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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB230009
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB230009 vom 20.10.2023 (ZH)
Datum:20.10.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1328/2023
Leitsatz/Stichwort:Mehrfache Sachbeschädigung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; -platz; Prot; Berufung; Schablone; Urteil; Graffiti; Schablonen; Gericht; Gestellten; Panik; Vorinstanz; Sichergestellt; Graffitis; Sichergestellten; Recht; Höhe; Mikrospuren; Schriftzüge; Schaden; Geldstrafe; Privatklägerin; Polizei; Sinne; Urteils; Klebbandasservat; Asservat-Nr
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 140 StPO ; Art. 141 StPO ; Art. 144 StGB ; Art. 155 StPO ; Art. 158 StPO ; Art. 244 StPO ; Art. 249 StPO ; Art. 34 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 408 StPO ; Art. 41 OR ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:120 IV 319; 120 IV 67; 134 IV 60; 134 IV 82; 136 IV 55; 142 IV 265; 144 IV 313; 146 IV 172; 146 IV 88;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB230009-O/U/sm

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, Ersatzoberrichter lic. iur. Kess- ler und Ersatzoberrichterin lic. iur. Laufer sowie Gerichtsschreiberin MLaw Gitz

Urteil vom 20. Oktober 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend mehrfache Sachbeschädigung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 22. September 2022 (GG220194)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 12. Juli 2022 ist die- sem Urteil beigeheftet (Urk. 26).

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der mehrfachen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 10.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die folgenden gemäss Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom

    6. Dezember 2020 sichergestellten Spuren und Spurenträger werden der zuständigen Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Vernichtung überlassen:

  5. Die folgenden gemäss Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom

  6. Dezember 2020 sichergestellten Gegenstände werden eingezogen und der zuständigen Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zur Vernichtung überlassen:

  1. Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin Stadt Zürich, B. Zürich, Schadenersatz von Fr. 926.65 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird die Privatklägerin Stadt Zürich, B. Zürich, mit ihren Schadenersatzbegeh- ren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.–; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'100.– Gebühr für das Vorverfahren, Fr. 3'110.– Auslagen (Gutachten). Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  3. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. Der Beschuldigte: (Urk. 40; Prot. II S. 5)

    1. Der Beschuldigte sei vollumfänglich von Schuld und Strafe freizuspre- chen.

    2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.

  2. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 44, schriftlich)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

Erwägungen:

  1. Verfahrensgang

    1. Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene, mündlich eröffnete Ur- teil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung, vom 22. September 2022 meldete der Beschuldigte innert Frist Berufung an (Urk. 34). Die Berufungserklärung wur- de ebenfalls innert Frist eingereicht (Urk. 40). Er beantragt einen vollumfänglichen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse.

    2. Nach anschliessender Fristansetzung an die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin (Urk. 42) liess sich die Privatklägerin nicht vernehmen, während die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 10. Februar 2023 auf Anschlussberufung verzichtete und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragte (Urk. 44). Mit Präsidialverfügung vom 13. März 2023 wurde das Gesuch des Beschuldigten um Bestellung einer Verteidigung abgewiesen (Urk. 46).

    3. Die Parteien wurden am 24. April 2023 zur Berufungsverhandlung auf den

    20. Oktober 2023 vorgeladen (Urk. 49), anlässlich derselben stellte der Beschul- digte die eingangs aufgeführten Anträge (Prot. II S. 4).

  2. Formelles und Prozessuales

  1. Formelles

    1. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung auf- schiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dement- sprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Auch wenn das Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt, fällt es am Ende ein insgesamt neues Urteil (Art. 408 StPO), worin es jedoch anzugeben hat, welche Punkte bereits früher in Rechtskraft erwachsen sind (Urteile des Bundesgerichtes

      6B_482/2012 vom 3. April 2013 E. 5.3. und 6B_99/2012 vom 14. November 2012

      E. 5.3.).

    2. Der Beschuldigte beantragt im Berufungsverfahren einen vollumfänglichen Freispruch. Gestützt auf die Anträge des Beschuldigten ist keine der Dispositivzif- fern des Urteils des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung, vom 22. September 2022 (Urk. 39) in Rechtskraft erwachsen.

  2. Prozessuales

    1. Der Beschuldigte rügt in seiner Berufungserklärung einen Verstoss gegen Art. 155 StPO, da er Psychopharmaka nehme und lediglich während zehn Minu- ten konzentrationsfähig sei, er jedoch während 90 Minuten einvernommen worden sei (Urk. 40 S. 1).

