E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB230215: Obergericht des Kantons Zürich

Der Appellationsrichter bestätigte das Urteil des Erstgerichts, das den Appellanten zur Zahlung von CHF 11'398.05 verurteilte. Der Schaden, der durch das Überlaufen der Badewanne verursacht wurde, wurde als ausreichend nachgewiesen angesehen. Die Verantwortung des Appellanten als Familienoberhaupt für die Aufsicht über die Kinder wurde bestätigt, da er nicht nachweisen konnte, dass angemessene Aufsicht ausgeübt wurde. Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren belaufen sich auf CHF 2000 und gehen zu Lasten des Appellanten. Es wurden keine weiteren Kosten zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB230215

Kanton:ZH
Fallnummer:SB230215
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230215 vom 13.11.2023 (ZH)
Datum:13.11.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Sachbeschädigung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Berufung; Vorinstanz; Urteil; Recht; Störung; Sinne; Eisenbahnverkehrs; Frontscheibe; Entscheid; Anklage; Sachbeschädigung; Jugendgericht; Leistung; Dispositiv; Zeuge; Beweis; Verteidigung; Bundesgerichts; Verfahren; Vollzug; Sachverhalt; Verfahren; Polizei; Zuges; ädigt
Rechtsnorm:Art. 10 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 144 StGB ;Art. 2 StGB ;Art. 237 StGB ;Art. 238 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;Art. 96 VRV ;
Referenz BGE:133 I 33; 141 IV 249;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB230215

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230215-O/U/cwo

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, Oberrichterin lic. iur. S. Fuchs und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Jost sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Kamin Grell

Urteil vom 13. November 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

vertreten durch Inhaberin der elterlichen Sorge B.

vertreten durch Inhaber der elterlichen Sorge C.

verteidigt durch Rechtsanwältin Dr. iur. X.

gegen

Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, vertreten durch Oberjugendanwalt lic. iur. S. Zimmerlin,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Sachbeschädigung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Horgen, Jugendgericht, vom 12. Dezember 2022 (DJ220005)

Anklage:

Die Anklageschrift der Jugendanwaltschaft Limmattal / Albis vom 1. September 2022 (Urk. 13) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 40 S. 29 f.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig

    • der STürung des Eisenbahnverkehrs im Sinne von Art. 238 Abs. 1 StGB;

    • der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB;

    • der mehrfachen übertretung der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln im Sinne von Art. 96 VRV in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und Abs. 3 VRV.

  2. Der Beschuldigte wird zu einer persönlichen Leistung von 10 Tagen verpflichtet.

  3. Der Vollzug der persönlichen Leistung wird im Umfang von 5 Tagen aufgeschoben und die Probezeit auf 6 Monate festgesetzt. Im übrigen wird die persönliche Leistung vollzogen.

  4. Die Privatklägerin D.

    AG wird mit ihrem Schadenersatzbegehren auf den

    Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  5. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.00die weiteren Kosten betragen; Fr. 200.00 gebühr AnklageBehörde.

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  6. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt, aber definitiv abgeschrieben.

  7. (Mitteilungen)

  8. (Rechtsmittel)

BerufungsAnträge

(Prot. II S. 3 f.)

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 55 S. 2)

    1. Die Berufung des Beschuldigten sei gutzuheissen, d.h. es seien die Ziffern 1 bis 3 des Urteils des Bezirksgerichts Horgen (Jugendgericht) vom

      12. Dezember 2022 (Geschäftsfall-Nr.: DJ220005-F/UB/NP) aufzuheben.

    2. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der STürung des Eisenbahnverkehrs freizusprechen.

    3. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Sachbeschädigung freizusprechen.

    4. Die Strafe sei angemessen zu reduzieren.

    5. Kosten und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 46)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

Erwägungen:

  1. Verfahrensgang
    1. Mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Horgen vom 12. Dezember 2022 wurde der Beschuldigte gemäss eingangs wiedergegebenem Urteilsdispositiv schuldig gesprochen (Urk. 40).

