Zusammenfassung des Urteils SB230018: Obergericht des Kantons Zürich
Madame A______ hat gegen einen Entscheid des Gerichts bezüglich der elterlichen Rechte und der Wohnungsgewährung für die Kinder Berufung eingelegt. Das Gericht entschied, dass die Kinder vorübergehend beim Vater bleiben sollen, um die angespannte Situation im Familienleben zu beruhigen. Die Gerichtskosten von 1000 CHF werden vorläufig von A______ übernommen, da sie von der staatlichen Rechtshilfe profitiert. Die Entscheidung kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230018 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 14.08.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nötigung |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Berufung; Urteil; Beschuldigten; Verteidigung; Beweis; Verfahren; Gericht; Staat; Vorinstanz; Polizei; Bundesgericht; Genugtuung; Recht; Staatsanwalt; Bundesgerichts; Staatsanwaltschaft; Entscheid; Verfahrens; Strasse; Polizeirapport; Nötigung; Fotos; Wahrnehmungsbericht; Entschädigung; Untersuchung |
Rechtsnorm: | Art. 145 StPO ;Art. 181 StGB ;Art. 32 StReG ;Art. 391 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 146 IV 297; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230018-O/U/jv
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. S. Volken, Präsident, lic. iur. C. Maira und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Blaser
Urteil vom 14. August 2023
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X. ,
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,
Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Nötigung
Anklage:
Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 12. April 2022 (Urk. 9) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 28 S. 22 ff.)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 30, wovon 2 Tagessätze durch Haft erstanden sind.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 800 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 1'100 gebühr für das Vorverfahren. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
[Mitteilung]
[Rechtsmittel]
BerufungsAnträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 40 S. 4)
1. Es sei das Urteil vom 31. August 2022 aufzuheben, die Anträge der Berufungsbeklagten abzuweisen und Herr A. von Schuld und Strafe freizusprechen.
Die Kosten der Strafuntersuchung sowie des vorinstanzlichen Hauptverfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Herr A. sei für seine Aufwendungen im Vorsowie im erst- und zweitinstanzlichen Hauptverfahren, insbesondere für die von ihm frei gewöhlte Verteidigung, angemessen zu entschädigen.
Für die unrechtmässig erstandene Haft sei Herrn A. eine Genugtuung von CHF 400.00 zuzusprechen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zuzüglich MwSt. zulasten der Staatskasse.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 34 S. 1; schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Verfahrensgang
Der Verfahrensgang bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid (Urk. 28 E. I.). Der Beschuldigte wurde von der Vorinstanz am 31. August 2022 gemäss dem eingangs wiederholten Urteilsdispositiv schul- dig gesprochen und bestraft (Urk. 28 S. 22 ff.). Innert Frist liess er Berufung anmelden und erklären (Urk. 23 und 30; vgl. dazu auch Urk. 27/2). Mit Verfügung vom 27. Januar 2023 ging die BerufungsErklärung an die Staatsanwaltschaft und wurde dieser Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben wird, um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um das Datenerfassungsblatt sowie diverse Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen einzureichen. Dabei wurde er auf sein Recht, die Aussage zu verweigern bzw. die eingeforderten Unterlagen nicht einzureichen, hingewiesen (Urk. 32). Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Entscheids (Urk. 34). Am 14. August 2023 fand die Berufungsverhandlung statt. An dieser ist der Beschuldigte in Begleitung seiner erbetenen Verteidigung erschienen (Prot. II S. 3).
Umfang der Berufung
Das vorinstanzliche Urteil wurde vollumfänglich angefochten (Urk. 40 S. 4; Prot. II
S. 5). Es gilt das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO).
Prozessuales
Soweit für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet. Weiter ist an dieser Stelle festzuhalten, dass aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör die Pflicht des Gerichts folgt, seinen Entscheid zu begrün- den. Die Begründung muss kurz die wesentlichen überlegungen nennen, von de- nen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stätzt. Es darf sich aber auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausDrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen. Es kann sich mithin auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Ein unverhältnismässiger Motivationsaufwand kann nicht eingefordert werden. Ebenso wenig lässt sich Art. 6 Ziff. 1 EMRK in der Weise auslegen, dass eine detaillierte Antwort auf jedes Argument gefordert würde (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249
E. 1.3.1; BGer 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.5.2., mit Hinweisen).
Anklagevorwurf und Ausgangslage
Der Anklagevorwurf ergibt sich aus dem beigehefteten Strafbefehl (Urk. 9
S. 2 f.), darauf kann verwiesen werden. Der Beschuldigte machte durchgehend
von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch (Urk. 3, Prot. I S. 5 f. und Urk. 39 S. 1).
