Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB230003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 20.11.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte schwere Körperverletzung etc. |
Zusammenfassung : | Eine Frau namens A______ hat am 7. April 2020 einen Antrag auf Adoption ihrer beiden Kinder B______ und C______ gestellt, die 2003 geboren wurden. Die Kinder wurden durch medizinisch assistierte Reproduktion mit anonymer Spendersamen in England gezeugt. Nach einer Untersuchung und einem positiven Bericht wurde die Adoption am 10. Juni 2020 genehmigt. Die Gerichtskosten in Höhe von 1000 CHF wurden von A______ übernommen. Die adoptierende Person ist weiblich. |
Schlagwörter : | Privatklägerin; Beschuldigte; Beschuldigten; Aussage; Recht; Aussagen; Vorinstanz; Berufung; Privatklägerinnen; Körperverletzung; Freiheit; Staatsanwalt; Sinne; Freiheitsstrafe; Staatsanwaltschaft; Urteil; Wohnung; Verletzung; Verteidigung; Verfahren; Untersuchung; Kantons; Anklage; Gewalt; Fusstritt; Gericht; Winterthur; Einvernahme; Zeugin; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 113 StPO ; Art. 122 StGB ; Art. 126 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 136 StPO ; Art. 138 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 163 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 30 StGB ; Art. 303 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 31 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 44 StGB ; Art. 45 StGB ; Art. 48a StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 67b StGB ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 121 IV 49; 122 IV 49; 137 IV 113; 140 IV 74; 144 IV 313; 146 IV 297; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB230003-O/U/cwo
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, Oberrichterin lic. iur. S. Fuchs und Ersatzoberrichter lic. iur. K. Vogel sowie der Gerichtsschreiber MLaw J. Stegmann
Urteil vom 20. November 2023
in Sachen
Beschuldigter und I. Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X1.
gegen
betreffend versuchte schwere Körperverletzung etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 4. Mai 2022 (Urk. 19/3) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 86 S. 52 ff.; inkl. Nachtragsurteil vom 6. September 2022 betr. Kosten IRM- Gutachten [Urk. 76; hier in kursiver Schrift Ergänzt/nachgetragen])
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig
der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB,
der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 4 StGB sowie
der tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten, wovon 50 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 300.
a) Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 24 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Im übrigen (12 Monate, abzüglich 50 Tage, die durch Untersuchungshaft erstanden sind) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.
b) Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitstrafe von 3 Tagen.
Auf die Anordnung eines Kontaktverbotes gegenüber der Privatklägerin 1 im Sinne von Art. 67b StGB wird verzichtet.
Von der Anordnung einer Landesverweisung in Sinne von Art. 66a StGB wird abgesehen.
Es wird die Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 5 des DNA-Profil-Gesetzes angeordnet. Das Forensische Institut Zürich (FOR) wird mit dem Vollzug beauftragt und der Beschuldigte verpflichtet, innert 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft des Urteils beim Forensischen Institut Zürich, Polizei- & Justizzentrum PJZ, Erkennungsdienst Güterstrasse 33, 8010 Zürich zwecks DNA-Probenahme für die DNA- Profilerstellung zu erscheinen. Kommt er dieser Verpflichtung unentschuldigt nicht nach,
wird die Kantonspolizei hiermit verpflichtet, ihn auf entsprechende Mitteilung des Forensischen Instituts Zürich hin zwangsweise vorzuführen. Der Beschuldigte wird auf Art. 205, 207 und 417 StPO aufmerksam gemacht.
a) Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 1 Fr. 4'000 zuzüglich 5 % Zins ab 25. Oktober 2021 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtu- ungsbegehren abgewiesen.
b) Die Genugtuungsbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 werden abgewiesen.
Die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'600.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 gebühr für das Vorverfahren;
Fr. 2'321.30 Auslagen (Gutachten);
Fr. 840.00 Auslagen Kantonspolizei Zürich; Fr. 50.00 Zeugenentschädigung B. ;
Fr. 5'080.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwältin MLaw X2. (inkl. Barauslagen und MwSt.), bereits vergütett;
Fr. 11'921.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwalt lic. iur. X1. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin 1,
Fr. 7'286.85
Rechtsanwältin lic. iur. Y. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 1'393.05 Kosten IRM-Gutachten;
Fr. 35'492.40 Total.
Die Kosten gemäss Dispositiv-Ziffer 8 werden dem Beschuldigten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten für die amtliche Verteidigung sowie für die unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin 1, welche einstweilen auf die Gerichtskasse genommen werden. Art. 135 Abs. 4 StPO und Art. 138 Abs. 1 StPO bleiben vorbehalten.
Der Antrag der Rechtsvertreterin der Privatklägerinnen 2 und 3 auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.
Der Antrag des Beschuldigten auf Entschädigung für die erstandene Haft sowie die Zwangsmassnahme wird abgewiesen.
[Mitteilungen]
[Rechtsmittel]
BerufungsAnträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 87; Urk. 103; Prot. II S. 7)
? 1. Dispositivziffern 1 bis und mit 3 sowie 6 bis und mit 7a und 7b zweiter Absatz als auch 9 und 11 des Urteils des Bezirksgerichts Winterthur vom 31.08. 2022, Geschäfts-Nr. DG220022-K/Ubegr/ ae, seien aufzuheben.
Der Beschuldigte sei von sämtlichen Vorwürfen, soweit von der Vorinstanz nicht bereits eingestellt, von Schuld und Strafe vollumfänglich freizusprechen.
Für die erstandene Untersuchungshaft sei der Beschuldigte angemessen zu entschädigen.
Von den Anordnungen einer Abnahme einer DNA-Probe sei abzusehen.
Die Zivilklage der Privatklägerin 1 sowie die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter auf den Zivilweg zu verweisen.
Im übrigen sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen sei.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen vor erster und zweiter Instanz zu Lasten des Staates
Der Privatklägerinnen 2 (C. (Urk. 94, schriftlich)
) und 3 (D. ):
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für die Privatklägerin- nen 2 und 3
Erwägungen:
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom 4. Mai 2022 erhob die Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich gegen A.
beim Bezirksgericht Winterthur Anklage (Urk. 19/3). Der
Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem Entscheid vom 31. August 2022 (Urk. 86 E. I/1 f. S. 6 f.).
Das vorstehend wiedergegebene Urteil vom 31. August 2022 wurde den Parteien gleichentags Mändlich eröffnet (Urk. 67; Prot. I S. 57 ff.). Unmittelbar voran ging dem Urteil noch ein Beschluss der Vorinstanz, mit welchem das Verfahren hinsichtlich der tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB (Anklagevorwurf 2) definitiv eingestellt wurde (Urk. 86 S. 52).
Gegen das Urteil meldeten der Beschuldigte mit Eingabe vom 1. September 2022 und die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 6. September 2022, demnach beide innert Frist, Berufung an (Urk. 70; Urk. 75).
Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 82 = Urk. 86; Urk. 83) liess der Beschuldigte am 23. Dezember 2022 fristgerecht die BerufungsErklärung einreichen (Urk. 87).
Demgegenüber liess die Staatsanwaltschaft ihrer Berufungsanmeldung keine BerufungsErklärung folgen, weshalb am 17. Januar 2023 in Anwendung von Art. 403 Abs. 1 und Abs. 3 StPO insoweit das Nichteintreten beschlossen wurde (Urk. 90).
Mit präsidialVerfügung vom 25. Januar 2023 wurde den Privatklägerinnen 1 bis 3 sowie der Staatsanwaltschaft je eine Kopie der BerufungsErklärung des Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen.
Mit Eingabe vom 31. Januar 2023 liessen die Privatklägerinnen 2 und 3 vermelden, dass keine Anschlussberufung erklärt und kein Nichteintreten auf die
Berufung des Beschuldigten beantragt werde. überdies liessen sie ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellen (Urk. 94). Die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin 1 liessen sich zur präsidialVerfügung vom 25. Januar 2023 nicht vernehmen (Urk. 92).
Am 10. August 2023 wurde zur Berufungsverhandlung auf den heutigen Tag vorgeladen. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers. Vorfragen waren keine zu entscheiden, und abgesehen von der Einvernahme des Beschuldigten waren auch keine Beweise abzunehmen (Prot. II S. 6 f.).
Nach durchgefährter Berufungsverhandlung erweist sich das Verfahren als spruchreif.
Umfang der Berufung
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der BerufungsAnträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSK StPO-E UGSTER, Art. 402 N 1 f.).
Der Beschuldigte hat die Berufung in seiner BerufungsErklärung auf den Schuldspruch, die Strafe, den Vollzug der Strafe, die DNA-Profil-Erstellung, die Zivilforderungen der Privatklägerinnen 1-3 (beschränkt auf Dispositivziffer 7 a] sowie 7 b] Abs. 2) sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen beschränkt (Urk. 87 S. 2; Urk. 103; Prot. II S. 7). Die Staatsanwaltschaft und die PrivatKlägerinnen 1 bis 3 verzichteten auf die Erklärung der Anschlussberufung.
Somit ist im Berufungsverfahren der Schuldspruch, die Strafe, der Vollzug der Strafe, die DNA-Profil-Erstellung, die Zivilforderungen der Privatklägerinnen 1- 3 sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Dispositivziffern 13, 6-7 a), 7 b)
Abs. 2, 9 und 11; damit auch Dispositivziffer 2 des Nachtragsurteils vom
6. September 2022 [Urk. 76]) angefochten, während sämtliche anderen Dispositivziffern des vorinstanzlichen Urteils unangefochten blieben. Der Eintritt der
Rechtskraft dieser Anordnungen ist vorab festzustellen (Art. 399 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 402 und 437 StPO sowie Art. 404 StPO).
In den übrigen Punkten steht der angefochtene Entscheid unter Vorbehalt des Verschlechterungsverbotes (Art. 391 Abs. 2 StPO) grundsätzlich zur Disposition. In den angefochtenen Punkten überpröft das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil umfassend (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO).
Strafantragserfordernis
Ist eine Tat gemäss Gesetz nur auf Antrag strafbar, so kann nach Art. 30 StGB jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des täters beantragen. Bei Antragsdelikten ist das Vorliegen eines gültigen Strafantrags Prozessvoraussetzung und somit von Amtes wegen zu prüfen (Art. 30 f. StGB, Art. 303 StPO, vgl. auch Art. 329 Abs. 1 lit. b und Art. 339 Abs. 2 lit. b StPO).
Bei den in Frage kommenden StraftatBeständen handelt es sich grossmehrheitlich um Offizialdelikte (Art. 122 sowie 123 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 3 und 4 StGB), sodass diesbezüglich keine StrafAnträge erforderlich sind.
Um ein Antragsdelikt handelt es sich einzig bei dem in der Anklage aufgefährten Vorwurf der tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB vom 24. Oktober 2021 zum Nachteil von E. (Privatklägerin 1). Ihre schriftliche Erklärung bzw. Einreichung des Formulars Geltendmachung von Rechten als Privatklägerschaft datierend vom 8. November 2021 erfüllt die gesetzlichen Form- und Fristerfordernisse (Art. 303 Abs. 1 StPO, Art. 31 StGB), sodass ein gültiger Strafantrag vorliegt (so auch die Vorinstanz in Urk. 86 E. II/1.1 S. 7).
