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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB230018
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230018 vom 14.08.2023 (ZH)
Datum:14.08.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Nötigung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Berufung; Urteil; Beschuldigten; Verteidigung; Beweis; Verfahren; Gericht; Staat; Vorinstanz; Polizei; Bundesgericht; Genugtuung; Recht; Staatsanwalt; Bundesgerichts; Staatsanwaltschaft; Entscheid; Verfahrens; Schriftlich; Strasse; Polizeirapport; Nötigung; Gesprochen; Fotos; Wahrnehmungsbericht; Verwertbar; Entschädigung; Untersuchung
Rechtsnorm: Art. 145 StPO ; Art. 181 StGB ; Art. 32 StReG ; Art. 391 StPO ; Art. 423 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:146 IV 297;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230018-O/U/jv

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. S. Volken, Präsident, lic. iur. C. Maira und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Blaser

Urteil vom 14. August 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Nötigung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 31. August 2022 (GB220070)

Anklage:

Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 12. April 2022 (Urk. 9) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 28 S. 22 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 30.–, wovon 2 Tagessätze durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 800.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 1'100.– Gebühr für das Vorverfahren. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  5. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  6. [Mitteilung]

  7. [Rechtsmittel]

    Berufungsanträge:

    1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 40 S. 4)

      1. Es sei das Urteil vom 31. August 2022 aufzuheben, die Anträge der Beru- fungsbeklagten abzuweisen und Herr A. von Schuld und Strafe freizu- sprechen.

      1. Die Kosten der Strafuntersuchung sowie des vorinstanzlichen Hauptver- fahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.

      2. Herr A. sei für seine Aufwendungen im Vor- sowie im erst- und zweit- instanzlichen Hauptverfahren, insbesondere für die von ihm frei gewählte Verteidigung, angemessen zu entschädigen.

      3. Für die unrechtmässig erstandene Haft sei Herrn A. eine Genugtuung von CHF 400.00 zuzusprechen.

      4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zuzüglich MwSt. zulasten der Staatskasse.

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 34 S. 1; schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    Erwägungen:

    1. Verfahrensgang, Umfang der Berufung und Prozessuales

      1. Verfahrensgang

        Der Verfahrensgang bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem ange- fochtenen Entscheid (Urk. 28 E. I.). Der Beschuldigte wurde von der Vorinstanz am 31. August 2022 gemäss dem eingangs wiederholten Urteilsdispositiv schul- dig gesprochen und bestraft (Urk. 28 S. 22 ff.). Innert Frist liess er Berufung an- melden und erklären (Urk. 23 und 30; vgl. dazu auch Urk. 27/2). Mit Verfügung vom 27. Januar 2023 ging die Berufungserklärung an die Staatsanwaltschaft und wurde dieser Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben wird, oder um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um das Datenerfassungs- blatt sowie diverse Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen einzureichen. Dabei wurde er auf sein Recht, die Aussage zu verweigern bzw. die eingeforderten Unterlagen nicht einzureichen, hingewiesen (Urk. 32). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vo- rinstanzlichen Entscheids (Urk. 34). Am 14. August 2023 fand die Berufungsver- handlung statt. An dieser ist der Beschuldigte in Begleitung seiner erbetenen Ver- teidigung erschienen (Prot. II S. 3).

      2. Umfang der Berufung

        Das vorinstanzliche Urteil wurde vollumfänglich angefochten (Urk. 40 S. 4; Prot. II

        S. 5). Es gilt das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO).

      3. Prozessuales

      Soweit für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des eingeklagten Sach- verhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Er- wähnung findet. Weiter ist an dieser Stelle festzuhalten, dass aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör die Pflicht des Gerichts folgt, seinen Entscheid zu begrün- den. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von de- nen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Es darf sich aber auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Ein- wand auseinandersetzen und diese widerlegen. Es kann sich mithin auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Ein unverhältnismässiger Moti- vationsaufwand kann nicht eingefordert werden. Ebenso wenig lässt sich Art. 6 Ziff. 1 EMRK in der Weise auslegen, dass eine detaillierte Antwort auf jedes Ar- gument gefordert würde (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249

      E. 1.3.1; BGer 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.5.2., mit Hinweisen).

    2. Schuldpunkt

  1. Anklagevorwurf und Ausgangslage

    1. Der Anklagevorwurf ergibt sich aus dem beigehefteten Strafbefehl (Urk. 9

      S. 2 f.), darauf kann verwiesen werden. Der Beschuldigte machte durchgehend

      von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch (Urk. 3, Prot. I S. 5 f. und Urk. 39 S. 1).

