bezirksgerichts Andelfingen vom 19. Juli 2021 (DG200003) sei betreffend die folgenden Ziffern aufzuheben:
Ziffer 1, Spiegelstrich 1-4;
Ziffern 2-3 und
Ziffer 5.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der mehrfachen gefährdung des Lebens i.S.v. Art. 129 StGB freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG und Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG freizusprechen.
Der Beschuldigte sei schuldig zu sprechen wegen unbewusster fahrlüssiger Tütung i.S.v. Art. 117 StGB, unbewusster Fahrlässiger schwerer Körperverletzung i.S.v. Art. 125 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB sowie eventualvorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand i.S.v. Art. 91
Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG.
Auf eine Bestrafung des Beschuldigten wegen unbewusster, eventualiter bewusster Fahrlässiger Tütung i.S.v. Art. 117 StGB sowie wegen unbewusster, eventualiter bewusster Fahrlässiger schwerer Körperverletzung i.S.v. Art. 125 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 StGB sei zu verzichten.
Für den Schuldspruch wegen eventualvorsätzlichen Fahrens in fahrunfühigem Zustand i.S.v. Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG sei der Beschuldigte mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 120 bei einer Probezeit von 3 Jahren sowie einer Verbindungsbusse in der Höhe von Fr. 700 zu bestrafen.
Eventualiter sei der Beschuldigte für den Schuldspruch wegen unbewusster Fahrlässiger Tütung i.S.v. Art. 117 StGB, wegen unbewusster Fahrlässiger schwerer Körperverletzung i.S.v. Art. 125 Abs. 1
i.V.m. Abs. 2 StGB und wegen eventualvorsätzlichen Fahrens in fahr- unfähigem Zustand i.S.v. Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG mit einer bedingten Geldstrafe von 250 Tagessätzen zu je
Fr. 120 bei einer Probezeit von 3 Jahren und einer Verbindungsbusse in der Höhe von Fr. 6'000 zu bestrafen.
Subeventualiter sei der Beschuldigte für den Schuldspruch wegen bewusster Fahrlässiger Tütung i.S.v. Art. 117 StGB, wegen bewusster Fahrlässiger schwerer Körperverletzung i.S.v. Art. 125 Abs.1 i.V.m. Abs. 2 StGB und wegen eventualvorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand i.S.v. Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG mit einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je Fr. 120 bei einer Probezeit von 3 Jahren und einer Verbindungsbusse von
Fr. 8'600 zu bestrafen.
Unter ausgangsgemüssen Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl.
MwSt.).
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich: (Urk. 88 S. 1 i.V.m. Urk. 79 S. 2)
Der Beschuldigte sei schuldig zu sprechen
der vorsätzlichen Tütung im Sinne von Art. 111 StGB,
der mehrfach eventualvorsätzlich versuchten Tütung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB,
der vorsätzlichen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB,
eventualiter der mehrfachen gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB,
der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG und
Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG sowie
des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (qualifizierte Alkoholkonzentration) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m.
Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 2 Abs. 1 VRV, Art. 1 Abs. 1 lit. a sowie mit Art. 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung der Bundesversammlung über die Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr.
Der Beschuldigte sei zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren.
Die Kosten des Berufungsverfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Erwägungen:
Verfahrensgang
Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Mändlich eröffnete Urteil des Bezirksgerichtes Andelfingen vom 19. Juli 2021 (Urk. 68; Prot. I S. 33) meldeten die amtliche Verteidigung gleichentags und die Staatsanwaltschaft am 20. Juli 2021 Berufung an (Urk. 70, Urk. 71; Art. 399 Abs. 1 StPO). Nach der Zustellung des begründeten Urteils am 26. bzw. 27. April 2023 reichten die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 12. Mai 2023 sowie die amtliche Verteidigung mit Eingabe vom 16. Mai 2023 ihre BerufungsErklärungen im Sinne von Art. 399 Abs. 3 StPO ein (Urk. 79 und Urk. 81). Mit präsidialVerfügung vom 19. Mai 2023 wurde den Privatklägern, der Staatsanwaltschaft sowie dem Beschuldigten je eine Kopie der BerufungsErklärungen der Staatsanwaltschaft bzw. des Beschuldigten zugestellt und Frist für die Anschlussberufung einen Nichteintretensantrag angesetzt (Urk. 82). Nachdem sich keine der Parteien vernehmen liess, wurde am 13. September 2023 zur Berufungsverhandlung auf den 22. März 2024 vorgeladen
(Urk. 84).
Zur Berufungsverhandlung erschienen Sonderstaatsanwalt Dr. Rolf J?ger, der Beschuldigte und dessen amtlicher Verteidiger sowie die Privatklägerin 1 in Begleitung ihres Rechtsvertreters (Prot. II S. 4).
Anlässlich der Berufungsverhandlung stellten die Parteien die eingangs aufgefährten Anträge.
Umfang der Berufung
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überpröft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO).
Mit ihrer BerufungsErklärung vom 12. Mai 2023 (Urk. 79) ficht die Staatsanwaltschaft sinngemäss die Dispositivziffer 1, Spiegelstrich 1-3 sowie die Dispositivziffer 2 an, mit Bezug auf die Dispositivziffer 1, Spiegelstrich 4 und 5 verlangt sie eine Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Die amtliche Verteidigung des Beschuldigten ficht mit ihrer BerufungsErklärung (Urk. 81) die Dispositivziffern 1, Spiegelstrich 1-5, 2, 3, 5, 7, 9 und 10 an. Anlässlich der Berufungsverhandlung änderte sie die BerufungsAnträge dahingehend, dass sie nur noch Dispositivziffern 1, Spiegelstriche 1-4, 2-3 und 5 anficht (Urk. 89 S. 1).
Nicht angefochten sind somit die Dispositivziffern 1, 5. Spiegelstrich (Schuldspruch vorsätzliches Fahren in fahrunfähigem Zustand), 4 (Verzicht Verlängerung Probezeit), 6-9 (Kostendispositiv), 10 (Prozessentschädigung Vertreter der Privatklägerin 1) und 11 (Vormerknahme Verzicht Privatklägerschaft 2-4 auf Prozessentschädigung). Es ist somit festzustellen, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Andelfingen vom 19. Juli 2021 diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen ist.
Verwertbarkeit der Beweismittel
Die Vorinstanz hat die verwertbaren Beweismittel korrekt angegeben, worauf zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 77
S. 7; Art. 82 Abs. 4 StPO). Die amtliche Verteidigung stellte vor Vorinstanz die Verwertbarkeit der Beweismittel auch nicht in Abrede, mit Ausnahme der polizeilichen Einvernahme der Auskunftsperson F. vom 4. November 2020. Diese drfe zur Sachverhaltserstellung nicht herangezogen werden, da dem Beschuldigten das Konfrontationsrecht nicht Gewährt worden sei. Daher sei nicht erstellt, dass der Sattel-Sachtransportanhänger mit Diesel und Benzin gefällt gewesen sei (Urk. 60 S. 4). Diesen Einwand brachte die amtliche Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung erneut vor (Urk. 89 S. 4 f.). Mit diesem Einwand hat sich die Vorinstanz bereits befasst. Sie hielt hierzu fest, dass dahingestellt bleiben könne, inwiefern für die rechtliche Würdigung relevant sein soll, was der Sattel- Sachtransportanhänger transportierte. Zudem sei dem amtlichen Verteidiger am
24. April 2018 unter anderem die fragliche Einvernahme (Urk. 22/1/9) zugestellt worden und der Beschuldigte ausserdem anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 19. April 2018 mit dem Umstand konfrontiert worden, dass es
sich beim Sattelschlepper um einen Tanklastwagen handelte (Urk. 2/1/3 S. 10). In der Folge liess die Vorinstanz die Frage der Verwertbarkeit offen, da dieses Sachverhaltselement für die weitere Prüfung nicht relevant sei (Urk. 77 S. 7). Diesen Erwägungen ist zuzustimmen. Es kann mit Bezug auf die Sachverhaltserstellung offen bleiben, was der Sattelschlepper transportierte. Dieser Umstand ist weder mit Bezug auf die Sachverhaltserstellung noch mit Bezug auf die rechtliche Würdigung von Relevanz.
Im vorliegenden zweitinstanzlichen Urteil wird um unnötige Wiederholungen zu vermeiden in Bezug auf die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergänzend an den entsprechenden Stellen auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen (vgl. Art. 82 Abs. 4 StPO). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausDrücklich widerlegen muss. Vielmehr wird dem Gericht zugestanden, sich auf die seiner Auffassung nach wesentlichen und massgeblichen Vorbringen der Parteien zu beschränken (vgl. dazu BGer 1P.378/2002 vom 9. September 2002, E. 5.1; 6B_600/2012 vom 26. Februar 2013, E. 3.2; BGE 136 I 229,
E. 5.2; BGE 133 I 277, E. 3.1; BGE 129 I 232, E. 3.2; BGE 126 I 97, E. 2b mit
Hinweisen). Folgerichtig wird sich auch die Berufungsinstanz nur mit denjenigen Einwänden auseinandersetzen, welche die relevanten Anklagesachverhalte betreffen und für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind.
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich wirft dem Beschuldigten den in der Ergänzten Anklageschrift vom 14. Juli 2021 umschriebenen Sachverhalt vor (Urk. 52). Der Beschuldigte sowie dessen Verteidigung anerkennen grundsätzlich den tatsächlichen bzw. objektiven Sachverhalt gemäss Ergänzter Anklageschrift vom 14. Juli 2021 (Urk. 2/1/3 S. 1 ff.; Urk. 2/1/5 S. 1 ff.; Urk. 2/1/7 S. 1 ff.; Urk. 60
S. 6 ff.; Prot. II S. 16). Dieser ist auch durch die Akten ausgewiesen.
2.1. Vor Vorinstanz brachte die amtliche Verteidigung einzig vor, dass dem unfallanalytischen Gutachten vom 30. November 2018 nur zu entnehmen sei, dass
der Beschuldigte die aus der Raststätte hinausführende Linkskurve im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit befahren habe, indes nicht wie in der Anklage beschrieben mit einer viel zu hohen Geschwindigkeit (Urk. 60 S. 5).
Dem ist mit Bezug auf das unfallanalytische Gutachten vom 30. November 2018 zuzustimmen, welches vom Beschuldigten und dessen Verteidigung anerkannt ist (Urk. 22/1/15). Dieses Gutachten hält fest, dass der Beschuldigte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h über den Rastplatz fuhr, die Linkskurve am Ende des Rastplatzes habe der Beschuldigte im Bereich der dortigen Kurvengrenzgeschwindigkeit von 76 km/h befahren (Urk. 9/1/5 S. 11 ff. und Beilage 11).
Die amtliche Verteidigung machte zudem vor Vorinstanz geltend, es sei nicht erstellt, dass es alleine dem Zufall überlassen gewesen sei, dass nicht bereits auf der Raststätte Personen zu Schaden gekommen seien sowie dass die Privatklägerin B. lebensgefährlich verletzt worden sei (Urk. 60 S. 5). Anlässlich der Berufungsverhandlung brachte die amtliche Verteidigung diese Einwände nicht mehr vor.
Die in der Anklageschrift festgehaltenen Verletzungen und Einschränkungen von B. sind gemäss den ärztlichen Befunden erstellt und auch nicht bestritten.
Vgl. hierzu Austrittsbericht der Rehaklinik Bellikon vom 26. Februar 2018
(Urk. 13/1/3), ärztlicher Befund des Universitätsspitals Zürich vom 14. Juni 2018 (Urk. 13/1/6) sowie der Rehaklinik Bellikon vom 3. Juli 2018 (Urk. 13/1/8), Austrittsbericht des Universitätsspitals Zürich vom 27. Juni 2018 (Urk. 13/1/9), ärztlicher Befund der Plastischen Chirurgie und Handchirurgie des Universitätsspitals Zürich vom 4. März 2020 (Urk. 13/1/11) sowie ambulanter Bericht der Traumatologie des Universitätsspitals Zürich vom 18. Mai 2020 (Urk. 13/1/17).
Ob diese Verletzungen schwer bzw. lebensgefährlich waren, betrifft die rechtliche Würdigung und es ist an entsprechender Stelle darauf einzugehen. Dasselbe gilt für die Frage, ob es alleine dem Zufall überlassen war, dass nicht bereits auf der Raststätte Personen zu Schaden gekommen seien.
Zusammenfassend wird dem Beschuldigten in der Ergänzten Anklageschrift vom 14. Juli 2021 (Urk. 52) vorgeworfen, am frühen Morgen des 4. November 2017 mit dem Auto von Zürich via G. in Richtung H. gefahren zu sein. Bei ihm im Fahrzeug befanden sich I. , B. und ?J. . Der Beschul- digte wies nach dem Ausgang in Zürich eine Blutalkoholkonzentration von min- destens 1,14 Gewichtspromillen auf. Dieser Sachverhaltsabschnitt ist anerkannt.
