Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220412 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 28.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Raub etc. |
Zusammenfassung : | Der Beschuldigte wurde in einem Gerichtsverfahren wegen Raubes, räuberischer Erpressung, Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und Hinderung einer Amtshandlung verurteilt. Der Richter, Oberrichter lic. iur. Spiess, verhängte eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten und eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 3'500 festgesetzt. Die Verliererpartei war männlich. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Urteil; Landes; Freiheit; Freiheits; Privat; Privatkläger; Landesverweisung; Täter; Freiheitsstrafe; Delikt; Berufung; Geldstrafe; Rahmen; Jugend; Bundesgericht; Recht; Verschulden; Schweiz; Gericht; Vorinstanz; Sinne; Erpressung; Verteidigung; Delikte; Winterthur; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 11 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 140 StGB ; Art. 16 StGB ; Art. 18 StGB ; Art. 21 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 23 StGB ; Art. 25 StGB ; Art. 286 StGB ; Art. 382 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 403 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 50 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 8 EMRK ; Art. 83 AIG ; Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 121 IV 202; 122 IV 241; 134 IV 82; 134 IV 97; 136 I 229; 136 IV 1; 136 IV 55; 138 IV 120; 142 IV 265; 144 IV 332; 146 IV 172; 146 IV 311; 147 IV 340; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220412-O/U/mc-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, die Ersatzoberrichter lic. iur.
Kessler und lic. iur. Weder sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. Leuthard
Urteil vom 28. Oktober 2022
in Sachen
Beschuldigter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
sowie
Privatkläger und Anschlussberufungskläger
1, 2, 3 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. ,
1 vertreten durch Inhaber der elterlichen Sorge E. ,
betreffend Raub etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 25. Februar 2022 (Urk. 33) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 79 S. 58-60)
Der Beschuldigte ist schuldig
des Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (Dossier 1),
der räuberischen Erpressung im Sinne von Art. 156 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 156 Ziff. 3 StGB (Dossier 1),
des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG (Dossier 2),
der Hinderung einer Amtshandlung im Sinne von Art. 286 StGB (Dossier 3).
Der Beschuldigte wird bestraft mit 17 Monaten Freiheitsstrafe unter Anrech- nung der bis heute erstandenen Haft von 152 Tagen und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– (entsprechend Fr. 600.–).
Der Vollzug wird nicht aufgeschoben.
Auf den Widerruf der mit Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 6. Februar 2020 ausgefällten bedingten Strafe von 8 Tagessätzen Geldstrafe zu Fr. 30.– wird verzichtet.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See / Oberland vom 25. Januar 2022 beschlagnahmte Barschaft in Höhe von Fr. 280.– wird eingezogen und zur teilweisen Deckung der Geldstrafe verwendet.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See / Oberland vom
25. Januar 2022 beschlagnahmten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils der Kantonspolizei Zürich, Asservaten Triage, zur Vernichtung überlassen:
Asservat-Nr. A015'398'002: 1 Verpackung mit THC-haltigen Gummibärchen;
Asservat-Nr. A015'398'013: 1 Verpackung mit weissem Pulver;
Asservat-Nr. A015'398'024: div. Minigrips;
Asservat-Nr. A015'398'046: 5 Microtubes gefüllt mit weissem Pulver;
Asservat-Nr. A015'398'057: 5 Microtubes mit Resten eines weissen Pulvers.
Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See / Oberland vom 25. Januar 2022 beschlagnahmte Mobiltelefon (Asservat-Nr. A015'450'712: iPhone X, schwarz) wird dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben.
Wird der beschlagnahmte Gegenstand hiervor nicht innert drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate- Triage, beansprucht, wird dieser ohne weitere Mitteilung durch die Lagerbehörde vernichtet.
Der Privatkläger 1 (B. ) wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger 2 (D. ) einen Schadenersatz von Fr. 400.– zuzüglich 5% Zins ab 14. August 2021 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger 3 (C. ) einen Schadenersatz von Fr. 280.– zuzüglich 5% Zins ab 14. August 2021 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird der Privatkläger 3 mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger 1 (B. ) eine Ge- nugtuung von Fr. 400.– zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger 2 (D. ) eine Ge- nugtuung von Fr. 400.– zuzüglich 5% Zins ab 14. August 2021 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger 3 (C. ) eine Ge- nugtuung von Fr. 400.– zuzüglich 5% Zins ab 14. August 2021 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 3'500.– ; die weiteren Auslagen betragen:
Fr. 3'000.– Gebühr Strafuntersuchung §4 GebStrV Fr. 1'400.– Gebühr Haftbeschwerdeverfahren
(Geschäfts-Nr. UB220010-O)
Fr. 17'750.– Kosten der amtlichen Verteidigung (inkl. Barauslagen und MwSt.)
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens sowie die Kosten des Haftbeschwerdeverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 106 S. 2 f.)
Folgende Dispositiv Ziffern des Urteils des Bezirksgerichts Hinwil vom
Juni 2022 seien aufzuheben bzw. abzuändern:
Dispositiv Ziffer 2 sei aufzuheben und der Beschuldigte sei unter Anrechnung der erstandenen Haft mit 10 Monaten Freiheitsstrafe und ei- ner Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu CHF 30.00 zu bestrafen.
Die Dispositiv Ziffern 5 und 6 seien aufzuheben und es sei von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen. Eventualiter sei von ei- ner Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem abzusehen.
Auf die Anschlussberufung der Privatkläger sei mangels Legitimation nicht einzutreten.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.
Der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: (schriftlich, Urk. 85)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Des gesetzlichen Vertreters des Privatklägers 1: (Urk. 87 und Prot. II. S. 7 f., sinngemäss)
Auf die Anschlussberufung des Privatklägers 1 sei einzutreten und der Beschul- digte sei in Abänderung des vorinstanzlichen Urteils für die Dauer von 10 Jahren des Landes zu verweisen, unter Zusprechung einer angemessenen Entschädigung an den Privatkläger 1.
Erwägungen:
I. Prozessgeschichte/Prozessuales
Verfahrensgang
Hinsichtlich des Verfahrensgangs bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 76 = 79 S. 5).
Gegen das vorstehend wiedergegebene mündlich eröffnete Urteil vom
Juni 2022 meldete die amtliche Verteidigung namens des Beschuldigten innert Frist Berufung an (Urk. 68). Mit Eingabe vom 23. Juni 2022 an die Vorinstanz stellte die amtliche Verteidigung namens des Beschuldigten den Antrag auf Gewährung des vorzeitigen Strafantritts (Urk. 70). Hierauf bewilligte die Vorinstanz dem Beschuldigten mit Präsidialverfügung vom 29. Juni 2022 den vorzeitigen Strafantritt (Urk. 72; vgl. Urk. 74 und 75). Das begründete Urteil wurde den Parteien am 20. bzw. 22. Juli 2022 zugestellt (Urk. 77). Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 ging die Berufungserklärung der amtlichen Verteidigung fristgerecht ein, wobei keine Beweisanträge gestellt wurden (Urk. 80). Mit Präsidialverfügung vom
18. August 2022 wurde der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (im Folgen- den: Staatsanwaltschaft) und den Privatklägern Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erklären begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 83). Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Eingabe vom 19. August 2022 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils, verzichtete auf Beweisanträge und ersuchte um Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung (Urk. 85). Mit Datum vom 30. August 2022 erklärte Rechtsanwalt lic. iur. Y. unter Einreichung einer Vollmacht namens des Privatklägers 1, B. , Anschlussberufung (Urk. 87 und 88). Die Anschlussberufung des Privatklägers 1 wurde dem Beschuldigten, der Staatsanwaltschaft sowie den Privatklägern 2 und 3 mittels Präsidialverfügung vom 2. September 2022 zugestellt (Urk. 90). Hierauf erklärte Rechtsanwalt Y. durch Eingabe vom 5. September 2022 unter Einreichung von Vollmachten namens der Privatkläger 2 und 3 ebenfalls Anschlussberufung (Urk. 92, 93 und 94).
1.3. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. X. , und E. , der Vater und gesetzliche Vertreter des Privatklägers 1. Rechtsanwalt lic. iur. Y. sowie die durch ihn vertretenen Privatkläger 2 und 3 haben auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung verzichtet (Urk. 105). Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 5 ff.).
Umfang der Berufung
In der Berufungsschrift ist anzugeben, ob das Urteil vollumfänglich angefochten wird (Art. 399 Abs. 3 lit. a StPO) oder, falls das Urteil nur in Teilen angefochten wird, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils verlangt werden (Art. 399 Abs. 3 lit. b StPO). Die Verteidigung ficht das vorinstanzliche Urteil mit ihrer Berufung bezüglich Dispositivziffer 2 (Strafe), Dispositivziffer 5 (Landesverweisung) und Dispositivziffer 6 (Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem) an. Die Privatkläger 1 – 3 fechten das vorinstanzliche Urteil mit ihrer Anschlussberufung bezüglich Dispositivziffer 5 (Landesverweisung) an.
Von der Berufung nicht umfasst sind somit der Schuldpunkt (Dispositivziffer 1), der Verzicht auf den Widerruf der bedingten Vorstrafe (Dispositivziffer 4), der Entscheid über beschlagnahmte Vermögenswerte und Gegenstände (Dispositivziffern 7 – 9), der Entscheid über die Zivilansprüche der Privatklägerschaft (Dispositivziffern 10 – 15) sowie der Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Dispositivziffer 16 und 17). Der Vollzug der auszusprechenden Strafen (Dispositivziffer 3) gilt dahingegen als mitangefochten. Das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 2. Juni 2022 ist mithin bezüglich den obgenannten Dispositivziffern in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.
Formelles
Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2; Urteil 6B_1130/2014 vom 8. Juni 2015 E. 4). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Berufungslegitimation der Privatkläger
Grundsätzlich entscheidet das Berufungsgericht in einem schriftlichen Verfahren, ob auf die Berufung einzutreten sei, wenn die Verfahrensleitung eine Partei geltend macht: a) die Anmeldung Erklärung der Berufung sei verspätet unzulässig; b) die Berufung sei im Sinne von Artikel 398 unzulässig; c) es fehlten Prozessvoraussetzungen es lägen Prozesshindernisse vor (Art. 403 Abs. 1 StPO). Wie den Parteien bereits mittels Präsidialverfügung vom 9. September 2022 in Aussicht gestellt, erscheint es aus Gründen der Prozessökonomie indessen gerechtfertigt, gemäss Art. 405 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 339 Abs. 2 lit. b StPO anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung im Sinne einer Vorfrage über die Eintretensfrage zu entscheiden (vgl. E UGSTER in: Niggli/Heer/ Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 1 zu Art. 403).
Der gesetzliche Vertreter des Privatklägers 1 führte zusammengefasst und sinngemäss aus, die Privatkläger seien mit Präsidialverfügung vom 18. August 2022 aufgefordert worden, Anschlussberufung zu erheben. Dies hätten sie getan. Wenn die Verteidigung den Fall weiterziehen und eine tiefere Strafe beantragen könne, müsse auch die Privatklägerschaft das Recht haben, das vorinstanzliche Urteil hinsichtlich der Strafe anzufechten (Prot. II S. 7 ff.).
Die amtliche Verteidigung machte geltend, die Privatkläger seien in Bezug auf Sanktionen nicht berufungslegitimiert. Bei der Landesverweisung und deren Dauer handle es sich um eine Sanktion, weshalb auf die Anschlussberufung der Privatkläger mangels Legitimation nicht einzutreten sei (Prot. II S. 9).
