Zusammenfassung des Urteils SB220407: Obergericht des Kantons Zürich
Der Privatkläger A.________ hat gegen die Staatsanwaltschaft Innerschwyz und D.________ Berufung eingelegt wegen versuchter Nötigung und vorsätzlicher Verletzung von Verkehrsregeln. Der Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann hat entschieden, dass die Berufung zurückgezogen wird und die Gerichtskosten von Fr. 300.00 vom Staat getragen werden. Die Entscheidung kann innerhalb von 30 Tagen angefochten werden. Die beteiligten Anwälte und Behörden werden über den Beschluss informiert.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220407 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 10.11.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Freiheitsstrafe; Urteil; Berufung; Verteidigung; Probezeit; Vorinstanz; Kokain; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; BetmG; Winterthur/Unterland; Betäubungsmittel; Gericht; Gramm; Gesamtstrafe; Busse; Betäubungsmittelgesetz; Sinne; Dispositiv; Vollzug; Asservat-Nr; Widerruf; Bülach; Bezirksgericht; Verfahren; Verbrechen; Vollzug |
Rechtsnorm: | Art. 105 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 20 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 424 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 43 StGB ;Art. 437 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 45 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 51 StGB ; |
Referenz BGE: | 133 IV 145; 134 IV 140; 134 IV 1; 136 IV 55; 142 IV 265; 143 IV 397; 144 IV 217; 144 IV 277; 144 IV 383; 145 IV 146; |
Kommentar: | -, Kommentar BetmG, Art. 47 StGB , 2022 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220407-O/U/jv
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. B. Amacker und lic. iur. R. Faga sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Donatsch
Urteil vom 10. November 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. R. Michel,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Bülach, II. Abteilung,
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 13. Oktober 2021 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 19).
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 40 S. 24 ff.)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. b und c BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG, sowie
der mehrfachen Übertretung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG.
Der mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 11. November 2020 gewährte bedingte Strafvollzug für eine Freiheitsstrafe von 13 Monaten, abzüglich die bereits erstandene Haft, wird widerrufen.
Der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 gewährte bedingte Strafvollzug für eine Freiheitsstrafe von 40 Tagen, abzüglich die bereits erstandene Haft, wird widerrufen.
Der Beschuldigte wird unter Einbezug der unter Dispositiv Ziffern 2 und 3 widerrufenen Strafen bestraft mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 24 Monaten, abzüglich die bereits erstandene Haft, sowie mit einer Busse von Fr. 100.–.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 12 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 5 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (12 Monate abzüglich die bereits erstandene Haft) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 22. Juni 2021 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Kantonspolizei Zürich zu vernichten:
Kokain, 2 Portionen à total 2 Gramm (Asservat-Nr. A014'966'699)
75 Gramm Kokain (Asservat-Nr. A014'966'724)
Digitalwaage und leere Minigrips (Asservat-Nr. A014'966'735)
Diverse Plastikfolien (Asservat-Nr. A014'966'757)
Vakuumiergerät (Asservat-Nr. A014'966'768)
Pfefferspray-Pistole (Asservat-Nr. A014'966'779)
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 22. Juni 2021 beschlagnahmte Barschaft von Fr. 2'771.43 (entspricht Fr. 2'610.– und EUR 150.–) wird zur Deckung der Verfahrenskosten ein- und herangezogen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 2'500.–; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.– Gebühr für die Strafuntersuchung
Fr. 660.– Auslagen Vorverfahren (Gutachten/Expertise) Fr. 8'600.– amtl. Verteidigungskosten (inkl. MwSt.)
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Gerichtsgebühr um einen Drittel.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt; davon ausgenommen sind die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche einstweilen und unter dem Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO von der Gerichtskasse übernommen werden.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel)
Berufungsanträge:
(Prot. II S. 3 f.)
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 52 S. 2)
Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von insgesamt 20 Monaten als Gesamtstrafe zu belegen, wovon 6 Monate zu vollziehen (seien) und 14 Monate auf Bewährung mit einer Probezeit von 4 Jahren auszufällen seien (unter Widerruf des Urteils des Bezirksgerichts Bülach vom
11. November 2020 (Freiheitsstrafe von 13 Monate bedingt) und unter Wi- derruf des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom
3. März 2021 (Freiheitsstrafe von 40 Tagen bedingt).
Es sei dem Beschuldigten die Haft von 2 Tagen an die Strafe anzurechnen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens seien auf die Staatskasse zu nehmen (inkl. Kosten für die amtliche Verteidigung).