Verwertbarkeit polizeiliche Einvernahme der Privatklägerin 1
Die Verteidigung machte anlässlich der Berufungsverhandlung geltend wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren (Urk. 64 S. 2) , dass die erste polizeiliche Einvernahme der Privatklägerin 1 nicht verwertbar sei, da diese in Verletzung
der Teilnahmerechte des Beschuldigten durchgefährt worden sei (Urk. 64 S. 2; Urk. 103 S. 2 f.).
Art. 147 Abs. 1 StPO statuiert den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen im Untersuchungs- und Hauptverfahren. Demnach haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme berechtigt. Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1092/2022 vom 9. Januar 2023
E. 2.3.2 mit Hinweisen). Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt (BGE 141 IV 20
E. 1.1.4). Der Zeitpunkt der Eröffnung ist in der Strafprozessordnung nicht näher geregelt. Im Regelfall wird darüber entschieden, wenn die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft eingehen (JOSITSCH/SCHMID, PK-StPO, 4. Aufl. 2023, N 12 zu Art. 309). Wenn die Staatsanwaltschaft Zwangsmassnahmen anordnet, geht damit zwingend eine Eröffnung einher (Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO).
Aus den Akten ergibt sich, dass die Polizei am 24. Oktober 2021,
23.53 Uhr, alarmiert wurde (Urk. 1/1 S. 2). In der Folge führte die Polizei erste Ermittlungshandlungen durch, wobei auch die Privatklägerin 1 am 25. Oktober 2021 ab 10.53 Uhr befragt wurde (Urk. 3/1). Gleichentags rapportierte die Kantonspolizei Zürich an die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland. Nach über- nahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich am
26. Oktober 2021 wurde der Beschuldigte dieser zugefährt (Urk. 1/12). Ab diesem Zeitpunkt war die Strafuntersuchung zu eröffnen (Art. 309 Abs. 1 StPO). Die hier zur Diskussion stehende Einvernahme der Privatklägerin 1 vom 25. Oktober 2021 fand somit im polizeilichen Ermittlungsverfahren und nicht bereits im Auftrag
der Staatsanwaltschaft statt. Entsprechend verletzt die Abwesenheit des Beschuldigten dessen Teilnahmerechte nicht, und es ist nachdem die PrivatKlägerin 1 bei der Staatsanwaltschaft (Urk. 3/2) und vor Vorinstanz (Prot. I S. 34 ff.) in Anwesenheit des Beschuldigten bzw. dessen Verteidigung und mit der möglichkeit zum Stellen von Fragen einvernommen wurde nicht erkennbar, weshalb die polizeiliche Einvernahme nach Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zu Lasten des Beschul- digten verwertet werden dürfte. Daran ändert die vom Pikettstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland am 25. Oktober 2021 frühmorgens
(01.18 Uhr) angeordnete Zwangsmassnahme (Anordnung zur Blutentnahme und Urinasservierung; vgl. Urk. 1/1, 5/12) nichts. Dies bedingte zwar die Eröffnung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (Art. 309 Abs. 1 lit. b StPO), in zeitlicher Hinsicht lässt sich daraus jedoch nichts ableiten (JOSITSCH/SCHMID, Handbuch StPO, 4. Aufl. 2023, N 1223 und 1228 Fn 61; JOSITSCH/SCHMID, PK-StPO,
Aufl. 2023, N 12 zu Art. 309). Es lässt sich im übrigen auch nicht sagen, dass die Staatsanwaltschaft untätig geblieben wäre und die Eröffnung der Untersuchung hinausgeschoben hätte, führte sie doch bereits am 26. Oktober 2021 die Hafteinvernahme des Beschuldigten durch (Urk. 2/2; vgl. zum Ganzen auch Urteil OGer ZH SB220007-O vom 21. März 2023 E. II/2 S. 8 ff.). Die polizeiliche Einver- nahme der Privatklägerin 1 vom 25. Oktober 2021 (Urk. 3/1) ist somit uneingeschränkt verwertbar.
Antrag der Privatklägerinnen 2 und 3 um unentgeltliche Prozessführung
Mit Eingabe vom 31. Januar 2023 liessen die Privatklägerinnen 2 und 3 vermelden, dass keine Anschlussberufung erklärt und kein Nichteintreten auf die Berufung des Beschuldigten beantragt werde. Die Privatklägerinnen 2 und 3 liessen jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung stellen (Urk. 94).
Gemäss Art. 136 StPO Gewährt die Verfahrensleitung der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer ZivilAnsprüche ganz teilweise die unentgeltliche Rechtspflege, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (lit. b).
Das Gesuch der Privatklägerinnen 2 und 3 um unentgeltliche Prozessführung wurde bereits im vorinstanzlichen Verfahren gestellt (Urk. 50) und mit vorinstanzlichem Urteil abgewiesen (Urk. 86 S. 54; Dispositivziffer 10 [in Rechtskraft erwachsen]). Die Privatklägerinnen 2 und 3 liessen sodann weder Berufung noch Anschlussberufung anmelden bzw. erklären, weshalb die vorinstanzliche Abweisung der Genugtuungsbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 ebenfalls in Rechtskraft erwachsen ist (Dispositivziffer 7 b] Abs. 1). überdies kann auch die die Privatklägerinnen 2 und 3 betreffende Dispositivziffer in Bezug auf deren geltend gemachten Schadenersatzforderungen in Nachachtung des Verschlechterungsverbotes nicht zulasten des Beschuldigten abgeändert werden, weshalb die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 maximal auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen werden können.
Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass die Durchsetzung der Zivilanspräche der Privatklägerinnen 2 und 3 (im vorliegenden Verfahrensstadium) kein Verfahrensgegenstand mehr ist. Entsprechend ist der Antrag der Rechtsvertreterin der Privatklägerinnen 2 und 3 um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das Berufungsverfahren abzuweisen.
Formelles
Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies explizit Erwähnung findet.
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) folgt die Pflicht des Gerichts, seinen Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die wesentlichen überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stätzt. Es darf sich aber auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausDrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen. Es kann sich mithin auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Ebenso wenig lässt sich Art. 6
Ziff. 1 EMRK in der Weise auslegen, dass eine detaillierte Antwort auf jedes Argument gefordert würde (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249
E. 1.3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.5.2, mit Hinweisen).
Ausgangslage
Verfahrensgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bilden die nachstehend umrissenen TatVorwürfe (Urk. 19/3):
Am 24. Oktober 2021, ca. 23.00/23.15 Uhr, sei es zwischen dem Beschuldigten und seiner Ehefrau, der Privatklägerin 1 (E. ), im Elternschlafzimmer der ehelichen Wohnung zu einem kurzen verbalen Disput gekommen, in deren Verlauf der Beschuldigte die Privatklägerin 1, welche das Schlafzimmer habe verlassen wollen, an den Haaren gepackt und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen habe. Als er sie erneut an den Haaren gepackt habe, sei die Privatklägerin 1 mit vornüber gebücktem OberKörper auf die Knie gefallen, so dass deren OberKörper auf den horizontalen Oberschenkeln zu liegen gekommen sei und sich der Kopf der Privatklägerin 1 etwas über dem Boden befunden habe (angeklagt als tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB).
Daraufhin habe der Beschuldigte mit einem Fuss von oben herab mit derart grosser Wucht auf den Kopf der Privatklägerin 1 getreten, dass dieser auf den Boden geknallt sei und die Privatklägerin 1 deswegen eine schwere Hirnerschätterung sowie zwei kleine Blutungen unter der äusseren Hirnhaut in der linken Schädelhälfte erlitten habe, wobei es als Flogen der schweren Hirnerschütterung zu Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit gekommen sei, welche noch längere Zeit angedauert habe. Der Beschuldigte habe bei seinem wuchtigen, mit Bezug auf die Intensität des nicht nur schwer kontrollierbaren Fusstrittes insofern eine schwere, da lebensgefährliche Körperverletzung bewusst und billigend in Kauf genommen, zumal er dem Grundsatze nach gewusst habe, dass es sich beim im Kopf eines Menschen befindlichen Gehirns um ein lebenswichtiges, auf schwere Gewalt empfindliches Organ handle und es bei solcher Gewalt zu lebensgefährlichen Verletzungen des Gehirns kommen könne. So gemäss Anklagevorwurf weiter hätte
es wegen Grösseren Hirnblutungen jederzeit zu einem steigenden Druck im Schädelinneren mit der Gefahr der Verschiebung der Hirnmasse und dadurch bedingter Schädigung und Absterben ganzer Hirnbereiche gar zu einer dadurch bedingten Kompression des Atemzentrums mit tödlichen Folgen kommen können, wozu es indessen nicht gekommen sei (angeklagt als versuchte schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB).
Nachdem die Privatklägerin wegen des Fusstrittes bzw. der dadurch erlittenen schweren Gehirnerschätterung auf der Toilette erbrochen und sich dann Völlig geschwächt im Schlafzimmer ins Bett gelegt habe und damit wehrlos gewesen sei, habe der Beschuldigte ihr erneut mehrere Faustschläge gegen den Kopf und das Gesicht und in den Brustbereich versetzt, so dass sie erneut habe erbrechen müssen und (mindestens für kurze Zeit) das Bewusstsein verloren habe. Durch diese Schläge habe der Beschuldigte der Privatklägerin 1 länger anhaltende Schmerzen, so insbesondere über dem linken Brustkorb wegen der mit den Schlägen zugefügten Prellung, sowie einen Bluterguss am linken Auge zugefügt. Bei seinen Schlägen habe der Beschuldigte deren Folgen mindestens bewusst und billigend in Kauf genommen (angeklagt als einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 3 bzw. 4 StGB.
Wie auch schon vor Vorinstanz bestreitet der Beschuldigte beinahe in vollem Umfang, was ihm die Anklage vorwirft (Prot. I S. 25 ff.; Urk. 102 S. 4 ff.). Entsprechend fordert die Verteidigung einen vollumfänglichen Freispruch (Urk. 87 S. 2, Urk. 103).
Der Beschuldigte ist einzig dahingehend gestündig, dass es am 24. Oktober 2021 zwischen ihm und der Privatklägerin 1 zu einem kurzen (lauten) verbalen Streit gekommen sei, woraufhin es ein kurzes Gerangel gegeben und er die Privatklägerin 1 weggestossen habe. Er sei dann aus dem Schlafzimmer heraus ins Wohnzimmer gegangen. Körperliche Übergriffe seinerseits gegenüber der Privatklägerin 1 bestritt der Beschuldigte durchwegs (Urk. 2/1 F/A 37, 42, 47, 49, 52, 54
f., 58, 63; Urk. 2/2 F/A 12, 16; Urk. 2/3 F/A 5 ff.; Urk. 2/6 F/A 4 ff., 9 ff.; Prot. I
S. 26 ff.; Urk. 102 S. 4 ff.).
Der Anklagesachverhalt ist somit weitestgehend bestritten, und es ist vor der rechtlichen Würdigung näher zu untersuchen, ob dem Beschuldigten die vorgeworfenen körperlichen Übergriffe (Anklageziffer 1) trotz seiner entgegenstehenden Aussagen nachgewiesen werden können.
