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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB220493
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220493 vom 28.08.2023 (ZH)
Datum:28.08.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerruf
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Rinstanz; Verteidigung; Kokain; Vorinstanz; Gramm; Geldstrafe; Aussage; Tagessätze; Amtlich; Berufung; Aussagen; Amtliche; Staatsanwalt; Mobiltelefon; Tagessätzen; Verwies; Recht; Urteil; Staatsanwaltschaft; Verwiesen; Verfahren; Befehl; Gericht; Zutreffend; Polizei; Kantons; Verfahren
Rechtsnorm: Art. 135 StPO ; Art. 248 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 298a StPO ; Art. 306 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ;
Referenz BGE:145 IV 146; 145 IV 197; 146 IV 297;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220493-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. M. Langmeier, Präsident, lic. iur. S. Volken und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie Gerichtsschreiberin MLaw T. Künzle

Urteil vom 28. August 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerruf

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 4. Mai 2022 (GG220025)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 21. Januar 2022 (Urk. 17) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 40 S. 26 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubung- mittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG.

  2. Der bedingte Vollzug bezüglich der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin vom 11. Januar 2018 ausgefällten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.– wird widerrufen.

  3. Der Beschuldigte wird unter Einbezug der widerrufenen Strafe bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– als Gesamtstrafe, wovon 72 Tagessät- ze als durch Untersuchungshaft geleistet gelten.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird nicht aufgeschoben.

  5. Über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.

  6. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'800.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr Vorverfahren

    Fr. 1'500.00 Auslagen Untersuchung

    Fr. 200.00 Entsiegelung (G.Nr. GT200016-L) Fr. amtliche Verteidigung

    Weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.

  8. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

  9. (Mitteilungen)

10. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge: (Prot. II S. 4)

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 54 S. 2)

    1. Der Berufungskläger sei von Schuld und Strafe vollumfänglich freizuspre- chen.

    2. Für die zu Unrecht erstandenen 72 Tage Haft sei dem Berufungskläger in Anwendung von Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO eine Genugtuung von total CHF 14'400.00 (CHF 200.00 pro Hafttag) zzgl. 5% Zins seit 12. April 2020 zuzusprechen.

    3. Jegliche erkennungsdienstlichen Daten und das erstellte DNA-Profil seien mit Eintritt der Rechtskraft zu löschen.

    4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) auch für das Vorver- fahren sowie das erstinstanzliche Verfahren gemäss Ausgang des Verfah- rens.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 47, schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte / Prozessuales

  1. Verfahrensgang

    1. Bis zum Vorliegen des vorinstanzlichen Urteils vom 4. Mai 2022 kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 3).

    2. Mit Urteil der Vorinstanz vom 4. Mai 2022 wurde der Beschuldigte des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG schuldig gesprochen und zugleich der Widerruf der mit Straf- befehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin vom 11. Januar 2018 bedingt ausgefällten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.– angeordnet, weshalb der Beschuldigte unter Einbezug der widerrufenen Strafe mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– als Gesamtstrafe bestraft wurde. Für die konkreten Ein- zelheiten kann auf das eingangs wiedergegebene Urteilsdispositiv verwiesen werden (Urk. 40 S. 26 ff.).

    3. Gegen dieses Urteil meldete der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt lic. iur. HSG X. , am 6. Mai 2022 Berufung an (Urk. 33). Das begründete Urteil wurde ihm am 1. September 2022 zugestellt (Urk. 38/2), worauf er am 20. September 2022 die Berufungserklärung einreichte (Urk. 42).

    4. Am 15. September 2022 sowie am 11. August 2023 wurde je ein Strafre- gisterauszug über den Beschuldigten eingeholt (Urk. 41 und Urk. 50).

    5. Innert angesetzter Frist gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO erklärte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (fortan Staatsanwaltschaft) den Verzicht auf Erhe- bung einer Anschlussberufung, beantragte die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils und ersuchte um Dispensation von der Berufungsverhandlung (Urk. 47).

    6. Am 15. Mai 2023 wurde zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 48), zu welcher der Beschuldigte sowie sein amtlicher Verteidiger erschie- nen sind (Prot. II S. 4). Der Staatsanwaltschaft war das Erscheinen freigestellt worden.

  2. Umfang der Berufung

    1. Der Beschuldigte ficht mit seiner Berufung den Schuldpunkt (Dispositiv- Ziffer 1), den Widerruf des bedingten Vollzugs der mit Strafbefehl vom 11. Januar 2018 ausgefällten Geldstrafe (Dispositiv-Ziffer 2), die (Gesamt-)Strafe (Dispositiv- Ziffer 3), die Anordnung des Vollzugs der Strafe (Dispositiv-Ziffer 4), die Kosten- verlegung (Dispositiv-Ziffer 7) und den Vorbehalt der Nachforderung nach Art. 135 Abs. 4 StPO (Dispositiv-Ziffer 8) an (Urk. 42 S. 3 und Urk. 54 S. 2).

