Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220493 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 28.08.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerruf |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Rinstanz; Verteidigung; Kokain; Vorinstanz; Gramm; Geldstrafe; Aussage; Tagessätze; Amtlich; Berufung; Aussagen; Amtliche; Staatsanwalt; Mobiltelefon; Tagessätzen; Verwies; Recht; Urteil; Staatsanwaltschaft; Verwiesen; Verfahren; Befehl; Gericht; Zutreffend; Polizei; Kantons; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ; Art. 248 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 298a StPO ; Art. 306 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; |
Referenz BGE: | 145 IV 146; 145 IV 197; 146 IV 297; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220493-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. M. Langmeier, Präsident, lic. iur. S. Volken und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie Gerichtsschreiberin MLaw T. Künzle
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend mehrfaches Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 21. Januar 2022 (Urk. 17) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 40 S. 26 ff.)
Es wird erkannt:
Über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'800.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr Vorverfahren
Fr. 1'500.00 Auslagen Untersuchung
Fr. 200.00 Entsiegelung (G.Nr. GT200016-L) Fr. amtliche Verteidigung
10. (Rechtsmittel)
Berufungsanträge: (Prot. II S. 4)
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 54 S. 2)
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 47, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Gegen dieses Urteil meldete der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt lic. iur. HSG X. , am 6. Mai 2022 Berufung an (Urk. 33). Das begründete Urteil wurde ihm am 1. September 2022 zugestellt (Urk. 38/2), worauf er am 20. September 2022 die Berufungserklärung einreichte (Urk. 42).
Beweisantrag / Verwertbarkeit der Aussagen
Die Verteidigung stellte vor Vorinstanz im Rahmen der Hauptverhandlung und auch heute den bereits in der Untersuchung sowie vor der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag, dass die vollständigen Verfahrensakten von B. , C. und D. für das vorliegende Verfahren beizuziehen seien (Urk. 54
S. 9 ff. und Prot. II S. 5). Zur Begründung verwies der Verteidiger vorab auf seine Eingaben vom 21. April 2022 (Urk. 22) bzw. vom 20. Januar 2022 (Urk. 15/7) (Prot. I S. 9). Er führte dort aus, dass sich in den vorliegenden Akten Einvernahmen von B. , C.
und D.
befänden, welche auf separaten, getrennt geführten Strafverfahren beruhen würden. Das Zustandegekommen dieser Beweismittel könne nicht geprüft werden. Sowohl die Verteidigung als auch das Gericht müssten aber prüfen können, ob sich aus jenen Verfahren Erkenntnisse ergeben würden, welche in der vorliegenden Angelegenheit von Relevanz seien, namentlich allfällige entlastende Momente zugunsten des Beschuldigten. Ansons- ten könnten diese Beweismittel nicht zuungunsten des Beschuldigten verwertet werden (Urk. 22). An diesen Standpunkt hielt der Verteidiger auch im Berufungs- verfahren fest (Urk. 54 S. 9 ff.).
Rekapitulierend das Folgende: Die polizeilichen Aussagen von C.
vom 3.
Februar 2020 (Urk. 4/1+2) und B.
vom 21. Juni 2021 (Urk. 7/1) befinden
sich in den vorliegenden Verfahrensakten. An der staatsanwaltschaftlichen Befra- gung von C. vom 11. Mai 2020 nahmen sodann sowohl der Beschuldigte als auch sein amtlicher Verteidiger teil. Beide verzichteten ausdrücklich auf das Stellen von Ergänzungsfragen (Urk. 4/3 S. 5 unten). An der staatsanwaltschaftli-
chen Einvernahme von B.
vom 8. Dezember 2021 war Rechtsanwalt
Y. als Verteidiger des Beschuldigten anwesend. Der Beschuldigte verzich-
tete auf eine persönliche Teilnahme. Rechtsanwalt Y.
machte vom Recht
auf Stellung von Ergänzungsfragen Gebrauch (Urk. 7/2 S. 3 F/A 20 f.). Der Beschuldigte hatte demnach genügend Gelegenheit, die belastenden Aussagen von C. und B. durch das Stellen von Ergänzungsfragen in Zweifel zu zie- hen bzw. kritisch zu hinterfragen. Unerfindlich bleibt, welchen entlastenden Er- kenntnisgewinn sich die Verteidigung aus dem Beizug der Verfahrensakten in Sa- chen D. erhofft. Aus den vorliegenden Aussagen von D. (Urk. 5/1+2) sind jedenfalls keine Belastungen gegenüber dem Beschuldigten zu entnehmen. Im Übrigen wären etwaige Belastungen mangels erfolgter Konfrontation mit D. ohnehin nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar.
