Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220376 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 20.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Berufung; Beschuldigten; Urteil; Aufenthalt; Vorinstanz; Sinne; Stanzlich; Geldstrafe; Verfahren; Gericht; Zimmer; Leistungen; Prot; Verfahren; Rechtswidrig; Bezug; Rechtswidrigen; Person; Respektive; Hinweis; Miete; Schweiz; Begründet; Staatsanwaltschaft; Verfahrens; Begründete; Aufenthalts |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 148a StGB ; Art. 160 StPO ; Art. 25 ATSG ; Art. 29 BV ; Art. 32 BV ; Art. 34 StGB ; Art. 369 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 42 StGB ; Art. 423 StPO ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 436 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 5 AIG ; Art. 51 StGB ; Art. 67 AIG ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 130 IV 77; 133 I 33; 134 IV 1; 134 IV 97; 136 IV 55; 138 IV 120; 138 IV 157; 139 IV 261; 140 IV 11; 142 IV 265; 143 IV 457; 144 IV 198; 144 IV 217; 144 IV 277; 146 IV 297; 148 IV 96; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220376-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, lic. iur. R. Faga und Ersatzoberrichter lic. iur. R. Amsler sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Donatsch
in Sachen
Beschuldigte und Berufungsklägerin
gegen
vertreten durch Staatsanwältin lic. iur. P. Brunner,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 8. Oktober 2021 (Urk. 62) ist diesem Urteil beigeheftet.
(Urk. 92 S. 22 ff.)
Im Übrigen ist die Beschuldigte einer strafbaren Handlung nicht schuldig und wird freigesprochen.
Von einem Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Baden vom
Februar 2017 (ST Nr. 2017.799) ausgefällten Strafe wird abgesehen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'500.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'000.00 Gebühr für das Vorverfahren;
Fr. 7'657.95 Entschädigung vormalige amtliche Verteidigung.
Die Kosten der vormaligen amtlichen Verteidigung werden definitiv auf die Staats- kasse genommen.
(Prot. II S. 4)
Der Beschuldigten: (Urk. 93, sinngemäss)
Die Beschuldigte sei vollumfänglich freizusprechen.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 104; schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
8. Februar 2022 und 10. Februar 2022 erfolgten weitere Eingaben der Beschul- digten an die erkennende Kammer (Urk. 93 und Urk. 96).
8. Februar 2022, 10. Februar 2022 und 18. August 2022 (Urk. 93, Urk. 96 und
Urk. 101). Eine Berufungserklärung innert 20 Tagen seit der (fingierten) Zustel- lung des begründeten Urteils blieb aus.
Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 6 ff.).
Prozessuales (Verwertbarkeit von Aussagen)
Die Vorinstanz führt aus, die Aussagen von B. , C.
und
D. , die in einem anderen Strafverfahren als beschuldigte Personen einver- nommen worden seien, dürften nicht zu Ungunsten der Beschuldigten herangezogen werden. Die Beschuldigte habe keine Gelegenheit gehabt, ihre Teilnahmerechte gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO wahrzunehmen (Urk. 92 S. 3 f.).
Jedoch wurde die Beschuldigte mit B. , C. und D. nicht konfron- tiert (vgl. Urk. 6/1-2; Urk. 7; Urk. 8). Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte An- spruch der beschuldigten Person, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Er wird als Konkreti- sierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn die beschuldigte Person wenigstens einmal während des Verfahrens ange- messene und hinreichend Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 133 I 33 E. 3.1 S. 41 mit Hinweisen). Dies gilt auch betreffend die Einvernahme von Auskunftspersonen (Urteil 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.4 mit Hinweis). Damit sind die Aus- sagen der genannten Personen nicht zulasten der Beschuldigten verwertbar.
Die Vorinstanz hat die theoretischen Grundsätze der richterlichen Beweiswürdi- gung dargelegt (Urk. 92 S. 4 f.). Darauf kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des von einem Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in seiner Entscheidfindung berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinan- dersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7 S. 308 mit Hinweisen).
Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe
B.
vom 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 in einem Zimmer der Beschuldigten gewohnt habe. Für die Nutzung des Zimmers habe die Beschuldigte von B. monatlich Fr. 400.– respektive im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 insgesamt Fr. 2'400.– erhalten.
Die Beschuldigte erklärte vor Vorinstanz, B. habe lediglich vier Mo- nate, von März bis Juni 2019 bei ihr gewohnt (Prot. I S. 9). Sie habe sicher drei- mal Fr. 400.– und insgesamt rund Fr. 1'200.– von ihm erhalten. Es habe sich da- bei um Sackgeld respektive um ein Geschenk gehandelt. Sie habe auch Essen für B. bezahlt. Eigentlich sei im Betrag alles inbegriffen gewesen. Sie habe keinen Gewinn erzielt. Zutreffend sei, dass sie Ergänzungsleistungen bezogen habe, als B. bei ihr gewohnt habe (Prot. I S. 11 f.).
Anlässlich der Berufungsverhandlung machte die Beschuldigte geltend, B. habe – mit Unterbrüchen – vier bis fünf Monate bei ihr gewohnt, und sie habe si- cher dreimal Fr. 400.– erhalten, für den Unterhalt. Sie habe keinen Gewinn erzielt. Sie habe auch ein Auto gekauft und sei für den Unterhalt, Versicherung und Parkplatz aufgekommen, welches B. auch benutzt habe (Urk. 109 S. 6 ff.).
Im Rahmen ihrer polizeilichen Befragung vom 20. Juni 2019 führte die
Beschuldigte aus, B.
wohne seit etwa einem Jahr jeweils für einige Tage
oder Wochen bei ihr (Urk. 5/1 F/A 44). Noch in der gleichen Einvernahme relati- vierte die Beschuldigte, B. miete seit rund einem halben Jahr ein Zimmer bei ihr (Urk. 5/1 F/A 71, 95, 133). In den folgenden Befragungen hielt die Beschuldigte daran fest (Urk. 5/2 F/A 20 f.; Urk. 5/6 F/A 37, 66; Urk. 14/10 S. 4). Den monatlichen Betrag bezifferte sie auf Fr. 400.– (Urk. 5/1 F/A 54 f., 68, 71; Urk. 14/10 S. 6; Urk. 5/3 F/A 39 f.). Davon abweichend behauptete die Beschul- digte, sie habe immer mal wieder Fr. 200.– oder auch mal wieder Fr. 100.– er- halten, es seien nicht immer Fr. 400.– pro Monat gewesen. Er habe ihr sicher dreimal die vollen Fr. 400.– bezahlt (Urk. 5/3 F/A 44; Prot. I S. 11 f.).
Wenn die Vorinstanz angesichts dieser Aussagen schlussfolgert, der anklagerele- vante Sachverhalt sei insoweit erstellt, dass B. vom 1. Januar 2019 bis zum
Juni 2019 in einem Zimmer der Beschuldigten gewohnt und für die Nutzung des Zimmers monatlich Fr. 400.– bezahlt habe (Urk. 92 S. 5 ff.), so ist dem beizupflichten. Wie das Geständnis ist auch der Widerruf eines Geständnisses frei zu würdigen (GUNHILD GODENZI, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozess- ordnung (StPO), 3. Aufl. 2020, N. 5 zu Art. 160 StPO). Dies ist auch von Bedeu- tung, wenn die beschuldigte Person ein Zugeständnis im Laufe des Verfahrens teilweise zurücknimmt. Bezeichnete die Beschuldigte (in Anwesenheit ihrer frühe- ren Verteidigerin) die fragliche Zeitdauer wiederholt auf rund ein halbes Jahr, sind ihre späteren Relativierungen vor Schranken (Prot. I S. 9; Urk. 109 S. 6 ff.) wenig überzeugend und nicht glaubhaft. Richtig ist auch, wenn die Vorinstanz auf die Aussagen der Beschuldigten anlässlich der kantonspolizeilichen Befragung vom
uni 2019 abstellt und deshalb feststellt, dass die Beschuldigte von B. monatlich Fr. 400.– und insgesamt im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 einen Betrag von Fr. 2'400.– ausbezahlt erhielt.
