Zusammenfassung des Urteils SB230224: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte A. wurde wegen Betrugs und unrechtmässigem Bezug von Sozialleistungen verurteilt. Er erhielt eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 10 und eine Busse von Fr. 1'000. Zudem wurde er für 5 Jahre des Landes verwiesen. Die Gerichtskosten betrugen insgesamt Fr. 8'343.50. In der Berufung forderte die Verteidigung, die Landesverweisung aufzuheben und die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Bestätigung des Urteils. Der Beschuldigte argumentierte, dass eine Rückkehr in sein Heimatland einen schweren persönlichen Härtefall darstellen würde. Das Gericht prüfte die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten und entschied, dass er nicht erfolgreich in die Schweiz integriert sei und somit die Landesverweisung bestätigt wurde.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230224 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 05.12.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Betrug etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Urteil; Schweiz; Bundesgericht; Bundesgerichts; Beschuldigten; Recht; Landes; Landesverweisung; Interesse; Sinne; Sozialhilfe; Härte; Härtefall; Aufenthalt; Berufung; Interessen; Urteile; Staat; Vorinstanz; Aufenthalts; Dänemark; Hinweis; Verteidigung; Hinweise; Hinweisen; Rechtsprechung; Sozialversicherung; ätzlich |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ;Art. 146 StGB ;Art. 148a StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 408 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 424 StPO ;Art. 5 BV ;Art. 66a StGB ;Art. 8 EMRK ; |
Referenz BGE: | 130 II 176; 136 lV 55; 137 III 233; 141 IV 244; 142 II 35; 144 II 1; 145 I 227; 145 IV 364; 146 IV 105; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230224-O/U/nk
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Ohnjec und Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie Gerichtsschreiber MLaw Andres
Urteil vom 5. Dezember 2023
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
betreffend Betrug etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 25. März 2022 (Urk. 15) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig
des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB sowie
des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 10 (entspricht Fr. 1'800) sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'800.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 gebühr für das Vorverfahren
Fr. 4'443.50 Entschädigung amtliche Verteidigung (inkl. MwSt. und Barauslagen)
Wird auf eine Begründung dieses Entscheids verzichtet, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.
Die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldig-
ten auferlegt, diejenigen der amtlichen Verteidigung indessen einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt vorbehalten.
BerufungsAnträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 53 S. 2)
In Abänderung von Dispositiv-Ziff. 4 des Urteils des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht Strafsachen, vom 11. Juli 2022 sei von der Anord- nung einer Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB (und
Art. 66abis StGB) abzusehen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, inklusive der Kosten der amtlichen Verteidigung, seien auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: (Urk. 44, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht in Strafsachen, vom 11. Juli 2022 gemäss dem eingangs wiedergegebenen Urteils- dispositiv des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB sowie des unrechtmössigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 10 sowie mit einer Busse von Fr. 1'000 bestraft. Weiter wurde der Beschuldigte für 5 Jahre des Landes verwiesen (Urk. 38 S. 37 f.). Die innert Frist eingereichte Berufung bzw. Berufungs- Erklärung richtet sich gegen die Anordnung der Landesverweisung (Urk. 33, Urk. 36 und Urk. 41). Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (nachfolgend Staatsanwaltschaft) hat auf Anschlussberufung verzichtet und beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 44). Die Parteien wurden am 23. Juni 2023 zur Berufungsverhandlung auf den 5. Dezember 2023 vorgeladen (Urk. 46), zu welcher der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers erschie- nen ist und die eingangs erwähnten Anträge stellte (Prot. II S. 3 ff.).
Auch wenn das Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt, fällt es am Ende ein insgesamt neues Urteil (Art. 408 StPO), worin es jedoch anzugeben hat, welche Punkte bereits früher in Rechtskraft erwachsen sind (BGE 141 IV 244 E. 1.3.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_533/2016 vom 29. November 2016
E. 4.2 mit Hinweisen). Die Verteidigung beantragt mit der BerufungsErklärung, dass in Abänderung von Dispositiv-Ziffer 4 von der Anordnung einer Landesverweisung im Sinne von Art. 66abis StGB abzusehen sei. Im übrigen wird das Urteil nicht angefochten (Urk. 41). Der Schuldspruch (Dispositiv-Ziff. 1), die Strafe (Dispositiv-Ziff. 2), die Regelung des Vollzuges (Dispositiv-Ziff. 3) sowie die Kostenregelung (Dispositiv-Ziffern 5-6) des vorinstanzlichen Urteils sind somit in Rechtskraft erwachsen (Art. 402 StPO), was vorab mit Beschluss festzustellen ist.
Ausländerstatus und Katalogtat
Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen Betrugs im Bereich der Sozialversicherung der Sozialhilfe verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz. Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1.; 144 IV 332 E. 3.1.3.). Der Beschuldigte ist dänischer Staatsangehöriger. Weiter hat er mit den StraftatBeständen des Betruges im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB im Bereich einer Sozialversicherung der Sozialhilfe und des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a Abs. 1 StGB Delikte begangen, welche nach Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB grundsätzlich obligatorisch zu einer Landesverweisung führen.
Standpunkt des Beschuldigten
Umstritten ist die Beurteilung der Hürtefallklausel im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB, deren Anwendung von der Vorinstanz mangels eines schweren persönlichen Hürtefalls verneint worden ist (Urk. 38 S. 29 f.). Der Beschuldigte ist der Ansicht, dass eine Rückkehr nach über 32 Jahren in die ihm fremde, ursprängliche Heimat einen schweren persönlichen Hürtefall darstelle und er in seinen privaten Interessen besonders beeinträchtigt sei, ohne dass diese durch entsprechend gewichtige öffentliche Interessen des Gemeinwesens aufgewogen würden (Urk. 26 S 12-13; Urk. 53 S. 6 ff. und S. 12 f.). Die Verteidigung hebt insbesondere hervor, dass der Beschuldigte seit mehr als 30 Jahren in der Schweiz lebe, er hier zwei erwachsene Söhne habe und hier eine langjährige Lebenspartnerin habe, mit staken regelmässigen Kontakten zur deren Kindern und Enkeln, für welche der Beschuldigte eine sehr enge Vertrauensperson geworden sei. Bis zu sei- nem Herzinfarkt Ende 2018 habe der Beschuldigte in der Schweiz beruflich gut funktioniert (Urk. 26 S. 122; Urk. 53 S. 6 ff.).