Ziff. 3 lit. b EMRK) betreffend die belastenden Aussagen von C.
und
Genüge getan wurde. Unzutreffend ist diesbezüglich auch das Vorbrin- gen der Verteidigung anlässlich der Haupt- und Berufungsverhandlung, wonach
in der Konfrontationseinvernahme ihre Aussagen nur abgenickt habe
(Urk. 28 S. 11 f. und Urk. 54 S. 15 f.). C. gab zunächst an, dass sie bei der Polizei die Wahrheit gesagt habe und machte sodann nochmals Aussagen zur Sache (Urk. 4/3 S. 2 ff.).
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz den Beweisantrag auf Aktenbeizug zu Recht abgewiesen. Der Beweisantrag ist erneut abzuweisen. Die vorliegenden Verfahrensakten sind weder unvollständig noch liegt eine Verletzung des Konfron- tationsanspruchs des Beschuldigten vor. Die Verteidigung unterlässt es denn auch, mindestens einigermassen substantiiert darzulegen, welche entlastende Erkenntnisse sich aus dem beantragten Aktenbeizug ergeben sollten (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtes 7B_1/2021 vom 10. Juli 2023 E. 3.4.). Die Aussagen von C. und B. sind demnach uneingeschränkt verwertbar.
Weitere prozessuale Rügen der Verteidigung
Eine verdeckte Fahndung liegt gemäss Art. 298a Abs. 1 StPO vor, wenn Angehörige der Polizei im Rahmen kurzer Einsätze in einer Art und Weise, dass ihre wahre Identität und Funktion nicht erkennbar ist, Verbrechen und Vergehen aufzuklären versuchen und dabei insbesondere Scheingeschäfte abschliessen oder den Willen zum Abschluss vortäuschen. Dem Polizeirapport vom 4. Februar 2020 lässt sich entnehmen, dass die Polizeifunktionäre E. und F. im Rahmen der Fahndungstätigkeit hätten beobachten können, wie eine Frau (später als C. identifiziert) vor der Haustüre der Liegenschaft G. -strasse … in
… Zürich gewartet und dabei permanent auf ihr Mobiltelefon geschaut habe. Nach
einigen Minuten habe sie die Liegenschaft betreten, wobei sie diese wenige Se- kunden später zusammen mit einem Mann (später als D. identifiziert) wie- der verlassen und ihr Portemonnaie in ihren Rucksack versorgt habe. Danach hätten sich beide sofort getrennt. Deswegen wurde C. kontrolliert und eine Hausdurchsuchung am Wohnort von D. durchgeführt (Urk. 1/1 S. 2 f.). Mit- hin handelte es sich vorliegend mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 13 f.) um eine ge- wöhnliche Fahndungstätigkeit der Polizei nach § 3 PolG in Verbindung mit Art. 306 StPO und keine verdeckte Fahndung.