    2. Die Verteidigung machte vor Vorinstanz in sachverhaltlicher Hinsicht zu- sammengefasst geltend, der Beschuldigte sei nicht Teil der Strassenblockade gewesen. Anhand der vorliegenden Fotos sei nur erstellt, dass er mehrheitlich auf dem Trottoir gestanden und nur einmal kurz die Strasse überquert habe. Es sei auch nicht klar, wann die Fotos, auf denen der Beschuldigte ersichtlich sei, aufgenommen worden seien. Im Übrigen seien die Ausführungen der Polizei aus dem Verhaftsrapport vom 4. Oktober 2021, dem Polizeirapport vom 4. Oktober 2021 und dem polizeilichen Wahrnehmungsbericht vom 4. Oktober 2021 nur als Behauptungen einzustufen, was nicht für eine Verurteilung ausreiche (Urk. 21 N 9 ff.). In rechtlicher Hinsicht führte die Verteidigung zusammengefasst aus, es liege kein strafbares Verhalten vor, namentlich der Tatbestand der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB sei nicht erfüllt (a.a.O., N 18 ff.). Anlässlich der Berufungsverhandlung machte die Verteidigung erneut geltend, der Beschuldigte sei nicht Teil der Strassenblockade gewesen, habe sich gemäss Fotos mehrheitlich auf dem Trottoir befunden, wo er die Strasse nicht habe blockieren können und nur einmal die Strasse überquert. Sodann führte er, wie schon anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz, erneut aus, dass sowohl der Verhaftsrapport als auch der Polizeirapport lediglich Behauptungen darstellten (Urk. 40 N 9 - 17).

  2. Grundsätze der Beweiswürdigung, Beweismittel und Verwertbarkeit

    1. Vorab kann auf die Ausführungen der Vorinstanz zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 28 E. III.3.1.). Wie die Vorinstanz sodann richtig ausführte, stützt sich der Anklagevorwurf vorliegend im Wesentlichen auf den Polizeirapport vom 4. Oktober 2021, den polizeilichen Fo- tobogen sowie auf den polizeilichen Wahrnehmungsbericht vom 4. Oktober 2021 (vgl. Urk. 28 E. III. 3.2.).

    2. Gemäss Art. 145 StPO kann die Strafbehörde eine einzuvernehmende Per- son einladen, an Stelle einer Einvernahme oder zu ihrer Ergänzung einen schriftlichen Bericht abzugeben. Das Recht der Parteien, bei Beweiserhebungen an- wesend zu sein und der einvernommenen Person Fragen zu stellen kann bei schriftlichen Berichten nicht unmittelbar gewahrt werden (Urteil des Bundesge- richts 6B_161/2021 und 6B_1169/2021 vom 21. April 2023 E. 5.2.5.). Dies gilt nicht nur für den polizeilichen Wahrnehmungsbericht sondern auch für den Poli- zeirapport. Deren belastende Verwertung ist daher gemäss Praxis und Lehre zu- rückhaltend anzuwenden. Sofern die berechtigte Person auf ihre Rechte nicht ausdrücklich verzichtet, ist ihr daher Gelegenheit zu geben, sich zu den schriftli- chen Ausführungen zu äussern und – gegebenenfalls in einer nachfolgenden mündlichen Vernehmung – Ergänzungsfragen zu stellen (Urteil des Bundesge- richts 6B_161/2021 und 6B_1169/2021 vom 21. April 2023 E. 5.2.5.; Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3. f.). Ansonsten ist der Beweis unverwertbar (BSK StPO-HÄRING, Art. 145 N 11 m.w.H.). Sofern kein ausdrücklicher Verzicht vorliegt, kann auch noch anlässlich des Berufungsverfah- rens ein entsprechender Beweisantrag gestellt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2. mit Verweis; Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3.).