    2. Das vorinstanzliche Urteil ist demnach nur betreffend Dispositiv-Ziffer 5 (Entschädigung amtliche Verteidigung) und Dispositiv-Ziffer 6 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.

  3. Anklageprinzip

    Die Verteidigung monierte vor Vorinstanz und auch heute, dass die Anklageschrift nicht mit dem Anklageprinzip vereinbar sei (Urk. 28 S. 4 ff. und Urk. 54 S. 4 ff.). Mit diesem Einwand hat sich die Vorinstanz bereits ausführlich und zutreffend auseinandergesetzt. Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 40 S. 5 ff.), und als Fazit kann festgehalten werden, dass die Anklageschrift, indem sie zwei je halbjährige Tatzeiträume eingrenzt, die beiden Drogenkäufer namentlich benennt, die Mindestanzahl Transaktionen, die umgeschlagene Drogenmenge und den Verkaufspreis beziffert und auch die Tatorte bezeichnet, den Anforde- rungen an die Bestimmtheit hinreichend nachkommt. Eine Verletzung des Ankla- geprinzips ist nicht zu erkennen.

  4. Beweisantrag / Verwertbarkeit der Aussagen

    1. Die Verteidigung stellte vor Vorinstanz im Rahmen der Hauptverhandlung und auch heute den bereits in der Untersuchung sowie vor der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag, dass die vollständigen Verfahrensakten von B. , C. und D. für das vorliegende Verfahren beizuziehen seien (Urk. 54

      S. 9 ff. und Prot. II S. 5). Zur Begründung verwies der Verteidiger vorab auf seine Eingaben vom 21. April 2022 (Urk. 22) bzw. vom 20. Januar 2022 (Urk. 15/7) (Prot. I S. 9). Er führte dort aus, dass sich in den vorliegenden Akten Einvernahmen von B. , C.

      und D.

      befänden, welche auf separaten, getrennt geführten Strafverfahren beruhen würden. Das Zustandegekommen dieser Beweismittel könne nicht geprüft werden. Sowohl die Verteidigung als auch das Gericht müssten aber prüfen können, ob sich aus jenen Verfahren Erkenntnisse ergeben würden, welche in der vorliegenden Angelegenheit von Relevanz seien, namentlich allfällige entlastende Momente zugunsten des Beschuldigten. Ansons- ten könnten diese Beweismittel nicht zuungunsten des Beschuldigten verwertet werden (Urk. 22). An diesen Standpunkt hielt der Verteidiger auch im Berufungs- verfahren fest (Urk. 54 S. 9 ff.).

    2. Die Vorinstanz hat sich bereits einlässlich mit dem genannten Beweisan- trag auseinandergesetzt und kam zutreffend zum Schluss, dass es keine Veran- lassung gibt, die Verfahrensakten der erwähnten Personen im vorliegenden Ver- fahren beizuziehen. Darauf kann zunächst verwiesen werden (Urk. 40 S. 4 ff.).

      Rekapitulierend das Folgende: Die polizeilichen Aussagen von C.

      vom 3.

      Februar 2020 (Urk. 4/1+2) und B.

      vom 21. Juni 2021 (Urk. 7/1) befinden

      sich in den vorliegenden Verfahrensakten. An der staatsanwaltschaftlichen Befra- gung von C. vom 11. Mai 2020 nahmen sodann sowohl der Beschuldigte als auch sein amtlicher Verteidiger teil. Beide verzichteten ausdrücklich auf das Stellen von Ergänzungsfragen (Urk. 4/3 S. 5 unten). An der staatsanwaltschaftli-

      chen Einvernahme von B.

      vom 8. Dezember 2021 war Rechtsanwalt

      Y. als Verteidiger des Beschuldigten anwesend. Der Beschuldigte verzich-

      tete auf eine persönliche Teilnahme. Rechtsanwalt Y.

      machte vom Recht

      auf Stellung von Ergänzungsfragen Gebrauch (Urk. 7/2 S. 3 F/A 20 f.). Der Beschuldigte hatte demnach genügend Gelegenheit, die belastenden Aussagen von C. und B. durch das Stellen von Ergänzungsfragen in Zweifel zu zie- hen bzw. kritisch zu hinterfragen. Unerfindlich bleibt, welchen entlastenden Er- kenntnisgewinn sich die Verteidigung aus dem Beizug der Verfahrensakten in Sa- chen D. erhofft. Aus den vorliegenden Aussagen von D. (Urk. 5/1+2) sind jedenfalls keine Belastungen gegenüber dem Beschuldigten zu entnehmen. Im Übrigen wären etwaige Belastungen mangels erfolgter Konfrontation mit D. ohnehin nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar.