Ferner kommt dem Beschuldigten entgegen der Auffassung seiner Vertei- digung nicht das Recht zu, als Dritter eine allfällige Verletzung von Verfahrens- rechten (Gewährleistung des Rechts auf Siegelung des Mobiltelefons nach Art. 248 StPO) von C. zu rügen (Urk. 28 Rz. 12 f. und Urk. 54 Rz. 21). C. machte überdies unter Hinweis auf ihr Aussage- und Mitwirkungsrecht von sich aus Aussagen zur Sache und gab im Verlaufe der ersten polizeilichen Einver- nahme die Rufnummer von A. an, welche sie gespeichert habe, um mit A. in Kontakt zu treten und Kokain von ihm kaufen zu können (Urk. 4/1 F/A 1 ff., insb. F/A 21). Es ist demnach davon auszugehen, dass das Mobiltelefon von C. bei der polizeilichen Einvernahme vorlag. C. brachte dabei nie vor, dass sich auf ihrem Mobiltelefon Daten befänden, die nicht durchsucht bzw. beschlagnahmt werden dürften. Es wurden in der Folge Fotos von der gespei- cherten Rufnummer A. , Rufnummer +41 1 erstellt (Urk. 1/4 Fotos 5 bis 10). Unzutreffend ist demnach auch die Behauptung der Verteidigung (Urk. 54 Rz. 21), dass der Name des Beschuldigten wohl erst als Folge der Auswertung des Mobiltelefons von C. ins Spiel gekommen sei, weil C. mit aktuellen Erkenntnissen konfrontiert worden sei. Den vollständigen Namen des Beschul- digten nannte C. von sich aus (Urk. 4/2 F/A 6). Aus dieser Rüge kann der Beschuldigte mithin nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zudem hat sich auch die Vorinstanz mit diesem Einwand bereits auseinandergesetzt, worauf ergänzend verwiesen werden kann (Urk. 40 S. 14 ff.).
Zutreffend ist, dass bei der Verhaftung von D. ein Mobiltelefon LG si- chergestellt und dieses anschliessend von der Polizei durchsucht wurde
(vgl. Urk. 1/1 S. 5). Bezüglich dieses Mobiltelefons brachte D. vor, dass es nicht ihm gehöre und er es im Treppenhaus gefunden habe (Urk. 1/1 S. 4 und Urk. 5/1 F/A 32 f.). Entsprechend beantragte er entgegen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 54 Rz. 23) auch keine Siegelung dieses Telefons. Vielmehr gab er an, dass das sichergestellte iPhone, welches ihm gehöre, zu verriegeln sei (Urk. 5/1 F/A 82 f.). Mit der Vorinstanz sind die aus der Durchsuchung des Mobiltelefons LG gewonnenen Erkenntnisse somit rechtmässig und verwertbar. Auf die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz kann im Übrigen ergänzend verwiesen werden (Urk. 40 S. 15 f.).
Schliesslich ist im Zusammenhang mit der Auswertung der Mobiltelefone LG und Samsung darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte die Siegelung der Mobiltelefone beantragte, dieses Begehren jedoch wieder zurückzog. Das Entsie- gelungsverfahren wurde in der Folge als gegenstandlos abgeschrieben und die Mobiltelefone LG und Samsung freigegeben (Urk. 10/6). Im Rahmen der Durch- suchung des Mobiltelefons Samsung stiess die Polizei dann auf den mutmassli- chen Abnehmer B. , der in der Folge polizeilich und staatsanwaltschaftlich befragt wurde (vgl. Urk. 2/14 S. 2).
Der Beschuldigte verweigerte durchwegs die Aussagen (Urk. 3/1-3, Urk. 3/16+17, Prot. I S. 6 ff., Urk. 53). Es ist deshalb anhand der vorhandenen Beweismittel zu prüfen, ob die inkriminierten Vorwürfe rechtsgenügend erstellt werden können. Als sachdienliche Beweismittel liegen die Polizeirapporte und Fotodokumentationen der Stadtpolizei Zürich (Urk. 1/1-5), die Einvernahmen des Beschuldigten (Urk. 3/1-3, Urk. 3/16+17, Prot. I S. 6 ff., Urk. 53), die Einvernah- men von C. (Urk. 4/1-3), die Einvernahmen von B. (Urk. 7/1+2) sowie die Erkenntnisse aus der Hausdurchsuchung (Urk. 8-3) und die Whats-App Chat- verläufe der Mobiltelefons mit der Rufnummer +41/2 (Urk. 3/4-15) im Recht. Die Vorinstanz hat den Inhalt der genannten Beweismittel zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 40 S. 9 ff.). Wie bereits erwähnt sind die
Aussagen von D.
zudem mangels Konfrontation nicht zulasten des
Beschuldigten verwertbar, wobei darin ohnehin keine Belastungen zu finden sind.