Art. 382 Abs. 2 StPO hält bezüglich der Legitimation der übrigen Parteien zur Anfechtung eines Entscheids fest, dass die Privatklägerschaft einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten kann. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt die Anordnung der Landesverweisung im Sin- ne von Art. 66a f. StGB eine Sanktion dar, weswegen z.B. auch das Asperationsprinzip nach Art. 49 StGB analog anzuwenden ist (BGE 146 IV 311, 319 f. E. 3.7;
m.H.a. BGE 146 IV 172, 183 E. 3.3.4). Die Privatkläger wenden sich mit ihrer Anschlussberufung zwar nicht gegen die Anordnung Nichtanordnung einer Landesverweisung, sie verlangen aber eine Erhöhung der Dauer der Landesverweisung von 5 auf 10 Jahre. Ist die Frage der Anordnung der Landesverweisung unter den Begriff der Sanktion zu subsumieren, gilt dies ebenso für deren Dauer. Mithin steht Art. 382 Abs. 2 StPO der Legitimation der Privatkläger zur Erklärung der Anschlussberufung in diesem Punkt entgegen. Dementsprechend ist auf die Berufung der Privatkläger 1 – 3 nicht einzutreten.
Sachverhalt
Der Schuldpunkt ist wie dargelegt nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens, zumal der Beschuldigte diesen im Rahmen seiner Berufungserklärung vom 28. Juli 2022 ausdrücklich akzeptierte (Urk. 80). Nichtsdestotrotz drängen sich ein paar kurze Bemerkungen zum Sachverhalt auf, zumal der Beschuldigten den Sachverhalt vor Vorinstanz noch in diversen Punkten bestritt und der erstellte Sachverhalt auch die Grundlage der Strafzumessung darstellt. Die Vorinstanz würdigte den Anklagesachverhalt ausführlich, sorgfältig und detailliert, wobei sie in einigen Punkten Präzisierungen vornahm (Urk. 79 S. 8 ff., insb. S. 16
– 26). Die Erwägungen der Vorinstanz im Allgemeinen, insbesondere aber auch zu diesen Präzisierungen sind überzeugend, weswegen zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darauf verwiesen werden kann.
Strafzumessung
Ausgangslage
Die Vorinstanz bestrafte den Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten, unter Anrechnung von 152 Tagen Haft, und einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– (Urk. 79 S. 41 und 58). Die amtliche Verteidigung beantragt berufungshalber eine Senkung der Freiheitsstrafe auf 10 Monate, während sie ebenfalls eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– beantragt (Urk. 80; Urk. 106 S. 2).
Theoretischer Strafrahmen
Asperationsprinzip
Hat der Täter durch eine mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe (Strafrahmen) nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart (z.B. 180 Tagessätze Geldstrafe) gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).
Für die Bildung einer Gesamtstrafe hat das Gericht in einem ersten Schritt den Strafrahmen für die schwerste Straftat zu bestimmen und alsdann die Einsatzstrafe für diese Tat, unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmin- dernden Umstände, innerhalb dieses Strafrahmens festzusetzen. Bei der Bestimmung des Strafrahmens für die schwerste Tat ist von der abstrakten Strafan- drohung auszugehen: Schwerer ist die Tat mit der höheren Höchststrafe; sieht ei- ne weniger schwere Tat eine höhere Mindeststrafe vor, so bestimmt diese den unteren Rand des Strafrahmens (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_681/2013 vom 26. Mai 2014 E. 1.3.1). In einem zweiten Schritt hat das Gericht diese Einsatzstrafe unter Einbezug der anderen Straftaten zu einer Gesamtstrafe zu erhöhen (Urteil des Bundesgerichts 6B_157/2014 vom 26. Januar 2015 E. 2.2; TRECHSEL/THOMMEN, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich 2021, N 8 zu Art. 49). Die Einzelstrafen sind unter Einbezug aller straferhöhenden und strafmindernden Tatumstände grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens des jeweiligen Straftatbestandes und nicht desjenigen mit der abstrakt höchsten Strafandrohung festzusetzen (BGE 142 IV 265 E. 2.4.3 S. 271).
Die Bildung einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB ist nur bei gleichartigen Strafen möglich. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen vorsehen, genügt nicht. Vielmehr ist nach der konkreten Methode für jeden einzelnen Normverstoss die entsprechende Strafe zu bestimmen. Ungleichartige Strafen – wie Geld- und Freiheitsstrafe – sind daher kumulativ zu verhängen (BGE 142 IV 265 E. 2.3.2 S. 267 f.; bestätigt in Urteil des Bundesgerichts 6B_619/2019 vom 11. März 2020 E. 3.3).
Die tat- und täterangemessene Strafe ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens der (schwersten) anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser Rahmen ist vom Gesetzgeber in aller Regel sehr weit gefasst worden, um sämtlichen konkreten Umständen Rechnung zu tragen. Entgegen einer auch in der Praxis verbreiteten Auffassung wird der ordentliche Strafrahmen durch Strafschärfungsoder Strafmilderungsgründe nicht automatisch erweitert, worauf dann innerhalb dieses neuen Rahmens die Strafe nach den üblichen Zumessungskriterien festzusetzen wäre. Zwar ist auch in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darauf hingewiesen worden, das Gesetz sehe eine Strafrahmenerweiterung vor. Damit sollte aber nur ausgedrückt werden, dass der Richter infolge eines Strafschärfungsbzw. Strafmilderungsgrundes nicht mehr in je- dem Fall an die Grenze des ordentlichen Strafrahmens gebunden ist. Der ordentliche Rahmen ist nur zu verlassen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angedrohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint. Die Frage einer Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens kann sich stellen, wenn verschuldensbzw. strafreduzierende Faktoren zusammentreffen, die einen objektiv an sich leichten Tatvorwurf weiter relativieren, so dass eine Strafe innerhalb des ordentlichen Rahmens dem Rechtsempfinden widerspräche. Dabei hat der Richter zu entscheiden, in welchem Umfang er den unteren Rahmen wegen der besonderen Umstände erweitern will. Der vom Ge-
setzgeber vorgegebene ordentliche Rahmen ermöglicht in aller Regel, für eine einzelne Tat die angemessene Strafe festzulegen. Er versetzt den Richter namentlich in die Lage, die denkbaren Abstufungen des Verschuldens zu berücksichtigen. Die verminderte Schuldfähigkeit allein führt deshalb grundsätzlich nicht dazu, den ordentlichen Strafrahmen zu unterschreiten. Dazu bedarf es weiterer ins Gewicht fallender Umstände, die das Verschulden als besonders leicht erscheinen lassen. Nur eine solche Betrachtungsweise vermag der gesetzgeberischen Wertung des Unrechtsgehaltes einer Straftat und damit letztlich der Ausgleichsfunktion (auch) des Strafrechts Rechnung zu tragen (BGE 136 IV 55 ff., 63).
Retrospektive Konkurrenz bzw. Zusatzstrafe
Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es nach Art. 49 Abs. 2 StGB die Strafe so, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Ist für die neu zu beurteilenden Taten auf die gleiche Strafart zu erkennen, wie sie der Erstrichter ausgesprochen hat, soll nach Art. 49 Abs. 2 StGB eine hypothetische Gesamtstrafe bestimmt und eine Zusatzstrafe ausgefällt werden. Die Regel dient damit der möglichst weitgehenden Gleichstellung mit Art. 49 Abs. 1 StGB, wonach die Gerichte Staatsanwaltschaften alle gleichartigen Strafen asperieren und die beschuldigte Person zu einer Gesamtstrafe verurteilen sollen. Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 49 Abs. 2 StGB vor, ist zur Bemessung der Zusatzstrafe in einem ersten Schritt eine hypothetische Gesamtstrafe aller zeitlich vor dem früheren Urteil begangenen Straftaten zusammen mit der bereits ausgefällten Strafe zu bilden, und zwar allein aus Sicht des Zweitrichters. Dabei beschränkt sich das Ermessen des Zweitrichters auf die von ihm gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB vorzunehmende Asperation zwischen rechtskräftiger Strafe und der für die noch nicht beurteilten Taten auszusprechenden Strafe (BGE 142 IV 265
E. 2.4.2). Anschliessend ist die Dauer der Grundstrafe von der hypothetischen Gesamtstrafe in Abzug zu bringen; es resultiert die für die vor der Verurteilung begangenen Delikte auszufällende Zusatzstrafe.
Bei der Festsetzung der jeweiligen Gesamtstrafe hat das Gericht nach den Grundsätzen von Art. 49 Abs. 1 StGB zu verfahren. Ausgehend vom Strafrahmen für die schwerste Tat, hat es die Strafe vorbehältlich aussergewöhnlicher Umstände innerhalb des ordentlichen Strafrahmens (BGE 136 IV 55 E. 5.8) nach dem Verschulden des Täters zu bemessen (Art. 47 Abs. 1 StGB). Dabei hat es zunächst die Einsatzstrafe für die schwerste Tat festzulegen. In einem weiteren Schritt sind die übrigen Delikte wiederum basierend auf der Tatkomponente zu beurteilen, und es ist dafür unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände die hypothetische Strafe innerhalb des ordentlichen Strafrahmens des jeweiligen Straftatbestandes festzulegen. Soweit für mehrere zu beurteilende Straftaten jeweils gleichartige Strafen als angemessen erscheinen, ist sodann unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips die hypothetische Gesamtstrafe für sämtliche Delikte festzulegen. Nach der Festlegung der hypothetischen Gesamtstrafe für sämtliche Delikte ist schliesslich die Täterkomponente zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts 6B_865/2009 vom 25. März 2010 E. 1.6.1; 6B_496/2011 vom
19. November 2012 E. 2; BGE 142 IV 265).
Wahl der Strafart
Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit ei- ner bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen. Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit der Betroffenen eingreift bzw. die sie am wenigsten hart trifft (BGE 138 IV 120 E. 5.2; BGE 134 IV 97 E. 4.2.2; BGE 134 IV 82 E. 4.1). In Bezug auf Vergehen und Verbrechen im unteren Bereich, die grundsätzlich mit Geldstrafen bis zu 180 Tages-sätzen zu ahnden sind, regelt Art. 41 StGB, unter welchen Voraussetzungen (bedingte und unbedingte) Freiheitsstrafen in Betracht kommen (HEIMGARTNER, in: Donatsch/Heimgartner/Isenring/Weder, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kommentar, 21. Aufl., Zürich 2022, N 1 zu Art. 41). Entsprechend dem Verhältnismässigkeitsprinzip ist auch in Art. 41 Abs. 1 StGB vorgesehen, dass das Gericht dann auf eine Freiheitsstrafe statt auf eine Geldstrafe erkennen kann, wenn eine solche
geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
Subsumtion
Die Vorinstanz hielt fest, dass der Beschuldigte die heute zu beurteilenden Delikte allesamt vor seiner Verurteilung durch das Jugendgericht des Bezirks Winterthur vom 27. Oktober 2021 begangen hat, weshalb ein Fall von retrospektiver Konkurrenz vorliege. Sie fällte jedoch keine Zusatzstrafe aus, weil sie davon ausging, dass der gegen den Beschuldigten mit Urteil des Jugendgerichts ausgesprochene Freiheitsentzug von 6 Monaten keine gleichartige Strafe wie die im vorliegenden Verfahren zu verhängenden Freiheitsstrafen darstelle (Urk. 79 S. 33).
