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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB230162: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Urteil vom 31. Oktober 2023 in einem Fall von fahrlässiger schwerer Körperverletzung entschieden. Die Beschuldigte A. wurde für schuldig befunden und mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je CHF 70 belegt. Die Vollstreckung der Geldstrafe wurde aufgeschoben und eine Probezeit von 2 Jahren festgesetzt. Ein Schadenersatzbegehren wurde abgewiesen, jedoch wurde eine reduzierte Genugtuung von CHF 1'500 zuzüglich Zinsen zugesprochen. Die Gerichtskosten betrugen insgesamt CHF 13'879.60. Die Beschuldigte hatte gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Winterthur Berufung eingelegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB230162

Kanton:ZH
Fallnummer:SB230162
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230162 vom 31.10.2023 (ZH)
Datum:31.10.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Fahrlässige schwere Körperverletzung
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Strasse; Kollision; Vorinstanz; Privatklägers; Urteil; Person; Berufung; Personen; Personenwagen; Verkehr; Sekunde; Körper; Meter; Sekunden; Sicht; Verhalten; Körperverletzung; Sinne; Staat; Anklage; Verteidigung; Geldstrafe; Verletzung; äter
Rechtsnorm:Art. 12 StGB ;Art. 122 StGB ;Art. 125 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 26 SVG ;Art. 29 BV ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:103 IV 101; 104 IV 28; 109 IV 18; 115 II 283; 116 IV 306; 129 IV 282; 134 IV 204; 134 IV 60; 134 IV 82; 134 IV 97; 135 IV 56; 138 IV 120; 146 IV 297; 94 IV 140;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB230162

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230162-O/U/bs

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. B. Amacker und der Ersatzoberrichter lic. iur. K. Vogel sowie

der Gerichtsschreiber MLaw J. Stegmann

Urteil vom 31. Oktober 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsklägerin verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. R. Michel,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Fahrlässige schwere Körperverletzung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht, vom 5. Dezember 2022 (GG220058)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 7. Juni 2022 (Urk. 25) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 50 S. 36 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A.

    ist schuldig der fahrlässigen Körperverletzung mit schwerer Schädigung im

    Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 70 (entsprechend CHF 4'200).

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Das Schadenersatzbegehren des Privatklägers wird abgewiesen.

  5. Die Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger eine reduzierte Genugtuung von CHF 1'500, zuzüglich 5 % Zins ab 19. Mai 2020, zu bezahlen.

    Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.

  6. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    CHF 1'800.00 ; die weiteren Kosten betragen: CHF 2'100.00 gebühr für das Vorverfahren; CHF 230.00 Auslagen (Arztberichte);

    CHF 9'749.60 Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung des

    Privatklägers (inkl. MwSt. und Barauslagen)

    CHF 13'879.60 Total

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Gerichtsgebühr auf zwei Drittel.

  7. Die Kosten gemäss Dispositiv-Ziffer 6 werden der Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers werden indessen einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachforderung gemäss Art. 138 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt vorbehalten.

  8. [Mitteilungen]

  1. [Rechtsmittel]

    BerufungsAnträge:

    1. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 63, schriftlich)

      • 1. Die Beschuldigte sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils voll- umfänglich von Schuld und Strafe freizusprechen.

        1. Für den Fall einer Verurteilung sei die Beschuldigte höchstens mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen CHF 60 bedingt unter Ansetzung einer Probezeit von höchstens zwei Jahren zu bestrafen.

        2. Die Genugtuungsforderung des Privatklägers sei integral abzuweisen.

        3. sämtliche Verfahrenskosten (Rechtsmittel- und Vorverfahren) seien auf die Staatskasse zu nehmen; eventualiter seien die Kosten für die unentgeltliche Rechtsvertretung des Privatklägers definitiv vom Staat zu übernehmen, resp. die Beschuldigte von diesem Kostenanteil zu befreien.

        4. Die Beschuldigte sei für den Honoraraufwand der erbetenen Verteidigung (zzgl. MwSt. von aktuell 7.7 % und Spesenaufwand) vom Staat zu entschädigen.

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 56 und 68, schriftlich)

    • 1. Das vorinstanzliche Urteil sei soweit nicht bereits in Rechtskraft erwachsen zu bestätigen.

      2. Die Kosten des Verfahrens seien dem (recte: der) Beschuldigten aufzuerlegen.

  2. Des Privatklägers B. : (Urk. 69, schriftlich)

Bestätigung des Urteils der ersten Instanz vom 5. Dezember 2022 in sämtlichen Punkten.

Erwägungen:

I. Verfahrensgang und Prozessuales
  1. Verfahrensgang

    1. Mit Eingabe vom 7. Juni 2022 erhob die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gegen A. beim Bezirksgericht Winterthur Anklage (Urk. 25). Der Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem Entscheid vom 5. Dezember 2022 (Urk. 50 E. I/1 f. S. 4).

    2. Das vorstehend wiedergegebene Urteil vom 5. Dezember 2022 wurde den Parteien gleichentags Mändlich eröffnet (Urk. 43; Prot. I S. 24 ff.). Die Beschul- digte liess mit Eingabe vom 14. Dezember 2022 innert Frist Berufung anmelden (Urk. 45).

    3. Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 47 = Urk. 50; Urk. 48) liess die Beschuldigte am 24. Februar 2023 fristgerecht die BerufungsErklärung einreichen (Urk. 51).

    4. Mit präsidialVerfügung vom 15. März 2023 wurde dem Privatkläger sowie der Staatsanwaltschaft ein Doppel der BerufungsErklärung der Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde die Beschul- digte unter Hinweis auf ihr Aussageverweigerungsrecht aufgefordert, ein Datenerfassungsblatt auszuFällen und ihre finanziellen Verhältnisse mit weiteren Unterlagen darzulegen (Urk. 54). Mit Eingabe vom 17. März 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 56). Mit Eingabe vom 6. April 2023 liess der Privatkläger vermelden, dass keine Anschlussberufung erklärt, sondern die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt werde (Urk. 57).

    5. Nachdem sich sämtliche Parteien mit der schriftlichen Durchführung des Berufungsverfahrens einverstanden erklärt haben (Urk. 58/1-3), wurde mit präsidial- Verfügung vom 25. April 2023 das schriftliche Verfahren im Sinne von Art. 406

      Abs. 2 lit. a und b StPO angeordnet (Urk. 59). Zudem wurde der Beschuldigten Frist angesetzt, um BerufungsAnträge zu stellen und zu begründen sowie letztmals BeweisAnträge zu stellen bzw. die finanzielle Situation der Beschuldigten darzulegen (Urk. 59). Mit Eingabe vom 30. Juni 2023 liess die Beschuldigte die schriftliche BerufungsBegründung fristgerecht einreichen (Urk. 63 und Urk. 64/1-6; vgl. auch Urk. 61 und Urk. 62).

    6. Mit präsidialVerfügung vom 4. Juli 2023 wurde dem Privatkläger sowie der Staatsanwaltschaft ein Doppel der BerufungsBegründung der Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um die Berufungsantwort einzureichen sowie letztmals eigene BeweisAnträge zu stellen (Urk. 65). Mit Eingabe vom 14. Juli 2023 liess die Staatsanwaltschaft sich zur BerufungsBegründung der Beschuldigten vernehmen und beantragte wiederum die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 68). Mit Eingabe vom 20. Juli 2023 liess der Privatkläger vermelden, dass auf eine Stellungnahme zur BerufungsBegründung verzichtet werde, und liess die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragen (Urk. 69).

    7. Mit Eingabe vom 14. August 2023 reichte das Bezirksgericht Winterthur die Korrespondenz mit dem Verteidiger betreffend Tonbandaufnahme der Hauptverhandlung vom 5. Dezember 2022 (samt Tonbandaufnahme) hierorts ein (Urk. 71 und 72/1-7). Mit Eingabe vom 17. August 2023 nahm der Verteidiger Stellung zur Mändlichen UrteilsEröffnung des Bezirksgerichts Winterthur (Urk. 73).

      Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

  2. Umfang der Berufung

    1. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der BerufungsAnträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSK StPO-EUGSTER, Art. 402 N 1 f.).

    2. Die Beschuldigte hat die Berufung in ihrer BerufungsErklärung auf den Schuldspruch, die Strafe, die Genugtuung zugunsten des Privatklägers sowie die

      Kostenauflage beschränkt (Urk. 51 S. 1; vgl. auch Urk. 63). Die Staatsanwaltschaft sowie der Privatkläger beantragen die Bestätigung des angefochtenen Entscheids (Urk. 56, Urk. 57, Urk. 68 und Urk. 69).

    3. Somit ist im Berufungsverfahren der Schuldspruch, die Strafe, die Genugtu- ung sowie die Kostenauflage (Dispositivziffern 1 bis 3 sowie 5 bis 7) angefochten, während Dispositivziffer 4 des vorinstanzlichen Urteils unangefochten blieb. Der Eintritt der Rechtskraft dieser Anordnung ist vorab festzustellen (Art. 399 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 402 und 437 StPO sowie Art. 404 StPO).

    4. In den übrigen Punkten steht der angefochtene Entscheid unter Vorbehalt des Verschlechterungsverbotes (Art. 391 Abs. 2 StPO) grundsätzlich zur Disposition. In den angefochtenen Punkten überpröft das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil umfassend (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO).

