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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB220316: Obergericht des Kantons Zürich

Die Privatklägerin A.________ hat gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwyz Berufung eingelegt, diese jedoch später zurückgezogen. Der Kantonsgerichtspräsident hat daraufhin entschieden, dass die Berufung als erledigt abgeschrieben wird und die Gerichtskosten von 300 CHF vom Staat getragen werden. Gegen diesen Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht in Lausanne Beschwerde eingereicht werden. Die beteiligten Parteien sind A.________ als Privatklägerin, H.________ als Beschuldigter, die Staatsanwaltschaft Innerschwyz und die Rechtsanwälte der jeweiligen Parteien.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB220316

Kanton:ZH
Fallnummer:SB220316
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220316 vom 03.11.2022 (ZH)
Datum:03.11.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Mehrfacher Hausfriedensbruch
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatklägerin; Beschuldigten; Grundstück; Urteil; Berufung; Hausverbot; Verfahren; Aussagen; Hausfriedensbruch; Vorinstanz; Staatsanwalt; Winterthur; Verfahrens; Garage; Haustüre; Staatsanwaltschaft; Hausfriedensbruchs; Vorwurf; Gerichtskasse; Einwilligung; Wohnrecht; Entscheid; Liegenschaft; Privatparkplatz; Anklagesachverhalt; Sachen; Sinne; Urteils
Rechtsnorm:Art. 141 StGB ;Art. 186 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:136 I 229;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB220316

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220316-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, und lic. iur. B. Amacker, Ersatzoberrichterin Dr. iur. S. Bachmann sowie Gerichtsschreiberin MLaw T. Künzle

Urteil vom 3. November 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. R. Michel,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend mehrfacher Hausfriedensbruch

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht, vom 25. Januar 2022 (GG210105)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom

25. Oktober 2021 (Urk. 25) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 45 S. 25 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. von Art. 186 StGB.

    ist schuldig des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne

  2. Vom Vorwurf der Sachentziehung im Sinne von Art. 141 StGB wird der Beschuldigte freigesprochen.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 60.– (entsprechend Fr. 900.–).

  4. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  5. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'800.00 die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 1'100.00 Gebühr Vorverfahren

    Fr. 2'900.00 Total

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

  6. Die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. (Mitteilungen)

  8. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

(Prot. II S. 4)

  1. Des Beschuldigten: (sinngemäss)

    Der Beschuldigte sei von den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs vollumfänglich freizusprechen.

    Unter Kostenfolgen zulasten des Staates.

    Dem Beschuldigten sei für das gesamte Verfahren eine Umtriebsentschädigung von Fr. 1'000.– aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Prozessuales

      1. Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 45 S. 3).

      2. Mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur (Einzelgericht) vom 25. Januar 2022

        wurde der Beschuldigte A.

        des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne

        von Art. 186 StGB schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 60.– bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf zwei Jahre festgesetzt. Vom Vorwurf der Sachentziehung im Sinne von Art. 141 StGB wurde der Beschuldigte freigesprochen. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt (Urk. 45 S. 25).

      3. Gegen dieses Urteil des Bezirksgerichts Winterthur meldete der Beschuldigte unter persönlicher Vorsprache beim Bezirksgericht Winterthur am 3. Februar 2022 mündlich die Berufung an (Urk. 37). Mit Eingabe vom 7. Juni 2022 (Datum des Poststempels) reichte der Beschuldigte rechtzeitig die Berufungserklärung ein, worin er das Urteil vollständig anficht (Urk. 47; Urk. 43). In der Folge wurde der Privatklägerin und der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 21. Juni 2022 Frist angesetzt, um zu erklären, ob sie Anschlussberufung erheben ein Nichteintreten auf die Berufung beantragen (Urk. 50). Die Staatsanwaltschaft teilte mit Eingabe vom 28. Juni 2022 fristgerecht mit, sie beantrage die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Anschlussberufung erhob sie nicht (Urk. 52). Die Privatklägerin liess sich nicht vernehmen. Ebenfalls mit Verfügung vom 21. Juni 2022 wurde der Beschuldigte aufgefordert, das Datenerfassungsblatt auszufüllen und Belege zu seinen finanziellen Verhältnissen einzureichen (Urk. 50). Bis heute ging weder das ausgefüllte Datenerfassungsblatt noch Belege zu den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten ein. Die Berufung des Beschuldigten richtet sich gegen die Verurteilung wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs, indem er kund tut, er habe keine Hausfriedensbrüche begangen. Nicht angefochten sind der Freispruch vom Vorwurf der Sachentziehung im Sinne von Art. 141 StGB (Dispositivziffer 2) und die Kostenfestsetzung (Dispositivziffer 5) (vgl. Prot. II S. 5). Der Eintritt der Rechtskraft betreffend Dispositiv-Ziffern 2 und 5 ist vorab mittels Beschluss festzustellen. Beweisanträge für das Berufungsverfahren wurden keine gestellt.

