E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB230183: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschuldigte wurde für die Verbreitung von Kinderpornografie verurteilt. Er verbreitete drei Videos und erhielt eine bedingte Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je Fr. 30.-. Zudem wurde eine Landesverweisung von 5 Jahren verhängt. Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) ist jedoch nicht gerechtfertigt, da keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht. Das lebenslängliche Tätigkeitsverbot im Umgang mit Minderjährigen wurde aufgrund der Schwere der Tat bestätigt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB230183

Kanton:ZH
Fallnummer:SB230183
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230183 vom 06.09.2023 (ZH)
Datum:06.09.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_6/2024
Leitsatz/Stichwort:Pornografie
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Video; Recht; Berufung; Urteil; Verteidigung; Person; Facebook; Landes; Vorinstanz; Videos; Sinne; Verfahren; Landesverweisung; Gericht; Anklage; Urteils; Kantons; Geldstrafe; Ausschreibung; Asservat; Personen; Verordnung; Berufungsverfahren; Schweiz; Dispositiv; Hinweis; Kinder
Rechtsnorm:Art. 135 StPO ;Art. 197 StGB ;Art. 21 StGB ;Art. 343 StPO ;Art. 389 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 400 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 405 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:104 IV 217; 129 IV 238; 140 IV 196; 141 IV 249; 143 IV 288; 143 IV 397; 143 IV 434; 144 IV 217; 147 IV 340; 148 IV 298; 99 IV 185;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB230183

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230183-O/U/jv

Mitwirkend: der Oberrichter lic. iur. B. Amacker, Präsident, die Ersatzoberrichter lic. iur. R. Amsler und lic. iur. K. Vogel sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Blaser

Urteil vom 6. September 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin M.A. HSG in Law X.

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland,

vertreten durch Stv. Leitenden Staatsanwalt Dr. iur. A. Fischbacher,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Pornografie

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich,
3. Abteilung - Einzelgericht, vom 9. November 2022 (GG220084)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See / Oberland vom 18. März 2022 (Urk. 41) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 76 S. 38 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig der mehrfachen harten Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB.

  2. Vom Vorwurf der Pornografie bezüglich der Videodateien ...-cloud-document-2- 5343739210933209120, 9F55B51A-AAC8-AC3B-ABA7-5AECB8AD429C.MP4

    sowie 62b9db33-d6ad-406-9a12-a0ae2112d98a.mp4 wird der Beschuldigte freigesprochen.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 30 (entsprechend Fr. 2'100).

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  5. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.

  6. Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.

  7. Es wird ein lebenslängliches tätigkeitsverbot (Verbot jeder beruflichen und jeder organisierten ausserberuflichen tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Min- derjährigen umfasst) im Sinne von Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB angeordnet.

  8. Die folgenden polizeilich sichergestellten Gegenstände und Datensicherungen wer- den beschlagnahmt, eingezogen und der jeweiligen LagerBehörde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Vernichtung überlassen:

    Beim FOR unter der Referenz-Nr. 78574739 lagernd:

    • Datensicherung 1 DVD BKP (Asservat Nr. A014'135'774);

      Bei der Kantonspolizei Zürich, TDU-DF, unter der Geschäfts-Nr. 78574739 lagernd:

    • Datenauslesung / Datensicherung (Asservat Nr. A015'335'101);

    • Datenauslesung / Datensicherung (Asservat Nr. A015'335'123);

      Bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate-Triage, unter der Geschäfts-Nr. 78574739 lagernd:

    • Mobiltelefon Apple iPhone 7 Plus (Asservat Nr. A015'295'235);

    • SIM-Karte (Asservat Nr. A015'335'112).

  9. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'500.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 gebühr Strafuntersuchung Fr. 1'190.00 Kosten Kantonspolizei Zürich Fr. 9'358.00 amtliche Verteidigung

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  10. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.

  11. Die amtliche Verteidigerin, Rechtsanwältin M.A. HSG in Law X. , wird mit Fr. 9'358 (inkl. MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

  12. [Mitteilungen]

13.-14. [Rechtsmittel]

BerufungsAnträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 93 S. 2 f.)

    1. Es sei Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 9. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es sei der Beschuldigte vom Vorwurf der Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB freizusprechen.

    1. Es seien Dispositiv-Ziffer 3 und 4 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom

      1. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es sei von einer Bestrafung des Beschuldigten vollständig abzusehen.

    2. Es seien Dispositiv-Ziffer 5 und 6 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom

      1. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es sei auf eine Landesverweisung sowie eine Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystems zu verzichten.

    3. Es sei Dispositiv-Ziffer 7 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 9. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es sei auf die Anordnung eines lebenslänglichen tätigkeitsverbots zu verzichten.

    4. Es sei Dispositiv-Ziffer 8 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 9. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es sei auf die Beschlagnahme, Einziehung und Vernichtung des Mobiltelefons sowie der SIM-Karte zu verzichten.

    5. Es sei Dispositiv-Ziffer 10 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 9. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es seien die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen. Es seien zudem die Kosten des Berufungsverfahrens vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    6. Es sei Dispositiv-Ziffer 11 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 9. November 2022 (G-Nr. GG220084-L) aufzuheben und es seien die Kosten der amtlichen Verteidigung vollumfänglich und ohne Vorbehalt einer Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO auf die Gerichtskasse zu nehmen. Es seien auch die Kosten der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 81 schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    Erwägungen:

    1. Verfahrensgang

      1. Am 9. November 2022 (Postaufgabe) meldete der Beschuldigte A. fristgerecht Berufung gegen das eingangs wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung Einzelgericht (nachfolgend: Vorinstanz) vom

      9. November 2022 an (Urk. 69), welches ihm gleichentags Mändlich und schriftlich im Dispositiv eröffnet worden war (vgl. Prot. I S. 27 ff. sowie Urk. 66). Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 73 = Urk. 76) am 9. März 2023 (Urk. 75/2) reichte der Beschuldigte dem Obergericht am 28. März 2023 (Poststempel) fristgerecht seine BerufungsErklärung ein (Urk. 78).

      1. Mit präsidialVerfügung vom 3. April 2023 wurde der Staatsanwaltschaft in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO sowie Art. 401 StPO eine Kopie der BerufungsErklärung des Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Zugleich wurde der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, um zu den BeweisAnträgen des Beschuldigten obligatorisch Stellung zu nehmen. Ferner wurde der Beschuldigte aufgefordert, aktuelle Unterlagen zu seinen finanziellen Verhält- nissen einzureichen (Urk. 79). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 11. April 2023 auf Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Zudem nahm sie Stellung zu den BeweisAnträgen (Urk. 81 und 82). Mit präsidialVerfügung vom 12. April 2023 wurden in teilweiser Gutheissung der BeweisAnträge des Beschuldigten die DatentRüger der Datensicherung / Datenauslesung beim Beschuldigten vom Forensischen Institut bzw. der Kantonspolizei Zürich in die vorliegenden Verfahrensakten beigezogen (Urk. 83 und 85).