      Gemäss Art. 155 Abs. 1 StPO werden Einvernahmen von Personen mit einer psychischen Störung auf das Notwendige beschränkt; mehrfache Befragungen werden vermieden. Dabei ist eine Interessenabwägung zwischen der Zumutbar- keit für die betroffene Aussageperson und dem Strafanspruch des Staates vorzu- nehmen (BSK StPO-WEHRENBERG, Basler Kommentar, Schweizerische Strafpro- zessordnung und Jugendstrafprozessordnung, 3. Auflage 2023, N 2 zu Art. 155 StPO). Gemäss dem ärztlichen Zeugnis von Dr. med. C. vom 8. September 2021 befand sich der Beschuldigte im September 2021 aufgrund einer Krankheit in ärztlicher Behandlung. Ausserdem sei seine Konzentrationsfähigkeit aufgrund seines damaligen Gesundheitszustandes für eine längere Befragung nicht gege- ben gewesen (Urk. 1/5). Mit ärztlichen Zeugnissen vom 1. Juni 2022 sowie vom

      20. Juni 2022 bescheinigte Dr. med. C. erneut die ärztliche Behandlung des Beschuldigten. Zudem bestätigte er, dass der Beschuldigte aufgrund des aktuel- len Zustandes nicht in der Lage gewesen sei, den Termin vom 8. Juni 2022 bzw. vom 22. Juni 2022 wahrzunehmen (Urk. 1/9). An der Berufungsverhandlung gab der Beschuldigte an, er leide unter Major Depression (Prot. II S. 8). Die polizeili- che Einvernahme vom 1. Dezember 2020 und die staatsanwaltschaftliche Einver- nahme vom 10. September 2021 dauerten je rund 30 Minuten. Die Befragung an- lässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung wurde ebenfalls auf das Notwendige beschränkt, wobei der Beschuldigte durch seine Ausführungen und Versuche mit Karton und Wasser teilweise selbst zur Verlängerung der Hauptverhandlung beitrug (vgl. Prot. I S. 7-16; Urk. 39 S. 7). Die Befragung an der Berufungsver- handlung dauerte ebenfalls rund 30 Minuten (Prot. II S. 6 und 17), wobei der Beschuldigte konzentriert wirkte und erneut keine Mühe bekundete, der Befragung zu folgen, die Fragen adäquat zu beantworten, seine Argumente darzulegen und sich trotz seiner Krankheit zu verteidigen. Die Befragungen waren für den Beschuldigten somit während des gesamten Verfahrens zumutbar. Es sind keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass der Beschuldigte aufgrund seines Zustandes nicht in der Lage gewesen wäre, den Einvernahmen zu folgen. Nach dem Erwo- genen liegt somit kein Verstoss gegen Art. 155 StPO vor.

    2. Weiter moniert der Beschuldigte einen Verstoss gegen Art. 140 StPO, da er als psychisch kranke Person arglistig getäuscht worden sei und ihm falsche Versprechungen gemacht worden seien. Der Beschuldigte führt in seiner Beru- fungserklärung aus, ihm sei angedroht worden, dass Beweise gefälscht würden, sollte er kein Geständnis ablegen. Ausserdem sei ihm gesagt worden, er habe kein Recht auf einen Anwalt (Urk. 40 S. 1; Prot. II S. 11).

      Vorab ist festzuhalten, dass der Beschuldigte anlässlich der polizeilichen Einver- nahme vom 1. Dezember 2020 im Sinne von Art. 158 StPO darauf hingewiesen wurde, dass er jederzeit berechtigt ist, auf eigenes Kostenrisiko eine Verteidigung zu bestellen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen (Urk. 1/3 S. 1). Dieses Protokoll wurde dem Beschuldigten im Anschluss an die polizeiliche Einvernahme vorgelegt und von ihm unterzeichnet. Eine Korrektur brachte er lediglich auf Seite 2 an, während Seite 1 des Protokolls, welche den Hinweis auf eine Verteidigung enthält, kommentarlos unterzeichnet wurde (Urk. 1/3 S. 1). Auch anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom

      10. September 2021 wurde er auf Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO hingewiesen (Urk. 1/4 S. 1), wobei der Beschuldigte ohne weitere Begründung die Unterzeich- nung des Einvernahmeprotokolls verweigerte (Urk. 1/4 S. 6). Darüber hinaus rüg- te der Beschuldigte weder im Vor- noch im erstinstanzlichen Hauptverfahren eine Verletzung von Art. 158 StPO. Nach Art. 140 Abs. 1 StPO sind Zwangsmittel,

      Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, wel- che die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen, bei der Beweiserhebung untersagt. Solche Methoden sind auch dann unzulässig, wenn die betroffene Person ihrer Anwendung zustimmt (Art. 140 Abs. 2 StPO). Beweise, die in Verletzung von Art. 140 StPO erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar (Art. 141 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte machte weder im Vor- noch im erstinstanzlichen Hauptverfahren eine arglistige Täuschung, falsche Ver- sprechungen oder Drohungen geltend. Entsprechende Verfehlungen der Strafver- folgungsbehörden sind auch nicht ersichtlich. Die Verteidigungsrechte des Beschuldigten wurden daher nicht tangiert. Somit sind sämtliche Einvernahmen des Beschuldigten – auch zu seinen Lasten – verwertbar.

    3. Betreffend die Rüge des Beschuldigten, er habe im vorinstanzlichen Ver- fahren über keine Verteidigung verfügt, kann zur Vermeidung unnötiger Wieder- holungen auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz (Urk. 39 S. 5 ff.) und die Präsidialverfügung vom 13. März 2023 (Urk. 46) verwiesen werden.

  3. Weiter rügt der Beschuldigte eine Verletzung von Art. 244 StPO, da der rich- terliche Hausdurchsuchungsbeschluss vom 6. Dezember 2020 fehlen würde (Urk. 40 S. 1).