    2. Sachverhalt

  1. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen (Anklagedossier 1 bis 3; Urk. 25), er habe am 27. Oktober 2020, ca. 15.15 Uhr, am 31. Oktober 2020, ca. 15.45 Uhr, und am 30. Dezember 2020, ca. 13.47 Uhr, in Kenntnis eines bestehenden Hausverbots, das Grundstück der Privatklägerin an der B. -strasse … in C. betreten bzw. sei trotz Aufforderung der Privatklägerin, das Grundstück zu verlassen, auf diesem verblieben bzw. habe das genannte Grundstück trotz anderweitiger Vereinbarung betreten.

  2. Der Beschuldigte anerkennt, das Hausverbot zu kennen und sich zu den in der Anklageschrift genannten Daten auf dem Grundstück der Privatklägerin aufgehalten zu haben, macht jedoch geltend, er habe jedes Mal eine Einwilligung der Privatklägerin gehabt und habe das Gebäude nicht betreten. Aus diesem Grund bestreitet er, sich des mehrfachen Hausfriedensbruchs schuldig gemacht zu haben.

  3. Hausfriedensbruch wird nur auf entsprechenden Strafantrag hin bestraft (Art. 186 StGB). Die Privatklägerin stellte am 27. Oktober 2020 (D1/2), am

1. November 2020 (D2/2) und am 30. Dezember 2020 (D3/2) Strafantrag. Sämtliche Strafanträge wurden rechtzeitig gestellt, womit die notwendigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind.

  1. Die Vorinstanz hat zutreffend aufgezeigt, wie bei der Sachverhaltserstellung vorzugehen ist und welche Grundsätze bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind (Urk. 45 S. 4 f.). Darauf kann vollumfänglich verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_1130/2014 vom 8. Juni 2015 E. 4). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

  2. Die Vorinstanz hat die massgeblichen Beweismittel angeführt (Urk. 45 S. 5 f.). Anzumerken ist, dass diese Beweismittel (Aussagen der Privatklägerin; Aussagen des Beschuldigten; diverse Chatnachrichten; Hausverbot) allesamt verwertbar sind. Ebenfalls hat die Vorinstanz die Aussagen des Beschuldigten und der Privatklägerin richtig wiedergegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann vollumfänglich darauf verwiesen werden (Urk. 45 S. 6 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).

  3. Die Vorinstanz kam nach Würdigung der Beweismittel zum Schluss, dass aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten und der Privatklägerin der Beschuldigte sich bei den angeklagten Sachverhalten auf dem Grundstück der Privatklägerin aufgehalten habe. Betreffend die Einzelheiten sei auf die

    glaubhaften Aussagen der Privatklägerin abzustellen; die Aussagen des Beschul- digten seien diesbezüglich nicht stimmig. Insgesamt seien die drei Anklagesachverhalte erstellt (Urk. 45 S. 6 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann voll- umfänglich darauf verwiesen werden (Urk. 45 S. 6 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Lediglich zur Verdeutlichung bzw. Präzisierung sind einige Erwägungen zu machen.