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 47; schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Verfahrensgang
Mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach, II. Abteilung, vom 22. Februar 2022 wurde der Beschuldigte gemäss dem eingangs wiedergegebenen Urteilsdispositiv schuldig gesprochen und bestraft. Gegen dieses Urteil liess der Beschuldigte mit Eingabe vom 4. März 2022 Berufung anmelden (Urk. 34). Das begründete Urteil wurde in der Folge dem Beschuldigten bzw. seiner amtlichen Verteidigung am
August 2022 zugestellt (Urk. 37; Urk. 39). Mit Eingabe vom 19. August 2022 reichte die amtliche Verteidigung fristgerecht die Berufungserklärung beim hiesigen Gericht ein (Urk. 43).
Mit Präsidialverfügung vom 23. August 2022 wurde der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, um hinsichtlich der Berufung des Beschuldigten Anschlussberufung zu erheben begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 45). Mit Eingabe vom 26. August 2022 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 47).
Am 10. November 2022 fand die Berufungsverhandlung statt, zu welcher der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt lic. iur. X. , erschienen ist (Prot. II S. 3). Vorfragen waren keine zu entschei- den und – abgesehen von der Einvernahme des Beschuldigten (Urk. 51) – auch keine Beweise abzunehmen (Prot. II S. 5). Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 6 ff.).
Berufungsumfang
Die Berufungserklärung des Beschuldigten richtet sich gegen die Dispositiv-Ziffern 4 (Strafhöhe) sowie 5 (Vollzugsform) des vorinstanzlichen Urteils. Es wird eine tiefere Strafe beantragt und der vollziehbare Teil der Strafe soll entsprechend gesenkt werden (Urk. 43). Unangefochten blieben die Schuldsprüche (Dispositiv-Ziffer 1), die Widerrufe (Dispositiv-Ziffern 2 und 3), der Entscheid über die beschlagnahmten Gegenstände und die beschlagnahmte Barschaft (Dispositiv- Ziffern 6 und 7) sowie die Kosten- und Entschädigungsregelung (Dispositiv-Ziffern 8 und 9). Nach BGE 144 IV 383 kann eine Berufung nicht auf das Strafmass (unter Ausschluss des bedingten Strafvollzugs) umgekehrt auf den bedingten Strafvollzug (unter Ausschluss des Strafmasses) beschränkt werden. Auch die Gewährung des bedingten Strafvollzugs und der Widerruf einer früheren aufgeschobenen Strafe bedingen sich und erlauben keine getrennte Beurteilung (Urteil 6B_802/2016 vom 24. August 2017 E. 3.2). Mithin stehen auch die genannten Dispositiv-Ziffern 2 und 3 zur Überprüfung. Der vorinstanzliche Entscheid ist in
den Dispositiv-Ziffern 1, 6, 7, 8 und 9 in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschlusses vorzumerken ist (Art. 399 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 437 StPO).
Im Übrigen steht der angefochtene Entscheid unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots zur Disposition.
Anträge/Grundsätze/Strafrahmen
Die Vorinstanz bestrafte den Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten als Gesamtstrafe – unter Einbezug der beiden widerrufenen Strafen – sowie mit einer Busse von Fr. 100.– (Urk. 40 S. 24). Der Beschuldigte wendet sich mit seiner Berufung u.a. gegen die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe und beantragt eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten (Urk. 43; Urk. 52). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte die amtliche Verteidigung zur Begründung der beantragten tieferen Strafe aus, der Beschuldigte habe nicht aus finanziellen Motiven gehandelt, sondern er sei in Versuchung gebracht worden und hätte etwas Span- nung in sein eher einsames, etwas langweiliges Leben bringen wollen. Sodann sei aufgrund des eigenen Kokainkonsums sowie der langjährigen Krankheitsgeschichte dem Beschuldigten eine Verschuldensminderung zuzubilligen. Überdies müsse das umfassende Geständnis des Beschuldigten mit einer höheren Reduktion berücksichtigt werden. Weiter liege beim Beschuldigten eine erhöhte Strafempfindlichkeit vor, was ebenfalls strafmindernd berücksichtigt werden müsse. Schliesslich sei die Asperation für die widerrufenen Strafen zu hoch ausgefallen (Urk. 52 S. 3 ff.).
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB und die an sie gestellten Begründungsanforderungen wiederholt dargelegt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 ff. S. 59 ff. mit Hinweisen; BGE 144 IV 217 E. 3.5.1 ff. und
E. 4.). Darauf sowie die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz – insbesondere auch zum konkreten Strafrahmen und den besonderen Strafzumessungskriterien bei Betäubungsmitteln – (Urk. 40 S. 7 ff.) kann verwiesen werden.