    3. Es lässt sich demnach festhalten, dass vorliegend dem Anspruch auf recht- liches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV, Art 32 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 und

      Ziff. 3 lit. b EMRK) betreffend die belastenden Aussagen von C.

      und

      1. Genüge getan wurde. Unzutreffend ist diesbezüglich auch das Vorbrin- gen der Verteidigung anlässlich der Haupt- und Berufungsverhandlung, wonach

      in der Konfrontationseinvernahme ihre Aussagen nur abgenickt habe

      (Urk. 28 S. 11 f. und Urk. 54 S. 15 f.). C. gab zunächst an, dass sie bei der Polizei die Wahrheit gesagt habe und machte sodann nochmals Aussagen zur Sache (Urk. 4/3 S. 2 ff.).

    4. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz den Beweisantrag auf Aktenbeizug zu Recht abgewiesen. Der Beweisantrag ist erneut abzuweisen. Die vorliegenden Verfahrensakten sind weder unvollständig noch liegt eine Verletzung des Konfron- tationsanspruchs des Beschuldigten vor. Die Verteidigung unterlässt es denn auch, mindestens einigermassen substantiiert darzulegen, welche entlastende Erkenntnisse sich aus dem beantragten Aktenbeizug ergeben sollten (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtes 7B_1/2021 vom 10. Juli 2023 E. 3.4.). Die Aussagen von C. und B. sind demnach uneingeschränkt verwertbar.

  5. Weitere prozessuale Rügen der Verteidigung

    1. Die Verteidigung brachte vor Vorinstanz und auch heute zudem vor, dass es sich vorliegend um eine verdeckte Fahndung der Polizei im Sinne von Art. 298a f. StPO handeln könnte (Urk. 28 S. 8 Rz. 11 und Urk. 54 S. 11).

    2. Eine verdeckte Fahndung liegt gemäss Art. 298a Abs. 1 StPO vor, wenn Angehörige der Polizei im Rahmen kurzer Einsätze in einer Art und Weise, dass ihre wahre Identität und Funktion nicht erkennbar ist, Verbrechen und Vergehen aufzuklären versuchen und dabei insbesondere Scheingeschäfte abschliessen oder den Willen zum Abschluss vortäuschen. Dem Polizeirapport vom 4. Februar 2020 lässt sich entnehmen, dass die Polizeifunktionäre E. und F. im Rahmen der Fahndungstätigkeit hätten beobachten können, wie eine Frau (später als C. identifiziert) vor der Haustüre der Liegenschaft G. -strasse … in

      … Zürich gewartet und dabei permanent auf ihr Mobiltelefon geschaut habe. Nach

      einigen Minuten habe sie die Liegenschaft betreten, wobei sie diese wenige Se- kunden später zusammen mit einem Mann (später als D. identifiziert) wie- der verlassen und ihr Portemonnaie in ihren Rucksack versorgt habe. Danach hätten sich beide sofort getrennt. Deswegen wurde C. kontrolliert und eine Hausdurchsuchung am Wohnort von D. durchgeführt (Urk. 1/1 S. 2 f.). Mit- hin handelte es sich vorliegend mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 13 f.) um eine ge- wöhnliche Fahndungstätigkeit der Polizei nach § 3 PolG in Verbindung mit Art. 306 StPO und keine verdeckte Fahndung.

    3. Ferner kommt dem Beschuldigten entgegen der Auffassung seiner Vertei- digung nicht das Recht zu, als Dritter eine allfällige Verletzung von Verfahrens- rechten (Gewährleistung des Rechts auf Siegelung des Mobiltelefons nach Art. 248 StPO) von C. zu rügen (Urk. 28 Rz. 12 f. und Urk. 54 Rz. 21). C. machte überdies unter Hinweis auf ihr Aussage- und Mitwirkungsrecht von sich aus Aussagen zur Sache und gab im Verlaufe der ersten polizeilichen Einver- nahme die Rufnummer von A. an, welche sie gespeichert habe, um mit A. in Kontakt zu treten und Kokain von ihm kaufen zu können (Urk. 4/1 F/A 1 ff., insb. F/A 21). Es ist demnach davon auszugehen, dass das Mobiltelefon von C. bei der polizeilichen Einvernahme vorlag. C. brachte dabei nie vor, dass sich auf ihrem Mobiltelefon Daten befänden, die nicht durchsucht bzw. beschlagnahmt werden dürften. Es wurden in der Folge Fotos von der gespei- cherten Rufnummer A. , Rufnummer +41 1 erstellt (Urk. 1/4 Fotos 5 bis 10). Unzutreffend ist demnach auch die Behauptung der Verteidigung (Urk. 54 Rz. 21), dass der Name des Beschuldigten wohl erst als Folge der Auswertung des Mobiltelefons von C. ins Spiel gekommen sei, weil C. mit aktuellen Erkenntnissen konfrontiert worden sei. Den vollständigen Namen des Beschul- digten nannte C. von sich aus (Urk. 4/2 F/A 6). Aus dieser Rüge kann der Beschuldigte mithin nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zudem hat sich auch die Vorinstanz mit diesem Einwand bereits auseinandergesetzt, worauf ergänzend verwiesen werden kann (Urk. 40 S. 14 ff.).