    2. Der Verfahrensgang bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid (Urk. 40 S. 4 f.). Die Vorinstanz eröffnete den Entscheid Mändlich am 12. Dezember 2022 (Prot. I S. 13). Die mit Eingabe vom 15. Dezember 2022 (Datum Poststempel; Urk 36) erklärte Berufung erweist sich als rechtzeitig. Die Privatklägerin und die Jugendanwaltschaft erhoben keine Berufung.

    3. Das begründete Urteil (Urk. 38 = Urk. 40) wurde der Verteidigung am 28. März 2023 und den Eltern des Beschuldigten am 29. März 2023 zugestellt (Urk. 39). Die BerufungsErklärung wurde am 13. April 2023 zur Post gegeben (Urk. 42), womit die Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO gewahrt ist. Die Jugendanwaltschaft erhob keine Anschlussberufung (Urk. 46).

    4. Am 20. Juli 2023 wurden die Parteien zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 49). Die Oberjugendanwaltschaft wurde fakultativ vorgeladen, womit ihrem Dispensationsgesuch vom 5. Mai 2023 (Urk. 46) bereits stattgegeben wurde.

    5. Zur Berufungsverhandlung, die unter Ausschluss der ?-ffentlichkeit stattfand (Art. 14 JStPO), erschien der Beschuldigte in Begleitung seiner Verteidigung sowie seines gesetzlichen Vertreters (Prot. II S. 3). Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 5 ff.).

  2. Prozessuales
    1. Der Beschuldigte verlangt Freispräche in Bezug auf die Vorwürfe der STürung des Eisenbahnverkehrs und der Sachbeschädigung sowie eine angemessene Reduktion der Strafe (Urk. 55 S. 2). Die Berufung des Beschuldigten richtet sich nicht gegen die Verurteilung wegen mehrfacher übertretung der Verkehrsregelverordnung, womit das Urteil in diesem Punkt also Dispositiv-Ziff. 1 al 3 in Rechtskraft erwachsen ist. Ebenso in Rechtskraft erwachsen sind die Verweisung des Schadensersatzbegehrens der D. auf den Zivilweg (Dispositiv Ziff. 4) und die Kostenregelung (Dispositiv-Ziff. 5). Hiervon ist Vormerk zu nehmen.

      Im Umfang der BerufungsAnträge also der beantragten Aufhebung von Dispositiv Ziff. 1 al 1 und 2 sowie Dispositiv Ziff. 2 und 3 ist der angefochtene Entscheid unter BeRücksichtigung des Verschlechterungsverbots im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO zu prüfen.

    2. Der am tt.mm.2006 geborene Beschuldigte war im Zeitpunkt der ihm gemäss Anklage vorgeworfenen Taten am 8. August 2021 15 Jahre alt und am

    15. Mai bzw. 2. Juli 2022 16 Jahre alt.

    Gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes über das Jugendstrafrecht vom 20. Juni 2003 (JStG) regelt dieses Gesetz die Sanktionen, welche gegenüber Personen zur Anwendung kommen, die vor Vollendung des 18. Altersjahres eine nach dem Strafgesetzbuch (StGB) einem anderen Bundesgesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen haben. Anwendbar sind somit das Jugendstrafgesetz (JStG) sowie die Jugendstrafprozessordnung (Art. 1 JStPO). Die Berufungsinstanz entscheidet gemäss Art. 40 JStPO über Berufungen gegen erstinstanzliche Urteile des Jugendgerichts. Da keine weiteren Regelungen zur Berufung vorgesehen sind, gelten gemäss Art. 3 JStPO überdies die Bestimmungen der StPO sinngemäss für das Jugendstrafverfahren.

    1. Soweit nachfolgend auf Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen wird, erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO (vgl. dazu BGer. 6B_570/2019 vom 23. September 2019, E. 4.2, m.w.H.), auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.