Zusammenfassend kann das vorinstanzliche Beweisergebnis sowohl in Bezug auf die Dauer, während der die Beschuldigte B. ein Zimmer entgeltlich zur Ver- fügung stellte, als auch in Bezug auf den ihr monatlich bezahlten Betrag über- nommen werden. In derselben Zeit bezog die Beschuldigte Ergänzungsleistun-
gen. Soweit die Beschuldigte vorbringt, die von B.
erhaltenen Beträge
hätten keinen Gewinn dargestellt (Prot. I S. 12), rechtfertigt es sich, darauf im Rahmen der rechtlichen Würdigung näher einzugehen (E. III.1 nachfolgend).
Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts
Die Anklage wirft der Beschuldigten vor, sie habe B. bei sich wohnen lassen, obwohl dieser über eine Einreisesperre für die Schweiz verfügt habe. Durch die Vermietung des Zimmers und die fehlende Anmeldung bei der Gemeinde habe die Beschuldigte B. den Aufenthalt in der Schweiz erleich- tert. B. habe sich nicht in der Schweiz aufhalten dürfen und auf normalem Weg keine Wohnung mieten können, was die Beschuldigte zumindest in Kauf genommen habe (Urk. 62 S. 3). Die Vorinstanz kommt zum Schluss, die Beschul- digte habe zumindest in Kauf genommen, dass sich B. rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten habe. Der Anklagevorwurf sei erstellt, wobei die Vorinstanz den Tatzeitraum ab 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 festlegt (Urk. 92 S. 7 f.).
B.
über eine Einreisesperre für die Schweiz verfügt habe. Sie habe gar
nichts über B. gewusst (Prot. I S. 11; Urk. 109 S. 5).
Anlässlich der Berufungsverhandlung führte die Beschuldigte ergänzend aus, sie habe B. nicht gefragt, weil sie davon ausgegangen sei, dass er sie anlügen würde (Urk. 109 S. 4 f., 12), was bezeichnend ist.
fielen
unterschiedlich aus. Anlässlich der kantonspolizeilichen Einvernahme vom
20. Juni 2019 behauptete sie, mit B. eine mindestens halbjährige Paarbe- ziehung geführt zu haben. Einen Tag später meinte die Beschuldigte anlässlich der Hafteinvernahme, B. sei nie ihr Freund gewesen, um dann gegenüber der Kantonspolizei auszuführen, es hätten Pläne für eine Hochzeit bestanden (Urk. 5/1 F/A 50; Urk. 5/2 F/A 19; Urk. 5/6 F/A 61). Diese unterschiedlichen Anga- ben fallen wenig überzeugend aus. Nur schwer nachvollziehbar ist zudem die Be- hauptung, B. vor 2 ½ Jahren getroffen und ihm während rund einem halben Jahr ein Zimmer vermietet zu haben (Urk. 5/1 F/A 33 f.; E. II.2.3), gleichwohl we- der seinen Namen noch seine Staatsangehörigkeit zu kennen (Urk. 5/1 F/A 38) respektive ihn Lumbavie (Urk. 5/1 F/A 32 und 43) und Marko (Urk. 5/6 F/A 65) zu nennen. Die Schilderungen der Beschuldigten zu ihrem Mitbewohner sind damit in manchen Punkten widersprüchlich sowie ausweichend und bleiben über weite Strecken vage. Ihr Aussageverhalten setzt deshalb bei ihren Beteuerungen, nichts über die Einreisesperre gewusst zu haben (Urk. 5/1 F/A 127 und 141; Urk. 5/6 F/A 60; Prot. I S. 11), ein Fragezeichen. Selbst wenn die Beschuldigte
B.