Grundsätze der Sachverhaltserstellung und BeweisWürdigung, massgebliche Beweismittel
Die Vorinstanz legte die massgebenden Grundsätze der Sachverhaltserstellung sowie die BeweisWürdigungsregeln (Urk. 86 E. III/B S. 911) zutreffend dar. Die vorhandenen Beweismittel sind uneingeschränkt verwertbar (vgl. dazu auch vorstehend E. I/4).
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel, namentlich
die Aussagen des Beschuldigten (Urk. 2/1-6; Prot. I S. 16 ff.),
die Aussagen der Privatklägerin 1 (Urk. 3/1-3; Prot. I S. 34 ff.),
die Aussagen der Zeugin B. (Urk. 4/3),
die Gutachten zur körperlichen Untersuchung des Beschuldigten (Urk. 6/1) und der Privatklägerin 1 (Urk. 7/9),
der ürztliche Befund des Kantonsspitals Winterthur über die Privatklägerin 1 (Urk. 7/3),
den Bericht zur Blutalkoholanalyse des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich (nachfolgend: IRM) über den Beschuldigten (Urk. 59),
die Rapporte der Kantonspolizei Zürich samt Fotodokumentation der Woh- nung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 (Urk. 1/1-3),
genannt, deren Ergebnisse und den Inhalt umfassend und zutreffend wiedergegeben, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (Urk. 86 E. III/C/1.1-1.6 S. 11-20). überdies befinden sich in den Akten auch noch
die Zeugeneinvernahmen von F. vgl. dazu auch nachfolgend E. II/3.3).
(Urk. 4/1) sowie von G.
(Urk. 4/2;
Würdigung der Beweismittel (Anklageziffer 1)
Die Vorinstanz erachtete den Anklagesachverhalt gestützt auf die massgeblichen Beweismittel als erstellt. Die Aussagen der Privatklägerin 1 und der Zeugin B. seien übereinstimmend, glaubhaft und überzeugend. Deren
Sachverhaltsdarstellung würde durch die Fotos und die Arztberichte gestützt. Die Aussagen des Beschuldigten seien demgegenüber teilweise widersprächlich und würden keine plausiblen Erklärungen für die bei der Privatklägerin 1 festgestellten Verletzungen enthalten (Urk. 86 E. III/C/1.8 S. 24). Es kann vorweggenommen werden, dass den von der Vorinstanz aus dem Beweismaterial gezogenen Schlüssen zur Sachverhaltserstellung im Ergebnis zu folgen ist. Die nachstehen- den Erwägungen sollen die vorinstanzliche Würdigung nur noch ergänzen, präzisieren und verdeutlichen, dass angesichts des Beweisergebnisses kein vernünftiger Zweifel im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StPO verbleibt, dass der Sachverhalt sich so zugetragen hat, wie er angeklagt (Anklageziffer 1) ist.
Aussagen der Privatklägerin 1
Die Vorinstanz hat die Aussagen der Privatklägerin 1 umfassend und zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 86 E. III/C/1.4
S. 15-18). Auch den Ausführungen der Vorinstanz zur Glaubwürdigkeit der Privatklägerin 1 und zur Glaubhaftigkeit deren Aussagen (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 b und
1.7.2 b S. 21 und 22 f.) kann beigepflichtet werden, insoweit nicht aus der prozessualen Stellung Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit gezogen werden. Auf letzteren Aspekt wird in E. II/3.4.2 unten näher eingegangen.
Die Aussagen der Privatklägerin 1 sind konsistent und weisen keine ver- dächsten Widerspräche auf. Die Privatklägerin 1 beschrieb in ihren Einvernahmen realitätsnah, dass es zu diesem gewalttätigen körperlichen übergriff am Abend des 24. Oktober 2021 seitens des Beschuldigten gekommen sei. Sodann schilderte sie den gesamten Ablauf des übergriffs von sich aus mit nur wenigen Nachfragen der Befragungsperson dreimal Grösstenteils gleichlautend (Urk. 3/13; Prot. I S. 34 ff.; vgl. auch Urk. 73). Kleine Abweichungen in den Aussagen der Privatklägerin 1 wie von der Verteidigung bereits vor Vorinstanz vorgebracht (Urk. 63 S. 3 f.; Urk. 103) vermögen an diesem Bild nichts zu ändern, sondern sind im Gegenteil Völlig normal. Kleinere Holprigkeiten gibt es immer, wenn man einen solchen Ablauf mehrmals schildert, mit zeitlichem Abstand dazwischen.
Die Schilderungen der Privatklägerin 1 vermitteln einen erlebnisbasierten Eindruck nie wirkten sie platt inhaltsleer, nie einstudiert auswendig gelernt. Die Aussagen kamen spontan und vertiefend, teilweise auf entsprechen- de Nachfrage hin. Es ist eine grosse Authentizität von Situationen, Gefühlen und Erlebnissen erkennbar. So schilderte die Privatklägerin 1 auch Einzelheiten aus dem Beziehungsleben und dem Alltag, die an sich mit den strafbaren Vorwürfen wenig zu tun haben, die sich aber nahtlos in die Darstellungen einbetten lassen. Die Privatklägerin 1 war zudem spürbar darauf bedacht, den Beschuldigten nicht übermässig zu belasten, und erklärte mehrmals, wenn sie etwas nicht (mehr) wusste sie sich nicht mehr ganz sicher war. Ihre Aussagen enthalten keine lägensignale, sondern zahlreiche Merkmale reeller, tatsächlich erlebter Ereignisse, unter einDrücklicher Beschreibung der Umstände und Gefühle des Erlebens. Im Gesamtkontext erschättern die Aussagen dies ohne dass sie übertrieben wirken. Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung rägte die Verteidigung, dass von der Privatklägerin 1 im freien ErZählen weder die Art des Fusstrittes beschrieben worden sei, noch dass ein heftiger Aufprall des Kopfes auf dem Boden erfolgt sei. Den heftigen Aufprall habe die Privatklägerin 1 erst auf krass suggestive Frage so bejahend zur Antwort gegeben (Urk. 103 S. 3). Selbst wenn (einzel- ne) Fragen an die Privatklägerin 1 suggestiv gewesen sein sollten, so ändert dies nichts an den validen Aussagen der Privatklägerin 1. Die Privatklägerin 1 hat ein dynamisches Geschehen detailgetreu geschildert und glaubhafte Aussagen deponiert. In welchem Winkel bzw. wie der Fusstritt des Beschuldigten sodann exakt erfolgt ist, kann vorliegend keine wesentliche Rolle spielen. Die Aussagen der Privatklägerin 1 zur Intensität des Fusstrittes des Beschuldigten und die Heftigkeit des Aufpralls ihres Kopfes werden überdies auch durch den Bericht des Kantonsspitals Winterthur sowie dem Gutachten zur körperlichen Untersuchung des IRM gestützt (Urk. 7/3 und 7/9).
Hinzu kommt, dass selbst wenn der Privatklägerin 1 bei den Befragungen Gelegenheit für grundsätzlich mögliche Ausschmückungen gegeben wurde, sie davon nicht Gebrauch machte (beispielsweise auf Allfällige Drohungen angesprochen, erklärte die Privatklägerin 1, dass keine Drohungen gefallen seien [Urk. 3/1 F/A 51]; auf Allfällige Gewalt des Beschuldigten gegenüber den gemeinsamen
Kindern angesprochen, verneinte dies die Privatklägerin 1 [Urk. 3/1 F/A 59]; auf die Beziehung zum Beschuldigten angesprochen, erklärte die Privatklägerin 1, dass sie an sich ein sehr friedliches und harmonisches Eheleben führen würden [Urk. 3/1 F/A 21]).
Die Aussagen der Privatklägerin 1 stehen überdies im Einklang mit den in der Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 festgestellten Spuren. In der Wohnung der Eheleute fanden sich auf dem Bett des Elternschlafzimmers Spuren von Erbrochenem und mehrere Haarbüschel sowie weitere Haarbüschel im Kinderzimmer (Urk. 1/3). Diese Spuren fügen sich lückenlos in die Schilderungen der Privatklägerin 1 ein, die zwar nicht von sich aus davon berichtete, auf ihr Bett erbrochen zu haben (Urk. 3/2 F/A 42 ff.) so stark vom Beschuldigten an den Haaren gepackt worden zu sein, dass dabei Haarbüschel ausgerissen wor- den wären (Prot. I S. 38 f.), aber von sich aus ab der ersten Einvernahme vom (Blut)Erbrechen berichtete und erklärte, vom Beschuldigten an den Haaren gepackt worden zu sein (Urk. 3/1 F/A 41). Die Aussagen der Privatklägerin 1 erscheinen umso glaubhafter, als sie den Beschuldigten belastende Umstände um die sie nicht (mehr) wusste, welche aber einwandfrei ins Bild passen von sich aus nicht erwähnte. Auch stätzt das bei der Privatklägerin 1 festgestellte Verletzungsbild, insbesondere auch in Bezug auf die Intensität des Fusstrittes, ihre Aussagen (Urk. 7/3, 7/9; entgegen der Ansicht der Verteidigung [Urk. 103 S. 2 ff.]). Die starke Körperliche Reaktion der Privatklägerin 1 offensichtlich musste sie erbrechen spricht ebenfalls Bände und letztlich für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Privatklägerin 1.
Auch muss man sich den Ausgangspunkt der Alarmierung des Rettungs- dienstes bzw. der Polizei vor Augen führen. Aufgrund von Lürm aus der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung, ging die Nachbarin (die Zeugin B. ) bei der Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 l?uten. Nachdem der
Beschuldigte B.
die Türe öffnete und diese in die Wohnung herein liess,
sowie aufgrund der angetroffenen Situation bzw. der verletzten Privatklägerin 1, alarmierte B. in der Folge den Rettungsdienst (Urk. 2/1 F/A 47 f.; Urk. 4/3 F/A 9 f.). Via die Einsatzzentrale von Schutz und Rettung wurde danach die Polizei alarmiert (Urk. 1/1 S. 2). Eine Falschbelastung des Beschuldigten durch die Privatklägerin 1 wäre bereits vor diesem Hintergrund nicht plausibel.
Die Ausführungen der Privatklägerin 1 lassen sich überdies mit den Beobachtungen der Zeuginnen und des Zeugen in Einklang bringen, welche zwar beim Vorfall vom 24. Oktober 2021 nicht (direkt) dabei waren, jedoch von Streit zwischen den beiden respektive Gewalt des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 Gehört hatten. Auch hatte die Privatklägerin 1 diesen Personen (teilweise) von Gewalt von Seiten des Beschuldigten ihr gegenüber berichtet. Die Aussagen der Privatklägerin 1 werden insbesondere durch die Ausführungen der
Zeugin B.
untermauert, welche während des Vorfalls zwar nicht in der
Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 zugegen war, jedoch von der sich darunter befindlichen Wohnung aus einen Streit und Gepolter wahrnahm, aus eigenem Antrieb in die Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 ging, dort die verletzte Privatklägerin 1 vorfand und sodann den Rettungsdienst alarmierte (vgl. nachfolgend E. II/3.3).
