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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB220581
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220581 vom 19.10.2023 (ZH)
Datum:19.10.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Versuchte Nötigung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Geschädigte; Beschuldigten; Geschädigten; Massnahme; Gutachter; Behandlung; Verteidigung; Berufung; Gutachten; Stationär; Stationäre; Erfahre; Sinne; Aussage; Urteil; Vorinstanz; Drohung; Recht; Aussagen; Verfahren; Amtlich; Amtliche; Untersuchung; Beweis; Zutreffend; Krank; Ambulant; Berufungsverhandlung
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 113 StPO ; Art. 126 StGB ; Art. 141 StPO ; Art. 181 StGB ; Art. 187 StPO ; Art. 19 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 405 StPO ; Art. 419 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 56 StGB ; Art. 56a StGB ; Art. 59 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:115 IV 223; 142 IV 105; 144 IV 176; 145 IV 65; 146 IV 114; 146 IV 1; 146 IV 297; 147 IV 9;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220581-O/U/cwo

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. S. Volken, Präsident, Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Brenn und Ersatzoberrichter lic. iur. B. Hoffmann sowie Gerichtsschreiberin MLaw N. Hunziker

Urteil vom 19. Oktober 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwalt MLaw M. Rikenmann,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend versuchte Nötigung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom 18. August 2022 (DG220069)

Anklage:

Der Antrag auf Anordnung einer Massnahme für eine schuldunfähige Person der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 31. März 2022 (Urk. 38) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 93 S. 57 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass die Beschuldigte A. die folgenden Tatbestände im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt hat:

  2. Vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. a StGB (Dossier 3/2) wird die Beschuldigte freigesprochen.

  3. Aufgrund der Schuldunfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Tathandlungen wird von einer Strafe abgesehen.

  4. Es wird eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) angeordnet.

  5. Es wird festgestellt, dass sich die Beschuldigte bis und mit heute 469 Tage in Un- tersuchungs- und Sicherheitshaft befand. Die Hafttage sind an die stationäre thera- peutische Massnahme anzurechnen.

  6. Die von der Stadtpolizei Zürich am 27. September 2019 sichergestellten und zu den Akten gezogenen Papeteriewaren (Asservat Nr. A013'057'211, A013'057'255, A013'057'277; Polis-Geschäfts-Nr. …), werden bei den Akten belassen.

  7. Von einer Entschädigung an die Beschuldigte wird abgesehen.

  8. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    CHF 4'200.00; die weiteren Kosten betragen: CHF 2'000.00 Gebühr für das Vorverfahren CHF 16'826.00 Auslagen (Gutachten)

    CHF 210.00 Entschädigung Zeuge

    CHF 24'755.10 Entschädigung amtliche Verteidigung RAin X1. CHF 20'571.20 Entschädigung amtliche Verteidigung RA X. CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr OGZ, Geschäfts-Nr. UB210170-O

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  9. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  10. Der amtliche Verteidiger Dr. iur. X._ wird mit CHF 20'571.20 (inkl. MwSt.) ent- schädigt. Von einer Nachforderung wird abgesehen.

  11. [Mitteilung]

  12. [Rechtsmittel].

Berufungsanträge:

(Prot. II S. 15 f.)

  1. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 94; Urk. 164 S. 2)

    1. Die Beschuldigte, A. , sei vollumfänglich hinsichtlich aller ihr im Antrag vom 31. März 2022 unterstellten Tatbestände freizusprechen.

    1. Von der Anordnung einer Massnahme sei abzusehen.

    2. Die Beschuldigte sei ausgangsgemäss für die erlittene Untersuchungs- und Sicherheitshaft angemessen zu entschädigen.

    3. Eventualiter sei festzustellen, dass die Beschuldigte allfällige nicht in einem Freispruch resultierende Tatbestände in nicht selbstverschuldeter Schuld- unfähigkeit verübt hat und es sei gegen die Beschuldigte eine ambulante Massnahme anzuordnen.

    4. Die Beschuldigte sei aus der Sicherheitshaft zu entlassen.

    5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Staates.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 108)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte

      1. Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom 18. August 2022 (Urk. 93) wurde festgestellt, dass die Beschuldigte die Tatbestände der mehrfachen Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a StGB, der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1

        i.V.m. Abs. 2 lit. b StGB sowie der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB im Zustand der nicht selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit erfüllt hat. Vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. a StGB (Dossier 3/2) wurde die Beschuldigte freigesprochen. Aufgrund der Schuldunfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Tathandlungen wurde von einer Strafe abgesehen. Es wurde eine stationäre therapeutische Massnah- me im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) ange- ordnet.

      2. Gegen dieses Urteil meldete die Beschuldigte mit Eingabe vom 22. August 2022 rechtzeitig Berufung an (Urk. 80). Nach Erhalt des begründeten Urteils der Vorinstanz (vgl. Urk. 90 und 92) reichte die Beschuldigte mit Eingabe vom

      3. November 2022 innert der gesetzlichen Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO ihre Berufungserklärung ein (Urk. 94). Mit Präsidialverfügung vom 11. November 2022 wurde der Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, um sich zur Frage der Fortsetzung der Sicherheitshaft zu äussern (Urk. 97). Mit Präsidialver- fügung vom 2. Dezember 2022 wurde der Staatsanwaltschaft die Berufungser- klärung zugestellt und Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben werde, oder um begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu bean- tragen (Urk. 103). Nach Eingang der Stellungnahmen der Parteien (Urk. 99 und

      101) wurde mit Präsidialverfügung vom 6. Dezember 2022 die Sicherheitshaft bis zum Endentscheid der Berufungsinstanz verlängert (Urk. 105). Mit Eingabe vom

      12. Dezember 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und verzichtete auf die Erhebung einer Anschlussberu- fung (Urk. 108).

      3. Mit Eingabe vom 13. Dezember 2022 stellte die Verteidigung den Beweisan- trag, es sei ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten betreffend die Beschul- digte zu erstatten. Dieses Gutachten sei durch den bisherigen Sachverständigen

      Prof. Dr. med. B.

      auszufertigen. Dabei sei die Beschuldigte durch den

      Sachverständigen einer erneuten Exploration zu unterziehen (Urk. 110). Mit Präsidialverfügung vom 25. Januar 2023 wurde dieser Beweisantrag einstweilen abgewiesen (Urk. 114). Mit Eingabe vom 16. August 2023 stellte die Beschuldigte ein Haftentlassungsgesuch (Urk. 145), welches mit Präsidialverfügung vom

      29. August 2023 abgewiesen wurde (Urk. 149). Mit Präsidialverfügung vom

      15. September 2023 wurde der Sachverständige Prof. Dr. med. B. schliess- lich zwecks Befragung zur Berufungsverhandlung vorgeladen. Da der Sachver- ständige ein aktualisierendes Gespräch mit der Beschuldigten vor der Berufungsverhandlung als angezeigt erachtete, wurde ihm zudem eine Besuchs- bewilligung erteilt (Urk. 155). Am 6. Oktober 2023 teilte der Sachverständige dem hiesigen Gericht mit, dass er die Beschuldigte im Gefängnis besucht habe, diese sich jedoch geweigert habe, mit ihm zu sprechen (Urk. 158).

      4. Zur Berufungsverhandlung vom 12. Oktober 2023 erschienen die amtliche Verteidigung sowie der Sachverständige Prof Dr. med. B. . Die Beschuldigte

      erschien entschuldigt nicht (vgl. unten Ziff. II.2.). An der Berufungsverhandlung wurde Prof. Dr. med. B. als sachverständiger Zeuge befragt (Urk. 163). Die amtliche Verteidigung verzichtete auf eine mündliche Urteilseröffnung (Art. 84 Abs. 3 StPO). Das Urteil erging am 19. Oktober 2023 und wurde den Parteien schriftlich eröffnet (Urk. 166; vgl. zum Ganzen Prot. II S. 15 ff.).

    2. Prozessuales

      1. Berufungsumfang

        Gemäss Art. 402 i.V.m. Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Das Berufungsgericht fällt aber, obschon es letztlich nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt (Art. 404 Abs. 1 StPO), insgesamt ein neues Urteil, worin die neu überprüften und auch die (teil-) rechtskräftigen Punkte bezeichnet werden (BSK StPO-EUGSTER, Art. 402 N 2).

        Im Berufungsverfahren nicht angefochten sind der vorinstanzliche Teil-Freispruch (Urteilsdispositiv-Ziff. 2), die vorinstanzliche Regelung betreffend im Vorverfahren sichergestellte Gegenstände (Urteilsdispositiv-Ziff. 6), die vorinstanzliche Kosten- festsetzung und -auflage (Urteilsdispositiv-Ziff. 8 und 9) sowie die vorinstanzlich festgelegte Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Urteilsdispositiv-Ziff. 10) (Prot. II S. 19).

        Vom Eintritt der Rechtskraft dieser Anordnungen ist vorab Vormerk zu nehmen (Art. 404 StPO). Im restlichen Umfang ist das vorinstanzliche Urteil im Berufungs- verfahren zu überprüfen. Es gilt das Verschlechterungsverbot im Sinne von Art. 391 Abs. 2 StPO.

      2. Dispensationsgesuch

        Zu Beginn der Berufungsverhandlung vom 12. Oktober 2023 stellte der amtliche Verteidiger den Antrag, es sei die Beschuldigte von der Teilnahme an der Ver- handlung zu dispensieren. Nach entsprechender Beratung wurde das Dispensationsgesuch gutgeheissen (Prot. II S. 16 f.). Die beschuldigte Person, welche Berufung erklärt, hat grundsätzlich an der Berufungsverhandlung teilzunehmen und von diesem Grundsatz soll nach dem Wortlaut des Gesetzes nur in einfachen Fällen abgewichen werden (Art. 405 Abs. 2 StPO). Zwar handelt es sich vorliegend nicht um die Beurteilung eines einfachen Falles im Sinne von Art.

        405 Abs. 2 StPO. Indes trifft die Beschuldigte im Strafverfahren keine Mitwir- kungspflicht und steht ihr namentlich auch ein uneingeschränktes Aussagever- weigerungsrecht zu (Art. 113 Abs. 1 StPO). Entsprechend konnte dem Ersuchen der Beschuldigten, welche auf ihr Teilnahmerecht verzichten wollte und deren In- teressen im vorliegenden Berufungsfahren in hinreichendem Masse durch die Bemühungen der amtlichen Verteidigung gewahrt werden, entsprochen werden.

      3. Beweisantrag

      Zu Beginn der Berufungsverhandlung wiederholte der Verteidiger den bereits mit Eingabe vom 13. Dezember 2022 gestellten Beweisantrag, es sei beim bisherigen

      Gutachter Prof. Dr. med. B.

      ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten

      über die Beschuldigte einzuholen. Dabei sei die Beschuldigte einer erneuten Ex- ploration durch den Sachverständigen zu unterziehen. Den Beweisantrag begründete der Verteidiger damit, dass das psychiatrische Gutachten vom

      28. Januar 2022 unvollständig sei, weil der Gutachter von einem nicht mehr aktu- ellen Sachverhalt ausgegangen sei. Der Gutachter sei bei der Ausarbeitung sei- nes psychiatrischen Gutachtens davon ausgegangen, dass der Tatvorwurf der versuchten Anstiftung zur Tötung des Geschädigten zutreffe. Nach der Gutachtenserstattung sei dieser weitaus schwerwiegendste Tatvorwurf und hin- sichtlich des Schweregrads absolut isolierte Sachverhaltsvorwurf eingestellt wor- den. Es seien nur einige vergleichsweise unbedeutende Tatvorwürfe, die als Stal- kingverhalten zusammengefasst werden könnten, verblieben. Zusätzlich sei der Gutachter fälschlicherweise von einer Brandlegung (Brandstiftung) ausgegangen. Damit sei der Gutachter von einem unzutreffenden, für das Urteil nicht mehr aktu- ellen Sachverhalt bzw. unzutreffenden Grundlagen ausgegangen. Dementspre- chend seien auch die Ergebnisse der Risikoanalysen nicht korrekt. Ebenso fehle im Gutachten eine Fotres-Risikobeurteilung. Ferner bestünden weitere offene Fragen (Wie sollen die Kontakte zum Sohn aussehen, damit die krankheitsbe- günstigenden Stressoren reduziert werden können? Erläuterungen, wie die erforderliche stationäre Unterbringung auch mit den Mitteln den Kindes- und Erwach- senschutzrechts umgesetzt werden könnten) (Urk. 161; siehe auch hinten Ziff. V.1.). Entsprechend reichte der Verteidiger einen Katalog mit Ergänzungsfra- gen an den Gutachter ins Recht (Prot. II S. 18 und Urk. 162).

      In der Folge wurde der Gutachter Prof. Dr. med. B. – wie dies den Parteien vorgängig angekündigt worden war (Urk. 155) – an der Berufungsverhandlung er- gänzend zur Aktualität seiner gutachterlichen Feststellungen und Empfehlungen im Gutachten vom 28. Januar 2022 und zu den weiteren vorgebrachten Kritikpunkten der Verteidigung am Gutachten befragt. Er nahm detailliert und umfassend Stellung und beantwortete insbesondere auch alle Ergänzungsfragen des Verteidigers. Zudem ist zu erwähnen, dass dem Gutachter vorgängig die seit der Gutachtenserstattung neuen wesentlichen Akten zugestellt wurden und ihm daher anlässlich seiner Befragung bekannt waren. Konkret handelt es sich um folgende Unterlagen: Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 31. März 2022 betreffend den Tatvorwurf der versuchten Anstiftung zu vorsätzlicher Tötung (Urk. 30), die vorinstanzliche Urteilsbegründung (Urk. 93), alle wesentlichen aktuellen Akten betreffend spezielle Vorkommnisse in der Sicherheitshaft (Hospi- talisierungen der Beschuldigten, Disziplinarverfügungen etc.) (Urk. 117, 120/1-2, 122, 126, 128, 138, 139, 141-144 und 153) sowie die Stellungnahme der Verteidi- gung mit Kritikpunkten zum Gutachten (Eingabe Beweisantrag vom 13. Dezember 2022, Urk. 110) (Urk. 155 und Urk. 163 S. 3).