HürtefallPrüfung
Rechtliche Grundlagen
Von der Anordnung der Landesverweisung kann ausnahmsweise unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Hürtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Hürtefallklausel). Die Hürtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 145 IV 364 E. 3.2). Sie ist restriktiv anzuwenden und kommt nur
ausnahmsweise zum Zug (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur Prüfung des Hürtefalls der Kriterienkatalog der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Hürtefall in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der persönlichen und wirtschaftlichen Integration, einschliesslich familiürer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen (Urteile des Bundesgerichts 6B_552/2021 vom 9. November 2022 E. 2.3.4; 6B_1178/2019 vom 10. März 2021
E. 3.2.4). Dabei ist anhand der vorstehenden Integrationskriterien eine Einzelfall- Prüfung vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1024/2019 vom 29. Januar 2020 E. 1.3.2 m.w.H.). Insofern dient die Hürtefallklausel im Sinne von Art. 66a StGB der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 m.w.H.).
persönliche Verhältnisse des Beschuldigten und weitere Umstände
Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten kann vorab auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 38 S. 21 und S. 29 f.; vgl. auch Urk. 6 S. 11, Urk. 9 S. 8-12, Urk. 12/1-8, Urk. 13/1-20; Urk. 27/3, Prot. I
S. 24-35). Der heute 59-jährige Beschuldigte ist in B. in Dänemark geboren und bis zum 15. Altersjahr zusammen mit seinen zwei jüngeren Geschwistern (die Schwester starb früh bei einem Verkehrsunfall) bei seinen Eltern aufgewachsen. Er ging in Dänemark zur Schule und besuchte nach der obligatorischen Grundschule eine Höhere Handelsschule bzw. Fachschule. Nachdem der Beschuldigte zunächst eine technische Schule besuchte, machte er dann eine vierjährige Ausbildung zum diplomierten Elektriker und war in Dänemark auch erwerbstätig. Im Jahr 1991 im Alter von 27 Jahren kam der Beschuldigte für eine Arbeitsstelle in die Schweiz, wo er für drei Jahre bei der C. AG eine Festanstellung hatte. In der Folge arbeitete der Beschuldigte über Temporürfirmen, wobei die Arbeitseinsätze jeweils zwischen einigen Monaten bis zu maximal einem Jahr dauerten (Prot. I S. 19 und 29; Prot. II S. 5 f.). Seit 2012 lebt der Beschuldigte von der Sozialhilfe (vgl. weiter unten). Letztmals arbeitete er im Jahr 2018 für knapp zwei Monate und im Jahr 2021 für Monat bei der Firma D. (vgl. dazu Anklageschrift S. 2 f.). Ende 2018 erlitt er einen Herzinfarkt. Am 27. Februar 2020 wurde eine IV-Anmeldung eingereicht. Mit Vorbescheid vom 27. Juni 2022 verfügte die IV einen Anspruch des Beschuldigten auf eine Viertelsrente per 1. September 2020. Seither bezieht er von der IV monatlich Fr. 360, wird darüber hinaus aber zu 60 % als arbeitsfühig eingestuft. Er ist aber auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nach wie vor stellenlos und entsprechend weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen. Der Beschuldigte verfügt über die Niederlassungsbewilligung C (Prot. II S. 5 ff.; Urk. 53 S. 10).
Der Beschuldigte heiratete 1993 in E. , Dnemark, eine Schweizerin. Aus dieser Ehe ging der 1995 geborene Sohn F. hervor. Diese Ehe wurde 1997 gerichtlich getrennt. Im Jahre 2007 folgte die Scheidung. Nach der Tren- nung von seiner Ehefrau folgte eine neue Beziehung woraus ein weiterer Sohn, G. , hervorging. Beide Söhne sind erwachsen und haben ihre Ausbildung abgeschlossen (Prot. I S. 28; Prot. II S. 7). Gemäss eigenen Angaben in der Untersuchung sowie an der Berufungsverhandlung (Urk. 9 S. 10; Prot. II S. 7) lebt der Beschuldigte seit 2010 in einer Beziehung mit seiner derzeitigen Lebenspart- nerin. Zuvor hat der Beschuldigte gegenüber der Polizei am 10. Juni 2021 aller- dings angegeben, sie hätten getrennte Schlafzimmer, seien aber aufeinander angewiesen. Er könne sich keine eigene Wohnung leisten und sie könne wegen ihrer Krankheit nicht Selbständig wohnen. Sie hätten eine Wohngemeinschaft und keine Beziehung, auch keine intime Beziehung (Urk. 6 F/A 10). Auf Nachfrage hin gab er dazu an, dass es sich zwischendurch aufgrund seiner Alkoholprobleme um eine reine Wohngemeinschaft gehandelt habe. Er habe sich aber seit längerem wieder gefangen und jetzt sei es wieder gut. Auch die Enkeltochter (seiner Lebenspartnerin) käme wieder auf Besuch, was gut sei (Prot. I S. 31). Anzufügen ist, dass der Beschuldigte in seinen Selbstdeklarationen 2018 und 2019 das Feld für Eheoder Lebenspartnerin jeweils leer gelassen hat (Urk. 7/1-2). In der Schweiz habe er neben seinen Söhnen keine Verwandte. Weiter gab der Beschuldigte auf Frage hin an, dass er naTürlich einen Kollegenkreis habe in der Schweiz, wobei er anfügte, dass er viele abgetrennt habe, also jene, die schlecht gewesen seien. In Dänemark habe er schon Kontakte. Mit einem seiner Früheren Kollegen habe er hin und wieder Kontakt. In Dnemark, wo er 2017 zuletzt gewesen sei, habe er gemäss eigenen Angaben nur Kontakt zu seinen Eltern, die betagt und pflegebe- dürftig seien. Er habe früher auch Geschenke für seinen Bruder und dessen drei Kinder mitgebracht. Bei seinen Eltern bleibe er höchstens eine Woche. Sinngemäss äusserte der Beschuldigte, dass er weder zu den Eltern noch zu seinem Bruder einen wirklich guten Kontakt habe (Prot. I S. 27, S. 32).
Im Schreiben des Kantonalem Sozialamt des Kantons Zürich vom 2. Mai 2007 wird soweit ersichtlich ein erstes Mal vermerkt, dass sie bezüglich dem Beschuldigten um übernahme von Sozialhilfeleistungen ersucht worden seien (vgl. Urk. 13/23). Gemäss Schreiben des Kantonalem Sozialamt des Kantons Zürich, wurde dieses ein weiteres Mal im April 2012 um übernahme von Sozialleistungen für den Beschuldigten ersucht. Bis zum 26. Januar 2022 wurde der Beschuldigte durch die Sozialen Dienste Seuzach mit Fr. 221'089.70 unterstätzt. Der Beschul- digte sei seit 1. Juli 2019 durchgehend arbeitsunfähig geschrieben. Der Beschul- digte gab an, aus einem Privatkonkurs ca. Fr. 70'000 Schulden zu haben. Gemäss Beschluss des Gemeinderates Seuzach vom 21. April 2021 betrugen die Schulden des Beschuldigten Fr. 62'436.60 (Urk. 2/17). Anlässlich der Hauptverhandlung vom 11. Juli 2022 bezifferte der Beschuldigte die Schulden gegenüber
dem Sozialamt allerdings mit Fr. 16'000, wobei er anfügte, die genauen Zahlen nicht zu kennen (Prot. I S. 30).