  3. Formelles

    1. Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, ohne dass dies explizit Erwähnung findet.

    2. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) folgt die Pflicht des Gerichts, seinen Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die wesentlichen überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stätzt. Es darf sich aber auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdRücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen. Es kann sich mithin auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Ebenso wenig lässt sich Art. 6 Ziff. 1 EMRK in der Weise auslegen, dass eine detaillierte Antwort auf jedes Argument gefordert würde (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249 E. 1.3.1; Urteil des

      Bundesgerichts 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.5.2, mit Hinweisen).

  4. Anklageprinzip

    1. Die Verteidigung rägt in ihrer BerufungsBegründung eine Verletzung des Anklageprinzips, indem sie geltend macht, dass man eine Substantiierung der mangelnden Aufmerksamkeit der Beschuldigten in der Anklageschrift vergebens suche. Die Staatsanwaltschaft habe sich damit begnügt, abstrakte, allgemein bekannte Verhaltensweisen des Strassenverkehrs widerzugeben, da ihre Untersuchung nichts Konkretes zu Tage gebracht habe. Es sei von der Staatsanwaltschaft nichts widergegeben worden, was tatsächlich für eine ungenügende Aufmerksamkeit, respektive eine tatsächliche Ablenkung der Beschuldigten spreche. An keiner Stelle enthalte die Anklageschrift konkrete Momente, welche aufzeigen würden, dass die Beschuldigte gegen diese unbestrittenen allgemeingültigen Verhaltensanforderungen effektiv verstossen habe (Urk. 63 Rz. 16 ff.). Bereits vor Vorinstanz rägte die Verteidigung eine Verletzung des Anklageprinzips (Urk. 40 S. 5 ff.; Prot. I S. 19 ff.).

    2. Die rechtlichen Grundlagen zum Anklageprinzip wurden von der Vorinstanz zutreffend wiedergegeben, weshalb darauf verwiesen werden kann (Urk. 50 E. II/3.2 S. 6).

    3. Die Rüge der Verteidigung ist unbegründet. Der zu prüfende Anklagesachverhalt wurde vorliegend als einmaliges Ereignis sowohl in örtlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht konkret und präzis umschrieben. So wird der Beschuldigten explizit vorgeworfen, sie habe bei aufgrund tageszeitbedingter Dunkelheit leicht eingeschränkter Sicht den Privatkläger, welcher die Strasse überquert habe, nicht wahrgenommen und somit nicht rechtzeitig gebremst, weshalb sie mit diesem kollidiert sei. Ungenügende Aufmerksamkeit auf den Strassenverlauf und die Verkehrsverhältnisse seien nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet, eine Kollision zu verursachen. Weiter wird der Beschuldigten in der Anklageschrift vorgeworfen, dass wenn sie sich genügend um die konkreten Strassenverhältnisse sowie den Strassenverlauf und die Verkehrsverhältnisse Gekümmert bzw. ausreichend auf die vor ihr liegende Strecke geachtet hätte wie sie dies als pflichtbewusste Fahrzeuglenkerin jederzeit hätte tun müssen und was ihr auch ohne Weiteres möglich gewesen wäre , sie es ohne Weiteres hätte vermeiden können, mit dem Privatkläger zu kollidieren, da sie ihn in

diesem Fall rechtzeitig wahrgenommen hätte, um entweder rechtzeitig zu bremsen ihm auszuweichen. Weiter wird in der Anklageschrift konstatiert, dass bei pflichtgemüssem bzw. verkehrsregelkonformem Verhalten der Beschuldigten, die Kollision mit dem Privatkläger sowie die dadurch verursachten Verletzungen vermeidbar gewesen wären (Urk. 25 S. 2 f.). Damit wird das pflichtwidrige Verhalten der Beschuldigten ausreichend umschrieben. Eine weitere Umschreibung durch die Staatsanwaltschaft wie die Beschuldigte den Privatkläger nicht wahrgenommen habe bzw. wie sie nicht rechtzeitig gebremst habe (mangelnde Aufmerksamkeit) war nicht notwendig. Den Vorwurf, den die Strasse überquerenden Privatkläger nicht wahrgenommen zu haben, geht offensichtlich mit dem Vorwurf einher, in pflichtwidriger Unvorsichtigkeit die C. -strasse in D. entlang gefahren zu sein, was zur Kollision mit dem Privatkläger gefährt habe. Dass und inwiefern der Beschuldigten eine wirksame Verteidigung nicht möglich gewesen sein sollte, ist unter dem Gesichtspunkt des Anklagegrundsatzes nicht ersichtlich. Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass das Anklageprinzip nicht verletzt ist.

II. Sachverhalt und rechtliche Würdigung
  1. Standpunkt der Parteien

    1. Anklagevorwurf

      Der Beschuldigten wird zusammengefasst vorgeworfen, dass sie am 19. Mai 2020 um ca. 23.00 Uhr ihren Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von mindestens 45 km/h auf der C. -strasse in D. gelenkt habe, wobei sie auf Höhe der Verzweigung obere F. -strasse mit dem Privatkläger welcher die Strasse (zu Fuss) überquert habe kollidiert sei, da sie diesen nicht wahrge- nommen habe und nicht rechtzeitig habe bremsen können. Bei der Kollision habe sich der Privatkläger u.a. diverse Frakturen im linken Fuss zugezogen, der mittlere Zeh seines linken Fusses habe in der Folge amputiert werden müssen, es seien drei Operationen notwendig gewesen, und der Privatkläger sei einen Monat hospitalisiert gewesen. Ungenügende Aufmerksamkeit auf den Strassenverlauf und die Verkehrsverhältnisse sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet, eine Kollision zu verursachen. hätte sich die

      Beschuldigte so der Vorwurf weiter genügend um die konkreten Strassenverhältnisse sowie den Strassenverlauf und die Verkehrsverhältnisse Gekümmert bzw. ausreichend auf die vor ihr liegende Strecke geachtet wie sie dies als pflichtbewusste Fahrzeuglenkerin jederzeit hätte tun müssen und was ihr auch ohne Weiteres möglich gewesen wäre , hätte sie es ohne Weiteres vermeiden können, mit dem Privatkläger zu kollidieren, da sie ihn in diesem Fall rechtzeitig wahrgenommen hätte, um entweder rechtzeitig zu bremsen ihm auszuweichen. Bei pflichtgemüssem bzw. verkehrsregelkonformem Verhalten der Beschuldigten wäre die Kollision mit dem Privatkläger sowie die dadurch verursachten Verletzungen des Privatklägers gemäss Anklageschrift somit vermeidbar gewesen.

      In rechtlicher Hinsicht wirft die Staatsanwaltschaft der Beschuldigten Fahrlässige Körperverletzung mit schwerer Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB vor (Urk. 25 S. 3).

    2. Standpunkt der Beschuldigten

      Die Beschuldigte stellt sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz habe ihrem Urteil einen falschen Unfallhergang zugrunde gelegt. Die Beschuldigte habe entgegen der Vorinstanz vor der Kollision gebremst und den Privatkläger davor frühzeitig erblickt und hierauf rasch mit einer (Voll-)Bremsung reagiert. Das diesbezügliche Abstellen der Vorinstanz auf die Aussagen der Beschuldigten namentlich, dass sie den Privatkläger, als dieser die Strasse überquert habe, nicht wahrgenommen habe, ihn erst unmittelbar vor resp. zum Zeitpunkt der Kollision bemerkt und im Abschluss gebremst habe sei verfehlt, da objektive Beweismittel (Spurenbericht des Forensischen Instituts Zürich) dies widerlegen würden, zumal die Beschuldigte in der ersten Einvernahme noch ausgesagt habe, dass sie den Privatkläger vor der Kollision gesehen habe. Ebenfalls sei die Vorinstanz beim Privatkläger von einem falschen Verletzungsbild ausgegangen. Die Vorinstanz habe zu Unrecht eine strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung auf Seiten der Beschuldigten ange- nommen und sei ohne sich auf hinreichende Beweise stätzen zu können von der Vermeidbarkeit des Unfalls aus Sicht der Beschuldigten ausgegangen. über- dies seien die Verletzungen des Privatklägers fälschlicherweise als schwere Körperverletzung qualifiziert worden (Urk. 63 Rz. 1 ff.; vgl. auch Urk. 73).

  2. Sachverhaltserstellung

    1. Grundsätze der BeweisWürdigung

      Was die Vorinstanz zu den massgebenden Grundsätzen der Sachverhaltserstellung und den BeweisWürdigungsregeln ausführt, ist zutreffend (Urk. 50 E. III/3

      S. 8 f.), weshalb zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darauf verwiesen werden kann.

    2. Massgebliche Beweismittel

      Die Vorinstanz hat die vorhandenen Beweismittel genannt und deren Inhalt mit Aus- nahme der nachfolgenden Bemerkungen umfassend und richtig wiedergegeben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 50 E. III/4.1-4.4 S. 9-11 sowie E. III/5.1-5.3 S. 12-14).