Am 18. November 2020 beobachtete D. im Vorbeifahren am E. -platz einen Mann, der mit einer Spraydose und einem Karton am Boden kniete und den Eindruck erweckte, er würde sprayen. Als D. umkehrte, um nachzusehen, ob der Mann wirklich gesprayt hatte, sah er diesen auf der E. -strasse Rich- tung F. -strasse gehen, wobei der Mann einen roten Dennersack bei sich trug. D. verständigte daraufhin um 01.08 Uhr die Polizei (Urk. 1/1 S. 3 und 4). Der Beschuldigte wurde selben Tags um 01.15 Uhr an seiner Wohnadresse an der G. -strasse … kontrolliert, wobei bei ihm im Rahmen einer Personenkon- trolle die in der Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom

6. Dezember 2020 genannten Gegenstände (4 Spraydosen, 2 Putzsprays mit Farbe, 3 Einmachgläser, Schablonen aus Karton sowie ein roter Dennersack) si- chergestellt wurden (Urk. 1/12/2 S. 2). Diesbezüglich liegt ein Durchsuchungspro- toll vor, gemäss welchem keine Hausdurchsuchung, sondern eine Durchsuchung

des Beschuldigten gemäss Art. 249 StPO vorgenommen wurde. Das Durchsu- chungsprotokoll gibt ebenfalls die beim Beschuldigten sichergestellten Gegen- stände (roter Dennersack und die darin enthaltenen Spraydosen, Einmachgläser, Putzsprays und Kartonschablone) wieder und wurde vom Beschuldigten am

18. November 2020 unterzeichnet (Urk. 1/12/1). Bei der Durchsuchung vom

18. November 2020 handelte es sich somit um eine Durchsuchung von Personen im Sinne von Art. 249 StPO und nicht um eine Hausdurchsuchung im Sinne von Art. 244 StPO. Dafür, dass beim Beschuldigten am 6. Dezember 2020 darüber hinaus eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, gibt es keinerlei Anhalts- punkte. Auch der Beschuldigte macht nicht geltend, es habe in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Die Rüge des Beschuldigten erweist sich somit als unbegründet.

III. Sachverhalt

  1. Anklagevorwurf

    Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift vom 12. Juli 2022 vorgeworfen, er habe am E. -platz die Schriftzüge Maulkorb und Panik Mache sowie ein Virus-Logo und am H. -platz die Schriftzüge Panik Mache und Viren-Logos in mehreren Farben mittels Schablone auf das jeweilige Trottoir gesprayt, welche am 18. November 2020 bzw. am 3. Dezember 2020 festgestellt wurden, wodurch ein Schaden in der Höhe von mehr als ca. Fr. 300.– (Kosten für Reinigung) ent- standen sei (Urk. 26 S. 2).

  2. Standpunkt des Beschuldigten

    1. Der Beschuldigte hat diese Vorfälle in der Untersuchung sowie im vor- instanzlichen Verfahren mit der Argumentation bestritten, dass die Schriftzüge Maulkorb, Panik Mache und Corona am E. -platz von der VBZ selbst verursacht worden seien (Urk. 1/3 Fragen 11 ff.; Urk. 1/4 Fragen 4 f.; Prot. I

      S. 11). Ausserdem sei es unmöglich, dass die am 18. November 2020 von der Polizei gesicherten Schablonen für die Graffitis vom 3. Dezember 2020 verwendet worden seien, da sich diese seit 14 Tagen in der Asservatenkammer befunden

      hätten (Prot. I S. 12). Darüber hinaus seien die sichergestellten Schablonen von der Polizei verändert worden (Prot. I S. 13, 17 f.).

    2. In der Berufungsverhandlung führte der Beschuldigte aus, die Tramhaltestelle am E. -platz habe nicht gereinigt werden müssen, da es sich um wasserlösliche Kreidefarbe gehandelt habe. Ausserdem seien Lebensmittel verschüttet worden. Auf der anderen Strassenseite habe die Polizei mit neongelber und neonroter Bodenmarkierungsfarbe der Stadt Zürich selber gesprayt (Prot. II S. 12 und 15). Dazu, wer Kreidezeichnungen an der Tramhaltestelle E. -platz angebracht habe, machte der Beschuldigte keine Aussage (Prot. II S. 17). Er gab wiederum an, die Schablonen seien in Polizeibesitz gewesen. Ausserdem habe die Polizei gesagt, die Schablonen seien zerstört, weshalb sie nicht ausgewertet werden könnten. Dennoch seien sie ausgewertet worden. Die meisten Spuren würden zudem mit Schablone 4 verglichen, welche nicht im Besitz der Polizei sei, da es sich um eine Fantasie- Schablone handle. Die übrigen Schablonen seien manipuliert worden. Die Polizei habe aus politischen Motiven an den Schablonen rumgeschnitten und sie so zurechtgebogen, dass sie auf die Graffitis passten (Prot. II S. 14). Ausserdem enthalte das Gutachten Fehler. Ein Graffiti habe ein kleines und eine anderes ein grosses i (Prot. II S. 13).