Den Akten des Migrationsamtes (Urk. 13/1-207) lässt sich entnehmen, dass der Beschuldigte 1992 wegen Fahrens im angetrunkenem Zustand mit Strafbefehl zu einer Busse verurteilt wurde. Er wurde 1992 deswegen auch von der Frem- denpolizei verwarnt und es wurden ihm für den Fall weiterer gerichtlicher Bestrafungen falls sein Verhalten zu anderen berechtigten Klagen Anlass geben sollte, schwerer wiegende fremdenpolizeiliche Massnahmen angedroht. 2005 wurde der Beschuldigte wegen Vernachlüssigung von Unterhaltspflichten mit Strafbefehl zu einer bedingten Gefängnisstrafe verurteilt. 2006 folgte ein Strafbefehl wegen SVG-Delikten. Mit Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 16. Februar 2010 wurde der Beschuldigte wiederum wegen Fahren in angetrunkenem Zustand und weiterer SVG-Delikte (Fahren ohne Ausweis) und übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt. Es wurde ihm die Weisung erteilt, sich einer (Sucht-)Therapie zu unterziehen. 2008 ist dem Beschuldigten der fährerschein entzogen und ihm das führen von Motorfahrzeugen aller Kategorien ab 11. Juli 2008 auf unbestimmte Zeit untersagt worden. All diese genannten Urteile und Strafbefehle sind nicht mehr im Strafregister eingetragen, sind indessen in einer Gesamtbetrachtung für die Frage der Integration in der Schweiz nicht ausser Acht zu lassen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2022 vom 16. Juni 2022 E. 2.3.3). Diverse Ersatzfreiheitstrafen hat der Beschuldigte vollzogen. Anzufügen ist, dass der Beschuldigte vor Vorinstanz ver- neinte, (noch) ein Alkoholproblem zu haben. Im Strafregister sind sodann zwei Urteile vermerkt (Urk. 40). Am 12. November 2014 und am 28. September 2017 wurde der Beschuldigte mit Strafbefehlen wegen SVG-Delikten mit unbedingten Geldstrafen von 60 bzw. 50 Tagessätzen zu Fr. 30 bestraft. Des Weiteren wur- de der Beschuldigte mit nicht ins Strafregister aufzunehmenden Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Winterthur vom 10. Juli 2017 wegen Widerhandlung gegen das Sozialhilfegesetz mit einer Busse von Fr. 3'000 bestraft. Wie vorliegend hatte er damals Einkommen aus Arbeitstätigkeit nicht deklariert und unrechtmässig Sozialhilfeleistungen von über Fr. 30'000 erwirkt (Urk. 12/5). Hinsichtlich weiteren unrechtmässigen Bezügen während der Zeit Februar 2012 bis
Juli 2014 wurde das Verfahren zufolge Verjährung eingestellt (Urk. 12/6). In den Jahren 2017 bis 2021 musste der Beschuldigte lediglich die Kopfsteuer zahlen.
Beurteilung
Ein grosses Interesse des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz impliziert bereits die Tatsache, dass er seit über 30 Jahren in der Schweiz lebt und seine beiden erwachsenen Söhne hier leben. Im grundsätzlichen ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts nicht gleichsam schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz annimmt (Urteile des Bundesgerichts 6B_841/2019 vom 15. Oktober 2019 E. 2.5.1, 6B_131/2019 vom 27. September 2019 E.2.5.5, 6B_143/2019 vom
6. März 2019 E.3.3.2; 6B_1033 vom 4. Dezember 2019 E. 6.5.2). Eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration, ist in aller Regel ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Hürtefalls (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_207/2022 vom 27. März 2023 E. 1.2.3; je mit Hinweisen). Auch 32 Jahre Aufenthalt in der Schweiz begründen aber nicht ohne weiteres ei- nen Hürtefall. Vorliegend verhält es sich zudem so, dass der Beschuldigte erst im Alter von 27 Jahren in die Schweiz gekommen ist, was das Argument der länge der Aufenthaltsdauer abschwächt (Urteil des Bundesgerichts 6B_2/2019 vom
27. September 2019 E. 8.3). Der Beschuldigte ist nicht in der Schweiz geboren und aufgewachsen und hat seine pRügenden Kinder- und Jugendjahre nicht hier, sondern in Dänemark verbracht. Bei ihm liegen also keine Umstände vor, die nach Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB bei der Prüfung eines Hürtefalls besonders ins Gewicht fallen. Gerade im Falle des Beschuldigten muss wie nachfolgend zu zeigen ist von einer unterdurchschnittlichen sozialen und beruflichen Einbettung ausgegangen werden, was insbesondere mit Blick auf seine nunmehr schon über 30-jährige Anwesenheitsdauer durchaus auch anders sein könnte.
Eine erfolgreiche Integration ist zu verneinen, wenn eine Person kein Erwerbseinkommen erwirtschaften kann, welches ihren Konsum zu decken vermag, und während einer substanziellen Zeitdauer von Sozialleistungen abhängig ist, ohne dass sich die Situation wesentlich verbessert. Entscheidend ist, dass die ausländische Person für sich sorgen kann, keine (nennenswerten) Sozialhilfeleistungen bezieht und sich nicht (in nennenswerter Weise) verschuldet (Urteile des Bundesgerichts 6B_793/2019 vom 12. September 2019 E. 2.3.2; 6B_689/2019
vom 25. Oktober 2019 E. 1.7.2). Der Beschuldigte ist seit 2012 von Sozialleistungen abhängig. Er wurde bis 2022 mit rund Fr. 220'000 unterstätzt. Weiter hat er Privatkonkurs angemeldet und gemäss eigenen Angaben einen grossen Schul- denberg von Fr. 70'000 hinterlassen. In den ersten drei Jahren seines Aufenthaltes in der Schweiz hat der Beschuldigte zwar gemäss seinen Angaben eine feste Arbeitsstelle gehabt, danach aber nur noch befristete Einsätze über Temporürfirmen. Wie erwähnt findet sich in den Akten ein erstes Gesuch um übernahme von Sozialhilfeleistungen für den Beschuldigten vom 2. Mai 2007. Dem Strafbefehl aus dem Jahre 2005 lässt sich sodann entnehmen, dass er damals seine Unterhaltspflichten gegenüber dem Sohn vernachlüssigte (vgl. dazu Urteil des Bun- desgerichts 6B_2/2019 vom 27. September 2019 E. 2.5.5). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Beschuldigte seit rund 20 Jahren keine unbefristete Festanstellung mehr hatte und er jedenfalls seit über 10 Jahren von der Sozialhilfe abhängig und beruflich überhaupt nicht integriert ist. Schon gar nicht kann davon die Rede sein, dass seine beruflichen Bande zur Schweiz speziell intensiv wären, deutlich über dem, was aus einer gewöhnlichen Integration resultiert, wie dies für eine erfolgreiche Integration erforderlich wäre (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_598/2019 vom 5. Juli 2019 E. 4.3.2). Beim Beschuldigten kann vielmehr nicht gesagt werden, dass es ihm bisher gelungen wäre, seine berufliche Situation zu stabilisieren, dass er auch langfristig in der Lage wäre, aus eigener Kraft für seine Lebenshaltungskosten aufzukommen. Der Beschuldigte wird nun zwar eine IV-Viertelrente erhalten. darüber hinaus ist aber davon auszugehen, dass eine berufliche Reintegration sofern überhaupt möglich in Dänemark nicht schwieriger sein wird als in der Schweiz, hat doch der Beschuldigte dort die Schulen und seine Ausbildung absolviert und auch schon in Dänemark gearbeitet. Im weiteren darf davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte als dänischer Staatsbürger auch in seinem Heimatland vom Staat unterstätzt wird.