      Zur Fotodokumentation des Unfallorts gilt es entgegen der Vorinstanz festzuhalten, dass die Strasse auf Höhe des Unfallorts vierspurig ist. Es ist richtig, dass die Fahrbahnseite, auf welcher sich die Beschuldigte befand, aus zwei Spuren bestand und die Gegenfahrbahn aus einer Spur. Dazu ergänzend gilt es jedoch anzufügen, dass sich aus der Fotodokumentation weiter ergibt, dass sich neben der Gegenfahrbahn noch eine Bus-/Fahrradspur befindet (Urk. 9; vgl. auch die diesbezügliche Aussage der Beschuldigten Urk. 6 S. 11).

      Zu den ürztlichen Unterlagen des Privatklägers gilt es anzufügen, dass sich aus diesen ergibt, dass der Privatkläger nicht drei-, sondern viermal operiert werden musste. Zusätzlich zu den in den drei Operationsberichten vom 27. Mai 2020,

      2. Juni 2020 und 8. Juni 2020 aufgefährten Operationen ergibt sich aus dem Operationsbericht vom 27. Mai 2020, dass der Privatkläger erstmals bereits am

      20. Mai 2020 also direkt nach der Kollision operiert werden musste (Urk. 13/16; Urk. 16/13 An?sthesie).

    3. BeweisWürdigung äusserer Sachverhalt der Vorinstanz

      Die Vorinstanz erachtete den hier zu beurteilenden äusseren Sachverhalt gestützt auf die massgeblichen Beweismittel als erstellt (Urk. 50 E. III/5.4.2 a-d S. 15 f.).

      Unbestritten sei, dass die Beschuldigte am Dienstag, 19. Mai 2020, 23.00 Uhr, den Personenwagen Mazda mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h auf der C. _-strasse in D. in Richtung Autobahneinfahrt E. gelenkt habe. Ebenso unbestritten sei, dass es auf Höhe der Verzweigung obere F. -strasse zu einer Kollision zwischen dem Personenwagen der Beschuldigten und dem Privatkläger gekommen sei, als dieser die Strasse überquert habe. Weiter sei auch erstellt, dass sich der Privatkläger dabei diverse Frakturen im Bereich des linken Fusses zugezogen habe und dessen mittlerer Zeh des linken Fusses habe amputiert werden müssen (Urk. 50 E. III/2.1 S. 7).

      Die Beschuldigte habe konstant in all ihren Einvernahmen und damit glaubhaft zu Protokoll gegeben, dass sie den Privatkläger (etwas Weisses) erst unmittelbar vor, respektive im Zeitpunkt der Kollision (Knall, es habe gekl?pft) bemerkt und erst im Anschluss gebremst habe. Die Sachverhaltsvariante der Verteidigung, dass anhand des Spurenberichte des Forensischen Instituts Zürich erstellt sei, dass die Beschuldigte den Privatkläger früh wahrgenommen und darauf mit einer Vollbremsung reagiert habe, finde in den Aussagen der Beschuldigten keinerlei Stätze und erweise sich schlicht als aktenwidrig (Urk. 50 E. III/5.4.2 a S. 15).

      Weiter sei aufgrund der objektiven Beweismittel sowie der glaubhaften Aussagen der Beschuldigten erstellt, dass der Privatkläger von der Fahrerperspektive her von links nach rechts über die Strasse gelaufen sei und die Kollision mit dem Privatkläger im linken Eckbereich des Personenwagens der Beschuldigten und damit mitten auf der Strasse stattgefunden habe (Urk. 50 E. III/5.4.2 b S. 15).

    4. Würdigung äusserer Sachverhalt

      In Bezug auf die Fahrtrichtung und die Fahrgeschwindigkeit des Personenwagens der Beschuldigten, darauf, dass es auf Höhe der Verzweigung obere F. -strasse zu einer Kollision zwischen dem Personenwagen der Beschuldigten und dem Privatkläger gekommen ist, die Laufrichtung des Privatklägers (aus der Fahrerperspektive von links nach rechts über die Strasse) sowie den Kollisionsort (linker Eckbereich des Personenwagens) kann den von der Vorinstanz aus dem Beweismaterial gezogenen Schlüssen gefolgt werden (vgl. dazu Urk. 50 E. III/2.1

      S. 7, E. III/5.4.2 b S. 15). Mit der Verteidigung ist festzuhalten, dass sich aus dem

      Spurenbild ergibt, dass es vor der Kollisionsstelle des Privatklägers mit dem Personenwagen der Beschuldigten Bremsspuren gibt, die entgegen der Aussagen der Beschuldigten darauf hindeuten, dass die Beschuldigte allenfalls kurz vor der Kollision gebremst und den Privatkläger gegebenenfalls kurz vor der Kollision gesehen hat (Urk. 1 S. 2; Urk. 3 F/A 4 und 6; Urk. 4 F/A 12, 25 ff.; Urk. 6 S. 4,

      10, 13, 15; Urk. 9; Urk. 10 S. 7; Prot. I S. 13 f.). Wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, kommt diesem Umstand jedoch keine wesentliche Bedeutung zu bzw. kann die Beschuldigte nichts Wesentliches für sich daraus ableiten, da entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 63 Rz. 23 ff.) daraus nicht abgeleitet werden kann, dass die Beschuldigte den Privatkläger rechtzeitig gesehen hat (vgl. nachfolgend E. II/3.2.3 und 3.2.4).

      Der Umstand, dass sich der Privatkläger die in der Anklageschrift festgehaltenen Verletzungen bei der Kollision mit dem Personenwagen der Beschuldigten zuzog, ist bei der vorliegenden Beweislage sodann klar. Seine Verletzungen sind mit den Arztberichten rechtsgenügend erstellt (Urk. 13/10-13, Urk. 13/16; vgl. auch Urk. 16/13). Der äussere Sachverhalt ist somit erstellt.

      Im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte sind die Sachverhaltserstellung und die rechtliche Würdigung eng miteinander verwoben. Ob mit den vorliegenden Beweismitteln der für die rechtliche Würdigung relevante innere Sachverhalt, welcher die Frage mitumfasst, ob die Beschuldigte sich pflichtwidrig verhalten hat und das Unfallgeschehen für sie vorhersehbar und vermeidbar war, erstellt werden kann, wird daher im Folgenden gepröft.

  3. Rechtliche Würdigung (Fahrlässige Körperverletzung)

    Wer Fahrlässig einen Menschen am Körper an der Gesundheit schädigt, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft (Art. 125 Abs. 1 StGB). Ist die Schädigung schwer, so wird der täter von Amtes wegen verfolgt (Art. 125 Abs. 2 StGB). Dass der Privatkläger aufgrund der Kollision mit dem von der Beschuldigten gelenkten Fahrzeug die in der Anklageschrift aufgelisteten Verletzungen erlitten hat, steht ausser Diskussion.

    1. Schwere Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB

      1. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen zur schweren Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB zutreffend wiedergegeben, worauf vorab verwiesen werden kann (Urk. 50 E. IV/1.1 Abs. 2 und 3 S. 16 f.). In teilweiser Wiederholung und Ergänzung gilt anzufügen, dass eine Schädigung schwer im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB ist, wenn sie Art. 122 StGB entspricht (BGE 109 IV 18; Urteil des Bundesgerichts 6B_20/2021 vom 17. März 2021 E. 2.2). Den Tatbestand der schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB erfüllt unter anderem, wer den Körper, ein wichtiges Organ Glied eines Menschen verstümmelt ein wichtiges Organ Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeits- unfähig, gebrechlich geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt (lit. b) eine andere schwere Schädigung des Körpers der körperlichen geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht (lit. c).

      2. Als wichtige Glieder im Sinne von Art. 122 Abs. 2 aStGB (= Art. 122 lit. b StGB) gelten vor allem die Extremitäten wie Arme und Beine sowie Hände und Füsse, aber auch etwa Handgelenke. Unbrauchbar ist ein wichtiges Organ Glied nur, wenn es in seinen Grundfunktionen erheblich gesTürt ist. Eine nur leichte Beeinträchtigung genügt hingegen nicht, selbst wenn sie dauerhaft ist. Was die bleibende Arbeitsunfähigkeit betrifft, genügt es, wenn diese in der angestammten tätigkeit der verletzten Person besteht, zumal die in Art. 122 StGB vorausgesetzte Schwere der Körperverletzung auch aufgrund des Umstandes gegeben wäre, dass der verletzten Person dadurch ein Berufswechsel aufgezwungen wird. Die in Art. 122 Abs. 1 und 2 aStGB (= Art. 122 lit. a und b StGB) genannten Beeinträchtigungen haben beispielhaften Charakter. Als andere schwere Schädigung des Körpers der körperlichen geistigen Gesundheit im Sinne der Generalklausel von Art. 122 Abs. 3 aStGB (= Art. 122 lit. c StGB) kommt nur eine Beeinträchtigung in Frage, die mit den genannten Sachlagen in ihrer Schwere vergleichbar ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie mit einer langen Bewusstlosigkeit, einem schweren und lang dauernden Krankenlager, einem ausserordentlich langen Heilungsprozess einer Arbeitsunfähigkeit während eines grossen Zeitraumes verbunden ist. Im übrigen kann eine Kombination verschiedener Beeinträchtigungen, die für sich allein noch nicht als schwere Körperverletzung gelten, diese Qualifikation in der gesamtheitlichen Würdigung im Rahmen der Generalklausel nach Art. 122 Abs. 3 aStGB (= Art. 122 lit. c StGB) rechtfertigen. Der Begriff der schweren Körperverletzung ist mit Blick auf den Einzelfall auszulegen (Urteil des Bundesgerichts 6B_20/2021 vom 17. März 2021 E. 2.2 mit Hinweisen).