Die Angst der Privatklägerin 1 vor dem Beschuldigten wird in ihren Aussagen offensichtlich und ganz einDrücklich manifest, ohne dabei übertrieben zu wirken. So erklärte die Privatklägerin 1 anlässlich der ersten polizeilichen Einver- nahme, dass wenn er (der Beschuldigte) zu schlagen beginne, er nicht mehr aufhören könne, auch wenn sie ihn darum bitte. Es sei schwer, ihn zu beruhigen, wenn er in einem gewissen Zustand sei (Urk. 3/1 F/A 39). Auf die Faustschläge und Tritte angesprochen, erklärte die Privatklägerin 1, dass die Schläge für sie sehr stark gewesen seien. Sie habe von der Heizung wegkommen wollen, da sie Angst vor noch schwereren Verletzungen gehabt habe. Sie sei dort nicht weggekommen und habe versucht, sich mit den Armen von den Schlägen zu Schätzen (Urk. 3/1 F/A 49; vgl. auch F/A 56 f. und 66).
Insgesamt sind die Aussagen der Privatklägerin 1 als äusserst glaubhaft zu qualifizieren, wobei Aggravationstendenzen ihren Aussagen nicht zu entnehmen sind.
Aussagen der Zeuginnen und des Zeugen
Die Vorinstanz hat die Aussagen der Zeugin B. zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 86 E. III/C/1.5 S. 18 f.). Auch die Ausführungen der Vorinstanz zu deren Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussagen können übernommen werden (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 c und 1.7.2 c S. 21 und 23).
Es finden sich in den Akten weiter die Einvernahmen der Zeugin F. , bei der es sich um die Lehrerin der Privatklägerin 2 handelt, sowie des Zeugen G. , welcher der Bruder der Privatklägerin 1 ist.
F. und G. konnten nicht direkt etwas zum eingeklagten Vorfall berichten. Weder konnten sie persönlich Beobachtungen dazu machen, noch hatte soweit bekannt die Privatklägerin 1 ihnen etwas Konkretes davon erzählt (Urk. 4/1-3). Den Aussagen G. s ist aber immerhin zu entnehmen, dass die Privatklägerin 1 ihm bereits früher von Schlägen seitens des Beschuldigten berichtet habe (Urk. 4/2 F/A 12 ff.). Den Aussagen von F. ist zu entnehmen, dass es im Juni/Juli 2019 zu zwei ElternGesprächen gekommen sei, nachdem die Privatklägerin 2 von einem (Gewalt-)Vorfall zwischen ihren Eltern (dem Beschul- digten und der Privatklägerin 1) zu Hause erzählt habe (Urk. 4/1 F/A 19 ff.). Es sei dann die Schulleitung sowie die Schulsozialarbeiterin informiert und die Fachstelle
H.
[Opferhilfeberatung] hinzugezogen worden. Zuerst habe ein Gespräch
(mit dem Thema: häusliche Gewalt) mit der Privatklägerin 1 alleine stattgefunden und danach eines mit der Privatklägerin 1 und dem Beschuldigten zusammen. Der Beschuldigte habe dabei häusliche Gewalt nicht verneint bzw. nicht bestritten. Auf Einzelheiten des Vorfalles sei man nicht eingegangen (Urk. 4/1 F/A 19 ff., vgl. auch Beilage 1 und 2).
Die Aussagen von F. und G. erweisen sich als glaubhaft. Namentlich sind keine lägensignale erkennbar. Sie beide haben abgegrenzt, was ihnen von wem erzählt worden sei. überdies wiesen auch sie mehrmals darauf hin, dass sie eine Frage nicht beantworten könnten dass sie sich nicht sicher seien. Ihre Aussagen sind sodann nicht von übermässigen Belastungen gegen dem Beschuldigten Geprägt. Wenngleich nichts Konkretes zum Vorfall vom 24. Oktober
2021 abgeleitet werden kann, sprechen die glaubhaften Aussagen indiziell dafür, dass der Beschuldigte bereits vor dem Vorfall vom 24. Oktober 2021 mindestens anlässlich eines weiteren Vorfalls zu Gewalt gegenüber der PrivatKlägerin 1 bereit war.
Die Aussagen der Zeugin F. werden überdies von den Journaleintr?-
gen der Fachstelle H.
bestätigt. Daraus ergibt sich das Nachfolgende
(Urk. 10/6 [in den Akten als Urk. 8/6 gekennzeichnet]):
Journaleintrag vom 3. Juni 2019:
C.
[Privatklägerin 2] habe heute der LP F.
gesagt, sie habe zu
Hause etwas erlebt, was gar nicht gut ist, aber wenn ich das erzähle, rufen Sie jemanden an. Vieraugengespräch C. und LP: A. [der Beschuldigte] habe am 30.05. [2019] E. [Privatklägerin 1] in den Rücken geboxt und
sie an den Haaren gezogen. Als E.
am Boden gelegen habe, habe
E. mit den Füssen getreten. Es sei am 30.05. und am 31.05. zu einem Gewaltvorfall gekommen. Früher sei es auch schon einmal ganz schlimm gewesen. [...]?
Journaleintrag vom 17. Juni 2019:
E.
bestätigt sofort, dass A.
ihr gegenüber gewalttätig geworden
ist, auch dass sie dies nicht tolerieren will, dass sie sich innerhalb der Familie hilft geholt hat. [...]?
Journaleintrag vom 2. Juli 2019:
A.
[der Beschuldigte] gibt Gewalt zu, ist im Gespräch in Kontakt mit
E. und mit uns. Sagt, er wolle auf keinen Fall je wieder gewalttätig wer- den. Ist interessiert am Angebot mannebüro. E. sagt klar, sie werde keine Gewalt mehr tolerieren. [...]?
Zwar lässt sich daraus direkt zum konkret am 24. Oktober 2021 Vorgefallenen nichts ableiten. Als deutliches Indiz spricht jedoch auch diese Vorgeschichte dafür, dass es bereits vor dem hier zu beurteilenden Vorfall zu Gewalt seitens des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 kam. Bemerkenswert ist sodann auch, dass die Privatklägerin 2 auch damals gegenüber ihrer Lehrperson von Fusstritten und vom Ziehen an den Haaren seitens des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 berichtet haben soll.
Wie bereits vorstehend ausgefährt, war die Zeugin B. die Ersteintreffende nach dem hier zu beurteilenden Vorfall in der Wohnung der Privatklägerin 1 und des Beschuldigten (vgl. vorstehend E. II/3.2.6). diesbezüglich berichtete sie, wie sie Lürm aus der über ihrer Wohnung befindlichen Wohnung wahrgenommen habe, aufgrund dessen sogar ihre Kinder aufgewacht seien. Daraufhin sei sie nach oben nachschauen gegangen (Urk. 4/3 F/A 9). Gewalttätige Körperliche Übergriffe seitens des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 konnte die
Zeugin B.
ebenfalls nicht wahrnehmen. EinDrücklich berichtete sie jedoch
davon, in welchem Zustand sie die Privatklägerin 1 in der Wohnung vorgefunden habe (Urk. 4/3 F/A 9, vgl. auch F/A 14 ff.):
halb auf dem Boden, halb auf dem Bett, ihr OberKörper war auf dem Bett, die Höfte war auf Höhe des Bettrandes, die Beine auf dem Boden. Sie war nicht ansprechbar und die beiden Mädchen waren auf der andern Seite des Bettes, Völlig verwirrt und ?ngstlich, mit den Händen vor dem Kinn und zitterten?; ?Ich fragte sie, ob es ihr gut gehe und sie antwortete kaum, sondern nur benommen, sie stöhnte und hatte Blut im Mund, sie war kraftlos?
Nachvollziehbar und überzeugend schilderte sie auch, wie sie den Beschuldigten in dieser Situation wahrgenommen habe (Urk. 4/3 F/A 10, vgl. auch F/A13):
er war nervös, ich glaube, er war gar nicht bei sich,
und wie sie mit ihm über das Vorgefallene gesprochen habe (Urk. 4/3 F/A 10):
Wir waren bereits am Rauchen, wir sassen am Tisch auf dem Balkon und ich legte meine Hände auf den Tisch und fragte ihn: A. , was machst du. Er nahm meine Hände in seine und sagte: Ich liebe diese Frau. Ich sagte ihm, dass dies keine Liebe sei, er habe sie spitalreif geschlagen. Was es ihm nSätze, wenn sie [die Privatklägerin 1] sterbe. Er sagte mir, dass sie wolle, dass er die Polizei rufe, dass es mit ihnen beiden fertig sei. Ich sagte ihm, dass dies mit dem Schlagen so nicht gehe, ich hatte ja so etwas selber erlebt. Ich sagte ihm, er mache seine Kinder kaputt und niemanden anders
Weiter schilderte B. , dass die Privatklägerinnen 2 und 3 gegenüber der Polizei gesagt hätten, dass der Beschuldigte die Privatklägerin 1 mit den Beinen getreten und sie geschlagen habe (Urk. 4/3 F/A 10).
Die Aussagen von B.
sind überzeugend, glaubhaft und weisen keine L?-
gensignale auf. Sie grenzte klar ab, was sie selbst gesehen bzw. wahrgenommen
und was sie von anderen Personen Gehört hatte. Auch belastete sie den Beschuldigten nicht übermässig, indem sie beispielsweise erklärte, dass sie zum Zeitpunkt, als sie in die Wohnung gegangen sei, nicht gewusst habe, was dort
vorgefallen sei (Urk. 4/3 F/A 10). Auch sprechen die Aussagen von B. ?
dass sie, als sie die Wohnung betreten habe, keine Angst gehabt habe, denn er (der Beschuldigte) sei ein liebevoller und hilfsbereiter Mensch, dass sie noch nie so etwas wie das Vorgefallene in den letzten sieben Jahren aus der Wohnung des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 Gehört habe, sie beide wirklich Omega freundlich? seien für die Glaubhaftigkeit ihrer weiteren Aussagen (Urk. 4/3 F/A 9 und 20).
Aussagen des Beschuldigten
Die Vorinstanz hat die Aussagen des Beschuldigten ebenfalls umfassend und zutreffend wiedergegeben, worauf verwiesen werden kann (Urk. 86
E. III/C/1.3 S. 12-15). Auch die Ausführungen der Vorinstanz zur Glaubwürdigkeit des Beschuldigten und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen können mit nachstehen- der Ausnahme übernommen werden (Urk. 86 E. III/C/1.7.1 a und 1.7.2 a S. 20 und 21 f.).