      Die Verteidigung wollte im Rahmen ihres Beweisantrages ihre Ergänzungsfragen beantwortet haben. Dem ist der Gutachter wie gesehen nachgekommen. Inwie- fern zur Beantwortung dieser Ergänzungsfragen eine erneute Exploration der Beschuldigten erforderlich sein sollte, wurde von der Verteidigung nicht dargetan und ist überdies auch nicht ersichtlich. Die Ergänzungsfragen betreffen im We- sentlichen die veränderte Situation hinsichtlich der Tatvorwürfe sowie die von der Verteidigung gewünschten Erläuterungen zum Gutachten (Grund für Verzicht auf Verwendung der FOTRES-Methode bei der Risikobeurteilung etc.). Zudem wurde dem Gutachter in den Ergänzungsfragen die aktuelle Haltung der Beschuldigten (bspw. fehlende Bereitschaft zu einer stationären Massnahme) vorgehalten. Die

      Verteidigung zielte mit ihrem Beweisantrag mithin nicht darauf ab, dass der Gut- achter aktuelle ärztliche Befunde erhebt.

      Allerdings erachtete der Gutachter zur Aktualisierung seines fast ein dreiviertel Jahre alten Gutachtens zu Recht eine neuerliche Untersuchung der Beschuldig- ten vor der Berufungsverhandlung als angezeigt (Urk. 154). Entsprechend wurde dem Gutachter eine Besuchsbewilligung erteilt (Urk. 155). Obwohl die Parteien über dieses bevorstehende Explorationsgespräch informiert waren (Urk. 155), verweigerte die Beschuldigte in der Folge eine persönliche Untersuchung durch den Gutachter. Es war kein Kontakt mit ihr möglich, weil sie nicht zum Untersu- chungsgespräch erschien (Urk. 158 und Urk. 163 S. 5). Entsprechend konnte kei- ne neuerliche bzw. dritte Untersuchung der Beschuldigten durchgeführt werden. Rechtlich gilt dies auch dann als Verzicht auf eine Mitwirkung bei der Beweisauf- nahme, wenn die Weigerung Ausdruck der psychischen Erkrankung ist (BGE 146 IV 1 E. 3.2.2). Da sich die Beschuldigte zudem von der Teilnahme an der Beru- fungsverhandlung dispensieren liess, entfiel auch ihre Einvernahme durch das Berufungsgericht, anlässlich welcher der Gutachter (sofern er dieser mangels Einwände der Beschuldigten hätte bewohnen können) einen aktuellen persönli- chen Eindruck von ihr hätte gewinnen können. Entsprechend hatten sich seine gutachterlichen Einschätzungen und Empfehlungen auf die Akten, insbesondere auch auf das seit der Erstattung des Gutachtens aktenkundig Vorgefallene, sowie auf die Ergebnisse der früheren Untersuchungen der Beschuldigten (am 3. und

      28. September 2021 sowie am 7. Januar 2022; vgl. Urk. D1/12/14 S. 1) zu stüt- zen.

      Zusammengefasst wurde dem Beweisantrag des Verteidigers mit der ergänzen- den Befragung des Gutachters als sachverständiger Zeuge anlässlich der Beru- fungsverhandlung zur Aktualität seiner gutachterlichen Feststellungen und Emp- fehlungen im Gutachten vom 28. Januar 2022 und zu den weiteren Kritikpunkten der Verteidigung am Gutachten materiell nachgekommen. Ein zusätzliches er- gänzendes psychiatrisches Gutachten erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht notwendig. Eine neuerliche Untersuchung der Beschuldigten erachtete der

      Gutachter zwar als angezeigt, eine solche konnte – wie gesehen – aufgrund des Mitwirkungsverzichts der Beschuldigten jedoch nicht durchgeführt werden.

      Die persönliche Untersuchung gehört zum Standard einer forensisch- psychiatrischen Begutachtung. Nach der Rechtsprechung ist es in erster Linie Aufgabe des Gutachters zu beurteilen, ob sich eine ergänzende bzw. aktualisie- rende gutachterliche Einschätzung und Empfehlung gestützt auf die Akten und die früheren Untersuchungen der beschuldigten Person ohne neuerliche Untersu- chung verantworten lässt. Wie weit er sich ohne neuerliche Untersuchung festle- gen kann und will, ist bis zu einem gewissen Grad seinem gutachterlichen Ermes- sen überlassen. Ob und wie sich die fehlende neuerliche Untersuchung auf den Beweiswert der gutachterlichen Einschätzung und Empfehlung auswirkt, ist nach dem konkreten Gegenstand der Gutachterfrage differenziert zu beurteilen. Der Gutachter soll sich (gegebenenfalls je nach Fragestellung gesondert) dazu äus- sern, ob eine Frage ohne neuerliche Untersuchung gar nicht, nur in allgemeiner Form oder ohne Einschränkungen beantwortbar ist (BGE 146 IV 1 E. 3.2.2). Wie zu zeigen sein wird, hat der Gutachter nachvollziehbar dargelegt, in welchen Grenzen gutachterliche Einschätzungen ohne neuerliche persönliche Exploration möglich sind. Deren Aussagekraft hat er sodann je nach Fragestellung bzw. The- matik differenziert dargestellt (vgl. dazu hinten Ziff. V.). Somit dürfen das Gutach- ten, soweit noch aktuell, und die ergänzenden bzw. aktualisierenden gutachterli- chen Einschätzungen und Empfehlungen als massgebliche Grundlagen für den Entscheid über die strittige stationäre Massnahme verwendet werden.

      Insgesamt ist der Beweisantrag, soweit er über die durchgeführte ergänzende Befragung des Gutachters als sachverständiger Zeuge anlässlich der Berufungs- verhandlung hinausgeht, abzuweisen.

      4. Formelles

      Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die Berufungsinstanz nicht mit sämtlichen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und nicht jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 146 IV 297, E. 2.2.7; 141 IV 249, E. 1.3.1; 138 IV 81, E. 2.2, je m.w.H.). Sie kann bei Bedarf auch auf

      die Erwägungen der Vorinstanz verweisen, um unnötige Wiederholungen zu ver- meiden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Dabei ist im vorliegenden Fall allerdings zu beach- ten, dass der Vorinstanz in ihrer Begründung zahlreiche Datumsfehler unterlaufen sind, welche zum Teil wohl durch Kopieren entstanden sein dürften (Urk. 93 S. 26 und 37 – Datum im Titel; Urk. 93 S. 26 Ziff. 1: nicht im Jahre 2009; Urk. 93 S. 27 Ziff. 3.2. – Ereignisse nicht vom 30. Juli). Diese sind selbstredend nicht zu über- nehmen, ändern aber nichts am Ergebnis.

    3. Sachverhalt

1. Tatvorwurf

In den im Berufungsverfahren noch zu beurteilenden Anklagepunkten wird der Beschuldigten zusammengefasst vorgeworfen, zwischen 1. September 2019 und

31. März 2021 diverse Todesdrohungen zum Nachteil ihres Ehemanns C. (nachfolgend Geschädigter) ausgestossen zu haben. Am 5. April 2021 soll die Beschuldigte den Geschädigten angerufen und von ihm verlangt haben, seine kurz davor eingereichte Strafanzeige zurückzuziehen, ansonsten es Krieg, richti- gen Krieg, gebe und einer von beiden dies nicht überleben bzw. sterben würde. Sie werde ihn töten. Damit habe sie erreichen wollen, dass der Geschädigte seine Strafanzeige zurückzieht, was nicht erfolgt sei. Gleichentags sei die Beschuldigte am Wohnort des Geschädigten erschienen und habe ihm in die Beine und in die Genitalien getreten sowie mit der rechten Faust gegen dessen linke Schläfe geschlagen, was zu Prellungen und Schmerzen geführt habe. In den beiden nachfolgenden Einvernahmen der Beschuldigten zum Vorfall vom 5. April 2021 habe sie sodann bewusst wahrheitswidrig und in der Absicht, eine Strafuntersu- chung gegen den Geschädigten herbeizuführen, behauptet, dieser habe sie mit ihrem Schal gewürgt und mehrfach in den Bauch gekickt sowie mit dem Schal um den Hals über den Boden geschleift. Dies habe zur Folge gehabt, dass tatsächlich eine Strafuntersuchung gegen den Geschädigten wegen Körperverletzung eröff- net worden sei. Dadurch habe die Beschuldigte die Tatbestände der mehrfachen Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a StGB, der versuchten Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, der Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 StGB sowie der falschen Anschuldigung im Sinne von

Art. 303 Ziff. 1 StGB erfüllt, wobei die Beschuldigte gestützt auf Art. 19 Abs. 1 StGB für diese Taten nicht schuldfähig sei (Urk. 38).

  1. Offizialmaxime

    Die Vorinstanz hat mit zutreffender Begründung erwogen, dass hinsichtlich der mehrfachen Drohungen die Offizialmaxime gilt, weshalb es keiner Strafanträge bedarf (Urk. 93 S. 4). Bei den Tätlichkeiten ging sie von 126 Abs. 2 StGB und damit ebenfalls von einem Offizialdelikt aus (a.a.O.). Wie noch zu zeigen sein wird, kommt jedoch Abs. 1 und somit ein Antragsdelikt zur Anwendung, wobei der entsprechende Strafantrag vorliegt (Urk. D1/2/2).

    Somit ist nachfolgend zu prüfen, ob sich der eingeklagte Sachverhalt erstellen lässt und die rechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft zutrifft.

  2. Standpunkt der Beschuldigten

    Hinsichtlich des Tatvorwurfs der Tätlichkeiten hat die Beschuldigte im Vorverfah- ren eingeräumt, dass es am 5. April 2021 zu einem Handgemenge kam und sie den Geschädigten sicher auch getreten habe (Urk. D1/5/1 S. 4). Zudem hat sie

    auf Vorhalt der Aussagen von D.

    anerkannt, dass sie dem Geschädigten

    eine Maulschelle bzw. eine Ohrfeige gab, zumal D. tropfnüchtern gewe- sen und sehr ehrlich sei (Urk. D1/5/2 S. 9).

    Den Tatvorwurf der mehrfachen Drohung bestreitet die Beschuldigte, auch wenn sie im Vorfahren immerhin eingeräumt hat, gegenüber dem Geschädigten sicher- lich ausfällig gewesen zu sein (Urk. D1/5/11 S. 3).

    Die Ausführung der Beschuldigten, sie habe einmal gesagt, sie komme mit harter Hand (Urk. D1/5/11 S. 3; Urk. D1/5/12 S. 11), interpretierte die Vorinstanz als Geständnis der Beschuldigten, zum Geschädigten gesagt zu haben, er habe 30 Minuten Zeit, den gemeinsamen Sohn E. freizulassen, sonst komme sie mit harter Hand (Urk. 93 S. 4). Dies ist eine zu weitgehende Interpretation. Aller- dings hat die Beschuldigte diese Aussage nachweislich per WhatsApp-Nachricht gegenüber dem Geschädigten getätigt (Urk. D1/9/1), weshalb dies auch ohne

    Geständnis erstellt ist. In der Folge hat die Vorinstanz diese Äusserung der Beschuldigten indes rechtlich weder als Drohung noch als versuchte Nötigung bzw. nicht als strafbares Verhalten gewürdigt (vgl. Urk. 93 S. 41 und 43). Darauf ist in Nachachtung des Verschlechterungsverbots nicht zurückzukommen (Art. 391 Abs. 2 StPO).

    Die Tatvorwürfe der versuchten Nötigung und der falschen Anschuldigung werden von der Beschuldigten vollumfänglich in Abrede gestellt.

    Bezüglich der aktenkundigen Tonbandaufnahmen macht die Beschuldigte gel- tend, diese seien rechtswidrig erstellt worden und nicht verwertbar.

  3. Grundsätze der Sachverhaltsermittlung

    Zu den allgemeinen Beweiswürdigungsregeln ist auf die zutreffenden Ausführun- gen der Vorinstanz zu verweisen (vgl. Urk. 93 S. 5 f.). Erneut ist festzuhalten, dass das Gericht die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren ge- wonnenen Überzeugung würdigt (Art. 10 Abs. 2 StPO). Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO).

  4. Glaubwürdigkeit der befragten Personen

    Soweit die Vorinstanz Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der befragten Personen machte (Urk. 93 S. 6 f.), ist nochmals darauf hinzuweisen, dass für die Sach- verhaltserstellung in erster Linie die Glaubhaftigkeit der Aussagen und nicht die Glaubwürdigkeit der Befragten relevant ist. Die Parteirollen im Prozess sind gemäss einhelliger Lehre kein taugliches Kriterium für die Aussagenanalyse. So ist eine beschuldigte Person nicht weniger glaubwürdig, weil sie von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird (und somit ein Interesse hat, sich durch ihre Aussagen zu entlasten). Auch eine unschuldige Person hat genau dasselbe Interesse, sich zu entlasten, weshalb dieses Eigeninteresse nie ein Unterscheidungsmerkmal von wahren und unwahren Aussagen ist. Demgemäss ist in dieser Hinsicht auch irrelevant, dass der Geschädigte in der

    Konfronationseinvernahme mit der Beschuldigten ebenfalls (noch) die Stellung eines Beschuldigten hatte (Urk. D1/7/1+5). Zuzustimmen ist der Vorinstanz jedoch, wenn sie auf die persönlichen Beziehungen unter den Beteiligten hinweist, welche die Beschuldigte, den Geschädigten und auch die Auskunftsperson D. verleiten könnten, tendenziös oder falsch auszusagen. Entscheidend ist indes, wie erwähnt, die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen (Urteil des Bundesgerichts 6B_323/2021 vom 11. August 2021 E. 2.3.3.).