  3. Ausgangslage

    Die Vorinstanz hat den Beschuldigten der mehrfachen Sachbeschädigung im Sin- ne von Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Sie erwog im Wesentlichen, das Gutachten des Forensischen Instituts Zürich vom 23. Mai 2022 habe die zur Anklage gebrachten Graffitis am H. -platz und ein Graffiti am E. -platz klar den beim Beschuldigten im roten Dennersack sichergestellten Schablonen zugeordnet (Urk. 39 S. 11; Urk. 1/12/1 S. 1). Die Aussagen des Beschuldigten vermochten nach Auffassung der Vorinstanz das überzeugende Fachgutachten nicht umzustossen und seien auch nicht plausibel. Ausserdem hätten neben den Knick-Spuren weitere charakteristische Eigenschaften bei den Schablonen fest- gestellt werden können, beispielsweise Abstände und weitere Details, welche als mit den Graffitis übereinstimmend festgehalten worden seien. Schliesslich seien

    die Graffitis beim H. -platz zwar erst am 3. Dezember 2020 fotografiert wor- den, diese hätten jedoch bereits vorher angebracht worden sein können (Urk. 39 S. 13 f.).

  4. Beweismittel und Beweisgrundsätze

    1. Die Vorinstanz hat die relevanten Aussagen des Beschuldigten korrekt zu- sammengefasst (Urk. 39 S. 8 f.). Weiter hat sie die Sachbeweismittel – insbeson- dere die am Beschuldigten sichergestellten Gegenstände, die polizeiliche Fotodo- kumentation der Graffitis sowie das Gutachten des Forensischen Instituts Zürich vom 23. Mai 2022 – verständlich und korrekt dargelegt und erläutert (Urk. 39

      S. 10 ff.). Darauf ist in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO zu verweisen.

    2. Zu den allgemeinen Beweiswürdigungsregeln kann ebenfalls auf die zutref- fenden Erwägungen der Vorinstanz (Urk. 39 S. 9 f.) und die einschlägige Recht- sprechung des Bundesgerichts (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 144

      IV 345 E. 2.2.3.2; 138 V 74 E. 3; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen) verwiesen werden.

  5. Zu erstellender Sachverhalt

    1. Nachdem der massgebliche Sachverhalt auch in zweiter Instanz bestritten blieb, ist im Folgenden nochmals zu prüfen, inwiefern sich die umstrittenen Punk- te gestützt auf die im Recht liegenden Beweismittel in Berücksichtigung der ge- samten Tatumstände rechtsgenügend erstellen lassen.

    2. Gemäss dem angefochtenen Entscheid können die eingeklagten Sachbe- schädigungen, welche durch die im Recht liegende Fotodokumentation belegt sind (Urk. 1/11), ausnahmslos dem Beschuldigten zugeordnet werden, sodass der Sachverhalt der Anklage insofern erstellt sei (vgl. Urk. 39 S. 11 ff.). Diese Würdi- gung, welche im Wesentlichen auf dem Gutachten des Forensischen Instituts Zü- rich vom 23. Mai 2022 basiert, vermag ohne Weiteres zu überzeugen. Insbeson- dere angesichts der Tatsache, dass es sich bei den beim Beschuldigten zusam-

      men mit den Spraydosen sichergestellten Schablonen um von Hand gefertigte Einzelstücke handelt, welche einen grossen Gehalt an Individualität (vgl. Urk. 1/13/4 S. 6) und eine gute individuelle Übereinstimmung mit den Graffiti- Bildern am E. -platz und am H. -platz aufweisen (Urk. 1/13/4 S. 12, 14), erweisen sich die Aussagen des Beschuldigten, wonach die VBZ bzw. die Polizei die Sprayereien selbst vorgenommen haben soll (vgl. Urk. 40 S. 2; Prot. I

      S. 11; Prot. II S. 12, 15), als nicht überzeugend. Zwar konnten nicht sämtliche be- gutachteten Graffitis einer beim Beschuldigten sichergestellten Schablone zuge- ordnet werden, jedoch konnten insgesamt zahlreiche gute Übereinstimmungen in den Details zwischen den Schablonen-Bildern und einigen der Graffiti-Bilder am E. -platz vom 18. November 2020 (Schriftzüge Maulkorb und Panik Ma- che mit Virus-Logo; Urk. 1/13/4 S. 12 Foto-Nr. 01) sowie vom 3. Dezember 2020 am H. -platz (zwei Schriftzüge Panik Mache mit Virus-Logo sowie ein Vi- rus-Logo) festgestellt werden (Urk. 1/13/4 S. 13 ff. Foto-Nr. 06, 07 und 08). So stützen gemäss Gutachten des Forensischen Instituts Zürich vom 23. Mai 2022 die Übereinstimmungen der Details der Schablonen mit den am 18. November 2020 am E. -platz und am 3. Dezember 2020 am H. -platz festgestell- ten Graffitis die Hypothese, dass die beim Beschuldigten sichergestellten Schab- lonen für die Erstellung der genannten Graffitis Verwendung fanden, sehr stark (Urk. 1/13/4 S. 15). Anhaltspunkte oder rationale Motive für die vom Beschuldig- ten vorgebrachten Manipulationen an den Schablonen seitens der Polizei oder der Mitarbeiter des Forensischen Instituts (Prot. I S. 16, 18; Prot. II S. 13) liegen keine vor. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass das Gutachten des Forensischen Instituts Zürich mehrere bzw. gar die meisten Graffitis nicht den beim Beschuldigten sichergestellten Schablonen zuordnete (Urk. 1/13/4 S. 12- 14).

