Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230259 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 16.02.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | geringfügige Sachbeschädigung |
Zusammenfassung : | Der Beschuldigte A. wurde wegen geringfügiger Sachbeschädigung angeklagt und vom Bezirksgericht Zürich schuldig gesprochen. Er wurde zu einer Geldstrafe von CHF 1'500 verurteilt. Der Beschuldigte legte Berufung ein, die vom Obergericht des Kantons Zürich verhandelt wurde. Das Obergericht sprach den Beschuldigten frei und wies die Zivilforderung an den Zivilprozess zurück. Die Gerichtskosten von CHF 5'780 wurden auf die Gerichtskasse genommen. Die amtliche Verteidigung erhielt eine Entschädigung von CHF 5'780. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Berufung; Täter; Vorinstanz; Aussage; Urteil; Verteidigung; Gericht; Privatklägerschaft; Aussagen; Staatsanwaltschaft; Recht; Verfahren; Zeuge; Person; Restaurant; Sachbeschädigung; Verfahrens; Punkt; Anklage; Darstellung; -Sihl; Blumentöpfe; Täters; Zürich-Sihl; Abteilung; Forderung; Schuld |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 144 StGB ; Art. 32 StReG ; Art. 402 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 6 StPO ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 141 IV 249; 144 IV 345; 146 IV 297; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230259-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Bertschi, Präsidentin, Oberrichter lic. iur. Spiess und Ersatzoberrichter Dr. Bischoff sowie die Gerichtsschreiberin
lic. iur. Leuthard
Urteil vom 16. Februar 2024
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.
gegen
vertreten durch Staatsanwältin MLaw Henriette Köffer,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend geringfügige Sachbeschädigung
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 19. Dezember 2022 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist schuldig der geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 1'500. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen.
Die Privatklägerin wird mit ihrem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Rechtsanwalt MLaw X. wird für seine Bemöhungen als amtlicher Verteidiger mit Fr. 5'780 (inkl. MwSt. und Auslagen) aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse ge- nommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
BerufungsAnträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 56 S. 1)
Es sei das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung, vom 28. Februar 2023 (GG230003), mit Ausnahme von Dispo.-Ziff.6, aufzuheben.
Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe vollumfänglich freizusprechen.
Der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (schriftlich, Urk. 46)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Des Vertreters der Privatklägerschaft:
Kein Antrag.
Erwägungen:
Mit eingangs wiedergegebenem Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung Einzelgericht, vom 28. Februar 2023 wurde der Beschuldigte gestützt auf die dort angestellten Erwägungen der geringfügigen Sachbeschädigung schuldig gesprochen und dafür mit einer Busse bestraft. Die Zivilforderung der Privatklägerschaft wurde auf den Zivilweg verwiesen; die Kosten- und Entschädigungsfolgen wurden ausgangsgemäss festgesetzt (Urk. 37 = Urk. 40; nachfolgend:
Urk. 40).
Gegen das am 28. Februar 2023 Mändlich und schriftlich im Dispositiv eröff- nete Urteil meldete der Beschuldigte mit Eingabe vom 1. März 2023 fristgerecht
Berufung an (Urk. 32). Sodann erstattete er nach Zustellung des schriftlich be- Gründeten Urteils am 24. April 2023 (Urk. 39/2) mit Eingabe vom selben Tag fristgerecht die BerufungsErklärung (Urk. 41).
Mit präsidialVerfügung vom 8. Mai 2023 wurde der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und der Privatklägerschaft Kenntnis gegeben von der Berufungserklärung des Beschuldigten und Frist angesetzt zur Erhebung einer Anschlussberufung Beantragung des Nichteintretens auf die Berufung. Ferner wurde dem Beschuldigten unter Hinweis auf sein Aussageverweigerungsrecht Frist zur Einreichung von Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angesetzt (Urk. 44).
