Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 20.11.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte schwere Körperverletzung etc. |
Schlagwörter : | Gerin; Privatklägerin; Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Aussage; Aussagen; Recht; Vorinstanz; Berufung; Privatklägerinnen; Körperverletzung; Schwere; Freiheit; Staatsanwalt; Sinne; Freiheitsstrafe; Staatsanwaltschaft; Wiesen; Urteil; Wohnung; Verletzung; Verteidigung; Verfahren; Untersuchung; Prot; Kantons; Unentgeltliche; Anklage |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 113 StPO ; Art. 122 StGB ; Art. 126 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 136 StPO ; Art. 138 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 163 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 30 StGB ; Art. 303 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 31 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 44 StGB ; Art. 45 StGB ; Art. 48a StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 67b StGB ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 121 IV 49; 122 IV 49; 137 IV 113; 140 IV 74; 144 IV 313; 146 IV 297; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230003-O/U/cwo
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, Oberrichterin lic. iur. S. Fuchs und Ersatzoberrichter lic. iur. K. Vogel sowie der Gerichtsschreiber MLaw J. Stegmann
in Sachen
Beschuldigter und I. Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X1.
gegen
betreffend versuchte schwere Körperverletzung etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 4. Mai 2022 (Urk. 19/3) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 86 S. 52 ff.; inkl. Nachtragsurteil vom 6. September 2022 betr. Kosten IRM- Gutachten [Urk. 76; hier in kursiver Schrift ergänzt/nachgetragen])
ist schuldig
Von der Anordnung einer Landesverweisung in Sinne von Art. 66a StGB wird abgesehen.
wird die Kantonspolizei hiermit verpflichtet, ihn - auf entsprechende Mitteilung des Forensi- schen Instituts Zürich hin - zwangsweise vorzuführen. Der Beschuldigte wird auf Art. 205, 207 und 417 StPO aufmerksam gemacht.
b) Die Genugtuungsbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 werden abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'600.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 Gebühr für das Vorverfahren;
Fr. 2'321.30 Auslagen (Gutachten);
Fr. 840.00 Auslagen Kantonspolizei Zürich; Fr. 50.00 Zeugenentschädigung B. ;
Fr. 5'080.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwältin MLaw X2. (inkl. Barauslagen und MwSt.), bereits vergütet;
Fr. 11'921.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwalt lic. iur. X1. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin 1,
Fr. 7'286.85
Rechtsanwältin lic. iur. Y. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 1'393.05 Kosten IRM-Gutachten;
Fr. 35'492.40 Total.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 87; Urk. 103; Prot. II S. 7)
« 1. Dispositivziffern 1 bis und mit 3 sowie 6 bis und mit 7a und 7b zweiter Absatz als auch 9 und 11 des Urteils des Bezirksgerichts Winterthur vom 31.08. 2022, Geschäfts-Nr. DG220022-K/Ubegr/ ae, seien aufzuheben.
Der Beschuldigte sei von sämtlichen Vorwürfen, soweit von der Vorinstanz nicht bereits eingestellt, von Schuld und Strafe vollum- fänglich freizusprechen.
Für die erstandene Untersuchungshaft sei der Beschuldigte an- gemessen zu entschädigen.
Von den Anordnungen einer Abnahme einer DNA-Probe sei ab- zusehen.
Die Zivilklage der Privatklägerin 1 sowie die Schadenersatzbe- gehren der Privatklägerinnen 2 und 3 sei vollumfänglich abzuwei- sen; eventualiter auf den Zivilweg zu verweisen.
Im Übrigen sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen sei.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen vor erster und zweiter Instanz zu Lasten des Staates.»
Der Privatklägerinnen 2 (C. (Urk. 94, schriftlich)
) und 3 (D. ):
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für die Privatklägerin- nen 2 und 3
Mit Eingabe vom 4. Mai 2022 erhob die Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich gegen A.
beim Bezirksgericht Winterthur Anklage (Urk. 19/3). Der
Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem Entscheid vom 31. August 2022 (Urk. 86 E. I/1 f. S. 6 f.).
Berufung des Beschuldigten beantragt werde. Überdies liessen sie ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellen (Urk. 94). Die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin 1 liessen sich zur Präsidialverfügung vom 25. Januar 2023 nicht vernehmen (Urk. 92).
Nach durchgeführter Berufungsverhandlung erweist sich das Verfahren als spruchreif.
Abs. 2, 9 und 11; damit auch Dispositivziffer 2 des Nachtragsurteils vom
6. September 2022 [Urk. 76]) angefochten, während sämtliche anderen Disposi- tivziffern des vorinstanzlichen Urteils unangefochten blieben. Der Eintritt der
Rechtskraft dieser Anordnungen ist vorab festzustellen (Art. 399 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 402 und 437 StPO sowie Art. 404 StPO).