    3. Den Ausführungen des Beschuldigten, es handle sich lediglich um eine vo- rübergehende Verschmutzung der Tramhaltestelle E. -platz, da es sich um leicht wasserlösliche Farbe (Kreidefarbe) gehandelt habe (vgl. Urk. 40 S. 1; Prot. II S. 12), kann unter Hinweis auf die Fotodokumentation der Stadtpolizei Zürich (Urk. 1/11 Foto 1), die bei ihm sichergestellten Farben und Mikrospuren (Urk. 1/11 Foto 16; Urk. 1/12/2) sowie die notwendigen Reinigungsarbeiten (Urk. 1/1 S. 4 f.)

      nicht gefolgt werden. Auch gemäss dem Gutachten des Forensischen Instituts Zü- rich vom 23. Mai 2022 handelt es sich um gesprayte Graffitis und nicht um Krei- dezeichnungen (Urk. 1/13/4 S. 14 f.). Zudem wurde der Beschuldigte am

      18. November 2020 unmittelbar nachdem D.

      die Polizei verständigte, von

      dieser mit dem roten Dennersack, den Spraydosen und mit Farbe verschmutzten Händen angetroffen (Urk. 1/1 S. 4).

    4. Ebenfalls nicht gefolgt werden kann dem Vorbringen des Beschuldigten, es sei unmöglich, dass die am 18. November 2020 von der Polizei sichergestellten Schablonen für die Graffitis vom 3. Dezember 2020 verwendet worden seien, da sich diese seit 14 Tagen in der Asservatenkammer befunden hätten (Prot. I S. 12; Urk. 40 S. 2). Die Sprayereien am H. -platz wurden zwar erst am

      3. Dezember 2020 entdeckt bzw. fotografiert, sind aber offensichtlich bereits frü- her auf dem Trottoir angebracht worden, zumal das Forensische Institut Zürich die Schriftzüge Panik Mache und die Viren-Logos am H. -platz den beim Beschuldigten sichergestellten Schablonen zuordnen konnte (Urk. 1/13/4 S. 13 ff. Foto-Nr. 06, 07 und 08) und der Beschuldigte zu keinem Zeitpunkt geltend mach- te, diese Schablonen von jemandem übernommen oder zwischenzeitlich an eine Drittperson ausgeliehen zu haben. Es bestehen somit keinerlei Hinweise dafür, dass die Graffitis am E. -platz und am H. -platz von Drittpersonen ge- sprayt worden sein könnten. Die Graffitis mit den Schriftzügen Maulkorb und Panik Mache sowie das Viren-Logo entsprechen auch den vom Beschuldigten an der Berufungsverhandlung geäusserten Überzeugungen (Prot. II S. 14 f., 17 f.). Bei dieser Beweislage bestehen keine unüberwindbaren Zweifel im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StPO daran, dass der Beschuldigte das Graffiti am E. -platz und die drei Graffitis am H. -platz sprayte.

    5. Die Höhe des Sachschadens in Bezug auf die Sachbeschädigungen am H. -platz ist gestützt auf die Meldeformulare der Privatklägerin vom

      3. Dezember 2020 ausgewiesen. Somit entstanden aufgrund der dem Beschuldig- ten zuordenbaren Schriftzüge und Viren-Logos am H. -platz Reinigungskos- ten in der Höhe von insgesamt Fr. 926.65 (Urk. 2/3/5-7). Die weiteren Reini- gungskosten vom 3. Dezember 2020 am H. -platz in der Höhe von

      Fr. 285.70 (Urk. 2/3/8) sind nicht dem Beschuldigten anzulasten, da dieses Graffiti gemäss Gutachten des Forensischen Instituts Zürich vom 23. Mai 2020 nicht mit den beim Beschuldigten sichergestellten Schablonen übereinstimmt (Urk. 1/13/4

      S. 3 der Fotodokumentation). Die Sprayereien am E. -platz führten gemäss Rapport der Stadtpolizei Zürich vom 9. Januar 2021 schliesslich zu einem finanzi- ellen Schaden in der Höhe von ca. Fr. 400.– (Urk. 1/1 S. 3).

    6. Der Sachverhalt bettreffend die Graffitis bzw. Schriftzüge, welche am

18. November 2020 am E. -platz (Schriftzüge Maulkorb, Panik Mache und Virus-Logo) und am 3. Dezember 2020 am H. -platz (zwei Schriftzüge Panik Mache mit Virus-Logo sowie ein weiteres Virus-Logo) festgestellt wurden, ist demzufolge ohne Weiteres erstellt.