    2. Im übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und je- des einzelne Vorbringen ausDrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249,

      E. 1.3.1, mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit in der Begründung auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

    3. Die Vorinstanz hat mit zutreffender Argumentation, auf die zu verweisen ist, eine Verletzung des Anklageprinzips verneint. Die Verteidigung erwähnte zwar in ihrer BerufungsErklärung das Anklageprinzip (Urk. 42 S. 3 f.), setzte sich aber mit

    der diesbezüglichen Argumentation der Vorinstanz (Urk. 40 S. 6 f.) nicht ausei- nander, womit sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

  3. Sachverhalt

    1. Der dem Beschuldigten vorgeworfene Sachverhalt ergibt sich aus der Anklage (Urk. 13). Der Beschuldigte ist nicht gestündig und hat die Aussagen weitestgehend verweigert (Urk. 4/2, Urk. 4/4, Prot. I S. 8 ff., Urk. 54 S. 2 f.).

    Die StrafBehörden setzten zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind (Art. 139 Abs. 1 StPO). Beweismittel sind unter anderem die von den Straf- Behörden zusammengetragenen Akten (Art. 100 Abs. 1 lit. b StPO). Der Polizeirapport ist ein zulässiges Beweismittel (so explizit Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3). Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte den Belastungszeugen we- nigstens einmal während des Verfahrens in direkter Konfrontation befragen konnte (BGE 133 I 33 E. 3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_886/2017 vom 26. März 2018 E. 2.3.2)

    Beim Erstellen des Sachverhalts würdigt das Gericht die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Die relevanten Grundsätze ergeben sich bereits aus dem vorinstanzlichen Entscheid (Urk. 40 S. 8 f.). Darauf ist ebenso zu verweisen wie auf die detailliert wiedergegebenen und zulasten des Beschuldigten verwertbaren Aussagen des Zeugen E. (Urk. 40 S. 10 ff.), auf die mit der Vorinstanz abzustellen ist.

      1. Gemäss Polizeirapport handelt es sich beim beschädigten D. -Zug um

        eine Lokomotive der Linie ..., welche jeweils um xx.54 in F.

        abführt. Die

        Alarmierung der Polizei erfolgte um 18:59 Uhr (Urk. 1/1 S. 5), diejenige des Zeugen E. um ca. 19.00 Uhr (Urk. 4/19 S. 7; Urk. 4/6 S. 1). Die Beschädigung der Lokomotive erfolgte also vor 19.00 Uhr.

        Mit der Vorinstanz ist aufgrund der verlüsslichen und konstanten Aussagen

        des Zeugen E.

        davon auszugehen, dass dieser den Beschuldigten und

        G.

        um ca. 19.23 Uhr (vgl. Urk. 4/6 S. 1) auf der Fussgängerbrücke

        beobachtete, wie beide, als ein Zug vorbei fuhr, je eine Wurfbewegung ausführten und der Zeuge auch einen Aufprall hürte (Urk. 40 S. 12 f.). Darauf gestützt ist ein Bewerfen eines Zuges mit einem Gegenstand von einem gewissen Gewicht durch den Beschuldigten (und G. ) um ca. 19.23 Uhr und damit rund 30 Minuten nach der Beschädigung der Lokomotive erstellt (so auch die Meinung des Jugendgerichts Schwyz betreffend G. , Urk. 43/3 = Urk. 53 S. 10).

      2. Die Fotodokumentation des Sachschadens an der Lokomotive zeigt, dass am Scheibenwischer der Frontscheibe am oberen Ende ein roter Fetzen hängt und sich von dort auf der Frontscheibe für einen Einschlag auf einer Scheibe typische spinnennetzfürmige Beschädigungen ausbreiten (Urk. 1/4 S. 5 f.). Bei diesem roten Fetzen handelt es sich um einen verknoteten, zerrissenen Robidogsack, der spurenkundlich ausgewertet wurde. Daktyloskopische Spuren DNA-Spuren wurden darauf nicht gefunden (Urk. 5/10 und 5/11).