Ebenfalls unter Einbezug der oben erwähnten Konkretisierungen unbestritten ist, dass der Beschuldigte um ca. 5.00 Uhr nach dem Wechsel von der A 1 auf die A 4 in Richtung H. einem Sattelzug folgte (wobei offen bleiben kann, was dieser geladen hatte), welcher mit den ihm erlaubten 80 km/h unterwegs war. Da ein überholen auf der dort einspurig gefährten Autostrasse nicht erlaubt ist, beschloss der Beschuldigte, den Sattelzug rechts über den Rastplatz K. strasse (Gemeinde L. ) zu überholen. Zu diesem Zwecke beschleunigte der Beschuldigte auf dem Verzögerungsstreifen auf ca. 100 km/h, verzügerte auf Grund der darauffolgenden Rechtskurve, welche unmittelbar darauf in eine Linkskurve auf den Rastplatz Mändete, leicht ab und fuhr dann mit mindestens 80 km/h über den Rastplatz, um den Sattelzug ein- und überholen zu können. Als der Beschuldigte gegen Ende des Rastplatzes nach links schaute und erkannte, dass sich die führerkabine des Sattelzugs noch immer fast auf derselben Höhe wie er befand, entschied er sich, sein Vorhaben zu Ende zu führen und befuhr daher die Kurve am Ende des Rastplatzes mit der dortigen Kurvengrenzgeschwindigkeit von 76 km/h. Sein Auto geriet dabei ins Driften und dann ins unkontrollierte Schleudern. Auf Grund dieser Schleuderfahrt geriet das Fahrzeug auf die Autostrasse, wo es zu einer ersten Kollision mit der hinteren rechtsseitigen Ecke des Sattelzugs kam. Das Fahrzeug des Beschuldigten rotierte zufolge des Aufpralls im Uhrzeigersinn und geriet um beinahe 180 Grad gedreht auf die Gegenfahrbahn der Autostrasse, wo sich zur selben Zeit von H. der korrekt gelenkte VW Polo von M. näherte. Dieser kollidiert mit mindestens 100 km/h ungebremst mit dem hinter dem Heck des Sattelzugs hervorschiessenden Auto des Beschuldigten. Dessen Fahrzeug wird auf Grund dieser Kollision wiederum um fast 180 Grad gedreht und auf die Fahrbahn Richtung H. katapultiert, wo es
am Strassenrand zum Stillstand kommt. Der VW Polo von M. blieb mit stark deformierter Front an der Leitplanke stehen. Der Fahrer des Sattelzugs brachte sein Fahrzeug ein paar hundert Meter weiter zum Stillstand. Ein in Richtung H. fahrender Automobilist (N. ) konnte mit seinem Cadillac SRX 4.6. eine Kollision mit dem Auto des Beschuldigten knapp vermeiden, indem er über den rechtsseitigen Grünstreifen auswich.
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Dieses Unfallgeschehen hatte folgende Verletzungsbzw. Todesfolgen:
?J. , welcher hinten rechts im Fahrzeug des Beschuldigten sass, erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Hirnblutungen und Hirnschwellung, eine Ruptur der Aorta, diverse weitere teilweise schwere Verletzungen und starb trotz sofortigen Rettungsmassnahmen und mehreren Operationen am 8. November 2017.
B. , welche hinten links im Fahrzeug des Beschuldigten sass, erlitt ein schweres Polytrauma, u.a. einen Bruch des 1. Halswirbels, eine beidseitige Lungenquetschung, Risse in Leber, Milz und Niere, beidseits Oberschenkelbrüche und weitere Verletzungen. Sie musste drei Wochen im Spital bleiben und mehrmals operiert werden. Es folgten drei Monate in einer Reha-Klinik. Es verbleibt eine TeilLöhmung des rechten Armes, die auch mit einer Operation nicht vollst?n- dig geheilt werden kann. B. musste ihre Ausbildung als Fachfrau Gesundheit abbrechen und sich beruflich neu orientieren.
Die Beifahrerin des Beschuldigten, I. , erlitt ein stumpfes Bauchtrauma mit diversen Prellungen und musste sechs Tage im Spital behandelt werden.
Der Lenker des VW Polo, M. , erlitt zumindest ein Hochrasanztrauma mit Lungenkontusion am rechten Oberlappen sowie eine Thoraxkontusion mit ei- ner Rippenprelllung rechts, was zwei Tage Spitalaufenthalt zur Folge hatte.
N. , Lenker des Cadillac SRX 4.6, erlitt eine HWS-Distorsion.
Ausgangslage
Die Vorinstanz kam zusammenfassend zum Schluss, dass der Beschuldigte eine tödliche sonstige Verletzung der Fahrzeuginsassen als Folge seines Überholmanövers zumindest für möglich gehalten haben müsse (Urk. 77 S. 23). Das Risiko, dass das Fahrzeug des Beschuldigten auf die nicht richtungsgetrennte Gegenfahrbahn gelangen konnte, sei angesichts des Befahrens der fraglichen Linkskurve im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit so anders in hohem Masse gegeben gewesen (Urk. 77 S. 24 ff.). Die Sorgfaltspflichtverletzung des Beschuldigten wiege schwer, er habe offensichtlich seine eigene Fahrfühigkeit überschätzt und seine Geschwindigkeit dann auch nicht an die gegebenen Umstände angepasst. Offenkundig habe er zudem das Risiko seines Überholmanövers massiv unterschätzt (Urk. 77 S. 26 f.). Die BewegGründe des Beschuldigten, den Sattelschlepper über die Raststätte zu überholen, seien Völlig unVerständlich und nichtig. Es könne als erstellt erachtet werden, dass der Beschuldigte allein aus egoistischen und objektiv nicht nachvollziehbaren Motiven gehandelt habe. Eine Notwendigkeit, den Sattelschlepper rechts über die Raststätte zu überholen, habe nicht bestanden. Es lägen aber nicht genügend Hinweise vor, welche es erlauben würden darauf zu schliessen, dass der Beschuldigte dem Tod einer schweren Verletzung für sich, für seine Mitfahrer und andere Verkehrsteilnehmer gleichgültig gegenübergestanden und diese billigend in Kauf genommen habe. Namentlich auch aufgrund des Umstandes, dass sich der Beschuldigte durch sein inkriminiertes Verhalten selbst massiv gefährdete, könne ein eventualvorsätzliches Handeln nicht leichthin angenommen werden, wäre es doch kaum vorstellbar, dass der Beschuldigte selbst seinen Tod seine schwere Verletzung billigend in Kauf genommen hätte. Es würden daher nicht überwindbare Zweifel vorliegen, dass der Beschuldigte, obwohl dieser die Gefahr für Leib und Leben durch sein Überholmanöver bewusst geschaffen habe, die Verwirklichung derselben billigend im Sinne eines Eventualvorsatzes in Kauf genommen und sich gegen das geschätzte Rechtsgut entschieden habe. Die Grenze zum Eventualvorsatz sei nicht überschritten. In dubio pro reo sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte in Bezug auf die verwirklichten Todes- und Verletzungsfolgen nicht eventualvorsätzlich, sondern bewusst Fahrlässig gehandelt habe (Urk. 77 S. 31 ff.).
Die Staatsanwaltschaft macht zusammengefasst geltend, dass die Vorinstanz zu Unrecht den Eventualvorsatz verneint habe. Der Beschuldigte habe mit seinem maximal riskanten Überholmanöver absolut hemmungs- und Rücksichtslos nicht nur seine Mitfahrer einer unmittelbaren Lebensgefahr ausgesetzt, sondern dabei auch billigend in Kauf genommen, diese höchstwahrscheinlich zu täten schwer zu verletzen, wie es sich dann auch äusserst fatal verwirklichte. Sein Han- deln zeuge von einer beispiellos tiefen Geringschätzung des Lebens seiner Mitfahrer und der weiteren Unfall- und Verkehrsbeteiligten (Urk. 79 S. 2). Die Fakten liessen die Annahme einer fahrlässigen Tatbegehung nicht zu. Der Beschuldigte sei orts- und als LKW-Fahrer auch sachkundig und habe alleine aus nichtigen Gründen, Nämlich mit dem Motiv, so schnell als möglich nach Hause zu kommen, weil er schlafen gehen wollte, gehandelt. Er habe gewusst, dass auf dem Rastplatz das Risiko, einen zufällig auf der Fahrbahn vor ihm zwischen den parkierten Fahrzeugen hervortretenden bzw. die Fahrbahn querenden Passanten zu erfassen, sehr gross sei. Ebenso habe er gewusst, dass die Strecke über den Rastplatz länger ist als jene entlang desselben auf der A4 und dass sowohl eingangs wie ausgangs dieses Rastplatzes eine Rechts-/Linkskurvenkombination zu fahren ist. Trotz seiner Kenntnisse habe er sich für die rasante, halsbrecherische Fahrt über den Rastplatz entschieden. Der Beschuldigte habe sein Ziel, den aus seiner Sicht zu langsam fahrenden Sattelzug zu überholen auch dann nicht aufgegeben, als er gegen Ende des Rastplatzes realisiert habe, dass sich dieser auf der gleichen Höhe wie er selber befand, er aber, um sich vor diesem einreihen zu kön- nen, zuerst noch eine vergleichsweise weitere Strecke und zwar um eine Links-
/Rechtskurve herum, zurücklegen musste. Die Kurve habe er mit einer Geschwin- digkeit genommen, welche im physikalischen Grenzbereich gelegen habe. Dass eine solche halsbrecherische Kurvenfahrt mit dem fraglichen Fahrzeug nicht zu beherrschen sei, sei schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung überhaupt keine überraschung. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles sei riesig und dass dabei Menschen, vor allen Dingen seine Mitfahrer, der enorm hohen Gefahr ausgesetzt seien, sich schwerst, wenn nicht gar tödlich, zu verletzen, liege auf der Hand. Das Bundesgericht beschränke die Bejahung des Tütungsvorsatzes mit den Entscheiden BGE 133 IV 1 und 9 auf krasse Fälle. Hier sei ein solcher krasser Fall. Das zu verneinen, erscheine in Anbetracht der aufgefährten Tatsachen als geradezu lebensfremd (Urk. 59 S. 2 ff.; Urk. 88 S. 9 ff.).
Die amtliche Verteidigung führt zusammengefasst aus, dass kein Eventualvorsatz vorliege, sondern der Beschuldigte in unbewusster, eventualiter bewusster Fahrlüssigkeit gehandelt habe. Zur Wissensseite führte die Verteidigung aus, der Beschuldigte weise kognitive Einschränkungen auf. Er habe eine Heilpädagogische Schule besucht und die Lehre als Strassentransportfachmann Ausbildung EBA habe er nach einem Jahr in eine Anlehre (Niveau auf der führerPrüfung Kat. B + BE) umwandeln müssen, weil ihm das Niveau der EBA Ausbildung zum Strassentransportfachmann zu hoch gewesen sei. Für die TheoriePrüfung der Kat. B habe er Monate lang lernen müssen und habe sie mehrfach nicht bestanden. Dies zeige auf, dass der Beschuldigte bei theoretischen Fragestellungen im Verkehr und gerade um eine solche handle es sich ja auch, wenn es darum gehe, ob er eine tödliche sonstige Verletzung der Fahrzeuginsassen für möglich gehalten haben müsse unglaubliche Schwierigkeiten habe. Dazu komme, dass er mit
1.14 Gewichtspromille und damit einem qualifizierten Alkoholisierungsgrad am Steuer gesessen sei. Dadurch sei das bereits vorbestehende mangelhafte bzw. fehlende theoretische Denken und Verständnis und die ebenfalls bereits vorbestehende stark eingeschränkte Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen zusätzlich herabgesetzt gewesen. Der früheste Zeitpunkt, als der Beschuldigte den Lastwagen auf gleicher Höhe habe sehen können, sei dann gewesen, als er sich unmittelbar vor dem Eingang in die Linkskurve befunden habe. Vom Blickkontakt bis zum Ort der ersten Kollision mit dem Lastwagen seien nur gerade einmal 2 Sekunden vergangen. Diese 2 Sekunden seien entscheidend zu wenig gewesen, um den weiteren möglichen Verlauf überlegen, die möglichen damit einhergehenden Folgen erkennen und dabei auch noch den Entschluss fassen zu können, Todesopfer und Schwerverletzte in Kauf zu nehmen. Dies gelte umso mehr für den Beschuldigten, welcher erhebliche kognitive Defizite aufweise. Er habe die Möglichkeit das Risiko der Tatbestandsverwirklichung nicht vorausgesehen, weshalb ihm nur eine unbewusste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne (Urk. 89 S. 7 ff.). Zur Willensseite führte die Verteidigung aus, zwar habe der Beschuldigte die Linkskurve aus dem Rastplatz im Rahmen der Grenzgeschwindigkeit befahren, womit es indes nicht ausserhalb der Möglichkeit gelegen habe, dass diese Linkskurve ohne Herrschaftsverlust hätte passiert werden können. Zudem sei ein Unfallverlauf von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, wobei vorliegend die Gefahr, auf der Gegenfahrbahn mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zu kolli- dieren, als nicht sehr gross einzuSchätzen sei. Die vorinstanzliche Annahme, dass grundsätzlich immer mit Gegenverkehr zu rechnen sei, sei willk?rlich, denn es habe ein schwaches Verkehrsaufkommen geherrscht. Die Fahrweise des Beschuldigten sei verantwortungslos gewesen, dies sei unbestritten, ebenso, dass das Risiko der Tütung eines Menschen bzw. die ZuFügung einer schweren Körperverletzung im Rahmen des möglichen lag. Dem Beschuldigten sei daher eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen. Das Risiko sei aber nicht derart gross gewesen, dass es sich geradezu aufgedrängt hätte und das Verhalten des Beschuldigten nur noch als Einverständnis Gleichgültigkeit ausgelegt werden könnte. Der Beschuldigte sei daher wegen unbewusster, eventualiter bewusster Fahrlässiger Tütung und unbewusster, eventualiter bewusster Fahrlässiger Körperverletzung zu verurteilen (Urk. 60 S. 7 ff., S. 13 ff.; Urk. 89 S. 12 ff.).
(Eventual-)vorsätzliche Tütung/mehrfache eventual vorsätzliche versuchte Tütung, eventualvorsätzliche schwere Körperverletzung
Anklagevorwurf
Die Anklageschrift wirft dem Beschuldigten vor, dass er mit seinem RechtsÜberholmanöver über den Rastplatz zumindest in Kauf genommen habe, dass sich die klar abzeichnenden Gefahren verwirklichen könnten, er Nämlich die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert und es zu einem schweren Unfall kommen könnte und sich seine Mitfahrer dabei schwerst bzw. tödlich verletzen könnten und er sich mit der Möglichkeit des Eintrittes dieser Folgen abgefunden habe. Als Folge seines Verhaltens habe sich der sich abzeichnende Unfall realisiert, wobei es dem Zufall überlassen geblieben sei, ob und beim welchem der Insassen seines Fahrzeugs sich Bagatellverletzungen, bei welchen sich eine Todesfolge einstellen würde (Urk. 52 S. 8).