Mit Schreiben vom 11. Mai 2023 liess die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl fristgerecht (Urk. 45/1) verlauten, dass keine Anschlussberufung erhoben und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt werde (Urk. 46). Der Beschul- digte retournierte innert Frist (Urk. 45/2) das ihn betreffende und von ihm ausgefällte Datenerfassungsblatt zuhanden der Akten (Urk. 47 f.). Die Privatklägerschaft liess sich demgegenüber nicht vernehmen.
Am 29. August 2023 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung auf den
16. Februar 2024 vorgeladen, wobei lediglich der Beschuldigte und sein amtlicher Verteidiger zum persönlichen Erscheinen verpflichtet wurden (Urk. 50).
6. Zur Berufungsverhandlung vom 16. Februar 2024 erschien der Beschuldigte A. in Begleitung seines amtlichen Verteidigers Rechtsanwalt MLaw X. Vorab liess der Beschuldigte seinen bereits mit Eingabe vom 20. September 2023 (Urk. 51) gestellten und mit präsidialVerfügung vom 14. Dezember 2023 (Urk. 52) einstweilen abgewiesenen Beweisantrag um erneute Einvernahme von
als Zeuge wiederholen und den Beweisantrag auf Vornahme eines Augenscheins stellen (Prot. II S. 5 und S. 15; siehe dazu nachfolgend Erw. II. 4). Sodann liess der Beschuldigte die eingangs wiedergegebenen BerufungsAnträge stellen
(Prot. II S. 4). Das Berufungsverfahren erweist sich somit als spruchreif.
Gemäss Art. 402 StPO i.V.m. Art. 437 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung bzw. hemmt sie in diesem Umfang die Rechtskraft.
Nachdem der Beschuldigte seine Berufung auf die Dispositivziffern 1 (Schuldpunkt), 2 und 3 (Strafpunkt), 4 (Zivilforderung) sowie 7 und 8 (Kostenverlegung) des vorinstanzlichen Urteils beschränkte (Urk. 41 S. 2), ist das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung Einzelgericht, vom 28. Februar 2023 bezüglich der Dispositivziffern 5 (Kostenfestsetzung) und 6 (Entschädigung der amtlichen Verteidigung) somit in Rechtskraft erwachsen, was vorab mit Beschluss festzustellen ist.
Im Rahmen seiner Erwägungen hat sich das Gericht nicht mit jedem Parteivorbringen einlässlich auseinanderzusetzen; es kann sich auf die für seinen Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Für die UrteilsBegründung reicht es somit aus, wenn das Gericht seine entscheidmassgeblichen überlegungen und Herleitungen aufzeigt (BGE 146 IV 297, Erw. 2.2.7; BGE 141 IV 249, Erw. 1.3.1).
Das Gericht kann sodann in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO bei seinen Erwägungen auf diejenigen der Vorinstanz verweisen, ohne dabei stets auf diese Gesetzesbestimmung hinweisen zu müssen (BGE 141 IV 249, Erw. 1.3.1).
Der Beschuldigte liess im Berufungsverfahren sowohl vorab mit Eingabe vom 20. September 2023 (Urk. 51) als auch vor Schranken die erneute Einver- nahme von B. als Zeuge beantragen und begründete diesen Beweisantrag aufs Wesentliche zusammengefasst wie folgt: B. sei im Zeitpunkt seiner Einvernahmen bei Polizei und Staatsanwaltschaft rund 77 bzw. 78 Jahre alt gewesen und habe damals einen eher senilen Eindruck hinterlassen, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass seine Aussagen das Resultat einer Autosuggestion bzw. einer Beeinflussung von Privatklägerschaft Polizei sein könnten. Entsprechend sei die Glaubwürdigkeit von B. in Frage gestellt, weshalb sich das Berufungsgericht von dessen mentalem Zustand und dessen
Fähigkeiten, sich auszudRücken und Erinnerungen wiederzugeben, selbst einen Eindruck verschaffen müsse (Urk. 51; Prot. II S. 5).