        Aufgrund der Fotodokumentation erscheint plausibel, dass die Frontscheibe der Lokomotive beschädigt wurde, weil sich im sichergestellten Robidogsack vor dem Aufprall ein harter Gegenstand befand, der die Scheibe beschädigte und der durch den Aufprall weggeschleudert wurde. Dabei stellt sich die naheliegende Frage, ob der Zug, welcher die besagte Fussgängerbrücke in F. kurz vor

        19.00 Uhr passierte, ebenfalls schon vom Beschuldigten (und G. ), und zwar mit ebendiesem Robidogsack, beworfen wurde.

      3. Dem Polizeirapport ist zu entnehmen, dass von der Einsatzzentrale in Zürich die Meldung gekommen sei, dass Jugendliche züge bewerfen würden (Urk. 1/1

    S. 5). Der Zeuge E. erklärte, er sei von der Einsatzzentrale informiert wor- den, dass ein durchfahrender Zug mit Steinen bzw. Gegenständen beworfen wor- den sei (Urk. 4/19 S. 5), wobei er in der polizeilichen Einvernahme noch detaillierter angab, er sei alarmiert worden, dass ein fahrender Zug von einer BRücke runter mit Wurfgeschossen beworfen worden sei (Urk. 4/6 S. 1).

    Der Lokführer des fraglichen Zuges, H. , erklärte gemäss Polizeirapport, er habe Leute bemerkt, die auf dieser BRücke gestanden hätten, er habe

    aber nicht erkennen können, wer das gewesen sei, eine Beschreibung machen. Es habe plötzlich einen lauten Knall auf der Frontscheibe gegeben. Was genau den Zug getroffen habe, wisse er nicht, aber die Frontscheibe sei danach defekt gewesen (Urk. 1/1 S. 4). Zwischen den von H. beobachteten Leuten auf der BRücke und der Beschädigung des Zuges besteht ein offensichtlicher Zusammenhang. Es ist daher davon auszugehen, dass der Sachschaden an der Frontscheibe des Zuges durch Bewerfen des Zuges mit einem Gegenstand von der Fussgängerbrücke aus verursacht wurde. Die besagte Fussgängerbrücke unter der ...-BRücke über den Bahngeleisen befindet sich ausserhalb des Zentrums von F. und ist schwach frequentiert. Dass von ebendieser Fussgängerbr?cke aus andere Personen nur gerade eine halbe Stunde vor dem Beschuldigten und G. ebenfalls und in derselben Manier einen Zug beworfen hatten, wäre ein sehr grosser Zufall, zumal nicht von einem üblichen Verhalten die Rede ist. Dass die Polizeipatrouille, welche um 19.05 vor Ort war, keine Jugendlichen antraf, spricht nicht gegen eine täteridentität im besagten Sinne. Die täter können sich versteckt zwischenzeitlich vom Ort entfernt haben. Schliesslich kommt hinzu, dass der Beschuldigte wie auch G. von seinem Recht, die Aussagen zu verweigern, Gebrauch machte. Zwar darf der Umstand, dass sich ein Beschul- digter auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft, allein nie als Beweis seiner Schuld interpretiert werden. Jedoch ist es unter gewissen Umständen zulässig, das Schweigen zum Nachteil des Beschuldigten in die BeweisWürdigung einzubeziehen. Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn belastende Beweismittel vorliegen und sich der Beschuldigte weigert, zu seiner Entlastung erforderliche Angaben zu machen, obschon eine Erklärung angesichts der belastenden Beweiselemente vernünftigerweise erwartet werden dürfte (zuletzt Urteil des Bundesgerichts 6B_843/2018 Erw. 1.5. vom 8. Januar 2019). So wäre es dem Beschuldigten (und G. ) durchaus zuzumuten gewesen, darzulegen, dass sie erst nach dem fraglichen Zeitpunkt auf die besagte Fussgängerbrücke kamen resp. mit dem ersten Vorfall vor 19 Uhr nichts zu tun haben. Eine entsprechende Erklärung blieb jedoch wie erwähnt aus. Aufgrund der aufgefährten Indizienkette, bestehen mit der Vorinstanz keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beschuldigte zusammen mit G. Gegenstände von einem gewissen Gewicht auf den vor 19 Uhr