C. wurde am 3. Februar 2020 nachmittags einer Polizeikontrolle un- terzogen, wobei sie in Besitz einer Portion Kokain à brutto 0.7 Gramm gewesen war (Urk. 1/1 S. 2 f.). C. deponierte kurz darauf sachdienlich gegenüber der Polizei die Aussage, dass sie A. unter der Nummer 1 angerufen habe und von ihm 1 Gramm Kokain zum Preis von Fr. 100.– gekauft habe. Auf Nachfrage hielt sie fest, dass sie zweimal bei ihm Kokain für je Fr. 100.– gekauft habe (Urk. 4/1 F/A 7, 8 und 21). Auf Vorhalt, dass aktuelle Erkenntnisse ergeben hätten, dass sie über die angegebene Nummer mehr Kokain bezogen hätte, sagte
C.
aus, dass sie beim Beschuldigten (A. ) seit einem halben Jahr
mehr als 10 Mal 1 Gramm Kokain für Fr. 100.– bezogen habe (Urk. 4/2 F/A 3 ff.). Er (der Beschuldigte) sei aktuell in den Ferien, weshalb der andere Typ [D. ] die Nummer des Beschuldigten gehabt habe (Urk. 4/2 F/A 13). Ihren späteren Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft lässt sich entnehmen, dass C. sich offensichtlich schwertat, Aussagen in Anwesenheit des Beschuldigten zu machen (vgl. dazu schon Urk. 4/2 F/A 6 und 7). Dennoch hielt sie fest, dass sie vom Beschuldigten einige Male draussen in Zürich 1 Gramm Kokain zu Fr. 100.–
gekauft habe, wobei sie bei der Anzahl der Käufe nicht mehr sicher war (Urk. 4/3 F/A 20 ff.). Es sei zudem richtig, dass D. der Stellvertreter des Beschuldig- ten gewesen sei (Urk. 4/3 F/A 31 f.).
Den Fotos vom Mobiltelefon C. s lässt sich zudem entnehmen, dass der Kontakt A. unter den Rufnummern +41 1 und 2 gespeichert ist (Urk. 1/4 Seite 5 Foto 8).
Nach dem Gesagten ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschuldigte Inhaber der Rufnummer +41 1 und damit Eigentümer des sicherge- stellten Mobiltelefons LG ist, wobei er dieses während seiner Ferienabwesenheit D. übergab. Gestützt auf die glaubhaften Aussagen von C. , den Er- kenntnissen aus der Auswertung des Mobiltelefons Samsung und den Fotos vom Mobiltelefon von C. bestehen zudem keine Zweifel, dass der Beschuldigte C. im Zeitraum von August 2019 bis Februar 2020 bei ca. 10 Treffen je ein Gramm Kokain zum Preis von Fr. 100.– verkaufte. Die Vorinstanz hat sich mit der Rüge der Verteidigung, wonach die Aussagen von C. nicht glaubhaft seien (Urk. 54 S. 17 f.), ausführlich auseinandergesetzt und diese Rüge zutreffend ver- worfen. Ergänzend kann demnach auf die vorinstanzliche Sachverhaltserstellung verwiesen werden (Urk. 40 S. 17 ff.).
B. sagte gegenüber der Polizei sachdienlich aus, dass er ca. 7 bis 8 Gramm Kokain vom Beschuldigten bezogen habe (Urk. 7/1 F/A 25). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Befragung ergänzte er, dass er ungefähr zwischen
Dezember 2019 bis Juni 2020 Kokain vom Beschuldigten gekauft habe, wobei es insgesamt 6 bis 7 Mal gewesen sei. Dabei habe er jeweils ein Gramm zum Preis von Fr. 100.– gekauft (Urk. 7/2 F/A 12 ff.). Die Aussagen von B. sind entge- gen der Auffassung der Verteidigung (Urk. 28 S. 16 ff. und Urk. 54 S. 19 ff.) kon- stant und glaubhaft. Hierzu kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 19).
Ferner gibt es einen Chatverlauf in den Akten zwischen dem Beschuldigten und B. , worin der Beschuldigte B. mitteilt, dass er in den Ferien sei, sein Kollege seine Nummer habe und es für ihn am machen sei. B. soll die Nummer 1 anrufen (Urk. 3/12).