Um ein Antragsdelikt handelt es sich einzig bei dem in der Anklage aufgeführten Vorwurf der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB vom 24. Oktober 2021 zum Nachteil von E. (Privatklägerin 1). Ihre schriftliche Erklärung bzw. Einreichung des Formulars «Geltendmachung von Rechten als Privatkläger- schaft» datierend vom 8. November 2021 erfüllt die gesetzlichen Form- und Fristerfordernisse (Art. 303 Abs. 1 StPO, Art. 31 StGB), sodass ein gültiger Straf- antrag vorliegt (so auch die Vorinstanz in Urk. 86 E. II/1.1 S. 7).
Verwertbarkeit polizeiliche Einvernahme der Privatklägerin 1
der Teilnahmerechte des Beschuldigten durchgeführt worden sei (Urk. 64 S. 2; Urk. 103 S. 2 f.).
Art. 147 Abs. 1 StPO statuiert den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen im Untersuchungs- und Hauptverfahren. Demnach haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der An- spruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, et- wa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme be- rechtigt. Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023
E. 2.3.2 mit Hinweisen). Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt (BGE 141 IV 20
E. 1.1.4). Der Zeitpunkt der Eröffnung ist in der Strafprozessordnung nicht näher geregelt. Im Regelfall wird darüber entschieden, wenn die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft eingehen (JOSITSCH/SCHMID, PK-StPO, 4. Aufl. 2023, N 12 zu Art. 309). Wenn die Staatsanwaltschaft Zwangsmassnahmen anordnet, geht damit zwingend eine Eröffnung einher (Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO).
Aus den Akten ergibt sich, dass die Polizei am 24. Oktober 2021,
23.53 Uhr, alarmiert wurde (Urk. 1/1 S. 2). In der Folge führte die Polizei erste Ermittlungshandlungen durch, wobei auch die Privatklägerin 1 am 25. Oktober 2021 ab 10.53 Uhr befragt wurde (Urk. 3/1). Gleichentags rapportierte die Kan- tonspolizei Zürich an die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland. Nach Über- nahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich am
26. Oktober 2021 wurde der Beschuldigte dieser zugeführt (Urk. 1/1–2). Ab die- sem Zeitpunkt war die Strafuntersuchung zu eröffnen (Art. 309 Abs. 1 StPO). Die hier zur Diskussion stehende Einvernahme der Privatklägerin 1 vom 25. Oktober 2021 fand somit im polizeilichen Ermittlungsverfahren und nicht bereits im Auftrag
der Staatsanwaltschaft statt. Entsprechend verletzt die Abwesenheit des Beschuldigten dessen Teilnahmerechte nicht, und es ist – nachdem die Privatkläge- rin 1 bei der Staatsanwaltschaft (Urk. 3/2) und vor Vorinstanz (Prot. I S. 34 ff.) in Anwesenheit des Beschuldigten bzw. dessen Verteidigung und mit der Möglich- keit zum Stellen von Fragen einvernommen wurde – nicht erkennbar, weshalb die polizeiliche Einvernahme nach Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zu Lasten des Beschul- digten verwertet werden dürfte. Daran ändert die vom Pikettstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland am 25. Oktober 2021 frühmorgens
(01.18 Uhr) angeordnete Zwangsmassnahme (Anordnung zur Blutentnahme und Urinasservierung; vgl. Urk. 1/1, 5/1–2) nichts. Dies bedingte zwar die Eröffnung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO), in zeitli- cher Hinsicht lässt sich daraus jedoch nichts ableiten (JOSITSCH/SCHMID, Hand- buch StPO, 4. Aufl. 2023, N 1223 und 1228 Fn 61; JOSITSCH/SCHMID, PK-StPO,
Aufl. 2023, N 12 zu Art. 309). Es lässt sich im Übrigen auch nicht sagen, dass die Staatsanwaltschaft untätig geblieben wäre und die Eröffnung der Untersu- chung hinausgeschoben hätte, führte sie doch bereits am 26. Oktober 2021 die Hafteinvernahme des Beschuldigten durch (Urk. 2/2; vgl. zum Ganzen auch Urteil OGer ZH SB220007-O vom 21. März 2023 E. II/2 S. 8 ff.). Die polizeiliche Einver- nahme der Privatklägerin 1 vom 25. Oktober 2021 (Urk. 3/1) ist somit uneinge- schränkt verwertbar.
Antrag der Privatklägerinnen 2 und 3 um unentgeltliche Prozessführung
Ziff. 1 EMRK in der Weise auslegen, dass eine detaillierte Antwort auf jedes Ar- gument gefordert würde (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249
E. 1.3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.5.2, mit Hinweisen).
Am 24. Oktober 2021, ca. 23.00/23.15 Uhr, sei es zwischen dem Beschuldigten und seiner Ehefrau, der Privatklägerin 1 (E. ), im Elternschlafzimmer der ehelichen Wohnung zu einem kurzen verbalen Disput gekommen, in deren Ver- lauf der Beschuldigte die Privatklägerin 1, welche das Schlafzimmer habe ver- lassen wollen, an den Haaren gepackt und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen habe. Als er sie erneut an den Haaren gepackt habe, sei die Privat- klägerin 1 mit vornüber gebücktem Oberkörper auf die Knie gefallen, so dass deren Oberkörper auf den horizontalen Oberschenkeln zu liegen gekommen sei und sich der Kopf der Privatklägerin 1 etwas über dem Boden befunden habe (angeklagt als Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB).