Zudem beantragte die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung, es sei ein Augenschein vorzunehmen zur Frage, ob der Zeuge B. den eingeklagten Vorfall überhaupt habe sehen können (Urk. 56 S. 3 und Prot. II S. 5).
Wie die Erwägungen zum Schuldpunkt noch zeigen werden (siehe nachfolgend Erw. III.), wurde B. im Untersuchungsverfahren zweimal einlässlich zur Sache befragt, wobei er sich offenkundig nur widerwillig einvernehmen liess und bisweilen auch widersprächlich aussagte. Dass der aktuell knapp 80-jährige B. knapp drei Jahre nach dem gegenständlichen Vorfall sich nunmehr einvernahmebereiter zeigen und/oder noch weitere sachdienliche Angaben machen könnte, ist deshalb von vornherein nicht zu erwarten. Zudem vermöchten eine plötzliche Kooperation und/oder neue Darstellungen von B. sowohl die Glaubwürdigkeit seiner Person als auch die Glaubhaftigkeit seiner Früheren Aussagen selbstre- dend nicht zu sTürken, womit sich an der ohnehin schon zweifelbehafteten Beweislage nichts ändern würde. Entsprechend erweist sich eine erneute Einver- nahme von B. als Zeuge als entbehrlich, weshalb der Beweisantrag auf er- neute Einvernahme von B. als Zeuge abzuweisen ist. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich aber auch weitere Beweisabnahmen, welche die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen B. in Zweifel ziehen sollen, womit auch der Antrag der Verteidigung auf Vornahme eines Augenscheins abzuweisen ist.
Zu den Grundsätzen der Sachverhaltserstellung und BeweisWürdigung kann vorab auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung verwiesen werden (anstelle vieler BGE 144 IV 345, Erw. 2.2.3.1 ff. m.w.H.).
Die Anklage wirft dem Beschuldigten aufs Wesentliche zusammengefasst vor, am 7. Juni 2021, ca. zwischen 02:00 und 03:00 Uhr, am C. -Platz in Zürich beim Restaurant D. mutwillig vier bis fänf grosse Blument?pfe mit bei- den Händen von der Terrassenmauer zu Boden gestossen zu haben, wodurch
diese zu Bruch gegangen seien und der Privatklägerschaft ein Sachschaden in Höhe von ca. Fr. 400 bis 500 entstanden sei (Urk. 23 S. 2).
Die Vorinstanz stellt vorab zutreffend die vorliegend vorhandenen Beweismittel und deren vollumfängliche Verwertbarkeit fest (Urk. 40 S. 4 f.) und gibt her- nach den in casu beweismassgeblichen Inhalt des Polizeirapports mit angehängter Fotodokumentation sowie die Aussagen des Beschuldigten, des Privatklägervertreters und der Auskunftsperson bzw. des Zeugen B. korrekt wieder (Urk. 40 S. 5 ff.), worauf verwiesen werden kann.
gestützt darauf erachtet die Vorinstanz den Anklagesachverhalt im Wesentlichen als erstellt, wobei sie sinngemäss zusammengefasst Folgendes erwägt:
Die angeklagte Sachbeschädigung als solche sei allseits unbestritten, wenngleich mit Blick auf die verschiedenen Angaben zu Anzahl und Preis der beschädigten Blument?pfe lediglich von einem Schadensumfang von drei Blumentöpfen und ei- ner Schadenshöhe in der Grössenordnung von Fr. 150 bis 300 ausgegangen werden könne (Urk. 40 S. 9 f.).
Als Urheber der Sachbeschädigung komme sodann ohne vernünftige Zweifel nur der Beschuldigte in Frage. Dies massgeblich gestützt auf die insgesamt überzeugenden Aussagen von B. , der den gegenständlichen Vorfall als Einziger beobachtet, anlässlich seiner Einvernahmen lebensnah und detailreich beschrieben und dabei den Beschuldigten als den täter bezeichnet habe. überdies sei das von B. abgegebene Signalement des täters dem Erscheinungsbild des Beschuldigten stark ähnlich (Urk. 40 S. 12 ff.).
