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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB220487: Obergericht des Kantons Zürich

In dem Fall BEK 2020 23 ging es um die Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens gegen A.________, der mehrerer Straftaten beschuldigt wurde. Die Staatsanwaltschaft entschied zweimal, kein Strafverfahren einzuleiten, worauf A.________ Beschwerde einreichte. Die Beschwerdekammer hob eine der Nichtanhandnahmeverfügungen auf und entschied, dass die Begründung der anderen Verfügung nicht ausreichend war. Es wurde festgestellt, dass die detaillierten Ausführungen des Staatsanwalts in Bezug auf die Verdachtsmomente unnötig waren und die Bank nicht angemessen informiert wurde. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, die Kosten wurden geteilt, und die Entscheidung konnte beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB220487

Kanton:ZH
Fallnummer:SB220487
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220487 vom 03.01.2023 (ZH)
Datum:03.01.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Versuchte schwere Körperverletzung
Schlagwörter : Privatkläger; Privatklägers; Berufung; Recht; Staat; Rechtsmittel; Staats; Kantons; Frist; Beschuldigte; Privatklägerschaft; Verteidigung; Urteil; Berufungsverfahren; Verfahren; Verfahrens; Obergericht; Oberrichter; Staatsanwaltschaft; Abteilung; Präsidialverfügung; Sicherheitsleistung; Voraussetzung; Prozessführung; Bundesgerichts; Entschädigung; Kammer
Rechtsnorm:Art. 110 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 137 StPO ;Art. 383 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 432 StPO ;Art. 436 StPO ;
Referenz BGE:145 IV 90; 146 IV 76; 147 IV 47;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB220487

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220487-O/U/mc

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Wasser- Keller und Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie Gerichtsschreiberin MLaw Lazareva

Beschluss vom 3. Januar 2023

in Sachen

  1. ,

    Privatkläger und Berufungskläger

    unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt MLaw, LL.M. X. ,

    sowie

    Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,

    Anklägerin

    gegen

  2. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y. , betreffend versuchte schwere Körperverletzung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, I. Abteilung, vom 3. Mai 2022 (DG210043)

Erwägungen:

  1. Mit Eingabe vom 23. Mai 2022 liess der Privatkläger A. gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, I. Abteilung, vom 3. Mai 2022 fristgerecht Berufung anmelden (Urk. 25). Nachdem das begründete Urteil dem Privatklägervertreter am 2. August 2022 zugestellt worden war (Urk. 29), reichte er innerhalb der in Art. 399 Abs. 3 StPO festgelegten gesetzlichen Frist von 20 Tagen ab Zustellung des begründeten Entscheides am 22. August 2022 (Datum des Poststempels) rechtzeitig die Berufungserklärung ein (Urk. 33). Sowohl die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich als auch der Beschuldigte verzichteten alsdann auf Anschlussberufung (Urk. 41 und 42).

  2. Dem Privatkläger wurde mit Präsidialverfügung vom 28. November 2022 in Anwendung von Art. 383 Abs. 1 StPO eine Frist von 10 Tagen angesetzt, um zur Deckung von allfälligen Prozesskosten und Entschädigungen an die Gegenpartei eine Sicherheitsleistung von Fr. 12'000.– zu leisten (Urk. 45). Dass der Privatkläger nach seinen Angaben als Asylbewerber finanziell nicht in der Lage ist, den Prozesskostenvorschuss zu bezahlen, ändert nichts daran, dass das Rechtsmittel als aussichtslos im Sinne von Art. 136 Abs. 1 lit. b StPO betrachtet werden muss, weil seine Genugtuungs- und Schadenersatzforderung öffentlich-rechtlicher Natur und daher nicht adhäsionsfähig sind (BGE 146 IV 76 E. 3.1). Eine allfällige Staatshaftung für die vom Privatkläger behaupteten Folgen eines Amtsmissbrauchs des Beschuldigten, der im Auftrag des C. als D. -Mann tätig war und der ihn arretiert hat, ist auf dem Weg der Haftungsklage geltend zu machen, da der Beschuldigte aufgrund seiner Funktion unter den zumindest funktio- nellen Begriff des Beamten zu subsumieren ist (Art. 110 Abs. 3 StGB; statt vieler TRECHSEL/BERTOSSA in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar StGB, 4. Aufl. 2021, N 12 zu Art. 110 StGB). Davon geht auch die Vorinstanz zu Recht aus und tritt auf die Forderungen des Privatklägers nicht ein (Urk. 32 S. 21 f.). Vorliegend fehlt es somit an der Voraussetzung einer Zivilforderung, die den Privatkläger überhaupt erst berechtigen würde, die unentgeltliche Rechtspflege für das Rechtmittelverfahren zu beantragen. Entsprechend wurde die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das vorliegende Berufungsverfahren gemäss Art.

    137 StPO mit der Präsidialverfügung vom 28. November 2022 widerrufen

    (Urk. 45; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2018, N 3 zu Art. 137 StPO).