es wegen grösseren Hirnblutungen jederzeit zu einem steigenden Druck im Schädelinneren mit der Gefahr der Verschiebung der Hirnmasse und dadurch bedingter Schädigung und Absterben ganzer Hirnbereiche oder gar zu einer dadurch bedingten Kompression des Atemzentrums mit tödlichen Folgen kom- men können, wozu es indessen nicht gekommen sei (angeklagt als versuchte schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB).
f., 58, 63; Urk. 2/2 F/A 12, 16; Urk. 2/3 F/A 5 ff.; Urk. 2/6 F/A 4 ff., 9 ff.; Prot. I
S. 26 ff.; Urk. 102 S. 4 ff.).
Grundsätze der Sachverhaltserstellung und Beweiswürdigung, massgebli- che Beweismittel
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel, namentlich
die Aussagen des Beschuldigten (Urk. 2/1-6; Prot. I S. 16 ff.),
die Aussagen der Privatklägerin 1 (Urk. 3/1-3; Prot. I S. 34 ff.),
die Aussagen der Zeugin B. (Urk. 4/3),
der ärztliche Befund des Kantonsspitals Winterthur über die Privatklägerin 1 (Urk. 7/3),
genannt, deren Ergebnisse und den Inhalt umfassend und zutreffend wiederge- geben, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 86 E. III/C/1.1-1.6 S. 11-20). Überdies befinden sich in den Akten auch noch
die Zeugeneinvernahmen von F. vgl. dazu auch nachfolgend E. II/3.3).
(Urk. 4/1) sowie von G.
(Urk. 4/2;
Würdigung der Beweismittel (Anklageziffer 1)
Die Vorinstanz erachtete den Anklagesachverhalt gestützt auf die massgeblichen Beweismittel als erstellt. Die Aussagen der Privatklägerin 1 und der Zeugin B. seien übereinstimmend, glaubhaft und überzeugend. Deren
Sachverhaltsdarstellung würde durch die Fotos und die Arztberichte gestützt. Die Aussagen des Beschuldigten seien demgegenüber teilweise widersprüchlich und würden keine plausiblen Erklärungen für die bei der Privatklägerin 1 festgestellten Verletzungen enthalten (Urk. 86 E. III/C/1.8 S. 24). Es kann vorweggenommen werden, dass den von der Vorinstanz aus dem Beweismaterial gezogenen Schlüssen zur Sachverhaltserstellung im Ergebnis zu folgen ist. Die nachstehen- den Erwägungen sollen die vorinstanzliche Würdigung nur noch ergänzen, präzi- sieren und verdeutlichen, dass angesichts des Beweisergebnisses kein vernünfti- ger Zweifel im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StPO verbleibt, dass der Sachverhalt sich so zugetragen hat, wie er angeklagt (Anklageziffer 1) ist.
S. 15-18). Auch den Ausführungen der Vorinstanz zur Glaubwürdigkeit der Privat- klägerin 1 und zur Glaubhaftigkeit deren Aussagen (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 b und
1.7.2 b S. 21 und 22 f.) kann beigepflichtet werden, insoweit nicht aus der pro- zessualen Stellung Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit gezogen werden. Auf letzte- ren Aspekt wird in E. II/3.4.2 unten näher eingegangen.
Kindern angesprochen, verneinte dies die Privatklägerin 1 [Urk. 3/1 F/A 59]; auf die Beziehung zum Beschuldigten angesprochen, erklärte die Privatklägerin 1, dass sie an sich ein sehr friedliches und harmonisches Eheleben führen würden [Urk. 3/1 F/A 21]).
Auch muss man sich den Ausgangspunkt der Alarmierung des Rettungs- dienstes bzw. der Polizei vor Augen führen. Aufgrund von Lärm aus der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung, ging die Nachbarin (die Zeugin B. ) bei der Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 läuten. Nachdem der
Beschuldigte B.
die Türe öffnete und diese in die Wohnung herein liess,
sowie aufgrund der angetroffenen Situation bzw. der verletzten Privatklägerin 1, alarmierte B. in der Folge den Rettungsdienst (Urk. 2/1 F/A 47 f.; Urk. 4/3 F/A 9 f.). Via die Einsatzzentrale von Schutz und Rettung wurde danach die Polizei alarmiert (Urk. 1/1 S. 2). Eine Falschbelastung des Beschuldigten durch die Privatklägerin 1 wäre bereits vor diesem Hintergrund nicht plausibel.
Zeugin B.
untermauert, welche während des Vorfalls zwar nicht in der
Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 zugegen war, jedoch von der sich darunter befindlichen Wohnung aus einen Streit und Gepolter wahrnahm, aus eigenem Antrieb in die Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 ging, dort die verletzte Privatklägerin 1 vorfand und sodann den Rettungsdienst alarmierte (vgl. nachfolgend E. II/3.3).