Rechtliches
Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Nach derselben Bestimmung handelt bereits vorsätzlich, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Der eventualvorsätzlich handelnde täter nimmt den Eintritt des als möglich erkannten Erfolges ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab, mag er ihm auch unerwünscht sein. Dass er den Erfolg billigt, ist nicht erforderlich (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; BGE 133 IV 9 E. 4.1). Ob der täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf genommen hat, muss das Gericht bei Fehlen eines Geständnisses des Beschuldigten aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem täter bekannten Risikos der Tatbestandsver-
wirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die BewegGründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je Grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 135 IV 12 E. 2.3.2; BGE 134 IV 26 E. 3.2.2; BGE 133 IV 9
E. 4.1). Das Gericht darf vom Wissen des täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem täter der Eintritt des Erfolges als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 137 IV1 E. 4.2.3; BGE 133 IV 222
E. 5.3). Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolges nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des täters um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden
(BGE 133 IV 9 E. 4.1; BGE 131 IV 1 E. 2.2). Ein Tütungsvorsatz ist nach der bun- desgerichtlichen Rechtsprechung zu verneinen, wenn der täter trotz der erkannten möglichen Lebensgefahr handelt, aber mit guten Gründen darauf vertraut, die
Todesgefahr werde sich nicht realisieren. Das Bundesgericht verlangt in diesem Zusammenhang, dass angesichts der hohen Mindeststrafe bei Straftaten gegen Leib und Leben bzw. des gravierenden Schuldvorwurfs bei Kapitaldelikten ein entsprechender Vorsatz nur angenommen werden darf, wenn zum Wissenselement weitere Umstände hinzukommen, welche zumindest ein eventualvorsätzliches Handeln nahelegen (Urteil 6B_531/2017 vom 11. Juli 2017, E. 1.3.). Solche Umstände liegen namentlich vor, wenn der täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und der Geschädigte über keinerlei realistische Abwehrchancen verfügt (vgl. BGE 133 IV 1, E. 4.5.; BGE 131 IV 1, E. 2.2.). überlässt der täter es dem Zufall, ob sich die von ihm geschaffene mögliche Todesgefahr verwirklicht nicht, liegt bereits eine (versuchte) eventualvorsätzliche Tütung vor (Urteile 6B_675/2018 vom 26. Oktober 2018 E.
2.3.2 und 6B_818/2015 vom 8. Februar 2016 E. 3.3; je mit Hinweisen).
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst Fahrlässig handelnde täter wissen um die Möglichkeit des Erfolgseintritts beziehungsweise um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst Fahrlässig handelnde täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der TatbestandsErfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, will ihn im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass der täter den Erfolg billigt (BGE 133 IV 9 E. 4.1; 130 IV 58 E. 8.3, je mit Hinweisen).
In beweistechnischer Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass sich die Inkaufnahme als innerer Vorgang letztlich in der Regel nicht direkt nachweisen lässt. Das gilt grundsätzlich dann, wenn bei fehlendem Geständnis des täters aus äusseren
Umständen und Erfahrungsregeln auf jene inneren Tatsachen geschlossen wird
(u.a. BGE 134 IV 26 E. 3.2.2.; BGE 130 IV 58 E. 8.4.). Der Richter darf vom Wissen des täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem täter die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_214/2007 vom 13. November 2007 E. 3.4.2. und BGE 133 IV 9 E. 4.1. und BGE 130 IV 58 E. 8.4. samt Ver-
weisen). Zu den relevanten Umständen für die Entscheidung der Rechtsfrage, ob der täter eventualvorsätzlich bewusst Fahrlässig gehandelt hat, gehören unter anderem die Grösse des (ihm bekannten) Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung (vgl. BGE 130 IV 58 E. 8.4.; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Je Grösser etwa das Risiko des Erfolgseintritts ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die tatsächliche Schlussfolgerung, der täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, also entgegen seiner Behauptung nicht (pflichtwidrig unvorsichtig) auf einen Ausgang vertraut, bei dem keine fremden Rechtsgüter verletzt werden. Zu den relevanten Umständen können auch die BewegGründe des täters und die Art der Tathandlung gehören (BGE 125 IV 242 E. 3c mit weiteren Hinweisen und BGE 130 IV 58 E. 8.4.).
Bei UnFällen im Strassenverkehr darf indes nicht ohne Weiteres aus der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts des tatbestandsmässigen Erfolgs auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Erfahrungsgemäss neigen Fahrzeuglenker dazu, einerseits die Gefahren zu unterSchätzen und andererseits ihre Fähigkeiten zu überSchätzen, weshalb ihnen unter Umständen das Ausmass des Risikos der Tatbestandsverwirklichung nicht bewusst ist. Einen unbewussten Eventualdolus aber gibt es nicht. Eventualvorsatz in Bezug auf Verletzungs- und Todesfolgen ist bei UnFällen im Strassenverkehr daher nur mit zurückhaltung in krassen Fällen anzunehmen, in denen sich aus dem gesamten Geschehen ergibt, dass der Fahrzeuglenker sich gegen das geschätzte Rechtsgut entschieden hat (BE 133 IV 9,
E. 4.4.). Einem Autofahrer ist bei einer riskanten Fahrweise, z.B. bei einem waghalsigen Überholmanöver, auch wenn ihm die möglichen Folgen bewusst sind und er auf sie gar ausDrücklich hingewiesen worden ist, in der Regel zuzugestehen, dass er wenn auch oftmals rational nicht beGründbar leichtfertig darauf vertrauen wird, es werde schon nicht zu einem Unfall kommen. Die Annahme, der Fahrzeuglenker habe sich gegen das Rechtsgut entschieden und nicht mehr im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang vertraut, darf daher nicht leichthin getroffen werden (BGE 130 IV 58, E. 9.1.1.).
Würdigung
Dass das Wissenselement des Vorsatzes erfüllt ist, wurde durch die Vorinstanz zu Recht bejaht (Urk. 77 S. 23) und wird durch die amtliche Verteidigung grundsätzlich anerkannt (Urk. 59 S. 13 ff.). Der Beschuldigte wusste somit um die Möglichkeit des Erfolgseintritts beziehungsweise um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Er räumte selber ein, dass das überholen des Sattelzuges über den Rastplatz mit der gefahrenen Geschwindigkeit ein riesen Fehler gewesen sei (Urk. 2/1/7 S. 10).
Die Vorinstanz ist auf die Umstände der Fahrt vor dem Unfall ausführlich eingegangen, worauf zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 77 S. 13 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Sie kam zum Schluss, dass es sich zwar bereits vor dem Unfall um eine problematische Fahrt gehandelt habe, indes sich aus den Aussagen der Beteiligten nicht zweifelsfrei eine innere Einstellung des Beschuldigten erstellen lasse, welche zur Beurteilung des Willensmoments herangezogen werden könne (Urk. 77 S. 17). Dem ist zu folgen: Die Aussagen von I. _, wonach sie vor dem Unfall geschlafen und sich nicht erinnern könne (Urk. 2/4/1 S. 2 f.; Urk. 2/4/2 S. 2 f.; Urk. 58 S. 9, 13 und 19), sind als unglaubhaft zu würdigen, zumal sie anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung widersprächlich aussagte und dann angab, nicht zu wissen, ob sie geschlafen habe nicht bzw. sich nicht mehr zu erinnern (Urk. 58 S. 13 f.). Der Beschuldigte sagte diesbezüglich aus, dass I. während der Fahrt wach gewesen sei. Sie sei das vierte Auge gewesen und habe ihm gesagt, dass er anhalten solle, wenn er möde sei (Urk. 2/1/1 S. 6; Urk. 2/1/3 S. 11). B. erklärte ebenfalls, dass I. wach gewesen sei, sie habe den Beschuldigten auf
eine verpasste Ausfahrt hingewiesen (Urk. 55 S. 11). Aus den Aussagen von B. geht zudem hervor, dass ?J. den Beschuldigten ermahnt hatte, vorsichtiger zu fahren (Urk. 2/5/2 S. 4 und Urk. 55 S. 11). Der Beschuldigte fiel seinen Beifahrern somit schon lange vor dem Unfall mit seiner unvorsichtigen Fahrweise auf.
Zudem kam die Vorinstanz bei Würdigung der Aussagen des Beschuldigten, von I. und M. zum Schluss, dass I. den Beschuldigten vor beim Überholmanöver mit den Worten warnte: Mach das nicht (Urk. 77 S. 28 ff., S. 31). M. sagte aus, er habe an der Unfallstelle eine junge Frau wahrgenommen, die herumschrie resp. schreiend wiederholt zum dort stehenden jungen Mann sagte: Was hast du angestellt Ich habe dir gesagt, mach das nicht! Helfen Sie mir meine Cousine aus dem Fahrzeug zu ziehen! (Urk. 2/2/1
S. 2 f.) bzw. Siehst du was du getan hast Ich habe dir gesagt mach das nicht! (Urk. 56 S. 4 und 9). I. bestätigt dies, macht indes geltend, dass sie dem Beschuldigten diese Worte zugeschrien habe, da dieser nach G. statt nach O. weiter gefahren sei (Urk. 58 S. 22 f.). Der Beschuldigte sagte diesbezüglich aus, dass er sich daran erinnern könne, dass I. herumgeschrien, nicht aber, dass sie ihm gesagt habe: Was hast du angestellt Ich habe dir gesagt, mach das nicht! (Urk. 2/1/3 S. 15). Mit der Vorinstanz sowie der Staatsanwaltschaft (Urk. 59 S. 7, Urk. 88 S. 14) und entgegen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 89 S. 13 f.) ist angesichts des Ablaufs als einzig plausibler Zeitpunkt der Warnung das über den Rastplatz-Fahren, denn nur diese Handlung stellt einen direkten Konnex zum Unfall her. Das Fortsetzen der Fahrt nach G. alleine würde nicht zu dieser Aussage führen. Zudem hat I. ausgesagt, beim Unfall den Ort nicht einmal richtig gekannt, nicht einmal die Umgebung gekannt zu haben (Urk. 58 S. 22). Damit ist erstellt, dass die Warnung das Überholmanöver über den Rastplatz betraf. Dieser Umstand zeigt klar die egoistische Motivlage des Beschuldigten, welcher seine eigenen Wünsche und Ziele eigennützig verfolgt und sich auch nicht von einer Warnung davon abbringen lässt.
Unbestritten und erstellt ist, dass der Beschuldigte vor der Fahrt von Zürich nach H. im Nachtclub alkoholische Getränke konsumierte (Urk. 2/1/1 S. 3
und 5; Urk. 2/1/2 S. 2; Urk. 2/1/3 S. 4 f. und 7) und gemäss dem ärztlichen Bericht zur Blutalkoholanalyse eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.14 Gewichtspromillen aufwies (Urk. 2/1/5 S. 2; Urk. 10/1/8 S. 2). Der Beschuldigte wusste, dass er als Neulenker nach dem Konsum alkoholischer Getränke nicht Auto fahren durfte (Urk. 2/1/1 S. 4). Sein Verteidiger führte diesbezüglich zu Recht aus, es lasse sich nicht beschönigend darstellen, dass der Beschuldigte in dieser Situation das Auto hätte stehenlassen müssen (Urk. 60 S. 14). Diese Tatsache sowie die Aussage des Beschuldigten, dass er gefahren sei, da er möde gewesen sei und am nächsten Tag einen ...-match gehabt hätte und er daher auch möglichst schnell nach Hause kommen wollte (Urk. 2/1/1 S. 8; Urk. 2/1/2 S. 1; Urk. 2/1/3 S. 6 und S. 8 f.; Urk. 2/1/5 S. 8), manifestieren bereits eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung, daraus alleine kann indes was die Verteidigung zu Recht ausführt nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte damit den Tod bzw. eine schwere Körperverletzung seiner Passagiere bzw. weiterer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen hätte.
Der Beschuldigte ist Berufsfahrer (Strassentransportfachmann; Urk. 33/1/1
S. 2 ff., Urk. 54 S. 3 f.). Der Beschuldigte weiss daher, dass Rechtsüberholen verboten ist. Daran ändern die Ausführungen der Verteidigung, dass der Beschul- digte auf Grund einer Lernschwäche Mühe im theoretischen Verständnis habe und seine kognitiven Fähigkeiten beschränkt seien, dies im Tatzeitpunkt zusätzlich durch den Alkoholkonsum (Urk. 60 S. 10 f., Urk. 89 S. 7 ff.), nichts. Der Beschuldigte hat die FahrPrüfung bestanden, mithin reichten seine Fähigkeiten auch in theoretischer Hinsicht aus. Der Beschuldigte spielte zudem zum Unfallzeitpunkt halbprofimässig in der ersten bzw. zweiten Liga ... (Urk. 33/1/1 S. 2 f.; Urk. 54
S. 11). Dieses Spiel lebt von der Schnelligkeit und auch der Fähigkeit der Spieler, rasche Entscheidungen unter physischem und psychischem Druck zu treffen. Tatsächliche Einschränkungen in den kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten hätten hier sicher dazu gefährt, dass der Beschuldigte es nicht zu einem solch hohen Niveau geschafft hätte. Ausserdem ging er immer einer Arbeit nach, betreibt ei- nen Onlinehandel (Urk. 89 S. 23) und führt immer noch Auto, was alles für seine Urteilsfähigkeit spricht. Das Wissen, dass man ein Fahrzeug nicht rechts und schon gar nicht über einen Rastplatz überholen darf, ist zudem selbst bei eingeschränktem theoretischen Wissen bekannt. Ebenso ist die Einsicht, dass ein solches Verhalten falsch ist, selbst bei stark eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten vorhanden. Dasselbe gilt für das Wissen und die Einschätzung, dass es vernünftiger ist, einen kappen überholvorgang abzubrechen als ihn weiterzuführen. Dass die Wahrnehmung und das Reaktionsvermögen verlangsamt seien, wenn man Alkohol getrunken habe was die Verteidigung ausführt (Urk. 60 S. 11, Urk. 89 S.
10) , ist zwar zutreffend, ändert indes am Gesagten nichts. Der Beschuldigte selbst sagte aus, dass er sich während der Fahrt nicht betrunken gefühlt habe (Urk. 2/1/2 S. 2) und machte nie geltend, sich nicht fühig gefühlt zu haben, Auto zu fahren. Die Verteidigung hat denn auch die kognitiven Fähigkeiten des Beschuldigten während des Vorverfahrens nicht thematisiert. Die Kenntnis des Verbots des Rechtsüberholens sowie das Wissen, dass riskante Überholmanöver abgebrochen werden müssen, sind von so rudimenTürer und von so einfacher Natur, dass sie auch bei alkoholbedingten Einschränkungen immer noch vorhanden sind. Im übrigen betrifft die geltend gemachte Einschränkung der kognitiven Fähigkeit und die geltend gemachte alkoholbedingte Einschränkung vielmehr die Frage der Schuldfühigkeit als die Erfüllung des subjektiven Tatbestands. Der Beschuldigte wusste insbesondere auch auf Grund seiner Ausbildung ausser- dem, dass sich auf Rastplötzen selbst in der Nacht Personen aufhalten könnten und diese z.B. aufs WC müssen (vgl. Urk. 2/1/3 S. 14). Ebenfalls ist notorisch, dass auch in der Nacht Verkehr herrscht, mithin auf nicht mittels Leitplanken getrennten Fahrbahnen mit Gegenverkehr gerechnet werden muss.