  5. Vorwurf der mehrfachen Drohung vom 11. bis 31. März 2021 (Dossier 1)

    1. Die Vorinstanz erachtete es als erstellt, dass die Beschuldigte gegenüber dem Geschädigten sagte, sie werde ihn umbringen und er habe sein Todesurteil unterschrieben. Weiter kam die Vorinstanz zum Schluss, dass der Geschädigte es für möglich hielt, dass die Beschuldigte diese Todesdrohungen in die Tat um- setzen könnte und dass er durch die Drohungen stark verunsichert wurde (Urk. 93 S. 11).

    2. Die massgeblichen Beweismittel wurden von der Vorinstanz zutreffend dargestellt. Es handelt sich um die Aussagen der Beschuldigten und des Geschä- digten. Mit zutreffender Begründung erachtete die Vorinstanz sodann die Aussa- gen beider Personen als vollständig verwertbar (Urk. 93 S. 8), worauf verwiesen werden kann.

    3. Die Vorinstanz hat die wesentlichen Aussagen der Beschuldigten und des Geschädigten zutreffend wiedergegeben, darauf kann verwiesen werden. Ebenso auf die zutreffende Beweiswürdigung der Vorinstanz (Urk. 93 S. 8 ff.). Rekapitulie- rend und teilweise ergänzend ist festzuhalten, dass die Beschuldigte sich hinsicht- lich der in diesem Dossier vorgeworfenen Todesdrohungen ebenso wie hinsicht- lich der meisten weiteren ihr zur Last gelegten Drohungen und der ihr vorgewor- fenen versuchten Nötigung – was noch zu zeigen sein wird – auf den Standpunkt stellt, es mangle ihr an Erinnerungen (Urk. D1/5/1 S. 2; Urk. D1/5/2 S. 7). Die feh- lenden Erinnerungen begründet sie zunächst damit, dass die Vorfälle zu lange her seien. Diese Begründung überzeugt nicht, erfolgten die beiden ersten Einvernah- men, wo sie fehlende Erinnerungen geltend machte, doch am 8. und 9. April

      2021, mithin äusserst zeitnah bzw. wenige Wochen nach den Vorfällen, die sich zwischen Mitte und Ende März 2021 ereigneten (Urk. D1/4/1 S. 2 f.). Ein weiteres Begründungsmuster der Beschuldigten für ihre angeblichen Erinnerungslücken bezüglich dieser und – wie noch zu zeigen sein wird – der meisten weiteren To- desdrohungen sowie der versuchten Nötigung ist, dass sie möglicherweise Medi- kamente bzw. Xanax (teilweise in Kombination mit Alkohol) nicht vertragen habe und sich deshalb nicht mehr erinnere (Urk. D1/5/1 S. 2; vg. Urk. D3/1/4 S. 5). Auch dies überzeugt nicht restlos bzw. wirkt vorgeschoben. Es fällt nämlich auf, dass die Beschuldigte im Vorverfahren die einzelnen Handlungsabläufe aus ihrer Sicht durchaus schildern konnte. Insbesondere das angebliche Verhalten bzw. Handeln des Geschädigten schilderte sie sehr ausführlich. Aber auch an das ei- gene Handeln, soweit es harmlos war, wollte sie sich erinnern. Just bezüglich des ihr vorwerfbaren Verhaltens machte sie jedoch Erinnerungslücken geltend (vgl. Urk. D1/5/1 S. 2 ff.; Urk. D3/1/4 S. 2 f.). Aus dem Bericht des behandelnden Psy-

      chiaters Dr. med. F.

      vom 7. Mai 2021 geht sodann hervor, dass die Beschuldigte die angezeigte Medikation stets ablehnte (Urk. 10/6). Dies deckt sich mit den weiteren Arztakten (Urk. 10/1). Die Darstellung der Beschuldigten, wo- nach sie keine Erinnerungen habe, erscheint aufgrund des Gesagten als vorge- schoben und unglaubhaft. Lediglich der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass sie – falls sie tatsächlich keinerlei Erinnerung an die Vorfälle mehr hätte – die Darstellung des Geschädigten auch nicht überzeugend als wahrheitswidrig be- zeichnen könnte, weil sie es schlicht nicht wissen könnte. Der Geschädigte schil- derte nachvollziehbar und sehr anschaulich, wie sich der Gesundheitszustand der Beschuldigten ab ca. Februar 2021 verschlechtert habe, nachdem sie die ange- zeigten Medikamente abgesetzt habe. Er schilderte auch anschaulich, wie mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschuldigten sich ihre Bezie- hung zum gemeinsamen Sohn in eine kindesschutztechnisch alarmierende Rich- tung entwickelt habe, was dazu führte, dass der Geschädigte den Kontakt des Sohns zur Beschuldigten zunehmend unterband und diese Entwicklung schliess- lich ursächlich für die von der Beschuldigten ausgestossenen Todesdrohungen war (Urk. D1/4/1 S. 1 ff.). Die vom Geschädigten geschilderten Todesdrohungen sind plastisch und wirken originell. Er verknüpfte sie mit objektiv überprüfbaren

      Umständen, wie dass die Geschädigte dieselbe Drohung auch gegenüber seiner Mutter ausgesprochen habe (Urk. D1/4/1 S. 2). Wer etwas erfindet, erfindet in der Regel nicht objektiv überprüfbare Details. Die Berichte des Geschädigten sind so- dann konstant und durch keinen übermässigen Belastungseifer gekennzeichnet. Schliesslich hat der Geschädigte auch anschaulich und glaubhaft dargetan, dass die Todesdrohungen ihn in Angst versetzten und er es ernsthaft für möglich hielt, dass die Beschuldigte diese in die Tat umsetzen könnte.

    4. Ausserdem hatte der Geschädigte bereits in der Untersuchung ausgesagt, er habe versucht, sich an den Ratschlag seines Psychiaters zu halten und keine Angst zu zeigen (Urk. D1/7/1 S. 7 und S. 45). Dies zeigt, dass der Geschädigte die Drohungen der Beschuldigten – entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 164 S. 3) – ernst nahm. Dass die Handlungen der Beschuldigten damit zusam- men hängen, dass sie den Aufenthaltsort des gemeinsamen Sohnes E. nicht kennt bzw. dass der Geschädigte ihr diese – für sie wichtige – Information verweigert, verdeutlicht – entgegen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 164 S.

      3) – gerade, dass sie mit ihren Drohungen bezweckte, den Geschädigten zu ver- ängstigen. Dass die Beschuldigte mit ihren Äusserungen etwas anderes bezweckt hätte, ist nicht ersichtlich und fällt folglich nicht ernsthaft in Betracht. Der Sachver- halt ist somit erstellt.

  6. Vorwurf der versuchten Nötigung vom 5. April 2021 (Dossier 1)

    1. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel zutreffend dargestellt (Urk. 93 S. 11 ff.). Es handelt sich um die Aussagen der Beschuldigten und des

      Geschädigten. D.

      hat den Telefonanruf der Beschuldigten nicht mitgehört

      (Urk. D1/7/4 S. 9). Mangels sachdienlicher Angaben ist auf seine Aussagen nicht weiter einzugehen. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, gilt der Sachverhalt ge- stützt auf die Schilderungen des Geschädigten vor Vorhalt der Tonbandaufnahme bzw. deren Abschrift als erstellt, weshalb offen bleiben kann, ob die aktenkundige Tonbandaufnahme und deren Abschrift zu Lasten der Beschuldigten verwertbar sind. Klar scheint, dass die vom Geschädigten mithilfe einer speziellen App heimlich erstellte Tonbandaufnahme vom Telefongespräch mit der Beschuldigten mangels Vorliegens einer Einwilligung der Beschuldigten und eines gesetzlichen

      Rechtfertigungsgrundes widerrechtlich erstellt wurde (Urk. 93 S. 12 ff.; vgl. auch Urk. D1/7/4 S. 23 f.). Ob eine schwere Straftat im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO vorliegt, für deren Aufklärung die widerrechtlich erlangte Tonbandaufnahme dennoch zu Lasten der Beschuldigten verwendet werden dürfte (vgl. BGE 147 IV 9 E. 1.4.2.; Urteil des Obergerichts SB2000073 vom 2. Oktober 2020 E. III.5.2.5.), kann wie ausgeführt aber offen bleiben.

    2. Der Geschädigte berichtete im Vorverfahren, dass die Beschuldigte ihn von

      einer öffentlichen Telefonkabine aus im G.

      angerufen habe. Sie habe ihn

      auch schon in der Vergangenheit von dieser Kabine angerufen. Er habe auch noch nachgeschaut und gesehen, dass es sich bei der Nummer um eine öffentli- che Telefonkabine handle. Die Beschuldigte hätte ihm gedroht, dass sie ihn um- bringen werde. Weiter habe sie gesagt, dass er die Strafanzeige vom 31. März 2021 zurückziehen solle, sonst werde sie ihn töten. Weiter schilderte der Geschä- digte, dass die Beschuldigte rund eine halbe Stunde später dann an seinem Wohnort erschienen sei und berichtete von den nachfolgenden Geschehnissen (Urk. D1/4/2 S. 2). In der Konfrontationseinvernahme bestätigte er seine Schilde- rungen (Urk. D1/7/1 S. 12 und 16). Die Beschuldigte erklärte, sie habe den Ge- schädigten angerufen und gefragt, ob sie zusammensitzen und die Sache wegen

      E.

      klären könnten. Der Geschädigte habe sie eingeladen und sie sei zusammen mit D. zu ihm nachhause gefahren. Sie sei sich nicht sicher, ob sie mit dem Handy oder von einer Telefonkabine angerufen habe. Auf die Frage, ob sie während diesem Telefonat Drohungen gegenüber dem Geschädigten geäus- sert habe, antwortete sie, daran könne sie sich nicht erinnern. Sie glaube aber nicht, sonst hätte er sie nicht eingeladen. Sie sei sich auch hier nicht sicher. Sollte es wirklich so etwas gewesen sein, tue es ihr wirklich leid. Weiter machte die Beschuldigte geltend, nichts von der Strafanzeige gewusst zu haben, sie wolle dies aber nicht beschwören (Urk. D1/5/1 S. 3 f.). Weiter führte die Beschuldigte aus, der Geschädigte habe sie eingeladen, aber dann die Tür nicht geöffnet. Sie und D. seien dann wieder weggefahren und sie habe den Geschädigten erneut angerufen. Dieser habe gesagt, er hätte sie nicht gehört, sie solle wieder kom- men. Sie seien zurückgefahren. Der Geschädigte habe nur die Tür geöffnet und

      den Kopf herausgestreckt und dann habe es ein Wortgefecht gegeben und der Geschädigte habe sie und D. attackiert (Urk. D1/5/2 S. 7).

    3. Die Schilderungen des Geschädigten sind konsistent, kohärent und wirken

– insbesondere zusammen mit seinen Ausführungen zum anschliessenden Geschehen – erlebt. Mit seinen Berichten zum weiteren Geschehen, wonach die Beschuldigte rund eine halbe Stunde später an seinem Wohnort aufgetaucht sei und sich dort laut und aggressiv verhalten habe, wobei sie insbesondere an seine Tür gepoltert und geschrien habe, er (der Geschädigte) habe den Sohn E. vergewaltigt und zuhause eingesperrt, und sie ihn (den Geschädigten) auch tät- lich angegangen habe (Urk. D1/4/2 S. 2), passen die Aussagen des Geschädigten sehr gut zusammen und ergeben ein stimmiges Ganzes. Die Strafanzeige bzw. der Strafantrag des Geschädigten gegen die Beschuldigte vom 31. März 2021 be- treffend die angeklagten Äusserungen der Beschuldigten vom 11. März 2021 bis

31. März 2021 (vgl. dazu vorne Ziff. III.6.) ist objektiv überprüfbar (Urk. D1/2/1; vgl. Urk. D1/1/1 S. 4). Ebenso ist aktenkundig, dass die Polizei aufgrund dessen mit der Beschuldigten am 1. April 2021 einen Befragungstermin vereinbart hatte (Urk. D1/1/1 S. 4), sodass sie davon Kenntnis erlangt haben musste. Auch ist in den Aussagen des Geschädigten eine gewisse Verzweiflung betreffend das Ver- halten der Beschuldigten erkennbar. So führte er aus, er stelle sich die Frage, ob es besser sei, wenn die Beschuldigte ihnen (gemeint ihm und dem Sohn) ihr Le- ben nehme mit ihrer Art oder wenn sie nicht mehr lebten. Es höre ja nicht mehr auf (Urk. D1/4/2 S. 4). Insgesamt sind die Aussagen des Geschädigten sehr glaubhaft.