  1. Rechtliche Würdigung

    1. Die von der Vorinstanz vorgenommene rechtliche Würdigung (Urk. 39

      E. III.) erweist sich als vollumfänglich zutreffend. Darauf kann verwiesen werden. Ergänzend ist anzufügen, dass eine Sache u.a. als beeinträchtigt bzw. beschädigt im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB gilt, wenn in ihr äusseres Erscheinungsbild eingegriffen oder auch nur schon ihre Ansehnlichkeit herabgesetzt wird. So erfüllt beispielsweise bereits das (unerlaubte) Bemalen oder Besprayen einer Wand den Tatbestand der Sachbeschädigung (Urteil des Bundesgerichts 6B_264/2017 vom 26. Oktober 2017 E. 3.3.2 m.w.H.; BGE 120 IV 319 E. 2a und 2c).

    2. Dem Beschuldigten war bekannt, dass es sich bei den Trottoirs am E. - und H. -platz um eine Sache handelt, an welcher ein fremdes Ei- gentumsrecht besteht. Dennoch beschädigte er die Trottoirs an den genannten Örtlichkeiten vorsätzlich, indem er die Schriftzüge Maulkorb und Panik Mache mit Virus-Logo sowie zweimal den Schriftzug Panik Mache mit Virus-Logo und ein weiteres Virus-Logo mittels Schablone in mehreren Farben sprayte.

    3. Der Beschuldigte ist demzufolge der mehrfachen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.

IV. Strafe

  1. Grundsätze

    1. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und die an sie gestellten Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 144 IV 313 E. 1; BGE 144

      IV 217 E. 2.3 ff.; BGE 142 IV 265 E. 2.3 ff.). Darauf kann verwiesen werden.

    2. Der Strafrahmen der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu 180 Tagesssätzen (Art. 34 Abs. 1 StGB).

  2. Konkrete Strafzumessung

    1. Tatkomponente

      Betreffend die objektive Tatschwere der Beschädigungen am E. - und am H. -platz ist festzuhalten, dass der Beschuldigte mehrere Sachbeschädigun- gen beging, welche Reinigungskosten in der Höhe von insgesamt ca. Fr. 1'300.– verursachten (Urk. 2/3/5-7; Urk. 1/1 S. 4). Bei der subjektiven Tatschwere ist mit der Vorinstanz zu gewichten, dass es dem Beschuldigten nicht primär um die Beschädigung des Trottoirs an sich gegangen ist, sondern um die Verbreitung seiner Ansichten im Zusammenhang mit den Coronamassnahmen. Dennoch war sich der Beschuldigte bewusst, dass die Trottoirs eine fremde Sache darstellen, wel- che er durch das Besprayen beschädigte. Obwohl es sich dabei um bewusste und gezielte Verunreinigungen handelte, ist insgesamt ein leichtes Verschulden gege- ben. Unter diesen Umständen erscheint die vorinstanzlich angesetzte Einsatzstra- fe von 30 Tagessätzen als wohlwollend, aber gerade noch angemessen.

    2. Täterkomponente

      1. Zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen des heute 50-jährigen Beschuldigten ist bekannt, dass er die katholische Sekundarschule besuchte, das KV abschloss, alleine lebt, nicht verheiratet ist und seit 2019 eine IV-Rente be- zieht, welche monatlich Fr. 2'700.– beträgt. Der Beschuldigte hat kein Vermögen

        und Schulden bei seiner Mutter in der Höhe von mehreren tausend Franken (Urk. 1/3 S. 3; Prot. I S. 7, Prot. II S. 6 ff. und 10). Inzwischen erhält der Beschul- digte Ergänzungsleistungen (Prot. II S. 8 f.). Am Tag macht er laut eigener Aus- sage wenig und sei aufgrund des Morgentiefs meistens erst ab Mittag brauchbar. Nach draussen gehe er nicht wirklich (Prot. I S. 8 f.). Der Beschuldigte hat weder Hobbies noch pflegt er Freundschaften, er ist froh, wenn er seinen Alltag bewälti- gen kann (Prot. II S. 10). Ausserdem war er im Zeitpunkt der Hauptverhandlung in psychiatrischer und psychologischer Behandlung und nahm das Medikament Duloxetin (Prot. I S. 9). Anlässlich der Berufungsverhandlung ergänzte er auf Fra- ge, dass er unter Major Depression leide (Prot. II S. 8). Aus den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten lassen sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ableiten.

      2. Der Beschuldigte weist keine Vorstrafen auf (Urk. 41) und zeigt sich nicht geständig, was neutral zu werten ist.

      3. Demnach bleibt es auch unter Berücksichtigung der Täterkomponente bei einer Strafe von 30 Tagessätzen.

    3. Sanktionsart

      1. Bezüglich der Sanktionsart ergibt sich aus dem Verhältnismässigkeitsprin- zip der grundsätzliche Vorrang der Geldstrafe gegenüber der Freiheitsstrafe (BSK StGB I-WIPRÄCHTIGER/KELLER, Basler Kommentar, Strafrecht, Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz, 4. Auflage, Basel 2019, Art. 47 N 32 m.w.H.). Zwar lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, wie bei der Wahl der Strafart im Einzelnen vorzugehen ist. Grundsätzlich gelten hierbei allerdings dieselben Kriterien, welche das Gesetz für die Strafzumessung vorsieht, womit namentlich die Schwere der Tat und das Verschulden des Täters von Bedeutung sind. Weitere massgebende Kriterien bei der Wahl der auszufällenden Sanktion sind der Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit einer Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein sozia- les Umfeld sowie der Aspekt einer effektiven Deliktprävention (BGE 134 IV 82 E. 4.1 und 4.2; BGE 120 IV 67 E. 2a).