Der Beschuldigte weist daraufhin, dass hier in der Schweiz seine beiden Söhne leben. Diese sind erwachsen und Selbständig. Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass es in dieser Hinsicht nicht um die Kernfamilie im Rechtssinne
geht, d.h. eine Gemeinschaft der Ehegatten mit minderjährigen Kindern (vgl. BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1474/2019 vom
23. März 2020 E. 1.4), noch besondere abhängigkeitsverhältnisse gegeben sind (vgl. BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1; Urteil des Bundesgerichts 2C_385/2018 vom 29. November 2018 E. 3.2; je mit Hinweisen). Es ist zu beachten, dass es grundsätzlich zwar auch jungen Erwachsenen, die noch keine eigene Familie geGründet haben, nicht verwehrt ist, sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK zu berufen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.3.2 mit Hinweisen). Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass ein Jugendlicher ab 18 Jahren normalerweise in der Lage ist, unabhängig zu leben, sofern keine besonderen Umstände vorliegen (BGE 145 I 227 E.
5.3 mit Hinweisen). Im übrigen sind die beiden Söhne offenbar bei ihren Müttern aufgewachsen und es wurde kein besonders inniges Familienverhältnis mit ihnen umschrieben. Das Gleiche gilt für das von ihm geltend gemachte Verhältnis mit H. . Wie bereits oben dargetan macht er einerseits geltend, es sei eine langjährige Partnerschaft, anderseits hat er von sich aus noch im Juni 2021 gegen- über der Polizei unter Hinweis auf seine Alkoholprobleme betont, es sei mehr eine Wohngemeinschaft, sie hätten getrennte Schlafzimmer, keine intime Beziehungen, seien aber aufeinander angewiesen. Weiter hat er sie gegenüber den Behürden auch nicht als seine Lebenspartnerin gemeldet. Ausser diesen Angaben ist nichts näheres über diese Beziehung bekannt. Es kann insgesamt nicht von einer echten und eheähnlichen Gemeinschaft ausgegangen werden. Soweit nicht besondere Umstände vorliegen, können sich Konkubinatspaare ohnehin nicht auf Art. 8 EMRK berufen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_704/2019 E.1.3.2, 6B_841/2019 vom 15. Oktober 2019, E. 2.5.2). Auch das vorgebrachte innige Verhältnis zur Enkelin von H. wurde nicht näher geschildert und schon gar nicht belegt. Im Wesentlichen sagte der Beschuldigte dazu, dass die Enkelin sie nun wieder besuche, was gut sei. Zum Geschützten Familienkreis Gehört in erster Linie die Kernfamilie, mithin die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern, während andere familiüre persönliche Beziehungen nur aus- nahmsweise darunter fallen, wobei als Hinweise dafür das Zusammenleben in ei- nem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle abhängigkeit, speziell enge familiüre Bindungen, regelmässige Kontakte die übernahme von Verantwortung für eine andere Person gelten (Urteile des Bundesgerichts 6B_149/2021 vom
3. Februar 2022 E. 2.3.3 mit Hinweisen; 6B_1070 vom 14. August 2019 E.6.3.2; BGE 144 II 1). Ein über die üblichen familiüren Verhältnisse hinausgehende Beziehung, ein besonderes abhängigkeitsverhältnis eine besondere nahe, echte tatsächlich gelebte Beziehung wurde vorliegend weder behauptet bzw. näher umschrieben noch ist ein solches ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte ansonsten speziell intensive soziale Kontakte in der Schweiz pflegt. Er weist zwar auf Kollegen von einem Sportclub hin, hebt aber gleichzeitig hervor den Kontakt zu vielen schlechten Kollegen abgetrennt zu haben (Prot. I
S. 32). Insgesamt scheint er insoweit nicht über ein Grösseres soziales Netz zu verfügen und vermag der Beschuldigte keine Anhaltspunkte darzulegen, welche auf besonders intensive und über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen gesellschaftlicher beruflicher Natur hindeuten, wie dies für die Annahme eines schweren persönlichen Hürtefalls erforderlich wäre (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1024/2022 vom 16. Februar 2023 E. 3.1.3 m.w.H.). In Dänemark leben immerhin seine Familie, so seine betagten Eltern und sein Bruder. Es ist mit der Vorinstanz zu schliessen, dass insgesamt die berufliche und soziale Reintegration in seinem Heimatland Dänemark und die zeitlich befristete räumliche Trennung von seinen nahestehenden Personen als durchaus zumutbar erscheint.