Zur Glaubwürdigkeit der Direktbeteiligten erwog die Vorinstanz unter anderem, dass der Beschuldigte nicht der Wahrheitspflicht im Sinne von Art. 163 Abs. 2 StPO unterliege. Als vom Verfahren direkt Betroffener habe er ein durchaus legitimes Interesse daran, die Geschehnisse in einem für ihn günstigen Licht darzustellen. Seine Aussagen seien daher grundsätzlich mit einer gewissen zurückhaltung zu würdigen?. Und hinsichtlich der Privatklägerin 1 erwähnte die Vorinstanz unter anderem die an sie bei den Einvernahmen ergangene Strafandrohung. Solche häufig so ähnlich in Strafentscheiden verwendeten Formulierungen, welche aus der prozessualen Stellung Schlüsse für die Glaubwürdigkeit ziehen, halten genauerer Betrachtung nicht stand resp. sind veraltet. Zur Unterscheidung von wahren und erfundenen Aussagen ist die prozessuale Stellung ein Völlig untaugliches Kriterium mit Blick auf den Beschuldigten, weil ein Unschuldiger dasselbe Interesse hat; es ist ein Zirkelschluss, indem von vornherein tendenziell zumindest von der Schuld des Beschuldigten ausge-
gangen wird. Ausserdem ist das Recht tangiert, sich nicht selbst belasten zu müssen (Art. 113 Abs. 1 StPO). Die prozessuale Stellung einer Partei vermag für die Sachverhaltserstellung nie etwas beizutragen, weder im positiven noch im negativen Sinne (vgl. Urteil der erkennenden Kammer SB180079-O/U vom 18. Oktober 2018 E. 3.1 S. 9). Korrekt ist stattdessen, dem Beschuldigten und auch der Privatklägerin 1 grundsätzlich Glaubwürdigkeit zu attestieren. Es handelt sich hier aber wohlgemerkt um ein untergeordnetes Detail; im Vordergrund steht mit der Vorinstanz (Urk. 86 E. III/B/3 S. 10 und E. III/C/1.7 S. 20) die überzeugungskraft der Aussagen selbst, deren Glaubhaftigkeit.
Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung erklärte der Beschuldigte, dass bevor sie ins Bett gegangen seien, sie zu diskutieren begonnen hätten. Dann sei es zum Vorfall gekommen. Sie hätten normal diskutiert, dann sei es eskaliert. Er habe an diesem Tag drei vier kleine Glöser Areki über eine längere Zeit getrunken. Im Schlafzimmer sei es laut geworden. Die Privatklägerin 1 sei immer näher zu ihm gekommen. Er habe nicht mehr mit ihr diskutieren wollen. Er habe sie dann zur Seite gestossen und sei ins Wohnzimmer gegangen. Die Privatklägerin 1 sei (dabei) nicht umgefallen. Er habe die Privatklägerin 1 weder geschlagen noch an den Haaren gerissen (Urk. 102 S. 4 ff.).
Der Beschuldigte berief sich bis zuletzt auf seinen Standpunkt, dass es am
24. Oktober 2021 zwischen ihm und der Privatklägerin 1 zu einem kurzen (lauten) verbalen Streit gekommen sei, woraufhin es ein kurzes Gerangel gegeben und er die Privatklägerin 1 weggestossen habe. Er sei dann aus dem Schlafzimmer heraus ins Wohnzimmer gegangen. Körperliche Übergriffe seinerseits gegenüber der Privatklägerin 1 bestritt der Beschuldigte auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung (Urk. 2/1 F/A 37, 42, 47, 49, 52, 54 f., 58, 63; Urk. 2/2 F/A 12,
16; Urk. 2/3 F/A 5 ff.; Urk. 2/6 F/A 4 ff., 9 ff.; Prot. I S. 26 ff.; Urk. 102 S. 4 ff.).
Die pauschalen Bestreitungen des Beschuldigten wirken insgesamt platt und inhaltsleer. Die selektiven Erinnerungslücken des Beschuldigten, wie etwa (Urk. 2/1 F/A 40, vgl. auch F/A 41 ff., 61; Prot. I S. 27):
Ich kann mich wirklich nicht mehr ganz genau erinnern, um was es beim Streit gegangen ist?,
lassen seine Beteuerungen, die Privatklägerin 1 nicht an den Haaren gezogen, nicht mit den Fäusten geschlagen, nicht mit den Füssen gegen den Kopf getreten zu haben (Urk. 2/1 F/A 52, 57, 58, 62 f.; Urk. 2/2 F/A 12, 16; Urk. 2/6 F/A 8 f.), insbesondere im Lichte der weiteren Beweismittel (Einvernahmen Zeugen, Verletzungsbild der Privatklägerin 1, Fotodokumentation der Wohnung) als unglaubhaft bzw. als Schutzbehauptungen erscheinen.
Schon aus den Aussagen des Beschuldigten selbst ergibt sich, dass er durchaus zu Gewalt gegenüber seiner Ehefrau neigte, erklärte er doch auf das Schlagen angesprochen, dass seit sie zusammen seien, es vielleicht zweimal, höchstens dreimal passiert sei. Er erinnere sich an zwei Male, die anderen Male seien es verbale Streitigkeiten gewesen (Urk. 2/3 F/A 10, vgl. auch F/A 7 ff.).
Die mehrmalige, beinahe drohend anmutende Aussage des Beschuldigten, dass wenn er die Privatklägerin 1 ernsthaft hätte verletzen wollen, er dies leicht hätte machen können bzw. dass er sie anders hätte verletzen können, irritieren und wirken im vorliegenden Kontext befremdlich (Urk. 2/1 F/A 37, F/A 46, F/A 52). In die gleiche Kategorie einzuordnen ist die Aussage des Beschuldigten an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, dass der einfachere Weg gewesen wäre, wenn er die Privatklägerin 1 hätte schlagen verletzen wollen, dass er die Wohnung verlassen er sie schlimmer zugerichtet hätte, sodass man es gleich gesehen hätte, dass sie schwer von ihm verletzt worden sei (Prot. I S. 28).
Auch die pauschalen Bestreitungen des Beschuldigten in Bezug auf die
JournaleintRügen der Fachstelle H.
bzw. in Bezug auf die Aussagen der
Zeugin F. wirken wenig plausibel und vermögen letztlich nicht zu überzeugen (Urk. 2/6 F/A 6 f., vgl. auch F/A 12 f.).
An den Schilderungen des Beschuldigten zum Vorfall vom 24. Oktober 2021 bleibt bis zuletzt unklar, wie sich die Privatklägerin 1 die bei ihr festgestellten Verletzungen zugezogen hat. Der Erklärungsversuch des Beschuldigten, dass die Privatklägerin 1 sich vielleicht an der Bettkante angeschlagen habe und sich so die Verletzung zugezogen habe (Urk. 2/1 F/A 69), vermögen nicht zu überzeugen und sind als Schutzbehauptungen zu qualifizieren. Auch konnte der Beschuldigte
keine plausible Erklärung für die in der Wohnung vorgefundenen Haarbüschel und Spuren von Erbrochenem im Bett des Elternschlafzimmers liefern.
Die Theorien des Beschuldigten, dass die Privatklägerin 1, um ihn zu beschuldigen, gegebenenfalls die Haarbüschel in der Wohnung so platziert habe (Urk. 2/1 F/A 68), die Privatklägerin 1 aufgrund ihrer Wut es ihm nun heimzahlen ihn als schlechten Menschen darstellen wolle (Urk. 2/2 F/A 19; Prot. I S. 28) der Bruder der Privatklägerin 1 gegebenenfalls auf die Privatklägerin 1 Einfluss genommen habe (Prot. I S. 33), finden in den Akten keinerlei Stätze. Auch ergibt sich wie vorstehend dargelegt nicht, dass die Zeugin B. wie vom Beschuldigten vorgebracht (Prot. I S. 33) gelogen hätte (vgl. vorstehend E. II/3.3.4).
Bei diesem Mosaik von diversen Indizien, im Zusammenspiel von objektiven Beweismitteln und Aussagen mehrerer unabhängiger Personen und tatsächlich vorliegender Verletzungen bei der Privatklägerin 1, ist eine Inszenierung (aus welchem Motiv auch immer) durch die Privatklägerin 1 wie vom Beschul- digten vorgebracht ausgeschlossen.
Um sich bei der vorliegenden Beweislage entlasten zu können, Müsste der Beschuldigte in der Lage sein, glaubhafte Erklärungen für die ihn belastenden Momente vorzubringen. Dies gelingt ihm auch mit seinen Ausführungen im Rahmen der Berufungsverhandlung klarerweise nicht.
Zusammenfassung und Fazit
Die Aussagen der Privatklägerin 1 sind valid. Aus ihren Aussagen und den weiteren Indizien ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild. Die Aussagen stehen auch im Einklang mit ihrem Verletzungsbild, den weiteren objektiven Beweismitteln sowie den Aussagen der Zeuginnen und des Zeugen, insbesondere der Zeugin B. .
Der Beschuldigte demgegenüber konnte anlässlich des gesamten Strafverfahrens keine Erklärung für die ihn belastenden Tatsachen liefern, und seine Aussagen waren bis zuletzt von Ausflüchten selektiven Erinnerungslücken Geprägt, weswegen seinen Bestreitungen kein Glauben geschenkt werden kann.
Der Umstand, dass sich die Privatklägerin 1 die in der Anklageschrift festgehaltenen Verletzungen durch die Schläge und den Fusstritt des Beschuldigten zuzog, ist bei der vorliegenden Beweislage sodann klar. Ihre Verletzungen sind mit dem ürztlichen Befund des Kantonsspitals Winterthur (Urk. 7/3) sowie dem Gutachten zur körperlichen Untersuchung des IRM (Urk. 7/9) rechtsgenügend erstellt.
Dazu, dass der Beschuldigte bei seinem Fusstritt von oben herab gegen den Kopf der Privatklägerin 1 schwerste Verletzungen bei dieser in Kauf nahm, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, erklärte der Beschuldigte doch selbst, dass der Kopf der wichtigste Teil unseres Körpers sei und Verletzungen daran zum Tod führen können (Prot. I S. 31). Auch muss der Beschuldigte die Folgen seiner weiteren Faustschläge, dem Schlagen mit der flachen Hand und dem An- den-Haaren-Packen der Privatklägerin 1 mindestens billigend in Kauf genommen haben.
Letztlich bestehen keine relevanten Zweifel daran, dass sich der in der Anklage umschriebene Sachverhalt (bezüglich Anklageziffer 1) so wie dort beschrieben zugetragen hat. Er ist damit erstellt.
Rechtliche Würdigung
Die ausführliche rechtliche Würdigung der Vorinstanz (Urk. 86 E. III/C/2
S. 2430) ist weitestgehend zutreffend, sodass grundsätzlich darauf verwiesen werden kann. präzisierend ist jedoch das Folgende zu erwähnen:
Das An-den-Haaren-Packen und Schlagen mit der flachen Hand ins Gesicht, worauf die Privatklägerin 1 auf die Knie fiel, qualifizierte die Vorinstanz zwar zu Recht sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht als tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 StGB (Urk. 86 E. III/C/2.4.2 f. S. 29 f.). Jedoch ging die Vorinstanz implizit von echter Konkurrenz zwischen diesen tätlichkeiten und der unmittelbar darauffolgenden versuchten schweren Körperverletzung aus und sprach den Beschuldigten bezüglich beider Delikte schuldig. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Denn die ersten, als tätlichkeiten gewürdigten physischen Übergriffe bis zum Zu-Boden-Bringen einerseits und der darauffolgende Fusstritt auf die am
Boden liegende Privatklägerin 1 sind bei naTürlicher und objektiver Betrachtung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht derart eng miteinander verbunden, dass sie als ein einheitliches Tun erscheinen, zumal dieser Tatzusammenhang auch nie unterbrochen wurde. Schliesslich richten sich beide Handlungen gegen ein und dasselbe Rechtsgut und dieselbe RechtsgutstRügerin und beruhen auf ein und demselben gefassten Willensentschluss (BGE 137 IV 113 E. 1.2 ff.; 111 IV 144 E. 3b;
131 IV 83 E. 2.4.5; 133 IV 256 E. 4.5.3; DONATSCH/GODENZI/TAG, Strafrecht I Verbrechenslehre, 10. Aufl., Zürich 2022, S. 433 ff.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Auflage, Bern 2011, 19 N 12). Somit liegt insoweit ein Fall von naTürlicher Handlungseinheit vor, weshalb die tätlichkeiten in der versuchten schweren Körperverletzung aufgehen und Letztere den deliktischen Unrechtsgehalt Ersterer vollständig erfasst. Rechtfertigungs- und/oder SchuldausschlussGründe sind nicht ersichtlich.