      2. Am 3. Mai 2023 wurden die Parteien zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen, wobei der Staatsanwaltschaft das Erscheinen freigestellt wurde (Urk. 86). Am 15. Mai 2023 wurde der heutige Verhandlungstermin neu auf

      14.00 Uhr angesetzt (Urk. 88). Auf telefonische Anfrage der amtlichen Verteidigerin, Rechtsanwältin MLaw X. , wurde dieser am

      5. September 2023 Einsicht in die drei relevanten Videos Gewährt (Urk. 89 i.V.m. Urk. 91).

      4. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschien der Beschuldigte A. in

      Begleitung seiner amtlichen Verteidigerin Rechtsanwältin MLaw X. (Prot. II

      S. 5). Es waren keine Vorfragen zu entscheiden (Prot. II S. 7). Es wurde sodann der Beweisantrag gestellt, fänf Personen zwei Brüder und drei Kollegen des Beschuldigten rechtshilfeweise im Irak zu befragen (Prot. II S. 7 i.V.m. Urk. 93

      S. 3 f.). über den Beweisantrag wurde anlässlich der Beratung in der Hauptsache befunden. In der Sache selbst stellten die Parteien die eingangs wie- dergegebenen Anträge (Prot. II S. 5 f.; Urk. 81; Urk. 93 S. 2 f.). Das Verfahren ist spruchreif.

    2. Prozessuales
  1. Umfang der Berufung

    1. Die BerufungsErklärung des Beschuldigten richtet sich gegen den vorinstanzlichen Schuldspruch wegen mehrfacher Pornografie (Disp.-Ziff. 1), die Strafzumessung (Disp.-Ziff. 3-4), die Landesverweisung und deren Ausschreibung im Schengener Informationssystem (Disp.-Ziff. 5-6), das lebenslängliche tätigkeitsverbot (Disp.-Ziff. 7), die Einziehung des Mobiltelefons nebst SIM-Karte (Disp.-Ziff. 8; teilweise) sowie die Kostenauflage (Disp.-Ziff. 10 und 11). Der Beschuldigte verlangt einen vollumfänglichen Freispruch, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse (Urk. 78 S. 2 ff.).

    2. Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen sind somit die Dispositiv- Ziffer 2 (Teilfreispruch), Ziffer 8 teilweise (betreffend Einziehung und Vernichtung der Datensicherungen) sowie Ziffer 9 (Kostenfestsetzung) des vorinstanzlichen Urteils, was vorab festzustellen ist.

    3. Nachdem der Beschuldigte als einziger Berufung führt, steht die überpräfung des angefochtenen Urteils zudem unter dem Vorbehalt des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO).

  2. Formelles

    1. Soweit nachfolgend auf Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen wird, erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO (vgl. dazu etwa BGer. 6B_570/2019 vom 23. September 2019, E. 4.2, m.w.H., sowie Nydegger, Der Verweis auf die EntscheidBegründung der Vorinstanz gemäss Art. 82 Abs. 4 StPO, recht 2021, S. 15 ff.), auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.

    2. Im übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und je- des einzelne Vorbringen ausDrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249,

      E. 1.3.1, mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit in der Begründung auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

  3. BeweisAnträge

    1. Die Verteidigung beantragte anlässlich der Berufungsverhandlung, dass fänf Personen, mit welchen der Beschuldigte die Zugangsdaten zu seinem Facebook- Account geteilt habe zwei Brüder und drei Kollegen rechtshilfeweise im Irak zu befragen seien (Urk. 93 S. 3 f.; Prot. II S. 7). Sie seien dazu zu befragen, ob sie selbst das Facebook-Profil des Beschuldigten für das Spiel B. genutzt hätten, ob es im Irak erlaubt gewesen sei, B. zu spielen, ob sie je einen VPN- Client mit einer Schweizer IP-Adresse zum Spielen benutzt hätten, ob sie selbst das Facebook-Profil des Beschuldigten für die Verbreitung von pornografischen Videos genutzt hätten und ob sie jemand anderem die Logindaten des Beschuldigten weitergegeben hätten. So könnten mehr Informationen über die tatsächliche täterschaft erlangt werden (Urk. 93 S. 9 N. 17 f.).

    2. Das Rechtsmittelverfahren setzt das Strafverfahren fort und richtet sich nach den Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung (Art. 405 Abs. 1 StPO). Es knüpft an die bereits erfolgten Verfahrenshandlungen, namentlich die bereits durchgefährten Beweiserhebungen an. Gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren grundsätzlich auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Dieser

      Grundsatz gelangt indes nur zur Anwendung, soweit die Beweise, auf welche die Rechtsmittelinstanz ihren Entscheid stätzen will, prozessrechtskonform erhoben worden sind. Erweisen sich die Beweiserhebungen des erstinstanzlichen Gerichts als rechtsfehlerhaft (lit. a), unvollständig (lit. b) erscheinen sie als unzuverlüssig (lit. c), werden sie von der Rechtsmittelinstanz wiederholt (Art. 389 Abs. 2 StPO). Sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint, erhebt das Berufungsgericht zudem auch im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise noch einmal (Art. 343 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 288, E. 1.4.1., mit Hinweisen; BGer. 6B_422/2017 vom

      12. Dezember 2017, E. 4.3.1). Eine unmittelbare Abnahme eines Beweismittels ist namentlich notwendig, wenn es den Ausgang des Verfahrens beeinflussen kann, insbesondere wenn die Kraft des Beweismittels in entscheidender Weise vom Eindruck abhängt, der bei seiner präsentation entsteht. Dies ist etwa der Fall, wenn es in besonderem Masse auf den unmittelbaren Eindruck einer Zeugenaussage ankommt, so wenn die Aussage das einzige direkte Beweismittel (Aussage gegen Aussage-Konstellation) darstellt. Alleine der Inhalt der Aussage einer Person (was sie sagt), lässt eine erneute Beweisabnahme nicht notwendig erschei- nen. Massgebend ist, ob das Urteil in entscheidender Weise von deren Aussageverhalten (wie sie es sagt) abhängt. Das Gericht verfügt bei der Frage, ob eine erneute Beweisabnahme erforderlich ist, über einen Ermessensspielraum (BGE 140 IV 196, E. 4.4.2; BGer. 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017, E. 9.2,

      nicht publ. in: BGE 143 IV 397; 6B_888/2017 vom 25. Oktober 2017, E. 3.3, nicht publ. in: BGE 143 IV 434; je mit Hinweisen). Weiter kann eine unmittelbare Beweisabnahme durch das Berufungsgericht in den Fällen von Art. 343 Abs. 3 StPO erforderlich sein, wenn dieses von den erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen abweichen will (BGE 140 IV 196, E. 4.4.1, mit Hinweisen; BGer. 6B_383/2012 vom 29. November 2012, E. 7.2; VIKTOR LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Do- natsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N 6 zu Art. 389 StPO). In der Beschwerdeschrift muss dargelegt werden, weshalb die erneute Beweisabnahme notwendig ist (BGer. 6B_888/2017 vom 25. Oktober 2017, E. 3.3; 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015, E. 2.3.2). Die erforderlichen zusätzlichen Beweise erhebt die

      Rechtsmittelinstanz gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO schliesslich von Amtes wegen auf Antrag einer Partei (zum Ganzen: BGer. 6B_918/2018 vom

      24. April 2019, E. 2.2.2.). Im übrigen erfordern widersprächliche Aussagen nicht notwendigerweise eine nochmalige Beweisabnahme vor Gericht (HAURI/VENETZ, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014,

      N. 24 zu Art. 343 StPO). Zudem kam das Bundesgericht auf seine Entscheide, Art. 343 Abs. 3 StPO gelte sowohl für das erstals auch für das zweitinstanzliche Verfahren, zurück. Es hielt unter Verweis auf BGE 140 IV 196, E. 4.4.1 ausdRücklich fest, Art. 343 Abs. 3 StPO statuiere (entgegen den zu apodiktischen Urteilen 6B_70/2015 vom 20. April 2016 und 6B_1330/2017 vom 10. Januar 2019) eine einmalige Unmittelbarkeit im erstinstanzlichen Verfahren, in der Regel jedoch kei- ne solche für das Rechtsmittelverfahren (BGer. 6B_639/2021 vom 27. September 2022, E. 2.2.2, mit Hinweisen).