Da die Landesverweisung strafrechtlicher Natur ist, ist bei der Beurteilung des Hürtefalls des Weiteren auch der Rückfallgefahr und einer Allfälligen wiederholten StrafFälligkeit Rechnung zu tragen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_166/2021 vom 8. September 2021 E. 3.3.2 m.w.H.; 6B_131/2019 vom
27. September 2019 E. 2.5.5). Die Anlasstat selber wiegt verschuldensmässig zwar nicht allzu schwer, verheimlichte doch der Beschuldigte von ihm erzielte Nebenverdienste sowie Gutschriften der Krankenkasse, wodurch ihm zusammengerechnet knapp Fr. 16'468 zu Unrecht ausbezahlt wurden. Mit seinem Verhalten hat der Beschuldigte aber nicht nur das schweizerische Sozialversicherungssystem zwecks eigenem Profit Rücksichtslos ausgenutzt, sondern hat dadurch letztlich auch in Kauf genommen, dass das erforderliche Vertrauen der Bürger in die
staatlichen Sozialeinrichtungen unterminiert werden könnte, was sich zum Scha- den aller potenziell Anspruchsberechtigten auswirken würde. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte dabei teilweise arglistig vorging. Zu berücksichtigen ist überdies, dass im Rahmen der HürtefallPrüfung jeweils die gesamte Delinquenz des Verurteilten bis zum Urteilszeitpunkt ausschlaggebend ist (Urteile des Bundesgerichts 6B_1384/2021 vom 29. August 2023 E. 2.4.2; 6B_1044/2019 vom 17. Februar
2020 E. 2.4.1 mit Hinweisen; 6B_224/2022 vom 16. Juni 2002 E.2.3.3; 6B_188/2021 vom 23. Juni 2021 E. 2.2.1 mit Hinweisen). In diesem Zusammenhang darf mithin nicht unbeachtet bleiben, dass der Beschuldigte neben der Katalogtat, für die er von der Vorinstanz schuldig gesprochen wurde, bereits 2017 wegen gleich gelagerten Handlungen strafrechtlich negativ in Erscheinung getreten ist und wegen Widerhandlung gegen das Sozialhilfegesetz mit einer Busse von Fr. 3'000 bestraft wurde. Der Beschuldigte hat damals über Jahre Einkommen aus Arbeitstätigkeit nicht deklariert und unrechtmässig Sozialhilfeleistungen von über Fr. 30'000 erwirkt (Urk. 12/5). Der Beschuldigte ist bereits damals nicht davor zurückgeschreckt gegen die Rechtsnormen zu verstossen, um zu Unrecht Sozialhilfe von Fr. 30'000 zu beziehen, was eine doch grosse Deliktssumme darstellt. Der Beschuldigte war durch diesen Strafbefehl somit gewarnt. Wie oben angefährt sind weitere unrechtmässigen Bezüge strafrechtlich bereits verjährt gewesen und wurde diesbezüglich das Verfahren eingestellt. Auch wenn es in je- nem Verfahren nur um übertretungen ging, kann nicht übersehen werden, dass es um ähnliches Handeln gegenüber den SozialBehörden ging und der Beschul- digte auf gleiche Weise wie vorliegend unrechtmässige Leistungen bezog. Die vorliegend zu beurteilenden Taten beging der Beschuldigte nur knapp zwei Jahre nach dem ergangenen Strafbefehl. Die Busse von Fr. 3'000 hat ihn offensichtlich nicht gross beeindruckt. Weiter wurde er 2014 und 2017 wegen SVG-Delikten mit unbedingten Geldstrafen von 60 resp. 50 Tagessätzen zu Fr. 30 bestraft. Wie oben dargetan hat er bereits im Jahr 1992 Strafen wegen SVG-Delikten erhalten und mehrere Strafen wie auch ein Ausweisentzug hielten ihn nicht davon ab, erneut mehrfach ein Fahrzeug zu lenken und zu delinquieren. Auch seiner Unterhaltspflicht ist er nicht immer nachgekommen, was zwar lange zurückliegt, aber ebenfalls (2007) zu einem Strafurteil führte. Der Beschuldigte hatte denn auch ein
Alkoholproblem, was zu Weisungen der StrafBehörden führte. Gemäss eigenen Angaben will er sein Alkoholproblem nunmehr im Griff haben. Diese mehrfache Delinquenz über Jahre hinweg lässt die mangelnde Integration des Beschuldigten insgesamt deutlich hervortreten. Er hat mehrfach demonstriert, dass er es mit der hier geltenden Rechtsordnung nicht immer so genau nimmt. Wie von der Vorinstanz betont, erscheint es als nicht unwahrscheinlich, dass der Beschuldigte aufgrund der anhaltenden knappen finanziellen Lage in seine bisherigen Verhaltensmuster zurückfällt.
Hinsichtlich der ReintegrationsMöglichkeiten in seinem Herkunftsland ist nochmals zu betonen, dass der Beschuldigte bis zu seinem 27. Altersjahr in D- nemark gelebt hat und deshalb selbst wenn er nun aus Geldknappheit seit 2017 nicht mehr dorthin zurückgekehrt ist mit der heimatlichen Sprache und Kultur zweifellos nach wie vor bestens vertraut ist. Zudem leben in Dänemark ein Grossteil seiner Familie (insbesondere Eltern und Bruder). Auch die Psycho- und
Psychopharmakotherapie, die er gegenwürtig bei Dr. med. I.
absolviert,
verMöchte er in Dnemark, das über ein erstklassiges Gesundheitssystem verfügt, weiterzuführen, was letztlich auch die Verteidigung anerkennt (Urk. 53
S. 10). Bei dieser Sachlage erweist sich eine Rückkehr des Beschuldigten in sein Heimatland mithin als zumutbar.
Fazit
In einer Gesamtbetrachtung der genannten Umstände ist zu folgern, dass mit ei- ner Ausweisung des Beschuldigten aus der Schweiz insbesondere aufgrund der langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz, der Trennung von seiner Wohnbzw. Lebenspartnerin und seinen beiden hier lebenden, erwachsenen Söhnen sicherlich eine gewisse Hürte verbunden ist, doch liegt in Anbetracht der aktuellen Rechtsprechung kein schwerer persönlicher Hürtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vor, welcher der Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung entgegensteht. Die berufliche und soziale Reintegration in seinem Heimatland Dänemark und die zeitlich befristete räumliche Trennung von seinen erwachse- nen Söhnen erscheint als zumutbar. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die soziale und berufliche Wiedereingliederung des Beschuldigten in der
Schweiz ebenfalls von erheblichen Schwierigkeiten begleitet ist und er demgegenüber in Dänemark nicht schlechter gestellt wäre. Liegt bereits kein Hürtefall vor, so erübrigt sich nach der Rechtsprechung eine konkrete Abwägung der privaten Interessen des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz mit den öffentlichen Interessen an der Wegweisung des straffälligen Ausländers (Urteil des Bundesgerichts 6B_34/2019 vom 5. September 2019 E. 2.4.3). Entsprechend erübrigen sich grundsätzlich weitere Erürterungen dazu und ist die erstinstanzliche Anordnung der Landesverweisung zu bestätigen.
Interessenabwägung
Lediglich ergänzend ist dennoch festzuhalten, dass selbst bei der Bejahung eines schweren persönlichen Hürtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Beschuldigte an einem Verbleib in der Schweiz überwiegen würden.
Wird ein schwerer persönlicher Hürtefall bejaht, entscheidet sich die Sachfrage in einer Interessenabwägung nach Massgabe der öffentlichen Interessen an der Landesverweisung. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, bei welchem die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit als notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.2; 6B_1384/2021 vom 29. August 2023; 6B_867/2022 vom 2. August 2023 E. 4.2;
6B_887/2022 vom 14. Juli 2023 E. 1.3.2; 6B_760/2022 vom 5. Juni 2023 E. 5.2.5;
je mit Hinweisen). Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Hürtefallklausel hat sich daher an der VerhältnismössigkeitsPrüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.2; 6B_1384/2021 vom 29.