    vorbeifahrenden Zug ... geworfen und die Frontscheibe dadurch beschädigt hat. In übereinstimmung mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die gefundenen, aufgerissenen Robidogsäcke, wovon sich einer im Scheibenwischer der Frontscheibe des Zugs verfing, mit unbekanntem Inhalt gefällt und vom Beschuldigten (und G. ) als Wurfgeschosse benutzt worden waren (Urk. 40

    S. 14 f.). Der Sachverhalt ist demzufolge erstellt.

      1. Die Ausserverkehrsnahme des Zuges resp. der Unterbruch des Bahnverkehrs und Allfällige Verspütungen durch Fahrt auf Sicht waren eine Folge der Beschädigung der Frontscheibe, welche dem Beschuldigten (und G. ) anzulasten ist.

      2. Der Sachverhalt ist somit auch diesbezüglich erstellt.

  4. Rechtliche Würdigung
  1. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es sich vorliegend um mittäterschaftliches Zusammenwirken des Beschuldigten und G. handelt, wobei es für die rechtliche Beurteilung keine Rolle spielt, wer den konkreten Hundekotsack, der den Taterfolg herbeigefährt hat, geworfen hatte (Urk. 40 S. 16). Dass nun

    G.

    betreffend den Vorwurf, die Frontscheibe des Zugs vor 19.00 Uhr beschädigt zu haben, sowie hinsichtlich des Folgevorwurfs der STürung des Eisenbahnverkehrs vom Jugendgericht Schwyz freigesprochen wurde, mag für den Beschuldigten unbefriedigend sein. Ein Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht. Immerhin ging auch das Jugendgericht Schwyz davon aus, dass die bei- den Beschuldigten wie vom Zeugen E. beobachtet einen Gegenstand von der BRücke hinunter gegen den Zug geworfen haben (Urk. 53 S. 12).

  2. Festzuhalten ist sodann, dass der erstellte Sachverhalt betreffend die Tathandlungen, welche der Zeuge E. um ca. 19.23 Uhr effektiv beobachtete (und welche durch das Jugendgericht Schwyz bezüglich G. als versuchte Sachbeschädigung qualifiziert wurden, Urk. 43/3 = Urk. 53), aufgrund des Verschlechterungsverbots nicht zu einer Verurteilung des Beschuldigten in diesem Punkt führen darf.

  3. STürung des Eisenbahnverkehrs

    1. Der Straftatbestand der STürung des Eisenbahnverkehrs gemäss Art. 238 aStGB wurde per 1. Juli 2023 aufgehoben und in die nach wie vor geltende Bestimmung STürung des öffentlichen Verkehrs gemäss Art. 237 StGB integriert. Im vorliegenden Fall und mit Blick auf Art. 25 Abs. 1 JStG (H?chststrafe in jedem Fall ein Jahr Freiheitsentzug) kann das neue Recht nicht als milder angesehen werden, weshalb Art. 238 aStGB zur Anwendung kommt (vgl. Art. 2 Abs. 2 StGB).

    2. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt handelt es sich bei der STürung des Eisenbahnverkehrs im Sinne von Art. 238 aStGB um ein konkretes gefährdungs- delikt (Urk. 40 S. 17). Entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 55 S. 9) entstand durch die in der Anklage umschrieben Tathandlungen sehr wohl eine konkrete Gefahrenlage, denn das Bewerfen der züge mit Gegenständen war wie die Vorinstanz zutreffend ausführte (Urk. 44 S. 17) - durchaus geeignet, eine Schnellbremsung zu verursachen, deren Haltedruck eine konkrete gefährdung von Leib und Leben der sich im Zug befindlichen Fahrgäste zur Folge hatte. Damit hat der Beschuldigte den objektiven Tatbestand der STürung des Eisenbahnverkehrs erfüllt.