Die Verteidigung machte vor Vorinstanz in sachverhaltlicher Hinsicht zusammengefasst geltend, der Beschuldigte sei nicht Teil der Strassenblockade gewesen. Anhand der vorliegenden Fotos sei nur erstellt, dass er mehrheitlich auf dem Trottoir gestanden und nur einmal kurz die Strasse überquert habe. Es sei auch nicht klar, wann die Fotos, auf denen der Beschuldigte ersichtlich sei, aufgenommen worden seien. Im übrigen seien die Ausführungen der Polizei aus dem Verhaftsrapport vom 4. Oktober 2021, dem Polizeirapport vom 4. Oktober 2021 und dem polizeilichen Wahrnehmungsbericht vom 4. Oktober 2021 nur als Behauptungen einzustufen, was nicht für eine Verurteilung ausreiche (Urk. 21 N 9 ff.). In rechtlicher Hinsicht führte die Verteidigung zusammengefasst aus, es liege kein strafbares Verhalten vor, namentlich der Tatbestand der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB sei nicht erfüllt (a.a.O., N 18 ff.). Anlässlich der Berufungsverhandlung machte die Verteidigung erneut geltend, der Beschuldigte sei nicht Teil der Strassenblockade gewesen, habe sich gemäss Fotos mehrheitlich auf dem Trottoir befunden, wo er die Strasse nicht habe blockieren können und nur einmal die Strasse überquert. Sodann führte er, wie schon anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz, erneut aus, dass sowohl der Verhaftsrapport als auch der Polizeirapport lediglich Behauptungen darstellten (Urk. 40 N 9 - 17).
Grundsätze der BeweisWürdigung, Beweismittel und Verwertbarkeit
Vorab kann auf die Ausführungen der Vorinstanz zu den Grundsätzen der BeweisWürdigung vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 28 E. III.3.1.). Wie die Vorinstanz sodann richtig ausführte, stätzt sich der Anklagevorwurf vorliegend im Wesentlichen auf den Polizeirapport vom 4. Oktober 2021, den polizeilichen Fotobogen sowie auf den polizeilichen Wahrnehmungsbericht vom 4. Oktober 2021 (vgl. Urk. 28 E. III. 3.2.).
Gemäss Art. 145 StPO kann die StrafBehörde eine einzuvernehmende Person einladen, an Stelle einer Einvernahme zu ihrer Ergänzung einen schriftlichen Bericht abzugeben. Das Recht der Parteien, bei Beweiserhebungen anwesend zu sein und der einvernommenen Person Fragen zu stellen kann bei schriftlichen Berichten nicht unmittelbar gewahrt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_161/2021 und 6B_1169/2021 vom 21. April 2023 E. 5.2.5.). Dies gilt nicht nur für den polizeilichen Wahrnehmungsbericht sondern auch für den Polizeirapport. Deren belastende Verwertung ist daher gemäss Praxis und Lehre zu- Rückhaltend anzuwenden. Sofern die berechtigte Person auf ihre Rechte nicht ausDrücklich verzichtet, ist ihr daher Gelegenheit zu geben, sich zu den schriftlichen Ausführungen zu äussern und gegebenenfalls in einer nachfolgenden Mändlichen Vernehmung Ergänzungsfragen zu stellen (Urteil des Bundesgerichts 6B_161/2021 und 6B_1169/2021 vom 21. April 2023 E. 5.2.5.; Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3. f.). Ansonsten ist der Beweis unverwertbar (BSK StPO-HürING, Art. 145 N 11 m.w.H.). Sofern kein ausDrücklicher Verzicht vorliegt, kann auch noch anlässlich des Berufungsverfahrens ein entsprechender Beweisantrag gestellt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 1.3.2. mit Verweis; Urteil des Bundesgerichts 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3.).