    4. Zutreffend ist, dass bei der Verhaftung von D. ein Mobiltelefon LG si- chergestellt und dieses anschliessend von der Polizei durchsucht wurde

      (vgl. Urk. 1/1 S. 5). Bezüglich dieses Mobiltelefons brachte D. vor, dass es nicht ihm gehöre und er es im Treppenhaus gefunden habe (Urk. 1/1 S. 4 und Urk. 5/1 F/A 32 f.). Entsprechend beantragte er entgegen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 54 Rz. 23) auch keine Siegelung dieses Telefons. Vielmehr gab er an, dass das sichergestellte iPhone, welches ihm gehöre, zu verriegeln sei (Urk. 5/1 F/A 82 f.). Mit der Vorinstanz sind die aus der Durchsuchung des Mobiltelefons LG gewonnenen Erkenntnisse somit rechtmässig und verwertbar. Auf die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz kann im Übrigen ergänzend verwiesen werden (Urk. 40 S. 15 f.).

    5. Schliesslich ist im Zusammenhang mit der Auswertung der Mobiltelefone LG und Samsung darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte die Siegelung der Mobiltelefone beantragte, dieses Begehren jedoch wieder zurückzog. Das Entsie- gelungsverfahren wurde in der Folge als gegenstandlos abgeschrieben und die Mobiltelefone LG und Samsung freigegeben (Urk. 10/6). Im Rahmen der Durch- suchung des Mobiltelefons Samsung stiess die Polizei dann auf den mutmassli- chen Abnehmer B. , der in der Folge polizeilich und staatsanwaltschaftlich befragt wurde (vgl. Urk. 2/14 S. 2).

  6. Formelles

Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die Berufungs- instanz nicht mit jedem einzelnen Vorbringen der Parteien auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte be- schränken. Es müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 141 IV 249 E. 1.3.1 mit Hinweisen).

II. Schuldpunkt

  1. Ausgangslage

    1. Bezüglich der Vorwürfe der Kokainverkäufe kann auf die angefügte Ankla- geschrift der Staatsanwaltschaft vom 21. Januar 2022 verwiesen werden (Urk. 17).

    2. Der Beschuldigte verweigerte durchwegs die Aussagen (Urk. 3/1-3, Urk. 3/16+17, Prot. I S. 6 ff., Urk. 53). Es ist deshalb anhand der vorhandenen Beweismittel zu prüfen, ob die inkriminierten Vorwürfe rechtsgenügend erstellt werden können. Als sachdienliche Beweismittel liegen die Polizeirapporte und Fotodokumentationen der Stadtpolizei Zürich (Urk. 1/1-5), die Einvernahmen des Beschuldigten (Urk. 3/1-3, Urk. 3/16+17, Prot. I S. 6 ff., Urk. 53), die Einvernah- men von C. (Urk. 4/1-3), die Einvernahmen von B. (Urk. 7/1+2) sowie die Erkenntnisse aus der Hausdurchsuchung (Urk. 8-3) und die Whats-App Chat- verläufe der Mobiltelefons mit der Rufnummer +41/2 (Urk. 3/4-15) im Recht. Die Vorinstanz hat den Inhalt der genannten Beweismittel zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 40 S. 9 ff.). Wie bereits erwähnt sind die

      Aussagen von D.

      zudem mangels Konfrontation nicht zulasten des

      Beschuldigten verwertbar, wobei darin ohnehin keine Belastungen zu finden sind.

  2. Sachverhaltserstellung

    1. Kokainverkauf an C.

      1. C. wurde am 3. Februar 2020 nachmittags einer Polizeikontrolle un- terzogen, wobei sie in Besitz einer Portion Kokain à brutto 0.7 Gramm gewesen war (Urk. 1/1 S. 2 f.). C. deponierte kurz darauf sachdienlich gegenüber der Polizei die Aussage, dass sie A. unter der Nummer 1 angerufen habe und von ihm 1 Gramm Kokain zum Preis von Fr. 100.– gekauft habe. Auf Nachfrage hielt sie fest, dass sie zweimal bei ihm Kokain für je Fr. 100.– gekauft habe (Urk. 4/1 F/A 7, 8 und 21). Auf Vorhalt, dass aktuelle Erkenntnisse ergeben hätten, dass sie über die angegebene Nummer mehr Kokain bezogen hätte, sagte

        C.

        aus, dass sie beim Beschuldigten (A. ) seit einem halben Jahr

        mehr als 10 Mal 1 Gramm Kokain für Fr. 100.– bezogen habe (Urk. 4/2 F/A 3 ff.). Er (der Beschuldigte) sei aktuell in den Ferien, weshalb der andere Typ [D. ] die Nummer des Beschuldigten gehabt habe (Urk. 4/2 F/A 13). Ihren späteren Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft lässt sich entnehmen, dass C. sich offensichtlich schwertat, Aussagen in Anwesenheit des Beschuldigten zu machen (vgl. dazu schon Urk. 4/2 F/A 6 und 7). Dennoch hielt sie fest, dass sie vom Beschuldigten einige Male draussen in Zürich 1 Gramm Kokain zu Fr. 100.–

        gekauft habe, wobei sie bei der Anzahl der Käufe nicht mehr sicher war (Urk. 4/3 F/A 20 ff.). Es sei zudem richtig, dass D. der Stellvertreter des Beschuldig- ten gewesen sei (Urk. 4/3 F/A 31 f.).