      3. Die Vorinstanz hat die Verletzungen des Privatklägers, die an ihm vorge- nommenen Operationen (mit der Ergänzung, dass der Privatkläger viermal operiert werden musste), die Dauer seines Spitalaufenthalts und seine Aussagen zu den Folgen der Kollision zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 50 E. IV/1.2 S. 17 ff.).

      4. Der Privatkläger erlitt gemäss erstelltem Sachverhalt sowie gemäss den Arztberichten durch die Kollision mehrere offene Frakturen am linken Fuss (Undislozierte Fraktur des Os cuboideum; Undislozierte subcapitale Fraktur des Os metatarsale V; Dislozierte Fraktur der Grundphalanx Dig. V; Dislozierte Fraktur der Grundphalanx Dig. IV; MehrfragmenTüre Fraktur der End- und Mittelphalanx Dig. III; Fraktur der Endphalanx Dig. III, IV und V; Urk. 13/11 S. 2). In der Folge musste der Privatkläger viermal operiert werden, wobei ihm auch der Digitus III des linken Fusses amputiert werden musste. Dass die Amputation des Digitus III auf die gesundheitliche Vorbelastung des Privatklägers zurückzuführen wäre wie von der Verteidigung vorgebracht (Urk. 63 Rz. 52 und 55) , ergibt sich aus den Akten nicht. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz, zur Wichtigkeit der Füsse und Zehen kann überdies vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 50 E. IV/1.2 S. 18). Mit der Vorinstanz ist der Zeh (vorliegend Digitus III des linken Fusses) als wichtiges Glied eines Menschen im Sinne von Art. 122 lit. b StGB zu qualifizieren. Durch die Kollision, welche unter anderem die Amputation des Zehs beim Privatkläger zur Folge hatte, wurde dieses wichtige Glied verstümmelt und auf Lebzeiten unbrauchbar gemacht, weshalb vorliegend entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 63 Rz. 48-55) eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 lit. b StGB zu bejahen ist. überdies gilt es anzufügen, dass sich die vorliegende Fussverletzung des Privatklägers auch unter die schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 lit. c StGB subsumieren liesse aufgrund der Kombination ver-

schiedener Beeinträchtigungen des Privatklägers. Der Privatkläger litt auch ein Jahr und knapp fänf Monate nach der Kollision an Krämpfen, Schmerzen (verbunden mit nächtlichem Aufwachen), GleichgewichtssTürungen, Ameisenlaufen und Schonhinken. Er berichtete auch davon, dass die Funktionen des Fusses nicht mehr die gleichen seien und er orthopädische Schuhe tragen müsse (Urk. 6 S. 4,

S. 15 ff., S. 19). Dies erstaunt nicht bei den zahlreichen Brächen im linken Fuss des Privatklägers sowie der Amputation seines Zehs. überdies musste er sich vier Operationen unterziehen, befand sich einen Monat im Spital und klagte auch weit über ein Jahr nach dem Unfall noch über Panikattacken (Urk. 6 S. 16). Des Weiteren musste eine Defektdeckung am linken Fuss des Privatklägers mittels Spalthauttransplantation vom linken Oberschenkel vorgenommen werden (Urk. 13/16).

    1. Fahrlässigkeit

      Gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB handelt Fahrlässig, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf keine Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt Fahrlässiges Handeln voraus, dass der täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat sowie, dass der Eintritt des Erfolgs vorhersehbar und vermeidbar war (vgl. BGE 135 IV 56 E. 2.1). Die Vorsicht, welche der täter zu beachten hat, besteht darin, entweder ein Risiko für strafrechtlich geschätzte Rechtsgüter überhaupt nicht einzugehen aber das höchstzulässige Risiko nicht zu überschreiten (BGE 134 IV 204). In erster Linie ist dabei von gesetzlichen Normen auszugehen, deren Schutzzweck in der Vermeidung der fraglichen Gefahren liegt. Diese gesetzliche Verhaltensregel ist sodann den persönlichen Verhältnissen sowie den konkreten Umständen des potentiellen täters anzupassen (vgl. OFK/StGB-DONATSCH, 21. Aufl., Art. 12 N 15 f.). Im Strassenverkehr richtet sich der Umfang der Sorgfalt, welche zu beachten ist, nach den Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) und der Verkehrsregelverordnung (VRV). Gemäss stündiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die übertretung

      einer solchen Vorschrift bei Eintritt eines entsprechenden tatbestandsmässigen Erfolgs regelmässig auch eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB dar (BGE 116 IV 306 E. 1a). Das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeuglenker verlangt wird, beurteilt sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 129 IV 282 E. 2.2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1125/2020 E. 4.3).

      1. Missachtung einer Sorgfaltspflicht

        1. Gemäss Art. 31 SVG muss der führer das Fahrzeug stündig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Beherrschen bedeutet, jederzeit in der Lage sein, auf jede Gefahr ohne Zeitverlust genügend schnell und zweckmässig zu reagieren. Dies verlangt, dass Fahrzeugführer jederzeit die volle Kontrolle über ihr Fahrzeug Ausüben und die Verkehrsregeln

          • beispielsweise Bremsen auf Sicht beachten können. Entsprechend muss der führer jederzeit in der Lage sein, auf selbst überraschende Verkehrsverhältnisse mit einer durchschnittlichen Reaktionszeit angemessen zu reagieren. Art. 3 VRV konkretisiert die Norm mit beispielhaften Sorgfaltspflichten. Der Fahrzeugführer muss gemäss Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr die erforderliche Aufmerksamkeit zuwenden (WEISSENBERG, Kommentar SVG, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2015, Art. 31 N 1).

        2. Wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, war die Sicht an besagtem Abend gut und das Verkehrsaufkommen gering, weshalb es der Beschuldigten nach den gesamten (konkreten) Umständen möglich gewesen wäre, den Privatkläger rechtzeitig auf der Strasse zu erblicken und ein entsprechendes Bremsoder Ausweichmanöver einzuleiten (vgl. nachfolgend E. II/3.2.3 und 3.2.4). Daraus sowie aus den Aussagen der Beschuldigten, dass sie den Privatkläger nicht bzw. erst kurz vor der Kollision wahrgenommen habe (Urk. 3 F/A 4 und 6; Urk. 6 S. 4, 10, 13, 15; Urk. 4 F/A 12, 25 ff.; Prot. I S. 13 f.), muss mit der Vorinstanz geschlossen werden (Urk. 50 E. IV/2.4.2), dass sich die Beschuldigte nicht aufmerksam genug auf die Strasse geachtet und den Privatkläger deshalb zu spät gesehen hat. Dass die Beschuldigte den Privatkläger nicht zu spät wahrgenommen hat und ein entsprechendes Bremsoder Ausweichmanöver zu spät eingeleitet hat, kann nicht an- ders als mangelnde Aufmerksamkeit und damit als Verstoss gegen die in Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 VRV statuierte Verhaltenspflicht gewertet werden.

        3. Zur Kollision kam es somit, weil die Beschuldigte den Privatkläger aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit nicht zu spät wahrnahm, und somit nicht mehr rechtzeitig bremsen ausweichen konnte. Dazu wäre sie aber gemäss den Regeln des Strassenverkehrsgesetzes bzw. der Verkehrsregelverordnung (Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV) verpflichtet gewesen.

      1. Vertrauensgrundsatz

        1. Nach dem Vertrauensgrundsatz darf jedermann davon ausgehen, dass sich seine Mitbürger pflichtgemäss verhalten. Dieses Prinzip wird für den Bereich des Strassenverkehrs aus Art. 26 SVG abgeleitet (DONATSCH/GODENZI/TAG, Strafrecht I, Verbrechenslehre, S. 369 f.). Gemäss Art. 26 Abs. 1 SVG muss sich im Verkehr jedermann so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemüssen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. Gemäss Art. 26 Abs. 2 SVG ist besondere Vorsicht gegenüber Kindern, Gebrechlichen und alten Leuten geboten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenutzer nicht richtig verhalten wird.