– mit dem sie zusammenwohnte, eine Paarbeziehung führte und von
dem sie ein Auto geschenkt erhielt (Urk. 5/1 F/A 46) – weniger gut kannte, als dies nach allgemeiner Auffassung möglicherweise zu erwarten wäre, ist ihre be- hauptete Ahnungslosigkeit zu dessen Aufenthalt in der Schweiz unglaubhaft. Es blieb ihr denn offensichtlich nicht verborgen, dass B. , in dessen Zimmer un- ter anderem eine grosse Menge Heroin und Bargeld sichergestellt werden konnte (Urk. 12/3 und Urk. 12/4), seinen Aufenthalt gegenüber Dritten verborgen hielt. So
brachte die Beschuldigte selbst vor, sie sei misstrauisch geworden und habe auf- grund des Verhaltens von B. gedacht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergehe (Urk. 5/2 F/A 31). Anlässlich der Einvernahme vor dem Zwangsmassnahmengericht schilderte sie, sie sei von zwei Männern bedroht worden. Man habe ihr gedroht, ihrer Familie etwas anzutun, wenn sie etwas Fal- sches sage. Ein Mann sei immer wieder zu ihr nach Hause gekommen und habe
Geld in eine Kaffeebüchse im Schlafzimmer von B.
gelegt. Sie habe gemerkt, dass irgendetwas nicht in Ordnung sei. Auf die Frage, was sie über B. hätte verraten können, antwortete die Beschuldigte: Vielleicht, dass ich zu[r] Polizei gehen würde (Urk. 14/10 S. 2 f.). Man habe ihr gesagt, dass sie nichts erzählen und nicht sagen dürfe, dass B. bei ihr sei. Sie habe vermu- tet, dass B. illegal bei ihr wohnen würde (Urk. 14/11 S. 6).
Die Aussagen der Beschuldigten betreffend ihr Verhältnis zu B.
sind wie
ausgeführt nur schwer nachvollziehbar. Ihre behauptete Ahnungslosigkeit zu des- sen Aufenthalt ist unter anderem mit Blick auf den Besuch der unbekannten Män-
ner und die Drohungen, den Aufenthalt von B.
geheim zu halten, nicht
überzeugend. Die Beschuldigte ist vielmehr auf ihre Zusage anlässlich der Ein- vernahme vor dem Zwangsmassnahmengericht zu behaften, den illegalen Auf- enthalt von B. vermutet zu haben. Bezeichnend hierfür ist auch ihre Aussa- ge anlässlich der Befragung an der Berufungsverhandlung, wonach sie nicht nachgefragt habe, da sie davon ausgegangen sei, dass er sie anlügen würde (Urk. 109 S. 4 f., 12). Hand in Hand geht damit, dass die Beschuldigte in Kauf nahm, B. seinen illegalen Aufenthalt durch das Vermieten des Zimmers zu
erleichtern. Nicht zweifelhaft ist auch, dass gegen B.
eine Einreisesperre
verfügt worden war (vgl. Urk. 1 S. 6). Der anklagerelevante Sachverhalt ist inso- weit erstellt.
4. Übertretung des Gesetzes über das Meldewesen und die Einwohnerregister (MERG)
Die Anklagebehörde wirft der Beschuldigten vor, B.
nicht bei der
Einwohnerkontrolle angemeldet und deshalb das kantonale Gesetz vom 11. Mai 2015 über das Meldewesen und die Einwohnerregister (MERG; LS 142.1) übertreten zu haben. Die Beschuldigte stellte sich vor Vorinstanz auf den Standpunkt, B. habe als Tourist nicht länger als drei Monate am Stück bei ihr gewohnt, weshalb sie keine Pflicht gehabt habe, ihn auf der Gemeinde anzumelden (Prot. I
S. 14 f.). Es rechtfertigt sich, darauf im Rahmen der rechtlichen Würdigung näher einzugehen (E. III.3 nachfolgend).
Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe im Sinne von Art. 148a StGB
ELV auf die Grundsätze der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer im Wohnsitzkanton (vgl. dazu § 21 Abs. 1 lit. a des Steuergesetzes vom 8. Juni 1997 [StG; LS 631.1]).