Die Beschuldigte machte auch hinsichtlich dieses Vorwurfs fehlende Erinnerun- gen geltend, obwohl sie gerade einmal drei Tage nach dem Vorfall befragt wurde (Urk. D1/5/1). Zudem konnte sie sich sehr genau daran erinnern, weshalb sie den Geschädigten angerufen habe, und konnte auch das nachfolgende Geschehen, insbesondere die angeblichen Handlungen des Geschädigten, bemerkenswert detailliert schildern. Dass sie sich just nicht daran erinnern vermochte, ob sie den Geschädigten mit dem Tod bedroht hat, ist nicht glaubhaft. Daran ändert auch ihr Vorbringen nichts, wonach sie unter dem Einfluss von Alkohol und Xanax gestan-

den sei (Urk. D1/5/1 S. 3 f.; Urk. D1/5/2 S. 4). Zum einen sind sowohl die von der Polizei gemessenen 0.14 Promille Alkohol (Urk. 1/2 S. 5) als auch die von der Beschuldigten geltend gemachten 0.6 Promille Alkohol nicht so hoch, um einen Erinnerungsverlust zu erklären. Zum anderen erklärt selbst der von der Beschul- digten behauptete Mischkonsum von Alkohol und Xanax nicht, weshalb sie sich einzig an die ihr strafrechtlich vorgeworfenen Verhaltensweisen just nicht erinnert. Im Übrigen lehnte die Beschuldigte wie gesehen eine Medikation stets ab (vgl. dazu vorne unter Ziff. III.6.3.). Die Ausführungen der Beschuldigten sind überdies auch nicht plausibel. So geht aus ihren eigenen Aussagen hervor, dass der Ge- schädigte sie in der Folge nicht in sein Haus liess. Dass der Geschädigte sie am Telefon zu sich nachhause eingeladen haben soll, ist daher nicht nachvollzieh- bar. Wie die Verteidigung darauf kommt, dass die Beschuldigte den Wohnort des Geschädigten nicht gekannt haben soll (Urk. 74 S. 8), ist unerklärlich. Ebenfalls nicht überzeugend ist, dass die Beschuldigte nichts von der Strafanzeige des Ge- schädigten gewusst haben will. Im Übrigen ist sie sich auch nicht sicher, ob sie wirklich keine Kenntnis davon hatte. Die Aussagen der Beschuldigten überzeugen damit nicht.

Die Verteidigung machte vor Vorinstanz wie auch im Berufungsverfahren geltend, die von der Staatsanwaltschaft angeklagte Passage gebe die Äusserungen der Beschuldigten nur lückenhaft wieder. Gemäss Abschrift der Tonbandaufnahme habe die Beschuldigte ihre Äusserung, dass sie den Geschädigten, wenn er die Anzeige nicht zurückziehe, töte, dahingehend eingeschränkt, dass aber nicht sie den Geschädigten töte, sondern Jahula und Gambia und die ganze afrikani- sche Welt dies tun würden. Gemäss den Aussagen des Geschädigten sei Sante- ria eine kubanische Religion afrikanischen Ursprungs. Jorula sei ein Santeria-Gott und Gambia verstehe er nicht. Die Beschuldigte habe sich somit einer Metapher bedient und ihren Aussagen nicht den Sinn einer Todesdrohung gegeben. Ihre Absicht sei gewesen, dass der Geschädigte eine Strafe von diesen Göttern und Entitäten erfahre (Urk. 74 S. 7 f. und Urk. 164 S. 5). Diesem Einwand der Vertei- digung kann nicht gefolgt werden. Auch diese Äusserungen der Beschuldigten stehen, wie selbst die Verteidigung ausführte (Urk. 164 S. 3), im Kontext des an- haltenden Konflikts mit dem Geschädigten betreffend den gemeinsamen Sohn

E. (vgl. dazu vorne Ziff. III.6.4.). Zusätzlich erfolgten die Äusserungen vor dem Hintergrund der wenige Tage zuvor vom Geschädigten gegen die Beschul- digte erstatteten Strafanzeige, was von der Verteidigung nicht in Abrede gestellt wird (Urk. 164 S. 5). Die Strafanzeige bzw. der Strafantrag sorgte zweifellos für zusätzlichen Zündstoff. Insgesamt ist die Äusserung der Beschuldigten, wonach sie den Geschädigten töten werde, im Kontext klar als eine Androhung von ernst- lichen Nachteilen zu qualifizieren.

Insgesamt ist aufgrund der glaubhaften Aussagen des Geschädigten erstellt, dass die Beschuldigte ihm drohte, dass sie ihn umbringen werde, sollte er seine Straf- anzeige vom 31. März 2021 nicht zurückziehen.

  1. Vorwurf der falschen Anschuldigung vom 8./9. April 2021 (Dossier 1)

    1. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel zutreffend dargestellt, wiedergegeben und anschliessend sorgfältig und überzeugend gewürdigt, wes- halb hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden kann (Urk. 93 S. 19 ff.).

    2. Rekapitulierend und teilweise ergänzend ist festzuhalten, dass der Ge- schädigte – wie oben erwähnt – das dynamische Geschehen an seinem Wohnort nachvollziehbar und im Kerngeschehen widerspruchsfrei zu erzählen vermochte. Seine Schilderungen sind originell, in sich stimmig, lebensnah und insgesamt glaubhaft. Bezüglich der Aussagen der Beschuldigten gilt auch hier, dass sie sich an ihre eigenen strafrechtlich relevanten Handlungen kaum erinnern will, während sie sich bezüglich des angebliche Verhaltens des Geschädigten sicher sein will. Diesbezüglich kann auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden (vgl. vorne unter E. III.7.3.). Es fällt auf, dass die Beschuldigte ihr eigenes Handeln herunterspielt, während sie gleichzeitig den Geschädigten auffallend stark belas- tet. Ihre belastenden Aussagen sind über weite Teile oberflächlich, farblos, wenig konkret und detailliert sowie wenig nachvollziehbar. Sie schilderte vergleichsweise massive Gewalthandlungen des Geschädigten und erklärte im nächsten Satz, dass sie anschliessend zu den Nachbarn gegangen sei (Dann ging ich zu den Nachbarn.; Urk. D1/5/1 S. 4; Urk. D1/5/2 S. 7). Die Beschuldigte konnte weder

      von sich aus noch auf Nachfrage nähere Details des Tatgeschehens nennen. So konnte sie nicht erklären, wie der Geschädigte sie würgte und wie sie auf den Bo- den zu liegen kam. Auch konnte sie nicht sagen, wie genau, wie weit und auf wel- cher Körperseite sie über den Boden geschleift wurde oder wie es dazu kam, dass sie sich wieder erheben konnte (Urk. D1/5/2 S. 8 f.). Wäre die Beschuldigte tatsächlich wie von ihr behauptet derart unter Schock gestanden (Urk. D1/5/2 S. 8), vermöchte sie sich wohl auch kaum derart präzis an das Nachtatgeschehen, wie sie zu den Nachbarn ging, die sie nachhause fahren wollten, erinnern (Urk. D1/5/2 S. 7). Weiter versuchte die Beschuldigte den Geschädigten in ein schlechtes Licht zu rücken bzw. ihn zu diskreditieren. So führte sie aus, der Ge- schädigte wisse, wie man jemanden würge, ohne Verletzungen zu verursachen. Dies übe man, wenn man fünf Jahre im Knast in Deutschland gewesen sei. Er- gänzend fügte sie von sich aus an, weshalb er in Haft gewesen sei, wisse sie nicht. Zudem führte sie aus, dass der Geschädigte Fusstritte gegen den Bauch besonders gerne ausführe (Urk. D1/5/2 S. ). Im Übrigen werden ihre Schilderun-

      gen auch nicht von D.

      gestützt, obwohl dieser zumindest die ersten Gewalthandlungen (in ihren groben Zügen) hätte sehen müssen, wenn sie tatsäch- lich passiert wären, zumal er zu Beginn des Geschehens ca. 30 Meter von der Haustüre des Geschädigten entfernt stand, seinen Blick auf das Geschehen ge- richtet hatte und anschliessend die Polizei wegen eines Tumults zwischen einem Ehepaar alarmierte (Urk. D1/7/4 S. 10). Auch der Schal wies keinerlei Spuren auf, die sich mit den Aussagen der Beschuldigten in Einklang bringen liessen. Al- lein aus dem Umstand, dass der Schal keine relevanten Spuren aufwies, kann – wie die Verteidigung richtig ausführte (Urk. 164 S. 6) – zwar nicht geschlossen werden, dass die Gewalthandlungen nicht stattgefunden haben. Allerdings liesse die von der Beschuldigten geschilderte massive Gewalteinwirkung nicht unerheb- liche Verletzungen und Beschädigungen an den Kleidern erwarten. D. stell- te – abgesehen von blauen Flecken am Bein – nichts fest (Urk. D1/7/4 S. 11). Auch die ausgerückten Polizeibeamten machten keine besonderen Feststellun- gen, andererseits dies rapportiert bzw. fotografiert worden wäre (Urk. D1/1/1-2). Nachdem die Beschuldigte geltend machte, sie habe Prellungen und Schürfungen erlitten (Urk. D1/1/2), wurden ihr linkes Knie und beide Hände fotografiert. Die lediglich äusserst leichte Rötung am Knie und sehr leichten Kratzer an den Händen, die allesamt auch älteren Ursprungs sein könnten (Urk. D1/3/1), lassen sich nicht ansatzweise mit den von den von der Beschuldigten massiven Gewalthandlungen in Einklang bringen. Insgesamt erweisen sich die Belastungen der Beschuldigten daher als gänzlich unwahr.

      Angesichts ihrer massiven Anschuldigungen wusste und wollte die Beschuldigte, dass sie den Geschädigten bei den Strafbehörden wahrheitswidrig eines strafba- ren Verhaltens im Sinne von mindestens eines Vergehens bezichtigte. Es beste- hen keine Hinweise auf einen Irrtum oder Fantasievorstellungen der Beschuldig- ten. Ihre Aussagen sind betreffend ihr eigenes Verhalten ausweichend. Ihr Han- deln spielt sie herunter. Gleichzeitig weisen ihre Aussagen betreffend das angeb- liche Handeln des Geschädigten eine deutliche Aggravierungstendenz auf. Zu- dem ist in ihren Aussagen ein klarer Realitätsbezug erkennbar. So vermochte sie das unmittelbar anschliessende Geschehen, wonach sie sich zu den Nachbarn begab, ohne Weiteres zu schildern. Insgesamt ergibt sich aus dem Aussagever- halten der Beschuldigten, dass sie den Geschädigten bewusst und willentlich wahrheitswidrig beschuldigte. Schuldunfähigkeit bedeutet überdies – entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 164 7 f.) – nicht, dass die Beschuldigte keinen tatbestandsmässigen Vorsatz bilden könnte; vielmehr kann auch die völlig Schuldunfähige vorsätzlich handeln (BGE 115 IV 223; BGer 6B_980/2018 vom 18. Dezember 2018 E. 3.4.).

  2. Vorwurf der Drohung vom 28. September 2019 (Dossier 3/1)

    1. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel zutreffend dargestellt, wiedergegeben und anschliessend sorgfältig und überzeugend gewürdigt, wes- halb auch hier zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen grundsätzlich auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden kann (Urk. 93 S. 26 ff.).

    2. Rekapitulierend und teilweise ergänzend ist lediglich festzuhalten, dass die Beschuldigte auch bezüglich dieses Vorwurfs die Handlungsabläufe, insbesonde- re das angebliche Handeln des Geschädigten, aber auch ihre eigenes harmloses

      Verhalten, detailreich schilderte. Just an die von ihr ausgestossenen Drohungen will sie sich demgegenüber nicht erinnern (Urk. D3/1/4 S. 2 f.). Dies erscheint als blosse Schutzbehauptung. Auf ihre Aussagen ist folglich nicht abzustellen. Die Schilderungen des Geschädigten sind hingegen konsistent, nachvollziehbar und wirken erlebt sowie stimmig. Insbesondere räumte er auch eigenes Fehlverhalten ein, indem er angab, dass er die Beschuldigte mithilfe eines Feuerhakens vertrieb und damit die Frontscheibe des Autos von D. einschlug (Urk. D3/1/6 S. 1 f.). Der Geschädigte schilderte konstant, dass die Beschuldigte schrie, dass sie die scheiss Familie umbringe (Urk. D3/1/6 S. 1; Urk. D1/7/1 S. 34 ff.). An die weiteren Drohungen der Beschuldigten, konnte sich der Geschädigte anlässlich der parteiöffentlichen Einvernahme nicht mehr mit Sicherheit erinnern (Urk. D1/7/1 S. 40). Dementsprechend ist einschränkend erstellt, dass die Beschuldigte den Geschädigten mit dem Ausdruck bedrohte, er werde die scheiss Familie umbringen. Entgegen dem diesbezüglichen Einwand der Verteidigung (Urk. 164

      S. 9 f.) ergibt sich aus dem Anklagesachverhalt hinreichend klar, dass die Todes- drohung gegen den Geschädigten gerichtet war. Dies ist aufgrund des Kontexts auch erstellt. Selbst die Beschuldigte bezieht diese – von ihr bestrittene – Aussa- ge auf ihren Sohn und den Geschädigten (Wen haben Sie mit der Aussage ich bringe alle um gemeint? Ich glaube nicht, dass ich dies gesagt habe. Ich würde dies nie machen. Es ist ja mein Sohn und mein Mann.). Zudem ergibt sich selbst aus den eigenen Angaben der Beschuldigten, dass sie gezielt zum Wohnort des Geschädigten fuhr, um diesen aufzufordern, mit dem Scheiss aufzuhören, und um von dort eine Katze, eine Rolex und weitere Sachen mitzunehmen, sowie dass der Geschädigte anschliessend die Frontscheibe des Autos von D. einschlug (Urk. D3/1/4 S. 2 ff.). Dass die Drohung gegen jemand anderes gerich- tet war, macht selbst die Beschuldigte nicht geltend und fällt mangels entspre- chender Anhaltspunkte im vorliegenden Kontext auch nicht ernsthaft in Betracht. Schliesslich hat der Geschädigte auch anschaulich und glaubhaft dargetan, dass die Todesdrohung ihn in Angst versetzte und er es ernsthaft für möglich hielt, dass die Beschuldigte diese in die Tat umsetzen könnte. So schilderte er an- schaulich, wie er und der Sohn in der Folge für eine gewisse Zeit das Haus verliessen und sie zuhause sämtliche Rollläden schlossen (Urk. D3/1/6 S. 2 f.). So- weit ist der Sachverhalt erstellt.