Aussagen der Zeuginnen und des Zeugen
Die Vorinstanz hat die Aussagen der Zeugin B. zutreffend wiederge- geben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 86 E. III/C/1.5 S. 18 f.). Auch die Ausführungen der Vorinstanz zu deren Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussagen können übernommen werden (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 c und 1.7.2 c S. 21 und 23).
Es finden sich in den Akten weiter die Einvernahmen der Zeugin F. , bei der es sich um die Lehrerin der Privatklägerin 2 handelt, sowie des Zeugen G. , welcher der Bruder der Privatklägerin 1 ist.
F. und G. konnten nicht direkt etwas zum eingeklagten Vorfall berich- ten. Weder konnten sie persönlich Beobachtungen dazu machen, noch hatte – soweit bekannt – die Privatklägerin 1 ihnen etwas Konkretes davon erzählt (Urk. 4/1-3). Den Aussagen G. s ist aber immerhin zu entnehmen, dass die Privatklägerin 1 ihm bereits früher von Schlägen seitens des Beschuldigten be- richtet habe (Urk. 4/2 F/A 12 ff.). Den Aussagen von F. ist zu entnehmen, dass es im Juni/Juli 2019 zu zwei Elterngesprächen gekommen sei, nachdem die Privatklägerin 2 von einem (Gewalt-)Vorfall zwischen ihren Eltern (dem Beschul- digten und der Privatklägerin 1) zu Hause erzählt habe (Urk. 4/1 F/A 19 ff.). Es sei dann die Schulleitung sowie die Schulsozialarbeiterin informiert und die Fachstelle
H.
[Opferhilfeberatung] hinzugezogen worden. Zuerst habe ein Gespräch
(mit dem Thema: häusliche Gewalt) mit der Privatklägerin 1 alleine stattgefunden und danach eines mit der Privatklägerin 1 und dem Beschuldigten zusammen. Der Beschuldigte habe dabei häusliche Gewalt nicht verneint bzw. nicht bestritten. Auf Einzelheiten des Vorfalles sei man nicht eingegangen (Urk. 4/1 F/A 19 ff., vgl. auch Beilage 1 und 2).
Die Aussagen von F. und G. erweisen sich als glaubhaft. Namentlich sind keine Lügensignale erkennbar. Sie beide haben abgegrenzt, was ihnen von wem erzählt worden sei. Überdies wiesen auch sie mehrmals darauf hin, dass sie eine Frage nicht beantworten könnten oder dass sie sich nicht sicher seien. Ihre Aussagen sind sodann nicht von übermässigen Belastungen gegen dem Beschuldigten geprägt. Wenngleich nichts Konkretes zum Vorfall vom 24. Oktober
2021 abgeleitet werden kann, sprechen die glaubhaften Aussagen indiziell dafür, dass der Beschuldigte bereits vor dem Vorfall vom 24. Oktober 2021 – mindes- tens anlässlich eines weiteren Vorfalls – zu Gewalt gegenüber der Privatkläge- rin 1 bereit war.
Die Aussagen der Zeugin F. werden überdies von den Journaleinträ-
gen der Fachstelle H.
bestätigt. Daraus ergibt sich das Nachfolgende
(Urk. 10/6 [in den Akten als Urk. 8/6 gekennzeichnet]):
Journaleintrag vom 3. Juni 2019:
«C.
[Privatklägerin 2] habe heute der LP F.
gesagt, sie habe zu
Hause etwas erlebt, was gar nicht gut ist, aber wenn ich das erzähle, rufen Sie jemanden an. Vieraugengespräch C. und LP: A. [der Beschuldig- te] habe am 30.05. [2019] E. [Privatklägerin 1] in den Rücken geboxt und
sie an den Haaren gezogen. Als E.
am Boden gelegen habe, habe
E. mit den Füssen getreten. Es sei am 30.05. und am 31.05. zu einem Gewaltvorfall gekommen. Früher sei es auch schon einmal ganz schlimm gewesen. […]»
Journaleintrag vom 17. Juni 2019:
«E.
bestätigt sofort, dass A.
ihr gegenüber gewalttätig geworden
ist, auch dass sie dies nicht tolerieren will, dass sie sich innerhalb der Familie hilft geholt hat. […]»
Journaleintrag vom 2. Juli 2019:
«A.
[der Beschuldigte] gibt Gewalt zu, ist im Gespräch in Kontakt mit
E. und mit uns. Sagt, er wolle auf keinen Fall je wieder gewalttätig wer- den. Ist interessiert am Angebot mannebüro. E. sagt klar, sie werde keine Gewalt mehr tolerieren. […]»
Wie bereits vorstehend ausgeführt, war die Zeugin B. die Ersteintref- fende nach dem hier zu beurteilenden Vorfall in der Wohnung der Privatklägerin 1 und des Beschuldigten (vgl. vorstehend E. II/3.2.6). Diesbezüglich berichtete sie, wie sie Lärm aus der über ihrer Wohnung befindlichen Wohnung wahrgenommen habe, aufgrund dessen sogar ihre Kinder aufgewacht seien. Daraufhin sei sie nach oben nachschauen gegangen (Urk. 4/3 F/A 9). Gewalttätige körperliche Übergriffe seitens des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 konnte die
Zeugin B.
