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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB220274
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220274 vom 19.09.2022 (ZH)
Datum:19.09.2022
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B-1491/2022
Leitsatz/Stichwort:Nötigung etc.
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Vorinstanz; Nötigung; Berufung; Beschuldigten; Verkehr; Verteidigung; Verfahren; Urteil; Aktion; Sinne; Blockade; Polizei; Person; Bundesgericht; Geldstrafe; Klima; Werden; Berufungsverfahren; Verkehrs; Verweis; Zumessung; Schützt; Tagessätze; Staatsanwalt; Allgemeinheit; Tagessätzen; Probezeit
Rechtsnorm: Art. 17 StGB ; Art. 181 StGB ; Art. 215 StPO ; Art. 239 StGB ; Art. 260 StPO ; Art. 34 StGB ; Art. 389 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StGB ; Art. 428 StGB ; Art. 44 StGB ; Art. 45 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 52 StGB ; Art. 54 StGB ;
Referenz BGE:119 IV 301; 129 IV 6; 134 IV 216; 135 IV 130; 137 IV 326; 146 IV 297;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220274-O/U/jv

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. C. Maira sowie der Gerichtsschreiber MLaw S. Zuber

Urteil vom 19. September 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. D. Kloiber,

Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend Nötigung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 13. April 2022 (GB220029)

Anklage:

Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich - Sihl vom 1. Dezember 2021 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 7).

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 28 S. 32 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte ist schuldig

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.–; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 1'000.– Gebühr Vorverfahren

    Weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  5. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

  6. [Mitteilungen]

  7. [Rechtsmittel]

Berufungsanträge:

  1. Die Beschuldigte A.

    (Urk. 40):

    1. Ich muss von Schuld und Strafe befreit werden.

    1. Auf Art. 52 StGB und 54 StGB auf eine Bestrafung gegen mich aufge- ben (abandonner au sens de renoncer) und das Strafverfahren einzu- stellen (classer (ma procédure)).

    2. Die Kosten des Verfahrens müssen dem Staatskasse auferlegt werden

      (pris en charge par la caisse de l'Etat).

    3. Ich muss für die Verteidigungskosten (frais de défense), die mir vor dieser Anhörung entstanden sind (que j'ai eus avant cette audience), entschädigt (indemnisé) werden.

  2. Der Staatsanwaltschaft (Urk. 34): (schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

    Erwägungen:

    1. Prozessuales

      1. Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil der Vorinstanz vom

      1. April 2022 wurde die Beschuldigte A. anklagegemäss der Nötigung und der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe bestraft (Urk. 28 S. 32). Gegen diesen Entscheid liess die Beschuldigte durch ihre Verteidigung mit Eingabe vom

      2. April 2022 innert gesetzlicher Frist Berufung anmelden (Art. 399 Abs. 1 StPO; Urk. 21). Die Berufungserklärung der Verteidigung ging ebenfalls innert gesetzlicher Frist bei der Berufungsinstanz ein (Art. 399 Abs. 3 StPO; Urk. 30).

      Die Anklagebehörde hat mit Eingabe vom 30. Mai 2022 innert Frist mitgeteilt, dass auf Anschlussberufung verzichtet wird (Urk. 34; Art. 400 Abs. 2 f. und Art. 401 StPO). Beweisergänzungsanträge wurden im Berufungsverfahren nicht gestellt (Art. 389 Abs. 3 StPO; Urk. 30). Die Verteidigung hat die Berufung in ihrer Berufungserklärung nicht beschränkt (Urk. 30; Art. 399 Abs. 4 StPO). Die Anklagebehörde beantragt die Bestätigung des angefochtenen Entscheides (Urk. 34). Demnach ist im Berufungsverfahren das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten (vgl. Art. 404 Abs. 1 StPO).

      1. Am 19. September 2022 fand die Berufungsverhandlung statt, zu welcher die Beschuldigte sowie die Beschuldigte im Parallelverfahren SB220276, B. , zusammen mit deren erbetener Verteidigerin, Rechtsanwältin X. , erschienen. Das Urteil wurde gleichentags beraten, mündlich eröffnet und im Dispositiv übergeben (zum Ganzen: Prot. II S. 4 ff.).

      2. Gemäss ständiger Praxis hat sich das Gericht nicht mit sämtlichen, sondern lediglich mit den wesentlichen Punkten der Parteibehauptungen auseinander zu setzen (Entscheid des Bundesgerichts 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019

      E. 1.5.2. mit Verweisen).

    2. Schuldpunkt

        1. Am 19. Juni 2020 zwischen ca. 12.00 und ca. 15.30 Uhr blockierten – mehr- heitlich – Angehörige der Gruppierung C. n in einer unbewilligten Aktion die D. -brücke in Zürich und verhinderten, dass in dieser Zeitspanne jeglicher private und öffentliche Verkehr passieren konnte. Sämtliche Motor- fahrzeuglenker und Benützer des öffentlichen Verkehrs wurden durch diese Aktion gezwungen, entweder einen Umweg zu nehmen oder die Zeit der Blockade im Stau auszusitzen.