    1. Der Beschuldigte und die Privatklägerin waren viele Jahre ein Paar. Sie haben eine gemeinsame Tochter. Zusammen wohnten sie an der B. -strasse … in C. ; dort wo die inkriminierten Vorfälle stattgefunden haben sollen. Die Tren- nung ging nicht ohne Nebengeräusche von sich. Gegen den Beschuldigten wurde ein Rayon- und Kontaktverbot verhängt. Am 12. Juni 2020 liess die Privatklägerin durch ihren Rechtsanwalt für den Beschuldigten ein Hausverbot betreffend die

      Liegenschaft B. -strasse … in C.

      aussprechen (D1/5). Im Zeitpunkt

      der inkriminierten Vorfälle hatte der Beschuldigte Kenntnis vom Hausverbot (D1/3

      S. 2; Urk. 56 S. 6). Der Beschuldigte wendet gegen das Hausverbot ein, dieses sei erst gültig, wenn es einen Richterspruch gebe (D2/3 S. 4). Diese Ansicht des Beschuldigten ist verfehlt. Ein von einer berechtigten Person ausgesprochenes Hausverbot hat ab Kenntnisnahme seine Gültigkeit und bedarf nicht noch der Überprüfung durch einen Richter. Im Übrigen ist sich der Beschuldigte absolut bewusst, dass wenn eine berechtigte Person ein Hausverbot ausspricht und jemand trotz Hausverbot das Haus betritt, sich strafbar macht (Prot. I S. 20). Da die Privatklägerin alleinige Eigentümerin der Liegenschaft ist (D1/3 S. 2; D1/16/5; Prot. I S. 14), war sie berechtigt, ein Hausverbot auszusprechen. Trotz dem ausgesprochenen Hausverbot erlaubte die Privatklägerin dem Beschuldigten teilweise täglich, zu ihr zu kommen. Wenn die Privatklägerin einwilligte, dann durfte der Beschuldigte kommen. Er kam, ging mit dem Hund spazieren und hat noch das Abendessen bei der Privatklägerin eingenommen. Dann wurde es der Privatklägerin zu viel. Ab diesem Zeitpunkt durfte der Beschuldigte nur noch kommen, nachdem die Privatklägerin ausdrücklich ihre Zustimmung gab (D1/14 S. 4).

      Der Beschuldigte macht wiederholt geltend, er verfüge über ein Wohnrecht für die

      Liegenschaft B. -strasse … in C.

      und sei daher befugt, das Grund-

      stück zu betreten (D2/3 S. 4; D1/13 S. 2). Die Privatklägerin und der Beschuldigte

      lebten jahrelang als Paar in der erwähnten Liegenschaft, welche sich im Alleineigentum der Privatklägerin befindet. Aufgrund dieses einvernehmlichen Zusammenlebens ergibt sich für die Zeit nach der Trennung kein Wohnrecht. Auch ist im Grundbuch kein Wohnrecht zu Gunsten des Beschuldigten eingetragen. Eine einvernehmliche, nicht im Grundbuch eingetragene, Einräumung eines Wohnrechts, konnte der Beschuldigte nicht belegen. Gemäss Angaben der Privatklägerin gibt es eine solche auch nicht (D1/14 S. 3). Dass die Privatklägerin dem Beschuldigten in ihrem Testament ein Wohnrecht einräumte (D1/14 S. 3), berechtigt den Beschuldigten zu Lebzeiten der Privatklägerin nicht, das Grundstück zu betreten, treten die Rechtswirkungen eines Testaments erst mit dem Ableben ein. In der Zwischenzeit hat die Privatklägerin ihr Testament geändert. Auch eine finanzielle Beteiligung an den Renovationskosten bewirkt kein Wohnrecht. Aus all diesen Grün- den verfügt der Beschuldigte über kein Wohnrecht. Ebenso wenig kann der Beschuldigte ein gleichberechtigtes Wohnrecht aus dem Umstand ableiten, dass er vor dem Erwerb der Liegenschaft durch die Privatklägerin eine ähnliche Summe für den Aufbau einer gemeinsamen Existenz verwendet habe (vgl. Urk. 56 S. 5). Im Übrigen ging der Beschuldigte selbst nicht davon aus, dass er berechtigt war, das Grundstück zu betreten. Er meldete seine Besuche an und kam nur dann, wenn die Privatklägerin ihm nicht ausdrücklich verbot, zu kommen (D1/13 S. 4; D1/14 S. 4 und Urk. 56 S. 6).