Die Verteidigung bzw. der Beschuldigte verzichtete vorliegend bisher nie ausDrücklich auf eine Befragung der Polizeibeamten, sondern rägte bereits vor Vorinstanz die Unverwertbarkeit des Polizeirapports sowie des Wahrnehmungsberichts (Urk. 21 N 13). In ihrer Eingabe vom 18. Juli 2022 führte die Verteidigung lediglich aus, derzeit auf BeweisAnträge zu verzichten, sich solche aber für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten (Urk. 18). Sodann führte sie den Beweis unter Hinweis auf die nemo-tenetur-Problematik in Nachachtung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht vor Vorinstanz ausDrücklich an (Urk. 21 N 14). Sie wiederholte ihre Rüge der Unverwertbarkeit anlässlich der Berufungsverhandlung (Urk. 40 N 11) und stellte sodann einen diesbezüglichen Antrag auf Beweisergänzung (Prot. II S. 5). Diesem wäre vorliegend statt zu geben. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Nötigungshandlung am 4. Oktober 2021 begangen haben soll, ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich die involvierten Polizeibeamten rund zwei Jahre später unter Hunderten von Demonstranten noch an den Beschuldigten erinnern und konkrete hierzu interessierende Aussagen machen können. Daher kann die Beweisabnahme vorliegend ohne weiteres unterbleiben. Somit sind weder der Polizeirapport noch der Wahrnehmungsbericht zulasten des Beschuldigten verwertbar.
Weiter als Beweismittel im Recht liegt wie bereits ausgefährt ein sieben Fotografien umfassender Fotobogen (Urk. 4), welcher dem Beschuldigten anlässlich seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 12. April 2022 vorgehalten wurde (vgl. Urk. 3 F/A 7), womit dieser grundsätzlich verwertbar ist.
BeweisWürdigung
Unstrittig ist, dass am 4. Oktober 2021 eine Demonstration auf Höhe der B. -strasse ... in Zürich stattfand, dass sich der Beschuldigte im eingeklagten Zeitraum dort aufhielt und dass er auf den aktenkundigen Fotos (Urk. 4) abgebildet ist (Urk. 21 N 5 ff.).
Aus dem Fotobogen ergibt sich sodann was folgt: Auf den Fotos 1 und 2 ist der Beschuldigte nicht erkennbar. Foto 4 zeigt ihn mutmasslich und Foto 5 klar auf dem Trottoir einmal gehend, einmal stehend , wobei keinerlei Interaktionen mit Demonstrationsteilnehmern Blockadehandlungen ausgemacht werden können. Foto 6 zeigt wie der Beschuldigte gehend auf dem Trottoir von der Polizei abgefährt wird und Foto 7 zeigt ihn mit Verhaftskarte zum Zeitpunkt der Verhaftung. Lediglich auf Foto 3 ist der Beschuldigte auf der von Demonstrationsteil- nehmern blockierten B. -strasse ersichtlich, wobei er diese zu Fuss überquert und dabei wohl filmend fotografierend sein Handy in Richtung der Demonstrierenden hält (Urk. 4).
Im Gegensatz zu vergleichbaren Fällen ist aus den vorhandenen Beweismitteln somit nicht ersichtlich, dass der Beschuldigte die B. -strasse blockierte bzw. an der Blockade mitwirkte. Es bleibt vorliegend offen, ob und falls ja, wie lange abgesehen vom erstellten einmaligen überqueren der Strasse, was für sich betrachtet noch keine Blockadehandlung darstellt der Beschuldigte sich überhaupt auf der blockierten Fahrbahn befand. Im Unterschied zu vergleichbaren Fällen ist damit seine Anwesenheit auf der Fahrbahn, geschweige denn eine
Blockadehandlung auf dieser, nicht zeitlich bestimmt erstellbar (vgl. etwa OGer ZH SB220276 vom 19. September 2022 E. II. 2.3. f.). Folglich ist der Beschuldigte in dubio pro reo vom gegen ihn erhobenen Tatvorwurf der Nötigung freizusprechen. Daher erübrigen sich auch Ausführungen zur rechtlichen Würdigung.