        2. Aus Art. 47 Abs. 1 und Abs. 5 VRV ergibt sich, dass vorliegend die Beschuldigte Vortritt hatte, da der Privatkläger die Strasse nicht auf einem Fussgängerstreifen überschritt und sich in Nächster Nähe der Kollisionsstelle eine Unterführung befand. Auf dem Weg zum Erreichen der Fahrspur der Beschuldigten hat der Privatkläger allenfalls sogar eine Sicherheitslinie überquert. Es stellt sich daher die Frage, ob die Beschuldigte damit rechnen musste, dass ihr der Privatkläger den Vortritt nicht lassen werde im Sinne von Art. 26 Abs. 2 SVG. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Privatkläger die ganze Strasse in einem Zug zu überqueren plante. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Zeuge G. den Privatkläger in zügigem Schritt die Strasse überqueren sah. Auch der Privatkläger selbst erklärte, dass er normal bzw. schnell über die Strasse gelaufen sei (vgl. zur Gehgeschwindigkeit des Privatklägers auch nachfolgend E. II/3.2.3.4). überdies

          war der Privatkläger bei überqueren der Strasse alkoholisiert (Blutalkoholwert zwischen 0,98 bis 1,08 Gewichtspromille, respektive einen Mittelwert von 1,03 Gewichtspromille; Urk. 12/5), was der Beschuldigten wenn sie diesen auf der Strasse rechtzeitig gesehen hätte gegebenenfalls aufgefallen wäre. Aufgrund des erkennbaren verkehrswidrigen Verhaltens des Privatklägers wäre die Beschul- digte trotz ihres Vortrittsrechts zum Bremsen bzw. Ausweichen verpflichtet gewesen, da sie davon hätte ausgehen müssen, dass sich der Privatkläger nicht richtig verhalten wird im Sinne von Art. 26 Abs. 2 SVG (vgl. dazu auch BGE 94 IV 140 E. 2). Etwas anderes ergibt sich aus den Akten nicht. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Beschuldigte den Privatkläger eben gerade nicht bzw. erst kurz vor der Kollision wahrgenommen hat (Urk. 3 F/A 4 und 6; Urk. 4 F/A 12, 25 ff.;

          Urk. 6 S. 4, 10, 13, 15; Prot. I S. 13 f.), weswegen sie sich gerade nicht darauf berufen kann, vom verkehrsregelkonformen Verhalten des Privatklägers ausgegangen zu sein.

      2. Vorhersehbarkeit

        1. Grundvoraussetzung für die Fahrlässigkeitshaftung bildet die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum Erfolg führenden Geschehensablüufe müssen für den konkreten täter mindestens in ihren wesentlichen zügen voraussehbar sein. Dabei muss in Beachtung der massgeblichen Adäquanz das fragliche Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens den eingetretenen Erfolg herbeizuführen mindestens zu begünstigen. Das Verhalten der beschuldigten Person braucht dabei nicht die einzige unmittelbare Ursache der Schädigung zu sein. Die Vorhersehbarkeit wird nur dann verneint, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände wie das Mitverschulden des Opfers als Mitursachen hinzutreten, mit denen die beschuldigte Person schlechthin nicht rechnen musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitver- ursachenden Faktoren namentlich das Verhalten der jeweiligen beschuldigten Person in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1093/2017 vom 25. April 2018 E. 1.3.2).

        2. Bei der C. -strasse (im Bereich der Verzweigung mit der oberen F. -strasse) in D. handelt es sich um eine vierspurige Strasse. Die Fahrbahnseite, auf welcher sich die Beschuldigte befand, besteht aus zwei Spuren. Die Gegenfahrbahn besteht aus einer Spur und daneben befindet sich eine Bus-/Fahrradspur (Urk. 9). Die C. -strasse verläuft vor dem Kollisionsort im Bereich der Verzweigung mit der oberen F. -strasse über mehrere hundert Meter gerade (vgl. zu den örtlichen Gegebenheiten: https://map.geo.admin.ch). Der Foto- dokumentation des Unfalls ist zu entnehmen, dass es sich bei der C. -strasse (im und vor dem Bereich des Kollisionsorts) um eine gut bzw. hell beleuchtete die Strassenbeleuchtung befindet sich mittig über den vier Strassenspuren und übersichtliche Strasse handelt (Urk. 9). Dies ist auch den Aussagen der Beschuldigten zu entnehmen, die die Verkehrsverhältnisse als trocken und die Sichtverhältnisse als klar bezeichnete. Es sei zwar dunkel, die Strasse aber beleuchtet gewesen. An das Verkehrsaufkommen an besagtem Abend vermochte sich die Beschuldigte nicht zu erinnern (Urk. 6 S. 8; Prot. I S. 10 ff.). Auch der Privatkläger berichtete, dass die Kollision mitten in der Stadt erfolgt sei und die Strasse gut beleuchtet gewesen sei. Die Verkehrsverhältnisse seien ruhig und die Sichtverhältnisse gut bzw. hell beleuchtet gewesen (Urk. 8 S. 8 und S. 18). Auch der Zeuge G. führte aus, dass die Sichtverhältnisse gut und die Strasse hell (beleuchtet) gewesen seien. Auf die Verkehrsverhältnisse angesprochen, erklärte der Zeuge G. , dass es gar keinen Verkehr gehabt habe bzw. nur sehr selten Autos durchgefahren seien (Urk. 8 F/A 14 ff.). Weitere Lichtquellen an der Unfallürtlichkeit waren die hell beleuchtete Tankstelle, die beim Eingangsbereich beleuchtete Unterführung sowie die Bushaltestelle (Urk. 9 Bild 2). Auch war das Autolicht des Personenwagens der Beschuldigten eingeschaltet (Urk. 3 F/A 21). Dass die Sichtverhältnisse trotz später Stunde gut bzw. die Strasse hell beleuchtet und das Verkehrsaufkommen gering bzw. kaum vorhanden gewesen sein musste, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Zeuge G. einen Mann (aus der Nähe dann als den Privatkläger erkannt) vom Fussgängerstreifen beim Restaurant Industriehalle aus einer Distanz von rund 70 Metern die Strasse überqueren sah (vgl. zu den örtlichen Gegebenheiten bzw. den Distanzen: https://map.geo.admin.ch; vgl. auch Urk. 7 F/A 3 f., Urk. 8 F/A 11).

        3. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es sich im Bereich (vor) der Kollisionsstelle nicht um eine ausserordentliche Verkehrssituation handelte, in welcher die Anforderungen an die menschliche Beobachtungs- und Reaktionsfühigkeit der Beschuldigten überspannt worden wäre (Urk. 50 E. IV/2.4.2 S. 25 mit Verweis auf BGE 103 IV 101; vgl. dazu auch BGE 104 IV 28 E. 2). In der Tankstelle

          • welche sich im rechten Blickfeld der Beschuldigten befand ist überdies keine konkrete Gefahrenquelle zu erblicken, weshalb die Beschuldigte nicht von der Pflicht entbunden gewesen wäre, sämtliche Vorgänge auf der Strasse zu beobachten (vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 6B_867/2009 vom 3. Dezember 2009 E. 5.5.1 und 5.4). überdies gilt anzufügen, dass die Beschuldigte diesbezüglich erklärte, dass sie lediglich kurz mit den Augen rechts zur Tankstelle geschaut und den Kopf dafür nicht gedreht habe (Urk. 3 F/A 4, Urk. 6 S. 4), ihre Aufmerksamkeit somit nicht durch die Tankstelle absorbiert war. Auch sonstige Gefahrenquellen, welche der Beschuldigten besondere Aufmerksamkeit abverlangt hätten, sind im Bereich (vor) der Kollisionsstelle nicht ersichtlich.

        4. Die drei Fahrspuren (inkl. Bus- und Fahrradspur), welche der Privatkläger überqueren musste, um auf die Fahrbahn zu gelangen, auf welcher die Beschul- digte ihren Personenwagen fuhr, waren mindestens 11 Meter breit (vgl. zu den ürtlichen Gegebenheiten bzw. den Distanzen: https://map.geo.admin.ch). Auf Frage, wie schnell er über die Strasse gegangen sei, erklärte der Privatkläger, dass er ganz normal gegangen sei (Urk. 5 F/A 14). In der Konfrontationseinvernahme erklürte der Privatkläger, dass er in seinem Tempo, schnell eigentlich, rüber gelaufen

          sei (Urk. 6 S. 8). Der Zeuge G.

          erklärte in der polizeilichen Einvernahme,

          dass der Privatkläger zügig unterwegs gewesen sei (Urk. 7 F/A 10). Diese Aussage relativierte er in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme, wo er erklärte, dass sich der Privatkläger normal, weder schnell noch langsam, bewegt habe (Urk. 8 F/A 20). Beim Privatkläger handelt es sich um einen zum Kollisionszeitpunkt 58jährigen Mann. Zu seinen medizinischen Leiden bzw. Vorerkrankungen zählten zum damaligen Zeitpunkt u.a. chronische Bronchitis, eine posttraumatische BelastungssTürung, Alkoholabusus, Diabetes und eine (noch nicht entdeckte) Krebserkrankung (Urk. 13/15). Die Blutalkoholanalyse des Privatklägers vom 20. Mai 2020 ergab, dass der Privatkläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 01.00 Uhr einen

          Blutalkoholwert zwischen 0,98 bis 1,08 Gewichtspromille, respektive einen Mittelwert von 1,03 Gewichtspromille aufwies (Urk. 12/5). Der Privatkläger ist überdies Raucher und 1,76 Meter gross (Urk. 13/11 S. 11). Von einer Höheren Gehgeschwindigkeit des zum Zeitpunkt der Kollision bereits gesundheitlich angeschlagenen und betrunkenen Privatklägers als 1,5 m/s bzw. 5,4 km/h ist nicht auszugehen, entsprechen doch 5,4 km/h einem zügigen Gehen (vgl. dazu Urteil des Bun- desgerichts 6B_493/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 4.4). Der Privatkläger war bei einer Gehgeschwindigkeit von 1,5 m/s bzw. 5,4 km/h mindestens 7,33 Sekun- den auf der Strasse unterwegs (bei geradem überqueren der Strasse), bis er die Fahrspur des Personenwagens der Beschuldigten erreichte. Bei leicht schRügem überqueren der Strasse würde sich die Strecke und somit die Zeit und Sichtbarkeit des Privatklägers auf der Strasse entsprechend verlängern. Der vollständigkeit halber und als Anschauungsbeispiel gilt anzufügen, dass sich bei einer schnellen Gehgeschwindigkeit des Privatklägers von 2 m/s bzw. 7,2 km/h die Zeit des Privatklägers auf der Strasse (bis zum Erreichen der Fahrspur des Personenwagens der Beschuldigten) auf 5,5 Sekunden reduzieren würde.