Das Gesetz sieht für den schweren Fall (Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG) eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis zu 20 Jahren vor. Damit steht für das hier zu beurteilende Verbrechen einzig eine Freiheitsstrafe zur Diskussion.
Tatkomponente betreffend das Verbrechen nach Art. 19 Abs. 1 lit. b und c BetmG i.V.m. Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG
Betreffend die objektive Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte im Zeitraum vom 26. bis 27. April 2021 ca. 80 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von 94% erwarb, was insgesamt 75.2 Gramm reinem Kokain entspricht. Davon hat der Beschuldigte bis zum 29. April 2021 jeweils ein Gramm Kokain (gesamthaft 3.76 Gramm reines Kokain) zu einem Preis von Fr. 80.– bzw. Fr. 90.– an vier unbekannte Abnehmer und ein Gramm Kokain (entspricht
0.94 Gramm reinem Kokain) an B.
für Fr. 90.– veräussert. Anlässlich der
Hausdurchsuchung vom 29. April 2021 am Wohnort des Beschuldigten konnten noch netto 75.5 Gramm Kokain (entspricht 70.97 Gramm reinem Kokain) aus seinem Besitz sichergestellt werden, welches der Beschuldigte ebenfalls zum grössten Teil veräussern wollte. Mit dem Handeln von 75.2 Gramm reinem Kokainhydrochlorid überschritt der Beschuldigte die Schwelle für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG um rund das Vierfache. Wenngleich dem Beschuldigten keine hohe Stellung innerhalb der Drogenorganisation nachgewiesen werden kann, stellte er doch zumindest ein wichtiges Bindeglied zwischen Drogenproduzenten und Drogenabnehmern dar. Mit der Vorinstanz ist dem Beschuldigten, gestützt auf die innert nur wenigen Tagen umgesetzte Menge Kokain an verschiedene Abnehmer eine erhöhte kriminelle Energie zu attestieren.
Insgesamt erweist sich die objektive Tatschwere für eine qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz – bei Berücksichtigung sämtlicher möglicher Tatvarianten – als noch leicht.
In subjektiver Hinsicht ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass der Beschuldigte mit direktem Vorsatz handelte. Er wusste, dass es sich um Betäubungsmittel handelte. Er kannte die Menge, wusste vom hohen Reinheitsgrad und
beabsichtigte, das Kokain umzusetzen. Der Besitz und der Verkauf beruhten auf einem einheitlichen Willensentschluss. Er handelte im Wissen um die Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen. Betreffend die Beweggründe für den Erwerb und den Weiterverkauf des Kokains konnte der Beschuldigte keine eigentlichen Gründe ins Feld führen. Es muss davon ausgegangen werden, dass sein Motiv rein finanzieller und klar egoistischer Natur war. So hielt er fest, monatlich Fr. 2'050.– von der AHV und Fr. 1'641.– von der SUVA zu erhalten. Zudem erziele er als Taxifahrer einen monatlichen Verdienst zwischen Fr. 800.– und Fr. 1'600.– (Urk. 3 S. 5). Weder befand sich der Beschuldigte in einer finanziellen Notlage, noch kann von Beschaffungskriminalität gesprochen werden. Es ist zwar erstellt, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit selbst Kokain konsumiert hatte, jedoch belief sich der Eigenkonsum gemäss seinen eigenen Aussagen auf le- diglich ein bis zwei Gramm Kokain pro Monat und wurde zwischenzeitlich sogar gänzlich eingestellt (Urk. 3 S. 4; Prot. I S. 11). Somit bleibt fraglich, ob überhaupt von einer ernsthaften Kokainabhängigkeit des Beschuldigten auszugehen ist. Soweit die Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung neu geltend macht, der Beschuldigte habe mit Drogen gedealt, um mehr Spannung in sein Leben zu bringen (Urk. 52 S. 4), vermag dies die subjektive Tatseite, selbst wenn man darauf abstellen würde, in keinem besseren Licht darstellen.