August 2023; BGE 146 IV 105 E. 4.2.; 145 IV 161 E. 3.4; je mit Hinweisen). Die Staaten sind nach dieser Rechtsprechung berechtigt, Delinquenten auszuweisen;
berhrt die Ausweisung indes Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu rechtfertigen (Urteil des EGMR I.M. gegen Schweiz vom 9. April 2019, Nr. 23887/16, 68). Erforderlich ist, dass die aufenthaltsbeendende -verweigernde Massnahme gesetzlich vorgesehen ist, ei- nem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.2.2 mit Hinweisen; 6B_1384/2021 vom 29. August 2023). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Interessenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten der betroffenen Person in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiüren Bindungen im Aufnahmesowie im Heimatstaat zu berücksichtigen. Die Konvention verlangt, dass die individuellen Interessen an der Erteilung bzw. am Erhalt des Anwesenheitsrechts und die öffentlichen Interessen an dessen Verweigerung gegeneinander abgewogen wer- den (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.2.2 mit Hinweisen; 6B_1384/2021 vom 29. August 2023 E. 1.5.2.2).
Die Landesverweisung ist gesetzlich vorgesehen (Art. 66a StGB) und verfolgt als primür sichernde strafrechtliche Massnahme einen legitimen Zweck (vgl. Urteil 6B_1176/2021 vom 26. April 2023 E. 5.2.2). Dem Beschuldigten ist sodann zwar angesichts seines langjährigen Aufenthalts in der Schweiz und der Auswirkungen seiner Wegweisung auf seine Beziehung zu seinen erwachsenen Söhnen sowie zu seiner langjährigen Lebensbzw. Wohnpartnerin ein nicht unerhebliches privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. Dieses Interesse fällt jedoch aufgrund der trotz des langen Aufenthalts nicht besonders intensiven Verwurzelung in der Schweiz in beruflicher und sozialer Hinsicht und der bestehenden intakten, gleichwertigen Eingliederungschancen im Heimatland vergleichsweise gering aus und es hat hinter dem öffentlichen Fernhalteinteresse zu- Rückzutreten. Das Bundesgericht hat mehrfach festgehalten, dass am Erhalt bzw. an der zweckkonformen Verwendung staatlicher Gelder und an der Aufrechterhaltung der Funktionalität des Sozialsystems ein grundsätzliches öffentliches Inte-
resse besteht. Der Verfassungs- und Gesetzgeber erachtet Sozialversicherungsbetrug gleich wie Gewalt-, Sexualoder Betäubungsmitteldelikte als beson- ders verwerflich (vgl. Art. 41 und 111-117 BV; Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.2; 6B_1384/2021 vom 29. August
2023; 6B_477/2022 vom 25. August 2022 E. 3.2; 6B_358/2020 vom 7. Juli 2021
E. 5.3.2 und 5.3.4; 2C_169/2017 vom 6. November 2017 E. 3.3; 2C_822/2016
vom 31. Januar 2017 E. 3.3.1). Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Sozialversicherungsbetrug ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dementsprechend als gross zu qualifizieren. Der Beschuldigte hat vorliegend zwar mit einem Deliktsbetrag von rund Fr. 16'500 die Erheblichkeitsschwelle von Fr. 36'000 nicht überschritten, ab welcher beim Auffangtatbestand des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung der Sozialhilfe nach Art. 148a StGB ein leichter Fall grundsätzlich ausser Betracht fällt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1108/2021 vom 27. April 2023 E. 1.5). Er hat aber mit seinem arglistigen Verhalten teilweise zudem den Betrugstatbestand im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB erfüllt und das Sozialversicherungswesen in nicht unerheblicher Weise der Schweiz missbraucht und zwar wie bereits mehrfach erwähnt nicht zum ersten Mal, was bei der Interessenabwägung ebenfalls zu berücksichtigen ist und mit Blick auf die Legalprognose auch hier ins Gewicht fällt. Zwar ist dem Beschuldigten zu Gute zu halten, dass er gemäss eigenen Angaben sein Früheres Alkoholproblem heute im Griff habe und zudem seit Sommer 2019 regelmässig in psychiatrischer Behandlung ist, wobei ihm seitens des behandelnden Arztes gute Mitarbeit und auch Fortschritte in verschiedenen Bereichen attestiert werden (Prot. II S. 8 f.; Urk. 52/1 S. 1; Urk. 53 S. 13). Dies ist aller- dings insofern zu relativieren, als dass zumindest hinsichtlich der Verheimlichung von Einkommen im Frühjahr 2021 betreffend die Firma D. auch die schon zum damaligen Zeitpunkt bereits länger andauernde Therapie den Beschuldigten nicht davon abhielt, weiter einschlägig zu delinquieren. Seither nichts geändert hat sich ferner daran, dass dem Beschuldigten die zumindest teilweise berufliche Integration in der Schweiz nach wie vor nicht gelungen ist und die Chancen, dass sich daran bald etwas ändern würde, stehen wie der Beschuldigte selber betont
? nicht gut (Prot. II S. 7). Entsprechend ist er mithin weiterhin mit der abhängigkeit
von der Sozialhilfe und den finanziellen Herausforderungen und Versuchungen, die damit verbundenen sind, konfrontiert (Prot. II S. 6). Es bestehen daher durchaus nicht unerhebliche Bedenken, ob sich der Beschuldigte zukönftig wohl verhalten wird und ist eine gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit durch ihn zu bejahen, auch wenn ihm allerdings mit einigen Bedenken und unter Ansetzung einer langen, vierjährigen Probezeit der bedingte Strafvollzug Gewährt wurde. Auch dass das Tatverschulden des Beschuldigten als noch leicht eingeschätzt wurde, er gestündig und kooperativ war, indessen wie von der Vorinstanz zutreffend erwogen wenig Reue zeigte (vgl. Urk. 38 S. 22 E. 3.4.3) und eine eher tiefe Strafe von 180 Tagessätzen Geldstrafe resultierte, ändert daran nichts. Die Bejahung einer gefährlichkeit des Beschuldigten für die öffentliche Ordnung und Sicherheit steht zu diesen Festlegungen in der Strafzumessung nicht in Widerspruch. Das Bundesgericht betont in seiner Rechtsprechung, dass die Annahme einer solchen gefährdung mithin weder zwingend dazu führen muss, dass nur ei- ne Freiheitsstrafe (statt Geldstrafe) zu verhängen gewesen wäre, noch dass lediglich eine unbedingte Sanktion hätte ausgefällt werden dürfen. Vorliegen bestehen keine solche Zweifel, die nachgerade eine Schlechtprognose gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB begründen würden, aber immerhin solche, denen mit einer Verlängerung der Probezeit Rechnung zu tragen war (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.3; 6B_1384/2021 vom 29. August
2023; 6B_382/2021 vom 25. Juli 2022 E. 3.3.2). Weiter hat das Bundesgericht in einem insoweit vergleichbaren Fall erwogen, der Umstand, dass das Verschulden eines Beschuldigten in der Strafzumessung als noch leicht bezeichnet wird, der Rechtsprechung geschuldet ist, wonach die Verschuldensformulierung im begrifflichen Einklang mit dem im unteren Strafrahmen situierten Strafmass stehen muss (vgl. hierzu BGE 136 lV 55 E. 5.9), was eine andere (gewichtigere) Bewertung des Verschuldens im Rahmen der lnteressenabwägung im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB nicht ausschliesst (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023, E. 1.5.5.2; 6B_1384/2021 vom 29. August
2023; 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.6; jeweils mit Hinweisen). Dieses vorliegend festgestellte Rückfallrisiko genügt in Verbindung mit den veräbten Straftaten und dem betroffenen bedeutenden Rechtsgut, um ein Fernhalteinteresse zu bejahen, welches das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz überwiegt. Ist ein gewichtiges Rechtsgut tangiert, braucht das Rückfallrisiko selbst bei einem Ersttäter nicht besonders hoch auszufallen (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_1385/2021 vom 29. August 2023 E. 2.5.3; 6B_1384/2021 vom 29. August 2023, 6B_166/2021 vom 8. September 2021 E.