    3. Der Beweisantrag der rechtshilfeweisen Einvernahme der Brüder und Kollegen des Beschuldigten erfolgt relativ spät im Verfahren und nach einer rund zweijährigen Untersuchung. Tatzeitpunkt des Versands der zwei Videos via Facebook ist gemäss Anklage der 21. Mai 2020 (Urk. 41 S. 2). Dieser liegt mithin über drei Jahre zurück. Es erscheint daher äusserst fraglich, ob sich eine der genannten Personen, noch an ein Vorkommnis von vor über drei Jahren zu erinnern vermag. Sodann ist nicht zu erwarten, dass eine der Personen tatsächlich angibt, die Videos selbst verschickt zu haben, zumal sie sich strafrechtlich nicht selber belasten Müsste. Aufgrund der gesamten Umstände ist daher nicht zu erwarten, dass eine der fänf Personen angibt, der täter zu sein. Aussagen der fänf Personen zur Verwendung des Facebook-Profils des Beschuldigten zum Spielen von B. , zur Allfälligen Nutzung eines VPN-Clients, zum Verbot von

B.

im Irak und zur Existenz eines möglichen unbekannten Dritttäters

würden sodann nichts zu ändern vermögen. diesbezüglich kann zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die nachfolgenden Erwägungen III. 3.1.1.-3.1.4. verwiesen werden. Der Beweisantrag ist daher abzuweisen.

  1. Schuldpunkt
    1. Im Berufungsverfahren verbleiben im Wesentlichen zwei AnklageVorwürfe gegen den Beschuldigten zu beurteilen, deretwegen die Vorinstanz den Beschul- digten schuldig gesprochen hat:

      • Am 21. Mai 2020, ca. 00.36 Uhr, habe der Beschuldigte in Luzern von seinem Mobiltelefon Apple iPhone 7 Plus mit der Rufnummer 1 über seinen Facebook- Account A. zwei in der Anklageschrift näher beschriebene kinderpornografische Videos (vgl. Urk. 41 S. 2 unten) an über 60 verschiedene andere Facebook-Nutzer versandt (im Folgenden: Anklagevorwurf 1).

      • Am 1. Dezember 2020, ca. 19:37 Uhr, habe der Beschuldigte, mutmasslich an seinem damaligen Wohnort in C. , von seinem Mobiltelefon Apple iPhone 7 Plus mit der Rufnummer 1 ein weiteres kinderpornografisches Video (Junge beim Onanieren, vgl. Urk. 41 S. 3) per WhatsApp an die Rufnummer 2 versandt. Dieses Video sei anlässlich der Einvernahme des Beschuldigten durch die Kantonspolizei Zürich am 20. Juli 2021 in Zürich auf dem Mobiltelefon des Beschuldigten gespeichert gewesen (im Folgenden: Anklagevorwurf 2).

    2. Die Verteidigung brachte im Berufungsverfahren zusammengefasst vor, dass der Beschuldigte die beiden via Facebook versandten Videos nie besessen habe. Diese könnten daher von einem seiner Brüder, einem seiner Kollegen einer unbekannten Person, z.B. im Rahmen eines Hacking-Angriffs über sein Facebook-Profil geteilt worden sein. Sodann bestehe die Möglichkeit, dass einer seiner Brüder bzw. Kollegen dessen Logindaten einem bisher unbekannten Dritten weitergeleitet habe. Diese hätten alle regelmässigen Kontakt zu Personen mit irakischem Migrationshintergrund in der Schweiz. Eines der beiden Videos, nämlich Erwachsene Frau mit minderjährigem Jungen stelle sodann keine Kinderpornografie dar, da darauf kein Kind abgebildet sei. Es handle sich um eine Männliche Person mit einem klein gewachsenen Geschlechtsteil. Im Schambereich sei eine dunkle Schattierung ersichtlich, die auf die Körperliche Reife hinweise. Zudem würden die Bewegungen der Person ohne erkennbare Orchestrierung von aussen vorgenommen. Das Video Junge in WC-Kabine habe der Beschul-

    digte sodann eingestandenermassen besessen und an einen Kollegen versandt. Dieses habe er aufgrund der heimlichen Aufnahme lustig gefunden, weshalb der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sei. Zudem habe er sich diesbezüglich in einem Verbotsirrtum befunden (Urk. 93 S. 5 f. N. 5 i.V.m. S. 9 N. 16 und S. 13 N. 31). Der Beschuldigte sei davon ausgegangen kein Unrecht zu tun, indem er dieses aus seiner Sicht lustige Video weitergeleitet habe. Er wisse, dass Kinderpornografie falsch sei, sei aber davon ausgegangen, dass diese dann gegeben sei, wenn Erwachsene mit Kindern Sex haben sexuelle Handlungen vornehmen. Er habe nicht gewusst, dass ein Video, das in einem lustigen Kontext geteilt werde, kinderpornografisch sei (Urk. 93 S. 14 f. N. 39). Wann ein solches Video strafbar sei und wann nicht, sei ziemlich schwierig. Daher habe der Beschuldigte darauf vertrauen dürfen und sei der Irrtum über ein Allfälliges Verbot für diesen nicht vermeidbar gewesen (Urk. 93 S. 15 N. 40 Ergänzung 30).

        1. Bezüglich des Anklagevorwurfs 1 kann vorab vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 76 S. 8 bis 13 oben). Zusammenfassend und ergänzend ist festzuhalten, dass zum Tatzeitpunkt erstelltermassen die zwei in der Anklageschrift umschriebenen Videos an über 60 Empfänger über das Facebook-Konto des Beschuldigten, welches mit seinem Namen, seinem Geburtsdatum, seiner Telefonnummer und seinen Fotos versehen war, versandt wurden, was grundsätzlich für eine Urheberschaft des Beschuldigten spricht und ohne weiteres aus dem NCMEC-Rapport hervorgeht. Die anfängliche Verdächtigung des Onkels des Beschuldigten, D. , beruhte einzig und allein auf der Tatsache, dass die Handynummer des Beschuldigten auf dessen Namen eingeläst war, da dieser aufgrund seines Aufenthaltsstatus keine Telefonnummer auf seinen eigenen Namen registrieren lassen konnte.