Ferner lässt sich aus dem Umstand, dass der Beschuldigte offenbar an einer chronifizierten psychischen Störung leidet (vgl. Urk. 30), nichts unmittelbar für seinen Zustand im Deliktszeitraum ableiten. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte, die für einen Konnex zur Delinquenz sprechen. Insbesondere hat der Beschuldigte in der Untersuchung selbst ausgeführt, dass es ihm gesundheitlich gut gehe (Urk. 4 S. 9). Ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Beschuldigten zu zweifeln, besteht – entgegen der Verteidigung (Urk. 52 S. 4) – nicht und eine Begutachtung gemäss Art. 20 StGB ist nicht indiziert (vgl. dazu BGE 133 IV 145
E. 3.3; Urteil 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 8.3.2, nicht publiziert in BGE 143 IV 397; je mit Hinweisen). Entgegen der Verteidigung liegt entsprechend kei- ne Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt vor (vgl. Urk. 40 S. 13 ff.). Die subjektive Tatkomponente lässt das objektive Verschulden nicht leichter erscheinen. Es bleibt mithin bei einem noch leichten Verschulden.
Gesamthaft ist für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz – unter Berücksichtigung des Strafrahmens von einem bis 20 Jahren Freiheitsstrafe – mit der Vorinstanz eine Einsatzstrafe von 18 Monaten festzusetzen (vgl. auch S CHLEGEL/JUCKER, Kommentar BetmG, 4. Auflage, Zürich 2022, Art. 47 StGB N 44 ff.).
Täterkomponente
Die Vorinstanz hat das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten korrekt wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 40
S. 15 f.). Aus den persönlichen Verhältnissen ergibt sich nichts, was für die Strafzumessung relevant wäre.
Der Beschuldigte verfügt über zwei einschlägige Einträge im Strafregister (Urk. 42). Am 11. November 2020 verurteilte ihn das Bezirksgericht Bülach wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG sowie wegen Vergehens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g BetmG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten. Die Probezeit wurde auf zwei Jahre festgelegt (act. 42; Beizugsakten Urk. 24). Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 wurde gegen den Beschuldigten wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c BetmG sowie Vergehens gegen das Waffengesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 WG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. g WG, Art. 25 WG und Art. 27 WG eine Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom
11. November 2020 von 40 Tagen bedingter Freiheitsstrafe verhängt. Die Probezeit wurde wiederum auf zwei Jahre festgesetzt. Sodann wurde für die mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG eine Busse von Fr. 300.– ausgefällt (Urk. 17/5). Diese beiden Vorstrafen liegen zeitlich nicht weit vor der heute zu beurteilenden Delinquenz zurück. Gerade mal wenige
Wochen nach der jüngeren Verurteilung delinquierte der Beschuldigte unbeirrt und dazu noch einschlägig in grösserem Stil weiter. Wenn die Vorinstanz unter diesem Titel lediglich eine Straferhöhung von drei Monaten als angezeigt erachtete, erscheint dies mild, aber noch vertretbar. Dabei hält die Vorinstanz richtig fest, dass es sich bei der zweiten Vorstrafe um eine Zusatzstrafe handelt und der Beschuldigte seit der Verurteilung vom 11. November 2020 zum ersten Mal wieder delinquierte (Urk. 40 S. 16). Sodann ist auch die Delinquenz während laufender Probezeit – welche die Vorinstanz unberücksichtigt liess – merklich straferhöhend zu berücksichtigen.
Strafreduzierend berücksichtigte die Vorinstanz das Nachtatverhalten des Beschuldigten. So habe der Beschuldigte zwar anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme noch sämtliche ihm zur Last gelegten Handlungen bestritten (Urk. 1), in den folgenden Einvernahmen mit den Strafverfolgungsbehörden habe er indes kooperiert und den Sachverhalt vollumfänglich eingestanden (Urk. 3; Urk. 4). Gewisse Komponenten des Tathergangs – wie beispielsweise die vier Verkäufe von jeweils einem Gramm an unbekannte Abnehmer – hätten ohne seine Aussagen nicht nachgewiesen werden können, weshalb sein Geständnis zur Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens sowie zur Wahrheitsfindung beigetragen habe. Sodann habe der Beschuldigte auch anlässlich der Einvernahme vom 1. Mai 2021 und vom