Kosten
Bei einem Freispruch sind die Kosten grundsätzlich durch den Staat zu tragen (Art. 423 StPO). Eine ausnahmsweise Kostentragung durch den Beschuldigten ist nur möglich, sofern er die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Für das Berufungsverfahren fällt zufolge des heutigen Freispruches die Gerichtsgebühr ausser Ansatz. Die Kosten für das Vorverfahren ergeben sich oh- ne Weiteres aus den Akten (Urk. 12). Die Gerichtsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren von Fr. 800 ist sodann in Anwendung von 14 GebV OG angemessen. Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung ist damit zu bestätigen. Angesichts des heutigen Prozessausganges sind die Kosten der Untersuchung sowie des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen, nachdem dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden kann, das Verfahren in rechtswidriger und schuldhafter Weise verursacht dessen Durchführung erschwert zu haben.
Entschädigung
Ausgehend von der eingereichten Honorarnote (Urk. 41), deren dort vermerkte Aufwendungen sich als grundsätzlich angemessen erweisen, wobei für die Hauptverhandlung 3.75 Stunden Aufwand antizipiert wurden, was sich angesichts der Verhandlungsdauer von rund eineinhalb Stunden als zu lange erweist, ist dem Beschuldigten für seine erbetene Verteidigung unter Hinzurechnung der Mehrwertsteuer für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von
insgesamt Fr. 7'300 (inkl. Barauslagen und MwSt.) aus der Gerichtkasse zuzusprechen ( 17 Abs. 1 lit. a und 18 Abs. 1 AnwGebV).
Genugtuung
Der Beschuldigte lässt die Zusprechung einer Genugtuung in der Höhe von Fr. 400 für die zu Unrecht erlittene Haft beantragen (Urk. 40 N 36). Wird das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen, hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO Anspruch auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Festlegung der Genugtuungssumme beruht auf richterlichem Ermessen, wobei bei der Ausübung dieses Ermessens den Besonderheiten des Einzelfalles entscheidendes Gewicht zukommt. Sofern nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Höhere eine geringere Entschädigung rechtfertigen, erachtet das Bundesgericht bei kürzeren Freiheitsentzügen Fr. 200 pro Tag als angemessene Genugtuung. Bei längerer Untersuchungshaft (von mehreren Mo- naten Dauer) ist der Tagessatz in der Regel zu senken, da die erste Haftzeit besonders erschwerend ins Gewicht fällt (Urteile des Bundesgerichtes 6B_111/2012 vom 15. Mai 2012 E. 4.2 und 6B_196/2014 vom 5. Juni 2014 E. 1.2).
Der Beschuldigte befand sich vom 4. Oktober 2021, 14:40 Uhr, bis zum
6. Oktober 2021, 11:45 Uhr, mithin während zwei Tagen in Haft (Urk. 7/1
i.V.m. Urk. 7/5). Angesichts der insgesamt kurzen Dauer erscheint die von der Verteidigung in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung beantragte Entschädigung von Fr. 200 pro Hafttag als angemessen. Dem Beschuldigten ist damit für die von ihm zu Unrecht erlittene Haft eine Genugtuung von Fr. 400 auszurichten.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. wird vollumfänglich freigesprochen.
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Ziff. 4) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Die Kosten der Untersuchung und beider gerichtlicher Verfahren werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 7'300 (inkl. Barauslagen und MwSt.) für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Dem Beschuldigten wird für ungerechtfertigt erlittene Haft eine Genugtuung in Höhe von Fr. 400 aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 32 Abs. 1 StReG mittels Kopie von Urk. 29
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben ( 54a Abs. 1 PolG)
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 14. August 2023
Der Präsident:
lic. iur. S. Volken
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw A. Blaser
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