        2. Wenn der Beschuldigte behauptet, seine Facebook-Kontodaten würden auch von Verwandten und Kollegen im Irak benutzt, um sich damit beim Online- Spiel B. Mobile einzuloggen, ändert das daran noch nichts, beinhaltet die Verwendung der Facebook-Kontodaten zum Einloggen z.B. bei B. Mobile (sog. SingleSignOn, vgl. hierzu etwa: https://www.n-tv.de/ratgeber/So funktioniert-das-Einloggen-via-Facebook-article13642321.html) doch offenkundig

          nicht ohne Weiteres das Einloggen in das Facebook-Profil des Beschuldigten selbst, geschweige denn das Erstellen von Posts Versenden von Videos über dieses. Sofern der Beschuldigte mit seinen Aussagen implizieren will, eine dieser im Irak befindlichen Personen habe ohne sein Wissen über sein Facebook- Profil (unter seinem Namen), mithin unter missbräuchlicher Verwendung seiner Zugangsdaten zwei kinderpornografische Videos an über 60 Empfänger versandt, erscheint dies bereits an sich nicht ohne Weiteres plausibel. Denn dies würde einen schweren Vertrauensmissbrauch durch einen nahen Verwandten bzw. guten Kollegen des Beschuldigten bedeuten, was sich den (vage gehaltenen) Aussagen des Beschuldigten nicht ansatzweise entnehmen lässt. Zudem erfolgte der Upload der inkriminierten Videos ins Facebook-Netzwerk gemäss NCMEC- Rapport aufgrund der ermittelten IP-Adresse des Benutzers von einem (ungefähren) Standort in der Schweiz aus und nicht aus dem Irak, was den Andeutungen des Beschuldigten bezüglich einer missbräuchlichen Verwendung seiner Zugangsdaten durch Personen im Irak klar widerspricht.

        3. Es besteht sodann kein Anlass dazu, davon auszugehen, dass jemand mittels VPN-Client die Videos über eine schweizerische IP-Adresse versandt hat. Die Nutzung eines VPN-Servers hätte zu einem festen Standort und nicht wie vorliegend unterschiedlichen Standorten gefährt, welche gerade für den Zugriff über ein Mobiltelefon aus der Schweiz sprechen. Wer sich über einen VPN-Provider einloggt, kann sich zwar ein Land aussuchen, jedoch nicht den spezifischen Server eine spezifische IP-Adresse. Die Brüder und Kollegen des Beschuldigten hätten sodann nicht zwingend einen solchen VPN-Client zwecks

          Spielen von B.

          verwenden müssen, hätten sich diese doch auch bei

          Verwendung einer ausländischen IP-Adresse im Irak aufgrund des Spielverbots strafbar gemacht. Es ist denn auch nicht ersichtlich, dass die Benutzung eines VPN-Clients technisch notwendig gewesen wäre. Der Beschuldigte machte selbst

          geltend, im Irak würden alle B.

          spielen. wäre ein VPN-Server in der

          Schweiz benutzt worden, würde dies sodann auch aus dem NCMEC-Rapport hervorgehen.

        4. Die Variante, dass eine der fänf Personen die Facebook-Logindaten des Beschuldigten an eine bisher unbekannte Person in der Schweiz mit irakischem Migrationshintergrund weitergeleitet hat, ist zwar theoretisch möglich, erscheint jedoch nicht plausibel. Es gübe schlicht keinen Anlass dazu, dies zu tun, könnte eine solche Person doch ohne weiteres einen eigenen Facebook-Account eröffnen und so auf Spiele wie B. zugreifen.

        5. Was die Möglichkeit betrifft, dass das Facebook-Profil des Beschuldigten gehackt wurde, gilt es zu sagen, dass der Beschuldigte selbst nie geltend machte, gehackt worden zu sein. Er liess lediglich die theoretische Möglichkeit in den Raum stellen. Wird der eigene Account gehackt, hat man in der Regel entweder keinen Zugriff mehr auf den Account, weil das Passwort geändert wird Facebook dies bemerkt und den Account daher vorsorglich sperrt. Selbst wenn das nicht geschieht, muss einem spätestens dann auffallen, dass das eigene Konto gehackt wurde, wenn man ungewöhnliche Aktivitäten auf dem eigenen Profil feststellt, wie z.B. nicht selbst verfasste BeitRüge, nicht selbst versendete Nachrichten Freundschaftsanfragen an unbekannte Personen. Wird eine solche Feststellung gemacht, ist eine umgehende Reaktion des Kontoinhabers zu erwarten. So würde man unter anderem wohl unmittelbar das Passwort ändern und Freunde vor vermeintlich durch sich selbst versandten Nachrichten warnen. wäre das Facebook-Profil des Beschuldigten gehackt worden, wäre mithin zu erwarten gewesen, dass er dies bemerkt und entsprechend reagiert. Den Aussagen des Beschuldigten sowie den weiteren Akten ist diesbezüglich jedoch keinerlei Hinweis zu entnehmen, behauptete er doch noch nicht einmal gehackt worden zu sein. Es handelt sich mithin zwar um eine theoretische Möglichkeit, dass der Account des Beschuldigten gehackt wurde, es bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies so war.

        6. Schliesslich lassen die Vorbringen des Beschuldigten allesamt auch die Frage offen, wieso er beim nächsten Einloggen in sein Facebook-Profil nicht erkannte, dass in seiner Abwesenheit fremde Posts bzw. Mitteilungen insbesondere an so viele Nutzer von seinem Konto abgesetzt wurden.

        7. Zusammenfassend erweisen sich die Vorbringen des Beschuldigten als unglaubhafte Schutzbehauptungen. Es ist sodann nicht relevant, dass der Beschul- digte die Videos nicht separat bei sich abgespeichert hatte. Eine Verbreitung ist ohne Abspeichern über die sozialen Medien ohne weiteres möglich, so dass offenbleiben kann, ob er diese allenfalls nach dem Versand einfach wieder gelöscht hat. Der Sachverhalt gemäss Anklagevorwurf 1 ist ohne Weiteres erstellt.

      1. Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung ist zunächst ebenfalls auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen (Urk. 76 S. 16 bis 19 oben sowie S. 22 oben). Bezüglich der Qualifikation des Videos Erwachsene Frau mit Jungen als Kinderpornografie ist sodann zusätzlich festzuhalten, dass dieses ei- ne erwachsene Frau zeigt, welche zunächst Oralverkehr an einer Männlichen Person ausführt und danach Vaginalverkehr mit dieser hat. Das Gesicht der Männlichen Person ist zwar wie die amtliche Verteidigung zu Recht bemerkte nicht ersichtlich. Jedoch lässt sich diese auch ohne Betrachtung des Gesichts in Würdigung der gesamten Umstände ohne Weiteres als Kind identifizieren. Das Geschlechtsteil ist noch nicht vollends entwickelt und sehr klein, was nicht nur auf den Penis selbst, sondern auch auf die Hoden zutrifft. Sodann ist die Bettdecke mit Kinderbettwäsche bezogen und das Kind trägt eine Kinderpyjamahose. Insbesondere anhand der Arme und Beine wird ersichtlich, dass kein Kleinkind involviert ist. Aus dem Gesamtbild geht jedoch hervor, dass es sich um einen Jungen im Alter zwischen ca. 8 bis 12 Jahren und damit klarerweise um ein Kind handelt. Es lässt sich sodann nicht abschliessend klüren, woher der von der Verteidigung erwähnte Schatten rührt, wobei es in Anbetracht des Alters plausibel erscheint, dass es sich dabei allenfalls um beginnende Schambehaarung handelt. Das Vi- deo qualifiziert mithin klarerweise als Kinderpornografie.

      2. Der Beschuldigte ist somit bezüglich des Anklagevorwurfs 1 der mehrfachen Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB schuldig zu sprechen.