      2. Unter dem Gesichtspunkt der Tatschwere resp. des Verschuldens des Beschuldigten erscheint eine Geldstrafe angemessen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte bis anhin strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Somit ist davon auszugehen, dass es sich bei der zu beurteilenden Straftat um eine situationsbedingte einmalige Entgleisung handelt und der Beschuldigte seine Lehren aus der Verurteilung ziehen und von der Begehung weiterer Straftaten ab- sehen wird. Unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Primat der Geldstrafe) sowie der Zweckmässigkeit der Strafe erscheint daher eine Geldstrafe dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten ange- messen. Überdies stünde einer Freiheitsstrafe das Verbot der reformatio in peius (Art. 391 Abs. StPO) entgegen.

    4. Tagessatzhöhe

      1. Nach Art. 34 Abs. 2 StGB beträgt ein Tagessatz in der Regel mindestens Fr. 30.– und höchstens Fr. 3'000.–. Ausnahmsweise, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten, kann der Tagessatz bis auf Fr. 10.– gesenkt werden. Die Höhe des Tagessatzes bestimmt sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Ur- teils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB; BGE 134 IV 60 E. 3a und E. 6.1). Grundsätzlich ist auch bei schwa- chen finanziellen Verhältnissen ein Tagessatz von mindestens Fr. 30.– ange- bracht (BSK StGB-DOLGE, a.a.O., N 44b zu Art. 34 StGB). Eine Tagessatzhöhe von Fr. 10.– stellt eine absolute Ausnahme dar und gelangt beispielsweise bei nicht sozialhilfeberechtigten Personen, insbesondere bei abgewiesenen Asylbe- werbern, bei welchen auf die kantonale Nothilfe als Einkommen abzustellen ist, zur Anwendung. Dies wird damit begründet, dass kaum von einer ernsthaften Strafe gesprochen werden kann, wenn eine Geldstrafe für ein Vergehen deutlich unter den Ordnungsbussen für geringfügige Übertretungen liegen würde (BSK StGB-DOLGE, a.a.O., N 80 zu Art. 34 StGB m.w.H.).

      2. Aus den Angaben des Beschuldigten anlässlich seiner persönlichen Befra- gung in der Berufungsverhandlung ergibt sich, dass er IV-Bezüger ist und monat-

        lich eine IV-Rente sowie Leistungen der Pensionskasse in der Höhe von insge- samt Fr. 2'700.– erhält. Dieser Betrag reicht nach Angaben des Beschuldigten in der Haupt- und Berufungsverhandlung knapp aus, um die Lebenshaltungskosten, inklusive Miete, in der Höhe von Fr. 1'400.– und die Krankenkassenprämien in der Höhe von Fr. 500.–, abzüglich Prämienverbilligung, zu bestreiten. Bei diesen zwar knappen, aber doch ausreichenden finanziellen Verhältnissen bestanden bereits im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils keine Anhaltspunkte für eine Tagessatz- höhe von Fr. 10.–. Ausserdem erhält der Beschuldigte inzwischen Ergänzungs- leistungen, welche im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch in Abklärung waren (Prot. I S. 7 f.; Prot. II S. 8 f.). Da der Beschuldigte nicht mittellos ist und die ver- änderten wirtschaftlichen Verhältnisse im zweitinstanzlichen Urteilszeitpunkt mas- sgebend sind (Art. 34 Abs. 2 StGB), ist die Höhe des Tagessatzes auf Fr. 30.– festzusetzen. Das Verbot der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) greift nicht (vgl. BGE 146 IV 172 E. 3.3.3).

  3. Fazit

In Würdigung aller massgeblichen Strafzumessungsgründe erweist sich eine Bestrafung des Beschuldigten mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.– als den Taten und dem Täter angemessen.

  1. Vollzug

    Dem Beschuldigten ist unter Hinweis auf die zutreffenden Erwägungen der Vor- instanz (Urk. 39 S. 20) der bedingte Strafvollzug zu gewähren. Die Vorinstanz hat die theoretischen rechtlichen Grundlagen zum Vollzug dargetan. Weiter hat sie zutreffend erwogen, dass der Beschuldigte Ersttäter ist und keine Vorstrafen auf- weist, womit eine günstige Prognose zu vermuten ist. Zudem dürfte das vorlie- gende Strafverfahren und die Bestrafung mit einer bedingten Geldstrafe genü- gend beeindrucken, um sich in Zukunft zu bewähren. Die Probezeit ist daher auf das gesetzliche Minimum von zwei Jahren festzusetzen. Überdies stünde dem Vollzug der Geldstrafe sowie der Erhöhung der Probezeit das Verbot der reforma- tio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO) entgegen.