Der Beschuldigte kannte die Strecke zwischen G. und H. sehr gut, da er beruflich selber ab und zu dort vorbeifahren musste. Ebenso kannte er den Rastplatz und dessen Strassenverlauf und wusste, dass die Strecke kurz nach dem Rastplatz wieder zweispurig wird (Urk. 2/1/3 S. 13 und 16). Nach dem Wechsel von der Autobahn A1 auf die A4 fuhr der Beschuldigte auf einen Sattelzug auf, welcher mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h fuhr, was den Beschuldigten gemäss eigenen Aussagen aufregte (Urk. 2/1/2 S. 2; Urk. 2/1/3 S. 10). Dieser Sattelzug sei ihm zu langsam gewesen und es habe ihn angeschissen, hinter diesem her zu fahren (Urk. 2/1/3 S. 9 und 10). Trotz des Wissens darum, dass ein Sattelzug lediglich mit 80 km/h unterwegs sein durfte, sich somit
korrekt verhielt, sowie in der Kenntnis darum, dass das Rechtsüberholen insbesondere über einen Rastplatz verboten ist und ausserdem mit dem Wissen, dass ein paar hundert Meter nach dem Rastplatz die Fahrbahn wieder doppelspurig verläuft und er den Sattelschlepper dort gefahrlos hätte überholen können, entschied sich der Beschuldigte zum angeklagten Manöver. Da der Beschuldigte wusste, dass der Sattelzug mit 80 km/h fuhr, wusste er auch, dass er den Rastplatz mit den vorhandenen Kurven und damit der längeren Strecke sowie der Tatsache, dass er auch noch die länge des Sattelzugs inklusive dem bestehenden Abstand aufzuholen hatte, mit einer Höheren Geschwindigkeit befahren musste, um vor dem Sattelzug wieder in die A4 einzufahren. Der Beschuldigte sah vom Rastplatz aus resp. während seiner Fahrt über den Rastplatz den Sattelzug (Urk. 2/1/3 S. 12). Dies verdeutlicht auch seine angefertigte Skizze seiner und der Position des Sattelschleppers im Moment, als er nach links geschaut habe (Anhang von Urk. 2/1/3). Gemäss seinen eigenen Aussagen erkannte der Beschuldigte in diesem Moment, dass sich die führerkabine des Sattelzugs genau auf der Höhe seiner Position am Lenkrad befand. Er habe sich wohl überlegt, dass es reichen würde. Er war sich bewusst, dass die Strecke des Sattelzugs kürzer war als seine und er dachte sich, dass ich vor den hin muss. Auf Vorhalt bestätigte er, dass er in diesem Moment den Entschluss gefasst haben müsse, sein Fahrzeug nochmals zu beschleunigen, wenn er vor den Sattelzug kommen wollte (Urk. 2/1/3
S. 12 f.).
Durch das unfallanalytische Gutachten erstellt und anerkannt ist weiter, dass die Geschwindigkeit des Sattelzugs vor der Kollision im Bereich von ca. 80 km/h variierte und zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Beschuldigten 82 km/h betrug (Urk. 9/1/5 S. 8). Der Beschuldigte fuhr mit ca. 100 km/h in den Rastplatz hinein. über den Rastplatz betrug die Geschwindigkeit mindestens 80 km/h und die Linkskurve am Ende des Rastplatzes befuhr der Beschuldigte im Bereich der dortigen Kurvengrenzgeschwindigkeit von 76 km/h (Urk. 9/1/5 S. 11 ff. und Beila-
ge 11; Urk. 22/1/15). Auf Grund des Befahrens dieser Linkskurve im Bereich der Grenzgeschwindigkeit geriet das Fahrzeug ins Driften, worauf der Beschuldigte die Herrschaft über das Fahrzeug verlor (Urk. 9/1/5 S. 18). Gemäss dem unfallanalytischen Gutachten stellen die Räder und Reifen einen wichtigen Faktor bei
der Grenzgeschwindigkeit von Kurvenfahrten dar, da diese die Kröfte auf den Bo- den übertragen (Urk. 9/1/5 S. 18). Zum Unfallzeitpunkt betrug die Temperatur zwei Meter über dem Boden 6 Grad Celsius (Urk. 4/1/1; Urk. 9/1/5 S. 19). Bei den gegebenen Witterungsverhältnissen wirken sich ältere, härtere und weniger Profiltiefe aufweisende Reifen negativ auf das Fahrverhalten des Fahrzeugs aus
(Urk. 9/1/5 S. 19).
Das Fahrzeug des Beschuldigten befand sich nachgewiesenermassen in nicht vorschriftsgemüssen und nicht betriebssicheren Zustand. So wies das Fahrzeug eine nicht eingetragene Räder-/Reifenkombination, einen abgefahrenen Reifen vorne rechts, einen zu niedrigen Nasssiedepunkt der Bremsflüssigkeit sowie unterschrittene Mindestmasse der hinteren Bremsscheiben auf. Dies wird nicht bestritten (Fahrzeugpröfbericht der Technischen Kontrolle der Kantonspolizei, Urk. 1/2 S. 4; Urk. 2/1/3 S. 20). Der Beschuldigte hatte Kenntnis davon, dass das Reifenprofil nicht mehr in Ordnung war und zu wenig Profiltiefe aufwies. Er habe diesen Missstand nicht behoben, weil er demnächst die Winterpneus habe drauf tun wollen (Urk. 2/1/1 S. 9; Urk. 2/1/2 S. 4; Urk. 2/1/3 S. 20). Damit wusste der Beschuldigte insbesondere als Berufsfahrer, dass das Fahrzeug in Kurven nicht mit der maximal möglichen Geschwindigkeit gefahren werden darf, da mangels maximaler Bodenhaftung der Bodenkontakt schneller verloren gehen kann. Der kleinste Fahrfehler kann damit den Herrschaftsverlust über das Fahrzeug zur Folge haben.
Trotz all dieser Kenntnisse, insbesondere über seinen Alkoholkonsum, seine Müdigkeit sowie den Zustand der Reifen des Fahrzeugs und dem Wissen um die äusseren Tatsachen, speziell des längeren zurückzulegenden Wegs, setzte der Beschuldigte zum angeklagten Überholmanöver an und führte dieses sogar in dem Zeitpunkt noch weiter, als er sah, dass er sich auf dem Rastplatz erst auf gleicher Höhe mit dem Sattelzug befand, mithin das Manöver angesichts der noch zurückzulegenden Strecke mit der Kurve nicht mit Sicherheit gelingen konnte. Er beging damit gleich mehrere Sorgfaltspflichtverletzungen. Dass das gezeigte Verhalten zu einem schweren Verkehrsunfall führen kann, ist jedermann, mithin auch dem Beschuldigten, bekannt und bewusst. Eine mögliche Folge eines
solchen Verhaltens ist der Tod bzw. eine schwere Verletzung des Fahrers selbst, der übrigen Insassen sowie allenfalls weiterer Verkehrsteilnehmer. Dieses Risiko der TatbestandsErfüllung ist dem durch den Beschuldigten gezeigten Verhalten inhörent. Damit ist erstellt, dass der Beschuldigte durch seine grob sorgfaltswidrige Fahrweise eine Gefahr für das Leben und die Körperliche Unversehrtheit von sich selbst, der weiteren Insassen des Fahrzeugs sowie weiterer Personen und Verkehrsteilnehmer sei es auf dem Rastplatz auf der Fahrbahn herbeiführte.
Dass sich ausgehend von diesem Wissen der Schluss auf den Willen des Beschuldigten ziehen lässt, dass sich diesem die Gefahr der Verwirklichung so wahrscheinlich aufgedrängt hätte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden könnte, ist mit der Vorinstanz (Urk. 77 S. 31 ff.) zu verneinen. Denn entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft kann aus diesem Wissen nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte nicht einmal mehr den Schimmer einer Hoffnung gehabt haben könne, dass niemand einer ganz massiven Gefahr ausgesetzt werde bzw. niemand ganz ernsthaft zu Schaden kommen könne (Urk. 59 S. 9, Urk. 88 S. 19). Der Beschuldigte handelte wie ausgefährt egoistisch, eigennützig und aus Völlig nichtigem Grund, weil er schnell nach Hause wollte und ihn der korrekt, aber aus seiner Sicht zu langsam fahrende Sattelzug anschiss. Sein vorrangiges Ziel war mithin das Hindernis des Sattelzugs loszuwerden, indem er ihn über den Rastplatz überholte. Mit Bezug auf die Willensseite führte der Beschuldigte konstant aus, dass er so schnell wie möglich nach Hause gewollt habe, da er möde gewesen sei und am nächsten Tag einen ...match gehabt hätte. Er habe daher möglichst rasch schlafen gehen wollen (Urk. 2/1/1 S. 8 und 10; Urk. 2/1/2 S. 1; Urk. 2/1/3 S. 5, 9 f.; Urk. 2/1/5 S. 8). Als er die Raststätte gesehen habe, habe er den Entschluss gefasst, den Sattelschlepper über diese zu überholen (Urk. 2/1/2 S. 2; Urk. 2/1/3 S. 11; Urk. 2/1/7 S. 3). Auch der Fahrer des Sattelzugs, F. , sagte aus, dass der Beschuldigte relativ nahe hinter seinem Lastwagen gefahren sei. Es habe so ausgesehen, als ob er in Eile gewesen sei (Urk. 2/3/1 S. 1), was sich mit der Aussage von N. , welcher ab G. hinter dem Beschuldigten fuhr, deckt. Der Beschuldigte sei, als
er auf der Autobahn A4 dem vorausfahrenden Sattelzug aufgefahren sei, immer ungeduldiger geworfen und habe den Sattelzug überholen wollen (Urk. 2/6/1 S. 2; Urk. 2/6/2 S. 3). Mit dem Überholmanöver manifestierte sich eine grosse Rücksichtslosigkeit sowie Risikobereitschaft des Beschuldigten, welcher auf Grund ei- nes nichtigen Motivs eine lebensgefährliche Situation schuf. Seine Handlung ist als gewissen- und hemmungslos sowie egoistisch zu bezeichnen. Dafür, dass er mit Bezug auf die Willenskomponente mit seinem Verhalten seinen eigenen Tod eine eigene schwere Verletzung in Kauf nehmen wollte bzw. dies in Kauf ge- nommen hat, finden sich indes auf der Wissensseite keine rechtgenügende Hinweise.
Der Beschuldigte gefährdete durch das gezeigte Verhalten sich selbst massiv. Es ist nicht davon auszugehen, dass er insbesondere seinen eigenen Tod in Kauf genommen hat. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nicht mehr darauf vertraut hatte, dass der Taterfolg bzw. die Tatbestandsverwirklichung ausbleibt (so die Staatsanwaltschaft in Urk. 59 S. 9), liegen nicht vor. Es bestehen bei der Würdigung sämtlicher Umstände somit nicht überwindbare Zweifel daran, dass der Beschuldigte mit dem Eintritt des Taterfolgs wirklich rechnete und sich mit diesem abgefunden hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er im konkreten Zeitpunkt dabei geht es um die Kurvenfahrt am Ende des Rastplatzes (in alkoholisiertem und mödem Zustand sowie mit abgefahrenen Reifen), als sich der Sattelzug auf gleicher Höhe befand, und weder nur um 2 Sekunden, wie die Verteidigung ausführt, noch um den ganzen vorherigen Ablauf, auf welchen sich die Staatsanwaltschaft beruft darauf vertraute, dass keine Kollision stattfindet, er mithin noch vor den Sattelzug gelangen konnte. Ein Nachweis, dass der Beschuldigte auf der Willensseite sich gegen das Rechtsgut Leben bzw. Körperliche Unversehrtheit entschieden hätte, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden. Die Situation ist mit derjenigen, welcher dem Bundesgerichtsentscheid BGE 133 IV 9 zu Grunde liegt, vergleichbar, wo sich der Beschuldigte von einem Bekannten, obwohl bei Dunkelheit die Lichter eines entgegenkommenden Fahrzeugs erkennbar waren, nicht überholen lassen wollte und seinerseits beschleunigte. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es beim sog. Kröftemessen zwischen den Beteiligten gerade auch darum gegangen sei,
wer angesichts des nahenden Gegenverkehrs als Erster aufgeben werde. Der Beschwerdeführer sei allenfalls pflichtwidrig unvorsichtig davon ausgegangen und habe darauf vertraut, dass F. das Überholmanöver schon noch rechtzeitig abbrechen und dadurch die drohende Frontalkollision vermeiden werde. Dieser Fall sei von den Fällen abzugrenzen, in welchen Fahrzeugführer sich über eine längere Strecke unter massiver überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Rennen liefern. In diesen Fällen hätten sich die Fahrzeuglenker gegen das geschätzte Rechtsgut entschieden, was den Vorwurf des Eventualvorsatzes in Bezug auf die letztlich eingetretenen Todes- und Verletzungsfolgen beGründe (BGE 133 IV 9 E.4.2.). Der Beschuldigte befand sich in solch einem Kröftemessen, wobei bei ihm nicht im Raume stand, sich trotz nahendem Gegenverkehr mit einem Gegner zu messen, sondern ihm ging es alleine darum, vor den Sattelzug zu gelangen. Dem Beschuldigten ist mithin nicht nachzuweisen, dass er mit Bezug auf die verwirklichten Todes- und schweren Verletzungsfolgen eventualvorsätzlich gehandelt hat, vielmehr handelte er trotz der erkannten Lebensgefahr, vertraute indes darauf, die Gefahr werde sich nicht realisieren.
gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB)
Die Vorinstanz kam zusammengefasst zum Schluss, dass der Beschul- digte aufgrund seiner Fahrweise die grosse Gefahr eines schlimmen Unfalles für die drei Mitfahrer in seinem Fahrzeug geschaffen habe, indem spätestens im Rahmen der rasanten Kurvenfahrt am Ende des Rastplatzes die nahe Möglichkeit bestanden habe, dass ein entsprechender Unfall tödlich ausgehen könnte. Der Beschuldigte sei sich dieser Gefahr bewusst gewesen, auch wenn er diese nicht gewollt habe. Dennoch habe er sein Vorhaben, den Sattelzug zu überholen, nicht aufgegeben. Bei einem solchen Manöver könne bereits der kleinste Fahrfehler zum Herrschaftsverlust über das Fahrzeug und zu einem tödlichen Unfall führen. Indem der Beschuldigte im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit gefahren sei, habe er vorsätzlich eine konkrete Lebensgefahr für sich und seine Mitfahrer geschaffen. Die Art und Weise des Überholmanövers sei als skrupellos im Sinne des Gesetzes zu bezeichnen, da der Beschuldigte im Wissen um seine Verantwortung die Sicherheit und das Leben mehrerer Menschen seiner Ungeduld und Eile, schnellstmöglich nach Hause zu kommen, mithin eigennützigen und nichtigen Motiven, Völlig untergeordnet habe. Der Beschuldigte habe gewissenlos und gegen jegliche Moral eine konkrete Lebensgefahr für die drei Mitfahrer geschaffen (Urk. 77 S. 34 ff.).