        1. Hinsichtlich des Anklagevorwurfs 2 anerkannte der Beschuldigte den ihm vorgeworfenen Sachverhalt, liess indessen die rechtliche Würdigung des fraglichen Videos als Kinderpornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 StGB in Abrede

          stellen (vgl. Urk. 76 S. 5). Die Vorinstanz äusserte sich zur rechtlichen Würdigung einlässlich und zutreffend (Urk. 76 S. 16 bis 18 sowie S. 19 f. und S. 22 oben). Zusammenfassend kann zur rechtlichen Würdigung gesagt werden, dass das Vi- deo einen onanierenden Jungen zeigt, welcher dabei heimlich gefilmt wird, was er schliesslich bemerkt, wodurch er dann ertappt wirkt. Die sexuelle Handlung des minderjährigen Jungen ist eindeutig und steht im Fokus.

        2. Hinsichtlich des geltend gemachten Verbotsirrtums kann Ergänzt werden, dass der täter einem solchen erliegt, der zwar alle Tatumstände kennt und somit weiss, was er tut, aber nicht weiss, dass sein Tun rechtswidrig ist (BGE 129 IV 238, E. 3.1). Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt gemäss Art. 21 Satz 1 StGB nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 21 Satz 2 StGB). Ein Verbotsirrtum ist indes ausgeschlossen, wenn der täter aufgrund seiner laienhaften Einschätzung weiss, dass sein Verhalten der Rechtsord- nung widerspricht, wenn er also in diesem Sinne das unbestimmte Empfinden hat, etwas Unrechtes zu tun (BGE 104 IV 217, E. 2.; BGE 148 IV 298, E. 7.6.; BGer. 6B_274/2021 vom 1. Dezember 2021, E. 1.3.4.). Um den Rechtsirrtum für sich in Anspruch nehmen zu können, muss der täter mit anderen Worten stets davon ausgegangen sein, überhaupt nichts Unrechtes zu tun. Sobald aber auch nur ein unbestimmtes Empfinden besteht, man könnte bei seinem Handeln gegen das verstossen, was recht ist, liegt ein beachtlicher Rechtsirrtum ausser Betracht (BGE 104 IV 217, E. 2.; BSK StGB, 4. Auflage, Basel 2019, NIGGLI/MAEDER,

    Art. 21 N. 13). Unvermeidbar ist der Rechtsirrtum mithin, wenn dem täter daraus kein Vorwurf gemacht werden kann, weil er auf Tatsachen beruht, durch die sich auch ein gewissenhafter Mensch hätte in die Irre führen lassen (BGer. 6B_782/2016 vom 27. September 2016, E. 3.1. mit Verweis auf BGE 99 IV 185,

    E. 3.1. und BGE 104 IV 217, E. 3 a). Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass sich der Rechtsadressat um die Kenntnis der Gesetze bemühen muss, wobei deren Unkenntnis nur in besonderen Fällen vor Strafe schätzt (BGE 129 IV 238, E. 3.1). Jedermann ist gehalten, das eigene Verhalten auf seine Rechtmössigkeit hin zu überprüfen, insbesondere wenn der täter selbst Zweifel hinsichtlich der Rechtmässigkeit seines Verhaltens hat hätte haben müssen. Dies ist

    z.B. dann der Fall, wenn der täter zwar weiss, dass sein Verhalten rechtlichen Regelungen unterliegt, sich aber nicht näher über deren Inhalt und Reichweite informiert (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich SB210566-O vom

    30. August 2022, E. 2.1.). Die Herkunft aus einem anderen Kulturkreis stellt für sich allein keinen zureichenden Grund für die Annahme eines Verbotsirrtums dar (BGer. 6B_77/2019 vom 11. Februar 2019, E. 2.3.). Die Anforderungen für die Annahme eines Verbotsirrtums im Sinne von Art. 21 StGB sind damit relativ hoch. Die meisten Menschen wissen nicht im Detail, was genau alles im Rechtssinne verboten ist, dennoch machen sie sich bei entsprechenden Zuwiderhandlungen grundsätzlich strafbar.

      1. Der Beschuldigte führte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, er habe das Video einem Freund in etwas gehobenerem Alter geschickt, der immer behaupte, er sei nicht mehr für solche Dinge zu haben. Dies habe er getan, um ihm damit zu sagen, dass er das, als er jung gewesen sei, vielleicht ebenfalls getan habe und nun, wo er älter sei, könne er das nicht mehr (Urk. 92 S. 9 f.). Damit stellte der Beschuldigte den im Video vorhandenen sexuellen Bezug ebenfalls her. Es ging ihm mithin eben gerade nicht darum, dass der Junge auf dem Video aufgrund des Ertappt-Werdens erschrocken schaute, sondern der sexuelle Aspekt des Videos stand auch für den Beschuldigten im Zentrum. Er hat mithin erkannt, dass der Junge, bei dem es sich offensichtlich um ein Kind handelt, eine sexuelle Handlung vornimmt und das Video aus genau diesem Grund verschickt. Dass der Beschuldigte dabei keinen sexuellen Bezug erkannt und es lediglich als lustig empfunden haben will, ist somit als reine Schutzbehauptung zu werten. Der Beschuldigte hat die kinderpornografische Natur des Videos mindestens für möglich gehalten und wollte dieses Video seinem Freund zugänglich machen. Gemäss den Ausführungen der amtlichen Verteidigung lebt der Beschuldigte sodann bereits seit vielen Jahren in der Schweiz und geht einer regelmässigen Arbeit nach. Der einzige Grund dafür, weshalb er noch keine B-Bewilligung habe, sei sodann das vorliegende Strafverfahren (Urk. 93 S. 11 N. 23), weshalb von einer gewissen Integration des Beschuldigten in die hiesige Gesellschaft mit deren Rechtsvorstellungen auszugehen ist. Für den Ausschluss eines Rechtsirrtums genügt bereits ein unbestimmtes Empfinden, etwas Unrechtes zu tun. Die

        Videodatei steht im klaren Widerspruch zu den vorherrschenden ethischen, sittlichen Wertvorstellungen. Folglich liegt die Möglichkeit sehr nahe, dass der Besitz und Versand solcher Darstellungen gegen die Rechtsordnung verstossen könnte. Der Beschuldigte hat sodann gemäss der amtlichen Verteidigung auch gewusst, dass Kinderpornografie falsch, d.h. mit anderen Worten verboten, ist (Urk. 93 S. 15 N. 39 Ergänzung 29). Er erkannte sodann, dass das Kind im Video eine sexuelle Handlung vornimmt, was der Grund dafür war, dass er dieses sei- nem Kollegen schickte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte zumindest ein unbestimmtes Empfinden dafür hatte, etwas Unrechtes zu tun. Es wäre damit zu erwarten gewesen, dass der Beschuldigte sein Handeln nach der hier geltenden Rechtsordnung pröft bzw. zumindest nach dem hiesigen Rechts- Verständnis hinterfragt. Dafür werden keine speziellen Kenntnisse benötigt. Das Vorliegen eines Rechtsirrtums ist demnach zu verneinen.

      2. Der Beschuldigte ist somit bezüglich des Anklagevorwurfs 2 der Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB schuldig zu sprechen.

  2. Strafzumessung

    1. Zum vorliegend anwendbaren Strafrahmen sowie zu den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 76 S. 22 f.).