    2. Gemäss übereinstimmenden Aussagen der Privatklägerin und des Beschul- digten hat der Beschuldigte am 27. Oktober 2020 um ca. 13.30 Uhr mit Einwilligung der Privatklägerin ein Fahrrad aus der Garage der Liegenschaft B. strasse … in C. geholt. Dafür hatte der Beschuldigte per Chat die explizite Einwilligung der Privatklägerin erhalten (D1/4). Der Beschuldigte war dann gemäss den glaubhaften Aussagen der Privatklägerin eine Stunde weg und ist dann wieder gekommen. Für das Wiederkommen hatte der Beschuldigte die mündliche Einwilligung der Privatklägerin: Ich sagte ok, dann kommst du halt später wie- der. (D1/13 S. 5). Der Beschuldigte schilderte in seiner polizeilichen Einvernahme vom 27. Oktober 2020, dass die Privatklägerin zuerst einverstanden war, dass er kommt. Plötzlich sei es nicht mehr gut gewesen. Er habe sehr beherrscht reagiert, habe das Haus verlassen und sei in die Garage, um sein Velo zu holen. Danach habe er die Liegenschaft verlassen. Etwa 1,5 Stunden später habe er sein Velo zurückgebracht. Dann habe die Privatklägerin die Polizei gerufen (D1/3 S. 3).

      Die Chat-Einwilligung beinhaltete lediglich das einmalige Holen des Fahrrades. Gemäss den Ausführungen des Beschuldigten holte er sein Fahrrad, war jedoch auch noch im Haus. Dies war von der ursprünglichen Einwilligung nicht umfasst. Ob die Privatklägerin den Beschuldigten ins Haus gelassen hat bzw. dem Beschuldigten die Erlaubnis erteilte, das Haus zu betreten, muss vorliegend nicht abschliessend geklärt werden, da es vom Anklagevorwurf nicht umfasst ist. Dass es dann gemäss den Ausführungen des Beschuldigten nicht mehr gut gewesen sei, ist somit nicht weiter erstaunlich. Der Beschuldigte verliess dann das Haus und holte sein Fahrrad in der Garage. Etwa 1,5 Stunden später kam der Beschul- digte zurück (D1/3 S. 3). Das wird etwa um 15.15 Uhr gewesen sein. Die Polizei wurde erst um 16.23 Uhr avisiert (D1/1 S. 2). Der Beschuldigte war demnach nach dem Zurückbringen seines Fahrrades noch über eine Stunde auf dem Grundstück der Privatklägerin bis diese die Polizei rief. Aufgrund der mündlichen Zusage der Privatklägerin, dass der Beschuldigte später wieder kommen könne, hatte er – wie ausgeführt – die Erlaubnis der Privatklägerin. Demzufolge konnte der Beschuldigte zurückkommen und auf dem Grundstück der Privatklägerin verweilen, bis diese ihn aufforderte, das Grundstück zu verlassen. Gemäss den glaubhaften Aussagen der Privatklägerin, hat sie dies wiederholt gemacht. Auch der Beschuldigte anerkennt, dass die Privatklägerin ihm gesagt hat, er müsse gehen (D1/13 S. 3). Dennoch hielt sich der Beschuldigte weiterhin auf dem Grundstück der Privatklägerin auf, und zwar gemäss Angaben der Privatklägerin vor der Garage, auf dem Privatparkplatz des Hauses (D1/14 S. 6). Insgesamt ist der Anklagesachverhalt 1 erstellt mit der Ergänzung, dass sich der Beschuldigte, nach- dem die Privatklägerin ihn aufforderte das Grundstück zu verlassen, vor der Garage auf dem Privatparkplatz des Hauses aufgehalten hat.