  3. Vorwurf der Drohung zwischen 1. und 5. September 2019 (Dossier 3/3)

    1. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel zutreffend dargestellt, wiedergegeben und anschliessend sorgfältig und überzeugend gewürdigt, wes- halb zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen einschränkungslos auf die zu- treffenden vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden kann (Urk. 93 S. 34 ff.).

    2. Rekapitulierend und teilweise ergänzend ist lediglich festzuhalten, dass die Beschuldigte auch bezüglich der hier vorgeworfenen Drohungen geltend macht, sie könne sie nicht mehr erinnern, dies, da sie auf ihr im H. verabreichte Medikamente möglicherweise paradox reagiert habe. Es fällt jedoch auf, dass sie sich nicht nur grundsätzlich daran erinnert, die entsprechenden Anrufe getätigt zu haben, sondern auch – in Bestätigung der Aussagen des Geschädigten (Urk. D3/3/2 S. 2) – von sich aus anzugeben vermochte, mit welchen Telefonnummern (Nummer des H. _s, Natelnummer von D. und eigene Nummer) sie an- gerufen hatte (Urk. D3/1/4 S. 5). Dass sie sich just an die ausgesprochenen Dro- hungen nicht erinnern will, überzeugt nicht. Die Aussagen des Geschädigten sind hingegen durchwegs glaubhaft und überzeugend. Zudem hat er anlässlich der Konfrontationseinvernahme bestätigt, Drohanrufe erhalten zu haben. Schliesslich hat der Geschädigte auch anschaulich und glaubhaft dargetan, dass die Todes- drohungen ihn in Angst versetzten und er es aufgrund der floriden manischen Phase der Beschuldigten ernsthaft für möglich hielt, dass die Beschuldigte diese in die Tat umsetzen könnte (Urk. D3/3/2 S. 2 f.). Des Weiteren kann auf das vorne Ausgeführte verwiesen werden (vgl. vorne Ziff. III.6.4.). Die Äusserungen der Beschuldigten stehen, wie selbst die Verteidigung ausführte (Urk. 164 S. 3), im Kon- text des anhaltenden Konflikts mit dem Geschädigten betreffend den gemeinsa- men Sohn E. . In diesem Zusammenhang sind sie klar als Todesdrohungen und nicht – wie die Verteidigung dafür hält (Urk. 164 S. 8 f.) – als Prophezeiungen bzw. Voraussagungen zu qualifizieren. Der Sachverhalt ist somit erstellt.

  4. Vorwurf der Drohung zwischen 26. April und 5. Mai 2020 (Dossier 3/7)

    1. Vorab ist festzuhalten, dass die Vorinstanz die vom Geschädigten erstellte Tonbandaufnahme eines Telefongesprächs (Anrufdatum unbekannt) mit der Beschuldigten, ebenso wie die sich darauf stützenden Abschrift und Aussagen der Beteiligten, als nicht zu ihren Lasten verwertbar einstufte (Urk. 93 S. 37f.; vgl. Urk. D3/7/8). Damit kann konsequenterweise der sich einzig darauf stützende Sachverhaltsteil – mithin die in der Anklageschrift zitierte Passage in Dossier 3/7 Abs. 2 (Urk. 38 S. 4, Urk. D1/7/1 S. 44) – nicht erstellt werden. Darauf ist in Nach- achtung des Verschlechterungsverbots nicht zurückzukommen (Art. 391 Abs. 2 StPO). Zu prüfen ist im Folgenden, ob sich der weitere, nicht aufgezeichnete Sachverhaltsteil erstellen lässt.

    2. Im Übrigen hat die Vorinstanz die massgeblichen Beweismittel zutreffend dargestellt, wiedergegeben und anschliessend zutreffend gewürdigt, weshalb zur Vermeidung entbehrlicher Wiederholungen einschränkungslos auf die zutreffen- den vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden kann (Urk. 93 S. 37 ff.). Konkretisierend ist lediglich zu bemerken, dass der Geschädigte anlässlich der Konfrontationseinvernahme auf Aufforderung hin, zu schildern, was ab Ende April 2020 vorgefallen sei, die Drohungen und deren Kerngehalt von sich aus erneut bestätigte (Urk. D1/7/1 S. 42). Ergänzend ist festzuhalten, dass der Geschädigte auch anschaulich und glaubhaft dargetan hat, dass die Todesdrohungen ihn in Angst versetzten und er es ernsthaft für möglich hielt, dass die Beschuldigte diese in die Tat umsetzen könnte. So führte er glaubhaft aus, dass die Beschuldigte aufgrund ihrer psychischen Probleme wie in einem Wahn sei und sehr auf ihn (den Geschädigten) fixiert sei. Dies entspricht denn auch der gutachterlichen Ein- schätzung (vgl. unten Ziff. V). Zudem gab er zu Protokoll, dass er nicht glaube, dass sie ihm drohe. Er glaube, sie kündige an, was sie machen wolle. Er nehme ihre Drohungen ernst. Die Schwierigkeit sei das Umsetzen. Aber wenn sie an ein Messer oder dergleichen komme, sei es soweit (Urk. D3/7/6 S. 2 ff.). Daran än- dert nichts, dass der Geschädigte den aufgezeichneten Sachverhaltsteil nach aussen hin mit Humor nahm, ist doch nicht unüblich, dass bei Drohungen gerade innerhalb der Familie der Bedrohte versucht, äusserlich keine Angst gegenüber

dem Drohenden zu zeigen. Dies umso mehr, wenn Letzterer psychisch krank und die von ihm ausgehende Gefahr regelmässig schwer einzuschätzen und unbere- chenbar ist. Des Weiteren kann auf das vorne Ausgeführte verwiesen werden (vgl. vorne Ziff. III.6.4.). Es ist insbesondere nochmals zu betonen, dass der Ge- schädigte bereits in der Untersuchung ausgesagt hat, er habe versucht, sich an den Ratschlag seines Psychiaters zu halten und keine Angst zu zeigen. Damit ist der Sachverhaltsteil erstellt, wonach die Beschuldigte drohte, den Geschädigten

und den Sohn E.

zu töten, sie werde die scheiss Familie umbringen, sie

seien ein scheiss Judenpack und müssten vergast werden.

  1. Rechtliche Würdigung

    1. Mit der Anklagebehörde und der Vorinstanz sind die erstellten Sachverhalte als mehrfache Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. a StGB, versuchte Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB sowie falsche Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB zu qualifizieren. Entge- gen der Ansicht der Vorinstanz hat die Beschuldigte allerdings nicht wiederholt Tätlichkeiten (zum Nachteil des Ehegatten) begangen, weshalb Art. 126 Abs. 1 und nicht Abs. 2 lit. b StGB anzuwenden ist.

    2. Gemäss psychiatrischem Gutachten von Dr. med. B. vom 28. Januar 2022 war die Steuerungsfähigkeit der Beschuldigten bei Begehung der Straftaten krankheitsbedingt vollständig aufgehoben (Urk. D1/12/4 S. 76 und 81). Die Beschuldigte hat die Tatbestände folglich in nicht selbstverschuldeter Schuldunfä- higkeit i.S.v. Art. 19 Abs. 1 StGB erfüllt. Im Übrigen geht auch die Verteidigung von einer Schuldunfähigkeit aus (Urk. 164 S. 11). Somit ist auch keine Strafe auszufällen (Urk. 93 S. 40 ff.).

  2. Massnahme

  1. Standpunkte der Parteien

    Die Vorinstanz ordnete in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwalt- schaft eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) an (Urk. 38; Urk. 93). Die Staatsanwaltschaft beantragt

    die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 108). Die Verteidigung bean- tragt im Berufungsverfahren – wie schon vor Vorinstanz – die Anordnung einer ambulanten Massnahme (Urk. 164 S. 2 und 11). Der Gutachter sei bei der Ausar- beitung seines psychiatrischen Gutachtens davon ausgegangen, dass der Tat- vorwurf der versuchten Anstiftung zur Tötung des Geschädigten zutreffe. Nach der Gutachtenserstattung sei dieser weitaus schwerwiegendste Tatvorwurf und hinsichtlich des Schweregrads absolut isolierte Sachverhaltsvorwurf eingestellt worden. Es seien nur einige vergleichsweise unbedeutende Tatvorwürfe, die als Stalkingverhalten zusammengefasst werden könnten, verblieben. Zusätzlich sei der Gutachter fälschlicherweise von einer Brandlegung (Brandstiftung) ausgegan- gen. Damit sei der Gutachter von einem unzutreffenden, für das Urteil nicht mehr aktuellen Sachverhalt bzw. unzutreffenden Grundlagen ausgegangen. Dement- sprechend seien auch die Ergebnisse der Risikoanalysen nicht korrekt. Ebenso fehle im Gutachten eine FOTRES-Risikobeurteilung. Folglich habe sich die Vo- rinstanz bei ihrem Entscheid zur Anordnung einer Massnahme auf ein unrichtiges, unvollständiges und somit ungenügendes Gutachten gestützt. Konkret vermöge das mangelhafte Gutachten die nötige Massnahmebedürftigkeit nicht zu belegen. Insbesondere könne nicht rechtsgenügend begründet werden, dass auch tätliche Übergriffe bis hin zu schweren Gewaltdelikten zu erwarten seien. Unter dem Titel Massnahmefähigkeit und -willigkeit führte die Verteidigung aus, die Beschuldigte sei gegenwärtig von einer Bereitschaft zu einer stationären Massnahme weit ent- fernt. Sie weise diese Möglichkeit von sich. Es stelle sich die Frage der Erfolg- saussichten einer nicht akzeptierten stationären Massnahme gegenüber einer ak- zeptierten ambulanten Massnahme. Die Vorinstanz weise hauptsächlich auf die Möglichkeit der Erarbeitung einer fehlenden Motivation hin, was deutlich zu kurz greife. Zudem sei eine stationäre Massnahme weder erforderlich, zumal die erfor- derliche stationäre Behandlung auch mit Mitteln des Kindes- und Erwachsenen- schutzrechts umgesetzt werden könne, noch geeignet, weil die krankheitsbegüns- tigenden Stressoren nur mit der Installation eines Besuchsrechts zum Sohn redu- ziert werden könnten bzw. der Gesundheitszustand der Beschuldigten nur so ver- bessert werden könne. Schliesslich sei eine stationäre Massnahme auch nicht verhältnismässig im engeren Sinne. Selbst wenn auf das ungenügende Gutachten abgestellt werde, könne nicht einer Person wegen Stalking, das im Grenzbe- reich einer Strafbarkeit liege, nachdem diese bereits zweieinhalb Jahre strafpro- zessuale Haft verbüsst habe, die Freiheit für weitere fünf Jahre mit der Möglich- keit auf Verlängerung entzogen werden, weil bei einer Freilassung mit distanzlo- sem Verhalten und unerwünschten Kontaktversuchen bzw. Drohungen zu rech- nen sei und sie später möglicherweise Gewaltstraftaten begehen könnte (Urk. 164 S. 11 ff.).

  2. Rechtliches

    War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. Es können indes- sen Massnahmen nach den Artikeln 59–61, 63, 64, 67, 67b und 67e StGB getrof- fen werden (Art. 19 Abs. 1 und 3 StGB).

    Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die Voraus- setzungen der Art. 59-61, 63 oder 64 StGB erfüllt sind (Art. 56 Abs. 1 StGB). Dar- über hinaus darf der mit der Massnahme verbundene Eingriff in die Persönlich- keitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weite- rer Straftaten nicht unverhältnismässig sein (Art. 56 Abs. 2 StGB). Sind mehrere Massnahmen in gleicher Weise geeignet, ist aber nur eine Massnahme notwen- dig, ordnet das Gericht diejenige Massnahme an, die den Täter am wenigsten beschwert (Art. 56a Abs. 1 StGB). Das Gericht hat sich beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung zu stützen (Art. 56 Abs. 3 StGB). Gutachten unterliegen der freien richterlichen Beweiswür- digung (Art. 10 Abs. 2 StPO). Das Gericht darf in Fachfragen jedoch nur aus trifti- gen Gründen von einer Expertise abweichen und muss Abweichungen begründen (BGE 146 IV 114 E. 2.1; 142 IV 49 E. 2.1.3; 141 IV 369 E. 6.1). Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen bleibt Aufgabe des Gerichts (Urteil 6B_257/2020 vom 24. Juni 2021 E. 4.2.3).

    Nach Art. 59 Abs. 1 StGB ist für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme erforderlich, dass der Täter psychisch schwer gestört ist, sein Ver- brechen oder Vergehen im Zusammenhang mit seiner psychischen Störung steht und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner Störung im Zusammenhang stehender Taten begegnen (BGE 146 IV 1 E. 3.5.5; Urteile des Bundesgerichts 6B_1143/2021 vom 11. März 2022, E. 3.2.4; 6B_551/2014 vom 15. Juli 2014 E. 3.4).