S. 7). Diese Angaben der Beschuldigten sind nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Es ist Sache des Staates, das Gegenteil rechtsgenügend nachzuwei- sen (Art. 10 Abs. 3 StPO). Weitere Beweismittel, die Rückschlüsse auf die Ge- schäftsunkosten erlauben würden, liegen nicht vor. Mit Blick auf das Beweisfundament steht deshalb nicht fest, dass die Beschuldigte durch die sechsmal ausge- richteten monatlichen Beträge von Fr. 400.– einen (Fr. 1'000.– übersteigenden; vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG) Nettogewinn erwirtschaftete, der nicht deklariert zu einem Bezug unberechtigter Leistungen führte. Ebenso wenig steht fest, dass die Beschuldigte mit dem Vorsatz handelte, eine widerrechtliche Ergänzungsleistung ausbezahlt zu erhalten.
Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne von Art. 116 Abs. 1 lit. a AIG
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird unter anderem bestraft, wer einem Ausländer den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert (Art. 116 Abs. 1 lit. a AIG). Die Einreisevoraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine Fernhaltemassnahme, das heisst ein Einreiseverbot besteht (Art. 5 Abs. 1 lit. d AIG; MARC SPESCHA, Kommentar Migrationsrecht, 4. Aufl. 2015, N. 4 zu Art. 5 AIG). Einreiseverbote (Art. 67 AIG) ersetzen die Einreisesper- ren des früheren Rechts (Art. 13 ANAG; SPESCHA, a.a.O., N. 1 zu Art. 67 AIG). Als Erleichtern des rechtswidrigen Aufenthalts respektive als tatbestandsmässig im Sinne von Art. 116 Abs. 1 lit. a AIG gilt das Vermieten von Wohnraum an illegal anwesende Ausländer (BGE 130 IV 77 E. 2.3.2 S. 80 f. mit Hinweisen). Die Be- herbergung muss von einer gewissen Dauer sein (Urteil 6B_426/2014 vom 18. September 2014 E. 4).
Die Beschuldigte vermietete B.
während rund sechs Monaten ein
Zimmer, obwohl gegen diesen eine Einreisesperre respektive ein Einreiseverbot verfügt worden war. Gestützt auf das Beweisergebnis vermutete die Beschuldigte, dass sich B. illegal in der Schweiz aufhielt. Mit diesem Wissen des rechts- widrigen Aufenthalts ist dem Vorsatzerfordernis des Tatbestands Genüge getan (sogenannte Parallelwertung in der Laiensphäre; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 9 N. 71 f.). Durch das
Vermieten des Zimmers nahm die Beschuldigte in Kauf, B.
den illegalen
Aufenthalt zu erleichtern. Damit handelte die Beschuldigte eventualvorsätzlich.
Übertretung des Gesetzes über das Meldewesen und die Einwohnerregister im Sinne von § 31 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 8 Abs. 1 MERG
Gestützt auf das Beweisergebnis mietete B.
bei der Beschuldigten
vom 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 ein Zimmer. Diese hielt fest, laut Ge- meinde habe sie B. nicht anmelden müssen, solange er nicht länger als drei Monate bleibe. B. sei aber immer wieder aus der Schweiz ein- und ausge- reist und habe nicht drei Monate ohne Unterbruch bei ihr gewohnt. B. habe ein Kind, das er besucht habe (Prot. I S. 14 f.). Er sei gekommen und gegangen (Urk. 109 S. 6). Bereits in der ersten Einvernahme vertrat die Beschuldigte diesen Standpunkt. Sie hielt fest, B. sei mal da und dann wieder nicht da gewesen (Urk. 5/1 F/A 40 und 124). Anlässlich der Hafteinvernahme schilderte sie,
B.
sei immer mal wieder da und zwei bis drei Monate weg gewesen
(Urk. 5/2 F/A 20; ebenso in Urk. 5/3 F/A 21 und 25; Urk. 5/6 F/A 71 f.). Diese Schilderungen der Beschuldigten zur Aufenthaltsdauer respektive betreffend die Anzahl und die Dauer der Abwesenheiten ihres Untermieters bleiben zwar un- scharf. Hingegen liegen weitere Beweismittel, welche Rückschlüsse auf den
konkreten Aufenthalt von B.