Die Verteidigung bestreitet den objektiven Tatbestand nicht, macht indes in subjektiver Hinsicht geltend, dass der Beschuldigte in dem Moment nicht so weit gedacht habe, was als glaubhaft zu werten sei. Der Beschuldigte habe aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen den Zusammenhang bzw. die Folge seines Handelns nicht erkannt, weshalb ihm kein direkter Vorsatz angelastet werden könne. Es werde bestritten, dass der Beschuldigte die Herbeiführung einer Lebensgefahr auch gewollt habe. Man würde ihm damit ja gerade unterstellen, dass er neben der Lebensgefahr seiner drei Mitinsassen auch seine eigene Lebensgefahr gewollt habe, was geradezu absurd sei. Dem Beschuldigten könne auch keine Skrupellosigkeit vorgeworfen werden, sein Handeln zeuge nicht von tiefster Geringschätzung des Lebens (Urk. 60 S. 17 f.; Urk. 89 S. 16 f.).
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Voraussetzungen sowie die relevante Lehre und Rechtsprechung zu Art. 129 StGB korrekt wiedergegeben, worauf zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 77 S. 33 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der Beschuldigte hat in objektiver Hinsicht unbestrittenermassen eine konkrete und unmittelbare Lebensgefahr für seine Mitfahrer geschaffen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge lag durch das Verhalten des Beschuldigten die Wahrscheinlichkeit die nahe Möglichkeit einer Verletzung des Lebens seiner Mitfahrer vor und hat sich leider im vorliegenden Fall durch den Tod von ?J. auch verwirklicht. Durch die Fahrweise des Beschuldigten über den Rastplatz und das Befahren der Kurve im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit schuf er unmittelbar die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung der Lebensgefahr, welche nachdem er von seinem Vorhaben, den Sattelzug zu überholen, zu keinem Zeitpunkt abliess direkt seinem Verhalten zuzuschreiben ist (vgl. hierzu BGE 121 IV 67 E. 2b). Der Beschuldigte hat die Gefahr sicher erkannt, wusste er doch um die nicht richtungsgetrennten Fahrbahnen, die Geschwindigkeit des Sattelzugs sowie die Tatsache, dass er mit einer sehr hohen Geschwindigkeit über den Rastplatz und die Kurven fahren musste, um vor den Sattelzug gelangen zu können. Er wusste auch um die Gefahr eines solchen Verhaltens bei unzulänglichen Reifen, Nämlich dass in seinem solchen Fall bereits ein kleiner Fahrfehler bzw. ein geringfügiger Verlust der Bodenhaftung zu einem
Herrschaftsverlust und damit zu einem schweren Unfall führen kann. Trotz des Erkennens dieser Gefahr handelte der Beschuldigte und fand sich mit der unmittelbaren Lebensgefahr als notwendige Folge seiner Fahrweise ab, mithin liegt direkter Vorsatz vor. Was die geltend gemachte kognitiven Einschränkungen betrifft, kann auf die diesbezüglichen Erwägungen unter Ziff. III.2.3.5 vorstehend verwiesen werden. Das Verhalten des Beschuldigten ist auch als skrupellos zu qualifizieren, schuf er doch die Lebensgefahr aus nichtigem Grund. Dass der Beschul- digte möglichst schnell nach Hause wollte bzw. ihn der Sattelzug nervte, ist als eigennütziges Motiv zu werten und erscheint Völlig unverhältnismässig zur geschaffenen Lebensgefahr (BGer 6B_83/2016 vom 15. Juni 2016 E. 2.3; BGE 101 IV 154 E. 2.b). Der Beschuldigte zeigte mit seinem Verhalten zudem eine besondere Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit (vgl. BGE 133 IV 1 E. 5.1; BGer
6B_782/2013 vom 10. Februar 2014 E. 1.3.2), indem er selbst als er erkannte, dass das rechtswidrige Überholmanöver knapp zu werden drohte von seinem Vorhaben nicht abliess. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, auf das Überholmanöver zu verzichten und nach den Grundsätzen der Sitte und Moral (vgl. BGE 114 IV 103 E. 2a) wäre ein Verbleiben hinter dem Sattelzug das einzig gebotene Verhalten gewesen, zumal die Strasse kurz nach dem Rastplatz wieder doppelspurig wurde, was der Beschuldigte auf Grund seiner Ortskenntnisse wusste. Dennoch setzte er gewissenlos zum überholen des Sattelzugs über den Rastplatz an und führte das Manöver hemmungslos durch. In subjektiver Hinsicht handelte der Beschuldigte mithin skrupellos.
Auf Grund des Gesagten ist der Beschuldigte in Bezug auf die drei Mitinsassen der mehrfachen gefährdung des Lebens im Sinne von 129 StGB schuldig zu sprechen.
Fahrlässige Tütung
Das Verhalten des Beschuldigten führte zur Driftfahrt und zwei Kollisio- nen, auf Grund welcher ?J. u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma (Blutung unter der harten Hirnhaut mit teilweiser Einblutung über die harte Hirnhaut) am Stirnhirn-, Schlöfenhirn- und Scheitelhirnlappen links sowie eine Blutung unter der harten Hirnhaut entlang des Kleinhirnzeltes beidseits und eine globale Hirnschwellung mit Mittelinienverlagerung nach rechts erlitt. Durch die ausGeprägten Verletzungen und der damit einhergehenden Volumenzunahme des Gehirns kam es zu einer Einklemmung des Hirnstammes, welche zu den Einblutungen und schliesslich zur todesursöchlichen zentralen AtemLöhmung führte (Urk. 12/1/7 S. 7; 12/1/8 S. 2 f. und S. 6). Die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit des Beschuldigten ist erstellt und anerkannt (Urk. 60 S. 14 f.). Auf Grund des oben Ausgefährten erhellt zudem, dass der Beschuldigte in Kenntnis der Gefahr leichtsinnig auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraute, mithin bewusst Fahrlässig handelte. Dass er die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung überhaupt nicht bedacht hätte (sog. unbewusste Fahrlässigkeit), ist auf Grund der gesamten Umstände auszuschliessen. Der Beschuldigte wusste um das Rechtsüberholen über den Rastplatz, die morgendliche Stunde, die Sichtverhältnisse, die folgende Links-/Rechtskurve, den Zustand seiner Reifen sowie die Tatsache, dass das Manöver knapp zu werden drohte. Den- noch liess er nicht von seinem Vorhaben ab, sondern beschleunigte seine Fahrt zusätzlich. Die rechtliche Qualifikation des Verhaltens des Beschuldigten als fahrlüssige Tütung im Sinne von Art. 117 StGB durch die Vorinstanz ist korrekt und unbestritten. Es kann ergänzend auf die Ausführungen der
Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 77 S. 36 ff.).
Der Beschuldigte ist somit der fahrlässigen Tütung im Sinne von Art. 117 StGB schuldig zu sprechen.
Fahrlässige schwere Körperverletzung
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Voraussetzungen sowie die relevante Lehre und Rechtsprechung zu Art. 125 Abs. 2 StGB korrekt wiedergegeben, worauf zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 77 S. 38 f.).
Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz ist korrekt. Von der Verteidigung wird diese auch nicht grundsätzlich bestritten. Vor Vorinstanz wurde indes geltend gemacht, dass die Verletzungen von B. nicht als schwer im Sinne von
Abs. 2 zu qualifizieren seien, da diese nicht lebensgefährlich verletzt worden sei. So habe gemäss dem ärztlichen Befund vom 14. Juni 2018 des Universitätsspitals Zürich die Lebensgefahr bei B. abgewendet werden können. Auch wenn die Verletzungen in Kombination prinzipiell lebensgefährlich hätten sein können, so habe im konkreten Fall keine Lebensgefahr bestanden (Urk. 60 S. 5). Im Berufungsverfahren wurde von der Verteidigung nicht mehr geltend gemacht, dass diese Verletzungen nicht lebensgefährlich gewesen seien.
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass B. aufgrund ihres Verletzungsbildes einer ernsthaften Lebensgefahr ausgesetzt gewesen sei, die nur durch operative Versorgung sowie intensiv-medizinische Betreuung abgewendet habe werden können. Dass die Lebensgefahr durch ärztliche Hilfe herabgesetzt wurde, ändere nichts daran, dass B. _, wenn auch nur vorübergehend, einer Lebensgefahr ausgesetzt gewesen sei (Urk. 77 S. 40).
Eine Körperverletzung ist u.a. schwer, wenn ein Mensch lebensgefährlich verletzt wird wenn der Körper, ein wichtiges Organ Glied eines Menschen verstümmelt ein wichtiges Organ Glied unbrauchbar wird
(Art. 122 StGB). Die Privatklägerin B. erlitt diverse Verletzungen, so unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Bruch des 1. Halswirbels, eine beidseitige Lungenquetschung, einen Leber-, einen Milz- und einen Nierenriss, Oberschenkelbrüche beidseits, einen Kreuzbandriss sowie einen Ausriss der Armnerven oberhalb der Schultern rechts (Urk. 13/1/6). Es erhellt ohne Weiteres, dass diese Verletzungen lebensgefährlich sind. B. war denn auch rund drei Wochen hospitalisiert und musste mehrfach operativ versorgt werden (Urk. 13/1/6
S. 2). Es folgte eine dreimonatige Rehabilitation (Urk. 13/1/3). Der ärztliche Befund des Universitätsspitals Zürich vom 14. Juni 2018 hält denn auch fest, dass die Kombination der Verletzungen von B. prinzipiell lebensgefährlich gewesen seien. Diese Lebensgefahr sei durch operative Versorgung sowie intensivmedizinische Betreuung der Privatklägerin abgewendet worden (Urk. 13/1/6 S. 2).
Der Beschuldigte schuf durch sein Verhalten eine drohende und ernsthafte Lebensgefahr für B. . Dass diese Lebensgefahr durch Operationen und die intensivmedizinische Intervention abgewendet werden konnte, ändert daran nichts. Es genügt zum Vorliegen einer ernsthaften Lebensgefahr, wenn die geschädigte Person durch die ihr zugefügte Schädigung dieser Lebensgefahr ausgesetzt war; wie lange dieser Zustand dauerte, ist dabei unerheblich. Es genügt auch eine vorübergehende, möglicherweise nur kurzfristige gefährdung. Unerheblich ist ebenfalls, ob ärztliche Hilfe in der erforderlichen kurzen Zeit herbeigeholt werden konnte nicht (BGE 91 IV 194 E. 2; BGE 109 IV 18, 20; Roth/Berkemeier, BSK StGB I, Art. 122 N 6). Dies war vorliegend der Fall. Die Lebensgefahr von B. konnte nur durch die intensive ärztliche Hilfe und die Operatio- nen abgewendet werden und dauerte mithin bis zu deren Abwendung an.
Im Berufungsverfahren beantragt die Verteidigung zudem selber eine Ver- urteilung wegen unbewusster bzw. eventualiter bewusster Fahrlässiger schwerer Körperverletzung (Urk. 81 S. 2 f., Urk. 89 S. 2). Dass die Verletzungen der Privatklägerin B. nicht schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB sein sollen, wird
im Berufungsverfahren denn auch nicht mehr geltend gemacht. Die pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, mithin die Qualifikation des Verhaltens des Beschuldigten als Fahrlässig, ist unbestritten (Urk. 2/1/7 S. 7 f.; Urk. 60 S. 16). Auch hier ist die Fahrlüssigkeit als bewusst zu werten, es kann auf die obigen Erwägungen verwiesen werden.
Der Beschuldigte ist daher der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen.
Qualifizierte grobe Verkehrsregelverletzung
Die Vorinstanz hat die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG mit dem Verweis auf die Lehre und Rechtsprechung korrekt wiedergegeben, worauf zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 77 S. 41 ff.). Das nach Art. 90 Abs. 3 SVG geforderte Risiko muss sich auf einen Unfall mit Todesopfern Schwerverletzten beziehen und der Erfolgseintritt muss vergleichsweise nahe liegen (BGE 142 IV 93 E. 3.1 S. 96; BGE 131 IV
133 E. 3.2 S. 136). Wird eine krasse Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 90 Abs. 3 SVG objektiv bejaht, folgt daraus nahezu zwangsläufig, dass auch ein dadurch geschaffenes hohes Risiko von UnFällen mit Todesopfern Schwerverletzten angenommen werden muss (Fiolka, BSK SVG, Art. 90 N 115 ff.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend in objektiver Hinsicht ohne Weiteres gegeben. Der Beschuldigte verletzte elementare Verkehrsregeln (Rechtsüberholen, übersetzte Geschwindigkeit, Nichtbeherrschen des Fahrzeuges im Sinne von Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG, Art. 32 Abs. 1 SVG sowie Art. 31 Abs. 1 SVG), was zu einem unkontrollierten Driften und zu zwei Kollisionen führte. Mit seinem Verhalten hat der Beschuldigte ein hohes Risiko eines Unfalles mit Toten und Schwerverletzten für allfällige Personen auf der Raststätte sowie für weitere Personen auf der Autostrasse geschaffen, wobei der Erfolgseintritt besonders nahe lag. Angesichts der Dynamik des Überholmanövers war es alleine dem Zufall zu verdanken, dass keine weiteren Personen auf der Raststätte der Autostrasse zu Schaden gekommen sind. Vom Beschuldigten und dessen Verteidigung wird die Erfüllung des
objektiven Tatbestands von Art. 90 Abs. 3 SVG denn auch anerkannt (Urk. 2/1/7 S. 3 ff.; Urk. 60 S. 18; Urk. 89 S. 17).