      2. Bezüglich der Erkenntnisse aus der Auswertung des Mobiltelefons Sams- ung mit der Rufnummer +41 2 kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vo- rinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 13). Rekapitulierend lässt sich festhalten, dass der Beschuldigte in diversen Chat-Verläufen festhielt, dass er gerade in den Ferien sei, aber sein Kollege es für ihn am machen sei (vgl. Urk. 3/12 S. 2 f. und Urk. 3/13 S. 3 ff.). Sein Kollege habe seine andere Nummer (die Nummer des Beschuldigten) 1 (Urk. 3/12 S. 2 und Urk. 3/14 S. 3).

      3. Den Fotos vom Mobiltelefon C. s lässt sich zudem entnehmen, dass der Kontakt A. unter den Rufnummern +41 1 und 2 gespeichert ist (Urk. 1/4 Seite 5 Foto 8).

      4. Nach dem Gesagten ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschuldigte Inhaber der Rufnummer +41 1 und damit Eigentümer des sicherge- stellten Mobiltelefons LG ist, wobei er dieses während seiner Ferienabwesenheit D. übergab. Gestützt auf die glaubhaften Aussagen von C. , den Er- kenntnissen aus der Auswertung des Mobiltelefons Samsung und den Fotos vom Mobiltelefon von C. bestehen zudem keine Zweifel, dass der Beschuldigte C. im Zeitraum von August 2019 bis Februar 2020 bei ca. 10 Treffen je ein Gramm Kokain zum Preis von Fr. 100.– verkaufte. Die Vorinstanz hat sich mit der Rüge der Verteidigung, wonach die Aussagen von C. nicht glaubhaft seien (Urk. 54 S. 17 f.), ausführlich auseinandergesetzt und diese Rüge zutreffend ver- worfen. Ergänzend kann demnach auf die vorinstanzliche Sachverhaltserstellung verwiesen werden (Urk. 40 S. 17 ff.).

    2. Kokainverkauf an B.

      1. B. sagte gegenüber der Polizei sachdienlich aus, dass er ca. 7 bis 8 Gramm Kokain vom Beschuldigten bezogen habe (Urk. 7/1 F/A 25). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Befragung ergänzte er, dass er ungefähr zwischen

        Dezember 2019 bis Juni 2020 Kokain vom Beschuldigten gekauft habe, wobei es insgesamt 6 bis 7 Mal gewesen sei. Dabei habe er jeweils ein Gramm zum Preis von Fr. 100.– gekauft (Urk. 7/2 F/A 12 ff.). Die Aussagen von B. sind entge- gen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 28 S. 16 ff. und Urk. 54 S. 19 ff.) kon- stant und glaubhaft. Hierzu kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 19).

      2. Ferner gibt es einen Chatverlauf in den Akten zwischen dem Beschuldigten und B. , worin der Beschuldigte B. mitteilt, dass er in den Ferien sei, sein Kollege seine Nummer habe und es für ihn am machen sei. B. soll die Nummer 1 anrufen (Urk. 3/12).

      3. Mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 19) ist folglich auch dieser Sachverhalts- abschnitt gestützt auf die glaubhaften Aussagen von B. und des genannten Chatverlaufs ohne Zweifel rechtsgenügend erstellt.

    3. Menge und Reinheitsgrad der verkauften Drogen

      Gemäss der auf den Aussagen von C. und B. basierenden Anklage- schrift verkaufte der Beschuldigte ihnen pro Transaktion jeweils 1 Gramm Kokain- gemisch. Sichergestellt werden konnten diese Drogen nicht. Bei dieser Sachlage kann praxisgemäss davon ausgegangen werden, dass es sich um Drogen durch- schnittlicher Qualität, wie sie der jeweiligen Jahresstatistik der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin SGRM entnommen werden kann, gehandelt hat (vgl. hierzu auch die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 40 S. 22). Für das Jahr 2020 beträgt der entsprechende Reinheits-Wert für Kokainhydroch- lorid in Kleinmengen 65.5 %.