  2. Beschlagnahmte Gegenstände

    Die Vorinstanz hat hierzu die rechtlichen Grundlagen zutreffend umschrieben, wo- rauf vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 39 S. 22 f.). Nachdem keine Gründe für eine abweichende Würdigung gegenüber der Vorinstanz ersichtlich sind, sind die in der Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom 6. Dezember 2020 aufgeführten Gegenstände einzuziehen und mit den genannten Spuren und Spurenträgern nach Eintritt der Rechtskraft der zuständigen Lagerbehörde zur Vernichtung zu überlassen (vgl. Urk. 1/12/2).

  3. Zivilansprüche

  1. Ausgangslage

    1. Die Privatklägerin B. Zürich macht Schadenersatz in der Höhe von Fr. 3'488.85 geltend (Urk. 2/7).

    2. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Voraussetzungen der Schadenersatz- pflicht in Bezug auf die entstandenen Reinigungskosten erfüllt sind, weshalb der Beschuldigte verpflichtet wurde, der Privatklägerin Schadenersatz in Höhe von Fr. 926.65 zu bezahlen. Im Mehrbetrag verwies die Vorinstanz das Schadener- satzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses (Urk. 39 S. 22).

    3. Im Berufungsverfahren macht der Beschuldigte geltend, dass es sich am E. -platz um Kreidefarbe gehandelt habe, weshalb keine Reinigung notwen- dig gewesen sei bzw. die Polizei selbst die Graffitis gesprayt habe (Prot. II S. 12, 15).

  2. Haftungsvoraussetzung und konkrete Prüfung

    1. Die geschädigte Person kann zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat entweder selbständig auf dem Wege des Zivilprozesses oder adhäsionsweise durch schriftliches oder mündliches Begehren an das für den Entscheid über die Anklage zuständige Strafgericht geltend machen (Art. 119 i.V.m. Art. 122 Abs. 1

      StPO). Gemäss Art. 41 OR ist jener, der einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht oder aus Fahrlässigkeit, ihm zum Ersatze verpflichtet.

    2. Gemäss den Sachverhaltsfeststellungen ist erstellt, dass der Beschuldigte am 3. Dezember 2020 am H. -platz zweimal den Schriftzug Panik Mache mit Virus-Logo und ein weiteres Virus-Logo in mehreren Farben auf das Trottoir sprayte, wodurch der Privatklägerin Reinigungskosten in der Höhe von Fr. 926.65 entstanden sind (vgl. E. III.5.5.). Dieser Schaden gilt im Sinne von Art. 41 OR als rechtswidrig und schuldhaft zugefügt, hat der Beschuldigte doch durch sein Ver- halten Art. 144 Abs. 1 StGB verletzt, welcher neben dem Eigentum auch das Ge- brauchs- und Nutzungsrecht an einer Sache schützt (Urteil des Bundesgerichts 6B_91/2021 vom 30. Juni 2021 E. 1.3.3). Schliesslich war die Beschädigung des Trottoirs am H. -platz kausal für die entstandenen Reinigungskosten. Der Beschuldigte ist daher zu verpflichten, der Privatklägerin Schadenersatz in der Höhe von Fr. 926.65 zu bezahlen. Im Mehrbetrag ist das Schadenersatzbegehren der Privatklägerin auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.

VIII. Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Vorinstanzliches Verfahren

    1. Gestützt auf Art. 428 Abs. 3 StPO hat die Rechtsmittelinstanz von Amtes wegen auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu befinden, wenn sie selber ein neues Urteil fällt und nicht kassatorisch entscheidet. Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird.

    2. Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung vollumfänglich. Das erstin- stanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 7 und 8) ist deshalb zu bestätigen.

  2. Zweitinstanzliches Verfahren

    1. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt oder unterliegt, hängt davon ab, in

      welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_1344/2019 vom 11. März 2020 E. 2.2 m.w.H.). Wird der Entscheid im Rechtsmittelverfahren nur unwesentlich abgeän- dert, können die Kosten nach dem Verursacherprinzip auferlegt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_318/2016 vom 13. Oktober 2016 E. 4.1 m.w.H.).

    2. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist in Anwendung von Art. 424 Abs. 1 StPO i.V.m. § 16 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 lit. a GebV OG unter Be- rücksichtigung der Bedeutung und der Schwierigkeit des Falles sowie des Zeit- aufwands des Gerichts auf Fr. 2'500.– festzusetzen.

    3. Der Beschuldigte unterliegt im Berufungsverfahren vollumfänglich, sodass ihm die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen sind.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig der mehrfachen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die folgenden gemäss Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom

    6. Dezember 2020 sichergestellten Spuren und Spurenträger werden der zuständigen Lagerbehörde nach Eintritt der Vollstreckbarkeit dieses Urteils zur Vernichtung überlassen:

  5. Die folgenden gemäss Sicherstellungsliste der Stadtpolizei Zürich vom

  6. Dezember 2020 sichergestellten Gegenstände werden eingezogen und der zuständigen Lagerbehörde nach Eintritt der Vollstreckbarkeit dieses Ur- teils zur Vernichtung überlassen:

  1. Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin Stadt Zürich, B. Zürich Schadenersatz von Fr. 926.65 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  2. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffern 7 und 8) wird bestä- tigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'500.–.

  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  5. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  6. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, be- gründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der I. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesge- richtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 20. Oktober 2023

Der Präsident:

lic. iur. Stiefel

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Gitz

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