23. August 2021 aufrichtige Reue und Bereitschaft gezeigt, sich zu ändern bzw. entsprechende Hilfe zu suchen, um eine künftige Delinquenz zu verhindern (Urk 3
S. 7; Urk. 4 S. 5, 8). Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beschuldigte anlässlich der Hauptverhandlung vom 22. Februar 2022 seine Aussagen revidiert habe, zumal diesen kein allzu grosser Stellenwert beizumessen sei. Gestützt auf diese Erwägungen erachtete die Vorinstanz unter dem Titel Nachtatverhalten eine Strafreduktion von 3 Monaten, mithin zu einem Sechstel, als angezeigt (Urk. 40 S. 16 f.). Dies erscheint wiederum wohlwollend. Die Verteidigung beantragt gar eine Reduktion von rund einem Fünftel (Urk. 52
S. 4), was deutlich zu hoch ausfällt. Zwar ist es zutreffend, dass der Beschuldigte die Untersuchung teilweise erleichtert hat. Angesichts der in seiner Wohnung sichergestellten beträchtlichen Drogenmenge inklusive Betäubungsmittelzubehör
(Digitalwaage und leere Minigrips etc.; Urk. 10/6) war die Beweislage für den Beschuldigten indes nicht gerade sehr komfortabel. Sodann zeigte er mit der Relativierung des Geständnisses anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung auf, dass nicht von aufrichtiger Reue und Einsicht in das Unrecht seiner Tat gesprochen werden kann. Davon zeugen auch die weiteren Äusserungen des Beschuldigten, wonach er nicht die Absicht gehabt habe, Kokain zu kaufen bzw. zu verkaufen und ins System gelangt sei (Urk. 4 S. 4, 8). Sodann hat er auch andere Gründe für seine Delinquenz vorzuschieben versucht (Prot. I S. 10). Verantwortung übernehmen für sein eigenes Verhalten sieht anders aus. Entsprechend kann dem Beschuldigten unter dem Titel Nachtatverhalten nur eine sehr leichte Strafminderung zugebilligt werden.
Anhaltspunkte für eine erhöhte Strafempfindlichkeit, mithin für aussergewöhnliche Umstände im Sinne der Rechtsprechung, sind schliesslich – mit Verweis auf die vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 40 S. 17) – entgegen der Verteidigung (Urk. 29 S. 5; Prot. I S. 19; Urk. 52 S. 5) nicht ersichtlich.
Zwischenfazit
Unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung relevanten Kriterien erscheint eine Freiheitsstrafe von 20 ½ Monaten für die neue Straftat angemessen.
Widerruf der Vorstrafen und Gesamtstrafe
Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB die bedingte Strafe den bedingten Teil der Strafe. Ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung auf einen Widerruf. Es kann den Verurteilten verwarnen die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil festgesetzten Dauer verlängern. Die Anforderungen an die Prognose entsprechen denjenigen gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB. Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen (BGE 144 IV 277
E. 3.2 f.; vgl. dazu im Einzelnen: BGE 134 IV 1 E. 4.2.1; 134 IV 140 E. 4.5; je mit Hinweisen). Besonders günstige Umstände, wie sie Art. 42 Abs. 2 StGB für den bedingten Strafaufschub bei entsprechender Vorverurteilung verlangt, sind für den Widerrufsverzicht nicht erforderlich. Das heisst allerdings nicht, dass es im Rahmen von Art. 46 StGB auf die neue Tat und die daraus resultierende Strafe überhaupt nicht ankommen würde. Die Prognose für den Entscheid über den Widerruf kann umso eher negativ ausfallen, je schwerer die während der Probezeit begangenen Delikte wiegen (BGE 134 IV 140 E. 4.5).
Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet das Gericht in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB eine Gesamtstrafe (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Dabei ist von derjenigen Strafe als Einsatzstrafe auszugehen, die es für die während der Probezeit neu verübte Straftat nach den Strafzumessungsgrundsätzen von Art. 47 ff. StGB ausfällt. Anschliessend ist diese mit Blick auf die zu widerrufende Vorstrafe angemessen zu erhöhen. Daraus ergibt sich ei- ne Gesamtstrafe. Bilden die Einsatzstrafe für die neu zu beurteilenden Probezeitdelikte und die Vorstrafe ihrerseits Gesamtstrafen, kann das Gericht der bereits im Rahmen der jeweiligen Gesamtstrafenbildung erfolgten Asperation durch eine gemässigte Berücksichtigung bei der Gesamtstrafenbildung Rechnung tragen (BGE 145 IV 146 E. 2.4.2; BGE 142 IV 265 E. 2.4.4).
Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom
11. November 2020 wegen Verbrechens und Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten und einer Busse von Fr. 1'000.– verurteilt. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 wurde der Beschuldigte u.a. wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz mit einer be- dingten Freiheitsstrafe von 40 Tagen und einer Busse von Fr. 300.– bestraft. Während den je zweijährigen Probezeiten wurde der Beschuldigte erneut einschlägig straffällig. Er liess sich von den früheren Verfahren, der damals ausgestandenen Untersuchungshaft, den bedingten Freiheitsstrafen und den Bussen nicht beeindrucken. Es fällt ins Gewicht, dass der Beschuldigte einschlägig delinquierte und erneut qualifizierte Drogendelikte beging. Ihm wurde mit den genannten Entscheiden vom 11. November 2020 und 3. März 2021 Gelegenheit eingeräumt, sich zu bewähren, welche er nicht genutzt hat. Die neuen Delikte verübte er nur wenige Wochen nach der letzten Verurteilung. Zudem erscheinen die Lebensumstände des Beschuldigten heute nicht grundlegend anders. Die Bewährungsaussichten sind daher stark getrübt und es ist von einer ungünstigen Prog- nose auszugehen. An dieser Einschätzung würde nichts ändern, wenn in Verzicht auf den Widerruf und damit als Konsequenz in Verzicht auf eine Gesamtstrafe die neue Strafe teilweise – soweit dies das Verschlechterungsverbot zulassen würde
vollzogen würde. Es ist daher der bedingte Vollzug der Freiheitsstrafe von 13 Monaten und der bedingte Vollzug der Freiheitsstrafe von 40 Tagen zu widerrufen, was innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt (vgl. Art. 46 Abs. 5 StGB).
Die unter Ziff. II. 4 festgesetzte Einsatzstrafe für die während der Probezeit verübte Delinquenz ist – wie bereits erwähnt – im Sinne der Rechtsprechung (vgl. Ziff. II. 5) für die beiden widerrufenen Vorstrafen angemessen zu erhöhen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 bereits eine Gesamtzusatzstrafe ausgesprochen wurde und es sich auch bei der Vorstrafe vom
11. November 2020 um eine Gesamtstrafe handelt, mithin der Beschuldigte diesbezüglich in den Genuss des Asperationsprinzips gelangte. Entsprechend erscheint mit Blick auf die bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen im Umfang von 14 Monaten und 10 Tagen die Asperation der Vorinstanz von lediglich 6 Monaten klarerweise als zu gering. Es ist vielmehr eine Erhöhung der Einsatzstrafe um 10 Monate auf 30 ½ Monate angezeigt.
Ergebnis
Nachdem die Einsatzstrafe von 20 ½ Monaten für die neue Straftat aufgrund der Gesamtstrafenbildung für die widerrufenen Vorstrafen um 10 Monate zu erhöhen ist, erscheint eine Gesamtstrafe von 30 ½ Monaten Freiheitsstrafe angemessen. Angesichts des Verschlechterungsverbots (Verbot der reformatio in peius; Art. 391 Abs. 2 StPO) hat es indes bei der von der Vorinstanz ausgefällten Gesamtfreiheitsstrafe von 24 Monaten sein Bewenden.
Im vorliegenden Verfahren hat der Beschuldigte 2 Tage in Untersuchungshaft verbracht (Urk. 11/1; Urk. 11/9). Sodann war der Beschuldigte im Verfahren, welches zum Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 11. November 2020 führte, 2 Tage in Untersuchungshaft. Im Verfahren, welches zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 führte, war der Beschuldigte einen weiteren Tag in Untersuchungshaft (vgl. Urk. 42). Insgesamt sind dem Beschuldigten mithin die erstandene Haft von gesamthaft 5 Tagen auf die neu auszufällende Gesamtstrafe anzurechnen (Art. 51 StGB).
Busse
Für die mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes hat die Vorinstanz eine Busse von Fr. 100.– ausgesprochen, welche von keiner Seite beanstandet wurde. Sie ist zu bestätigen. Gemäss Art. 106 Abs. 2 StGB ist für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Im vorinstanzlichen Urteil fehlt eine entsprechende Regelung. Da davon auszugehen ist, dass es sich um ein offensichtliches Versehen handelt, verstösst die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag nicht gegen das Verschlechterungsverbot.