    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht und wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen (Art. 63 Abs. 1 StGB). Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist, wobei die stationäre Behand- lung insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern darf (Art. 63 Abs. 2 StGB).

    Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, beim Betroffenen die Legalprognose zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsi- diarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismäs- sigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander ab- gewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fal- len im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und die Wahr- scheinlichkeit künftiger Straftaten relevant (BGE 146 IV 1 E. 3.5.3; 142 IV 105 E.

    5.4; 141 IV 286 E. 3.7; je mit Hinweisen; Urteile des Bundesgerichts 6B_641/2021

    vom 30. März 2022 E. 2.3.2; 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.2.2 [nicht

    publ. in BGE 144 IV 176]).

    Eine stationäre Behandlung verlangt vom Betroffenen ein Mindestmass an Ko- operationsbereitschaft. An die Therapiewilligkeit im Zeitpunkt des richterlichen Entscheids dürfen bei der stationären Behandlung von psychischen Störungen nach Art. 59 StGB jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Da- mit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es durchaus aufgrund der psy- chischen Erkrankung des Betroffenen an der Fähigkeit fehlen kann, die Notwen- digkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen. Ein erstes Therapieziel besteht daher oft darin, Einsicht und Therapiewilligkeit zu schaffen, was gerade im Rahmen stationärer Behandlungen auch Aussichten auf Erfolg hat. Entschei- dend ist, ob beim Betroffenen eine minimale Motivierbarkeit für eine therapeuti- sche Behandlung erkennbar ist (Urteile 6B_122/2021 vom 17. Januar 2022 E. 1.5.2; 6B_835/2017, E. 5.2.2 [nicht publ. in BGE 144 IV 176], 6B_1287/2017 vom

    18. Januar 2018 E.1.3.3.; 6B_463/2016 vom12. September 2016, E. 1.3.3.;

    6B_543/2015 vom 10. Dezember 2016, E. 4.2.3.).

  3. Würdigung

    1. Die Staatsanwaltschaft beauftragte am 20. Juli 2021 Prof. Dr. med. B. ,

      … [Funktion] Klinik für Forensische Psychiatrie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, mit der Erstellung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens über die Beschuldigte. Dieses wurde am 28. Januar 2022 erstattet (Urk. D1/12/14). Es beantwortet sämtliche Fragen gemäss Gutachtensauftrag, weist keine erkennba- ren Mängel auf und ist schlüssig sowie nachvollziehbar. Soweit die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung monierte, der Gutachter habe das Progno- seinstrument FOTRES nicht zur Risikobeurteilung verwendet, hat der Gutachter nachvollziehbar und überzeugend dargetan, dass er andere etablierte standardi- sierte Prognoseinstrumente (wie den VRAG) verwendete, dass es aus seiner Sicht nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, andere bzw. weitere Progno- seinstrumente einzusetzen, und dass angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der psychischen Störung und der heute zu beurteilenden Delikte die in- dividualprognostische Beurteilung wesentlich bedeutsamer als statistische Prognoseinstrumente ist. Die Einschätzung, gemäss welcher ein enger Zusammen- hang zwischen psychischer Störung und Delinquenz bestehe, ergibt sich laut Gutachter aus dem aktenkundigen Umstand, dass die Beschuldigte bis im Jahr 2018 bzw. bis zum Ausbruch ihrer Erkrankung keine juristischen Schwierigkeiten hatte und psychiatrisch auch nie auffällig war. Der Gutachter führte überzeugend aus, dass die Summation von Schwierigkeiten innerhalb kurzer Zeit nach Auftre- ten der Erkrankung verdeutliche, dass die Kriminalprognose ganz entscheidend vom Verlauf der Krankheit abhänge (Urk. 163 S. 8 und 11 f.).

    2. Nach Erstattung des forensisch-psychiatrischen Gutachtens hat die Staats- anwaltschaft mit Verfügung vom 31. März 2022 das Verfahren betreffend den schwersten Tatvorwurf der versuchten Anstiftung zu vorsätzlicher Tötung rechts- kräftig eingestellt (Urk. 30). Da dieser Tatvorwurf in die Begutachtung einfloss (vgl. Urk. D1/12/14 S. 71, 76 f.) bzw. der Gutachter im Gutachten davon ausging, dass dieser Tatvorwurf (ebenso wie die anderen Tatvorwürfe) zutrifft (Urk. 163

      S. 6), drängte sich eine mündliche Ergänzung des Gutachtens anlässlich der Berufungsverhandlung auf (Art. 187 Abs. 2 StPO). Da das Gutachten vor rund ein dreiviertel Jahren verfasst wurde, sind zusätzlich die zwischenzeitlichen Entwick- lungen zu berücksichtigen. Der Gutachter Prof. Dr. med. B. wurde entspre- chend an der Berufungsverhandlung ergänzend zur Aktualität seiner gutachterlichen Feststellungen und Empfehlungen im Gutachten vom 28. Januar 2022 und zu den weiteren vorgebrachten Kritikpunkten der Verteidigung am Gutachten befragt (Urk. 163). Wie gesehen hat die Beschuldigte eine neuerliche Untersuchung durch den Gutachter verweigert. Dem Gutachter lagen bei der Befragung die relevanten Akten seit der Gutachtenserstattung vor (vgl. dazu vor- ne unter Ziff. II.3.). Der Gutachter hat im Rahmen seiner Befragung an der Beru- fungsverhandlung nachvollziehbar dargelegt, in welchen Grenzen gutachterliche Einschätzungen ohne neuerliche persönliche Exploration möglich sind. Deren Aussagekraft hat er sodann, wie im Einzelnen noch zu zeigen sein wird, je nach Fragestellung bzw. Thematik differenziert dargestellt (Urk. 163). Die ergänzenden Ausführungen des Gutachters anlässlich der Berufungsverhandlung (zusammen mit dem Gutachten, soweit noch aktuell) beantworten sämtliche Fragen gemäss Gutachtensauftrag, weisen keine erkennbaren Mängel auf und sind schlüssig sowie nachvollziehbar. Insbesondere bezog sich der Gutachter auch auf die seit der Gutachtenserstattung aktenkundigen Vorkommnisse (Verfahrenseinstellung, Vor- fälle in der Sicherheitshaft etc.). Ferner hat der Gutachter auch klargestellt, dass ihm – entgegen der Ansicht der Verteidigung – bei der Gutachtenserstattung bekannt war, dass der Beschuldigten strafrechtlich keine Brandlegung (Brand- stiftung) vorgeworfen wird (Urk. 163 S. 7). Es kann deshalb für den Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf das forensisch-psychiatrische Gutach- ten vom 28. Januar 2022 (Urk. D1/12/14) und die ergänzenden bzw. aktualisie- renden Ausführungen des Gutachters an der Berufungsverhandlung (Urk. 163) abgestellt werden.

    3. Bei der Beschuldigten wurden eine manische Episode mit psychotischen Merkmalen (ICD-10 F 30.2) sowie ein Alkoholmissbrauch (ICD-10 F10.1) diagnos- tiziert (Urk. D1/12/14 S. 71 ff., 81 und Urk. 163 S. 3). Sie litt nicht nur zur Zeit der angelasteten Taten unter diesen Störungen, sondern leidet gemäss Einschätzung des Gutachters auch weiterhin unverändert daran (a.a.O.). An der Berufungsver- handlung führte der Gutachter ergänzend aus, die Beschuldigte sei bei den ersten Untersuchungsgesprächen im September 2021 in einer sehr stark gereizten und manischen Verfassung gewesen (vgl. auch schon Urk. D1/12/14 S. 72). Bei der abschliessenden Untersuchung im Januar 2022 habe er eine gewisse Befundbe- ruhigung feststellen können. Die Beschuldigte sei zwar weiterhin nicht krank- heitseinsichtig gewesen, aber sie habe sich besser auf ein Gespräch einlassen können. Insbesondere habe sie zumindest durchblicken lassen, dass sie sich eventuell mit dem Gedanken anfreunden könne, dass vielleicht durch den Stress und die Belastung aufgrund der Trennung vom Geschädigten eine psychische Er- krankung in Gang gekommen sein könnte. Die Beschuldigte habe gemäss den Akten anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im August 2022 keine Krankheitseinsicht und vor allem keine Behandlungsbereitschaft und somit eine stark ablehnende Haltung gezeigt. Auch dass die Beschuldigte zuletzt keine Be- reitschaft zu einer Exploration gezeigt habe, spreche eher dafür, dass sie im Mo- ment nicht dazu bereit sei, eine Behandlung durchzuführen. Die fragile Krank- heitseinsicht bzw. die zumindest eventuelle Behandlungswilligkeit habe sich somit innerhalb weniger Monate zerschlagen. Die aktenkundigen Disziplinarverfügungen und die drei stationären Behandlungen bzw. Verlegungen der Beschuldigten ab Februar 2023 würden sodann wieder deutliche Verhaltensauffälligkeiten unter Beweis stellen. Aus diesen Akten schliesse er, dass nach einem gewissen Still- stand im Jahr 2022 seit Februar 2023 wieder eine Summation von Schwierigkei- ten aufgetreten sei, die darauf hindeuten würden, dass die Erkrankung bzw. die Symptomatik sich wieder zugespitzt habe und die Beschuldigte wieder mehr Schwierigkeiten habe, sich auf die Umgebung einzustellen und konfliktfrei zu agieren. Die Beschuldigte habe eine neuerliche Begutachtung abgelehnt. Gestützt auf die Akten gehe er jedoch insgesamt davon aus, dass die Symptomatik aktuell eher der Symptomatik im September 2021 ähnele mit doch sehr deutlichen Krankheitssymptomen (vgl. zum Ganzen Urk. 163 S. 4-6, 9). Der Gutachter bestä- tigte zudem, dass die im vorliegenden Verfahren vorgeworfenen Taten in einem engen kausalen Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung der Beschuldig- ten standen und diese deren Handeln determinierte (Urk. D1/12/14 S. 72 ff., 75; Urk. 163).

    4. In Bezug auf die Rückfallgefahr führte der Gutachter an der Berufungsver- handlung aus, dass die Beschuldigte zwar statistisch kein überdurchschnittliches Rückfallrisiko habe. Allerdings sei bei ihr der Krankheitsfaktor wesentlich bedeut- samer. Der Einfluss der Erkrankung auf die Kriminalprognose sei sehr eng und unmittelbar evident. Es bestehe individuell ein hohes kurzfristiges Rückfallrisiko für weitere Stalking-Verhaltensweisen bzw. bezüglich des bisher gezeigten Ver- haltens, wie es sich in den vorliegend zu beurteilenden Vorfällen niedergeschla- gen habe. Für diese Risikoeinschätzung seien für ihn bereits im Gutachten die Stalking-Verhaltensweisen, insbesondere der Vorfall vom 21. April 2021, haupt- sächlich relevant gewesen. Der Vorfall vom 21. April 2021 zeige eine Eskalati- onsdynamik zwischen den ehemaligen Partnern, die sehr stark durch die gereizt aggressive Verfassung der Beschuldigten aufgrund der Manie geprägt gewesen sei. Den damaligen Tatvorwurf der versuchten Anstiftung zu vorsätzlicher Tötung habe er bereits damals nicht als das entscheidende Problem angesehen. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende Gewaltdelikte sehe er nicht (Urk. 163 S. 3 f., 6 f. 11-13). Konkret erwarte er, dass wenn die Beschuldigte medika- mentös unbehandelt entlassen werde, es relativ rasch dazu komme, dass sie

      wieder Kontakt zum Geschädigten suche und versuche, den Sohn ausfindig zu machen und mit ihm in Kontakt zu treten, also dass Kontakt- und Rayonverbote wirkungslos seien, weil sie diese einfach nicht akzeptieren werde in einer ma- niform unkritischen Verfassung, und dass das dann die Vorpfosten seien. Weiter erwarte er mittel- bis langfristig, dass es zur Zuspitzung bzw. zu Tätlichkeiten komme, wenn sich dieses Verhalten perpetuiere bzw. die Beschuldigte den Ein- druck habe, dass ihr Sohn durch den Kontakt mit dem Geschädigten gefährdet sei und die Nerven auf allen Seiten blank lägen. Wie weit dieser Eindruck im Moment eine Rolle spiele in der Symptomatik, könne er nicht beurteilen, weil er mit der Beschuldigten nicht habe sprechen können (a.a.O. S. 6, 12; vgl. auch Urk. D1/12/14 S. 77). Zusammengefasst besteht aufgrund der psychischen Er- krankung der Beschuldigten eine hohe Rückfallgefahr. Namentlich ist (kurzfristig) von einem hohen Risiko erneuter unerwünschter Kontaktaufnahmen und Drohun- gen sowie (mittel- bis langfristig) erneuter tätlicher Angriffe gegen den Geschädig- ten auszugehen. Gemäss Gutachter werde sich die Beschuldigte zudem ohne Rücksicht auf die Befindlichkeit des Geschädigten gegen ihn durchzusetzen ver- suchen (Urk. 163 S. 13).