Vorliegend ist der Vorinstanz insofern beizupflichten, dass die Aussagen von B. das massgebliche Beweismittel darstellen, da lediglich er den gegenständlichen Vorfall beobachtet haben will, andere Personalbeweise nicht sach- dienlich sind bzw. auf pauschalen Bestreitungen des Beschuldigten einerseits auf blossen Annahmen und hörensagen des Privatklägervertreters andererseits beruhen und täterbezogene Sachbeweise gänzlich fehlen (Urk. 40 S. 10 f.).
Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz jedoch, wenn sie die Aussagen von B. als im Gesamtbild überzeugend erachtet und vernünftige Zweifel an der Verwirklichung des Anklagesachverhalts mit dem Beschuldigten als täter ausschliesst.
Zunächst ist festzustellen, dass B. als Auskunftsperson bzw. Zeuge im Untersuchungsverfahren nur widerwillig mitwirkte, was sich etwa darin zeigte, dass er sich weigerte, seine undeutlichen Darstellungen auf einem Plan einzuzeichnen (Urk. 8 S. 3: Ich bin kein Planzeichner und kein Maler; Urk. 8 S. 4:
?Machen Sie mich nicht krank mit diesem Plan. Ich bin kein Zeichnungslehrer), dass er schon nach wenigen Fragen wieder gehen wollte (Urk. 8 S. 3: Das ist alles was ich weiss jetzt ist fertig; Urk. 8 S. 4: Ich sage gar nichts mehr, ich habe gesagt was ich gesehen habe). Wenn die Vorinstanz dieses Aussageverhalten als etwas kauzig? qualifiziert, ihm eine eher derbe Ausdrucksweise? attestiert und ihn als ?unmotiviert und abweisend bezeichnet, all dies aber mit seinem hohen Alter, dem fortgeschrittenen Zeitablauf seit dem Vorfall und dem ihm sicherlich bekannten getrüben Nachbarschaftsverhältnis zwischen dem Beschul- digten und der Privatklägerschaft, in welchem er sich nicht zu sehr exponieren wolle, erklärt (Urk. 40 S. 11), ist dies zwar denkbar, letzten Endes aber reine Spekulation. In Tat und Wahrheit müssen die Gründe für B. s eigent?mliches Aussageverhalten mangels konkreter Anhaltspunkte offenbleiben.
Ebenso kann man mit der Vorinstanz davon ausgehen, dass in casu keine konkreten Hinweise vorhanden sind, dass B. von der Privatklägerschaft instrumentalisiert worden wäre (Urk. 40 S. 11). Umgekehrt fällt aber auch auf, dass
B. auf die Frage, wann und wie denn seine nächtlichen Beobachtungen den Weg zum Privatklägervertreter gefunden hätten, durchweg ausweichend reagierte. So gab B. auf besagte, mehrmals gestellte Frage zweimal eine Völlig zusammenhangslose Antwort, worauf eine Protokollnotiz der einvernehmenden Staatsanwältin folgt, wonach seine Aussagen unVerständlich seien, er auf Rückfrage jedoch keine weiteren Aussagen mehr machen wolle (Urk. 8 S. 5). Entsprechend bleiben auch die Umstände, unter welchen das vorliegende Verfahren gegen den Beschuldigten seinen Anfang nahm, im Dunkeln.
Vor diesem Hintergrund kann also bereits die Glaubwürdigkeit von B. zumindest nicht als über jeden Zweifel erhaben qualifiziert werden.
Sodann ist festzustellen, dass B. als Auskunftsperson bzw. als Zeuge im Untersuchungsverfahren bisweilen offenkundig widersprächliche bzw. fragwür- dige Darstellungen zu Protokoll gab:
So machte B. bei der Polizei geltend, den täter von ?E. _? herkommend gesehen zu haben, wie dieser hernach beim Restaurant D. bei der Pergola zwei drei auf einer Mauer stehende Blument?pfe mit beiden Händen zu Boden geworfen habe (Urk. 4 S. 1 f.).