      Soweit die Verteidigung sodann – wie bereits vor Vorinstanz – geltend macht, aufgrund der effektiv am 3. Februar 2020 sichergestellten Drogenportion sei da- von auszugehen, dass alle Einzelportionen bloss 0.7 Gramm (brutto, inkl. Verpa- ckung) gewogen hätten, wobei für die Verpackung 0.2 Gramm abzuziehen seien, womit pro Verkauf effektiv bloss ein halbes Gramm Kokaingemisch bzw. 0.25 Gramm reines Kokain gehandelt worden sei (Urk. 28 S. 15 und Urk. 54 S. 18), so

      kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits die Vorinstanz im Rahmen der Sach- verhaltserstellung zutreffend ausgeführt hat, war die sichergestellte Portion nicht vom Beschuldigten, sondern von D. an C. verkauft worden. Aufgrund des bei diesem zu Hause vorgefundenen Verpackungsmaterials ist sodann davon auszugehen, dass er das Kokaingemisch selber portioniert und verpackt hat, weshalb hieraus zugunsten der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verkäufe nichts abgeleitet werden kann (Urk. 40 S. 18). Sodann widerspräche es der all- gemeinen Lebenserfahrung, dass ein Dealer, der seinen Kunden konstant nur die Hälfte der Menge, die er zu verkaufen angibt, aushändigt, sich über eine längere Zeitdauer im Geschäft halten könnte. Damit ist – entgegen der Ansicht der Vo-

      rinstanz (Urk. 40 S. 22) – auszuschliessen, dass der Beschuldigte C.

      und

      B.

      jeweils immer statt des vereinbarten Grammes lediglich ein halbes

      Gramm Kokaingemisch verkauft hat. Bei grosszügiger Anwendung des in dubio- Grundsatzes kann zugunsten des Beschuldigten jedoch angenommen werden, die Angabe der gekauften Menge habe die Verpackung (0.2 Gramm gemäss den sinngemässen Angaben der Verteidigung, vgl. Urk. 28 S. 15) mitumfasst. Damit ist für die Strafzumessung davon auszugehen, dass der Beschuldigte C. ei- ne Gesamtmenge Kokaingemisch von 8 Gramm, entsprechend 5.24 Gramm rei-

      nes Kokain, und B.

      eine Gesamtmenge von 4.8 Gramm Kokaingemisch

      bzw. 3.144 Gramm reines Kokain verkauft hat.

  3. Rechtliche Würdigung

Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz als mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG ist zutreffend und bedarf keiner Ergänzung (vgl. Urk. 40 S. 20). Der Beschuldigte ist entspre- chend schuldig zu sprechen.

III. Sanktion, Vollzug und Widerruf

  1. Allgemeines

    1. Bezüglich der allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung kann zunächst auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 20 ff.). Hat der

      Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwers- ten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der an- gedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das ge- setzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).

    2. Der ordentliche Strafrahmen des Vergehens gegen das Betäubungsmittel- gesetz sieht einen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe bis 180 Tagessätzen vor (Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG). Entgegen der Vorgehensweise der Vorinstanz ist zunächst für die Kokainverkäufe an

      C.

      und B.

      je eine separate Strafe festzusetzen. Aussergewöhnliche

      Umstände, die ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Folglich ist in einem ersten Schritt die Einsatzstrafe für die schwerste Tat festzulegen und diese sodann in Anwendung des Asperationsprin- zips angemessen zu erhöhen. Schwerste Tat ist vorliegend der Kokainverkauf an C. .

    3. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Strafart sind wiederum uneinge- schränkt zu teilen. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 40 S. 21).

  2. Konkrete Strafzumessung

    1. Kokainverkauf an C.

      1. Betreffend die objektive Tatschwere lässt sich festhalten, dass der Beschuldigte in einem Zeitraum von etwa einem halben Jahr bei ca. 10 Gelegenhei- ten je eine Portion à ca. 0.8 Gramm Kokaingemisch (netto, exkl. Verpackung), to- tal ca. 8 Gramm Kokaingemisch zu einem Preis von Fr. 100.–/Portion an C. verkaufte. Mengenmässig ist – wie vorstehend ausgeführt – von insgesamt ca. 5.24 Gramm reinem Kokain auszugehen. Der Beschuldigte erzielte durch den Kokainverkauf somit einen Verkaufspreis von insgesamt Fr. 1'000.–. Es ist ferner durchaus von einer gewissen kriminellen Energie auszugehen, zumal sich der Beschuldigte während seiner Ferienabwesenheit auch vertreten liess. Insgesamt wiegt das Verschulden knapp noch leicht.

      2. In subjektiver Hinsicht ist von einem direktvorsätzlichen Handeln des Beschuldigten auszugehen. Der Kokainverkauf erfolgte aus monetären Interessen und damit egoistischen Motiven. Die subjektive Tatschwere vermag die objektive Tatschwere nicht zu beeinflussen.

      3. Im Ergebnis ist als Einsatzstrafe eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen dem Verschulden des Beschuldigten angemessen.