Die Verteidigung erachtete die Argumentation der Vorinstanz als unzutreffend. Sie begründet dies unter anderem damit, dass Art. 49 Abs. 3 StGB für Übergangstäter, die vor und nach Vollendung des 18. Altersjahres delinquiert haben, die Möglichkeit der Bildung einer Gesamtstrafe vorsehe (Urk. 106 S. 3 ff.).
Gemäss Basler Kommentar wird bei Realkonkurrenz von Taten, die vor und nach dem kritischen Alter begangen wurden, einzig das Erwachsenenstrafrecht angewendet (Art. 3 Abs. 2 JStG). Bei der Strafzumessung gilt eine gegen- über dem allgemeinen Schärfungsprinzip gemilderte Regel (Art. 49 Abs. 3 StGB, P OPP/KESHELAVA, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I,
4. Aufl., Basel 2019, N 5 zu Art. 9). Es ist nicht einzusehen, weshalb ein Täter, der bereits rechtskräftig nach Jugendstrafrecht verurteilt worden ist und bei welchem nun Delikte nach Vollendung des 18. Altersjahres zu beurteilen sind, welche er vor dieser Verurteilung begangen hat, anders behandelt werden sollte, als derje- nige Täter, bei welchem gleichzeitig Delikte zu beurteilen sind, die er vor und nach Vollendung des 18. Altersjahres begangen hat. Damit muss es aber auch im vorliegenden Fall, in welchem der Beschuldigte bereits rechtskräftig zu einem Freiheitsentzug von 6 Monaten verurteilt worden ist, möglich sein, im Sinne von
Art. 49 Abs. 3 StGB eine Zusatzstrafe zum Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Winterthur vom 27. Oktober 2021 auszufällen.
2.4.2 Der Deliktsvorwurf des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG sieht einen Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor. Angesichts der Vorstrafen des Beschuldigten (Urk. 82 ) stellte sich zwar ernsthaft die Frage, inwieweit er sich von der Aussprechung einer Geldstrafe beeindrucken liesse, und ob deswegen nicht gemäss Art. 41 Abs. 1 StGB eine kurze Freiheitsstrafe angemessen wäre. Nach- dem aber die Vorinstanz hierfür eine Geldstrafe aussprach (Urk. 79 S. 41 f.) verbietet das Verbot der reformatio in peius gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO die Aussprechung einer Freiheitsstrafe für diesen Vorwurf. Eine Zusatzstrafe zur Verurteilung durch das Jugendgericht kommt auf der Ungleichartigkeit der Strafen nicht in Frage.
Somit ist einerseits für die Deliktsvorwürfe des Raubes und der räuberischen Erpressung zusammen mit den Deliktsvorwürfen, welche Gegenstand der Verurteilung durch das Jugendgericht bildeten, eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bil- den. Andererseits ist für die Vorwürfe des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB, die eine Maximalstrafe von 30 Tagessätzen Geldstrafe aufweist, eine Gesamtgeldstrafe zu bilden. Die Strafschärfungsgründe der Deliktsmehrheit (Art. 49 Abs. 1 StGB) sind dabei innerhalb des jeweiligen ordentlichen Strafrahmens erhöhend zu berücksichtigen.
Innerhalb der Delikte, für welche eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist, wiegen die Taten, welche der Beschuldigte als Erwachsener begangen hat, am schwersten.
2.4.4.1 Raub im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB weist einen ordentlichen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren auf. Im Falle der räuberischen Erpressung im Sinne von Art. 156 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 156 Ziff. 3 StGB verweist das Gesetz bezüglich der Strafe ebenfalls auf Art. 140 StGB, womit der Strafrahmen identisch ist. Dementsprechend ist
für diese Deliktsvorwürfe von einem ordentlichen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen, zumal keine ausserordentlichen Umstände vorliegen, die ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens als angezeigt erscheinen lassen.
2.4.4.2. Hinsichtlich der Frage, welcher der beiden Deliktsvorwürfe praktisch als der schwerere zu bezeichnen sei und damit für die Festlegung der Einsatzstrafe heranzuziehen sei, hielt die Vorinstanz fest, beim Raub und der räuberischen Erpressung handle es sich im gegebenen Fall insofern um zusammenhängende Taten, als seitens des Beschuldigten vor allem zu Beginn des Tatgeschehens Drohungen nötig gewesen seien, um die Geschädigten einzuschüchtern. Zum Zeitpunkt der Begehung der räuberischen Erpressung seien die Drohungen bereits mehrheitlich realisiert gewesen bzw. es seien diejenigen Drohungen nochmals wiederholt worden, die bereits im Rahmen des Raubes zum Einsatz gekommen seien, namentlich insbesondere die Androhung von Schlägen. Somit sei die Intensität der Drohungen beim Raub höher als bei der räuberischen Erpressung gewesen, weswegen der Raub die schwerste Straftat darstelle (Urk. 79 S. 34). Dazu ist zu bemerken, dass die Frage der schwersten Straftat einzig nach dem abstrakten Strafrahmen zu beantworten ist, weswegen unter diesem Aspekt beide Tatvorwürfe gleich schwer wiegen. Für die nachfolgend zu behandelnde konkrete Strafzumessung erscheint die seitens der Vorinstanz gewählte Herangehensweise aber durchaus praktikabel.
Strafzumessung im engeren Sinne
Zumessungsgrundsätze
Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB).
Das Bundesgericht hat in seiner jüngsten Rechtsprechung die Regeln zur Strafzumessung modifiziert und dabei das nachfolgend skizzierte Modell vorgegeben (BGE 136 IV 55 ff., 59 ff., m.w.H.):
Dem (subjektiven) Tatverschulden kommt bei der Strafzumessung eine entscheidende Rolle zu. Ausgehend von der objektiven Tatschwere hat der Richter dieses Verschulden zu bewerten. Er hat im Urteil darzutun, welche verschul- densmindernden und welche verschuldenserhöhenden Gründe im konkreten Fall gegeben sind, um so zu einer Gesamteinschätzung des Tatverschuldens zu gelangen. Der Gesetzgeber hat einzelne Kriterien aufgeführt, welche für die Verschuldenseinschätzung von wesentlicher Bedeutung sind und allenfalls bewirken können, das Verschulden als derart gering einzustufen, dass eine Strafe unterhalb des ordentlichen Strafrahmens geboten ist. So trifft etwa – neben einer allfällig verminderten Schuldfähigkeit – denjenigen ein geringerer Schuldvorwurf, dem lediglich eventualvorsätzliches Handeln anzulasten ist (Art. 12 Abs. 2 StGB). Das StGB selbst erwähnt verschiedene Umstände, die das Verschulden reduzieren können: Wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen, in schwerer Be- drängnis unter dem Eindruck einer schweren Drohung gehandelt hat; ebenso wenn sein Handeln durch eine Person, der er Gehorsam schuldet von der er abhängig ist, veranlasst worden ist (Art. 48 lit. a StGB). Im gleichen Sinne ist von einem minderen Verschulden auszugehen, wenn der Täter durch das Verhalten der verletzten Person ernsthaft in Versuchung geführt worden ist (Art. 48 lit. b StGB), wenn er in einer heftigen Gemütsbewegung unter grosser seelischer Belastung (Art. 48 lit. c StGB) gehandelt hat. Ein reduziertes Verschulden trifft auch denjenigen, der die Tat durch Unterlassung begeht (Art. 11 Abs. 4 StGB). Zu nennen sind schliesslich die entschuldbare Notwehr (Art. 16 Abs. 1 StGB) und der entschuldbare Notstand (Art. 18 Abs. 1 StGB), der vermeidbare Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 StGB), der Rücktritt (Art. 23 Abs. 1 StGB) und die Gehilfenschaft (Art. 25 StGB). In all diesen Fällen liegen Sachverhaltselemente vor, die sich verschuldensmindernd auswirken, was zu einer milderen Strafe führt. Auf der anderen Seite sind Umstände denkbar, welche das Tatverschulden erhöhen und namentlich die wegen der reduzierten Einsichtsbzw. Steuerungsfähigkeit des Täters geringere Schuld wieder auszugleichen vermögen. Zu erwähnen ist beispielsweise ein verwerfliches Motiv.
Gemäss Lehre und Rechtsprechung sind auch weitere Umstände zu berücksichtigen, nämlich das Ausmass des verschuldeten Erfolges, die Art und Wei-
se der Herbeiführung des Erfolges (Deliktsbetrag, Gefährdung/Risiko, Zahl der Verletzten, körperliche und psychische Schäden beim Opfer, Sachschaden etc.), die Willensrichtung, mit welcher der Täter gehandelt hat, das Mass an Entschei- dungsfreiheit beim Täter sowie die sogenannte Intensität des deliktischen Willens (HEIMGARTNER, a.a.O., N 11 zu Art. 47, m.w.H.). Je leichter es für ihn gewesen wäre, die Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen sie (Urteile des Bundesgerichtes 6S.270/2006 vom 5. September 2006, E. 6.2.1., 6S.43/2001 vom 19. Juni 2001, E. 2., und 6S.333/2004 vom 23. Dezember 2004,
E. 1.1.; BGE 122 IV 241 und Pra 2001 S. 832 lit. a; STRATENWERTH, Schweizeri-
sches Strafrecht, AT II, 3. Aufl., Bern 2020, S. 185 f. N 13; WIPRÄCHTIGER/KELLER, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar Strafrecht I, a.a.O., N 85, 117 zu Art. 47; TRECHSEL/THOMMEN, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], a.a.O., N 21 zu Art. 47). Auch die Grösse des Tatbeitrages (bei mehreren Tätern) und die hierarchische Stellung sind von Bedeutung (WIPRÄCHTIGER/KELLER, a.a.O., N 90 ff., v.a. N 108 zu Art. 47; TRECHSEL/THOMMEN, a.a.O., N 18 ff. zu Art. 47; HEIMGARTNER, a.a.O.,
N 8 zu Art. 47, m.w.H.).
In diesem Zusammenhang ist auch das Doppelverwertungsverbot zu beachten. Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht für die konkrete Strafzumessungsentscheidung innerhalb des anzuwenden- den gesetzlichen Strafrahmens berücksichtigt werden, weder zulasten noch zugunsten des Täters. Denn die Tatbestandserfüllung als solche hat sich bereits im Eröffnen des gesetzlichen Strafrahmens niedergeschlagen und ist in ihrer Bedeutung für die Strafmassfindung insoweit verbraucht, sonst würde dem Täter der gleiche Umstand zwei Mal zur Last gelegt zu Gute gehalten. Der Richter ist aber nicht gehindert zu berücksichtigen, in welchem Ausmass ein qualifizierender privilegierender Tatumstand gegeben ist (vgl. W IPRÄCHTIGER/KELLER, a.a.O., N 102 zu Art. 47; TRECHSEL/THOMMEN, a.a.O., N 27 zu Art. 47).
Es liegt im Ermessen des Sachrichters, in welchem Umfang er die verschie- denen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Gericht ist nicht gehalten, in Zahlen Prozenten anzugeben, wie es die einzelnen Strafzumessungskriterien berücksichtigt (BGE 136 IV 55 ff., 61, m.w.H.).