        5. Der Anhalteweg eines Personenwagens besteht aus dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Vorliegend ist mit der Verteidigung von einer Reaktionszeit der Beschuldigten von einer Sekunde auszugehen (vgl. dazu BGE 115 II 283 E. 1a; Urteil des Bundesgerichts 6B_493/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 4.3.1). Zur Reaktionszeit ist die sogenannte Bremsschwellzeit (Zeit vom Beginn der Bremswirkung bis zum Beginn der Blockieroder Regelspurzeichnung) von 0,2 Sekunden hinzuzurechnen (Urteile 6B_533/2012 vom 25. Januar 2013 E. 1.5; 6B_493/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 4.3). Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 45 km/h wie von der Beschuldigten selbst geltend gemacht (Urk. 3 F/A 4 und 7; Urk. 6 S. 4) ergibt dies ein Reaktionsweg (inkl. Bremsschwellzeit) von 15 Meter (45 km/h = 12,5 m/s; 12,5 Meter x 1,2 Sekunden). Der gesetzliche Mindestverzögerungswert für Personenwagen beträgt 5,8 m/s2 (vgl. dazu die Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge vom 19. Juni 1995, Anhang 7). Der gesetzliche Mindestverzögerungswert dürfte zwar bei vielen modernen Personenwagen übertroffen werden (vgl. dazu beispielsweise SCHAFFHAUSER/PETER, Strassenverkehr: Wie das Bundesgericht Anhaltewege berechnet, in: Jusletter

          10. Juni 2013, Rz. 13). Da der Beschuldigten aber bei der vorliegenden Beweislage nichts anderes nachgewiesen werden kann, muss von einer Bremsverzögerung von 5,8 m/s2 ausgegangen werden, da die Strassenverhältnisse trocken waren und sich vorliegend aus den Akten auch sonst nichts ergibt, was für eine geringere Höhere Bremsverzögerung sprechen würde (act. 6 S. 8; vgl. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 6B_493/2011 vom 12. Dezember 2011 E. 4.3.3). Der Bremsweg beträgt vorliegend bei einer Bremsverzögerung von 5,8 m/s2 rund 13,47 Meter [(12,5)2 / (2 x 5,8 m/s2)] und dauerte 2,155 Sekunden (12,5 m/s : 5,8 m/s2). Der Anhalteweg bei der vorliegenden Ausgangslage beträgt somit 28,47 Meter (15 Meter Reaktionsweg und 13,47 Meter Bremsweg) und dauerte 3,355 Sekunden (1,2 Sekunde Reaktionszeit [inkl. Bremsschwellzeit] sowie 2,155 Sekunden Bremszeit; vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6B_533/2012 vom 25. Januar 2013 E. 1.5 sowie OFK SVG-GIGER Art. 32 N 8 ff.).

        6. Ausgehend von einer Gehgeschwindigkeit von 1,5 m/s muss sich der Privatkläger 3,355 Sekunden (Zeit des Anhaltewegs) vor der Kollision bzw. zum letztmöglichen Bremszeitpunkt der Beschuldigten gut 5 Meter von der Kollisionsstelle entfernt befunden haben, demnach bereits in der Mitte der Gegenfahrbahn. Ausgehend von einer Gehgeschwindigkeit des Privatklägers von 2 m/s würde die Distanz 6,71 Meter betragen, dann hätte sich der Privatkläger am Ende der Busspur bzw. am Anfang der Gegenfahrbahn befunden (vgl. zu den örtlichen Gegebenheiten: https://map.geo.admin.ch).

        7. Aufgrund der guten Sichtverhältnissen und dem geringen Verkehrsaufkommen hätte die Beschuldigte den Privatkläger aber bereits, als dieser die Bus-/Fahrradspur betrat, bemerken müssen. Der Privatkläger befand sich unter BeRücksichtigung einer zügigen Gehgeschwindigkeit mindestens 7,33 Sekunden bis zur Kollisionsstelle auf der Strasse. Bei der Dauer des Anhalteweg des Perso- nenwagens der Beschuldigten von 3,355 Sekunden hätte die Beschuldigte somit genügend Zeit gehabt, Nämlich 3,975 Sekunden (7,33 Sekunden - 3,355 Sekun- den), den Privatkläger beim Betreten der Strasse (auf der Bus-/Fahrradspur) und spätestens inmitten der Gegenfahrbahn wahrzunehmen und mit einem entsprechenden Bremsoder Ausweichmanöver zu reagieren. Zum Zeitpunkt, als der

          Privatkläger die Strasse betrat, hätte sich die Beschuldigte bei in der Folge vollständiger Bremsung ihres Personenwagens 78,15 Meter (3,975 x 12,5 + 28,47 Meter) von der Kollisionsstelle entfernt befunden. Ein rechtzeitiges Wahr- nehmen des Privatklägers auf der Strasse und Einleiten eines Bremsoder Ausweichmanövers der Beschuldigten wäre dieser sogar dann möglich gewesen, wenn der Privatkläger wovon nicht auszugehen ist sich mit schneller Gehgeschwindigkeit (2 m/s bzw. 7,2 km/h) auf die Strasse bewegt hätte. Auch dann wären der Beschuldigten noch 2,145 Sekunden geblieben, um den Privatkläger auf der Strasse wahrzunehmen und mit einem Bremsoder Ausweichmanöver zu reagieren (5,5 Sekunden - 3,355 Sekunden; bei einer Entfernung der Beschul- digten von der Kollisionsstelle von 55,28 Metern bei Betreten der Strasse durch den Privatkläger [2,145 Sekunden x 12,5 m/s + 28,47 Meter]).

        8. Eine Sichtverdeckung durch die A-Säule wie von der Beschuldigten und von der Verteidigung vorgebracht (Urk. 4 F/A 26, Urk. 6 S. 10, Urk. 63 Rz. 63; Prot. I S. 14) erscheint vorliegend nicht plausibel. Die Beschuldigte fuhr mit ihrem Personenwagen auf einer über mehrere hundert Meter gerade verlaufenden Strasse mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Zum Zeitpunkt des Betretens der Strasse (auf der Bus-/Fahrradspur) durch den Privatkläger befand sich die Beschul- digte zwischen 78.15 Meter (bei Annahme einer vollständigen Bremsung des Personenwagens der Beschuldigten) und 91.625 Meter (bei ungebremster Fahrt des Personenwagens der Beschuldigten bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h; 7,33 x 12,5) und der Privatkläger mindestens 11 Meter von der Kollisionsstelle entfernt. Zum letztmöglichen Bremszeitpunkt der Beschuldigten befand sich diese 28,47 Meter und der Privatkläger gut 5 Meter von der Kollisionsstelle entfernt (vgl. vorstehend E. II/3.2.3.4 ff.). Der tote Winkel der linken A-Säule wie vorliegend geltend gemacht wäre bei sich näher befindlichen Personen Objekten im linken Sichtfeld der Beschuldigten relevant, beispielsweise beim Linksabbiegen, beim (Links-)Kurvenfahren, wenn der Winkel aufgrund geringerer Distanz zwischen dem Personenwagen der Beschuldigten und dem Privatkläger im relevanten Distanzbereich weniger spitz gewesen wäre. Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht zu beurteilen, weswegen eine Sichtverdeckung durch die A-Säule des Personenwagens der Beschuldigten im Einklang mit den vorinstanzlichen Erwägungen nicht in Betracht kommt (vgl. dazu Urk. 50 E. IV/2.4.2 Abs. 3 S. 25 f.).

        9. Der Privatkläger überquerte die Strasse zügig, um zur auf der gegenüberliegenden Strassenseite befindlichen Tankstelle zu gelangen, obwohl sich gleich bei der Unfallürtlichkeit eine Unterführung befand. Dass Personen jedoch innerorts

          • insbesondere im Stadtgebiet, zu später Stunde, wenn das Verkehrsaufkommen gering ist, die Sicht aber gut und sich auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine Tankstelle befindet die Strasse ausserhalb der dafür vorgesehenen Stellen überqueren, ist nicht derart aussergewöhnlich, dass die Beschuldigte damit schlechthin nicht hätte rechnen müssen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Privatkläger beim überqueren der Strasse alkoholisiert war. Das Mitverschulden des Privatklägers ist durchaus vorhanden, es wiegt aber nicht derart schwer, als dass es das Verhalten der Beschuldigten in den Hintergrund zu drängen vermag.