ebenfalls nicht wahrnehmen. Eindrücklich berichtete sie jedoch
davon, in welchem Zustand sie die Privatklägerin 1 in der Wohnung vorgefunden habe (Urk. 4/3 F/A 9, vgl. auch F/A 14 ff.):
«halb auf dem Boden, halb auf dem Bett, ihr Oberkörper war auf dem Bett, die Hüfte war auf Höhe des Bettrandes, die Beine auf dem Boden. Sie war nicht ansprechbar und die beiden Mädchen waren auf der andern Seite des Bettes, völlig verwirrt und ängstlich, mit den Händen vor dem Kinn und zitterten»; «Ich fragte sie, ob es ihr gut gehe und sie antwortete kaum, sondern nur benommen, sie stöhnte und hatte Blut im Mund, sie war kraftlos»
Nachvollziehbar und überzeugend schilderte sie auch, wie sie den Beschuldigten in dieser Situation wahrgenommen habe (Urk. 4/3 F/A 10, vgl. auch F/A13):
«er war nervös, ich glaube, er war gar nicht bei sich.»,
und wie sie mit ihm über das Vorgefallene gesprochen habe (Urk. 4/3 F/A 10):
«Wir waren bereits am Rauchen, wir sassen am Tisch auf dem Balkon und ich legte meine Hände auf den Tisch und fragte ihn: A. , was machst du?. Er nahm meine Hände in seine und sagte: Ich liebe diese Frau. Ich sagte ihm, dass dies keine Liebe sei, er habe sie spitalreif geschlagen. Was es ihm nütze, wenn sie [die Privatklägerin 1] sterbe. Er sagte mir, dass sie wolle, dass er die Polizei rufe, dass es mit ihnen beiden fertig sei. Ich sagte ihm, dass dies mit dem Schlagen so nicht gehe, ich hatte ja so etwas selber erlebt. Ich sagte ihm, er mache seine Kinder kaputt und niemanden anders.»
Weiter schilderte B. , dass die Privatklägerinnen 2 und 3 gegenüber der Po- lizei gesagt hätten, dass der Beschuldigte die Privatklägerin 1 mit den Beinen ge- treten und sie geschlagen habe (Urk. 4/3 F/A 10).
sind überzeugend, glaubhaft und weisen keine Lü-
gensignale auf. Sie grenzte klar ab, was sie selbst gesehen bzw. wahrgenommen
und was sie von anderen Personen gehört hatte. Auch belastete sie den Beschuldigten nicht übermässig, indem sie beispielsweise erklärte, dass sie zum Zeitpunkt, als sie in die Wohnung gegangen sei, nicht gewusst habe, was dort
vorgefallen sei (Urk. 4/3 F/A 10). Auch sprechen die Aussagen von B. –
dass sie, als sie die Wohnung betreten habe, keine Angst gehabt habe, denn er (der Beschuldigte) sei ein liebevoller und hilfsbereiter Mensch, oder dass sie noch nie so etwas wie das Vorgefallene in den letzten sieben Jahren aus der Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 gehört habe, sie beide wirklich «mega freundlich» seien – für die Glaubhaftigkeit ihrer weiteren Aussagen (Urk. 4/3 F/A 9 und 20).
E. III/C/1.3 S. 12-15). Auch die Ausführungen der Vorinstanz zur Glaubwürdigkeit des Beschuldigten und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen können mit nachstehen- der Ausnahme übernommen werden (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 a und 1.7.2 a S. 20 und 21 f.).
gangen wird. Ausserdem ist das Recht tangiert, sich nicht selbst belasten zu müssen (Art. 113 Abs. 1 StPO). Die prozessuale Stellung einer Partei vermag für die Sachverhaltserstellung nie etwas beizutragen, weder im positiven noch im ne- gativen Sinne (vgl. Urteil der erkennenden Kammer SB180079-O/U vom 18. Ok- tober 2018 E. 3.1 S. 9). Korrekt ist stattdessen, dem Beschuldigten und auch der Privatklägerin 1 grundsätzlich Glaubwürdigkeit zu attestieren. Es handelt sich hier aber wohlgemerkt um ein untergeordnetes Detail; im Vordergrund steht – mit der Vorinstanz (Urk. 86 E. III/B/3 S. 10 und E. III/C/1.7 S. 20) – die Überzeugungskraft der Aussagen selbst, deren Glaubhaftigkeit.
Der Beschuldigte berief sich bis zuletzt auf seinen Standpunkt, dass es am
24. Oktober 2021 zwischen ihm und der Privatklägerin 1 zu einem kurzen (lauten) verbalen Streit gekommen sei, woraufhin es ein kurzes Gerangel gegeben und er die Privatklägerin 1 weggestossen habe. Er sei dann aus dem Schlafzimmer heraus ins Wohnzimmer gegangen. Körperliche Übergriffe seinerseits gegenüber der Privatklägerin 1 bestritt der Beschuldigte auch anlässlich der heutigen Beru- fungsverhandlung (Urk. 2/1 F/A 37, 42, 47, 49, 52, 54 f., 58, 63; Urk. 2/2 F/A 12,
16; Urk. 2/3 F/A 5 ff.; Urk. 2/6 F/A 4 ff., 9 ff.; Prot. I S. 26 ff.; Urk. 102 S. 4 ff.).