    Ergänzend verlangt das Bundesgericht seit BGE 144 IV 217, E. 3.5.3 f., zunächst für jedes Delikt innerhalb seines jeweiligen Strafrahmens eine Einzelstrafe (zumindest anhand der jeweiligen Tatkomponenten) festzulegen. Diese Einzelstrafen sind dann soweit sie gleichartig ausfallen erst in einem zweiten Schritt gegebenenfalls zu (einer mehreren) Gesamtstrafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Bei der Gesamtstrafenbildung ist sodann jeweils von der für die schwerste Tat (pro Strafart) festgelegten Einzelstrafe als Einsatzstrafe auszugehen und diese ist dann für die übrigen Einzelstrafen (derselben Strafart) unter Beachtung des Asperationsprinzips angemessen zu Erhöhen, so dass die Gesamtstrafe höher ausfällt als die Einsatzstrafe, aber tiefer als die Summe der verwirkten Einzelstrafen. Zudem darf die Gesamtstrafe nicht tiefer ausfallen als

    die höchste gesetzliche Mindeststrafe aller daran beteiligten Strafrahmen (vgl. BGE 144 IV 217, E. 3.5.1 ff. und E. 4.).

    Zu beachten ist schliesslich, dass die Ausfällung einer Höheren bzw. hürteren Strafe als der von der Vorinstanz ausgefällten bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen bereits aufgrund des im Berufungsverfahren geltenden Verschlechterungsverbotes (Art. 391 Abs. 2 StPO) ausser Betracht fällt.

      1. Als schwerstes Delikt zur Festlegung der Einsatzstrafe erscheint der Anklagevorwurf 1. In objektiver Hinsicht verbreitete der Beschuldigte vorsätzlich zwei Videos mit harter Kinderpornografie (realer Kindsmissbrauch mit Vaginal- und Oralverkehr) an über 60 Empfänger was schwer wiegt über Facebook, wobei unklar bleibt, wie viele davon, die Videos anschliessend konsumiert haben. Beim Video Zwei minderjährige Kinder handelt es sich um ein verwackeltes Amateurvideo, welches eine Minute und 52 Sekunden dauert. Darin zu sehen ist ein am Gesicht erkennbares ca. 8bis 10-jähriges Mädchen, welches zunächst Fellatio an einem nicht erkennbaren jungen Mann ausübt, welcher diese im zweiten Teil mit seinem Penis vaginal penetriert. Zuletzt masturbiert sie diesen noch kurz. Beim Video Erwachsene Frau mit minderjährigem Jungen handelt es sich ebenfalls um ein verwackeltes Amateurvideo, welches eine Minute und fänf Sekunden dauert. Die Personen darauf sind nicht identifizierbar. Gezeigt wird eine erwachsene Frau, welche Fellatio an einem Knaben von ca. 8 bis 12 Jahren ausübt, wobei sie sich anschliessend auf ihn setzt und Vaginalverkehr mit ihm hat, woran er aktiv mitwirkt. In beiden Videos werden lediglich harmlose sexuelle Praktiken ausgeübt. Es gibt keine Hinweise auf besondere Erniedrigung, starken Zwang die Mitwirkung von fremden Personen. Das Verschulden innerhalb des qualifizierten Tatbestands wiegt daher sehr leicht. Es wäre eine Einsatzstrafe von 90 Tagessätzen Geldstrafe festzusetzen. über die Motive des Beschuldigten kann nur gemutmasst werden. Es gibt vorliegend zumindest keinerlei Hinweise auf eine STürung der sexuellen Pröferenz im Sinne einer Pädophilie. Der Beschuldigte dürfte wohl dem Reiz des Unbekannten erlegen sein und aus Neugier gehandelt haben. Der Beschuldigte war denn auch zum Tatzeitpunkt gerade einmal 22 Jahre alt. Dies ist leicht verschuldensmindernd zu

        berücksichtigen, womit eine Einsatzstrafe von 80 Tagessätzen Geldstrafe festzusetzen ist.

      2. Hinsichtlich des Anklagevorwurfs 2 versandte der Beschuldigte vorsätzlich ein kinderpornografisches Video etwas weniger gravierenden Inhalts an eine Drittperson über Whatsapp. Es handelt sich um ein 17 Sekunden langes Amateurvi- deo, in welchem ein Junge im Alter von ca. 8 bis 12 Jahren heimlich und gegen seinen Willen beim Onanieren gefilmt wird. Der Junge masturbierte intrinsisch motiviert, mithin freiwillig und nicht unter Zwang, wobei dieser durch die Aufnahme missbraucht, negativ Geprägt und wohl in seiner sexuellen Entwicklung gesTürt wurde. Es handelt sich um eine äusserst schambehaftete Situation, in welcher der Junge blossgestellt wurde. Das objektive Verschulden ist als sehr leicht zu bewerten. Es rechtfertigt sich eine Einsatzstrafe von 45 Tagessätzen Geldstrafe. Bezüglich des subjektiven Verschuldens gibt es keinerlei Hinweise auf eine STürung der sexuellen Pröferenz im Sinne einer Pädophilie. Der Beschuldigte handelte wohl aus Neugier. Es gilt hierbei zu beachten, dass der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt gerade einmal 22 Jahre alt war. Sodann handelte der Beschuldigte auch aus dem Motiv der Belustigung seinem Freund gegenüber. Dies ist leicht verschuldensmindernd zu berücksichtigen. gestützt auf ein gesamthaftes sehr leichtes Verschulden ist die Einzelstrafe auf 40 Tagessätze Geldstrafe festzusetzen. In Anwendung des Asperationsprinzips ergibt sich eine Erhöhung der Einsatzstrafe um 20 Tagessätze.

        1. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten kann vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 76 S. 24,

          S. 26 oben und S. 29). An der Berufungsverhandlung ergab sich neu, dass der Beschuldigte eine Arbeitsstelle als Pizzaiolo am E. antreten wird, bei welcher er Fr. 3'600 bis Fr. 3'700 netto verdienen wird (Urk. 92 S. 5 f.). Der Beschuldigte ist umgezogen, lebt alleine und bezahlt neu Fr. 1'100 Miete pro Mo- nat (Urk. 92 S. 2). Seine Freundin mit der er nach wie vor zusammen ist und mit der er über das Handy Kontakt hält lebt sodann inzwischen mit ihrer Familie in der Türkei (Urk. 92 S. 3). Der Beschuldigte erklärte, nach Erlangung der B- Bewilligung wolle er einen Antrag stellen, damit sie hier her kommen könne. Er

          wolle heiraten und eine Familie Gründen (Urk. 92 S. 4). Die persönlichen Verhält- nisse des Beschuldigten sind weder strafErhöhend noch strafmindernd zu beRücksichtigen.

        2. Der Beschuldigte weist bislang keine Vorstrafen auf (Urk. 90). Er zeigte sich einzig hinsichtlich des Anklagevorwurfs 2 teilweise gestündig, was sich jedoch kaum strafmindernd auszuwirken vermag.

        3. Insgesamt ergeben sich somit aus der täterkomponente keine strafzumessungsrelevanten Faktoren.

      1. Die von der Vorinstanz gewöhlte Strafart (Geldstrafe) ist bereits aufgrund des geltenden Verschlechterungsverbots zu bestätigen. Der Beschuldigte wäre mit einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu bestrafen gewesen. Aufgrund des Verschlechterungsverbots bleibt es indessen bei der von der Vorinstanz ausgefällten Strafe von 70 Tagessätzen. Angesichts der aktuellen finanziellen Verhält- nisse des Beschuldigten ist auch die Tagessatzhöhe von Fr. 30 zu bestätigen (vgl. Urk. 92 S. 2 und S. 6).

      2. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs durch die Vorinstanz, unter Ansetzung einer minimalen Probezeit von zwei Jahren, ist ebenfalls bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots zu bestätigen.