    2. Kokainverkauf an B.

      1. Betreffend die objektive Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte innerhalb eines Zeitraums von einem halben Jahr anlässlich von mindestens 6 Treffen jeweils 0.8 Gramm Kokaingemisch (netto, exkl. Verpackung), total 4.8 Gramm Kokaingemisch zu einem Preis von Fr. 100.–/Portion an B. verkauf- te, womit er einen Gesamterlös von Fr. 600.– erzielte. Auch ist wiederum von ei- nem Reinheitsgrad von 65.5 % auszugehen, weshalb die reine Kokainmenge ins- gesamt 3.144 Gramm beträgt. Es ist zudem auch hier von einer gewissen krimi- nellen Energie auszugehen, zumal sich der Beschuldigte während seiner Ferien- abwesenheit auch vertreten liess. Insgesamt wiegt das Verschulden noch leicht.

      2. In subjektiver Hinsicht kann auf das oben Ausgeführte (Ziffer 2.1.2) verwie- sen werden. Die subjektive Tatschwere vermag die objektive Tatschwere nicht zu beeinflussen.

      3. Im Ergebnis ist als Einzelstrafe eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen dem Verschulden des Beschuldigten angemessen.

      4. In Anwendung des Asperationsprinzips ist die Einsatzstrafe um 40 Tages- sätze auf 160 Tagessätze zu erhöhen.

    3. Täterkomponente

      1. Über die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten ist wenig bekannt. Der Beschuldigte verweigerte durchwegs auch Aussagen zur Person. Gemäss

        Untersuchungsakten besitzt der Beschuldigte die Niederlassungsbewilligung C. Offenbar hat er als Pizzaiolo gearbeitet und ist/war arbeitslos. Er ist zudem ledig und hat keine Kinder (Urk. 16/3+4). Sein steuerbares Einkommen betrug im Jahr 2019 Fr. 10'000.– (Urk. 16/4). Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sind neutral zu werten.

      2. Der Beschuldigte ist zweifach vorbestraft und während laufender Probezeit erneut straffällig geworden (Urk. 41 und Urk. 50, vgl. dazu Erw. 3 hernach). Diese Umstände fallen merklich straferhöhend ins Gewicht.

      3. Ein Geständnis liegt nicht vor. Reue oder Einsicht kann dem Beschuldigten mangels Aussagen auch nicht zu Gute gehalten werden.

      4. Die festgelegte Einsatzstrafe ist nach Berücksichtigung der Täterkompo- nente auf 200 Tagessätze zu erhöhen.

    4. Tagessatzhöhe

      Unter Verweis auf die Erwägungen der Vorinstanz ist die Höhe des Tagessatzes auf Fr. 30.– festzusetzen (Urk. 40 S. 25 f.).

    5. Zwischenfazit

      Nach Berücksichtigung sämtlicher strafzumessungsrelevanter Faktoren resultiert eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu Fr. 30.–. Dass die Ausfällung einer sol- chen Geldstrafe nicht möglich ist, muss hier nicht weiter vertieft werden, da ohne- hin das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius, Art. 391 Abs. 2 Satz 1 StPO) greift (vgl. Erw. 3.6 hernach).

  3. Widerruf

    1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin verurteilte den Beschuldigten mit Strafbefehl vom 11. Januar 2018 wegen Vergehens gegen das Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe und sanktionierte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.–, unter Ansetzung einer Probezeit von 4 Jahren, sowie einer Busse von Fr. 200.– (Urk. 41 und Urk. 51). Die vorliegen-

      den Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz beging der Beschuldig- te, wie bereits erwähnt, während laufender Probezeit, weshalb sich die Frage des Widerrufs stellt. Bezüglich der theoretischen Voraussetzungen des Widerrufs kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 23 f.).

    2. Die Verteidigung monierte vor Vorinstanz und auch heute, dass der erwähnte Strafbefehl in italienischer Sprache verfasst und dem Beschuldigten nicht übersetzt worden sei, weshalb nicht erstellt werden könne, dass der Strafbe- fehl dem Beschuldigten rechtsgenügend eröffnet worden sei. Der Strafbefehl hät- te gänzlich und von Amtes wegen übersetzt werden müssen (Urk. 54 S. 22). Mit diesem Einwand hat sich die Vorinstanz bereits auseinandergesetzt, worauf vorab verwiesen werden (Urk. 40 S. 24 ff.). Ergänzend das Folgende: Der Strafbefehl wurde dem Beschuldigten zugestellt (vgl. dazu Aktenbeizug Verfahrensakten Ref. 2018.159, Schreiben von Staatsanwalt Pablo Fäh vom 11. März 2020), was von der Verteidigung im Übrigen auch nicht bestritten wurde. Im Rahmen der Tessiner Strafuntersuchung wurde der Beschuldigte von den Zürcher Behörden rechtshilfeweise in deutscher Sprache einvernommen (vgl. Aktenbeizug Verfah- rensakten Ref. 2018.159, Pol. EV Beschuldigter vom 6. Dezember 2017). Der Beschuldigte hatte mithin Kenntnis davon, was ihm von den Tessiner Behörden vorgeworfen wurde. Nach Abschluss der Untersuchung erhielt der Beschuldigte den genannten Strafbefehl in italienischer Sprache zugestellt. Nach der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung besteht entgegen der Auffassung der Verteidigung kein Anspruch darauf, dass ein Strafbefehl von Amtes wegen übersetzt wird (BGE 145 IV 197 E. 1.3.3.). Vielmehr wäre der Beschuldigte nach der Zustellung des genannten Strafbefehls gehalten gewesen, seinen Übersetzungsbedarf geltend zu machen. Dies hat er – soweit ersichtlich – nicht getan, weshalb er daraus auch nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin vom 11. Januar 2018 gilt demnach als rechtsgenügend eröff- net.