    3. Ebenfalls aus dem vorinstanzlichen Entscheid zu übernehmen ist, dass der Beschuldigte eine STürung des Eisenbahnverkehrs in Form einer Schnellbremsung zumindest billigend in Kauf genommen hat, wodurch er wissentlich eine Gefahr für Leib und Leben der sich im Zug befindlichen Menschen herbeigefährt hat (Urk. 40 S. 18). Der subjektive Tatbestand der STürung des Eisenbahnverkehrs im Sinne von Art. 238 Abs. 1 aStGB ist damit ebenfalls erfüllt, weshalb mangels Vorliegens von RechtfertigungsGründen - der Beschuldigte entsprechend schuldig zu sprechen ist.

  4. Sachbeschädigung

    1. Durch die in der Anklage umschriebenen Tathandlungen wurde die Frontscheibe des Triebzugs ... beschädigt. Dadurch entstanden der Privatklägerin ein Sachschaden sowie Folgeschäden aufgrund der BetriebssTürung und der

      Ausserbetriebnahme des Zugs. Der objektive wie auch der subjektive Tatbestand von Art. 144 Abs. 1 StGB sind demnach erfüllt.

    2. Mangels RechtfertigungsGründe ist der Beschuldigte in übereinstimmung mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 19) der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.

  1. Sanktion
    1. Die Vorinstanz erwog mit Blick auf Art. 10 f. JStG, dass der Beschuldigte nicht nur tatbestandsmässig und rechtswidrig, sondern auch schuldhaft gehandelt hat. Nachfolgend ist eine Strafe ohne zusätzliche Schutzmassnahmen im Sinne von Art. 12 ff. JStG auszuFällen, da solche vorliegend nicht angezeigt sind und von Seiten der Jugendanwaltschaft auch nicht beantragt wurden (so auch Vorinstanz in Urk. 40 S. 20).

    2. Die relevanten Strafzumessungsregeln wurden im vorinstanzlichen Urteil korrekt und detailliert wiedergegeben, weshalb darauf verwiesen wird (Urk. 40 S. 21 f.).

      1. Auch die Erwägungen der Vorinstanz zur objektiven und subjektiven Tatschwere hinsichtlich der STürung des Eisenbahnverkehrs und der Sachbeschädigung sind zu übernehmen (Urk. 40 S. 23). Hervorzuheben ist dabei, dass das Handeln des Beschuldigten zu einer nicht zu unterSchätzenden gefährdung der sich im Zug befindlichen Fahrgäste führte und auch für den Bahnbetrieb erhebliche Konsequenzen hatte. Hinzu kommt, dass sich solche Vorfälle auf Lokführer traumatisch auswirken können. Mit der Vorinstanz ist von einem nicht mehr leichten Verschulden auszugehen. Eine Einsatzstrafe von 10 Tagen erscheint angemessen.

      2. Hinsichtlich der nunmehr bereits rechtsKräftigen Verurteilung wegen mehrfacher übertretung der Verkehrsregeln ist hervorzuheben, dass der Beschuldigte in unberechtigter Weise eine Person auf seinem Motorrad mitführte. Und obwohl er bezüglich der ersten Fahrt bereits in einem Strafverfahren stand, tat er dasselbe nur rund zwei Monate später nochmals. Auch entfernte der Beschuldigte für

        die zweite Fahrt das L-Schild, um weniger aufzufallen bzw. zu verschleiern, dass er bloss über einen Lernfahrausweis verfügte. Insgesamt erscheint unter Hinweis auf die ebenfalls zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen zur objektiven und subjektiven Tatschwere (Urk. 40 S. 24) grundsätzlich eine Verpflichtung des Beschuldigten zu einer persönlichen Leistung von zwei Tagen als angemessen. Wenn die Vorinstanz hierfür aber keine Strafe ausfällte, sondern erwog, diese Delikte fielen für die Gesamtstrafe und unter BeRücksichtigung der Asperation nicht mehr ins Gewicht (ebd.), ist dies bereits angesichts des Verschlechterungsverbots zu übernehmen.