  3. Landesverweisung / SIS-Ausschreibung
    1. Vorab kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zur Landesverweisung im Allgemeinen sowie zur vorliegenden Katalogtat verwiesen werden (Urk. 76 S. 27 ff.). Es ist zu prüfen, ob ein Hürtefall gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt.

    2. Die amtliche Verteidigung führte diesbezüglich im Berufungsverfahren aus, dass sie im Falle eines Schuldspruches beantrage, von einer Landesverweisung abzusehen und erklärte, hierzu bewusst keine weiteren Ausführungen zu machen (Prot. II S. 16). Zur SIS-Ausschreibung äusserte sie sich nicht (vgl. Urk. 93 und Prot. II S. 8 ff.). In ihrem Plädoyer erwähnte sie sodann, dass der Beschuldigte

      ohne das vorliegende Verfahren eine B-Bewilligung erhalten würde, da eine Rückführung seit Jahren nicht möglich und ein weiteres Verharren in diesem Zustand unzumutbar wäre. Daher sei auch eine Landesverweisung unzumutbar. Rückführungen fänden nur nach Kurdistan statt. Der Beschuldigte würde dort jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten als irakischer StaatsanGehöriger anerkannt, da er Araber sei. In den arabischen Bereich sei eine Rückführung jedoch nicht zumutbar (Urk. 93 S. 11 N. 23, Ergänzung 18).

    3. Der heute 25-jährige Beschuldigte kam vor ca. 6 Jahren als Flüchtling aus dem Irak in die Schweiz. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt, jedoch wurde er hier vorläufig aufgenommen (Bewilligung F). Er ist somit weder in der Schweiz geboren noch hier aufgewachsen. Wie bereits die Vorinstanz unter Prüfung der VZAE- Kriterien zutreffend festhielt, kann jedenfalls nicht von einer überdurchschnittlichen Integration des Beschuldigten im Sinne eines Hürtefalls gesprochen werden (Urk. 76 S. 29 f.). Zutreffend sind weiter die Ausführungen der Vorinstanz zu den geltend gemachten Vollzugshindernissen sowie die Feststellung, dass eine Durchführung der Landesverweisung in den Irak im heutigen Zeitpunkt jedenfalls nicht definitiv ausgeschlossen werden kann (Urk. 76 S. 30 f.). Daran hat sich auch im Berufungsverfahren nichts geändert.

    Somit bleibt es dabei, dass beim Beschuldigten kein schwerer persönlicher Hürtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, weshalb er in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB obligatorisch des Landes zu verweisen ist. Die minimale Dauer der Landesverweisung von 5 Jahren ist bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots zu bestätigen.

      1. Die Vorinstanz ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem SIS an, ohne dies indessen näher zu begründen (Urk. 76 S. 32).

      2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dürfen Ausschreibungen im SIS gemäss dem in Art. 21 SIS-II-Verordnung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip nur vorgenommen werden, wenn die Angemessenheit, Relevanz und Be- deutung des Falles dies rechtfertigen. Voraussetzung für die Eingabe einer Ausschreibung zur Einreise- und Aufenthaltsverweigerung im SIS ist eine nationale Ausschreibung, die auf einer Entscheidung der zuständigen nationalen Instanz (VerwaltungsBehörde Gericht) beruht; diese Entscheidung darf nur auf der Grundlage einer individuellen Bewertung ergehen (Art. 24 Abs. 1 SIS-II- Verordnung). Die Ausschreibung wird eingegeben, wenn die Entscheidung nach Art. 24 Abs. 1 SIS-II-Verordnung auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwesenheit des betreffenden DrittstaatsanGehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats darstellt (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 SIS-II-Verordnung). Dies ist insbesondere bei einem DrittstaatsanGehörigen der Fall, der in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 24 Abs. 2 lit. a SIS-II-Verordnung). Art. 24 Abs. 2 lit. a SIS-II-Verordnung erfordert weder eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr noch einen Schuldspruch wegen einer Straftat, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht ist. Insoweit genügt es, wenn der entsprechende Straftatbestand eine Freiheitsstrafe im Höchstmass von einem Jahr mehr vorsieht. Indes ist im Sinne einer kumulativen Voraussetzung stets zu prüfen, ob von der betroffenen Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung ausgeht (Art. 24 Abs. 2 SIS-II-Verordnung). An die Annahme einer solchen Gefahr sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Nicht verlangt wird, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine tatsächliche, gegenwürtige und hinreichend schwere gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berhrt. Dass bei der Legalprognose eine konkrete Rückfallgefahr verneint und die Strafe bedingt ausgesprochen wurde, steht einer Ausschreibung der Landesverweisung im SIS daher nicht entgegen (zum Ganzen: BGE 147 IV 340, E. 4.8; BGer. 6B_628/2021 vom 14. Juli 2022,

        E. 2.2.3; 6B_834/2021 vom 5. Mai 2022, E. 2.2.2; 6B_19/2021 vom

        27. September 2021, E. 5.1). Art. 24 SIS-II-Verordnung und Art. 24 der Verordnung (EU) 2018/1861 verpflichten die Schengen-Staaten nicht zum Erlass von Einreiseverboten. Kommt es gestützt auf das nationale Recht wegen eines strafbaren Verhaltens im Sinne von Art. 24 Abs. 2 lit. a SIS-II-Verordnung indes zu einer Landesverweisung und sind die zuvor erwähnten Voraussetzungen erfüllt, d.h. ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 SIS-II-Verordnung zu bejahen, ist die Ausschreibung des Einreiseverbots im SIS grundsätzlich verhältnismässig und folglich vorzunehmen (BGE 147 IV 340, E. 4.9; 146 IV 172, E. 3.2.2). Den übrigen Schengen-Staaten steht es frei, die Einreise in ihr Hoheitsgebiet im Einzelfall aus humaniTüren Gründen Gründen des nationalen Interesses aufgrund internationaler Verpflichtungen dennoch zu bewilligen (vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. c der Verordnung [EU] 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über den Schengener Grenzkodex [ABl. L 77 vom 23. März 2016 S. 1]) bzw. ein Schengen-Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit auszustellen (vgl. Art. 25 Abs. 1 lit. a der Verord- nung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

        13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [ABl. L 243 vom

        15. September 2009 S. 1]). Die Souveränität der übrigen Schengen-Staaten wird insofern durch die in der Schweiz ausgesprochene Landesverweisung, welche ausschliesslich für das Hoheitsgebiet der Schweiz gilt, nicht berührt (BGE 147 IV 340, E. 4.9; 146 IV 172, E. 3.2.3). Umgekehrt garantiert die Nichtausschreibung der Landesverweisung im SIS keinen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht in den übrigen Schengen-Staaten (BGE 147 IV 340, E. 4.9; zum Ganzen: BGer. 6B_932/2021 vom 7. September 2022, E. 1.8.2. f., m.w.H.).

      3. Vorliegend wurde der Beschuldigte wegen mehrfacher Verbreitung von Kinderpornografie (drei Videos) via Internet mit einer bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 30 bestraft, wobei dieser Tatbestand mit einer Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. Diese Verurteilung gab zudem Anlass zur Anordnung einer Landesverweisung von 5 Jahren. Zu prüfen ist, ob vom Beschuldigten deshalb eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung ausgeht (Art. 24 Abs. 2 SIS-II-Verordnung) und die Landesverweisung im SIS auszuschreiben ist. Ohne die Taten des Beschuldigten bagatellisieren zu wollen, ist deswegen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ersichtlich, so ist der Beschuldigte nicht pädophil veranlagt, weshalb diesbezüglich nicht von einer Rückfallgefahr auszugehen ist. Es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte sich der Konsequenzen seines Handelns nun bewusst ist und

    solche Handlungen daher könftig ausbleiben werden. Von der Ausschreibung der Landesverweisung im SIS ist somit abzusehen.