Das Gesamtverschulden ist zu qualifizieren und mit Blick auf Art. 50 StGB im Urteil ausdrücklich zu benennen, wobei von einer Skala denkbarer Abstufungen nach Schweregrad auszugehen ist. Hierauf ist in einem zweiten Schritt innerhalb des zur Verfügung stehenden Strafrahmens die (hypothetische) Strafe zu bestimmen, die diesem Verschulden entspricht.
Die so ermittelte Strafe kann dann gegebenenfalls in einem dritten Schritt aufgrund wesentlicher Täterkomponenten sowie wegen eines allfälligen blossen Versuchs im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB verändert werden (BGE 136 IV 55 ff., 62 f., m.w.H.).
Zu den Täterkomponenten (z.B. die persönlichen Verhältnisse, Vorstrafen, Leumund) gehört auch das Nachtatverhalten eines Täters. Darunter fällt das Verhalten nach der Tat sowie im Strafverfahren, wie zum Beispiel ein Geständnis, das kooperative Verhalten eines Täters bei der Aufklärung von Straftaten sowie die Einsicht und Reue wirken strafmindernd (WIPRÄCHTIGER/KELLER, a.a.O.,
N 120 ff. zu Art. 47, m.w.H; vgl. auch TRECHSEL/THOMMEN, a.a.O., N 32 zu Art. 47).
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts ergibt sich, dass nur ein ausgesprochen positives Nachtatverhalten zu einer erheblichen Strafreduktion führen kann. Zu einem solchen gehört ein umfassendes Geständnis von allem Anfang an und aus eigenem Antrieb, also nicht erst auf konkrete Vorwürfe hin nach Vorhalt entsprechender Beweise. Ein Verzicht auf Strafminderung kann sich allenfalls aufdrängen, wenn das Geständnis die Strafverfolgung nicht erleichtert hat, weil die Täterschaft ohnehin bereits überführt gewesen wäre. Bei umfangreichen und prozessentscheidenden Geständnissen kann die Strafreduktion nach der bundesgerichtlichen Praxis hingegen bis zu einem Drittel betragen (BGE 121 IV 202 ff., 205).
Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB ist bei der Strafzumessung die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berücksichtigen. Angesprochen ist damit die Strafempfindlichkeit eines Täters. Das Bundesgericht hat ausgeführt, die Strafempfindlichkeit und Strafempfänglichkeit fielen als strafmindernde Strafzumessungsfaktoren nur in Betracht, wenn Abweichungen vom Grundsatz einer einheitlichen Leidempfindlichkeit geboten seien, wie etwa bei Gehirnverletzten, Schwerkranken, unter Haftpsychosen Leidenden Gehörlosen (Urteil 6S.703/1995 vom 26. März 1996).
Vorstrafenlosigkeit ist gemäss Bundesgericht neutral zu behandeln, also bei der Strafzumessung nicht zwingend strafmindernd zu berücksichtigen. Dies schliesst nicht aus, die Vorstrafenlosigkeit ausnahmsweise – wenn die Straffreiheit auf aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist – und im Einzelfall in die Gesamtbeurteilung der Täterpersönlichkeit einzubeziehen, was sich allenfalls strafmindernd auswirken kann (BGE 136 IV 1 ff., 3).
Strafreduzierend kann sich auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebots auswirken.
Vorgehen
Nachfolgend wird zunächst die vom Beschuldigten gesetzte objektive Tatschwere und das subjektive Verschulden aufgrund der konkreten Verhältnisse beurteilt (Tatkomponente). Vorweg ist das Verschulden für den Raub, den der Beschuldigte als Erwachsener begangen hat, zu würdigen. Im Anschluss ist das Verschulden für die weiteren Delikte einzeln zu prüfen. Darauf werden weitere Aspekte dargestellt, welche keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den verübten Taten aufweisen (Täterkomponente), und schliesslich wird eine Gesamtwürdigung vorge- nommen. Es versteht sich dabei von selbst, dass der Strafzumessung derjenige Sachverhalt zugrunde zu legen ist, welcher durch das vorstehend dargelegte Beweisergebnis erstellt ist (vgl. zur Strafzumessung: MATHYS, Zur Technik der Strafzumessung, SJZ 100 [2004] Nr. 8 S. 173 ff.; ders., Leitfaden Strafzumessung, 2.
Aufl., Basel 2019, N 53 ff.).
Tatkomponente
Raub
Objektive Tatschwere
Bezüglich der Tatausführung wendeten der Beschuldigte und seine Mittäter als Nötigungsmittel weniger körperliche Gewalt als vielmehr verbale Drohungen gegenüber den Geschädigten an. Physische Gewalt im Sinne einer leichten Tätlichkeit ist lediglich in der Situation festzustellen, als der Beschuldigte dem Geschä- digten B. seinen Arm mit Druck auf die Schultern bzw. um den Hals legte. Auch Waffen wurden keine eingesetzt. Den Geschädigten wurden dabei grösstenteils lediglich Schläge angedroht, wobei aber immerhin einmal vom Beschuldigten die Drohung geäussert wurde, den Geschädigten B. abzustechen, was schwerer wiegt, zumal dem Geschädigten damit vorgegaukelt wurde, man verfüge auch über ein Messer. Die zur Durchführung eines Raubs notwendige Gewalteinwirkung bewegte sich daher im unteren Bereich des Möglichen. Allerdings suchten sich der Beschuldigte und seine Mittäter Opfer aus, die ihnen physisch wie auch zahlenmässig unterlegen waren, so dass gar keine härtere Vorgehensweise seitens der Täter notwendig war zur Erzielung des Taterfolgs. Die – wie die Mitttäter des Beschuldigten – noch minderjährigen Opfer waren durch die für sie bedrohliche Situation umso leichter zu beeindrucken, als dies wohl bei etwas älteren Personen der Fall gewesen wäre. Die Tat erstreckte sich auch über einen gewissen Zeitraum, wodurch die Möglichkeit, dass sie sich für die Opfer traumatisierend auswirkte, umso grösser wurde. So wurden die Geschädigten unter wie- derholter Androhung körperlicher Gewalt dazu gezwungen, mit den Tätern an ei- nen leicht abgelegenen Ort zu gehen, wo sonst niemand war. Umkreist von den zahlenmässig überlegenen Tätern waren sie der Situation zumindest ihrer Empfindung nach hilflos ausgesetzt. Das ganze Vorgehen des Beschuldigten und sei- ner Mittäter manifestiert damit doch eine nicht unbeträchtliche kriminelle Energie. Der Beschuldigte agierte dabei als Anführer, indem er nicht nur die Opfer aussuchte und den Raub initiierte, sondern schlussendlich auch das ganze Deliktsgut erhielt. Der Deliktsbetrag des Raubs war mit einer Höhe von circa Fr. 15.– sehr
gering. Insgesamt ist die objektive Tatschwere innerhalb des weiten Strafrahmens als noch leicht zu bezeichnen.
Subjektives Verschulden
Das Tatmotiv des Beschuldigten war rein finanzieller Art. Er befand sich auf der Flucht aus dem Massnahmenzentrum Uitikon und verfügte deshalb über kein Geld. Dieses Problem wollte er mittels des Raubes und nachfolgend der räuberischen Erpressung lösen. Sein Motiv war mithin rein egoistisch, waren seine finanziellen Probleme doch gänzlich selbst verschuldet, indem er seine Flucht jederzeit hätte abbrechen und ins Massnahmenzentrum zurückkehren können. Dabei setzte er seine eigenen Bedürfnisse in skrupelloser Weise vor das Befinden und die Vermögensinteressen der Geschädigten, wobei ihm zweifellos klar war, dass diese eine solche Tat nicht einfach so ohne Weiteres wegstecken konnten. Das Ziel des Beschuldigten war die Erbeutung von so viel Geld wie möglich, zumal es rei- ner Zufall war, dass die Geschädigten nur wenig Bargeld mit sich führten. Eine lange Planung dürfte der Tat nicht vorausgegangen sein, sondern es ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte sich erst kurz vor der Tatausführung gemeinsam mit seinen Mittätern zur Tatbegehung entschloss. Insgesamt vermögen die subjektiven Zumessungsgründe die objektive Tatschwere jedenfalls nicht zu relativieren und es ist objektiv wie subjektiv von einem noch leichten Verschulden auszugehen.
Fazit
Sowohl von den objektiven wie auch von den subjektiven Zumessungsgründen her ist beim Raub von einem noch leichten Verschulden auszugehen. Die Einsatzstrafe ist bei 12 Monaten Freiheitsstrafe festzusetzen.
Räuberische Erpressung
Objektive Tatschwere
Die Nötigungshandlungen bezüglich der räuberischen Erpressung stellten eine Fortsetzung dessen statt, wie der Beschuldigte und seine Mittäter beim Raub vor-
gegangen waren. Weiterhin wurden den Geschädigten Schläge angedroht für den Fall, dass sie nicht kooperierten. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden (Erw. 4.1.1.). Zudem drohte der Beschuldigte dem Geschädigten C. beim Bankomaten, überall wären Kollegen von ihm, um ihn von der Flucht abzuhalten. Dass nicht schwerere Drohungen wie diejenige, einen der Geschädigten mit dem Messer abzustechen, notwendig waren, hängt massgeblich davon ab, dass die Geschädigten bereits eingeschüchtert waren. Hinsichtlich der Auswirkungen der Tat auf die Geschädigten ist zu bemerken, dass die gesamte Dauer beider Delikte aufgrund der Deliktsdauer der räuberischen Erpressung deutlich verlängert wurde. So teilten sich die Täter zur Tatausführung teilweise auf. Während der Beschuldigte mit dem Geschädigten C. zum Bankomaten ging, blieben die Mitbeschuldigten bei den beiden anderen Geschä- digten, um diese an der Flucht zu hindern. Die gefühlt wehrlosen Geschädigten waren dabei den Tätern ausgeliefert, wobei für sie nicht absehbar war, wie lange die Tat noch andauern würde und ob sie diese körperlich unversehrt überstehen würden nicht. Dass ein solches Vorgehen umso mehr geeignet ist, jugendliche Opfer zu traumatisieren als eine kurze, schnelle Tatausführung, liegt auf der Hand. Auch hier manifestierte das Vorgehen des Beschuldigten und seiner Mittäter eine nicht unbeträchtliche kriminelle Energie. Der erbeutete Betrag war mit
Fr. 670.– – wovon Fr. 270.– durch Abhebung am Bankomaten und Fr. 400.– durch Überweisung via Twint – zwar klar höher als beim Raub, doch ist er immer noch eher klein im Vergleich mit anderen räuberischen Erpressungen, bei denen Opfer gezwungen werden, Geld vom Bankomaten abzuheben. Bei der erzwunge- nen Geldabhebung am Bankomat lag die Führungsrolle unter den Tätern wiederum beim Beschuldigten, der die Kontrolle des Geschädigten C. übernahm, während die Federführung bei der Twint-Überweisung bei den Mittätern lag. Selbst das auf letztere Weise erbeutete Geld wurde aber schliesslich dem Beschuldigten übergeben, was seine Führungsrolle verdeutlicht. Insgesamt ist die objektive Tatschwere innerhalb des weiten Strafrahmens als noch leicht zu bezeichnen.