Nach dem Gesagten ist der Beschuldigte für die AnklageVorwürfe 1.1 und 1.2 der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Nach dem Geschehen bis und mit Anklagevorwurf 1.2 kam es zu einem Unterbruch der Übergriffe. Nachdem die Privatklägerin auf der Toilette erbrechen musste und sich dann Völlig geschwächt im Schlafzimmer ins Bett gelegt hatte, traktierte der Beschuldigte seine wehrlose Ehefrau erneut. diesbezüglich ist von einem neuen Willensakt auszugehen, und nun im Sinne wiederum der Erwägungen der Vorinstanz ist der Beschuldigte für den Anklagevorwurf 1.3 zusätzlich der einfachen (qualifizierten) Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 4 StGB schuldig zu sprechen.
Der Beschuldigte schlug wissentlich und willentlich und damit direktvorsätzlich im Sinne von Art. 12 Abs. 2 erster Satz StGB auf die Privatklägerin 1 ein und musste damit rechnen, die vorliegend dokumentierten Verletzungen zu verursachen.
Lediglich der vollständigkeit halber kann noch angefügt werden, dass in Bezug auf die einfache (qualifizierte) Körperverletzung ein Schuldspruch auch noch in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 3 StGB wie von der Staatsanwaltschaft be-
antragt war (Urk. 19/3 S. 4 f.; Urk. 62 S. 1 und 3) angezeigt gewesen wäre, da die Privatklägerin 1 im fraglichen Zeitpunkt als gegenüber dem Beschuldigten wehrlos zu qualifizieren gewesen wäre. Die Privatklägerin 1 erlitt aufgrund des Fusstrittes des Beschuldigten eine Gehirnerschätterung, musste sich mehrmals übergeben und befand sich dann geschwächt und lädiert im Schlafzimmer. Zu erwähnen ist auch, dass der Beschuldigte mit seiner KörperGrösse und seinem Gewicht (ca. 182 Zentimeter, ca. 77 Kilogramm; Urk. 6/1) der Privatklägerin 1 (ca. 160 Zentimeter, ca. 56 Kilogramm; Urk. 7/9) nur schon Körperlich deutlich überlegen war.
Ausgangslage
Die Vorinstanz bestrafte den Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten. Deren Vollzug wurde teilbedingt, im Umfang von 24 Monaten aufgeschoben und die Probezeit für den aufgeschobenen Teil auf drei Jahre festgesetzt (Urk. 86 S. 52).
Mit seiner Berufung beantragt der Beschuldigte einen vollumfänglichen Freispruch (Urk. 87).
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB, namentlich der Gesamtstrafenbildung nach Art. 49 Abs. 1 StGB in Anwen- dung des Asperationsprinzips, sowie die Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (siehe z.B. BGE 144 IV 313 E. 1; 142 IV 365 E. 2.4.3; 141 IV 61 E.
6.1.1; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; BGer 6B_676/2022 vom 27. Dezember 2022, E. 2.2; je
mit Hinweisen). Darauf kann vorab verwiesen werden. Auch die Erwägungen der Vorinstanz zu den allgemeinen Strafzumessungsregeln (Urk. 86 E. IV/1.1 f. sowie 3.1.13.1.4. S. 30 ff.) brauchen nicht wiederholt zu werden.
Die Vorinstanz hat den ordentlichen Strafrahmen der (versuchten) schweren Körperverletzung korrekt abgesteckt bei diesem Tatbestand ist es Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (Urk. 86 E. IV/1.3 S. 31). Eine Anwendung des mit Bundesgesetz vom 17. Dezember 2021 über die Harmonisie-
rung der Strafrahmen (AS 2023 259; Inkrafttreten: 1. Juli 2023) angepassten Strafrahmens von Art. 122 StGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da das neue Recht nicht zu einem milderen Ergebnis für den Beschuldigten führen würde. Der Strafrahmen der einfachen (qualifizierten) Körperverletzung beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe. Es sind überdies keine Gründe ersichtlich, den ordentlichen Strafrahmen zu verlassen.
Die (versuchte) schwere Körperverletzung ist vorliegend die schwerste Straftat. Für dieses schwerste Delikt ist somit die Strafe die Einsatzstrafe zu bestimmen, wobei sämtliche Tat- und täterkomponenten zu berücksichtigen sind. Für das weitere Delikt die einfache (qualifizierte) Körperverletzung ist eine (gedankliche) Einzelstrafe zu bestimmen, und die Einsatzstrafe ist sodann unter BeRücksichtigung des Asperationsprinzips zu Erhöhen.
Die (versuchte) schwere Körperverletzung als Hauptdelikt
Tatverschulden
In objektiver Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte seine mit ihm zusammenlebenden Ehefrau zunächst mehrfach an den Haaren packte und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und als sie zu Boden gegangen war einen heftigen Fusstritt gegen sie ausführte. Dieser Fusstritt richtete sich gegen den Kopf der Privatklägerin 1, somit gegen eine besonders empfindliche Körperregion, was das Tatverschulden stark Erhöht. Zudem ist mit Blick auf die Körperliche Reaktion (starkes Erbrechen) und die Verletzungsfolgen der Privatklägerin 1 (zwei kleine Blutungen unter der äusseren Hirnhaut und eine schwere Gehirnerschätterung) erstellt, dass der Beschuldigte mit heftiger Wucht gegen den Kopf der Privatklägerin 1 trat und insofern brachial vorging. Die Verletzungen erforderten zwar keinen medizinischen (operativen) Eingriff; die Privatklägerin 1 litt aufgrund der Gehirnerschätterung jedoch an Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit (vgl. Urk. 7/3). Die Gefahr schwerwiegender o- der gar lebensgefährlicher Kopfverletzungen lag aufgrund des heftigen Fusstrittes gegen den Kopf nahe. Deshalb wurde die Privatklägerin 1 auch hospitalisiert, um bei einer möglichen Blutungskomplikation mit einer notfallmässigen Operation ei-
ne tödliche Einklemmung des Gehirns abwenden zu können (vgl. Urk. 7/9). Zu erwähnen ist auch, dass der Beschuldigte mit seiner KörperGrösse und seinem Gewicht (ca. 182 Zentimeter, ca. 77 Kilogramm; Urk. 6/1) der Privatklägerin 1 (ca. 160 Zentimeter, ca. 56 Kilogramm; Urk. 7/9) nur schon Körperlich deutlich überlegen war. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass bei häuslicher Gewalt hinzu kommt, dass das Vertrauen und das Sicherheitsbedürfnis des Ehepartners erheblich und nachhaltig beeinträchtigt wird. Durch sein enorm gewalttätiges und Rücksichtsloses Verhalten missachtete der Beschuldigte die physische und psychische Integrität der Privatklägerin 1 massiv.
In Anbetracht des Dargelegten und des gesamten Spektrums möglicher schwerer Körperverletzungsdelikte liegt in objektiver Hinsicht ein keinesfalls leichtes Verschulden vor. Die Einsatzstrafe für das objektive Tatverschulden ist, ausgehend vom vollendeten Delikt der schweren Körperverletzung, auf 42 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.
Zur subjektiven Tatschwere ist auszuführen, dass der Beschuldigte eventualvorsätzlich handelte, wobei der vorliegend gegebene Eventualvorsatz angesichts der Schwere der Sorgfaltsverletzung und der Grösse der Wahrscheinlichkeit schwerer Verletzungen klar näher beim direkten Vorsatz denn an der Grenze zur bewussten Fahrlässigkeit anzusiedeln ist. Die Tat geschah aus nichtigem Anlass. Indessen ist von einem spontanen Tatentschluss nach einer verbalen Auseinandersetzung auszugehen. Der Beschuldigte führte den einen heftigen Fusstritt aus, nachdem die Privatklägerin 1 geschwächt durch die zuvor an ihr durch den Beschuldigten ausgefährten tätlichkeiten (Haare packen, Schlagen mit der flachen Hand ins Gesicht) auf den Knien bzw. am Boden kauerte und sich somit in einer erniedrigten Stellung befand, was das Verhalten des Beschuldigten besonders Rücksichtslos erscheinen lässt.
Zu beachten ist, dass der Konsum von Alkohol zu einer Erhöhten Gewaltbereitschaft des Beschuldigten, zu einer herabgesetzten Hemmschwelle und entsprechender übertreibung seines Handelns gefährt haben dürfte. Dieser Umstand ist jedoch nicht strafmindernd zu berücksichtigen, da dem Beschuldigten die Erhöhte Gewaltbereitschaft sowie die herabgesetzte Hemmschwelle aufgrund des Alko-
holkonsums bereits vor seinem Alkoholkonsum bewusst war. Zumal der Beschul- digte wie er dies anlässlich der Berufungsverhandlung ausführte (Urk. 102 S. 4)
lediglich drei bis vier kleine Glöser Areki über einen längeren Zeitraum getrunken hat. Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit lag beim Beschuldigten überdies entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 86 E. IV/3.2.1/c S. 35) nicht vor, da der Beschuldigte den vom Bundesgericht festgesetzten Wert der Blutalkoholkonzentration (2.0 ?), ab welchem die Verminderung der Schuldfähigkeit in der Regel angenommen wird (vgl. BGE 122 IV 49 E. 1. b) laut der Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt mit 1.47 (vgl. Urk. 59) nicht erreicht hat. Der Beschuldigte hat auch nie geltend gemacht, wegen Alkoholeinwirkung nicht mehr voll gewusst zu haben, was er tue.
Die subjektiven Aspekte der Tat vermögen das objektive Verschulden somit nicht zu relativieren. Insgesamt ist von einem keinesfalls leichten Tatverschulden auszugehen. Dem Tatverschulden angemessen ist eine Strafe von 42 Monaten Freiheitsstrafe.
Der vollendete Versuch als verschuldensunabhängige Tatkomponente ist obligatorisch strafmildernd zu berücksichtigen (Art. 22 in Verbindung mit Art. 48a StGB). Das Mass der Strafmilderung hängt unter anderem von der Nähe des Taterfolgs und von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (BGE 121 IV 49 E. 1b).