«Ich kann mich wirklich nicht mehr ganz genau erinnern, um was es beim Streit gegangen ist»,
Auch die pauschalen Bestreitungen des Beschuldigten in Bezug auf die
Journaleinträgen der Fachstelle H.
bzw. in Bezug auf die Aussagen der
Zeugin F. wirken wenig plausibel und vermögen letztlich nicht zu überzeu- gen (Urk. 2/6 F/A 6 f., vgl. auch F/A 12 f.).
keine plausible Erklärung für die in der Wohnung vorgefundenen Haarbüschel und Spuren von Erbrochenem im Bett des Elternschlafzimmers liefern.
Die Theorien des Beschuldigten, dass die Privatklägerin 1, um ihn zu beschuldigen, gegebenenfalls die Haarbüschel in der Wohnung so platziert habe (Urk. 2/1 F/A 68), die Privatklägerin 1 aufgrund ihrer Wut es ihm nun heimzahlen oder ihn als schlechten Menschen darstellen wolle (Urk. 2/2 F/A 19; Prot. I S. 28) oder der Bruder der Privatklägerin 1 gegebenenfalls auf die Privatklägerin 1 Einfluss genommen habe (Prot. I S. 33), finden in den Akten keinerlei Stütze. Auch ergibt sich wie vorstehend dargelegt nicht, dass die Zeugin B. – wie vom Beschuldigten vorgebracht (Prot. I S. 33) – gelogen hätte (vgl. vorstehend E. II/3.3.4).
Die ausführliche rechtliche Würdigung der Vorinstanz (Urk. 86 E. III/C/2
S. 24–30) ist weitestgehend zutreffend, sodass grundsätzlich darauf verwiesen werden kann. Präzisierend ist jedoch das Folgende zu erwähnen:
Boden liegende Privatklägerin 1 sind bei natürlicher und objektiver Betrachtung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht derart eng miteinander verbunden, dass sie als ein einheitliches Tun erscheinen, zumal dieser Tatzusammenhang auch nie un- terbrochen wurde. Schliesslich richten sich beide Handlungen gegen ein und das- selbe Rechtsgut und dieselbe Rechtsgutsträgerin und beruhen auf ein und dem- selben gefassten Willensentschluss (BGE 137 IV 113 E. 1.2 ff.; 111 IV 144 E. 3b;
131 IV 83 E. 2.4.5; 133 IV 256 E. 4.5.3; DONATSCH/GODENZI/TAG, Strafrecht I Verbrechenslehre, 10. Aufl., Zürich 2022, S. 433 ff.; STRATENWERTH, Schweizeri- sches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Auflage, Bern 2011, § 19 N 12). Somit liegt insoweit ein Fall von natürlicher Handlungseinheit vor, weshalb die Tätlichkeiten in der versuchten schweren Körperverletzung aufgehen und Letztere den deliktischen Unrechtsgehalt Ersterer vollständig erfasst. Rechtferti- gungs- und/oder Schuldausschlussgründe sind nicht ersichtlich.
antragt war (Urk. 19/3 S. 4 f.; Urk. 62 S. 1 und 3) – angezeigt gewesen wäre, da die Privatklägerin 1 im fraglichen Zeitpunkt als gegenüber dem Beschuldigten wehrlos zu qualifizieren gewesen wäre. Die Privatklägerin 1 erlitt aufgrund des Fusstrittes des Beschuldigten eine Gehirnerschütterung, musste sich mehrmals übergeben und befand sich dann geschwächt und lädiert im Schlafzimmer. Zu erwähnen ist auch, dass der Beschuldigte mit seiner Körpergrösse und seinem Gewicht (ca. 182 Zentimeter, ca. 77 Kilogramm; Urk. 6/1) der Privatklägerin 1 (ca. 160 Zentimeter, ca. 56 Kilogramm; Urk. 7/9) nur schon körperlich deutlich überle- gen war.
Mit seiner Berufung beantragt der Beschuldigte einen vollumfänglichen Freispruch (Urk. 87).
6.1.1; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; BGer 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022, E. 2.2; je
mit Hinweisen). Darauf kann vorab verwiesen werden. Auch die Erwägungen der Vorinstanz zu den allgemeinen Strafzumessungsregeln (Urk. 86 E. IV/1.1 f. sowie 3.1.1–3.1.4. S. 30 ff.) brauchen nicht wiederholt zu werden.
rung der Strafrahmen (AS 2023 259; Inkrafttreten: 1. Juli 2023) angepassten Strafrahmens von Art. 122 StGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da das neue Recht nicht zu einem milderen Ergebnis für den Beschuldigten führen würde. Der Strafrahmen der einfachen (qualifizierten) Körperverletzung beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Es sind überdies keine Gründe ersichtlich, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen.