Bei der Staatsanwaltschaft hingegen wollte B. den täter nur noch von
?E. herkommend zur Pergola des Restaurants laufen gesehen und in der Folge einen Klapf bzw. drei bis vier Blument?pfe auf den Boden fallen Gehört haben. Davon, dass er den täter bei der Tatbegehung beobachtet habe, war keine Rede mehr (Urk. 8 S. 3).
Entgegen der Vorinstanz (Urk. 40 S. 11) erscheint aufgrund der räumlichen Verhältnisse vor Ort denn auch durchaus zweifelhaft, dass der gemäss eigenen Aussagen im zweiten Stock der liegenschaft C. -Platz ... wohnhafte B. (Urk. 4 S. 2) den Pergolabereich des Restaurants tatsächlich einsehen und damit eine dort veräbte Sachbeschädigung effektiv beobachten konnte (so zu Recht auch die Verteidigung, Urk. 28 S. 5). Mit Blick auf das vorhandene Bildmaterial (Urk. 29/1) zeigt sich Nämlich, dass aufgrund der deutlich nach innen versetzten Fenster gar keine Möglichkeit bestanden haben dürfte, von der Wohnung von
B. aus zum seitlich neben dem Gebäude anschliessenden Pergolabereich des Restaurants zu blicken. Wenn die Vorinstanz in diesem Zusammenhang ausführt, dem nota bene auch von ihr erkannten eher ungünstigen Blickwinkel von oben herab könne bereits mittels leichtem Herauslehnen aus dem Fenster begegnet werden (Urk. 40 S. 11), so verfüllt sie dabei in eine willkürliche Beweis- Würdigung, ergibt sich aus den Aussagen von B. doch nicht ansatzweise, dass er sich in irgendeiner Art und Weise besonders nahe ans Fester gestellt, geschweige denn dieses geöffnet und sich hinausgelehnt hätte. Besichtigt man die
?-rtlichkeit auf ?Google Street View, schiene denn auch einzig vom Balkon im zweiten Stock aus ein günstiger Blickwinkel auf den Pergolabereich des Restaurants gegeben zu sein. Jedoch machte B. auch keinerlei Aussagen, dass er sich in der Tatnacht je auf den Balkon hinausbegeben hätte (sollte dieser überhaupt zu seiner Wohnung gehören).
Die erste Darstellung von B. , wonach er den täter bei der Tatbegehung bzw. bei der eigenhändigen ZersTürung der Blument?pfe habe beobachten kön- nen, erscheint also durchaus zweifelhaft. Viel wahrscheinlicher ist somit seine zweite Darstellung, wonach er den Vorfall lediglich Gehört habe. Damit bleibt freilich offen, wer für die ZersTürung der Blument?pfe effektiv verantwortlich zeich- nete. Denn selbst wenn B. anschliessend eine Person beobachten konnte, die vom Restaurant D. weglief und zur gegenüberliegenden Hotel Bar ging, kann aus diesem Umstand nicht rechtsgenügend geschlossen werden, dass es sich dabei um die Person handeln musste, welche kurz zuvor die Sachbeschädigung begangen hatte.
Weiter machte B. bei der Polizei geltend, beobachtet zu haben, wie der täter hernach in sein Restaurant? gegangen sei, dieses geschlossen und die Rollläden heruntergelassen habe, wobei es sich dabei um die Person gehandelt habe, die er immer im vis-?-vis liegenden Restaurant am C. -Platz (gemeint: die vom Beschuldigten gefährte Hotel Bar) sehe und die dort das Lokal öffne und schliesse und die Tische abRäume (Urk. 4 S. 2).