Mit der Vorinstanz (Urk. 40 S. 19) ist folglich auch dieser Sachverhalts- abschnitt gestützt auf die glaubhaften Aussagen von B. und des genannten Chatverlaufs ohne Zweifel rechtsgenügend erstellt.
Menge und Reinheitsgrad der verkauften Drogen
Gemäss der auf den Aussagen von C. und B. basierenden Anklage- schrift verkaufte der Beschuldigte ihnen pro Transaktion jeweils 1 Gramm Kokain- gemisch. Sichergestellt werden konnten diese Drogen nicht. Bei dieser Sachlage kann praxisgemäss davon ausgegangen werden, dass es sich um Drogen durch- schnittlicher Qualität, wie sie der jeweiligen Jahresstatistik der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin SGRM entnommen werden kann, gehandelt hat (vgl. hierzu auch die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 40 S. 22). Für das Jahr 2020 beträgt der entsprechende Reinheits-Wert für Kokainhydroch- lorid in Kleinmengen 65.5 %.
kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits die Vorinstanz im Rahmen der Sach- verhaltserstellung zutreffend ausgeführt hat, war die sichergestellte Portion nicht vom Beschuldigten, sondern von D. an C. verkauft worden. Aufgrund des bei diesem zu Hause vorgefundenen Verpackungsmaterials ist sodann davon auszugehen, dass er das Kokaingemisch selber portioniert und verpackt hat, weshalb hieraus zugunsten der dem Beschuldigten vorgeworfenen Verkäufe nichts abgeleitet werden kann (Urk. 40 S. 18). Sodann widerspräche es der all- gemeinen Lebenserfahrung, dass ein Dealer, der seinen Kunden konstant nur die Hälfte der Menge, die er zu verkaufen angibt, aushändigt, sich über eine längere Zeitdauer im Geschäft halten könnte. Damit ist – entgegen der Ansicht der Vo-
rinstanz (Urk. 40 S. 22) – auszuschliessen, dass der Beschuldigte C.
und
B.
jeweils immer statt des vereinbarten Grammes lediglich ein halbes
Gramm Kokaingemisch verkauft hat. Bei grosszügiger Anwendung des in dubio- Grundsatzes kann zugunsten des Beschuldigten jedoch angenommen werden, die Angabe der gekauften Menge habe die Verpackung (0.2 Gramm gemäss den sinngemässen Angaben der Verteidigung, vgl. Urk. 28 S. 15) mitumfasst. Damit ist für die Strafzumessung davon auszugehen, dass der Beschuldigte C. ei- ne Gesamtmenge Kokaingemisch von 8 Gramm, entsprechend 5.24 Gramm rei-
nes Kokain, und B.
eine Gesamtmenge von 4.8 Gramm Kokaingemisch
bzw. 3.144 Gramm reines Kokain verkauft hat.
III. Sanktion, Vollzug und Widerruf
Bezüglich der allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung kann zunächst auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 20 ff.). Hat der
Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwers- ten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der an- gedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das ge- setzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).
Der ordentliche Strafrahmen des Vergehens gegen das Betäubungsmittel- gesetz sieht einen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe bis 180 Tagessätzen vor (Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG). Entgegen der Vorgehensweise der Vorinstanz ist zunächst für die Kokainverkäufe an
C.
und B.
je eine separate Strafe festzusetzen. Aussergewöhnliche
Umstände, die ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Folglich ist in einem ersten Schritt die Einsatzstrafe für die schwerste Tat festzulegen und diese sodann in Anwendung des Asperationsprin- zips angemessen zu erhöhen. Schwerste Tat ist vorliegend der Kokainverkauf an C. .
Die Ausführungen der Vorinstanz zur Strafart sind wiederum uneinge- schränkt zu teilen. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 40 S. 21).