    3. Aufgrund der Aussagen der Privatklägerin ergibt sich, dass am 31. Oktober

      2020 abgemacht war, dass der Beschuldigte den Hund D.

      um 14.00 Uhr

      auf dem Nachbargrundstück der Privatklägerin entgegennimmt und ihn um 18.00

      Uhr dort wieder abliefert (D2/4 S. 2). Da diese Abmachung per Chat erfolgte, ist sie auch belegt (D1/17/2). Im Chat bestätigte der Beschuldigte auch, dass er verstanden habe, wie sich das Ganze abspielt. In seiner Einvernahme vom 9. September 2021 bestätigt der Beschuldigte zudem diese Abmachung (D1/15 S. 3). Anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz räumte der Beschuldigte dann ein, dass er D. am 31. Oktober 2020 um 15.45 Uhr übernommen hat. Betreffend die Übergabe und die Rückgabe von D. sei nichts vereinbart gewesen (Prot. I S. 16). Er sei beim Eingangsbereich des Hauses gewesen, als er

      D.

      abgeholt habe. Da er in E.

      noch einige Sachen habe erledigen

      müssen, habe er D. nicht um 14.00 Uhr abgeholt (Prot. I S. 17 f.). Im Rahmen der Berufungsverhandlung gab der Beschuldigte an, es stimme nicht, dass sich der Übergabeort von D. auf dem Parkplatz des Nachbargrundstückes befunden habe. Die Übergaben hätten beim Haus, vor dem Vorplatz, vor der Haustüre stattgefunden (Urk. 56 S. 7 f.). Auch wenn die weiteren Ausführungen des Beschuldigten obigen Aussagen widersprechen, so bestand sehr wohl eine Abmachung zwischen der Privatklägerin und dem Beschuldigten, wie die Übergaben von D. stattfinden sollten. Da diese Übergaben explizit auf dem Nachbargrundstück stattzufinden hatten, war auch klar, dass das Hausverbot galt und die Privatklägerin nicht wollte, dass der Beschuldigte ihr Grundstück betrat. Entgegen der obigen Abmachung erschien der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben nicht zum vereinbarten Zeitpunkt am vereinbarten Ort. Später rief der Beschuldigte die Privatklägerin an und fragte diese, ob er trotzdem noch mit D. spazieren gehen dürfe. Die Privatklägerin bestätigte dies und sagte zum Beschuldigten, sie bringe D. zum Parkplatz des Nachbarn (D2/4 S. 2). Ungeachtet dessen stand der Beschuldigte dann unvermittelt vor der Haustüre der Privatklägerin. Diese fragte ihn, ob er nicht verstanden habe, dass er nicht kommen dürfe und forderte ihn auf, zum Parkplatz (gemeint: des Nachbarn) zurückzukehren. Als die Privatklägerin dachte, der Beschuldigte befinde sich nicht mehr vor der Haustüre, öffnete sie diese. Der Beschuldigte stand jedoch immer noch vor der Haustüre (D2/4 S. 4). Damit ist erstellt, dass sich der Beschuldigte trotz gegenteiliger Abmachung zur Haustüre der Privatklägerin begab und als sie ihn wegschickte weiterhin vor der Haustüre verweilte. Gemäss Angaben der Privatklägerin muss, um an die Haustüre zu gelangen, das Gartentor geöffnet werden (D2/4 S. 2). Der Anklagesachverhalt 2 in Bezug auf den Vorwurf des Hausfrie- densbruchs ist damit erstellt.