Die Vorinstanz bejahte auch die Erfüllung des subjektiven Tatbestands von Art. 90 Abs. 3 SVG. Die Verletzung der elementaren Verkehrsregeln sei klar vorsätzlich erfolgt. Dem Beschuldigten sei insbesondere auch ein Wissen um die Schaffung eines hohen Risikos eines Unfalls mit Schwerverletzten Todesopfern zufolge der von ihm verletzten elementaren Verkehrsregeln zuzurechnen. Dass er elementarste Verkehrsregeln im Rahmen seines waghalsigen Überholmanövers gebrochen habe, könne ihm angesichts seines Wissens wie auch angesichts seines nichtigen Beweggrundes, schnellstmöglich nach Hause zu kommen, sowie aufgrund des Umstandes, dass er an seinem Vorhaben unbeirrt festgehalten habe, bezüglich der Risikoschaffung vernünftigerweise nur als Eventualvorsatz ausgelegt werden (Urk. 77 S. 46).
Die Verteidigung macht zum subjektiven Tatbestand geltend, dass der Beschuldigte aufgrund seiner im qualifizierten Bereich liegenden Alkoholisierung und seiner kognitiven Einschränkung in dubio pro reo den möglichen Zusammenhang zwischen seiner Fahrweise und der dadurch geschaffenen Gefahr für Leib und Leben Dritter nicht erkannt habe. Entsprechend habe er keine qualifizierte Risikoschaffung in Kauf genommen, womit kein Eventualvorsatz in Bezug auf die Risikoverwirklichung vorliege (Urk. 60 S. 19; Urk. 89 S. 18). Zudem werde in der Anklageschrift suggeriert, dass auf der Raststätte am 4. November 2017 um ca. 05:00 Uhr morgens Personen zugegen gewesen seien, was indes durch die Untersuchungsakten nicht erstellt sei (Urk. 60 S. 5). Der Beschuldigte selber führte aus, dass er in diesem Moment nicht so weit gedacht habe und alkoholisiert gewesen sei (Urk. 2/1/7 S. 3 f.). Er akzeptiere die Tatsache, dass es auf der Raststätte alleine dem Zufall überlassen gewesen sei, dass dort keine Personen zu Schaden gekommen sind. Er anerkenne auch, dass es im Falle eines Zusammenstosses zu Schwerverletzen Toten gekommen wäre, aber nicht, dass er dies in Kauf genommen habe; er habe sich diesen Gedanken schlicht nicht gemacht (Urk. 2/1/3 S. 14; Urk. 2/1/7 S. 8 f.).
Der subjektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 3 StGB verlangt Vorsatz bezüglich der Verletzung einer elementaren Verkehrsregel und der Risikoverwirklichung, wobei Eventualvorsatz genügt (BGE 142 IV 137 E. 3.3). Ein gefährdungsvorsatz der Vorsatz, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, ist nicht erforderlich. Dieser Vorsatz des Eingehens eines Risikos liegt nahe beim gefährdungsvorsatz nach Art. 129 StGB, unterscheidet sich jedoch von diesem insofern, als nicht nachgewiesen werden muss, dass der täter den Vorsatz hatte, bestimmte bzw. bestimmbare Personen zu gefährden (FIOLKA, BSK SVG, Art. 90 N 145 ff.).
Wie vorstehend bereits ausgefährt, wusste der Beschuldigte um das Verbot des Rechtsüberholens insbesondere über einen Rastplatz sowie um die Verpflichtung, als Fahrzeuglenker die Geschwindigkeit den Umständen entsprechend anzupassen. Aus nichtigem Motiv Nämlich um möglichst schnell zu Hause zu sein und weil ihn der Sattelzug nervte entschied sich der Beschuldigte dazu, den korrekt fahrenden Sattelzug über den Rastplatz zu überholen. Trotz des Wissens um die Kurvenführung der Links-/Rechtskurve und den Zustand sei- ner Reifen, seines Alkoholkonsums sowie der Erkenntnis, dass das Überholmanöver knapp zu werden drohte, führte der Beschuldigte das Vorhaben hemmungslos und Rücksichtlos durch. Bei diesem Wissen und den erforderlichen Erkenntnissen handelt es sich um solche von einfacher Natur, welche auch bei allenfalls reduzierten kognitiven Fähigkeiten sowie einem Alkoholkonsum vorhanden sind. Es kann diesbezüglich auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden. Zur Tatzeit war es dunkel und die Sicht damit beeinträchtigt. Dass auf einer Raststätte Lastwagenchauffeure übernachten ist notorisch und wusste der Beschuldigte zu- dem auf Grund seiner beruflichen tätigkeit. Er wusste somit, dass es möglich ist, dass sich Personen auf dem Gelände aufhalten können, sei es weil sie austreten müssen sich aus sonstigen Gründen dort bewegen. Diese Verkehrsteilnehmer müssen nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h über einen Rastplatz führt. Trotz dieser Umstände hat der Beschuldigte seine eigenen egoistischen Motive über die Verpflichtung, die Geschwindigkeit den Umständen, welche auf einer Raststätte herrschen, anzupassen, gestellt und gewissenlos sein Ziel des überholens des Sattelzugs ausgefährt bzw. fortgesetzt. Selbst als er merkte, dass sein Überholmanöver knapp werden
könnte, da er sich beim Rastplatz erst auf gleicher Höhe wie der Sattelzug befand, führte er das Manöver weiter, beschleunigte noch einmal und befuhr die hinausführende Links-/Rechts-Kurve mit der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Dieses Überholmanöver über die Raststätte ist als äusserst waghalsig zu werten. Bei ei- ner solchen Fahrweise und Geschwindigkeit kann ein geringes Hindernis und auch ein nichtiger Fahrfehler zu einem schweren Unfall und damit zu einer naheliegenden und konkreten Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer führen. Dies wusste der Beschuldigte und handelte dennoch unter Inkaufnahme dieses grossen Risikos. Die Vorinstanz wies in diesem Zusammenhang zudem zu Recht darauf hin, dass die Sicht auf der vom Beschuldigten befahrenen Strecke durch den in die Raststätte hineinführenden Kurvenverlauf sowie durch einen Erdwall linksseitig entlang der Parkfelder und durch einen Abfallbehälter am linken Fahrbahnrand zu Beginn des Rastplatzes eingeschränkt war (Urk. 77 S. 45 mit Verweis auf Urk. 9/1/5 S. 21). Dieser Umstand hätte den Beschuldigten zu noch mehr Vorsicht anhalten müssen. Die von ihm geschaffene Gefahr ist als gross und unmittelbar zu werten. Irrelevant ist, ob sich zum anklagerelevanten Zeitpunkt tatsächlich an- dere Personen auf dem Rastplatz aufhielten nicht und ob allenfalls weitere Personen auf der Autostrasse konkret gefährdet wurden. Für die Erfüllung des Tatbestands von Art. 90 Abs. 3 SVG reicht eine abstrakte gefährdung aus, eine konkrete gefährdung ist nicht erforderlich (vgl. u.a. BGE 142 IV 93 E. 3.1 S. 96).
Der Beschuldigte hat sich somit betreffend Allfällige Personen auf der Raststätte sowie weitere Personen auf der Autostrasse der qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung i.S.v. Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG, Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG schuldig gemacht.
Konkurrenzen
Die Vorinstanz hat sich ausführlich mit der Frage der Konkurrenzen zwischen den einzelnen StraftatBeständen befasst und dabei die relevante Lehre und Rechtsprechung wiedergegeben (Urk. 77 S. 48 ff.). Diese Erwägungen sind zutreffend und werden auch von der Verteidigung nicht in Frage gestellt (Urk. 89
S. 18), weshalb darauf um unnötige Wiederholungen zu vermeiden verwiesen werden kann. Die Vorinstanz kam richtigerweise zum Schluss, dass sämtliche
vorliegend verwirklichte Straftatbestände zueinander in echter Konkurrenz stehen, dies sowohl mit Bezug auf die Konkurrenz zwischen Art. 129 und Art. 117 StGB sowie Art. 125 StGB, der Konkurrenz zwischen Art. 90 Abs. 3 SVG und Art. 129 StGB sowie der Konkurrenz zwischen Art. 90 Abs. 3 SVG und Art. 117 StGB sowie Art. 125 StGB. Was die Konkurrenz zwischen Art. 90 Abs. 3 SVG und Art. 129 StGB betrifft, zu welcher auch die Staatsanwaltschaft ausführte, dass das Bun- desgericht die Frage offen gelassen habe (Urk. 88 S. 33), ist vorliegend deshalb von echter Konkurrenz auszugehen, da sich Art. 129 StGB auf die drei Mitinsassen bezieht und Art. 90 Abs. 3 SVG Allfällige Personen auf der Raststätte sowie weitere Personen auf der Autostrasse betrifft.
Vorbemerkungen
Die Vorinstanz fällte eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten aus (Urk. 77 S. 55 ff; S. 61). Sie hat die Grundsätze, nach welchen eine Strafe zuzumessen ist, richtig dargestellt (Urk. 77 S. 50 ff.), worauf zwecks Vermeidung un- nötiger Wiederholungen zu verweisen ist.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren (Urk. 79 S. 2).
Die Verteidigung macht geltend, dass eine deutlich tiefere, bedingt auszusprechende Strafe von maximal 360 Tagessätzen Geldstrafe zu je Fr. 120 bei einer Probezeit von 3 Jahren und einer Verbindungsbusse von Fr. 8'600 auszu- Fällen sei. Betreffend die Fahrlässige Tütung müsse sich der Beschuldigte zweifelsohne eine schwere Sorgfaltspflichtverletzung und nicht nachvollziehbare BewegGründe vorwerfen lassen, nichtsdestotrotz seien schwerere Tatvarianten denkbar. Die Familie des verstorbenen ?J. habe unbestrittenermassen durch die Folgen der Tat psychische Auswirkungen erleiden müssen. Die Familie J. habe dem Beschuldigten indes vergeben und habe ihm die Unterstätzung angeboten. In Bezug auf die schwere Fahrlässige Körperverletzung seien die vorinstanzlichen Erwägungen nicht zu monieren. Für das eventualvorsätzliche
Fahren in fahrunfähigem Zustand sei auf die Strafmassempfehlungen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zurückzugreifen, weshalb eine Erhöhung um 30 Tagessätze bzw. 1 Monat angezeigt erscheine. Die Vorstrafe des Beschul- digten würde einen anderen Bereich betreffen, sei nicht einschlägig und liege lange zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz habe der Beschuldigte durchaus Reue gezeigt. Weiter liege der Strafbefreiungsbzw. Strafmilderungsgrund des Art. 54 StGB vor, da der Beschuldigte durch die mittelbaren Folgen sei- ner Tat schwer betroffen sei. ?J. sei sein bester Freund gewesen. Der Beschuldigte leide auf Grund der Tat an schubweisen Depressionen und sei durch die Folgen der Tat sein Leben lang bestraft. Er sei nicht nur psychisch und seelisch für sein Leben lang gezeichnet, sondern nachdem er sich dasselbe Tattoo wie ?J. inkl. dessen Todestag auf seinen Unterarm habe tätowieren lassen
? auch Körperlich gebrandmarkt. Eine unbedingte Freiheitsstrafe würde den Beschuldigten zudem empfindlich treffen, was im Rahmen von Art. 47 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen sei. Der Beschuldigte sei seit tt.mm.2021 Vater eines Sohnes. Eine freiheitsentziehende Strafe hätte zur Folge, dass das Kind ohne seinen Vater aufwachsen Müsste. Dies würde zu einer Entfremdung zwischen Vater und Kind führen. Zudem hätte eine zu vollziehende Strafe unweigerlich den Verlust der Arbeitsstelle zur Folge. Der Beschuldigte könnte auf Grund seiner Anlehre nur schwer wieder Fuss im Arbeitsleben finden. Ein Schuldspruch hätte zudem den Entzug des führerausweises zur Folge, was den Beschuldigten zusätzlich erheblich belasten würde. Gerägt werde schliesslich eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Das Bezirksgericht Andelfingen habe sich 1 Jahr und 9 Monate Zeit gelassen, um das Urteil schriftlich zu begründen. Vom Untersuchungsbeginn am
4. November 2017 bis und mit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung am 15. Juli 2021 seien bereits 3 Jahre und 9 Monate vergangen. Die gesamte Verfahrens- dauer belaufe sich nun auf 6 Jahre und 4 Monate. Die Schwere der Betroffenheit des Beschuldigten durch die Verfahrensverzögerung wiege schwer, weshalb die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu berücksichtigen sei. Der Beschul- digte habe sprichwärtlich die Lektion fürs Leben gelernt bzw. lernen müssen. Er werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr strafrechtlich in
Erscheinung treten, weshalb eine bedingte Strafe auszuFällen sei (Urk. 60 S. 19 ff., Urk. 81 S. 2 f., Urk. 89 S. 3 und S. 20 ff.).
Das Gericht bemisst die Strafe nach dem Verschulden des täters zu. Dar- über hinaus beRücksichtigt es das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des täters sowie die Wirkung der Strafe auf dessen Leben (Art. 47 Abs. 1 StGB). Hat der täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB zu der Strafe der schwersten Straftat und Erhöht sie angemessen.