    3. Der Beschuldigte wurde folglich während laufender Probezeit mehrfach rückfällig, wobei er im Rahmen von 16 Einzeltransaktionen gegenüber zwei verschiedenen Abnehmern dem Drogenverkauf nachging. Von Einsicht und Reue

      ist nichts zu erkennen. Dem Beschuldigten kann demnach keine günstige Prog- nose mehr gestellt werden, weshalb die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu widerrufen ist.

    4. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet das Gericht in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB eine Gesamtstrafe (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei der Gesamtstrafenbildung hat das Gericht methodisch von der- jenigen Strafe als Einsatzstrafe auszugehen, die es für die während der Probe- zeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausfällt. Anschliessend ist diese mit Blick auf die zu widerrufende Vorstrafe angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich die Gesamtstrafe (BGE 145 IV 146 E. 2.4.2 S. 152 f.).

    5. In Anwendung des Asperationsprinzips ist demnach mit der widerrufenen Geldstrafe von 40 Tagessätzen und der neu auferlegten Geldstrafe von 200 Tagessätzen eine Gesamtstrafe zu bilden.

    6. Der Beschuldigte wäre nach dem Gesagten unter Einbezug der widerrufe- nen Strafe mit einer Geldstrafe von 230 Tagessätzen zu Fr. 30.– zu bestrafen. Da dies jedoch einer verbotenen Schlechterstellung des Beschuldigten gleichkäme (vgl. Art. 391 Abs. 2 StPO), ist im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– zu bestätigen.

  4. Anrechnung der Haft

    Der Beschuldigte befand sich insgesamt 72 Tage in Haft (Urk. 12/1+9). 72 Tages- sätze der Geldstrafe gelten demnach als durch Haft geleistet (vgl. Art. 51 StGB).

  5. Vollzug

Der Beschuldigte ist wie erwähnt vorbestraft und wurde während laufender Pro- bezeit mehrfach rückfällig (vgl. Art. 42 StGB), weshalb die auszufällende Geld- strafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– zu vollziehen ist.

IV. Kostenfolgen

  1. Ausgangsgemäss sind die vorinstanzliche Kostenauflage und der Rückfor- derungsvorbehalt betreffend die Kosten der amtlichen Verteidigung zu bestätigen (Dispositiv-Ziffern 7 und 8).

  2. Da der Beschuldigte im Berufungsverfahren vollumfänglich unterliegt, hat er auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist praxisgemäss auf Fr. 3'000.– festzusetzen.

  3. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind einstweilen auf die Gerichtskas- se zu nehmen, unter Vorbehalt der Nachforderung nach Art. 135 Abs. 4 StPO. Die amtliche Verteidigung des Beschuldigten macht für das Berufungsverfahren ein Honorar von Fr. 4'618.80 (inkl. MwSt.) geltend (Urk. 52). Die Berufungsverhand- lung dauerte rund eine halbe Stunde weniger lang als geschätzt, weshalb die amt- liche Verteidigung mit pauschal Fr. 4'500.– aus der Gerichtskasse zu entschädi- gen ist.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abtei- lung, vom 4. Mai 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1.-4. …

    1. Über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfü- gung entschieden.

    2. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

      Fr. 1'800.00 ; die weiteren Kosten betragen:

      Fr. 2'100.00 Gebühr Vorverfahren

      Fr. 1'500.00 Auslagen Untersuchung

      Fr. 200.00 Entsiegelung (G.Nr. GT200016-L) Fr. amtliche Verteidigung

      Weitere Auslagen bleiben vorbehalten. 7.-8. …

      1. (Mitteilungen)

      2. (Rechtsmittel)

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist schuldig des mehrfachen Vergehens gegen

    das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG.

  2. Die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin vom

    11. Januar 2018 bedingt ausgefällte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.– wird vollzogen.

  3. Der Beschuldigte wird unter Einbezug der widerrufenen Strafe gemäss Ziff. 2 bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.– als Ge- samtstrafe, wovon 72 Tagessätze als durch Haft geleistet gelten.

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird nicht aufgeschoben.

  5. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 7 und 8) wird bestätigt.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 4'500.– amtliche Verteidigung.

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amt- lichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse genom- men. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  8. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000

Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 28. August 2023

Der Präsident:

lic. iur. M. Langmeier

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw T. Künzle

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