  4. tätigkeitsverbot
    1. Die Vorinstanz verhängte gegen den Beschuldigten gestützt auf Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB ein lebenslängliches Verbot jeder beruflicher sowie jeder organisierter ausserberuflicher tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst.

    2. Die amtliche Verteidigung brachte im Berufungsverfahren lediglich vor, dass sie im Falle eines Schuldspruches, den Verzicht auf ein tätigkeitsverbot beantrage und erklärte, hierzu bewusst keine weiteren Ausführungen zu machen (Prot. II S. 16).

    3. Es ist auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zu verweisen (Urk. 76 S. 33 ff.), wobei ergänzend zu erwähnen ist, dass das Bundesgericht die restriktive Anwendung eines Ausnahmefalles in einem kürzlich ergangenen Entscheid erneut bestätigt und ausgefährt hat, dass als besonders leichte Fälle von Sexualstraftaten in objektiver Hinsicht etwa sexuelle Belästigungen Exhibitio- nismus in Frage kommen, sofern im konkreten Fall eine bedingte Strafe von wenigen Tagessätzen verhängt werde (BGer. 6B_1027/2021 vom 5. Juni 2023,

      E. 2.3.3.). Ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 67 Abs. 4bis StGB liegt hier

      nicht vor, nachdem der Beschuldigte zunächst zwei harte kinderpornografische Videos an einen relativ grossen Empfängerkreis von rund 60 Personen verbreitete und ca. sechs Monate später erneut ein kinderpornografisches Video an eine Drittperson weiterleitete. Es handelte sich demnach weder um einen einmaligen noch um einen besonders leichten Ausrutscher, welcher Anlass zur Anwendung

      der Ausnahmebestimmung von Art. 67 Abs. 4bis StGB geben könnte.

    4. Dem Beschuldigten ist somit gestützt auf Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB je- de berufliche sowie jede organisierte ausserberufliche tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, lebenslänglich zu verbieten.

  5. Einziehungen
    1. Die Vorinstanz beschlagnahmte das sichergestellte Mobiltelefon sowie die SIM-Karte, zog diese ein und überliess sie der LagerBehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung (Urk. 76 S. 36).

    2. Die amtliche Verteidigung beantragte im Berufungsverfahren, es sei auf die Beschlagnahme, Einziehung und Vernichtung des Mobiltelefons sowie der SIM- Karte zu verzichten (Urk. 93 S. 2) und erklärte, aufgrund der Tatsache, dass der Beschuldigte von Schuld und Strafe freizusprechen sei, würden sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen (Urk. 93 S. 15 N. 4).

    3. Gemäss Art. 197 Abs. 6 StGB sind Gegenstände kinderpornografischen Inhalts ohne Weiteres einzuziehen. Das polizeilich sichergestellte Mobiltelefon des Beschuldigten Apple iPhone 7 Plus (Asservat Nr. A015'295'235), welches namentlich das kinderpornografische Video gemäss Anklagevorwurf 2 enthält, ist deshalb nebst der dazuGehörigen SIM-Karte (Asservat Nr. A015'335'112) einzuziehen und der LagerBehörde zur Vernichtung bzw. zur gutscheinenden Verwen- dung zu überlassen. Der Beschuldigte hatte diesem Vorgehen in seiner Einver- nahme vom 16. Dezember 2021 im Beisein der amtlichen Verteidigung denn auch bereits ausDrücklich zugestimmt (Urk. 5 S. 11 F/A 87 f.).

  6. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziffer 10 und

    11) ist ausgangsgemäss sowie unter Hinweis auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen hierzu (vgl. Urk. 76 S. 36 f.) zu bestätigen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden nach Obsiegen und Unterliegen verteilt (Art. 428 Abs. 1 StPO). Nachdem der Beschuldigte mit seiner Berufung praktisch vollumfänglich unterliegt, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, vollständig aufzuerlegen. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ist praxisgemäss auf Fr. 3'000 festzusetzen.

  3. Die amtliche Verteidigung ist für ihre Bemöhungen und Barauslagen im Berufungsverfahren anhand der eingereichten Honorarnote (Urk. 95) mit Fr. 4'427.90 zu entschädigen. Die geltend gemachten Aufwendungen erscheinen angemessen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung

    ? Einzelgericht, vom 9. November 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1. (...)

    2. Vom Vorwurf der Pornografie bezüglich der Videodateien ...-cloud-document-2- 5343739210933209120, 9F55B51A-AAC8-AC3B-ABA7-5AECB8AD429C.MP4

    sowie 62b9db33-d6ad-406-9a12-a0ae2112d98a.mp4 wird der Beschuldigte freigesprochen.

    3.-7. (...)

    1. Die folgenden polizeilich sichergestellten Gegenstände und Datensicherungen wer- den beschlagnahmt, eingezogen und der jeweiligen LagerBehörde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Vernichtung überlassen:

      Beim FOR unter der Referenz-Nr. 78574739 lagernd:

      • Datensicherung 1 DVD BKP (Asservat Nr. A014'135'774);

        Bei der Kantonspolizei Zürich, TDU-DF, unter der Geschäfts-Nr. 78574739 lagernd:

      • Datenauslesung / Datensicherung (Asservat Nr. A015'335'101);

      • Datenauslesung / Datensicherung (Asservat Nr. A015'335'123); (...)

    2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'500.00; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 2'100.00 gebühr Strafuntersuchung

    Fr. 1'190.00 Kosten Kantonspolizei Zürich

    Fr. 9'358.00 amtliche Verteidigung

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten. 10.-11. (...)

    12. (Mitteilungen)

    13.-14. (Rechtsmittel)

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig der mehrfachen Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 30.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.

  5. Von der Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem SIS wird abgesehen.

  6. Dem Beschuldigten wird im Sinne von Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB jede berufliche sowie jede organisierte ausserberufliche tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasst, lebenslänglich verboten.

  7. Die folgenden polizeilich sichergestellten Gegenstände werden eingezogen und der LagerBehörde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Ver- nichtung bzw. zur gutscheinenden Verwendung überlassen:

    Bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate-Triage, unter der Geschäfts-Nr. 78574739 lagernd:

    • Mobiltelefon Apple iPhone 7 Plus (Asservat Nr. A015'295'235);

    • SIM-Karte (Asservat Nr. A015'335'112).

  8. Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 10 und 11) wird bestätigt.

  9. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000 ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 4'427.90 amtliche Verteidigung

  10. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtkasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  11. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (vorab per Incamail);

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland (vorab per Incamail);

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich; sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten;

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland;

    • das Bundesamt für Polizei, Bundeskriminalpolizei, 3003 Bern;

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz;

    • den Justizvollzug und Wiedereingliederung, Bewährungs- und Vollzugsdienste, unter Hinweis auf Dispositivziffer 6;

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich;

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A;

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-FS-A, unter Hinweis auf Geschäfts-Nr.

      78574739 und Dispositivziffer 7.

  12. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 6. September 2023

Der Präsident:

lic. iur. B. Amacker

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw A. Blaser

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.