Subjektives Verschulden
Hinsichtlich des subjektiven Verschuldens gilt dasselbe wie beim Raub, weswegen grundsätzlich auf jene Ausführungen verwiesen werden kann (Erw. 4.1.2.). Anzumerken ist, dass der Beschuldigten und seine Mittäter ihr Ziel, möglichst viel Geld zu erbeuten, dadurch manifestierten, dass sie sehr hartnäckig vorgingen. So forderte der Beschuldigte den Geschädigten C. am Bankomaten auf, den Maximalbetrag abzuheben. Bei den Twint-Überweisungen nötigten die Mittäter die Geschädigten nach einer ersten erfolgreichen Überweisung, die Limite im E- Banking heraufzusetzen, um höhere Überweisungen zu ermöglichen. Und auch danach kam es noch zu weiteren Fehlversuchen. Auch wenn die Idee zu dieser Variante der Tatausführung nicht vom Beschuldigten, sondern von seinen Mittätern kam, so verdeutlicht seine Beteiligung daran doch seine Absicht auf einen möglichst hohen Deliktsbetrag. Die Idee, nach vollendetem Raub noch die räuberische Erpressung samt entsprechender Arbeitsteilung durchzuführen, fand ohne grosse Planung statt, sondern erfolgte spontan vor Ort aufgrund des Ziels einer grösseren Deliktsbeute. Insgesamt vermögen die subjektiven Zumessungsgründe die objektive Tatschwere jedenfalls nicht zu relativieren und es ist objektiv wie subjektiv von einem noch leichten Verschulden auszugehen.
Fazit
Sowohl von den objektiven wie auch von den subjektiven Zumessungsgründen her ist bei der räuberischen Erpressung von einem noch leichten Verschulden auszugehen. Die Strafe ist bei 12 Monaten Freiheitsstrafe festzusetzen.
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Objektive Tatschwere
Gemäss erstelltem Sachverhalt fand der Beschuldigte zufällig ein Säckchen mit weissem Pulver – vorliegend rund 11.5 Gramm Kokaingemisch bzw. 8.5 Gramm reines Kokain – und nahm dieses an sich. Das Kokain gelangte nicht weiter in den Verkehr, sondern wurde danach sichergestellt. Innerhalb des Strafrahmens für Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz von einer Geldstrafe bis zu drei
Jahren Freiheitsstrafe ist von einer sehr leichten objektiven Tatschwere auszugehen und die Einsatzstrafe auf 20 Tagessätze Geldstrafe festzusetzen.
Subjektives Verschulden
In subjektiver Hinsicht hatte der Beschuldigte keine klare Vorstellung, was er mit den gefundenen Betäubungsmitteln machen wollte, wobei zufolge fehlender ge- nauer Kenntnis bezüglich Art und Menge der Betäubungsmittel lediglich Eventualvorsatz anzunehmen ist. Letzterer ist verschuldensmindernd zu veranschlagen. Unter Mitberücksichtigung auch der subjektiven Zumessungsgründe ist weiterhin von einem sehr leichten Verschulden auszugehen. Die Einsatzstrafe ist auf 15 Tagessätze Geldstrafe zu senken.
Hinderung einer Amtshandlung
In objektiver Hinsicht missachtete der Beschuldigte die einmalige Aufforderung einer Beamtin der Kantonspolizei Zürich, stehenzubleiben. Darauf musste ihn die Polizeipatrouille verfolgen, um ihn festnehmen zu können. In subjektiver Hinsicht handelte der Beschuldigte mit dem direkten Vorsatz, sich der Personenkontrolle zu entziehen. Innerhalb des sehr tiefen Strafrahmens des Tatbestands der Hinderung einer Amtshandlung von maximal 30 Tagessätzen Geldstrafe ist in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht ein nicht mehr leichtes Verschulden anzunehmen und die Strafe auf 7 Tagessätze Geldstrafe zu bemessen.
Asperation
Freiheitsstrafe
Die räuberische Erpressung stellt wie gezeigt gewissermassen die Fortsetzung des Raubs dar, wobei die Nötigungsmittel des Raubs auch die Durchführung der räuberischen Erpressung mitbewirkten. Es erscheint daher aufgrund des engen Konnexes angemessen, von den 12 Monaten Freiheitsstrafe für die räuberische Erpressung lediglich die Hälfte für die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe zu berücksichtigen. Die Einsatzstrafe von 12 Monaten für den Raub ist daher um 6 Mo- nate für die räuberische Erpressung auf 18 Monate Freiheitsstrafe zu erhöhen.
Für die Delikte, welche durch das Jugendgericht des Bezirks Winterthur unter an- derem mit 6 Monaten Freiheitsentzug abgeurteilt wurden, rechtfertigt sich eine weitere Erhöhung um vier Monate auf 22 Monate Freiheitsstrafe.
Geldstrafe
Die Deliktsvorwürfe des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und die Hinderung einer Amtshandlung erfolgten zwar im selben Zeitpunkt, waren jedoch unabhängig voneinander. Für die Bildung der Gesamtgeldstrafe erscheint es angemessen, die 15 Tagessätze Geldstrafe um 5 Tagessätze für die Hinderung ei- ner Amtshandlung zu erhöhen auf insgesamt 20 Tagessätze Geldstrafe.
4.6. Fazit bezüglich Tatkomponente
Insgesamt ist das Tatverschulden des Beschuldigten bei der Freiheitsstrafe sowohl von der objektiven Tatschwere her wie auch unter Berücksichtigung seines subjektiven Verschuldens ausgehend von einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren als nicht mehr leicht zu qualifizieren. Gestützt auf die erwähnten Faktoren nach Würdigung der Tatkomponente gelangt man somit zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Im Bereich der Geldstrafe ist von einem sehr leichten Verschulden auszugehen, woraus eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen Geldstrafe resultiert.
Täterkomponente
Geständnis/Reue und Einsicht
Bezüglich der Tatvorwürfe des Raubes und der räuberischen Erpressung ist der Beschuldigte zwar in weiten Teilen des Anklagesachverhalts gestän- dig, er bestritt jedoch noch vor Vorinstanz mehrere relevante Sachverhaltsmerkmale, so dass der Anklagesachverhalt detailliert erstellt werden musste. Anzumerken ist, dass, soweit der Beschuldigte geständig ist, ein gänzliches Bestreiten angesichts der klaren Beweislage seit Beginn der Untersuchung indes auch wenig Sinn ergeben hätte. Sodann ist festzuhalten, dass der Beschuldigte nie wirkliche Reue zeigte. Vielmehr bagatellisierte er die gegenüber den Geschädigten geäus-
serten Drohungen wiederholt. Die vor Vorinstanz gemachte Aussage, erst die Gerichtsverhandlung vom 27. Oktober 2021 am Jugendgericht des Bezirks Winterthur habe ihm die Augen geöffnet, damals sei ihm erstmals erklärt worden, dass ihm beim nächsten Delikt eine Landesverweisung drohe (Prot. I S. 12), ver- deutlicht, dass er nicht die Tat, sondern vielmehr die daraus erwachsenden negativen Konsequenzen für ihn selbst bedauert (vgl. auch Prot. II S. 18). Insgesamt ist das Geständnis im Bereich der Freiheitsstrafe nur leicht strafmindernd zu berücksichtigen.
Vollumfänglich geständig zeigte sich der Beschuldigte demgegenüber bei den vergleichsweisen Bagatellvorwürfen des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Hinderung einer Amtshandlung. Auch wenn ihm angesichts der sehr klaren Beweislage kaum etwas anderes übrig blieb, so ist ihm bei der Geldstrafe doch strafmindernd anzurechnen, dass er diese Tatvorwürfe voll- umfänglich eingestand und damit das Verfahren entsprechend erleichterte.
Vorstrafen/ Delinquieren trotz laufender Untersuchung
Der Beschuldigte wurde mit Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 6. Februar 2020 wegen Hinderung einer Amtshandlung, Übertretung des Betäubungsmittelgesetztes und geringfügigen Diebstahls verurteilt und mit einer Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu Fr. 30.–, bedingt vollziehbar unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren, und einer Busse von Fr. 500.– bestraft (Urk. 82). Dabei wurde fälschlicherweise angenommen, der Beschuldigte sei schon volljährig und dementsprechend wurde Erwachsenenstrafrecht angewendet, was angesichts der geringen Sanktion allerdings von nicht allzu grosser Bedeutung ist. Weiter wurde der Beschuldigte mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft See / Oberland vom 30. März 2020 der Schändung, des Diebstahls und des Versuchs dazu, der Hehlerei sowie der mehrfachen Sachbeschä- digung verurteilt. Dabei wurde eine persönliche Betreuung im Sinne von
Art. 13 JStG angeordnet und der Beschuldigte wurde mit einer persönlichen Leistung von 20 Tagen bestraft (Urk. 1/23/12 S. 2). Die Vorstrafen sind straferhöhend zu berücksichtigen.
Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Winterthur vom 27. Oktober 2021 des Raubes, des Raufhandels sowie der Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Dabei wurden eine ambulante Behandlung und eine Unterbringung des Beschuldigten angeordnet. Zudem wurde er mit einem Freiheitsentzug von 6 Monaten und einer Busse von Fr. 100.– bestraft (Urk. 82). Diese Verurteilung stellt gegenüber den vorliegend zu beurteilenden Vorwürfen keine Vorstrafe dar, da jenes Urteil erst nach diesen erging. Zum damals zu beurteilenden Raub kam es am 1. April 2020, indem der Beschuldigte gemeinsam mit zwei Mittätern von drei jugendlichen Opfern verschiedene Vermögenswerte erbeutete, wobei er gewaltbereit und rücksichtslos vorging (vgl. Urteil DJ210003-K,
S. 22). Der Beschuldigte wurde nach Verübung jenes Delikts verhaftet und darauf ins Massnahmenzentrum Uitikon, MZU, eingewiesen. Am 30. März 2021 wurde Anklage gegen ihn erhoben, womit er Kenntnis von der ihm drohenden Strafe hatte. Die vorliegend zu beurteilenden Taten beging er am 14. August 2021 bzw. am
16. September 2021, wobei er anlässlich des Raubs und der räuberischen Erpressung auf der Flucht aus dem MZU war. Der Beschuldigte delinquierte somit während laufenden Verfahrens und in Kenntnis einer Anklage wegen zumindest eines einschlägigen Vorwurfs. Dieses Verhalten zeugt von der Uneinsichtigkeit des Beschuldigten, der sich vom laufenden Verfahren und von der seitens der Jugendanwaltschaft beantragten Strafe offensichtlich nicht beeindrucken liess. Das Delinquieren trotz laufender Untersuchung ist straferhöhend zu berücksichtigen.