erlaubten, nicht vor. Das der Beschuldigten
vorgeworfene Verhalten setzt voraus, dass die Beschuldigte ihren Meldepflichten im Sinne von § 8 MERG nicht nachkam. Dies setzt weiter voraus, dass sich
B.
ab 1. Januar 2019 bis zum 19. Juni 2019 mindestens während dreier
aufeinanderfolgender Monate oder während dreier Monate (innerhalb eines Jah- res) bei der Beschuldigten aufhielt. Ein Aufenthalt von drei Monaten ohne Unter- bruch steht nicht rechtsgenügend fest. Ebenso wenig steht fest, dass B. in der fraglichen Zeit insgesamt während drei Monaten bei der Beschuldigten wohn- te. Dass B. , wie die Vorinstanz unterstreicht, nach Belieben in die Wohnung der Beschuldigten zurückkehren konnte (Urk. 92 S. 13 f.), erweist sich mit Blick auf den Gesetzeswortlaut als unerheblich.
E. 4.2 S. 100 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll nach konstanter Rechtsprechung bei alternativ zur Verfügung stehenden und hin- sichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen ein- greift (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 123; Urteil 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018
E. 1.3.2; je mit Hinweis).
S. 101, 82 E. 7.2.2 S. 90). Am Vorrang der Geldstrafe hat der Gesetzgeber im Rahmen der erneuten Revision des Sanktionenrechts entgegen der ursprüngli- chen Stossrichtung festgehalten (BGE 144 IV 217 E. 3.6 S. 237 f. mit Hinwei- sen). Art. 41 StGB statuiert diese Priorität. Eine kurze Freiheitsstrafe anstelle ei- ner Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen ist unter anderem zulässig, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbre- chen oder Vergehen abzuhalten (Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB).
bruchs zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 50.– und ei- ner Busse von Fr. 700.– verurteilt. Zwar geschah das vorliegend zu beurteilen- de Delikt teilweise innerhalb der der Beschuldigten im Jahre 2017 gewährten Probezeit. Hingegen ist davon auszugehen, dass das vorliegende Strafver- fahren sowie die dreitägige Untersuchungshaft eine Warnwirkung zeitigen, weshalb einer Geldstrafe die präventive Effizienz nicht abgesprochen werden kann. Im Übrigen ist die vorinstanzliche Strafart bereits aufgrund des Verschlechterungsverbots zu übernehmen (Art. 391 Abs. 2 StPO).
S. 272 f.; Urteil 6B_918/2020 vom 19. Januar 2021 E. 6.4.1), wobei das Bun- desgericht darauf zurückzukommen scheint (BGE 148 IV 96 E. 4.8 S. 111). Im vorliegenden Fall kann die Strafe innerhalb des ordentlichen Strafrahmens festgesetzt werden. Strafschärfungsgründe und Strafmilderungsgründe, die straferhöhend respektive strafmindernd zu berücksichtigen wären, liegen keine vor.
Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne von Art. 116 Abs. 1 lit. a AIG
Die Beschuldigte vermietete B.
während knapp sechs Monaten ein
Zimmer, obwohl gegen diesen eine Einreisesperre respektive ein Einreiseverbot verfügt worden war. Die Zeitdauer ist nicht als übermässig lang zu bezeichnen und die Beschuldigte handelte eher aus der Situation heraus. Ihr ist keine beson- ders hohe kriminelle Energie anzurechnen. Das objektive Verschulden ist mit der Vorinstanz als sehr leicht einzuordnen.
Die Beschuldigte handelte eventualvorsätzlich. Finanzielle Interessen standen nicht im Vordergrund (E. III.1.2). Vielmehr ist ihr Handeln als Freund- schaftsdienst zu qualifizieren, da die Beschuldigte B. teilweise als Partner bezeichnete. Insgesamt vermögen die Elemente der subjektiven Tatkomponen- te die objektive Tatschwere leicht zu relativieren.