Das Risiko schwerer Kopfverletzungen war aufgrund des einen heftigen Fusstritts gegen den Kopf der Privatklägerin 1 hoch. Es lag nicht am Beschuldigten, dass keine schwere Schädigung eintrat. Dass die Verletzungen nicht gravierender ausgefallen sind, ist damit primür dem Zufall zu verdanken, was sich der Beschul- digte nicht positiv anrechnen lassen kann. Zu berücksichtigen ist aber, dass die effektiven (physischen) Tatfolgen nicht schwerwiegend, wenngleich aufgrund der erlittenen zwei Blutungen unter der äusseren Hirnhaut sowie der schweren Gehirnerschätterung auch nicht gering waren. Es rechtfertigt sich, den Versuch im Umfang von 9 Monaten strafmildernd zu berücksichtigen.
täterkomponenten
Was die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten anbelangt, kann auf die Ausführungen der Vorinstanz (Urk. 86 E. IV/3.2.2/a S. 35 f.) verwiesen wer- den. Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung ergab sich noch, dass der Beschuldigte neuerdings mit seiner Freundin zusammenwohne. Er habe seine Kinder (seit dem Vorfall) nicht mehr gesehen. Er arbeite in einem 50 %-Pensum als Coiffeur und verdiene damit Fr. 2'400 pro Monat. Er trinke gelegentlich Alkohol am Wochenende, er habe jedoch kein Alkoholproblem (Urk. 102 S. 2 ff.). Eine gesteigerte Strafempfindlichkeit weist der Beschuldigte nicht auf. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Lebensgeschichte der Werdegang des Beschuldigten Auswirkungen auf die Strafzumessung zeitigen sollten. Aus der Biografie und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten lassen sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ableiten.
Was das Vorleben des Beschuldigten angeht, ist festzuhalten, dass er mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 22. April 2016 wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (qualifizierte Atemalkoholoder Blutalkoholkonzentration) im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG schuldig gesprochen und zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 40 sowie einer Busse in der Höhe von Fr. 300 verurteilt wurde (Urk. 18/3).
Die Vorinstanz führte dazu aus, dass die nicht einschlägige Vorstrafe nicht zu berücksichtigen sei (Urk. 86 E. IV/3.2.2/a S. 36). Das erscheint wohlwollend mild, zumal es heute immerhin erneut um ein Fehlverhalten unter Alkoholeinwirkung geht. Vor dem Hintergrund aber, dass bei der Tatbegehung der heute zu beurteilenden Tat gut fänf Jahre zurücklagen (Urk. 18/3) und die Vorstrafe gering war, wäre heute nur noch eine marginale, in einer Gesamtbetrachtung zu vernachlässigende Straferhöhung unter diesem Titel angezeigt.
In Bezug auf das Nachtatverhalten ist festzuhalten, dass der Beschuldigte in der Untersuchung wenn auch im Rahmen des zulässigen weder gestündig war noch Reue an den Tag legte. Entsprechend fällt unter diesem Titel mit der Vorinstanz eine Strafminderung ausser Betracht.
Weitere strafzumessungsrelevante Faktoren sind nicht ersichtlich. Eine Reduktion der Strafe unter dem Titel der Verletzung des Beschleunigungsgebots
wie von der Verteidigung vorgebracht (Urk. 103 S. 6) ist mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer von rund zwei Jahren noch nicht angezeigt.
Zwischenfazit
In Anbetracht aller relevanten StrafzumessungsGründe erscheint in Würdigung der objektiven und subjektiven Komponenten der begangenen Straftat sowie in BeRücksichtigung der täterkomponenten für die versuchte schwere Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 33 Monaten als Einsatzstrafe angemessen.
Nebendelikt: Einfache (qualifizierte) Körperverletzung
In objektiver Hinsicht gilt anzufügen, dass der Beschuldigte die PrivatKlägerin 1 nachdem diese aufgrund des Fusstrittes des Beschuldigten eine Gehirnerschätterung erlitten hatte, sich mehrmals übergeben musste und geschwächt zurück im Schlafzimmer war mehrmals mit der Faust gegen den Kopf, das Gesicht und den Brustbereich schlug. Durch diese Schläge erlitt die PrivatKlägerin 1 Schmerzen über dem linken Brustkorb sowie einen Bluterguss am linken Auge (Urk. 7/3). Diese stellen leichtere Verletzungen dar, welche indes mit Schmerzen und einer gewissen Heildauer verbunden sind. Glücklicherweise wur- de die Privatklägerin 1 anlässlich des ganzen Vorfalles nicht gravierender bzw. längerfristig Körperlich beeinträchtigt. Es gilt jedoch zu erwähnen, dass der Beschuldigte wiederum gegen den Kopf und das Gesicht (insbesondere auch das Auge) der bereits geschwächten Privatklägerin 1 schlug, damit gegen einen der sensibelsten Teile des Körpers. Daher ist das Tatverschulden des Beschuldigten in objektiver Hinsicht als nicht mehr leicht einzustufen.
Der Beschuldigte handelte direktvorsätzlich. Das spontane Verhalten des Beschuldigten zeugt von hoher Impulsivität. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass die mehreren Faustschläge gegen die bereits durch die tätlichkeiten und den Fusstritt des Beschuldigten geschwächte Privatklägerin 1 eine grosse Geringschältzung und fehlende Empathie seiner Ehefrau gegenüber zeigen. Auch
zeigt der neuerliche übergriff auf die Privatklägerin 1, welche sich bereits be- nommen zurück im Schlafzimmer befand, die grosse Gleichgültigkeit des Beschuldigten gegenüber ihrer physischen und psychischen Integrität. Was das Motiv angeht, kann angesichts der Bestreitung nur spekuliert werden. Naheliegend scheint, dass es dem Beschuldigten vor allem darum ging, Kontrolle und Macht auszuüben. überdies und namentlich zur Alkoholisierung kann auf die vorstehen- den Ausführungen zur versuchten schweren Körperverletzung verwiesen werden (vgl. vorstehend E. III/2.1.2). Die subjektiven Verschuldensaspekte vermögen das objektive Tatverschulden nicht zu relativieren, weshalb es bei einem nicht mehr leichten Tatverschulden bleibt.
In Bezug auf die täterkomponeten kann auf die vorstehenden Erwägungen zur versuchten schweren Körperverletzung verwiesen werden (vgl. vorstehend
E. III/2.2). Die täterkomponenten wirken sich insgesamt strafzumessungsneutral aus.
Nur für sich betrachtet wäre hierfür mit der Vorinstanz eine Strafe von 9 Monaten angemessen.
Strafart
Die Vorinstanz verurteilte den Beschuldigten sowohl hinsichtlich der versuchten schweren Körperverletzung als auch hinsichtlich der einfachen (qualifizierten) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Vorab kann mit der Vorinstanz festgehalten werden, dass für die versuchte schwere Körperverletzung
aufgrund der Strafandrohung lediglich die Ausfüllung einer Freiheitsstrafe in Betracht kommt (Art. 122 StGB, vgl. auch Urk. 86 E. IV/2.1 f. S. 31 f.). Was die einfache (qualifizierte) Körperverletzung betrifft, bewegt sich die angemessene Strafe über dem Anwendungsbereich einer Geldstrafe (180 Tagessätze; vgl. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 StGB). überdies sind die Delikte unmittelbar miteinander verknüpft. Mit der Vorinstanz sind für den Beschuldigten daher sowohl für die versuchte schwere Körperverletzung als auch für die einfache (qualifizierte) Körperverletzung Freiheitsstrafen angezeigt.
Festsetzung der Gesamtstrafe
Da sich für die versuchte schwere und die einfache (qualifizierte) Körperverletzung gleichartige Strafen, Nämlich Freiheitsstrafen auszusprechen sind, ist in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe auszuFällen. Es kommt den zwei Delikten verschuldensmässig zwar selbststündige Bedeutung zu; es ist aber von einem besonders engen sachlichen, zeitlichen und situativen Zusammenhang auszugehen. Unter BeRücksichtigung des Asperationsprinzips erscheint folgende Rechnung angemessen:
Es erscheint somit eine Freiheitsstrafe von 39 Monaten angemessen. Einer Erhähung der erstinstanzlich festgelegten Freiheitsstrafe steht jedoch das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO) entgegen. Deshalb ist der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten zu bestrafen.
Vollzug
Hinsichtlich der Ausgangslage sowie der rechtlichen Grundlagen betreffend den (teilbedingten) Vollzug kann vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. Urk. 86 E. V/1 f. S. 39).
Der teilbedingte Vollzug der Freiheitsstrafe steht nur schon wegen des Verschlechterungsverbotes, aber auch wegen des Fehlens einer Schlechtprognose im Sinne von Art. 42 Abs. 1 StGB nicht zur Diskussion. Mit Blick auf das erhebliche Tatverschulden des Beschuldigten, in Nachachtung des Verschlechterungsverbotes sowie unter Verweis auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 86 E. V/3 S. 39 f.) rechtfertigt es sich, den zu vollziehenden Anteil auf 12 Monate festzusetzen und den Rest der Strafe (24 Monate) aufzuschieben.
Die Probezeit des aufgeschobenen Teils der Freiheitsstrafe von 24 Monaten ist angesichts der Vorstrafe auf 3 Jahre festzusetzen (Art. 44 Abs. 1 StGB).
Anrechnung der Haft / Ersatzmassnahmen
Gemäss Art. 51 StGB rechnet das Gericht die vom täter während diesem einem anderen Verfahren ausgestandene Untersuchungshaft auf die Strafe an. Der Beschuldigte befand sich vom 25. Oktober 2021, 00.15 Uhr, bis
13. Dezember 2021, 16.10 Uhr (Urk. 17/2 und 17/30), somit 50 Tage in Untersuchungshaft. Dementsprechend sind dem Beschuldigten 50 Tage als durch Haft erstanden an die Strafe anzurechnen (Art. 51 StGB).
Dem Beschuldigten wurden am 13. Dezember 2021 nach der Haftentlassung verschiedene Ersatzmassnahmen auferlegt (Rayonverbot [Bezirke Winterthur, Pföffikon, Bülach Bülach Nord nur die Gemeinden Frauenstein-Teufen, Rorbas, Embrach, Oberembrach, Lufigen und Andelfingen], davon ausgenommen: Termine im Rahmen des Eheschutzverfahrens vor dem Bezirksgericht Winterthur sowie Allfällige Anhürungstermine bei der KESB Winterthur-Andelfingen; Kontaktverbot zur Privatklägerin 1; überwachung durch Electronic Monitoring [Urk. 17/26 und 17/32]). Die Zwangsmassnahmen wurden schliesslich mit Beschluss des Beziksgerichts Winterthur vom 31. August 2022 aufgehoben (Urk. 68; vgl. Urk. 26). Die Ersatzmassnahmen dauerten demnach 261 Tage.
Nach der Rechtsprechung sind Ersatzmassnahmen analog der Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen. Bei der Bemessung der anrechenbaren Dauer hat das Gericht den Grad der Beschränkung der persönlichen Freiheit im Vergleich zum Freiheitsentzug bei Untersuchungshaft zu berücksichtigen. Dabei kommt dem Gericht ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 140 IV 74 E. 2.4, mit Hinweisen). Es ist also danach zu fragen, ob und inwiefern die normale Alltagsführung beeinträchtigt wurde sowie ob es der betroffenen Person erschwert verunmöglicht wurde, der Arbeit nachzugehen, soziale Kontakte zu pflegen, Freizeitaktivitäten zu unternehmen usw. Weitere Beurteilungskriterien sind auch, mit welchem Zeit- und Kostenaufwand die Massnahme verbunden war. Entscheidend ist jedenfalls, dass die grundrechtsbeschränkenden Auswirkungen
der Massnahmen gestützt auf die konkreten Verhältnisse im Einzelfall ermittelt und angerechnet werden (vgl. BSK StPO-MANFRIN/VOGEL, Art. 237 N 119).