Die Vorinstanz hat die Strafe teilbedingt ausgesprochen. Sie hat den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 12 Monaten unter Ansetzung einer Probezeit von 5 Jahren aufgeschoben und die restlichen 12 Monate für vollziehbar erklärt (Urk. 40 S. 19 ff.). Der Beschuldigte liess – wie vor Vorinstanz – in der Berufungserklärung beantragen, es seien – nachdem seinerseits eine Gesamtstrafe von 20 Monaten für angemessen gehalten wird – 8 Monate zu vollziehen und 12 Monate auf Bewährung mit einer Probezeit von 4 Jahren aufzuschieben (Urk. 29 S. 6; Urk. 43 S. 2). Anlässlich der Berufungsverhandlung beantragte der Beschuldigte neu, dass lediglich 6 Monate zu vollziehen seien (Urk. 52 S. 5 f.).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf,
wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten. Wurde der Beschuldigte innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen (Art. 42 Abs. 2 StGB). Die Prüfung der Bewährungsaussichten des Täters ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen (BGE 144 IV 277 E. 3.2; vgl. dazu im Einzelnen: BGE 134 IV 1 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Mit Blick auf die Vorstrafe des Beschuldigten vom 11. November 2020 muss vorliegend die günstige Prognose positiv begründet werden. Da der Beschuldigte nur einige wenige Wochen nach der letzten Verurteilung erneut einschlägig im grösseren Stil delinquierte, wobei ihn weder die früheren Verfahren, die bedingten Freiheitsstrafen, die dabei erstandene Haft von ein bzw. zwei Tagen noch die laufenden Probezeiten von weiteren Straftaten abhalten konnten, ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass er sich allein durch eine bedingt ausgesprochene Strafe nicht hinreichend beeindrucken lässt. Aus diesem Grund fällt ein vollkommen bedingter Aufschub der Strafe ausser Betracht (Urk. 40
S. 20 f.). Der Hauptantrag der Verteidigung lautet denn auch nicht darauf (Urk. 52 S. 1).
Art. 43 StGB regelt den teilweisen Aufschub. Danach kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen. Die Ausfällung einer teilbedingten Strafe verlangt, dass die subjektiven Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind (BGE 134 IV 1 E. 5.3.1 m.w.H.), mithin müssen in casu besonders günstige Umstände für die Gewährung des teilbedingten Strafvollzugs vorliegen (vgl. Ziff. III. 2). Im Ergebnis kann der Vorinstanz zugestimmt werden, dass beim Beschuldigten die Aussicht besteht, er werde sich in positiver Weise durch den teilweise gewährten Strafaufschub beeinflussen lassen, und dass ihm somit der teilbedingte Vollzug zu gewähren ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund berechtigt, dass er bis anhin lediglich wenige Tage in Haft verbrachte und entsprechend davon auszugehen ist, dass der teilbedingte Vollzug der Freiheitsstrafe
eine hinreichende Warnwirkung auf ihn haben dürfte, um ihn inskünftig von weiteren Straftaten abzuhalten. Zudem fällt eine gänzliche Verweigerung des bedingten Strafvollzugs bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots ausser Betracht (Art. 391 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_1421/2021 vom 25. Mai 2022 E. 5.2).
Der unbedingt vollziehbare Teil der Freiheitsstrafe darf die Hälfte der Strafe nicht überschreiten (Art. 43 Abs. 2 StGB) und sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe müssen mindestens sechs Mo- nate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Vorliegend ergibt sich dadurch für den vollziehbaren Teil ein Rahmen zwischen 6 und 12 Monaten. Als Bemessungsregel ist das Ausmass des Verschuldens zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Bewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten gemäss Art. 47 StGB gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6; Urteil des Bundesgerichts 6B_632/2016 vom
6. September 2016 E. 1.3). Das Verschulden des Beschuldigten wurde als noch leicht eingestuft und die Einsatzstrafe für die neue Straftat unter Berücksichtigung der Tatkomponenten auf 18 Monate festgesetzt. Hinzu kommt, dass die Legalprognose stark getrübt ist und – angesichts der Delinquenz während laufender Probezeiten und einschlägiger Vorstrafen – erhebliche Restbedenken bestehen, ob sich der Beschuldigte tatsächlich bewähren wird. Es gilt zu wiederholen (Ziff. II. 5.2), dass die Lebensumstände des Beschuldigten heute nicht grundlegend an- ders erscheinen. Der Beschuldigte war im Tatzeitpunkt bereits rund 67-jährig. Will er sich neu um seine Enkelkinder kümmern (Prot. I S. 13), lässt dies seine Situation offensichtlich nicht in einem anderen Licht erscheinen. Die Enkelkinder waren im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nach Angaben des Beschul- digten drei Jahre respektive acht Monate alt (Prot. I S. 14). Der Beschuldigte war mithin bereits Grossvater, als er die Betäubungsmitteldelikte beging. Ebenso we- nig überzeugt, wenn der Beschuldigte unterstreicht, seit der letzten Tat eine Psychotherapie zu besuchen (Prot. I S. 7 f.). Auch dies lässt nicht den Schluss zu,
dass die vom Beschuldigten thematisierte Therapie in einer Gesamtbetracht einen wesentlichen Einfluss auf das Rückfallrisiko haben könnte, nachdem er die hier zu beurteilenden Delikte trotz zweier stationärer psychiatrischer Behandlungen in den Jahren 2011 und 2015 und trotz einer seit 2017 laufenden ambulanten psychiatrischen Behandlung verübte (Urk. 30). Die Bewährung des Beschuldigten kann mithin nur dann als wahrscheinlich und nicht bloss als vage Hoffnung bezeichnet werden, wenn der unbedingte Strafteil spürbar ausfällt und dadurch den erheblichen Restbedenken Rechnung getragen wird. Ein zu vollziehender Strafteil im obersten Bereich von 12 Monaten trägt diesen Umständen Rechnung. Damit erscheint es angezeigt, den Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen und die auszufällende Freiheitsstrafe von 24 Monaten im Umfang von 12 Monaten aufzuschieben und im Umfang von 12 Monaten zu vollziehen (abzüglich der insgesamt bereits durch die Untersuchungshaft erstandenen 5 Tage). Die Probezeit (Art. 44 Abs. 1 StGB) ist mit Blick auf das eben Ausgeführte – ebenfalls mit der Vorinstanz
bei 5 Jahren festzusetzen.