        10. Die unaufmerksame Fahrweise der Beschuldigten war nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet, zur Kollision und den schweren Körperverletzungen des Privatklägers zu führen. In einer übersichtlichen Verkehrssituation insbesondere im Stadtgebiet, in der Nähe einer Tankstelle, zu später Stunde, mit guter Sicht und reduziertem Verkehrsaufkommen muss damit gerechnet werden, dass nicht vortrittsberechtigte Personen die Strasse überqueren. Auch war der Beschuldigten klar, dass es zu einer Kollision und zu den schweren Verletzungen des Privatklägers kommt, wenn sie diesen mangels genügender Aufmerksamkeit zu spät nicht wahrnimmt und deshalb das Bremsoder Ausweichmanöver zu spät einleitet. Entgegen dem Einwand der Verteidigung erscheint das Verhalten des Privatklägers nicht derart aussergewöhnlich, dass es den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Beschuldigten (fehlende Aufmerksamkeit) und deren Folgen unterbricht (vgl. Urk. 63 Rz. 66 ff.).

      1. Vermeidbarkeit

        1. Der Erfolg wäre vermeidbar gewesen, wenn er nach dem hypothetischen Kausalverlauf bei pflichtgemüssem Verhalten der Beschuldigten ausgeblieben wäre (Urteil des Bundesgerichts 6B_250/2012 vom 1. November 2012 E. 3.2.1) beziehungsweise wenn die Beschuldigte grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, durch ihr Verhalten den Eintritt des voraussehbaren Erfolgs zu vermeiden (DONATSCH/GODENZI/TAG, Strafrecht I, Verbrechenslehre, S. 379 f.).

        2. Dass die Sichtverhältnisse am Abend des Vorfalles gut und die Strassenverhältnisse trocken bzw. das Verkehrsaufkommen gering gewesen sein müssen, wurde vorstehend bereits dargelegt. Auch auf die vorstehenden Erwägungen zum Anhalteweg des Personenwagens der Beschuldigten, zur Gehgeschwindigkeit des Privatklägers sowie zur Dauer des Privatklägers auf den drei Strassenspuren, bis zum Erreichen der Kollisionsstelle, kann verwiesen werden (vgl. vorstehend

E. II/3.2.3). Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Privatkläger für das überqueren der drei Strassenspuren bis zur Kollisionsstelle mindestens 7,33 Sekunden benötigte und der Anhalteweg der Beschuldigten 3,355 Sekunden gedauert hätte. Der Beschuldigten wären somit 3,975 Sekunden zur Verfügung gestanden, um den Privatkläger bei Betreten der Strasse (auf der Bus/Fahrradspur) und spätestens inmitten der Gegenfahrbahn wahrzunehmen und mit einem entsprechenden Bremsoder Ausweichmanöver zu reagieren. Von einer Sichteinschränkung der Beschuldigten ist nicht auszugehen und die Sichtverhältnisse waren gut, weshalb die Beschuldigte den Privatkläger während den gesamten ihr zur Verfügung stehenden 3,975 Sekunden auf der Strasse hätte wahrnehmen können. Der Beschuldigten wäre somit eine vollständige Bremsung ihres Personenwagens vor der Kollision mit dem Privatkläger möglich gewesen, womit sie die Kollision mit dem Privatkläger und dessen Verletzungsfolgen hätte vermeiden können, wenn sie diesen rechtzeitig wahrgenommen hätte. Vor diesem Hintergrund ist es sodann auch unerheblich, ob die Beschuldigte den Privatkläger allenfalls kurz vor der Kollision gesehen und gegebenenfalls kurz vor der Kollision ein Bremsmanöver eingeleitet hat (wie von der Verteidigung in Urk. 63 Rz. 23 ff. vorgebracht).

4. Fazit

Zusammenfassend sind vorliegend sämtliche Tatbestandsmerkmale der fahrlässigen Körperverletzung mit schwerer Schädigung erfüllt. Rechtfertigungs- und SchuldausschlussGründe sind keine ersichtlich. Die Beschuldigte ist daher der fahrlässigen Körperverletzung mit schwerer Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen.

III. Sanktion
  1. Ausgangslage, Strafrahmen, Grundsätze der Strafzumessung, Strafart

    1. Die Vorinstanz bestrafte die Beschuldigte mit einer (bedingten) Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70 (Urk. 50 S. 36).

      Da einzig die Beschuldigte Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil erhob, fällt aufgrund des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) eine strengere Bestrafung von vornherein ausser Betracht.

    2. Die Vorinstanz hat den für Art. 125 Abs. 1 StGB (in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB) angedrohten Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe korrekt abgesteckt und zutreffend festgehalten, dass vorliegend kein Anlass besteht, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen (Urk. 50 E. V/1 S. 27).

    3. Auch die Erwägungen der Vorinstanz zu den allgemeinen Strafzumessungsregeln (Urk. 50 E. V/3 S. 27 f.) brauchen nicht wiederholt zu werden. In teilweiser Wiederholung sowie Ergänzung dazu gilt es anzufügen, dass das Gericht innerhalb des Strafrahmens die Strafe nach dem Verschulden zumisst. Bei Fahrlässigkeits- delikten ist in erster Linie massgebend, wie krass der täter gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verstossen hat: Gleichgültiges, leichtfertiges Rücksichtsloses Verhalten wiegt offenkundig schwerer als blosse Unachtsamkeit eine Fehlreaktion, wie sie jedermann gelegentlich unterlaufen kann. Der Grad des Sorgfaltsverstosses hängt dabei, wie die Fahrlässigkeit überhaupt (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB), nicht nur von den äusseren Umständen, sondern auch von

      den persönlichen Fähigkeiten des täters ab. Das Verschulden ist umso Grösser, je leichter es für ihn gewesen wäre, die Rechtsgutsverletzung zu vermeiden, und umgekehrt (STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 3. Aufl., Bern 2020, 5 N 28).

    4. Vorab kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz zur Strafart verwiesen werden (Urk. 50 E. V/2 S. 27). In Ergänzung dazu gilt es anzufügen, dass nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit bei alternativ zur Verfügung stehenden Sanktionen im Regelfall diejenige gewöhlt werden soll, die weniger stark in die persönliche Freiheit der Betroffenen eingreift, bzw. die sie am wenigsten hart trifft (BGE 138 IV 120 E. 5.2; BGE 134 IV 97 E. 4.2.2 und BGE 134 IV 82 E. 4.1), wobei

      eine Geldstrafe im Verhältnis zur Freiheitsstrafe milder wirkt. Massgebend ist auch die Zweckmässigkeit der Sanktion bzw. ihre Auswirkung auf den täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz (BGE 134 IV 97 E. 4.2).

      Die Beschuldigte ist nicht vorbestraft und seit dem hier thematisierten Vorfall strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten (vgl. Urk. 53). Der Aussprechung einer Freiheitsstrafe würde zum einen das Verschlechterungsverbot entgegenstehen, sodann erscheint eine solche mit der Vorinstanz von vornherein als nicht geboten, um die Beschuldigte von weiteren Straftaten abzuhalten.

  2. Tatverschulden

    1. Objektive Tatschwere

      Der Privatkläger zog sich zufolge der Kollision mit dem Personenwagen der Beschuldigten wie vorstehend dargelegt (vgl. vorstehend E. II/3.1.5) mehrere Frakturen am linken Fuss zu. Ein Zeh seines linken Fusses musste amputiert werden und der Privatkläger litt mindestens ein Jahr und knapp fänf Monate nach dem Unfall noch immer an GleichgewichtssTürungen, Schonhinken, Krämpfen und Ameisenlaufen. Diese Verletzungen sind am unteren Rand des Denkbaren bei schweren Körperverletzungen einzustufen. Weiter ist festzuhalten, dass die Beschuldigte, indem sie die ihr im Strassenverkehr obliegende pflichtgemüsse Aufmerksamkeit gegenüber dem Privatkläger missachtete, eine wichtige Verhaltensnorm verletzte. Aufgrund ihrer Unachtsamkeit bemerkte sie den Privatkläger zu sp?t, kollidierte mit diesem und überrollte seinen linken Fuss hernach mit dem linken Vorderrad ihres Personenwagens. Bei pflichtgemüsser Aufmerksamkeit hätte sie den Privatkläger auf der Strasse erblicken und rechtzeitig bremsen können, so dass die Kollision und das überrollen des Fusses des Privatklägers und damit dessen schwere Verletzung hätten verhindert werden können. Die Unaufmerksamkeit hinsichtlich der Geschehnisse auf der Strasse dauerte allerdings nur wenige Sekunden, weshalb von einer minderschweren Pflichtverletzung und jedenfalls nicht von einem Rücksichtslosen Verhalten zu sprechen ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Privatkläger die Strasse unvermittelt, mit anderen Worten ohne sich auf herannahenden Verkehr zu achten und in angetrunkenem Zustand, betreten und bis zur Kollisionsstrassenspur mutmasslich eine Sicherheitslinie überquert hat. überdies fand die Kollision zu später Stunde statt. Die Beleuchtungsverhältnisse waren zwar gut, diese sind aber nicht mit der aufgrund des Sonnenlichts zu Tageszeit herrschenden Sichtbarkeit vergleichbar. Der Privatkläger trug an besagtem Abend ein blaues Hemd und blau/weisse Shorts (Urk. 10), was die Sichtbarkeit des Privatklägers auf der Strasse erschwert haben dürfte. Auch hat der Privatkläger nicht die sich direkt bei der Unfallürtlichkeit befindliche Unterführung verwendet. Ein überqueren der Strasse durch Fussgänger an der Unfallstelle dürfte aufgrund der sich dort befindlichen Unterführung verhältnismässig selten sein. In Anbetracht des Dargelegten und des gesamten Spektrums möglicher Fahrlässiger Körperverletzungsdelikte (mit schwerer Schädigung) liegt in objektiver Hinsicht ein leichtes Verschulden vor.