Betreffend die objektive Tatschwere lässt sich festhalten, dass der Beschuldigte in einem Zeitraum von etwa einem halben Jahr bei ca. 10 Gelegenhei- ten je eine Portion à ca. 0.8 Gramm Kokaingemisch (netto, exkl. Verpackung), to- tal ca. 8 Gramm Kokaingemisch zu einem Preis von Fr. 100.–/Portion an C. verkaufte. Mengenmässig ist – wie vorstehend ausgeführt – von insgesamt ca. 5.24 Gramm reinem Kokain auszugehen. Der Beschuldigte erzielte durch den Kokainverkauf somit einen Verkaufspreis von insgesamt Fr. 1'000.–. Es ist ferner durchaus von einer gewissen kriminellen Energie auszugehen, zumal sich der Beschuldigte während seiner Ferienabwesenheit auch vertreten liess. Insgesamt wiegt das Verschulden knapp noch leicht.
Betreffend die objektive Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte innerhalb eines Zeitraums von einem halben Jahr anlässlich von mindestens 6 Treffen jeweils 0.8 Gramm Kokaingemisch (netto, exkl. Verpackung), total 4.8 Gramm Kokaingemisch zu einem Preis von Fr. 100.–/Portion an B. verkauf- te, womit er einen Gesamterlös von Fr. 600.– erzielte. Auch ist wiederum von ei- nem Reinheitsgrad von 65.5 % auszugehen, weshalb die reine Kokainmenge ins- gesamt 3.144 Gramm beträgt. Es ist zudem auch hier von einer gewissen krimi- nellen Energie auszugehen, zumal sich der Beschuldigte während seiner Ferien- abwesenheit auch vertreten liess. Insgesamt wiegt das Verschulden noch leicht.
Untersuchungsakten besitzt der Beschuldigte die Niederlassungsbewilligung C. Offenbar hat er als Pizzaiolo gearbeitet und ist/war arbeitslos. Er ist zudem ledig und hat keine Kinder (Urk. 16/3+4). Sein steuerbares Einkommen betrug im Jahr 2019 Fr. 10'000.– (Urk. 16/4). Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sind neutral zu werten.
den Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz beging der Beschuldig- te, wie bereits erwähnt, während laufender Probezeit, weshalb sich die Frage des Widerrufs stellt. Bezüglich der theoretischen Voraussetzungen des Widerrufs kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 40 S. 23 f.).
ist nichts zu erkennen. Dem Beschuldigten kann demnach keine günstige Prog- nose mehr gestellt werden, weshalb die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu widerrufen ist.
Ausgangsgemäss sind die vorinstanzliche Kostenauflage und der Rückfor- derungsvorbehalt betreffend die Kosten der amtlichen Verteidigung zu bestätigen (Dispositiv-Ziffern 7 und 8).
Da der Beschuldigte im Berufungsverfahren vollumfänglich unterliegt, hat er auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist praxisgemäss auf Fr. 3'000.– festzusetzen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind einstweilen auf die Gerichtskas- se zu nehmen, unter Vorbehalt der Nachforderung nach Art. 135 Abs. 4 StPO. Die amtliche Verteidigung des Beschuldigten macht für das Berufungsverfahren ein Honorar von Fr. 4'618.80 (inkl. MwSt.) geltend (Urk. 52). Die Berufungsverhand- lung dauerte rund eine halbe Stunde weniger lang als geschätzt, weshalb die amt- liche Verteidigung mit pauschal Fr. 4'500.– aus der Gerichtskasse zu entschädi- gen ist.
Es wird erkannt:
Über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfü- gung entschieden.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'800.00 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 2'100.00 Gebühr Vorverfahren
Fr. 1'500.00 Auslagen Untersuchung
Fr. 200.00 Entsiegelung (G.Nr. GT200016-L) Fr. amtliche Verteidigung
ist schuldig des mehrfachen Vergehens gegen
das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG.
Die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin vom
11. Januar 2018 bedingt ausgefällte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.– wird vollzogen.
Der Vollzug der Geldstrafe wird nicht aufgeschoben.
Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 7 und 8) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 4'500.– amtliche Verteidigung.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (versandt)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (versandt) sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A und Formular B
das Ministero pubblico del cantone Ticino Lugano betr. Akten Nr. 2018.159.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der gemäss Art. 35 und 35a BGerR zuständigen strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts (1000
Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebe- nen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 28. August 2023
Der Präsident:
lic. iur. M. Langmeier
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw T. Künzle
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.