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. mit Hinweisen). Entsprechendes gilt für die Bildung der Einsatz- und der Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwendung des Asperationsprinzips (BGE 144 IV 217 E. 2 f.; BGE 141 IV 61 E. 6.1.2; BGE 132 IV
102 E. 8 f.). Darauf kann einleitend verwiesen werden. Es ist hervorzuheben, dass das Bundesgericht unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers wiederholt festgehalten hat, dass die Bildung einer Gesamtstrafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB nur dann zulässig ist, wenn für jede einzelne veräbte Straftat unter Anwen- dung der konkreten Methode dieselbe Strafart auszuFällen ist. Dass die anzuwen- denden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen vorsehen, genügt nicht. Geldstrafe und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen. (BGE 144 IV 313
E. 1.1.1; BGE 144 IV 217 E. 2.2, 3.3 und E. 3.4). Zum methodischen Vorgehen präzisiert das Bundesgericht, dass in einem ersten Schritt (hypothetische) Einzelstrafen für die einzelnen Delikte innerhalb ihres ordentlichen Strafrahmens festzulegen sind. Dabei ist auch für jede der mehreren Straftaten die Art der Strafe zu bestimmen. Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 147 IV 241 E. 3.2; BGE 134 IV 97 E. 4.2; je mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll nach konstanter Rechtsprechung bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewöhlt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1; BGE 138 IV 120 E. 5.2;
BGer 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018 E. 1.3.2; je mit Hinweisen). Der Gesetzgeber hat für den Bereich der leichteren und mittleren Kriminalität die Geldstrafe als die der Freiheitsstrafe vorgehende Regelsanktion vorgesehen (vgl. Art. 41 Abs. 1 StGB; BGE 134 IV 82 E. 4.1). Das Bundesgericht beKräftigt auch in seiner neueren Rechtsprechung den Vorrang der Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe im Strafbereich bis 180 Tagessätzen bzw. sechs Monaten (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1;
BGE 144 IV 217 E. 3.3.3; BGer 6B_93/2022 vom 24. November 2022 E. 1.3.1,
1.3.2 und E. 1.3.7; je mit Hinweisen).
Stehen die (hypothetischen) Einzelstrafen für sämtliche Normverstöße fest und sind diese zumindest teilweise gleicher Art, hat das Gericht in einem zweiten Schritt in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Ausgangspunkt ist die Einsatzstrafe des schwersten Delikts, welches um die Strafen der weiteren Delikte angemessen zu Erhöhen ist. Dabei ist dem Verhältnis der einzelnen Taten untereinander, ihrem Zusammenhang, ihrer Grösseren geringeren Selbststündigkeit sowie der Gleichheit Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und Begehungsweisen Rechnung zu tragen (BGE 144 IV 217 E. 3.5.4; BGer 6B_330/2016 vom 10. November 2017
E. 4.2). Der Gesamtschuldbeitrag des einzelnen Delikts ist dabei in der Regel geringer zu veranschlagen, wenn die Delikte zeitlich, sachlich und situativ in einem engen Zusammenhang stehen (BGer 6B_466/2013 vom 25. Juli 2013 E. 2.3.4).
Nach der Festlegung der hypothetischen Gesamtstrafe für sämtliche Delikte ist schliesslich die täterkomponente zu berücksichtigen, nachdem sich diese für die einzelnen Normverstöße nicht wesentlich unterscheidet.
Der Beschuldigte hat sich der mehrfachen gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB, der fahrlässigen Tütung im Sinne von Art. 117 StGB, der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von
Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG, Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG sowie des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (qualifizierte Alkoholkonzentration) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 2 Abs. 1 VRV, Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 lit. a
der Verordnung der Bundesversammlung über die Alkoholgrenzwerte schuldig gemacht, wofür er angemessen zu bestrafen ist.
Art. 129 StGB ist die mit dem schärfsten Strafrahmen bedrohte Tat, der abstrakte Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Die Vorinstanz hat gestützt auf Art. 49 Abs. 1 StGB die Deliktsmehrheit strafschärfend beRücksichtigt und den Strafrahmen auf 7.5 Jahre Freiheitsstrafe erweitert
(Urk. 77 S. 54). Dem ist zu folgen. Vorliegend sind aussergewöhnliche Umstände gegeben, was eine Höchstgrenze von 5 Jahren als zu milde erscheinen lässt (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.8.). StrafmilderungsGründe sind keine ersichtlich. Insbeson- dere liegt auch kein Strafbefreiungsgrund gestützt auf Art. 54 StGB vor. Der Beschuldigte ist durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat nicht so schwer betroffen, dass eine Strafe unangemessen wäre. Die Privatkläger 2 bis 4 erklärten vor Vorinstanz übereinstimmend, dass ihnen der Beschuldigte nicht als guter Freund von
?J. bekannt gewesen sei (Urk. 6466). Auch aus den Akten sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine besonders enge Freundschaft zu
?J. bestanden hätte. Der Beschuldigte hat denn auch nach der Tat keinen grossen Kontakt zur Familie J. aufgenommen (Prot. I S. 24), was im Falle einer tatsächlichen engen Freundschaft sicherlich der Fall gewesen wäre. Dass sich der Beschuldigte dasselbe Tattoo wie ?J. stechen liess mit dem Todes- datum (Prot. I S. 24; Urk. 54 S. 13), belegt ebenfalls keine schwere Betroffenheit. Anlässlich der Berufungsverhandlung reichte die Verteidigung zwar Chatprotokolle und Bilder ein, die darlegen, dass der Beschuldigte und ?J. zusammen Sachen unternahmen (Urk. 90/1-3) und machte Ausführungen dazu (Urk. 89
S. 26 ff.). Wie tief deren Freundschaft effektiv war, ergibt sich daraus jedoch nicht. Eine Strafbefreiung wäre allenfalls in jenen Fällen denkbar, wo engste FamilienanGehörige wie Kinder und Ehegatten ums Leben kommen.
Ausgehend vom schwersten Delikt, Nämlich der gefährdung des Lebens, ist somit zunächst die Einsatzstrafe zu ermitteln und diese dann für die übrigen Delikte angemessen zu Erhöhen. Art. 90 Abs. 3 SVG sieht eine Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren vor und Art. 117 StGB, Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG sehen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder Geldstrafe vor. Auf Grund des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs sowie aus spezialpräventiven Gründen kommt für sämtliche Delikte einzig die Ausfällung von Freiheitsstrafen in Betracht. Darauf wird nachfolgend noch konkret eingegangen.
Die Verteidigung führt zu Recht aus, dass die Taten des Beschuldigten noch nach dem im November 2017 geltenden Recht zu beurteilen seien (Urk. 60 S. 20, Urk. 89 S. 19). Am 1. Januar 2018 sind die revidierten Bestimmungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, das neue Sanktionenrecht, in Kraft getreten. Gemäss Art. 2 Abs. 1 StGB wird ein Straftäter nach demjenigen Recht beurteilt, das bei der Begehung in Kraft war. Das neue Recht ist indes anwendbar, wenn es für den täter das mildere ist (Art. 2 Abs. 2 StGB). Die mit der Revision vorgenommenen Änderungen betreffen primör den Anwendungsbereich der Geldstrafe (Wegfall des teilbedingten Vollzugs, Verkürzung der maximalen Anzahl Tagessätze auf 180, Festlegung einer Tagesuntersatzgrenze) bzw. die Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafen (bis sechs Monate). Im vorliegenden Fall ist wie nachfolgend auszuführen sein wird eine mehrjährige Freiheitsstrafe auszusprechen, weshalb sich keine Auswirkungen auf das Strafmass die Strafart ergeben.
Konkrete Strafzumessung
Tatkomponenten
gefährdung des Lebens
Bei der objektiven Tatschwere ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte eine sehr hohe gefährdung schuf, welche nahe an der Schwelle zur Verwirklichung der Gefahr stand, was sich dadurch zeigte, dass jemand aufgrund seines Verhaltens starb. Zudem gefährdete er gleich mehrere Mitinsassen. Der Beschuldigte führte ein hochriskantes Fahrmanöver aus, obwohl er auf Grund der frühen Morgenstunde möde und zudem alkoholisiert war und die Reifen seines Fahrzeugs abgefahren waren, womit er gleich mehrere Sorgfaltspflichten verletzte. Die gefahrene Geschwindigkeit betrug dabei mindestens 80 km/h, wobei die Strecke
kurvig und unübersichtlich war. Zudem war es dunkel, mithin die Sichtverhältnisse eingeschränkt. Der Beschuldigte beschleunigte sein Fahrzeug selbst dann noch, als er schon merkte, dass das Überholmanöver knapp zu werden drohte. Er befuhr die Links-/Rechtskurve zudem im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit mit abgefahrenen Reifen. Allerdings erfolgte die Tat spontan und war nicht geplant.
In subjektiver Hinsicht handelte der Beschuldigte vorsätzlich. Das waghalsige Ma- Nüver führte er aus einzig egoistischen und nichtigen Motiven Nämlich des überholens des Sattelzugs, welcher ihn nervte aus. Das überordnen der eigenen nichtigen Motive über das Rechtsgut von Leib und Leben anderer Menschen ist verwerflich. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, auf das überholen des Sattelzugs über den Rastplatz zu verzichten und abzuwarten, bis die Fahrbahn wieder zweispurig wurde. Es gab auch keinen nachvollziehbaren Grund, den Sattelzug zu überholen. Der Beschuldigte wusste um die Geschwindigkeit des Sattelzugs und die Gegebenheiten des Rastplatzes. Er wusste ebenfalls, dass seine Reifen abgefahren waren und das Befahren von Kurven in der Grenzgeschwindigkeit zum Driften des Fahrzeugs führen kann. Dass ein solches Driften eine Lebensgefahr schafft, ist notorisch und war auch dem Beschuldigten bewusst. Dennoch setzte er seine egoistischen Motiven über die Körperliche Unversehrtheit seiner Mitfahrer. Selbst als er erkannte, dass das Überholmanöver knapp zu werden drohte, beschleunigte er noch einmal, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Er wusste, dass ein überholen nur mittels einer Beschleunigung über die Geschwindigkeit des Sattelzugs und damit aufgrund der für ihn längeren zurückzulegenden Strecke nur mit einem Befahren der Links-/Rechtskurve im Grenzbereich möglich war. Dennoch liess er nicht von seinem Vorhaben ab. Angesichts des festgestellten Blutalkoholwertes von mindestens 1.14 Gewichtspromillen ist zu seinen Gunsten eine leicht verminderte Schuldfühigkeit aufgrund des Alkoholkonsums zu beRücksichtigen.
Das Verschulden des Beschuldigten ist als erheblich zu werten, was zu einer (hypothetischen) Einsatzstrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe führt.
Qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Bei der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln handelt es sich um eine schwere Verletzung von Verkehrsregeln durch den Beschuldigten. In objektiver Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte mit dem Rechtsüberholen des Sattelzugs über den Rastplatz in nicht angepasster Geschwindigkeit, der Geschwindigkeit von 80 km/h über den Rastplatz und dem Befahren der Links-
/Rechtskurve im Rahmen der Kurvengrenzgeschwindigkeit gleich mehrere Verkehrsregeln verletzte. Der Beschuldigte fuhr dieses Manöver zudem mit abgefahrenen Reifen und bei eingeschränkten Sichtverhältnissen. Das grosse Risiko ei- nes Unfalls im Falle eines Hindernisses eines Verlusts der Fahrzeugbeherrschung konnte der Beschuldigte mit seinem Verhalten nicht vermeiden. Durch das tatbestandliche Verhalten, Nämlich dem Rechtsüberholen über den Rastplatz, dem Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die aktuellen Strassen- und Sichtverhältnisse und dem Nicht-Ablassen vom Überholmanöver kam es zum Driften des Fahrzeugs und in der Folge zu den Kollisionen. Allerdings kam es auf dem Rastplatz zu keiner nahen gefährdung von Personen/Passanten.
Dem Beschuldigten ist in subjektiver Hinsicht zumindest eventualvorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Er handelte aus nichtigen und egoistischen BewegGründen. Es wäre dem Beschuldigten ein Leichtes gewesen, sich korrekt zu verhalten, wurde die Strasse doch wenige hundert Meter später zweispurig, was der Beschuldigte auf Grund seiner Ortskenntnisse wusste. Auch hier ist zu seinen Gunsten eine leicht verminderte Schuldfühigkeit aufgrund des Alkoholkonsums zu berücksichtigen.
Nach dem Gesagten ist das Verschulden des Beschuldigten als nicht mehr leicht und die Einzelstrafe auf 18 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Zu den übrigen Delikten besteht in persönlicher und zeitlicher Hinsicht ein äusserst enger Zusammenhang, indes sind in sachlicher Hinsicht andere Rechtsgüter geschätzt. In Anwendung des Asperationsprinzips ist daher die hypothetische Einsatzstrafe von 3 Jahren für die gefährdung des Lebens um ein Jahr auf 4 Jahre zu Erhöhen.
Fahrlässige Tütung
Der Beschuldigte hat in objektiver Hinsicht Fahrlässig ?J. getätet. Das Leben eines Menschen ist das höchste Rechtsgut und dessen Auslöschung wiegt daher sehr schwer. Allerdings erfolgte die Tat spontan und war nicht geplant.
In subjektiver Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Tat aus absolut nichtigen und nicht nachvollziehbaren Gründen erfolgte. Die Sorgfaltspflichtverletzung war gravierend und an der Grenze zum Eventualvorsatz. Auch hier ist zu seinen Gunsten eine leicht verminderte Schuldfühigkeit aufgrund des Alkoholkonsums zu berücksichtigen.
Ausgehend von einem nicht mehr leichten Verschulden ist die Einzelstrafe auf 18 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen. Zur gefährdung des Lebens besteht ein äusserst enger sachlicher, persönlicher und zeitlicher Zusammenhang. Es rechtfertigt sich daher eine deutliche Asperation, was zu einer Erhöhung der Strafe um 12 Monate Freiheitsstrafe für die Fahrlässige Tütung auf 5 Jahre Freiheitsstrafe führt. Auf Grund der Schwere der Tat sowie aus spezialpräventiven Gründen kommt ausschliesslich die Ausfällung einer Freiheitsstrafe in Betracht.
Fahrlässige schwere Körperverletzung
Das Fahrlässige Verhalten des Beschuldigten führte in objektiver Hinsicht zu multiplen Verletzungsfolgen von B. und einer bleibenden Beeinträchtigung. Aller- dings ist auch hier zu Gunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, dass die Tat spontan erfolgte und nicht geplant war.