Die (versuchte) schwere Körperverletzung als Hauptdelikt
ne tödliche Einklemmung des Gehirns abwenden zu können (vgl. Urk. 7/9). Zu erwähnen ist auch, dass der Beschuldigte mit seiner Körpergrösse und seinem Gewicht (ca. 182 Zentimeter, ca. 77 Kilogramm; Urk. 6/1) der Privatklägerin 1 (ca. 160 Zentimeter, ca. 56 Kilogramm; Urk. 7/9) nur schon körperlich deutlich überle- gen war. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass bei häuslicher Gewalt hinzu kommt, dass das Vertrauen und das Sicherheitsbedürfnis des Ehepartners erheb- lich und nachhaltig beeinträchtigt wird. Durch sein enorm gewalttätiges und rück- sichtsloses Verhalten missachtete der Beschuldigte die physische und psychische Integrität der Privatklägerin 1 massiv.
holkonsums bereits vor seinem Alkoholkonsum bewusst war. Zumal der Beschul- digte – wie er dies anlässlich der Berufungsverhandlung ausführte (Urk. 102 S. 4)
lediglich drei bis vier kleine Gläser Areki über einen längeren Zeitraum getrun- ken hat. Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit lag beim Beschuldigten überdies entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 86 E. IV/3.2.1/c S. 35) nicht vor, da der Beschuldigte den vom Bundesgericht festgesetzten Wert der Blutalkohol- konzentration (2.0 ‰), ab welchem die Verminderung der Schuldfähigkeit in der Regel angenommen wird (vgl. BGE 122 IV 49 E. 1. b) – laut der Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt mit 1.47 ‰ (vgl. Urk. 59) – nicht erreicht hat. Der Beschuldig- te hat auch nie geltend gemacht, wegen Alkoholeinwirkung nicht mehr voll ge- wusst zu haben, was er tue.
wie von der Verteidigung vorgebracht (Urk. 103 S. 6) – ist mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer von rund zwei Jahren noch nicht angezeigt.
Nebendelikt: Einfache (qualifizierte) Körperverletzung
zeigt der neuerliche Übergriff auf die Privatklägerin 1, welche sich bereits be- nommen zurück im Schlafzimmer befand, die grosse Gleichgültigkeit des Beschuldigten gegenüber ihrer physischen und psychischen Integrität. Was das Mo- tiv angeht, kann angesichts der Bestreitung nur spekuliert werden. Naheliegend scheint, dass es dem Beschuldigten vor allem darum ging, Kontrolle und Macht auszuüben. Überdies und namentlich zur Alkoholisierung kann auf die vorstehen- den Ausführungen zur versuchten schweren Körperverletzung verwiesen werden (vgl. vorstehend E. III/2.1.2). Die subjektiven Verschuldensaspekte vermögen das objektive Tatverschulden nicht zu relativieren, weshalb es bei einem nicht mehr leichten Tatverschulden bleibt.
E. III/2.2). Die Täterkomponenten wirken sich insgesamt strafzumessungsneutral aus.
Nur für sich betrachtet wäre hierfür mit der Vorinstanz eine Strafe von 9 Monaten angemessen.
aufgrund der Strafandrohung – lediglich die Ausfällung einer Freiheitsstrafe in Betracht kommt (Art. 122 StGB, vgl. auch Urk. 86 E. IV/2.1 f. S. 31 f.). Was die einfache (qualifizierte) Körperverletzung betrifft, bewegt sich die angemessene Strafe über dem Anwendungsbereich einer Geldstrafe (180 Tagessätze; vgl. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 StGB). Überdies sind die Delikte unmittelbar miteinander verknüpft. Mit der Vorinstanz sind für den Beschuldigten daher sowohl für die ver- suchte schwere Körperverletzung als auch für die einfache (qualifizierte) Körper- verletzung Freiheitsstrafen angezeigt.
Da sich für die versuchte schwere und die einfache (qualifizierte) Körperverlet- zung gleichartige Strafen, nämlich Freiheitsstrafen auszusprechen sind, ist in An- wendung von Art. 49 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe auszufällen. Es kommt den zwei Delikten verschuldensmässig zwar selbstständige Bedeutung zu; es ist aber von einem besonders engen sachlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhang auszugehen. Unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips erscheint folgende Rechnung angemessen:
Delikt: | Einsatzstrafe bzw. bei Einzelbetrachtung | asperiert |
Versuchte schwere Körperverletzung | 33 Mt. | (33 Mt.) |
Einfache (qualifizierte) Körperverletzung | 9 Mt. | 6 Mt. |
42 Mt. | 39 Mt. |
13. Dezember 2021, 16.10 Uhr (Urk. 17/2 und 17/30), somit 50 Tage in Untersu- chungshaft. Dementsprechend sind dem Beschuldigten 50 Tage als durch Haft erstanden an die Strafe anzurechnen (Art. 51 StGB).
der Massnahmen gestützt auf die konkreten Verhältnisse im Einzelfall ermittelt und angerechnet werden (vgl. BSK StPO-MANFRIN/VOGEL, Art. 237 N 119).