    3. Die Verteidigung bzw. der Beschuldigte verzichtete vorliegend bisher nie ausdrücklich auf eine Befragung der Polizeibeamten, sondern rügte bereits vor Vorinstanz die Unverwertbarkeit des Polizeirapports sowie des Wahrnehmungs- berichts (Urk. 21 N 13). In ihrer Eingabe vom 18. Juli 2022 führte die Verteidigung lediglich aus, derzeit auf Beweisanträge zu verzichten, sich solche aber für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten (Urk. 18). Sodann führte sie den Beweis unter Hinweis auf die nemo-tenetur-Problematik in Nachachtung der anwaltlichen Sorg- faltspflicht vor Vorinstanz ausdrücklich an (Urk. 21 N 14). Sie wiederholte ihre Rü- ge der Unverwertbarkeit anlässlich der Berufungsverhandlung (Urk. 40 N 11) und stellte sodann einen diesbezüglichen Antrag auf Beweisergänzung (Prot. II S. 5). Diesem wäre vorliegend statt zu geben. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Nötigungshandlung am 4. Oktober 2021 be- gangen haben soll, ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich die involvierten Polizei- beamten rund zwei Jahre später unter Hunderten von Demonstranten noch an den Beschuldigten erinnern und konkrete hierzu interessierende Aussagen machen können. Daher kann die Beweisabnahme vorliegend ohne weiteres unter- bleiben. Somit sind weder der Polizeirapport noch der Wahrnehmungsbericht zu- lasten des Beschuldigten verwertbar.

    4. Weiter als Beweismittel im Recht liegt – wie bereits ausgeführt – ein sieben Fotografien umfassender Fotobogen (Urk. 4), welcher dem Beschuldigten anläss- lich seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 12. April 2022 vorgehalten wurde (vgl. Urk. 3 F/A 7), womit dieser grundsätzlich verwertbar ist.

  3. Beweiswürdigung

    1. Unstrittig ist, dass am 4. Oktober 2021 eine Demonstration auf Höhe der B. -strasse … in Zürich stattfand, dass sich der Beschuldigte im eingeklag- ten Zeitraum dort aufhielt und dass er auf den aktenkundigen Fotos (Urk. 4) ab- gebildet ist (Urk. 21 N 5 ff.).

    2. Aus dem Fotobogen ergibt sich sodann was folgt: Auf den Fotos 1 und 2 ist der Beschuldigte nicht erkennbar. Foto 4 zeigt ihn mutmasslich und Foto 5 klar auf dem Trottoir – einmal gehend, einmal stehend –, wobei keinerlei Interaktionen mit Demonstrationsteilnehmern oder Blockadehandlungen ausgemacht werden können. Foto 6 zeigt wie der Beschuldigte gehend auf dem Trottoir von der Polizei abgeführt wird und Foto 7 zeigt ihn mit Verhaftskarte zum Zeitpunkt der Verhaf- tung. Lediglich auf Foto 3 ist der Beschuldigte auf der von Demonstrationsteil- nehmern blockierten B. -strasse ersichtlich, wobei er diese zu Fuss über- quert und dabei – wohl filmend oder fotografierend – sein Handy in Richtung der Demonstrierenden hält (Urk. 4).

    3. Im Gegensatz zu vergleichbaren Fällen ist aus den vorhandenen Beweis- mitteln somit nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte die B. -strasse blockier- te bzw. an der Blockade mitwirkte. Es bleibt vorliegend offen, ob und falls ja, wie lange – abgesehen vom erstellten einmaligen Überqueren der Strasse, was für sich betrachtet noch keine Blockadehandlung darstellt – der Beschuldigte sich überhaupt auf der blockierten Fahrbahn befand. Im Unterschied zu vergleichbaren Fällen ist damit seine Anwesenheit auf der Fahrbahn, geschweige denn eine

Blockadehandlung auf dieser, nicht zeitlich bestimmt erstellbar (vgl. etwa OGer ZH SB220276 vom 19. September 2022 E. II. 2.3. f.). Folglich ist der Beschuldigte in dubio pro reo vom gegen ihn erhobenen Tatvorwurf der Nötigung freizuspre- chen. Daher erübrigen sich auch Ausführungen zur rechtlichen Würdigung.