Der Beschuldigte handelte in subjektiver Hinsicht aus rein egoistischen und nichtigen Motiven und die Sorgfaltspflichtverletzung des Beschuldigten wiegt schwer und bewegt sich an der Grenze zum Eventualvorsatz. Auch hier ist zu seinen Gunsten eine leicht verminderte Schuldfühigkeit aufgrund des Alkoholkonsums zu berücksichtigen.
Das Verschulden ist als mittelschwer zu werten und die Einzelstrafe auf 1 Jahre Freiheitsstrafe festzusetzen. Zur gefährdung des Lebens besteht ein äusserst enger sachlicher, persönlicher und zeitlicher Zusammenhang. Es rechtfertigt sich daher ebenfalls eine deutliche Asperation, was zu einer Erhöhung der Strafe um
12 Monate Freiheitsstrafe für die Fahrlässige Körperverletzung auf 6 Jahre Freiheitsstrafe führt. Auf Grund der Schwere der Tat sowie aus spezialpräventiven Gründen kommt ausschliesslich die Ausfällung einer Freiheitsstrafe in Betracht.
Fahren in fahrunfähigem Zustand
Der Beschuldigte wies eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1.14 Gewichtspromillen auf (Urk. 10/1/8 S. 2), was deutlich über der für Neulenker zulüssigen Alkohol-Nulltoleranz liegt, aber doch nicht extrem hoch ist. Der Beschuldigte fuhr in diesem Zustand eine lange Strecke in der Dunkelheit, Nämlich von Zürich bis L. . Zudem befanden sich weitere Personen in seinem Fahrzeug.
Obwohl der Beschuldigte um die genannten Umstände wusste, fuhr er dennoch mit seinen Mitfahrern nach Hause und handelte damit aus eigennützigen Motiven und Völlig verantwortungslos. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, zu- nächst zu schlafen und abzuwarten, bis der Blutalkohol abgebaut war.
Das Verschulden des Beschuldigten ist als nicht mehr leicht zu werten und die Einzelstrafe daher auf 4 Monate Freiheitsstrafe festzulegen. Zu den übrigen Delikten besteht ein enger Zusammenhang, indes sind andere Rechtsgüter betroffen. In Anwendung des Asperationsprinzips ist daher die Strafe um 3 Monate Freiheitsstrafe für das Fahren in fahrunfähigem Zustand auf 6 Jahre und 3 Monate Freiheitsstrafe zu Erhöhen.
täterkomponenten
In Bezug auf die persönlichen Verhältnisse wiederholte der Beschul- digte an der Berufungsverhandlung im Wesentlichen seine bereits vor Vorinstanz deponierten Aussagen (Prot. II S. 8 ff.). Zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen kann daher auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 77 S. 59 f.). Der Beschuldigte ist bei seiner Mutter und seinem StiefVater mit seinen vier Halbgeschwistern in H. aufgewachsen. Seit er ein Kind war spielt er .... Im Tatzeitpunkt war er in der Mannschaft von P. in der ersten Liga, heute spielt er in der zweiten Liga in Q. _. Der Beschuldigte besuchte wegen einer Lernschwäche eine Sonderschule und machte danach eine zweijährige Anlehre beim Transportunternehmen R. . In der Folge arbeitete er als Strassentransportfachmann, wobei er diese tätigkeit infolge des vorliegenden Vorfalls aufgab und als Lagerist bei der Firma S. arbeitete. Danach war er als Chauffeur von Lieferwagen mit Anhängern bis zu 3.5 Tonnen bei T. tätig. Zu seiner aktuellen persönlichen Situation und der Zeit seit der Verhandlung vor Vorinstanz führte der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung insbesondere aus, inzwischen Vater eines zweijährigen Jungen geworden zu sein. Er sei nicht verheiratet und seit einem halben Jahr von der Kindsmutter getrennt. Seit der Trennung lebe er wieder bei seinen Eltern und sehe seinen Sohn jedes zweite Wochenende. Er bezahle Unterhaltsbeiträge in der Höhe von Fr. 600 bis 700 pro Monat. Seit ungefähr einem Jahr arbeite er bei U. in H. als Gerüstarbeiter und verdiene Fr. 6'000 netto pro Monat. Seit dem Unfall habe er immer weniger als Chauffeur arbeiten wollen. Er habe sich nicht mehr sicher gefühlt. Bis letztes Jahr sei er in psychologischer Beratung gewesen (Prot. II S. 8 ff.).
Aus den persönlichen Umständen ergeben sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren. Zwar ist der Verteidigung des Beschuldigten in ihren Ausführungen zu folgen, dass eine unbedingte Freiheitsstrafe zur Folge hätte, dass das Kind den Kontakt zu seinem Vater nicht in dem Umfang leben könnte, wie wenn sich dieser in Freiheit befinden würde. Ebenso kann ein Freiheitsentzug den Verlust der Arbeitsstelle bedeuten und im Falle des Beschuldigten wird wohl auch der Führerausweis entzogen werden (vgl. Urk. 60 S. 27 f. und Urk. 89 S. 30 ff.). Diese Konsequenzen hat der Beschuldigte indes durch sein Verhalten selber verursacht und könnten ihm angesichts der Schwere der Taten auch nicht in dem Masse strafmindernd zu Gute gehalten werden, dass die Ausfällung einer bedingten Strafe möglich wäre. Die Folgen der Verurteilung auf die Arbeitsstelle und den führerausweis wären zudem voraussichtlich dieselben.
Der Beschuldigte weist folgende Vorstrafe auf (Urk. 87): Mit Strafbefehl vom 30. Juni 2016 der Staatsanwaltschaft 2, EmmenbRücke wurde er wegen Hausfriedensbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung (grosser Schaden) in Mittäterschaft sowie Hinderung einer Amtshandlung mit einer bedingten Geldstrafe von
140 Tagessätzen zu Fr. 30 und einer Busse von Fr. 1'050 bestraft (Urk. 87). Diese Vorstrafe ist nicht einschlägig.
Beim Nachtatverhalten sind Geständnisse strafmindernd zu werten. Vorliegend hat der Beschuldigte zumindest den objektiven Sachverhalt in einem frühen Zeitpunkt der Untersuchung anerkannt. Er sah auch ein, einen grossen Fehler begangen zu haben. Aus den Akten geht indes keine echte bzw. tätige Reue hervor. Zudem entschuldigte er sich erst im vorinstanzlichen Verfahren am Ende der Hauptverhandlung bei den Betroffenen. Dies wiederholte er auch anlässlich der Berufungsverhandlung (Prot. II S. 26).
Das Geständnis wiegt die Vorstrafe auf. Die Betroffenheit des Beschuldigten durch den Verlust eines Freundes ist nur leicht zu berücksichtigen. Was aber massiv ins Gewicht fällt, ist die Verletzung des Beschleunigungsgebots. Der Ablauf verhältnismässig langer Zeit seit der Tat im Sinne von Art. 48 lit. e StGB ist ebenfalls erfüllt, da die über 6 Jahre, die seit der Tat vergangen sind, beinahe 2/3 der Verjährungsfrist von 10 Jahren betreffend Art. 117 StGB, Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB und Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG ausmachen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_260/2020 vom 2. Juli 2020 E. 2.3.3. und 2.4.2). Sowohl die überlange Verfahrensdauer als auch die Tatsache, dass die Tat weit zurückliegt, ist zu beRücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_260/2020 vom 2. Juli 2020 E. 2.3.5.). Wie die Verteidigung zu Recht ausführte, dauerte nicht nur die Untersuchung lange, sondern auch die Dauer vom Urteilszeitpunkt der Vorinstanz vom 19. Juli 2021 bis zum Vorliegen und Versenden des begründeten Urteils am 25. April 2023 (Urk. 76/1-4). Auch die Staatsanwaltschaft sieht aufgrund der über 6 Jahre dauernden Verfahrensdauer einen Grund für eine Strafreduktion (Urk. 88 S. 42). Folgen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots sind meistens die Strafre- duktion, manchmal der Verzicht auf Strafe oder, als ultima ratio in ExtremFällen, die Einstellung des Verfahrens (BGE 143 IV 373 m.w.H.). In Anbetracht dessen, dass der Beschuldigte, der inzwischen Vater wurde, seit langer Zeit in Ungewissheit lebt, ob und in welchem Umfang er eine Freiheitsstrafe zu verbüssen haben wird und eine solch lange Verfahrensdauer auch den Geschädigten nicht ermöglicht, mit dem tragischen Vorfall wenigstens in juristischer Hinsicht abschliessen
zu können, rechtfertigt es sich, die Strafe auf 4 Jahre und 6 Monate zu reduzieren.
Insgesamt ergibt sich somit eine auszuFällende Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten.
Bei der auszusprechenden Strafe fällt ein bedingter teilbedingter Vollzug ausser Betracht (Art. 42 f. StGB).
Die Vorinstanz ordnete gestützt auf Art. 5 lit. b DNA-Profil-Gesetz i.V.m. Art. 257 StPO die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines DNA-Profils an (Urk. 77 S. 63 f.; Dispositivziffer 5). Art. 5 des DNA-Profil-Gesetzes wurde inzwischen, d.h. mit Wirkung ab 1. August 2023, aufgehoben. Ob ein DNA-Profil zu erstellen ist, ist nun gestützt auf Art. 257 StPO zu prüfen.
Gemäss Art. 257 StPO kann das Gericht in seinem Urteil anordnen, dass von ei- ner wegen Verbrechens Vergehens verurteilten Person eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt wird, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, die verurteilte Person könnte weitere Verbrechen Vergehen begehen. Bei Art 257 handelt es sich um eine Kann-Vorschrift, wobei das Gericht sich durch die überlegungen zur Verhältnismässigkeit (Eignung, Erforderlichkeit, Verhältnismässigkeit i.e.S.) leiten lassen muss. Es ist sodann eine auf konkrete Anhaltspunkte abstätzende Prognose hinsichtlich Verbrechen Vergehen von einer gewissen Schwere nötig, zu deren Aufklärung eine DNA-Erfassung als geeignet erscheinen muss (FRICKER/MAEDER, BSK StPO, Art. 257 StPO N 10 und N 12).
Vorliegend hat sich der Beschuldigte zwar wegen Verbrechen und Vergehen schuldig gemacht, es bestehen aber keine konkreten Anhaltspunkte, er könnte weitere Verbrechen Vergehen begehen. Vielmehr ist davon auszugehen,
dass ihn der Unfall, in welchem sein Freund zu Tode kam, nachhaltig beeindruckt hat. Ausserdem gibt es insbesondere keine Anhaltspunkte für das Begehen von Verbrechen Vergehen, zu deren Aufklärung eine DNA-Erfassung als geeig- net erscheint. Von der Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 257 StPO ist deshalb abzusehen.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 5'000 zu veranschlagen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Sowohl der Beschuldigte als auch die Staatsanwaltschaft unterliegen mit ihren Berufungsantrügen, wobei das Unterliegen des Beschuldigten insgesamt deutlich höher ist als dasjenige der Staatsanwaltschaft. Es rechtfertigt sich daher, die Kosten, mit Aus- nahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, dem Beschuldigten zu 2/3 aufzuerlegen und im Umfang von 1/3 auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von 2/3 vorzubehalten ist.
Die amtliche Verteidigung ist aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 135 Abs. 1 StPO und Art. 138 StPO). Die amtliche Verteidigung macht für das Berufungsverfahren Aufwendungen und Barauslagen von insgesamt
Fr. 10'832.15 geltend (Urk. 90/4). Unter BeRücksichtigung der effektiven Verhandlungsdauer und einer genügenden Nachbesprechung des Berufungsurteils mit dem Beschuldigten erscheint es angemessen, die amtliche Verteidigung mit pauschal Fr. 10'000 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.
Die Privatklägerschaft hat gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren inklusive eines allenfalls nötigen Rechtsbeistandes, wenn sie obsiegt wenn die beschuldigte Person nach Art. 426 Abs. 2 StPO kostenpflichtig wird (Art. 433
Abs. 1 StPO). Die Privatklägerin B. hat sich am 3. Mai 2019 als Privat- und
Strafklägerin konstituiert, ZivilAnsprüche wurden keine geltend gemacht (Urk. 28/1/7). Auf Grund des Schuldspruchs des Beschuldigten hat der Beschuldigte die Privatklägerin B. grundsätzlich für die Anwaltskosten und Auslagen zu entschädigen. Die Privatklägerin B. verlangte anlässlich der Berufungsverhandlung eine Prozessentschädigung im Umfang von Fr. 2'769.30, was durch die Honorarnote belegt ist (Urk. 91). Der geltend gemachte Aufwand ist angesichts des Umfangs des vorliegenden Verfahrens grundsätzlich angemessen, wobei die Honorarnote dahingehend zu korrigieren ist, dass die Berufungsverhandlung rund 2,5 Stunden weniger lange dauerte als in der Honorarnote geschätzt wurde. Der Beschuldigte ist daher zu verpflichten, der Privatklägerin B. eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 2'000 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Andelfingen vom
19. Juli 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1, 5. Spiegelstrich (Schuldspruch vorsätzliches Fahren in fahrunfähigem Zustand), 4 (Verzicht Verlängerung Probezeit), 6-9 (Kostendispositiv), 10 (Prozessentschädigung Vertreter der Privatklägerin 1) und 11 (Vormerknahme Verzicht Privatklägerschaft 2-4 auf Prozessentschädigung) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist ausserdem schuldig
der mehrfachen gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129 StGB
der fahrlässigen Tütung im Sinne von Art. 117 StGB
der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 StGB
der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 SVG und Art. 32
Abs. 1 SVG und Art. 31 Abs. 1 SVG.
Der Beschuldigte A. wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten.
Von der Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 257 StPO wird abgesehen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 5'000 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 10'000 amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden zu 2/3 dem Beschuldigten auferlegt und zu 1/3 auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von 2/3 vorbehalten.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 1 für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 2'000 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen, zahlbar an den erbetenen Rechtsvertreter
Dr. iur. Y. .
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
den Rechtsvertreter der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhan- den der Privatklägerin 1
die Privatkläger 2-4
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
den Rechtsvertreter der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhan- den der Privatklägerin 1
die Privatkläger 2-4
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
die Staatsanwaltschaft Schaffhausen, Verkehrsabteilung, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 22. März 2024
Die Präsidentin:
Oberrichterin lic. iur. Bertschi
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Schwarzenbach-Oswald
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