Persönliche Verhältnisse/Vorleben
Bezüglich seiner persönlichen Verhältnisse und seines Vorlebens fin- den sich einerseits Angaben in den Beizugsakten des Jugendgerichts des Bezirks Winterthur und andererseits machte der Beschuldigte Aussagen in der Untersuchung und vor Vorinstanz des vorliegenden Verfahrens (Prot. I S. 10 ff.). Der Beschuldigte kam am 1. Januar 2014 im Alter von 11 Jahren im Rahmen eines Familiennachzuges mit seiner älteren Schwester zu seinem hier lebenden Vater und dessen neuer Familie in die Schweiz. Neben dem derzeit fehlenden Kontakt zu seiner Mutter, die im Sudan lebt, ist auch die Beziehung zum Vater sehr ambivalent. Aus den Beizugsakten des Bezirksgerichts Winterthur ergibt sich, dass sich
der Beschuldigte im Laufe seiner bisherigen Biografie wiederholt mit Kontaktabbrüchen konfrontiert sah, wodurch es an konsistenten Bindungen zu erwachsenen Bezugspersonen fehlte. Einige Zeit lang wurde eine sozialpädagogische Familienbegleitung eingesetzt, jedoch verschwand der Beschuldigte immer wieder und lebte dann ab Mai 2017 im F. [Sozialeinrichtung]. Auch von dort war er aber wiederum die meiste Zeit auf der Flucht. In der Folge kam er in die geschlossene Durchgangsstation G. (G. ) und sodann ins Zentrum
H. in I. , wo er jeweils ebenfalls auf Kurve ging. Im August 2018 kam der Beschuldigte dann erstmals ins Massnahmenzentrum Uitikon, bevor er nach einigen Monaten ins Jugendheim J. wechselte, von wo er wiederum flüchtete. Dieses Muster wiederholte sich auch bei seinem folgenden Aufenthalt in einer pädagogischen Wohngruppe in K. . Daraufhin kam der Beschuldigte ins Gefängnis Limmattal, bevor er zwischenzeitlich nach Hause konnte. In der Folge wurde er erneut verhaftet und am 31. August 2020 vorsorglich wieder ins MZU eingewiesen. Die im Leben des Beschuldigten fehlende Struktur, die fehlende Einflussnahme und Kontrolle durch erwachsene Bezugspersonen sowie die erfahrene soziale Unzuverlässigkeit im Kreise der Familie führten unter anderem zu ei- ner gutachterlich festgestellten erzieherischen Fehlentwicklung. Das familiäre und soziale Umfeld des Beschuldigten war teils von Streit und Gewalt sowie einer Suchtmittelproblematik geprägt, zudem schloss sich der Beschuldigte älteren, deliktsnahen Peers mit einem unstrukturierten und ziellosen Tagesablauf an. In den letzten Jahren kam es – auch bedingt durch seinen langen Aufenthalt in verschie- denen Gefängnissen, Durchgangsstationen, Jugendheimen sowie im MZU – zu weiteren Wechseln und Beziehungsabbrüchen. Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung ergänzte der Beschuldigte, er habe im Gefängnis Affoltern zur Schule gehen können und dort den Aufnahmetest für das 10. Schuljahr bestan- den. Dieses würde er gerne absolvieren und hernach eine Lehre als Maler machen (Prot. II S. 15 f.).
Das Vorleben des Beschuldigte präsentiert sich mithin ambivalent. Die Vorinstanz rechnete ihm dieses strafmindernd an (Urk. 79 S. 39). Dazu ist zu bemerken, dass die betreffenden familiären und sozialen Schwierigkeiten des Beschuldigten für ihn zweifellos belastend waren und sind. Andererseits zeigte sich
bereits in Form seiner zahlreichen Fluchten aus Massnahmen seine soeben skizzierte Uneinsichtigkeit gegenüber behördlichen bzw. strafrechtlichen Massnahmen in den letzten Jahren kurz vor und nach Erlangen der Mündigkeit. So vereitelte er die Möglichkeit des Entstehens einer Bindung an erwachsene Personen und einen festen Ort zufolge seiner Fluchten jeweils auch selbst. Insgesamt sind seine familiären und sozialen Probleme, die sich wie ein roter Faden durch die Jugend des Beschuldigten zogen, leicht strafmindernd zu berücksichtigen.
Die Vorinstanz wertete den Umstand leicht strafmindernd, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Begehung der Taten erst 18 Jahre alt war (Urk. 79 S. 39). Wie das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, mit Beschluss vom 14. Februar 2022 festhielt, wäre im vorliegenden Verfahren zwar grundsätzlich gemäss Art. 3 Abs. 2 JStG das Jugendstrafverfahren anwendbar gewesen, jedoch liegen besondere Umstände vor, aufgrund derer sich aus- nahmsweise die Anwendbarkeit der Erwachsenenstrafprozessordnung rechtfertigte (Beschluss UB220010-O vom 14. Februar 2022 [Urk. 1/14/28]). Die Verteidigung brachte vor Vorinstanz vor, dass der Beschuldigte bei der Anwendung der Jugendstrafprozessordnung wohl mit einer milderen Strafe zu rechnen gehabt hätte (Urk. 55 S. 16). Die Vorinstanz schloss sich dieser Argumentation an (Urk. 79 S. 39). Dem ist entgegenzuhalten, dass letztere Annahme rein spekulativ bleibt, ist doch im Falle, dass gleichzeitig eine vor und eine nach Vollendung des
18. Altersjahres begangene Tat zu beurteilen sind, hinsichtlich der Strafen nur das StGB anwendbar (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 JStG). Auch die Jugendanwaltschaft und das Jugendgericht wären für die Bemessung der Strafen der vorliegenden Delikte also vom selben Strafrahmen ausgegangen, wie es im Erwachsenenstrafprozess der Fall ist. Aus der Überlegung, ob im Falle der Beurteilung durch andere Behör- den in einem anderen Verfahren eventuell ein milderes Urteil ergangen wäre, kann mithin nichts abgeleitet werden. Der Umstand, dass der Beschuldigte im Zeitpunkt der Begehung der Taten erst 18 ¾ Jahre alt war, kann ihm aber mit der Vorinstanz doch leicht strafmindernd angerechnet werden.
Strafempfindlichkeit
Eine besondere Strafempfindlichkeit (Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters; Art. 47 StGB) ist beim Beschuldigten nicht gegeben. Es ist ihm mithin unter diesem Titel nichts zu Gute zu halten.
Verfahrensdauer/Zeitablauf
Das vorliegende Verfahren wurde sehr beförderlich geführt. Unter diesem Titel ist dem Beschuldigten daher nichts strafmindernd anzurechnen.
Fazit bezüglich Täterkomponente
Insgesamt sind mit den Vorstrafen und dem Delinquieren während laufender Probezeit zwei straferhöhende Zumessungskriterien im Rahmen der Täterkomponente festzustellen, während mit den persönlichen Verhältnissen, dem Vorleben und dem jugendlichen Alter drei leicht strafmindernde Kriterien zu Buche stehen. Die Täterkomponente ist daher insgesamt strafzumessungsneutral zu werten.
Tagessatzhöhe der Geldstrafe
Der Beschuldigte ist erwerbslos, er hat kein Vermögen und aus dem vorliegenden Verfahren werden für ihn aufgrund der ihn treffenden Verfahrenskosten vergleichsweise hohe Schulden resultieren. Es erscheint daher angemessen, die Tagessatzhöhe auf lediglich Fr. 30.– anzusetzen.
Gesamtwürdigung
Strafhöhe
In Würdigung sämtlicher dargelegter Strafzumessungsgründe erscheint eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten und eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen. Von der Freiheitsstrafe sind die rechtskräftig vom Jugendgericht des Bezirks Winterthur ausgefällten 6 Monate Freiheitsentzug in Abzug zu bringen, womit sich eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten, als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 27. Oktober 2021, ergibt.
Anrechnung von Untersuchungshaft und vorzeitigem Strafvollzug
Der Beschuldigte befand sich vom 2. Januar 2022 bis am 29. Juni 2022 in Untersuchungsbzw. Sicherheitshaft und ist seither im vorzeitigen Strafvollzug. Bis zum heutigen Datum, 28. Oktober 2022, hat er somit 299 Tage erstanden, was ihm auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist.
Vollzug
Die Vorinstanz ordnete an, dass sowohl die Freiheitsstrafe als auch die Geldstrafe zu vollziehen seien, da dem Beschuldigten keine positive Prognose gestellt wer- den könne (Urk. 79 S. 44). Diese Anordnung wurde vom Beschuldigten zu recht nicht angefochten, kann ihm doch aus unter Erw. 5.2.1 und Erw. 5.2.2 genannten Gründen, keine günstige Prognose mehr gestellt werden.
Landesverweisung
Ausgangslage
Die Vorinstanz sprach gestützt auf Art. 66a Abs. 1 lit. a StGB eine Landesverweisung für die Dauer von 5 Jahren aus und ordnete die Ausschreibung der Landeserweisung im Schengener Informationssystem an (Urk. 79 S. 52 f.; S. 59).
Die Verteidigung beantragt demgegenüber, es sei auf die Aussprechung ei- ner Landesverweisung zu verzichten (Urk. 106 S. 2).
Rechtliche Grundlagen
Die obligatorische Landesverweisung, die am 1. Oktober 2016 in Kraft trat, wird in Art. 66a StGB geregelt. Demnach hat das Gericht einen Ausländer, der wegen einer in Art. 66a Abs. 1 StGB genannten Katalogtat verurteilt wurde, für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz zu verweisen. Der Verweis wird unabhängig von
der Höhe der Strafe ausgesprochen und die Verhältnismässigkeit der Anordnung der Landesverweisung wird grundsätzlich nicht überprüft; die Landesverweisung ist also zwingend auszusprechen, es sei denn, besondere Umstände erlauben es, auf die Ausweisung zu verzichten (ZURBRÜGG/HRUSCHKA, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], a.a.O. Art. 66a N 25).
Solch besondere Umstände sind in Art. 66a Abs. 2 StGB verankert. Wann ein persönlicher Härtefall vorliegt, wird vom Gesetz nicht definiert. Der Entscheid wird in das Ermessen des Gerichtes gelegt, welches den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu beachten hat. Gemäss den Feststellungen des Bundesgerichts ist der Botschaft keine Definition der Härtefallklausel zu entnehmen und aus den parlamentarischen Debatten ergeben sich keine nützlichen Auslegungselemente. Je- doch geht daraus hervor, dass der Gesetzgeber die Ausnahmeklausel restriktiv regeln und das richterliche Ermessen soweit als möglich reduzieren wollte (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1.). Gemäss der Härtefallklausel kann ausnahmsweise von ei- ner obligatorischen Landesverweisung abgesehen werden, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Der besonderen Situation von Ausländern, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind, ist dabei Rechnung zu tragen. Als in der Schweiz aufgewachsen kann gelten, wer während fünf Jahren die obligatorische Schule besucht einen grossen Teil der früheren Kindheit in der Schweiz verbracht hat (ZURBRÜGG/HRUSCHKA, in: Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], a.a.O., Art. 66a N 124). Bei Personen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind, liegt jedoch nicht automatisch ein Härtefall vor. Ein solcher bestimmt sich nicht anhand von starren Altersangaben einer bestimmten Dauer der Anwesenheit, sondern setzt eine Einzelfallprüfung voraus, bei der die gängigen Integrationskriterien angewendet werden müssen (Urteil des Bundesgerichts 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 3.4.4). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann die Beurteilung eines Härtefalles kriteriengeleitet nach der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Härtefall gemäss Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 vorgenommen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_659/2018 vom 20. September 2018 E. 3.3.3.). Diese Kriterien sind insbesondere die Integration in der Schweiz, die Familienverhältnisse, die finanziellen Verhältnisse, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, der Gesundheitszustand sowie die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsland. Weitere Kriterien sind die Aufenthaltsdauer und die Resozialisierungschancen (Urteil des Bundesgerichts 6B_873/2018 vom 15. Februar 2019 E. 3.1.). Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen, wobei das Gericht auch vor Inkrafttreten des Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen darf (Urteile des Bundesgerichts 6B_651/2018 vom 17. Oktober 2018 E. 8.3.3; 6B_659/2018 vom 20. September 2018 E. 3.3.3, je mit Hinweisen). Härtefallbegründende Aspekte müssen grundsätzlich den Betroffenen selbst treffen. Treten sie bei Dritten auf, sind sie nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich zumindest indirekt auch auf den Betroffenen auswirken. In diesem Rahmen kön- nen namentlich auch die drohenden Nachteile für die Familie und insbesondere die Kinder der von einer Landesverweisung bedrohten Person berücksichtigt wer- den. Allerdings ist der Ausländer, der eine Katalogtat verübt, auch dann grundsätzlich des Landes zu verweisen, wenn er mit Kindern hier in der Schweiz lebt und einer Arbeit nachgeht. Um einen schweren persönlichen Härtefall annehmen zu können, müssen in der Regel weitere Kriterien hinzutreten, namentlich eine starke Verwurzelung in der Schweiz und/oder grosse Schwierigkeiten, sich im Heimatstaat privat und beruflich wieder zurechtzufinden (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. November 2018, SB180247-O, E. V.7). Allerdings sind auch die Situation im Heimatland des Beschuldigten und in diesem Zusammenhang auch mögliche Vollzugshindernisse zu berücksichtigen (Urteil des Bun- desgerichts 6B_651/2018 vom 17. Oktober 2018 E. 8.3.3.), auch wenn nicht per se von einem Härtefall auszugehen ist, solange die Vollzugshindernisse nicht direkt mit der betreffenden Person zusammenhängen (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2017, SB170246-O, E. 3.5).