Demgegenüber sagte B. anlässlich seiner parteiöffentlichen Zeugeneinver- nahme bei der Staatsanwaltschaft aber aus, dass er den dort anwesenden Beschuldigten den Geschäftsführer der Hotel Bar nicht als den täter identifizieren könne, welchen er in der fraglichen Nacht gesehen habe: Wenn es dunkel ist, habe ich nur eine Person gesehen, welche gegenüber in das Restaurant gelaufen ist. Darum nehme ich an, dass er es selber gewesen ist. Den hier heute anwesen- den Beschuldigten würde ich so nicht wiedererkennen? (Urk. 8 S. 4).
Zwischen diesen beiden Aussagen von B. besteht augenscheinlich ein massives Spannungsverhältnis, welches in Anwendung der in Art. 10 Abs. 3 StPO
statuierten Maxime in dubio pro Reorganisation nur zu Gunsten des Beschuldigten aufgeläst werden kann. Entgegen der Vorinstanz (Urk. 40 S. 11 f.) vermögen auch die ihrer Ansicht nach guten Sicht- und Lichtverhältnisse zwischen B. s Wohnung und der auf der anderen Seite des C. -Platzes liegenden Hotel Bar des Beschuldigten nichts daran zu ändern. Denn bei guten Sicht- und Lichtverhältnissen muss der täter für B. ja gerade gut zu sehen gewesen sein, so dass eben nicht von der zweifelsfreien täterschaft des Beschuldigten ausgegangen werden kann, wenn B. diesen anlässlich einer Konfrontation explizit nicht als den täter identifizieren konnte, den er in der Tatnacht gesehen haben will. Indem die Vorinstanz letztlich den gegenteiligen Schluss zieht (Urk. 40 S. 14), verstösst sie gegen den vorerwähnten Verfahrensgrundsatz.
Gleich verhält es sich mit dem Umstand, dass das von B. abgegebene Signalement des täters (Urk. 4 S. 3) dem Erscheinungsbild des Beschuldigten stark ?hneln soll (so die Vorinstanz, Urk. 40 S. 13). Wenn B. den physisch anwesenden Beschuldigten explizit nicht als den täter identifizieren konnte, den er in der Tatnacht gesehen haben will, kann in dubio pro Reorganisation gerade nicht gestützt auf das von B. zu einem Früheren Zeitpunkt abgegebene tätersignalement, mag dieses dem Erscheinungsbild des Beschuldigten noch so ähnlich sein, zweifelsfrei auf die täterschaft des Beschuldigten geschlossen werden (so aber die Vorinstanz, Urk. 40 S. 13 f.).
Eine Diskrepanz besteht überdies auch hinsichtlich der zeitlichen Verhält- nisse: So soll laut Anklage gestützt auf B. s Aussage die Sachbeschädigung zwischen 02:00 und 03:00 Uhr stattgefunden haben (Urk. 4 S. 2). Zu diesem Zeitpunkt will der Beschuldigte seine sonntags jeweils bis 00:30 Uhr geöffnete Hotel Bar aber längst geschlossen, zusammen mit einem Bekannten, mit dem er zuvor noch ein paar Bier getrunken habe, durch den Hintereingang verlassen haben und mit dem Fahrdienst Uber nach Hause gefahren sein (Urk. 2 S. 2; Urk. 9 S. 2).
Diese Darstellung des Beschuldigten wäre ohne weiteres überpröfbar gewesen, indem die Staatsanwaltschaft das entsprechende Fahrtenprotokoll von Uber ediert sich zumindest vom Beschuldigten den Fahrteneintrag auf seiner
Uber-App zeigen lassen hätte. Entsprechende Untersuchungshandlungen sind je- doch nicht aktenkundig.