  3. Die Voraussetzungen für die unentgeltliche Prozessführung nach Art. 136 Abs. 1 lit. a und b StPO sind kumulativ zu erfüllen. Mithin bliebe vorliegend selbst unter der Annahme, dass der Privatkläger finanziell gut situiert wäre und die Sicherheitsleistung bezahlen könnte, die zweite Voraussetzung, wonach das Verfahren nicht aussichtslos sein darf, nicht erfüllt, da die Erfolgschancen der Berufung beträchtlich geringer sind als die Gewinnchancen, wenn sie nicht gar gegen Null tendieren. In concreto wurden namentlich die am Tatort Anwesenden als Zeugen befragt, die den Tritt gegen den Kopf des Privatklägers nicht bestätigten, bzw. einen solchen nicht gesehen hatten. Schliesslich wurde der Privatkläger bereits mehrfach einlässlich befragt und es handelt sich nicht um eine Aussagegegen-Aussage-Situation, so dass eine erneute Befragung des Privatklägers, wie von diesem beantragt (Urk. 33 S. 3 f.), in Anwendung antizipierter vorläufiger Beweiswürdigung nicht notwendig erscheint. Vor diesem Hintergrund würde sich ein finanzkräftiger Berufungskläger bei vernünftiger Überlegung nicht zu einem Prozess entschliessen. Auch ein arbeitsloser Asylbewerber soll nicht einen Prozess führen können, den er auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde und den er nur anstrengt, bzw. weiterführt, weil es ihn – zumindest vorläufig – nichts kostet.

  4. Die Präsidialverfügung vom 28. November 2022 wurde dem Privatkläger am

30. November 2022 zugestellt (Urk. 46/3), so dass die Frist zur Leistung der Sicherheitsleistung am 12. Dezember 2022 ablief. Mit Verfügung vom

15. Dezember 2022 wurde das Wiedererwägungsgesuch des Privatklägers vom

8. Dezember 2022 (Urk. 47) abgewiesen (Urk. 48). Da innert Frist weder ein Fristerstreckungsgesuch eingereicht wurde, noch die festgesetzte Kaution bei der Obergerichtskasse einging (Urk. 50), ist androhungsgemäss auf die Berufung des Privatklägers vom 23. Mai 2022 nicht einzutreten (vgl. Urk. 45 S. 3).

5. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren

Rechtsmittel nicht eingetreten wird die das Rechtsmittel zurückzieht (Art. 428 Abs. 1 StPO). Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass nur die sich aktiv am Verfahren beteiligende Privatklägerschaft verpflichtet werden kann, Verfahrenskosten zu tragen (BGE 147 IV 47 E. 4.2.2 a.E; Urteil des Bundesgerichts 6B_369/2018 vom

7. Februar 2019 E. 2.1 [nicht publ. in BGE 145 IV 90]). Ausgangsgemäss und vor dem Hintergrund des vorstehend zur unentgeltlichen Prozessführung Ausgeführten sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Privatkläger aufzuerlegen.

6. Gestützt auf Art. 432 StPO in Verbindung mit Art. 436 Abs. 1 StPO hat die obsiegende beschuldigte Person gegenüber der Privatklägerschaft Anspruch auf angemessene Entschädigung für die durch die Anträge zum Zivilpunkt verursachten Aufwendungen. Diese Bestimmung ist dispositiver Natur. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht die Entschädigung der beschuldigten Person bei einer Einstellung des Strafverfahrens bei einem Freispruch zulasten des Staats, wenn es sich um ein Offizialdelikt handelt, bei einem Antragsdelikt jedoch (regelmässig) zulasten der Privatklägerschaft. Im Berufungsverfahren betreffend Offizialdelikte wird die unterliegende Privatklägerschaft entschädigungspflichtig, da die Regel, wonach die Verantwortung des Staats für die Strafverfolgung dazu führt, dass der Staat auch deren Kosten trägt, gegenstandslos wird, sobald das Verfahren nur noch auf Betreiben der Privatklägerschaft fortgesetzt wird

(BGE 147 IV 47 E. 4.2.5 und 4.2.6). Im vorliegenden Fall hat der Privatkläger grundsätzlich für die Verteidigungskosten, welche gestützt auf § 18 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 17 und 2 AnwGebV auf Fr. 605.05 (inkl. MwSt.) festzusetzen sind (vgl. Urk. 51), aufzukommen. In analoger Anwendung von Art. 135 Abs. 4 StPO sind die Kosten der amtlichen Verteidigung jedoch einstweilen aus der Gerichtskasse zu bezahlen, wobei die Rückforderungspflicht des entschädigungspflichtigen Privatklägers für den Fall, dass es seine wirtschaftlichen Verhältnisse zulassen, vorbehalten wird.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung des Privatklägers A. vom 23. Mai 2022 wird nicht eingetreten.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 400.– ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 605.05 amtliche Verteidigung

  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Privatkläger auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen, jedoch bleibt die Rückzahlungspflicht des Privatklägers gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an

    • den amtlichen Verteidiger (im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten)

    • die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich

    • den Rechtsvertreter des Privatklägers (im Doppel für sich und zuhan- den des Privatklägers)

      sowie nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist resp. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

      - die Vorinstanz (unter Rücksendung der Akten)

  5. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 3. Januar 2023

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Lazareva

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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