3.4.3 in fine). Die Landesverweisung des Beschuldigten wäre folglich selbst bei Bejahung eines schweren persönlichen Hürtefalls sowohl unter dem Gesichtspunkt von Art. 66a Abs. 2 StGB als auch unter Beachtung der Anforderungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK verhältnismässig und rechtskonform.
Vereinbarkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen
Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen [FZA]) garantiert den Staatsan- Gehörigen der Vertragsparteien sowie ihren FamilienanGehörigen verschiedene Einreise-, Aufenthalts- und Verbleiberechte nach Massgabe seines Anhanges I. Wie sich bereits der Grundbestimmung von Art. 1 lit. a FZA entnehmen lässt, ist die Einräumung des Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbst?n- digen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbstündiger sowie das Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zugunsten der StaatsanGehörigen der Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz ein wesentliches Ziel des Freizügigkeitsabkommens (Urteil des Bundesgerichts 6B_907/2018 vom 23. November 2018 E. 2.4.1). Mit dem Abschluss des FZA hat die Schweiz StaatsanGehörigen der EU-Mitgliedstaaten ein weitgehendes und reziprokes Recht auf Erwerbstätigkeit eingeräumt, welches jedoch durch die Anordnung einer Landesverweisung für die Dauer der Massnahme entzogen würde. Gemäss Art. 5 Ziff. 1 Anhang I FZA ist dies nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulüssig.
Die Vorinstanz erwägt zutreffend, dass sich der Beschuldigte als dänischer StaatsanGehöriger mit Aufenthalt in der Schweiz grundsätzlich auf das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Union (FZA; SR 0.142.112.681) stätzen kann. Der Beschuldigte besitzt in der Schweiz die
Niederlassungsbewilligung C und hat somit ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_235/2018 vom 1. November 2018 E. 3.1; 2C_1005/2017 vom 20. August 2018 E. 2.3). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung berechtigt das Freizügigkeitsabkommen allerdings nur zu einem doppelt bedingten Aufenthalt in der Schweiz, Nämlich einerseits nach Massgabe der spezifischen Vertragsvereinbarungen als Voraussetzung eines rechtmässigen Aufenthalts und andererseits nach Massgabe des rechtskonformen Verhaltens im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 Anhang I FZA (Urteile des Bundesgerichts 6B_235/2018 vom 1. November 2018 E. 3.3; 6B_1152/2017 vom 28. November 2018 E. 2.5.2). Gemäss Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA hat eine Person, welche die Staatsangehärigkeit einer Vertragspartei besitzt und keine Erwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat ausübt, ein Anwesenheitsrecht unter der Voraussetzung, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist und sie überdies krankenversichert ist (BGE 142 II 35 E. 5.1; 144 II 113 E. 4.1; Urteil des Bundesgerichts 2C_673/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 4.1). Nachfolgend ist im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu prüfen, ob sich die Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung als mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar erweist.
Weder die amtliche Verteidigung noch der Beschuldigte selber machen im Berufungsverfahren geltend, dass er in der Schweiz über eine Arbeitsstelle verfügen würde. Seit 2012 bezieht er Sozialhilfe und ist auch nach wie vor auf diese angewiesen (Prot. II S. 6). Er verfügt über kein Vermögen und ist erheblich verschuldet (Prot. II S. 8). Die Chancen, dass der Beschuldigte demnächst einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte und nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen wäre, sind wie bereits dargelegt gering. Es wurde vorliegend nicht geltend gemacht darauf hingewiesen, dass dem Beschuldigten aus einem anderen Grund ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz gemäss den spezifischen Vertragsvereinbarungen des FZA zukommt (Selbständige Erwerbstätigkeit Selbständige Dienstleistungserbringung, Arbeitssuche, FamilienanGehörigkeit zu aufenthaltsberechtigten Personen). Das Freizügigkeitsabkommen bzw. Art. 5 Ziff. 1 Anhang I
FZA steht demzufolge der Anordnung der obligatorischen Landesverweisung von vornherein nicht entgegen.
Ergänzend bzw. im Sinne einer EventualBegründung ist auf die Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen (Urk. 38 S. 32-35). Selbst wenn das FZA dem Beschuldigten ein Aufenthaltsrecht grundsätzlich Gewähren würde, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht zum Einfluss des FZA auf die HürtefallPrüfung bei AnGehörigen eines EU-Staates festgehalten hat, dass bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA eine spezifische Prüfung unter dem Blickwinkel der dem Schutz der öffentlichen Ordnung innewohnenden Interessen verlangt wird (BGE 130 II 176 E. 3.4.1). Das Bundesgericht verfolgt eine ausserordentlich restriktive Interpretation beim Aufenthaltsrecht bzw. der Ausnahmeklausel nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA. Wesentliches Kriterium für einen Verzicht auf eine Landesverweisung nach FZA ist die Intensität der gefährdung der öffentlichen Ordnung. Eine solche schwere gefährdung der öffentlichen Ordnung kann auch gegeben sein, wenn der bedingte Strafvollzug mangels Vorliegen einer ungünstigen Prog- nose Gewährt wird. Mit dem Erfordernis der gegenwürtigen gefährdung ist gerade nicht gemeint, dass weitere Straftaten mit Gewissheit zu erwarten wären umgekehrt solche mit Sicherheit auszuschliessen sein Müssten (BGE 145 IV 364 E. 3.5.2 ff. und E. 4.4).