5. Die Busse ist zu bezahlen (Art. 105 Abs. 1 StGB).
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist auf Fr. 3'000.– zu veranschlagen (Art. 424 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und § 14 der Gebührenverordnung des Obergerichts). Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen werden ( THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 428 StPO).
Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung vollumfänglich. Ausgangsgemäss sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, aufzuerlegen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung
sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten ist gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorzubehalten.
Die amtliche Verteidigung macht im Berufungsverfahren einen Aufwand von Fr. 2'962.50 (inkl. MwSt.) geltend, was ausgewiesen ist (Urk. 53). Zusätzlich sind ihr die Aufwendungen im Zusammenhang mit der heutigen Berufungsverhandlung sowie Nachbesprechung (insgesamt rund 2.5 Stunden) zu vergüten. Es rechtfertigt sich daher, Rechtsanwalt lic. iur. X. für seine Aufwendungen im Berufungsverfahren pauschal und gesamthaft mit Fr. 3'562.50.– (inkl. Auslagen und MwSt.) zu entschädigen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach, II. Abteilung, vom 22. Februar 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. b und c BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG, sowie
der mehrfachen Übertretung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG.
2.-5. (…)
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom
22. Juni 2021 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Kantonspolizei Zürich zu vernichten:
Kokain, 2 Portionen à total 2 Gramm (Asservat-Nr. A014'966'699)
75 Gramm Kokain (Asservat-Nr. A014'966'724)
Digitalwaage und leere Minigrips (Asservat-Nr. A014'966'735)
Diverse Plastikfolien (Asservat-Nr. A014'966'757)
Vakuumiergerät (Asservat-Nr. A014'966'768)
Pfefferspray-Pistole (Asservat-Nr. A014'966'779)
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 22. Juni 2021 beschlagnahmte Barschaft von Fr. 2'771.43 (entspricht Fr. 2'610.– und EUR 150.–) wird zur Deckung der Verfahrenskosten ein- und herangezogen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 2'500.–; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.– Gebühr für die Strafuntersuchung
Fr. 660.– Auslagen Vorverfahren (Gutachten/Expertise) Fr. 8'600.– amtl. Verteidigungskosten (inkl. MwSt.)
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Gerichtsgebühr um einen Drittel.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt; davon ausgenommen sind die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche einstweilen und unter dem Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO von der Gerichtskasse übernommen werden.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel)
2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Die mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 11. November 2020 ausgefällte bedingte Strafe von 13 Monaten Freiheitsstrafe wird widerrufen.
Die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 3. März 2021 ausgefällte bedingte Strafe von 40 Tagen Freiheitsstrafe wird widerrufen.
Der Beschuldigte wird unter Einbezug der widerrufenen Strafen gemäss Dispositiv-Ziffern 1 und 2 bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten als Gesamtstrafe, wovon insgesamt 5 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 100.–.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 12 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 5 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (12 Monate) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tagen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.00 ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'562.50 amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse ge- nommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (versandt) sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
das Bundesamt für Polizei fedpol
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A und Formular B
die Kordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials
das Bezirksgericht Bülach gemäss Dispositiv-Ziffer 1 (Aktenz.
DH200033)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland gemäss Dispositiv-Ziffer 2 (Aktenz. C-8/2020/31386)
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 10. November 2022
Der Präsident: lic. iur. B. Gut
Die Gerichtsschreiberin: MLaw A. Donatsch
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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