Bis zu seiner Verhaftung war der Beschuldigte mit den Privatklägerinnen 1 bis 3 an der I. -strasse 1 in J. wohnhaft. Mit der Anordnung des Rayonver- botes wurde ihm somit verunmöglicht, in seine Wohnung zurückzukehren, worauf er bei einem Kollegen in Zürich unterkam (Urk. 2/5; vgl. auch Prot. I S. 23). Auf seine Arbeitssituation hatten die angeordneten Ersatzmassnahmen jedoch keinen Einfluss, konnte der Beschuldigte doch noch immer in seinem Coiffeursalon in Zürich arbeiten (Urk. 2/6 S. 9). Das Getrenntleben des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 war bis zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung gerichtlich nicht geregelt, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass der Beschuldigte – bedingt auch durch das Rayonverbot – keinen Kontakt zu seiner Familie, insbe- sondere nicht zu seinen Kindern, pflegen konnte. Dies bestätigte der Beschuldigte auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung (Urk. 102 S. 2 ff.). Mit dem Electronic Monitoring, zur Überwachung des Rayonverbotes, dürfte keine grosse (zusätzliche) Beschränkung der persönlichen Freiheit des Beschuldigten einher- gegangen sein. Insgesamt erscheint eine Anrechnung der Ersatzmassnahmen im Umfang von 10 %, demnach im Umfang von 26 Tagen, angemessen.
8. Fazit
Mit der Vorinstanz (Urk. 86 E. VIII S. 45 f.) ist festzuhalten, dass die Vorausset- zungen für die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines entsprechen- den DNA-Profils gemäss Art. 257 lit. a und b StPO vorliegend erfüllt sind. In Anbetracht der Schwere der Taten, der heutigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten und der nicht auszuschliessenden Gefahr von Rückfällen er- scheint diese Massnahme – deren Zweck in der Verhinderung und erleichterten Aufklärung allfälliger Rückfalltaten liegt – durchaus verhältnismässig.
3 weder Berufung noch Anschlussberufung gegen den erstinstanzlichen Ent- scheid anmeldeten bzw. erklärten, scheidet aufgrund des Verschlechterungsver- bots eine Zusprechung von Schadenersatz an die Privatklägerinnen 2 und 3 von vornherein aus. Überdies ist die Schadenersatzforderung der Privatklägerinnen 2
und 3 nicht hinreichend begründet und beziffert, weswegen das Schadenersatz- begehren im Sinne von Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO auf den Weg des Zivilprozes- ses zu verweisen ist (so auch die Vorinstanz in Urk. 86 E. IX/5.2 S. 50).
Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens
Kosten des Berufungsverfahrens
Entschädigung für die amtlichen Mandate
Der amtliche Verteidiger (Rechtsanwalt lic. iur. X1. ) ist für seine Auf- wendungen im Berufungsverfahren – unter Berücksichtigung der geltend gemach- ten Aufwandspositionen (Urk. 101) sowie der tatsächlichen Dauer der
Berufungsverhandlung (Prot. II S. 5 und 13) – pauschal mit Fr. 4'000.– aus der Gerichtskasse zu entschädigen.
Die unentgeltliche Rechtsvertreterin der Privatklägerin 1 (Rechtsanwältin lic. iur. Y. ) ist für das Berufungsverfahren – unter Berücksichtigung der gel- tend gemachten Aufwendungen (Urk. 100) – mit Fr. 349.65 aus der Gerichtskasse zu entschädigen.
Das Verfahren wird hinsichtlich der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB (Anklagevorwurf 2) definitiv eingestellt.
[Mitteilungen / Rechtsmittel]»
a) | […] | |
Die Genugtuungsbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 werden abgewiesen. |
8. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'600.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 Gebühr für das Vorverfahren;
Fr. 2'321.30 Auslagen (Gutachten);
Fr. 840.00 Auslagen Kantonspolizei Zürich; Fr. 50.00 Zeugenentschädigung B. ;
Fr. 5'080.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwältin MLaw X2. (inkl. Barauslagen und MwSt.), bereits vergütet;
Fr. 11'921.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwalt lic. iur. X1. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 7'286.85 Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin 1, Rechtsanwältin lic. iur. Y. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 1'393.05 Kosten IRM-Gutachten;
Fr. 35'492.40 Total.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
ist schuldig
a) Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 1 (E. ) Fr. 4'000.– zuzüglich 5 % Zins seit 25. Oktober 2021 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewie- sen.
b) Die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 (C. ) und 3 (D. ) werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600.– ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 4'000.– amtliche Verteidigung,
Fr. 349.65 unentgeltliche Rechtsvertretung Privatklägerin 1.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zu- handen der Privatklägerin 1
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich (mit Vermerk der Rechtskraft)
K. AG, … [Adresse] (Dossier-Nr. 2).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 20. November 2023
Der Präsident:
lic. iur. B. Gut
Der Gerichtsschreiber:
MLaw J. Stegmann
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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