Wenn die Vorinstanz in diesem Kontext nun einfach darauf schliesst, dass die Darstellung von B. wohl stimmen müsse bzw. glaubhafter sei, da die Angaben des Beschuldigten sehr pauschal und von ihm im weiteren Verfahrensverlauf auch nicht weiter ausgefährt bestätigt worden seien (Urk. 40 S. 13), verkennt sie, dass es nicht Aufgabe des Beschuldigten ist, seine Unschuld zu beweisen, sondern dass vielmehr die Staatsanwaltschaft den Schuldbeweis zu erbringen hat (Art. 6 StPO). Wenn diese der Darstellung des Beschuldigten nicht weiter nachging und keine Anstrengungen unternahm, diese zu verifizieren bzw. zu widerlegen, kann den Angaben des Beschuldigten in dubio pro Reorganisation aber auch nicht einfach ihr Wahrheitsgehalt abgesprochen werden. Folglich kann die Behauptung des Beschuldigten, wonach er sich im von B. genannten Tatzeitraum zwischen 02:00 und 03:00 Uhr nicht mehr beim C. -Platz aufgehalten habe, nicht als unglaubhaft verworfen werden, was abermals die Möglichkeit für eine an- dere täterschaft eröffnet.
4.3. Im Ergebnis kann vor allem mit Blick auf das offenkundig getrübte Nachbarschaftsverhältnis zwischen dem Beschuldigten und der Privatklägerschaft zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte in den frühen Morgenstunden des 7. Juni 2021 die ihm von der Anklage vorgeworfene Sachbeschädigung zum Nachteil der Privatklägerschaft beging. In Nachachtung der Maxime in dubio pro Reorganisation können bei der vorliegenden Beweislage und dabei insbesondere mit Blick auf B. als massgeblicher Personalbeweis aber auch nicht jegliche vernünftigen Zweifel an der täterschaft des Beschuldigten verworfen werden. Demzufolge kann der Anklagesachverhalt letztlich nicht als rechtsgenügend erstellt betrachtet werden, weshalb der Beschuldigte von Schuld und Strafe freizusprechen ist.
Gemäss Art. 126 Abs. 1 Bst. b StPO entscheidet das Gericht über eine anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen, wo- nach ein in dubio pro reo-Freispruch zu erfolgen hat, erweist sich der Sachverhalt nicht als spruchreif. Vielmehr kann der Beschuldigte allenfalls im Rahmen ei- ner Zivilklage dennoch belangt werden. Die Privatklägerschaft D. Gastro GmbH ist somit mit ihrer Zivilforderung auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen (Art. 126 Abs. 2 lit. d StPO).
Gemäss Art. 428 Abs. 3 StPO hat die Rechtsmittelinstanz bei Füllung eines neuen Entscheids darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu befinden.
Wird die beschuldigte Person verurteilt, hat sie die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wird das Verfahren eingestellt die beschul- digte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten teilweise ganz auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO).
Nachdem der Beschuldigte freizusprechen ist und ihm auch unter zivilrechtlichen Aspekten kein vorwerfbares Verhalten angelastet werden kann, sind die Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, in Anwendung von Art. 426 Abs. 1 und 2 StPO e contrario auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Gemäss Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens.
Nachdem der Beschuldigte mit seiner Berufung vollumfänglich obsiegt, hat die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ausser Ansatz zu fallen und sind die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung im Betrag von pauschal Fr. 4'350 inklusive Mehrwertsteuer (vgl. Urk. 55 und
Urk. 58, zuzüglich Aufwand für die Berufungsverhandlung und Weg), auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung
? Einzelgericht, vom 28. Februar 2023 bezüglich der Dispositivziffern 5 (Kostenfestsetzung) und 6 (Entschädigung der amtlichen Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen ist.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist des eingeklagten Delikts nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die Privatklägerschaft D. Gastro GmbH wird mit ihrer Zivilforderung auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:
Fr. 4'350 amtliche Verteidigung
Die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens beider Instanzen, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung für das gesamte Verfahren, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
die Privatklägerschaft D1. GmbH sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
die Privatklägerschaft D1. GmbH
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben ( 54a Abs. 1 PolG)
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 32 Abs. 1 StReG mittels Kopie von Urk. 54.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 16. Februar 2024
Die Präsidentin:
Oberrichterin lic. iur. Bertschi
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Leuthard
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