III. Kosten, Entschädigung, Genugtuung

  1. Kosten

    1. Bei einem Freispruch sind die Kosten grundsätzlich durch den Staat zu tra- gen (Art. 423 StPO). Eine ausnahmsweise Kostentragung durch den Beschuldig- ten ist nur möglich, sofern er die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).

    2. Für das Berufungsverfahren fällt zufolge des heutigen Freispruches die Gerichtsgebühr ausser Ansatz. Die Kosten für das Vorverfahren ergeben sich oh- ne Weiteres aus den Akten (Urk. 12). Die Gerichtsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren von Fr. 800.– ist sodann in Anwendung von § 14 GebV OG angemes- sen. Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung ist damit zu bestätigen. Angesichts des heutigen Prozessausganges sind die Kosten der Untersuchung sowie des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen, nachdem dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden kann, das Verfahren in rechtswidriger und schuldhafter Weise verursacht oder dessen Durchführung erschwert zu haben.

  2. Entschädigung

    Ausgehend von der eingereichten Honorarnote (Urk. 41), deren dort vermerkte Aufwendungen sich als grundsätzlich angemessen erweisen, wobei für die Haupt- verhandlung 3.75 Stunden Aufwand antizipiert wurden, was sich angesichts der Verhandlungsdauer von rund eineinhalb Stunden als zu lange erweist, ist dem Beschuldigten für seine erbetene Verteidigung unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von

    insgesamt Fr. 7'300.– (inkl. Barauslagen und MwSt.) aus der Gerichtkasse zuzusprechen (§ 17 Abs. 1 lit. a und § 18 Abs. 1 AnwGebV).

  3. Genugtuung

    1. Der Beschuldigte lässt die Zusprechung einer Genugtuung in der Höhe von Fr. 400.– für die zu Unrecht erlittene Haft beantragen (Urk. 40 N 36). Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, hat sie ge- mäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO Anspruch auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Festlegung der Genugtuungssumme beruht auf richterlichem Ermessen, wo- bei bei der Ausübung dieses Ermessens den Besonderheiten des Einzelfalles entscheidendes Gewicht zukommt. Sofern nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine höhere oder eine geringere Entschädigung rechtfertigen, er- achtet das Bundesgericht bei kürzeren Freiheitsentzügen Fr. 200.– pro Tag als angemessene Genugtuung. Bei längerer Untersuchungshaft (von mehreren Mo- naten Dauer) ist der Tagessatz in der Regel zu senken, da die erste Haftzeit be- sonders erschwerend ins Gewicht fällt (Urteile des Bundesgerichtes 6B_111/2012 vom 15. Mai 2012 E. 4.2 und 6B_196/2014 vom 5. Juni 2014 E. 1.2).

    2. Der Beschuldigte befand sich vom 4. Oktober 2021, 14:40 Uhr, bis zum

6. Oktober 2021, 11:45 Uhr, – mithin während zwei Tagen – in Haft (Urk. 7/1

i.V.m. Urk. 7/5). Angesichts der insgesamt kurzen Dauer erscheint die von der Verteidigung in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung beantragte Entschädigung von Fr. 200.– pro Hafttag als angemessen. Dem Beschuldigten ist damit für die von ihm zu Unrecht erlittene Haft eine Genugtuung von Fr. 400.– auszurichten.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. wird vollumfänglich freigesprochen.

  2. Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Ziff. 4) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  4. Die Kosten der Untersuchung und beider gerichtlicher Verfahren werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Dem Beschuldigten wird für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädi- gung von Fr. 7'300.– (inkl. Barauslagen und MwSt.) für anwaltliche Verteidi- gung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Dem Beschuldigten wird für ungerechtfertigt erlittene Haft eine Genugtuung in Höhe von Fr. 400.– aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  7. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  8. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 14. August 2023

Der Präsident:

lic. iur. S. Volken

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw A. Blaser

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