      3. Zur täterkomponente ist auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen zu verweisen (Urk. 40 S. 25) und festzuhalten, dass auch nach der Einvernahme im Berufungsverfahren (Urk. 54) keine strafmindernden Erhöhenden Umstände ersichtlich sind.

    4. In übereinstimmung mit der Vorinstanz erscheint vorliegend die Ausfällung einer Freiheitsstrafe nicht angezeigt. Es ist damit insgesamt auf eine Verpflichtung des Beschuldigten zu einer persönlichen Leistung im Sinne von Art. 23 JStG von 10 Tagen zu erkennen.

  2. Vollzug

    Die Vorinstanz stellte dem Beschuldigten eine gute Legalprognose. Sie erwog, der Vollzug der Strafe sei deshalb grundsätzlich aufzuschieben, aus erzieherischen überlegungen rechtfertige es sich jedoch, die Strafe teilbedingt auszusprechen (Urk. 40 S. 26). Mit dieser Begründung schob die Vorinstanz den Vollzug der persönlichen Leistung im Umfang von 5 Tagen auf und sprach in Bezug auf die restlichen 5 Tage den Vollzug aus, was angemessen erscheint und zu übernehmen ist. Eine Probezeit von 6 Monaten bezüglich der aufgeschobenen 5 Tage erscheint zweckmässig, weshalb auch vorliegend eine solche anzusetzen ist.

  3. Kosten
  1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die erstinstanzliche Kostenregelung (Dispositiv-Ziff. 6) zu bestätigen, das heisst die Kosten der Vorinstanz inklusive die gebühr für das Vorverfahren sind dem Beschuldigten grundsätzlich aufzuerlegen, jedoch mangels eigenen Einkommens und mangels solidarischer Haftung der Eltern definitiv abzuschreiben (vgl. Urk. 40 S. 28 f.).

  2. Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 44 Abs. 2 JStPO i.V.m. Art. 428 Abs. 1 StPO). Mit dem heutigen Urteil unterliegt der Beschuldigte mit seiner Berufung vollständig. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind daher dem Beschuldigten aufzuerlegen, jedoch wiederum und mit derselben Begründung wie vorstehend unter Ziff. 1 erwähnt auf die Gerichtskasse zu nehmen. Von der Zusprechung einer Parteientschädigung ist ausgangsgemäss abzusehen (Art. 429 Abs. 1 StPO e contrario).

Es wird beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Jugendgerichts Horgen vom

12. Dezember 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

Es wird erkannt:

1. Der Beschuldigte ist schuldig

- [...]

- [...]

- der mehrfachen übertretung der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln im Sinne von Art. 96 VRV in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 und Abs. 3 VRV

2.-3. [...]

  1. Die Privatklägerin D. AG wird mit ihrem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

Fr. 1'500.00 die weiteren Kosten betragen; Fr. 200.00 gebühr AnklageBehörde.

Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten. 6. [...]

  1. (Mitteilungen)

  2. (Rechtsmittel)

2. Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig

    • der STürung des Eisenbahnverkehrs im Sinne von Art. 238 Abs. 1 aStGB

    • der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB

  2. Der Beschuldigte wird zu einer persönlichen Leistung von 10 Tagen verpflichtet.

  3. Der Vollzug der persönlichen Leistung wird im Umfang von 5 Tagen aufgeschoben und die Probezeit auf 6 Monate festgesetzt. Im übrigen wird die persönliche Leistung vollzogen.

  4. Die erstinstanzliche Kostenregelung (Ziff. 6) wird bestätigt.

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt, aber definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  6. Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten (versandt)

    • die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich (versandt)

    • die Vertretung der Privatklägerin im Doppel für sich und die Privatklägerschaft (versandt)

      (Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten

    • die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Jugendanwaltschaft Limmattal / Albis

  7. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 13. November 2023

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. B. Gut

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Kamin Grell

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.