    4. Am 30. Dezember 2020 um ca. 13.47 Uhr telefonierte die Privatklägerin der Polizei, da der Beschuldigte erneut ihr Grundstück betreten hat (D3/1). In seiner polizeilichen Einvernahme vom 30. Dezember 2020 bestätigte der Beschuldigte, dass er sich vor dem Haus der Privatklägerin aufgehalten hat. Ins Gebäude sei er jedoch nicht gegangen. Zudem habe er sich immer vorher angemeldet (D3/3 S. 1 f.; D1/15 S. 2). Auf seinem Mobiltelefon findet der Beschuldigte jedoch keinen Eintrag für eine Anmeldung für den 30. Dezember 2020 (D1/13 S. 4). Anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz führte der Beschuldigte aus, der Chatverlauf sei klar; er habe jedes Mal die Bewilligung eingeholt und diese sei ihm erteilt worden (Prot. I S. 20). Fest steht somit, dass der Beschuldigte die Einwilligung der Privatklägerin für das Betreten des Grundstücks am 30. Dezember 2020 nicht vorweisen kann. Aus dem Chat-Verlauf ergibt sich vielmehr, dass die Privatklägerin dem Beschuldigten am 17. November 2020 mitteilte, sie werde seine Nummer bis Ende Dezember sperren (D1/17/2). Der Beschuldigte bestätigte anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz, dass die Nummer bis jetzt (Datum der Hauptverhandlung: 25. Januar 2022) immer noch gesperrt ist (Prot. I S. 19). Somit hatte der Beschuldigte am 30. Dezember 2020 keine Erlaubnis der Privatklägerin, ihr Grundstück zu betreten, und das am 12. Juni 2020 ausgesprochene Hausverbot hatte Gültigkeit. Der Beschuldigte betrat daher das Grundstück der Privatklägerin unberechtigterweise, womit der Anklagesachverhalt 3 erstellt ist. Anzumerken ist, dass die Aussagen der Privatklägerin zu diesem Anklagesachverhalt sehr spärlich sind. So führte sie lediglich aus, sie könne sich nicht mehr erinnern, was genau los gewesen sei. Die Polizei habe ihr gesagt, sie müsse jedes Mal anrufen, wenn er komme (D1/14 S. 8). Aufgrund der Aussagen der Privatklägerin lässt nicht feststellen, wo auf dem Grundstück sich der Beschuldigte aufgehalten hat. Anlässlich der Berufungsverhandlung gab der Beschuldigte ergänzend an, er sei auch um das Grundstück herumgelaufen, da er die Kreide gesucht habe, um die Pneus zu beschriften (Urk. 56 S. 8). Der Anklagesachverhalt, wonach der Beschuldigte das Grundstück der Privatklägerin betreten hat, ist somit erstellt.

  1. Rechtliche Würdigung

    1. Nach Art. 186 StGB macht sich des Hausfriedensbruchs schuldig, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, einen abgeschlosse- nen Raum eines Hauses in einen unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Platz, Hof Garten in einen Werkplatz unrechtmässig ein- dringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt. Durch die Bestimmung geschützt wird neben den abgeschlossenen Räumen eines Hauses auch der unmittelbar um ein Haus gehörende umfriedete Platz, Hof Garten. Umfriedet bedeutet, dass solche Flächen umschlossen sein müssen, etwa durch Zäune Hecken, wobei aber die Erkennbarkeit der Abgrenzung massgebend ist, nicht deren Lückenlosigkeit. Offene Plätze sind auch dann nicht geschützt, wenn sie zu einem Haus gehören (BSK StGB DEL- NON/RÜDY, Art. 186 N 13 ff.).

    2. Gemäss dem erstellten Sachverhalt verblieb der Beschuldigte am 27. Oktober 2020 trotz mehrfacher Aufforderung der Privatklägerin auf deren Grundstück, indem er sich auf dem Privatparkplatz vor der Garage aufhielt. Auf Google-Maps ist ersichtlich, dass der Privatparkplatz vor der Garage unmittelbar an das Trottoir angrenzt und keinerlei Abgrenzungen wie Zäune, Hecken dergleichen vorhanden sind. Auch zum Privatparkplatz des Nachbargrundstückes gibt es keine Abgrenzung. Beim Privatparkplatz der Privatklägerin handelt es sich somit um einen offenen Platz, der nicht durch das Hausrecht geschützt ist. Der Beschuldigte ist daher in Bezug auf den Anklagesachverhalt 1 freizusprechen.

    3. Am 31. Oktober 2020 begab sich der Beschuldigte trotz anderweitiger Abmachung und bestehendem Hausverbot zur Haustüre der Privatklägerin und verweilte weiterhin dort, auch nachdem sie ihn weggeschickt hatte. Um zur Haustüre zu gelangen, musste der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben das mit Gummi befestigte Gartentor öffnen (vgl. Urk. 56 S. 7 f.). und dann einige Schritte machen. Auch auf Google-Maps ist rechts neben der Garage oben an der Treppe das Gartentor ersichtlich. In der Anklageschrift ist dieser Umstand, d.h. die Abgrenzung durch ein Gartentor mit einem Gummizug und dessen Öffnung durch den Beschuldigten, jedoch nicht umschrieben. Es fehlt mithin an der Umschreibung eines wesentlichen Tatbestandselementes des Hausfriedensbruches. Entsprechend kann dies dem Beschuldigten aus formellen Gründen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der Beschuldigte ist deshalb vom Vorwurf des Hausfriedensbruches freizusprechen.