Die Vorinstanz hat die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten korrekt wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 92 S. 18). Aus den persönlichen Verhältnissen ergibt sich nichts für die Strafzumessung Rele- vantes. Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz, soweit sie zwei Vorstrafen berücksichtigt. Sie verweist dazu auf einen Strafregisterauszug vom 21. Juni 2019. Die darin aufgeführte Verurteilung vom 22. April 2010 war zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids bereits gelöscht (Art. 369 Abs. 3 StGB und Ziff. 3 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002 [AS 2006 3459; BBl 1999 1979]). Die über 5 ½ Jahre zu- rückliegende und nicht einschlägige Vorstrafe wirkt sich nur geringfügig straferhö- hend aus. Der Tatbegehung während der Probezeit ist ebenfalls leicht straferhö- hend Rechnung zu tragen. Weitere strafzumessungsrelevante Umstände sind nicht gegeben. Die Beschuldigte gab sich zum Aufenthalt von B. ahnungs- los. Dies ist ihr prozessuales Recht. Gleichzeitig kann sie unter diesem Titel für sich keine Strafreduktion reklamieren.
134 IV 140 E. 4.5 S. 144; je mit Hinweisen).
Kostenfolgen im erstinstanzlichen Verfahren
stanzlich und rechtskräftig vom Vorwurf der Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung freigesprochen. Zudem ist sie vom Vorwurf des unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe sowie vom Vorwurf der Verletzung der Meldepflicht im Sinne von § 31 Abs. 1 lit. a MERG freizusprechen. Die beschuldigte Person trägt gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Wird sie nur teilweise schuldig gesprochen, sind ihr die Verfahrenskosten grundsätzlich nur anteilsmäs- sig aufzuerlegen. Der beschuldigten Person können die gesamten Kosten des Untersuchungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt werden, wenn die ihr zur Last gelegten Handlungen in einem engen und direkten Zusam- menhang stehen und alle Untersuchungshandlungen hinsichtlich jedes Anklage- punkts notwendig waren. Bei einem einheitlichen Sachverhaltskomplex ist vom Grundsatz der vollständigen Kostenauflage nur abzuweichen, wenn die Strafun- tersuchung im freisprechenden Punkt zu Mehrkosten geführt hat (Urteil 6B_115/2019 vom 15. Mai 2019 E. 4.3 mit Hinweisen). Von einem einheitlichen Sachverhaltskomplex ist hier nicht auszugehen. Der (unbegründete) Vorwurf, un- rechtmässig Ergänzungsleistungen zur IV-Rente bezogen zu haben, überschnei- det sich zwar teilweise mit dem (begründeten) Vorwurf, den rechtswidrigen Auf- enthalt von B. gefördert zu haben. Der Vorwurf respektive der Lebenssach- verhalt geht jedoch darüber hinaus. Die entsprechenden Verfahrenskosten sind auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 428 Abs. 3 und Art. 423 StPO). Es recht- fertigt sich, die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsver- fahrens, mit Ausnahme der Kosten für die frühere amtliche Verteidigung, der Beschuldigten zu einem Drittel aufzuerlegen und zu zwei Dritteln auf die Ge- richtskasse zu nehmen. Die definitive Übernahme der Verteidigungskosten auf die Staatskasse (Dispositivziffer 9) ist wie ausgeführt in Rechtskraft erwach- sen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren
oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelver- fahren als obsiegend oder unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Aus- mass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden (THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizeri- sche Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 428 StPO).
Im Übrigen ist die Beschuldigte einer strafbaren Handlung nicht schuldig und wird freigesprochen.
Von einem Widerruf der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Baden vom
3. Februar 2017 (ST Nr. 2017.799) ausgefällten Strafe wird abgesehen. 4.-8. (…)
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
ist schuldig der Förderung des rechtswidrigen
Aufenthalts im Sinne von Art. 116 Abs. 1 lit. a AIG.
wird zudem freigesprochen von den Vorwürfen
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Ziff. 7) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (versandt) sowie in vollständiger Ausfertigung an
Staatssekretariat für Migration
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundes- gerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Zürich, 20. Oktober 2022
Der Präsident:
lic. iur. Ch. Prinz
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw A. Donatsch
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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