    2. Subjektive Tatschwere

      Die Beschuldigte handelte Fahrlässig. Dieser Umstand verringert jedoch die Tatschwere nicht erheblich, da dieser Tatsache bereits im deutlich tieferen Strafrahmen des Tatbestands Rechnung getragen wird. Auch wenn der Beschuldigten kein grobFahrlässiges Handeln anzulasten ist, stellt es doch eine erhebliche Pflichtverletzung dar, dass die Beschuldigte den Privatkläger nicht rechtzeitig bemerkte und nicht rechtzeitig ein Bremsmanöver einleitete auswich. Die subjektiven

      Verschuldensaspekte vermögen somit das objektive Tatverschulden nicht zu relativieren, weshalb es bei einem leichten Tatverschulden bleibt.

    3. Einsatzstrafe

      Das Tatverschulden ist nach dem Gesagten als leicht zu qualifizieren. Eine hypothetische Einsatzstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens von 80 Tagessätzen Geldstrafe erscheint vorliegend mit der Vorinstanz als angemessen.

  3. täterkomponenten

    1. Was die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten anbelangt, kann auf die Ausführungen der Vorinstanz (Urk. 50 E. V/5.1 S. 29) verwiesen werden. Ergänzend dazu gilt es anzufügen, dass die Beschuldigte seit 1. April 2023 nur noch in einem 60 % Pensum bei der H. AG tätig ist, dabei ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von Fr. 2'644.15 erzielt und daneben die Einzelfirma I. aufbaut. Der Mietzins beträgt noch immer Fr. 1'180 pro Monat und die Krankenkassenprämie Beläuft sich auf monatlich Fr. 325.80 (Urk. 63 Rz. 78. Urk. 64/2 und 64/6). Eine gesteigerte Strafempfindlichkeit weist die Beschuldigte nicht auf. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Lebensgeschichte der Werdegang der Beschuldigten Auswirkungen auf die Strafzumessung zeitigen sollten. Aus der Biografie und den persönlichen Verhältnissen der Beschuldigten lassen sich mit der Vorinstanz keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ableiten.

    2. Auch die Vorstrafenlosigkeit der Beschuldigten (Urk. 53) ist mit der Vorinstanz (Urk. 50 E. V/5.2 S. 29) als strafzumessungsneutral zu bewerten.

    3. Zum Nachtatverhalten kann sodann angefährt werden, dass die Beschuldigte sich zwar keiner Schuld im rechtlichen Sinne bewusst ist, sie sich indessen in Bezug auf den äussern Sachverhalt teilweise gestündig zeigte bzw. zur Klürung des Unfallhergangs beitrug und sich anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung von den Folgen des Unfalls für den Privatkläger betroffen zeigte (Prot. I S. 16,

      S. 23; gleich auch die Vorinstanz in Urk. 50 E. V/5.3 S. 29), was leicht strafmindernd im Umfang von 10 Tagessätzen zu berücksichtigen ist.

    4. Mit der Vorinstanz ist die Strafe unter dem Titel der Verletzung des Beschleu- nigungsgebots aufgrund der langen Verfahrensdauer leicht, im Umfang von 10 Tagessätzen, zu reduzieren.

  4. Zwischenfazit

    In Anbetracht aller relevanten StrafzumessungsGründe erscheint in Würdigung der objektiven und subjektiven Komponenten der begangenen Straftat sowie in BeRücksichtigung der täterkomponenten für die Fahrlässige Körperverletzung mit schwerer Schädigung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen angemessen.

  5. Tagessatzhöhe

    Um Wiederholungen zu vermeiden, kann einleitend auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu den rechtlichen Grundlagen hinsichtlich der Bemessung der Tagessatzhöhe verwiesen werden (Urk. 50 E. V/8.1 S. 30). Nochmals hervorzuheben ist, dass das Gericht die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und finanziellen Verhältnissen des täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, Allfälligen Familien- und Unterstätzungspflichten sowie nach dem Existenzminimum bestimmt (Art. 34 Abs. 2 StGB). Die Vorinstanz setzte den Tagessatz auf Fr. 70 fest, unter BeRücksichtigung der damaligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschuldigten sowie deren Lebensaufwand (vgl. Urk. 50 E. V/8.2 S. 30). Wie vorstehend dargelegt hat die Beschuldigte ihr Arbeitspensum bei der H. GmbH (freiwillig) auf 60 % re- duziert und erzielt deshalb ein tieferes monatliches Nettoerwerbseinkommen. Aufgrund der freiwilligen Reduktion des Einkommens und obwohl ihr eine 100 % Erwerbstätigkeit noch immer zumutbar wäre, ist vorliegend noch immer vom (nunmehr hypothetischen) Erwerbseinkommen der Beschuldigten vor Vorinstanz von Fr. 4'297.50 auszugehen (vgl. dazu BGE 134 IV 60 E. 6.1). Somit erweist sich die von der Vorinstanz festgesetzte Tagessatzhöhe von Fr. 70 noch immer als angemessen (vgl. Urk. 50 E. V/8.2 S. 30).

  6. Vollzug der Geldstrafe

    Der bedingte Vollzug der Geldstrafe steht nur schon wegen des Verschlechterungsverbots, aber auch wegen der in Nachachtung von Art. 42 Abs. 2 StGB zu vermutenden günstigen Prognose nicht zur Diskussion. Unter diesen Umständen kann der Beschuldigten vorbehaltlos eine gute Prognose gestellt werden, weshalb eine Probezeit von 2 Jahren als angemessen erscheint.

  7. Fazit

Im Ergebnis ist die Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70 zu bestrafen, deren Vollzug bedingt aufzuschieben ist bei einer Probezeit von 2 Jahren.

  1. ZivilAnsprüche

    Die Vorinstanz hat die Genugtuungsforderung des Privatklägers in der Höhe von Fr. 10'000 mit der Zusprechung von Fr. 1'500 reduziert (jeweils zuzüglich Zins; Urk. 50 E. VII/2.3 S. 34 f.).

    Die allgemeinen Voraussetzungen und gesetzlichen Grundlagen für die Beurteilung der Genugtuungsforderung wurden durch die Vorinstanz korrekt wiedergegeben (Urk. 50 E. VII/1 S. 31 ff.).

    Daran, dass dem Privatkläger angesichts der durch den Beschuldigten verursachten Unbill grundsätzlich eine Genugtuung zusteht, bestehen keine Zweifel.

    Gefolgt werden kann der Vorinstanz bezüglich ihres schlüssig begründeten Entscheids, dem Privatkläger eine reduzierte Genugtuung von Fr. 1'500 zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 19. Mai 2020 zuzusprechen (vgl. Urk. 50 E. VII/2.3

    S. 34 f.). BeRücksichtigt man die von der Vorinstanz dargelegten Faktoren (vgl. Urk. 50 E. VII/2.3 S. 34 f.), worauf verwiesen werden kann, erweist sich eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 1'500 zuzüglich Zins zu 5 % ab 19. Mai 2020 als angemessen, weshalb die Beschuldigte entsprechend zu verpflichten ist.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens

    Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 6 und 7) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO). Entgegen der Ansicht der Verteidigung ist das erstinstanzliche Kostendispositiv auch in Bezug auf die vorläufige Kostentragung der Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers durch die Gerichtskasse, verbunden mit dem Nachforderungsvorbehalt gegenüber der Beschuldigten, zu bestätigen (vgl. Urk. 63 Rz. 85).

  2. Kosten des Berufungsverfahrens / Prozessentschädigung

Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'600 festzusetzen ( 2 Abs. 1 lit. b, c und d, 14 Abs. 1 lit. b sowie 16 Abs. 1 GebV OG).

Im Berufungsverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Beschuldigte unterliegt mit ihren BerufungsAnträgen vollumfänglich, weshalb ihr die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen sind. Ausgangsgemäss ist der Beschuldigten auch keine Prozessentschädigung zuzusprechen (vgl. Urk. 63 Rz. 86; vgl. auch Urk. 74 und 75).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom

    5. Dezember 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1.-3. [...]

    4. Das Schadenersatzbegehren des Privatklägers wird abgewiesen. 5.-7. [...]

    1. [Mitteilungen]

    2. [Rechtsmittel]

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A. ist schuldig der fahrlässigen Körperverletzung mit schwerer Schädigung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 125 Abs. 2 StGB.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 70.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger eine Genugtuung von Fr. 1'500 zuzüglich 5 % Zins ab 19. Mai 2020 zu bezahlen.

    Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.

  5. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 6 und 7) wird bestätigt.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'600.

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

  8. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

    • die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung Allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW, Administrativmassnahmen, Kreuzstrasse 2, Postfach, 6371 Stans

    • J. AG, ... [Adresse] (Dossier-Nr. ...)

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 31. Oktober 2023

Der Präsident:

lic. iur. B. Gut

Der Gerichtsschreiber:

MLaw J. Stegmann

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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