Vorab ist hervorzuheben, dass nach Ansicht des Gesetzgebers Katalogtaten gemäss Art. 66a StGB vornehmlich schwere Widerhandlungen gegen bestimmte Rechtsgüter und damit grundsätzlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen (vgl. Botschaft S. 5997 f.). Gemäss stündiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann auch eine Verurteilung allein wegen Vermögensdelikten und der daraus resultierenden gefährdung der öffentlichen Interessen einem freizügigkeitsrechtlichen Aufenthaltsanspruchs entgegenstehen (vgl. BGE 134 II 25 E. 4.3.1; Urteile des Bundesgerichts 2C_108/2016 vom 7. September 2016 E. 3.1; 2C_993/2015 vom 17. März 2016 E. 5.3.3). Es besteht ein grundsätzliches starkes öffentliches Interesse am Funktionieren der Sozialwerke. Das schweizerische Sozialwesen beruht primür auf Solidarität und Loyalität und nicht auf überwachung. Ein unrechtmässiger Bezug von Sozialleistungen
bringt auch andere Sozialhilfeempfänger in Misskredit. Solche gesellschaftlichen HinterGründe der vorliegenden Strafgesetzgebung führten über Art. 123 Abs. 3 lit. b Bundesverfassung und Art. 148a StGB zu einer Gesetzgebung, die sämtliche Leistungsbezüger virtuell betrifft und insbesondere Ausländern bereits wegen Verhaltens unterhalb der Betrugsschwelle die einschneidende Landesverweisung androht. Wie oben erwogen erachtet der Verfassungs- und Gesetzgeber Sozialversicherungsbetrug gleich wie Gewalt-, Sexualoder Betäubungsmitteldelikte als besonders verwerflich und ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Sozialversicherungsbetrug gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dementsprechend als gross zu qualifizieren (vgl. auch Urteil Bundesgericht 6B_1033/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 6.5.2). Vorliegend hat der Beschuldigte zum wiederholten Mal die Sozialen Dienste Seuzach getäuscht, teilweise arglistig und erneut einen nicht unerheblichen Schaden von doch rund Fr. 16'000 verursacht. Frühere Verurteilungen genügten nicht als Warnung. Die Vorinstanz vermerkt zutreffend, dass die vergangenen Jahre gezeigt haben, dass dem Beschul- digten die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln nicht ausreichten, was er selber auch im vorliegenden Verfahren mehrfach äusserte. Es besteht daher durchaus die Gefahr, dass der Beschuldigte aufgrund der knappen finanziellen Verhältnisse sich erneut in dieser Weise verhalten wird, daran ändert auch die IV-Viertelrente nichts. Es besteht aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten ein Erhöhtes Risiko, dass er ein weiteres Mal delinquiert. Angesichts dieser Umstände ist die gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA gegeben und es ist mithin von einem Erhöhten Risiko gleichgelagerter Delikte auszugehen. Es ist zwar richtig, dass der Beschuldigte nun in medizinischer Behandlung ist, was diesem Risiko entgegenwirkt. Der Beschuldigte lebt indessen bereits seit über einem Jahrzehnt von der Sozialhilfe und hat sich insgesamt als wenig belehrbar gezeigt. Dass dem Beschuldigten der be- dingte Vollzug der Strafe noch Gewährt wurde, ändert wie oben erwogen daran nichts. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Straf- und Ausländerrecht ergibt sich im ausländerrechtlichen Bereich für die Legalprognose ein strengerer Beurteilungsmassstab (BGE 137 III 233 E. 5.2.2; 145 IV 364 E. 3.5.2 ff. und
E. 4.4). Wie erwogen müssen solche nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden
können. Es ist aber auch nicht gemeint, dass weitere Straftaten mit Gewissheit zu erwarten wären. Auch die lange Dauer der angeordneten Probezeit von 4 Jahren zeigt im übrigen auf, dass schon nur angesichts der Vorstrafen erhebliche Bedenken daran bestehen, dass der Beschuldigte sich könftig wohlverhält. Angesichts dieser Umstände ist die gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA gegeben. Die Vorinstanz hält zu Recht fest, dass es im Interesse der Allgemeinheit liegt, dass dem Beschuldigten keine Möglichkeit mehr geboten wird, die Sozialhilfe und im Endeffekt die Steuerzahler in Anspruch nehmen zu müssen und das aufgrund der gesamten Umstände ein tatsächliches, für die öffentliche Ordnung der Schweiz nicht hinnehmbares Risiko besteht (Urk. 38 S. 35).
Zusammenfassend ist eine Verletzung der Garantien gemäss FZA selbst für den Fall, dass diese zur Anwendung gelangen würden angesichts der hinreichend erstellten gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht zu erkennen. Der Beschuldigte stellt unter BeRücksichtigung seiner dargelegten Vorgehensweise durchaus eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ord- nung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dar. Das Aussprechen einer Lan- desverweisung ist folglich in jedem Fall mit dem FZA vereinbar.
5. Dauer der Landesverweisung
Nachdem die Dauer der Landesverweisung von der Vorinstanz auf das gesetzliche Minimum von 5 Jahren festgesetzt wurde und die Staatsanwaltschaft keine Rechtsmittel eingelegt hat, verbietet sich in Nachachtung des in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerten Verschlechterungsverbots diesbezüglich von vornherein jede Verschürfung. Die Dauer der Landesverweisung erscheint im übrigen auch aufgrund des noch leichten Verschulden des Beschuldigten ohne Weiteres verhält- nismässig. Mit der Vorinstanz ist dabei auch die familiüre Bindung des Beschul- digten zu seinen Söhnen und die Beziehung zu seiner langjährigen Wohnbzw. Lebenspartnerin und deren Familie in der Schweiz mitzuberücksichtigen. Die Regelung im erstinstanzlichen Urteil ist daher auch in diesem Punkt unverändert zu übernehmen.
Die Entscheidgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 2'500 zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit 16 Abs. 1 GebV OG und
? 14 Abs. 1 lit. a GebV OG).
Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_1025/2014 vom 9. Februar 2015 E. 2.4.1 m.w.H.). Vorliegend unterliegt der Beschuldigte mit seinem Berufungsantrag auf Verzicht einer Lan- desverweisung vollumfänglich. Ausgangsgemäss sind ihm daher die Kosten des Berufungsprozesses, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, voll- umfänglich aufzuerlegen, jedoch angesichts seiner jahrelangen abhängigkeit von der Sozialhilfe und der damit einhergehenden finanziellen Lage und voraussichtlichen Uneinbringlichkeit direkt definitiv abzuschreiben.
Der amtliche Verteidiger ist durch die Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 135 StPO i.V.m. Art. 426 StPO). Er machte mit Kostennoten vom
30. November 2023 und vom 5. Dezember 2023 für das Obergerichtliche Verfahren einen Zeitaufwand von gesamthaft 26.62 Stunden geltend (Urk. 50 und Urk. 55). Dieser Aufwand erscheint grundsätzlich angemessen, einzig die antizipierte Dauer der Berufungsverhandlung wurde etwas zu hoch geschätzt. Rechts-
anwalt lic. iur. X.
ist entsprechend mit Fr. 6'200 (inkl. MwSt. und Auslagen) aus der Gerichtskasse zu entschädigen. Auf einen Vorbehalt der Rückzahlungspflicht des Beschuldigten wird unter Verweis auf die Erwägung hiervor ebenfalls verzichtet.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht in Strafsachen, vom 11. Juli 2022 bezüglich der Dispositivziffern 1
(Schuldspruch), 2 (Strafe), 3 (Vollzug) und 5 - 6 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 2'500 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 6'200 amtliche Verteidigung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt, aber sofort definitiv abgeschrieben.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 5. Dezember 2023
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Andres
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