Bis zu seiner Verhaftung war der Beschuldigte mit den Privatklägerinnen 1 bis 3 an der I. -strasse 1 in J. wohnhaft. Mit der Anordnung des Rayonverbotes wurde ihm somit verunmöglicht, in seine Wohnung zurückzukehren, worauf er bei einem Kollegen in Zürich unterkam (Urk. 2/5; vgl. auch Prot. I S. 23). Auf seine Arbeitssituation hatten die angeordneten Ersatzmassnahmen jedoch keinen Einfluss, konnte der Beschuldigte doch noch immer in seinem Coiffeursalon in Zürich arbeiten (Urk. 2/6 S. 9). Das Getrenntleben des Beschuldigten und der Privatklägerin 1 war bis zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung gerichtlich nicht geregelt, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass der Beschuldigte bedingt auch durch das Rayonverbot keinen Kontakt zu seiner Familie, insbesondere nicht zu seinen Kindern, pflegen konnte. Dies bestätigte der Beschuldigte auch anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung (Urk. 102 S. 2 ff.). Mit dem Electronic Monitoring, zur überwachung des Rayonverbotes, dürfte keine grosse (zusätzliche) Beschränkung der persönlichen Freiheit des Beschuldigten einhergegangen sein. Insgesamt erscheint eine Anrechnung der Ersatzmassnahmen im Umfang von 10 %, demnach im Umfang von 26 Tagen, angemessen.
8. Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschuldigte mit 36 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 76 Tage durch Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen erstanden sind, zu bestrafen ist. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist im Umfang von 24 Monaten aufzuschieben und die Probezeit auf 3 Jahre festzusetzen. Im übrigen (12 Monate, abzüglich 76 Tage, die durch Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen erstanden sind) ist die Freiheitsstrafe zu vollziehen.
Mit der Vorinstanz (Urk. 86 E. VIII S. 45 f.) ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines entsprechen- den DNA-Profils gemäss Art. 257 lit. a und b StPO vorliegend erfüllt sind. In Anbetracht der Schwere der Taten, der heutigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten und der nicht auszuschliessenden Gefahr von RückFällen erscheint diese Massnahme deren Zweck in der Verhinderung und erleichterten Aufklürung Allfälliger Rückfalltaten liegt durchaus verhältnismässig.
Die allgemeinen Voraussetzungen und gesetzlichen Grundlagen für die Beurteilung der Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen wurden durch die Vorinstanz korrekt wiedergegeben (Urk. 86 E. IX/1, 2 und 3 S. 46 f.).
Die Vorinstanz hat die Genugtuungsforderung der Privatklägerin 1 von Fr. 7'000 (samt Zins) mit der Zusprechung von Fr. 4'000 nur aber immerhin teilweise gutgeheissen (Urk. 86 E. IX/4 S. 48 f.).
Die Privatklägerin 1 sah davon ab, gegen den erstinstanzlichen Entscheid in Berufung zu gehen, sei dies selbststündig im Rahmen einer Anschlussberufung. Demzufolge scheidet aufgrund des Verschlechterungsverbots nach Art. 391 Abs. 2 StPO zum vornherein aus, der Privatklägerin 1 eine Höhere Genugtuung zuzusprechen, als es die Vorinstanz tat.
Immerhin, dass der Privatklägerin 1 angesichts der durch den Beschuldigten verursachten Unbill grundsätzlich eine Genugtuung zuzusprechen ist, erscheint gerechtfertigt. Bezüglich ihres schlüssig begründeten Entscheids kann der Vorinstanz gefolgt werden und der Privatklägerin 1 mit Blick auf die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und die Dauer der Auswirkungen auf die persönlichkeit sowie das Verschulden des Beschuldigten eine Genugtuung von Fr. 4'000 zuzüglich Zins zuzusprechen (Urk. 86 E. IX/4.1-4.4 S. 48 f.).
Die Vorinstanz hat die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 und 3 auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Da die Privatklägerinnen 2 und
3 weder Berufung noch Anschlussberufung gegen den erstinstanzlichen Entscheid anmeldeten bzw. erklärten, scheidet aufgrund des Verschlechterungsverbots eine Zusprechung von Schadenersatz an die Privatklägerinnen 2 und 3 von vornherein aus. überdies ist die Schadenersatzforderung der Privatklägerinnen 2
und 3 nicht hinreichend begründet und beziffert, weswegen das Schadenersatzbegehren im Sinne von Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen ist (so auch die Vorinstanz in Urk. 86 E. IX/5.2 S. 50).
Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffer 9 [inkl. Dispositivziffer 2 des Nachtragsurteils vom 6. September 2022, Urk. 76]) zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO).
Kosten des Berufungsverfahrens
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf Fr. 3'600 festzusetzen ( 16 Abs. 1 i.V.m. 14 Abs. 1 GebV OG).
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte unterliegt fast vollumfänglich; er obsiegt einzig bezüglich dessen Absehens von ei- ner zusätzlichen Busse, weil zwischen den tätlichkeiten und der Körperverletzung eine naTürliche Handlungseinheit erkannt wurde. Es rechtfertigt sich somit, die zweitinstanzlichen Kosten mit Ausnahme der Entschädigung der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 zu 9/10 dem Beschuldigten aufzuerlegen. Im übrigen (1/10) sind die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 sind unter Vorbehalt der Rückforderung im Umfang der Kostenauflage auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO, teilweise i.V.m. Art. 138 StPO).
Entschädigung für die amtlichen Mandate
Der amtliche Verteidiger (Rechtsanwalt lic. iur. X1. ) ist für seine Aufwendungen im Berufungsverfahren unter BeRücksichtigung der geltend gemachten Aufwandspositionen (Urk. 101) sowie der tatsächlichen Dauer der
Berufungsverhandlung (Prot. II S. 5 und 13) pauschal mit Fr. 4'000 aus der Gerichtskasse zu entschädigen.
Die unentgeltliche Rechtsvertreterin der Privatklägerin 1 (Rechtsanwältin lic. iur. Y. ) ist für das Berufungsverfahren unter BeRücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen (Urk. 100) mit Fr. 349.65 aus der Gerichtskasse zu entschädigen.
Bei diesem Verfahrensausgang ist der Beschuldigte sodann auch nicht wie von der Verteidigung beantragt (Urk. 87 S. 2; Urk. 103 S. 6) für die erstandene Untersuchungshaft und die Ersatzmassnahmen zu entschädigen (vgl. dazu auch vorstehend E. III/8).
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass der Vorab-Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur sowie das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 31. August 2022 (inkl. Nachtragsurteil vom 6. September 2022 betr. Kosten IRM-Gutachten) wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird beschlossen:
Das Verfahren wird hinsichtlich der tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB (Anklagevorwurf 2) definitiv eingestellt.
[Mitteilungen / Rechtsmittel]?
1.-3. [...]
Auf die Anordnung eines Kontaktverbotes gegenüber der Privatklägerin 1 im Sinne von Art. 67b StGB wird verzichtet.
Von der Anordnung einer Landesverweisung im Sinne von Art. 66a StGB wird abgesehen.
6. [...]
8. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'600.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'000.00 gebühr für das Vorverfahren;
Fr. 2'321.30 Auslagen (Gutachten);
Fr. 840.00 Auslagen Kantonspolizei Zürich; Fr. 50.00 Zeugenentschädigung B. ;
Fr. 5'080.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwältin MLaw X2. (inkl. Barauslagen und MwSt.), bereits vergütett;
Fr. 11'921.10 Kosten amtliche Verteidigung, Rechtsanwalt lic. iur. X1. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 7'286.85 Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin 1, Rechtsanwältin lic. iur. Y. (inkl. Barauslagen und MwSt.);
Fr. 1'393.05 Kosten IRM-Gutachten;
Fr. 35'492.40 Total.
9. [...]
Der Antrag der Rechtsvertreterin der Privatklägerinnen 2 und 3 auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.
[...]
[Mitteilungen]
[Rechtsmittel]
Der Antrag der Rechtsvertreterin der Privatklägerinnen 2 und 3 um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das Berufungsverfahren wird abgewiesen.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig
der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie
der einfachen (qualifizierten) Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Ziff. 2 Abs. 4 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 36 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 76 Tage durch Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen erstanden sind.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 24 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt. Im übrigen (12 Monate, abzüglich 76 Tage, die durch Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen erstanden sind) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.
Es wird die Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils angeordnet. Das Forensische Institut Zürich (FOR) wird mit dem Vollzug beauftragt und der Beschuldigte verpflichtet, innert 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft des Urteils beim Forensischen Institut Zürich, Polizei- & Justizzentrum PJZ, Erkennungsdienst Güterstrasse 33, 8010 Zürich, zwecks DNA-Probenahme für die DNA-Profilerstellung zu erscheinen. Kommt er dieser Verpflichtung unentschuldigt nicht nach, wird die Kantonspolizei hiermit verpflichtet, ihn auf entsprechende Mitteilung des Forensischen Instituts Zürich hin zwangsweise vorzuführen.
a) Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 1 (E. ) Fr. 4'000 zuzüglich 5 % Zins seit 25. Oktober 2021 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
b) Die Schadenersatzbegehren der Privatklägerinnen 2 (C. ) und 3 (D. ) werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 9 [inklusive Ziff. 2 des Nachtragsurteils vom 6. September 2022]) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'600 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 4'000 amtliche Verteidigung,
Fr. 349.65 unentgeltliche Rechtsvertretung Privatklägerin 1.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerin 1, werden zu 9/10 dem Beschuldigten auferlegt und zu 1/10 auf die Gerichtskasse genommen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerin 1 im Berufungsverfahren werden zu 9/10 einstweilen und zu 1/10 definitiv auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt im Umfang von 9/10 gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO und Art. 138 Abs. 1 StPO vorbehalten.
Mändliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (versandt)
die Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin 1 (versandt)
die Rechtsvertretung der Privatklägerinnen 2 und 3 in dreifacher Ausfertigung für sich und zuhanden der Privatklägerinnen 2 und 3 (versandt)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
die Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin 1
die Rechtsvertretung der Privatklägerinnen 2 und 3 in dreifacher Ausfertigung für sich und zuhanden der Privatklägerinnen 2 und 3
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich (mit Vermerk der Rechtskraft)
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit den Formularen Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
das Forensische Institut Zürich, Polizei- & Justizzentrum PJZ, Erken- Erkennungsdienst Güterstrasse 33, 8010 Zürich, hinsichtlich Dispositivziffer 4
K. AG, ... [Adresse] (Dossier-Nr. 2).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 20. November 2023
Der Präsident:
lic. iur. B. Gut
Der Gerichtsschreiber:
MLaw J. Stegmann
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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