Ist bei einer Gesamtbetrachtung dieser Kriterien von einem Härtefall auszugehen, so ist das private Interesse des bzw. der Beschuldigten am weiteren Verbleib in der Schweiz in einem zweiten Schritt dem konkreten öffentlichen (Sicherheits-)Interesse an der Landesverweisung gegenüberzustellen. Nur wenn dabei
das private das öffentliche Interesse überwiegt, ist ausnahmsweise von der Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung abzusehen (vgl. BUSSLIN- GER/UEBERSAX, Härtefallklausel und migrationsrechtliche Auswirkungen der Lan- desverweisung, in: plädoyer 5/16, S. 101 ff.). Die Sachfrage entscheidet sich mithin in einer Interessenabwägung nach Massgabe der öffentlichen Interessen an der Landesverweisung. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, sodass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwen- dig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters bzw. der Täterin für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_742/2019 vom 23. Juni 2020 E. 1.1.2; 6B_627/2018 vom 22. März
2019 E. 1.6.2; je mit Hinweisen).
Art. 66a Abs. 3 StGB ist an dieser Stelle nicht zu diskutieren, da die Taten weder in entschuldbarer Notwehr noch in entschuldbarem Notstand begangen wurde.
Art. 66a StGB sieht als Dauer der obligatorischen Landesverweisung einen Rahmen von 5 - 15 Jahren vor. Die Bemessung der Dauer im Einzelfall liegt im Ermessen des Gerichts, welches sich dabei insbesondere am Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu orientieren hat (Botschaft vom 26. Juni 2013 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes [BBl 2013 S. 5975 ff., 6021]).
Die Durchführbarkeit der Landesverweisung und ihre Vereinbarkeit mit völkerrechtlichen Garantien ist im Rahmen der strafgerichtlichen Anordnung zu prüfen, soweit sie definitiv bestimmbar ist. Im Übrigen ist dem (flüchtlingsrechtlichen) Non-Refoulement-Gebot und anderen völkerrechtlich zwingenden Bestimmungen auf der Ebene des Vollzugs Rechnung zu tragen, solange dies notwendig ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2).
Landesverweisungen gegenüber Ausländern aus Staaten, die nicht zum Schengen-Raum gehören, werden im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben, wenn davon auszugehen ist, dass die Anwesenheit der betreffenden Person im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates die öffentliche Sicherheit und Ord- nung gefährdet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist (Art. 24 Abs. 2 SIS-II-VO, vgl. Art. 96 Abs. 2 lit. a SDÜ). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Voraussetzung gemäss Art. 24 Ziff. 2 lit. a SIS-II-Verordnung erfüllt, wenn der entsprechende Straftatbestand eine Freiheitsstrafe im Höchstmass von einem Jahr mehr vorsieht. Im Sinne einer kumulativen Voraussetzung ist zudem zu prüfen, ob vom Beschuldigten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung ausgeht. Damit wird dem in Art. 21 SIS-II-Verordnung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip Rech- nung getragen. An die Annahme einer solchen Gefahr sind jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Nicht verlangt wird, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dass bei der Legalprognose zum Beispiel eine konkrete Rückfallgefahr verneint und die Strafe bedingt ausgesprochen wurde, steht einer Ausschreibung der Landesverweisung im SIS daher nicht entgegen. Ebenso wenig setzt Art. 24 Ziff. 2 SIS-II- Verordnung die Verurteilung zu einer schweren Straftat voraus, sondern es ge- nügen eine mehrere Straftaten, die einzeln betrachtet in ihrer Gesamtheit von einer gewissen Schwere sind, unter Ausschluss von blossen Bagatell- delikten. Entscheidend ist zudem nicht das Strafmass, sondern in erster Linie die Art und Häufigkeit der Straftaten, die konkreten Tatumstände sowie das übrige Verhalten der beschuldigten Person (Urteil des Bundesgerichts 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 [publ. BGE 147 IV 340] mit Verweis auf Urteil des Bundesgerichts 6B_739/2020 vom 14. Oktober 2020).
Subsumtion
Katalogtat einer obligatorischen Landesverweisung
Der Beschuldigte hat sich in Form des Raubs und der räuberischen Erpressung Katalogtaten nach Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB schuldig gemacht. Als Staatsangehöriger von Eritrea ist der Beschuldigte ein Ausländer, womit die Voraussetzungen für eine obligatorische Landesverweisung grundsätzlich erfüllt sind. Er ist somit des Landes zu verweisen, sofern kein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt und die Interessenabwägung zugunsten des Beschuldigten ausfällt.
Härtefallprüfung
Die amtliche Verteidigung machte geltend, der Beschuldigte sei im Su- dan geboren und aufgewachsen. Er habe im Sudan die Schule vom Kindergarten bis zur fünften Klasse besucht. Im Alter von 11 Jahren sei er im Rahmen des Familiennachzuges zusammen mit seiner älteren Schwester zum Vater in die Schweiz gekommen. Seit er 11 Jahre alt sei, habe der Beschuldigte in der Schweiz die Schulen besucht und habe seine prägendsten Jugendjahre in der Schweiz verbracht. Hier habe der Beschuldigte zunächst die L. Deutsch- Schule besucht und habe erstaunlich schnell Deutsch gelernt. Danach habe er die vierte bis sechste Klasse absolviert und die erste Sekundarklasse angefangen. Aufgrund von Problemen zuhause sei der Beschuldigte im Jahre 2017 von der KESB im F. fremdplatziert worden und sei dann von der Schule geflogen, weil er öfters zu spät gekommen sei wegen dem langen Weg. Im MZU habe der Beschuldigte während vier Monaten die Berufsschule als Maler EFZ besucht. Sein Vater, seine ältere Schwester, die Stiefmutter sowie seine Stiefgeschwister würden in der Schweiz leben. Seine Mutter, welche zuletzt im Sudan lebte, sei seit rund einem Jahr nicht mehr erreichbar. Im Sudan habe der Beschuldigte le- diglich noch eine Tante, mit welcher er keinen Kontakt habe. Auch zu Eritrea habe er keinerlei Bezug. Lediglich sein Vater sei dort geboren. Der Beschuldigte habe sein gesamtes Beziehungsnetz hier. Zur Heimat würden die Beziehungen gänzlich fehlen; auch würden keine Wiedereingliederungsaussichten bestehen
(Urk. 55 S. 16 ff., Urk. 106 S. 10 ff.).
Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse ist grundsätzlich auf die vorstehenden Ausführungen im Rahmen der Täterkomponente bei der Strafzumessung zu verweisen (Erw. II.5.3.). So erlebte der Beschuldigte zwar nur einen sehr kleinen Teil seiner Kindheit, aber immerhin seine gesamte Jugend in der Schweiz. Er besuchte hier die Mittelstufe der Primarschule und für einen Monat die Sekun- darschule. Im Jahr 2017, also im Alter von rund 14 Jahren, wurde er aufgrund der
schwierigen familiären Situation ins F. eingewiesen und lebt seither nicht mehr bei seiner Familie, was ihm mit der Vorinstanz (Urk. 79 S. 48) nicht negativ anzulasten ist. In der Folge gelang es ihm aber auch dort in weiteren Institutionen trotz mittlerweile guter Deutschkenntnisse nicht, sich in irgendeiner Weise in die schweizerische Gesellschaft zu integrieren. So beging er im F. Diebstähle und weitere Delikte, weswegen er seither mehrfach und die meiste Zeit über im Rahmen von Massnahmen eingeschlossen bzw. untergebracht ist. In diesen Institutionen wurde mehrfach versucht, dem Beschuldigten einen Schulabschluss bzw. eine Ausbildung zu ermöglichen. Diese Chancen nutzte er nicht, weil er in den Einrichtungen jeweils nach kurzer Zeit Stress bekam und flüchtete. Da er jeweils eine Verhaftung befürchtete, ging er jeweils nicht freiwillig zurück. Sein heute zu beurteilendes deliktisches Verhalten stellt denn auch eine Fortsetzung von bereits ab seinem 14. Altersjahr verübten Delikten dar. Hinsichtlich seiner beruflichen Integration ist somit festzuhalten, dass diese bislang scheiterte. Trotz in der Schweiz verbrachter Schulzeit und absolvierter Massnahmen gelang es ihm nicht, eine Lehre abzuschliessen. Zwar konnte er die Schule im Gefängnis Affoltern inzwischen abschliessen, doch kann von einer beruflichen Integration des Beschuldigten keine Rede sein. Ein im Rahmen des Verfahrens vor der Jugendanwaltschaft See/Oberland erstelltes forensisch-psychologisches Gutachten vom
26. August 2020 von PD Dr. phil. M. attestiert dem Beschuldigten eine Störung des Sozialverhaltens (S. 51; Beizugsakten Jugendgericht Winterthur). Soweit die fehlende berufliche Entwicklung auf diese Störung zurückzuführen ist, kann sie dem Beschuldigten grundsätzlich nicht zum Vorwurf gemacht werden. An der Tatsache der gänzlich fehlenden beruflichen Integration vermag dies aber nichts zu ändern. Mangels abgeschlossener Ausbildung ist es für den Beschuldigten daher weder in der Schweiz noch im Sudan in Eritrea einfach, eine gesicherte Arbeitsstelle zu finden.