    5. Der Gutachter sieht eine dringende psychiatrische Behandlungsnotwendig- keit. Die Massnahmefähigkeit der Beschuldigten zeigt sich sodann gemäss dem Gutachter darin, dass die Beschuldigte in der Vergangenheit, wenn sie per Für- sorgerischer Unterbringung in Kliniken gewesen sei und Medikamente einge- nommen habe, rasch eine Besserung gezeigt habe. Auch unterschiedliche Medi- kamente hätten zu einer deutlichen Befundbesserung bzw. -beruhigung geführt. Laut Gutachter sei die Verschlechterung der Befundlage mit dem Wiederauftreten von Stalkingverhalten damit gekoppelt gewesen, dass die Beschuldigte die Medi- kation nicht mehr eingenommen habe (Urk. 163 S. 4, 10, 15; vgl. auch Urk. D1/12/14 S. 77). Zudem wies der Gutachter ausdrücklich darauf hin, dass wenn sich die Beschuldigte in der Vergangenheit auf eine Behandlung bzw. Medikation eingelassen hätte, sie schon längst ambulant betreut würde (Urk. 163 S. 10 f.). Diese Ausführungen des Gutachters stehen im Einklang mit den Akten und erwei- sen sich als nachvollziehbar und schlüssig. Somit stehen für die Erkrankung der Beschuldigten grundsätzlich ausgesprochen gute Behandlungsmöglichkeiten zur

      Verfügung, welche bei erfolgreichem Verlauf das Risiko für neuerliche Delikte deutlich senken würden. Der Gutachter bejaht demnach die Therapierbarkeit. Entsprechend geht die Verteidigung fehl, soweit sie dafür hält, dass die krank- heitsbegünstigenden Stressoren nur mit der Installation eines Besuchsrechts zum Sohn reduziert werden könnten bzw. der Gesundheitszustand der Beschuldigten nur so verbessert werden könne (vgl. dazu auch nachfolgend Ziff. V.3.8.).

    6. Im Gutachten zog der Gutachter aufgrund einer zeitweiligen Befundverbes- serung im Januar 2022 und einer fragilen Behandlungsbereitschaft, jedoch ohne Bereitschaft zur Einnahme von Medikamenten, der Beschuldigten noch eine am- bulante Behandlung mit vorangehender stationärer Einleitung als Alternative zu einer stationären Behandlung in Betracht (Urk. D1/12/14 S. 83 f.). An der Beru- fungsverhandlung führte der Gutachter erläuternd aus, er habe im Zeitpunkt der Gutachtens-erstattung eine ambulante Massnahme als durchführbar angesehen, sofern eine stationäre Einleitung stattgefunden hätte und eine grundlegende me- dikamentöse Basis hätte hergestellt werden können. Seine Hoffnung sei gewe- sen, dass die Beschuldigte bereit sei, in eine Behandlung einzutreten. Dann hätte der Zeitraum bis zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung genutzt werden können, um zu schauen, ob die Behandlung erste Effekte hat bzw. eine grundlegende me- dikamentöse Basis herstellt, und ob eine gewisse Stabilität herbeigeführt werden kann, ansonsten nur eine stationäre Massnahme in Betracht komme bzw. über- haupt umsetzbar sei (Urk. 163 S. 4 f.). Die Beschuldigte habe schon während der

      ambulanten Behandlung beim Psychiater Dr. med. F.

      die Medikation verweigert und sei unregelmässig erschienen. Vor allem habe sie sich auch während der ambulanten Behandlung nicht von weiteren Stalking-Verhaltensweisen ab- bringen lassen bzw. habe diese ihre Lebensumstände nicht genügend stabilisie- ren und strukturieren können, um deliktfrei zu leben. Der Verlauf, wie er sich seit den ersten Monaten im Jahr 2023 bis heute präsentiere, spreche eher dafür, dass sich dies nochmals akzentuiert habe, also dass es ganz schwierig sei, mit der Beschuldigten eine ambulante Massnahme durchzuführen (a.a.O. S. 10). Er sei der Ansicht, dass der Verlauf seit der Begutachtung gestützt auf die ihm vorliegenden Akten eine weiterhin fehlende Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft belege. Er schliesse aus den kurz nach den Rückversetzungen (in die Sicherheitshaft aus der Verlegung in eine psychiatrische Einrichtung im Rahmen einer Krisenintervention) wieder aufgetretenen disziplinarischen Schwierigkeiten, dass keine effektive Behandlung möglich gewesen sei bzw. dass während der stationä- ren Behandlung keine Medikamente gegeben wurden oder diese rasch wieder abgesetzt wurden. Er gehe davon aus, dass die Symptomatik aktuell jener im September 2021 ähnele (a.a.O. S. 5 f.; vgl. auch oben Ziff. V.3.5.). Eine stationäre Einleitung einer ambulanten Massnahme würde gegenüber den bisher durchge- führten Kriseninterventionen in der Sicherheitshaft zwar etwas mehr Zeit verschaf- fen, aber ob dies ausreichend lange wäre, um eine ambulante Massnahme er- folgsversprechend zu machen, sei dahin gestellt. Dies sei schwierig für ihn zu be- urteilen, weil er mit der Beschuldigten aktuell über diese Frage nicht habe spre- chen können. Aber das, was er den Akten entnehme, spreche eher dafür, dass seine im Gutachten vorsichtig positive Haltung gegenüber der Umsetzbarkeit ei- ner ambulanten Massnahme eher nochmals skeptischer gesehen werden müsse (Urk. 163 S. 10 f.). Diese Ausführungen des Gutachters stehen im Einklang mit den Akten und erweisen sich als nachvollziehbar und schlüssig. Insbesondere zeigt er überzeugend auf, weshalb eine zuverlässige Medikation für den Gesund- heitszustand der Beschuldigten und für die Legalprognose ein zentrales und ent- scheidendes Kriterium darstellt. Die Verteidigung beantragt eine ambulante Mas- snahme, äussert sich aber nicht zur Bereitschaft der Beschuldigten zu einer sol- chen Behandlung. Die Beschuldigte führte anlässlich der Hauptverhandlung aus, eine Therapie, selbst eine ambulante, werde ihr aufgezwungen. Zudem lehnte sie eine medikamentöse Behandlung auch im Rahmen einer ambulanten Therapie klar ab (Prot. I S. 22, 24). Veränderte Umstände sind nicht ersichtlich und werden auch von der Verteidigung nicht geltend gemacht. Bei diesen Gegebenheiten und angesichts des Umstandes, dass es in den letzten Monaten zu mehreren Diszipli- narverfügungen kam und vermehrt Kriseninterventionen in der Sicherheitshaft notwendig waren, diese jedoch die Beschuldigte offenbar nicht nachhaltig stabili- sierten, mithin sich der Gesundheitszustand der Beschuldigten offenbar wesent- lich verschlechterte, ist nicht davon auszugehen, dass eine stationäre Einleitung einer ambulanten Massnahme, die maximal zwei Monate dauert, ausreicht, um die Beschuldigte ausreichend zu stabilisieren, um eine nachhaltige Krankheitseinsicht, eine längerfristige Medikamentencompliance und Therapieadhärenz sowie genügend Eigenverantwortung für ein ambulantes Setting herzustellen. Die Aus- sichten, dass eine Reduzierung des Deliktsrisikos alleine durch eine ambulante Behandlung erreicht werden kann, sind daher äusserst gering.

    7. Eine stationäre Massnahme ist nach dem Gesagten nicht nur geeignet, um die Legalprognose der Beschuldigten zu verbessern. Sie ist vielmehr auch not- wendig. Es ist keine gleich geeignete, mildere Massnahme auszumachen, die in vergleichbarer Weise eine deutliche Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten herbeiführen könnte. Damit fällt eine ambulante Massnahme selbst mit stationärer Einleitung im Sinne von Art. 63 StGB von vornherein ausser Betracht.

    8. Sofern die Verteidigung geltend machte, eine stationäre Massnahme sei weder erforderlich, zumal die erforderliche stationäre Behandlung auch mit Mitteln des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts umgesetzt werden könne, noch ge- eignet, weil die krankheitsbegünstigenden Stressoren nur mit der Installation ei- nes Besuchsrechts zum Sohn reduziert werden könnten bzw. der Gesundheitszu- stand der Beschuldigten nur so verbessert werden könne, kann ihr nicht gefolgt werden. Bemühungen in anderen Rechtsgebieten (bspw. Fürsorgerische Unter- bringungen) entbinden die Strafbehörden nicht von der Anordnung von strafrecht- lichen Anordnungen, die an und für sich als angezeigt erachtet werden. Insofern geht das Strafrecht solchen vor (BSK StGB-HEER, N 4 zu Art. 56a). Im Übrigen hat der Gutachter zutreffend dargetan, dass die Beschuldigte angesichts ihres gegenwärtigen Gesundheitszustandes selbst im Rahmen von Massnahmen der Erwachsenenschutzbehörde in einer geschlossenen Institution ohne merklichen Zugewinn von Freiheitsgraden untergebracht würde (Urk. 163 S. 11).

      Entgegen der Auffassung der Beschuldigten ist nicht der gegenwärtig fehlende Kontakt zum Sohn die Ursache ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung, sondern ihre Erkrankung und das Absetzen der bzw. die fehlende Medikation (Urk. D1/12/14 S. 73; vgl. auch Urk. D1/4/1). Es ist zwar richtig, dass es für die Beschuldigte eine zusätzliche Belastung ist, dass sie nach wie vor nicht weiss, wo ihr Sohn ist und wie es ihm geht. Zudem könnte eine klare Kontaktregelung eine Möglichkeit sein, einen Zugang zur Beschuldigten zu gewinnen oder Stressoren

      zu reduzieren und im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplanes angegangen werden. Insofern ist sie ein wichtiger Teil einer Gesamtbehandlung (Urk. 163 S. 8 f., 14 f.). Allerdings ist der Kontakt zum Sohn nichts, das die Erkrankung der Beschuldigten effektiv behandeln oder gar heilen könnte (a.a.O. S. 8 f.). Wie der Gutachter zutreffend ausführte, hatte die Beschuldigte bei der Deliktbegehung teilweise Kontakt zum Sohn. Das hat sie nicht so weit stabilisiert, dass sie bereit gewesen wäre, die Medikamente wieder einzunehmen und deliktfrei zu leben

      (a.a.O. S. 15; vgl. auch Urk. D1/4/1). Hinzu kommt, dass ihre Erkrankung gestützt auf die Berichte aus der Sicherheitshaft nun seit Monaten wieder akut ist, was es unwahrscheinlich macht, dass sie durch solche sozialen Massnahmen geheilt werden kann (Urk. 163 S. 14 f.). Dazu kommt, dass der Sohn mittlerweile 14 Jahre alt ist, der Kontakt insofern auch von ihm abhängt und nicht klar ist, wel- che Haltung er hat bzw. ob er überhaupt Kontakt wünscht (a.a.O. S. 9 und 15), sowie dass es nicht die Aufgabe des Sohnes ist, zur Behandlung seiner Mutter beizutragen (a.a.O. S. 14). Schliesslich könnte die Installation eines Kontaktes bei der derzeitigen Verfassung der Beschuldigten eher kontraproduktiv sein, zumal dieser beim Sohn zu erheblichen Irritationen führen könnte (a.a.O. S. 14 f.) Aus kindesschutzrechtlichen Überlegungen bedarf es vielmehr zunächst einer Stabili- sierung des Zustandes der Beschuldigten, bevor ein regelmässiger Kontakt zum Sohn realistisch erscheint.

    9. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fallen im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürf- nis sowie die Schwere und die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten relevant (Urteil 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.2.2 mit weiteren Hinweisen). Der Eingriff in die Freiheitsrechte der Beschuldigten durch Anordnung einer stationä- ren Massnahme ist nicht unerheblich. Dies auch deshalb, weil die Dauer der stati- onären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB zeitlich relativ unbestimmt ist und sich mitunter am Behandlungsbedürfnis und am Behandlungserfolg orientiert. Anders als bei Freiheitsstrafen ist dabei nicht der blosse Zeitablauf massge- bend. Jedoch ist die Beschuldigte in hohem Masse behandlungsbedürftig und wird vom Gutachter eine hohe Rückfallgefahr für Delikte wie die heute zu beurtei- lenden Vorfälle prognostiziert (vgl. oben Ziff. V.3.4. f.). Zwar spricht der Gutachter im Sinne eines Überbegriffs von Stalking-Verhaltensweisen. Allerdings hat die Beschuldigte nebst einer Übertretung (Tätlichkeiten) auch mehrere Vergehen (mehrfache Drohung und versuchte Nötigung) und gar ein Verbrechen (falsche Anschuldigung) gegen den Geschädigten begangen. Diese Taten bewegen sich hinsichtlich ihrer Schwere nicht im untersten Bereich von möglichen Anlasstaten. Mit anderen Worten handelt es sich nicht nur um Bagatellkriminalität bzw. lästiges Verhalten der Beschuldigten. Zudem kann – mit dem Gutachter (Urk. D1/12/14 S.

      77) – auch ein fortgesetztes Stalking, wie vorliegend, zu schweren psychischen Schäden bei den Betroffenen – beim Geschädigten und beim Sohn – führen, zu- mal dies eine erhebliche, zeitlich nicht absehbare Belastung darstellt. Ihnen dro- hen konkret psychische Schädigungen, die persistieren können, was grundsätz- lich die Schwere einer einfachen, um im Einzelfall auch einer schweren, Körper- verletzung erreichen kann (BGer 6B_321/2021 vom 27. Juli 2022 E. 3.4.2.). Das über einen längeren Zeitraum anhaltende Verhalten der Beschuldigten ist daher nicht zu bagatellisieren. Das Verhalten der Beschuldigten führte sodann beim Ge- schädigten in der Vergangenheit bereits zu erheblichen gesundheitlichen Beein- trächtigungen, namentlich zu Panikattacken mit Schwindelanfällen (Urk. D1/4/1 S. 3). Insgesamt erweist ist daher eine stationäre Massnahme als verhältnismässig. Das Interesse am Schutz der Allgemeinheit wiegt dabei höher als die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte der Beschuldigten. Dass auch schwerere An- lasstaten denkbar sind, ist bei der Festlegung der Dauer der stationären Mass- nahme zu berücksichtigen (BGer 6B_321/2021 vom 27. Juli 2022 E. 3.5.5.; vgl. dazu hinten Ziff. V.3.11.).