    4. Am 30. Dezember 2020 betrat der Beschuldigte in Kenntnis des Hausverbotes und ohne anderslautende Einwilligung der Privatklägerin wiederum deren Grundstück. Da zugunsten des Beschuldigten davon auszugehen ist, dass der Beschul- dige sich erneut auf dem Privatparkplatz vor der Garage aufgehalten hat und dieser wie oben erwähnt mangels Abgrenzung vom Hausrecht nicht umfasst ist, ist der Beschuldigte vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freizusprechen.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens

    1. Wird die beschuldigte Person freigesprochen, so sind die Verfahrenskosten grundsätzlich auf die Gerichtskasse zu nehmen. Der beschuldigten Person dürfen jedoch die Kosten des Verfahrens ganz teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 1 und Abs. 2 StPO).

      Der Beschuldigte ist vorliegend vollumfänglich freizusprechen. Es rechtfertigt sich, die Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens ganz auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  2. Kosten des Berufungsverfahrens

    1. Im Berufungsverfahren wird die Gerichtsgebühr grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regeln bemessen. Dabei wird auch berücksichtigt, ob das Urteil vollumfänglich nur teilweise angefochten worden ist (§ 16 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 lit. a GebV OG). Vorliegend erscheint die Festsetzung einer Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.– als angemessen.

      2.2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft

      beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 52). Der Beschuldigte beantragte einen vollumfänglichen Freispruch. Der Beschuldigte obsiegt dem- nach vollumfänglich. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind deshalb auf die Gerichtskasse zu nehmen.

  3. Entschädigung des Beschuldigten für das gesamte Verfahren

    1. Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Aus- übung ihrer Verfahrensrechte und eine Entschädigung für wirtschaftliche Einbussen (Art. 429 Abs. 1 lit. a und b StPO).

    2. Der Beschuldigte macht eine Umtriebsentschädigung von insgesamt Fr. 1'000.– für das gesamte Verfahren geltend (Prot. II S. 5).

    3. Der Beschuldigte war zeitweise anwaltlich vertreten. Unbestrittenermassen war der Beschuldigte berechtigt, vorliegend eine Verteidigung beizuziehen, zumal nach heutigen Verhältnissen jeder beschuldigten Person zuzugestehen ist, nach Einleitung einer Strafuntersuchung, die ein Verbrechen, Vergehen eine Übertretung (zumindest in jenen Fällen, die einen Strafregistereintrag zur Folge haben) die ausserordentlich komplex sind, einen Anwalt beizuziehen (BSK StPO WEHRENBERG/FRANK, Art. 429 N 14).

    4. Der Beschuldigte ist Rentner und hat demzufolge keinen Erwerbsausfall erlitten.

    5. Insgesamt erscheint es angemessen, dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren eine Umtriebsentschädigung in der Höhe von Fr. 200.– aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

Es wird beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom

25. Januar 2022 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

Es wird erkannt:

  1. Vom Vorwurf der Sachentziehung im Sinne von Art. 141 StGB wird der Beschuldigte freigesprochen.

3.-4. …

  1. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'800.00 die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 1'100.00 Gebühr Vorverfahren

    Fr. 2'900.00 Total

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte wird zudem von den übrigen Vorwürfen vollumfänglich freigesprochen.

  2. Die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Dem Beschuldigten wird für das gesamte Verfahren eine Umtriebsentschä- digung von Fr. 200.– aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • den Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

    • die Privatklägerin

      (Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird der Privatklägerin nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangt.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • den Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

    • die Privatklägerin

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Urk. 49.

  7. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 3. November 2022

Der Präsident:

lic. iur. Ch. Prinz

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw T. Künzle

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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