Der Beschuldigte wurde mit Strafbefehl der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 6. Februar 2020 wegen Hinderung einer Amtshandlung, Übertretung des Betäubungsmittelgesetztes und geringfügigen Diebstahls verurteilt und mit einer Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu Fr. 30.–, bedingt vollziehbar unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren, und einer Busse von
Fr. 500.– bestraft (Urk. 82), wobei fälschlicherweise angenommen wurde, der Beschuldigte sei schon volljährig und dementsprechend wurde Erwachsenenstrafrecht angewendet, was angesichts der geringen Sanktion aber von nicht allzu grosser Bedeutung ist. Weiter wurde der Beschuldigte mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft See / Oberland vom 30. März 2020 der Schändung, des Diebstahls und des Versuchs dazu, der Hehlerei sowie der mehrfachen Sachbeschä- digung verurteilt. Dabei wurde eine persönliche Betreuung im Sinne von Art. 13 JStG angeordnet und der Beschuldigte wurde mit einer persönlichen Leistung von 20 Tagen bestraft (Urk. 1/23/12 S. 2). Schliesslich wurde der Beschuldigte mit Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Winterthur vom 27. Oktober 2021 des Raubes, des Raufhandels sowie der Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Als Massnahmen wurden eine ambulante Behandlung und eine Unterbringung angeordnet. Zudem wurde der Beschuldigte mit einem Freiheitsentzug von 6 Monaten und einer Busse von Fr. 100.– bestraft (Urk. 82). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte die damals Gegenstand des Verfahrens bildenden Delikte als Minderjähriger beging, womit sie nicht im selben Ausmass an Anschlag zu bringen sind wie im Fall der Verübung als Erwachsener. Im vorliegenden Verfahren erfolgt nun eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten und ei- ner Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– wegen Raubes, räuberischer Erpressung, Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und Hinderung einer Amtshandlung als Zusatzstrafe zum Urteil des Jugendgerichts des Bezirks Winterthur vom 27. Oktober 2021. Die in Gesamtbetrachtung aller Vorwürfe festzustellende hartnäckige Delinquenz manifestiert denn auch ein hohes Mass an Unbelehrbarkeit des Beschuldigten, was zu einer deutlich getrübten Legalprognose führt. Hiermit korrespondiert, dass das im Rahmen des Verfahrens vor der Jugendanwaltschaft See/Oberland erstellte forensisch-psychologische Gutachten vom 26. August 2020 von PD Dr. phil. M. feststellt, dass beim Beschuldigten ein hohes Risiko für weitere Eigentumsdelikte/Sachbeschädigungen, ein hohes Risiko für Betäubungsmitteldelikte und ein immerhin mittleres bis hohes Risiko für weitere Gewaltdelikte vorlägen (S. 55; Beizugsakten Jugendgericht Winterthur). Dass die damalige pessimistische Einschätzung des Gutachters richtig war, zeigt sich in Form der heute zu beurteilenden Delikte. Somit ist festzustellen,
dass der Beschuldigte während der letzten Jahre mehrfach deliktisch in Erschei- nung trat bzw. gegen die hiesige Rechtsordnung verstiess, wobei eine klar steigende Tendenz vorliegt und ihm eine schlechte Legalprognose für Delikte in der Art der begangenen zu machen ist.
Bezüglich der familiären Bindungen des Beschuldigten ist zu berücksichtigen, dass seine nächsten Verwandten, also der Vater, die Schwester, die Stiefgeschwister und die Stiefmutter alle in der Schweiz leben, wobei sich sein Vater und seine Stiefmutter getrennt haben. Von seinem 11. bis 15. Lebensjahr lebte der Beschuldigte zusammen mit seinem Vater, seiner Schwester und seiner Stieffamilie in der Schweiz. Als knapp 20-jähriger junger Erwachsener hat der Beschuldigte eine Freundin, eine eigentliche Kernfamilie im Sinne von Ehefrau und Kindern, bei welcher Art. 8 EMRK zu diskutieren wäre, hat er allerdings nicht. Über einen allfälligen ausserfamiliären Freundeskreis machte der Beschuldigte keine Angaben. Einen gewissen sozialen/gesellschaftlichen Bezug zur Schweiz weist der Beschuldigte somit zwar auf, als allzu stark kann dieser aber auch nicht bezeichnet werden. Nebst Deutsch ist der Beschuldigte mehrerer weiterer Sprachen mächtig. So spricht er das im Sudan gesprochene Arabisch, die Sprache seiner Heimat Eritrea, Tigrynia, und Englisch. Einen reellen Bezug zu seinem Heimatland verfügt er allerdings nicht.
In Würdigung all dieser Umstände ist festzustellen, dass die Landesverweisung für den Beschuldigten eine unverkennbare Härte darstellt. Allerdings ist die Härtefallklausel restriktiv anzuwenden, wobei sich deren Anwendung erst bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK gewährleistete Privat- und Familienrecht rechtfertigen lässt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_371/2018 vom 21. August 2018 E. 2.5). Das Vorliegen eines schweren Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist daher nach Würdigung sämtlicher relevanter Kriterien knapp zu vernei- nen.
Güterabwägung
Selbst wenn ein Härtefall zu bejahen wäre, so ist festzustellen, dass das Interesse der Schweiz, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und damit schwere Delikte einzudämmen, vorliegend klar überwiegt. Der Beschuldigte beging mittels des Raubs und der räuberischen Erpressung zwei Delikte, die in- nerhalb des gesamten schweizerischen Strafrechts Tatbestände von durchaus erheblicher Schwere darstellen. Dabei fällt nebst der heute zu beurteilenden Vorwürfe insbesondere auch die soeben geschilderte frühere Delinquenz des Beschuldigten ins Gewicht (Erw. 3.2.3.). Demgegenüber ist seine Bindung zur Schweiz zwar mittlerweile höher als zu seinem Heimatland zum Sudan, wo der Beschuldigte bis zum Alter von 11 Jahren seine Kindheit verbrachte. Wie vorstehend dargelegt ist diese Bindung aber auch nicht allzu hoch (Erw. 3.2.4.) und eine berufliche Integration ist in keiner Weise gegeben (Erw. 3.2.2.). Im Rahmen der Güterabwägung überwiegt somit das öffentliche Fernhalteinteresse, weswegen eine Landesverweisung auszusprechen ist.
Durchführbarkeit der Landesverweisung
Der Beschuldigte liess durch seinen Verteidiger in allgemeiner Form auf die ohne Zweifel schwierige politische Lage im Sudan verweisen (Urk. 55 S. 20). Eine individuell-persönliche Gefährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG ist damit nicht dargetan. Dementsprechend ist nicht erstellt, dass der Beschuldigte im Fall der Rückführung in sein Heimatland mit hoher Wahrscheinlichkeit Folter unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre. Der Landesverweisung stehen somit keine Vollzugshindernisse entgegen.
Dauer der Landesverweisung
Das Gesamtverschulden des Beschuldigten wird vorliegend innerhalb des nach oben weiten Strafrahmens von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe als nicht mehr leicht qualifiziert und es wird eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten (als Zusatzstrafe) ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund erscheint es insbesondere etwa im Vergleich mit Delikten, die mit mehreren Jahren Freiheitsstrafe zu ahnden
sind, angemessen, die Landesverweisung im untersten Bereich der zur Verfügung stehenden Bandbreite anzusiedeln. Der Beschuldigte ist demnach gemäss
Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB für 5 Jahre des Landes zu verweisen.
Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem
Die Voraussetzungen einer Ausschreibung sind vorliegend erfüllt. Der Beschuldigte ist Staatsangehöriger von Eritrea und damit Drittstaatenangehöriger. Soweit ersichtlich verfügt er in keinem anderen Mitgliedstaat über ein Aufenthaltsrecht. Entgegen der Argumentation der Verteidigung (Urk. 106 S. 14 f.) ist sodann nicht vorausgesetzt, dass die Mindeststrafandrohung des begangenen Deliktes ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt. Vielmehr ist gemäss einem neueren Entscheid des Bundesgerichtes entscheidend, ob die Straftat im Höchstmass mit mindestens ei- nem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist (BGE 147 IV 340). Das Bundesgericht hielt des Weiteren fest, dass von der betroffenen Person zusätzlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen müsse. An die Annahme einer solchen Gefahr seien allerdings keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Nicht verlangt werde, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Ebenso wenig setze Art. 24 Ziff. 2 SIS- II-VO die Verurteilung zu einer schweren Straftat voraus, sondern es genügen eine mehrere Straftaten, die einzeln betrachtet in ihrer Gesamtheit von einer gewissen Schwere sind, unter Ausschluss von blossen Bagatelldelikten (a.a.O., Erw. 4.4-4.8; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_628/2021 vom
14. Juli 2022 Erw. 2.2.3). Die gegen den Beschuldigten ausgesprochene Freiheitsstrafe liegt mit 16 Monaten deutlich über einem Jahr. Durch Raubdelikte, wie die vom Beschuldigten begangenen, wird die öffentliche Sicherheit und Ordnung ohne Frage stark beeinträchtigt, weshalb eine Ausschreibung auch verhältnismässig ist. Dementsprechend ist die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) anzuordnen.
VI. Kosten- und Entschädigungsfolgen
Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 2'500.– zu veranschlagen.
Kosten der amtlichen Verteidigung
Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten ist für das Berufungsverfahren mit pauschal Fr. 7'600.– inklusive Mehrwertsteuer und Nachbesprechung aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Urk. 103 und Prot. II S. 20).
Kostenauferlegung
Im Berufungsverfahren werden die Kosten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Beschuldigte obsiegt mit seiner Berufung insofern, als er eine Strafreduktion um einen Monat erreicht. Ansonsten unterliegt er mit seinen Anträgen. Die Privatkläger 1 – 3 unterliegen ebenso vollumfänglich mit ihrer Anschlussberufung, indem auf diese nicht einzutreten ist (Art. 428 Abs. 1 Satz 2 StPO), wobei die Anschlussberufung der Privatkläger unabhängig von der Eintretensfrage nicht zu grossem Mehraufwand führt. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind daher zu neun Zehnteln dem Beschuldigten aufzuerlegen. Ein Zehntel der Kosten sind aufgrund des teilweisen Obsiegens des Beschuldigten und aufgrund des geringen Aufwandes, den die Privatkläger erzeugt haben, auf die Gerichtskasse zu nehmen. Da sich der Beschuldigte in einer desolaten finanziellen Situation befindet, sind die Kosten der amtlichen Verteidigung definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Entschädigung der Privatklägerschaft
Da die Privatkläger 1 – 3 mit ihren Anschlussberufungen unterliegen, wird ihnen für das Berufungsverfahren keine Prozessentschädigung zugesprochen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 2. Juni 2022 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Schuldpunkt), 4 (kein Widerruf), 7 – 9 (Entscheid über beschlagnahmte Vermögenswerte und Gegenstände), 10 – 15 (Entscheid über die Zivilansprüche der Privatklägerschaft) sowie 16 und 17 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.
Auf die Anschlussberufung der Privatkläger 1 – 3 wird nicht eingetreten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Rechtsmittel:
Gegen Ziff. 2 dieses Entscheids kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. wird bestraft mit 16 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis heute 299 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind, als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 27. Oktober 2021, sowie mit 20 Tagessätzen zu Fr. 30.– Geldstrafe.
Der Vollzug der Freiheits- und der Geldstrafe wird nicht aufgeschoben.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 2'500.– ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 7'600.– amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden zu neun Zehnteln dem Beschuldigten auferlegt und zu einem Zehntel auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.
Den Privatklägern 1 - 3 wird für das Berufungsverfahren keine Prozessentschädigung zugesprochen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
den gesetzlichen Vertreter des Privatklägers 1 (übergeben)
den Rechtsvertreter der Privatkläger 1 – 3 (in vier Exemplaren für sich und die Privatkläger)
(Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz (mit dem Ersuchen um Vornahme der notwendigen Mitteilungen an die Lagerbehörden)
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A und B.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 28. Oktober 2022
Der Präsident:
lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. Leuthard
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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