    10. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass sich die Beschuldigte als massnahmebedürftig und massnahmefähig erweist. Für die Erkrankung der Beschuldigten stehen grundsätzlich gute Behandlungsmöglichkeiten zur Verfü- gung, welche bei erfolgreichem Verlauf das Risiko für neuerliche Delikte deutlich senken würden. Die Therapierbarkeit der Beschuldigten ist folglich zu bejahen

      (vgl. dazu vorne Ziff. V.3.5.). Was die Massnahmewilligkeit betrifft, so fehlt es gemäss dem Gutachter aktuell an einer Krankheitseinsicht und Behandlungsbe- reitschaft bei akzentuierter Krankheitssymptomatik (Urk. 163 S. 5 f., 9). In der Vergangenheit war die Beschuldigte immer wieder motivierbar für eine therapeuti- sche Behandlung. Sie war seit 2018 wiederholt in Behandlungen und dabei immer wieder bereit, Medikamente einzunehmen und hat auch Medikamente erhalten. Die Medikamente haben jeweils zu einer Befundberuhigung geführt bzw. die Beschuldigte zeigte eine deutliche Besserung (a.a.O. S. 4, 10). Zudem zeigte sie sich im Januar 2022, als eine gewisse Befundberuhigung erkennbar war, gegen- über dem Gutachter zumindest eventuell dazu bereit, in eine Klinik einzutreten, auch wenn sie eine Medikation ablehnte (a.a.O. S. 4 f., 9). Der Gutachter weist weiter zutreffend darauf hin, dass sich bisher eine Möglichkeit, über einen länge- ren Zeitraum Krankheitseinsicht und eine Behandlungswilligkeit herzustellen, nicht ergeben hat und sich eine kontinuierliche, längerfristige Behandlung mit zeitlich stark beschränkten Kriseninterventionen in der Sicherheitshaft nicht umsetzen lässt (a.a.O. S. 9 f.). Auch wenn die Beschuldigte aktuell keine Behandlungsbe- reitschaft zeigt und nicht krankheitseinsichtig ist, sind vor diesem Hintergrund – mit dem Gutachter – die Chancen intakt, dass die Beschuldigte für eine therapeu- tische Behandlung im Rahmen einer stationären Massnahme motiviert werden kann, zumal sie in der Vergangenheit auch schon für Behandlungen inkl. Medi- kamenteneinnahme motiviert werden konnte und ihre gegenwärtige ablehnende Haltung ein Zeichen ihrer – wieder akuten (a.a.O. S. 14 unten) – Erkrankung ist. Zusammengefasst erscheint die stationäre Massnahme nicht aussichtslos. Die Massnahmewilligkeit ist deshalb im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtspre- chung, welche ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft bzw. die Erkennbar- keit einer minimalen Motivierbarkeit für eine therapeutische Behandlung voraus- setzt, ebenfalls zu bejahen. Überdies ist eine stationäre Massnahme verhältnis- mässig, könnte doch mit einer ambulanten Massnahme die Gefahr für die Allge- meinheit nicht derart deutlich reduziert werde. Es ist daher eine stationäre Mass- nahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) an- zuordnen.

    11. Die Verhältnismässigkeitsprüfung gilt jedoch auch in Bezug auf die Dauer einer stationären Massnahme. Eine zeitliche Beschränkung der stationären Mas- snahme auf weniger als fünf Jahre ist bereits bei der Erstanordnung zulässig (Ur- teil des Bundesgerichtes 6B_321/2021 vom 27. Juli 2022 E. 3.5.4 m.w.H.). Der Beschuldigten ist zu Gute zu halten, dass sie nicht mit schweren Gewaltdelikten in Erscheinung getreten ist und ihr Verhalten unter dem Überbegriff Stalking-Ver- haltensweisen zusammengefasst werden kann, auch wenn sie nebst einer Über- tretung immerhin mehrere Vergehen sowie ein Verbrechen begangen hat. Auf diese Art von Delinquenz bezieht sich auch die Rückfallprognose (vgl. vorne unter Ziff. V.3.4.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass laut Gutachter ausgesprochen gu- te Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die in der Vergangenheit rasch zu einer deutlichen Verbesserung geführt haben, was tendenziell auch heute zu erwarten ist. Entsprechend ist anzunehmen, dass bei installierter Medikamentencompliance und Therapieadhärenz vergleichsweise rasch die Weiterführung der Therapie der Beschuldigten in einem (engmaschigen) ambulanten Setting zu prüfen sein wird. Die stationäre Massnahme ist deshalb angesichts der Umstände in Nachachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips für die Dauer von zwei Jahren anzuordnen. Mit der Anordnung einer kürzeren Massnahmendauer wird nicht die Massnahme als solche verkürzt, welche nach Art. 59 Abs. 4 StGB dennoch verlängert werden kann, sondern lediglich die Frist, innert welcher eine erneute gerichtliche Überprü- fung derselben zu erfolgen hat (BGE 145 IV 65 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_640/2015 vom 25. Februar 2016 E. 6, nicht publ. in: BGE 142 IV 105).

    12. Die Beschuldigte befindet sich bis und mit heute seit 896 Tagen in Unter- suchungs- und Sicherheitshaft. Angesichts des präventiven Charakters der Mass- nahme ist die bisher erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft nicht rech- nerisch im Sinne einer Verkürzung der Massnahme um die Dauer des anzurech- nenden Freiheitsentzugs anzurechnen (BGE 145 IV 65 E. 2.3.4). Angesichts der langen Dauer, welche die Beschuldigte bereits in Haft gesessen ist, ist deren Platzierung in einer geeigneten therapeutischen Unterbringung als prioritär zu be- handeln.

    13. Fazit

Für die Beschuldigte ist eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) für die Dauer von zwei Jahren anzuordnen. Es ist festzustellen, dass sich die Beschuldigte bis und mit heute seit 896 Tagen in Untersuchungs- und Sicherheitshaft befindet.

VI. Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Gemäss Art. 419 StPO können einer schuldunfähigen Person die Kosten auferlegt werden, wenn das Verfahren eingestellt wurde oder wenn keine Mass- nahme angeordnet und sie deshalb freigesprochen wird. Zusätzlich muss die Kos- tenauferlegung nach den gesamten Umständen billig erscheinen. Art. 419 StPO gilt entgegen seinem Wortlaut auch, wenn kein Freispruch ergeht, sondern eine Massnahme angeordnet wird (BSK StPO-D, Art. 375 N 24). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind bei den Verhältnissen der Beschuldigten – und da nicht davon auszugehen ist, dass sich diese in naher Zukunft verändern werden – auf die Gerichtskasse zu nehmen. Ebenso sind sämtliche Kosten der amtlichen Ver- teidigung (ohne Nachforderungsvorbehalt) auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf Fr. 3'600.– fest- zusetzen. Ausgangsgemäss ist der Beschuldigten keine Entschädigung für die strafprozessuale Haft zuzusprechen.

  2. a) Der amtliche Verteidiger der Beschuldigten reichte eine Honorarnote sowohl für seine Bemühungen im vorliegenden Berufungsverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren Nr. UB210170 ein (Urk. 160/1-2). In jenem (Haft-)Verfahren hielt die III. Strafkammer fest, die Kostenverlegung sowie die Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers für das Beschwerdeverfahren würden dem das Strafverfahren erledigenden Entscheid vorbehalten. Während sich die Vorinstanz zur damaligen Entscheidgebühr von Fr. 1'500.– äusserte (vgl. Urk. 93

S. 58 Ziff. 8), wurde das Honorar des Verteidigers für das Beschwerdeverfahren nicht festgelegt. Dieser machte es auch nicht in seiner Honorarnote für das erst- instanzliche Verfahren geltend (vgl. Urk. 73). Somit ist darüber im vorliegenden Verfahren zu entscheiden.

  1. Der amtliche Verteidiger macht für das Beschwerdeverfahren Nr. UB210170 ein Honorar von insgesamt Fr. 3'591.90 geltend. Dies beruhe im Wesentlichen auf rund 15 Stunden Aktendurchsicht und Ausarbeitung der Beschwerdeschrift sowie der Replik (Urk. 160/2). Nach Einsicht in die detaillierte, 18-seitige Beschwerde- schrift und 7-seitigen Replik der Verteidigung (Urk. 23/110+114) sowie den 25 Seiten umfassenden Entscheid der III. Strafkammer ist festzuhalten, dass es sich doch um ein einigermassen komplexes Haftverfahren mit diversen zu klärenden Fragen handelte, weshalb der Aufwand der Verteidigung von rund 2 Arbeitstagen als gerechtfertigt erscheint. Das geforderte Honorar ist ihm daher aus der Ge- richtskasse zuzusprechen.

  2. Das Büro des amtlichen Verteidigers verwies im Mail vom 11. Oktober 2023 irrtümlich auf das Beschwerdeverfahren Nr. UB220149 (Urk. 159). In diesem Beschwerdeverfahren in Haftsachen wurde indes bereits mit Beschluss vom

    14. September 2022 endgültig über die Kosten und Entschädigung des amtlichen Verteidigers entschieden (Urk. 84 S. 9). Es verbleibt kein Raum für eine weiterge- hende Entschädigung in jenem Beschwerdeverfahren. Demgemäss sind die bei- den in der Honorarnote vom 11. Oktober 2023 zuerst aufgeführten Posten, wel- che offenkundig die Vorinstanz bzw. das Beschwerdeverfahren – und damit nicht das Berufungsverfahren, welches erst im November 2022 eröffnet wurde – betref- fen, zu streichen. Diese rund 5 Stunden sind daher nicht mehr zu entschädigen.

  3. Für das Berufungsverfahren macht die Verteidigung insgesamt Fr. 17'301.35 geltend (Urk. 160/1). Von den aufgeführten 71.60 Stunden sind, wie soeben erwähnt, 5 Stunden abzuziehen. Ebenfalls zu streichen sind 2,5 Stunden, nach- dem die Berufungsverhandlung nur rund 1,5 Stunden und nicht wie in der Rech- nung geschätzt 4 Stunden dauerte (Prot. II S. 15 ff.). Ausserdem ist zu erwähnen, dass die Verteidigung allein für das Erstellen des Plädoyers – mithin ohne das zugehörige Aktenstudium – rund 35 Stunden in Anschlag bringt. Dies erscheint als unnötig hoch, zumal darin die gleichen Themen zur Sprache kommen wie be- reits vor Vorinstanz. Grundlegend Neues war nicht zu beachten; ausser der – nicht unbeachtlichen – Problematik der angemessenen Massnahme weist der Fall auch keine Schwierigkeiten oder Besonderheiten auf. Unter Berücksichtigung der

oben dargelegten abzuziehenden 7,5 Stunden sowie der Bedeutung des Falles erweist sich daher eine Pauschalentschädigung des amtlichen Verteidigers mit Fr. 12'000.– (inkl. 7.7 % MWST) als angemessen, welche aus der Gerichtskasse zu bezahlen ist.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom 18. August 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1. […]

    2. Vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. a StGB (Dossier 3/2) wird die Beschuldigte freigesprochen.

    3.-5. […]

    6. Die von der Stadtpolizei Zürich am 27. September 2019 sichergestellten und zu den Akten gezogenen Papeteriewaren (Asservat Nr. A013'057'211, A013'057'255, A013'057'277; Polis-Geschäfts-Nr. …), werden bei den Akten belassen.

    7. […]

    1. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

      CHF 4'200.00; die weiteren Kosten betragen: CHF 2'000.00 Gebühr für das Vorverfahren CHF 16'826.00 Auslagen (Gutachten)

      CHF 210.00 Entschädigung Zeuge

      CHF 24'755.10 Entschädigung amtliche Verteidigung RAin X1. CHF 20'571.20 Entschädigung amtliche Verteidigung RA X. CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr OGZ, Geschäfts-Nr. UB210170-O

      Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    2. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliess- lich diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden definitiv auf die Gerichts- kasse genommen.

    3. Der amtliche Verteidiger Dr. iur. X._ wird mit CHF 20'571.20 (inkl. MwSt.) entschädigt. Von einer Nachforderung wird abgesehen.

    4. [Mitteilungen]

    5. [Rechtsmittel]

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Es wird festgestellt, dass die Beschuldigte A.

    die folgenden

    Tatbestände im Zustand der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit er- füllt hat:

  2. Aufgrund der Schuldunfähigkeit der Beschuldigten im Zeitpunkt der Tathand- lungen wird von einer Strafe abgesehen.

  3. Es wird eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) angeordnet. Die Dauer der Massnahme wird auf zwei Jahre begrenzt.

  4. Es wird festgestellt, dass sich die Beschuldigte bis und mit heute seit 896 Tagen in Untersuchungs- und Sicherheitshaft befindet.

  5. Von einer Entschädigung an die Beschuldigte wird abgesehen.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'600.– ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 142.75 diverse Kosten

    Fr. 1'870.– Entschädigung Sachverständiger Fr. 3'591.90 amtliche Verteidigung für UB210170 Fr. 12'000.– amtliche Verteidigung für SB220581

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  8. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 19. Oktober 2023

Der Präsident:

lic. iur. S. Volken

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw N. Hunziker

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