        2. Der Beschuldigten wird im Strafbefehl vom 1. Dezember 2021 der Staats- anwaltschaft Zürich-Sihl vorgeworfen, an dieser Blockade dahingehend teilge- nommen zu haben, dass sie auf der Fahrbahn gestanden und ein über die Fahrbahn gespanntes Plakat hoch gehalten habe und der Aufforderung der

          Polizei, die Blockade aufzugeben und die Fahrbahn zu verlassen, nicht nachgekommen sei (Urk. 7 S. 3).

        3. Die Beschuldigte hat im gesamten bisherigen Verfahren konsequent die Aussage zur Sache verweigert (Urk. 4; Prot. I S. 8; Urk. 39). Anlässlich der Berufungsverhandlung verlas sie ein Plädoyer, welches sich über weite Strecken zur – bekanntermassen bestehenden – Klimakrise äusserte.

        1. Durch ihre Verteidigung liess die Beschuldigte vor der Vorinstanz anerken- nen, dass sie sich am Tattag bis ca. 12:40 Uhr auf der D. -brücke aufgehal- ten habe und dort von der Polizei kontrolliert und anschliessend weggewiesen worden sei; allerdings habe sie sich auf dem Trottoir befunden. Ein Aufenthalt auf der Fahrbahn wird bestritten (Urk. 18 S. 4 f.).

        2. Die Polizei hat die Aktion und deren Teilnehmer fotografiert (Urk. 3). Sodann wurde die Beschuldigte durch die Polizei anlässlich ihrer Personenkontrolle foto- grafiert (Urk. 2).

          Die Verteidigung hat bereits im Hauptverfahren vorab reklamiert, das Fotografie- ren einer Person sei eine erkennungsdienstliche Erfassung gemäss Art. 260 Abs. 1 StPO, welche in einem schriftlichen und begründeten Befehl anzuordnen sei. Ein solcher liege nicht vor, weshalb die Vergleichs-Fotografie prozessual nicht verwertbar sei. Die Beschuldigte hätte zur erkennungsdienstlichen Erfassung auf den Polizeiposten vorgeladen werden müssen (Urk. 18 S. 5 f.; vgl. auch Urk. 40 S. 3).

          Die Vorinstanz hat zusammengefasst erwogen, es habe keine eigentliche Zwangsmassnahme vorgelegen und die Polizei sei zum Fotografieren der Beschuldigten als Bestandteil des Erfassens der Identität einer Angehaltenen im Sinne von Art. 215 StPO berechtigt gewesen (Urk. 28 S. 6 f.).

          Die Identitätsfeststellung i.S.v. Art. 215 Abs. 1 lit. a StPO umfasst die Befragung zur Person, die Prüfung von Ausweisen, das Nachschlagen in Datenbanken und

          u.U. auch eine erkennungsdienstliche Behandlung (BSK StPO, ALBERTINI/ ARMBRUSTER, Art. 215, N 11). Das Fotografieren einer Person, nachdem deren

          Identität feststeht, fällt somit wohl nicht unter diesen Katalog (vgl. SCHMID/JOSITSCH, StPO, Praxiskommentar, Art. 260, N 1). Dies kann jedoch mit den nachstehenden Erwägungen offenbleiben.

          Gemäss Art. 260 Abs. 3 StPO kann eine erkennungsdienstliche Erfassung in dringlichen Fällen mündlich angeordnet werden. Dass in concreto in mehrfacher Hinsicht ein dringlicher Fall vorlag, liegt auf der Hand: Die Polizei hatte die grosse Zahl von rund 250 Personen zu kontrollieren und zu erfassen. Sodann blockierten diese bis zum Ende der Kontrolle und Wegweisung aller Demonstrierenden den gesamten Verkehrsfluss auf der stark befahrenen D. -brücke. Dass eine mündliche Anordnung gegenüber der Beschuldigte erfolgte, ist ebenso evident, trägt diese doch die ihr durch die Polizei offensichtlich ausgehändigte Erken- nungsnummer in der Hand (Urk. 2 S. 1). Aus dem schriftlichen Text zur Fotografie in Urk. 2 ergibt sich auch die Begründung der erkennungsdienstlichen Erfassung: Der Beschuldigten wurde vorgeworfen, an einer unbewilligten Demo teilgenom- men zu haben (Urk. 2 S. 2). Im Basler Kommentar wird vorab deutliche Kritik am fehlenden Aufwand/Nutzen-Verhältnis der fraglichen gesetzlichen Bestimmung geübt und anschliessend deren Sinn und Zweck primär darin erkannt, die polizei- liche Massnahme aktenkundig zu machen (BSK StPO, WERLEN, Art. 260, N 4 f.). Dies hat die ausführende Polizei durch die konkrete Erstellung von Urk. 2 in opti- ma forma getan. Die vorliegende Urk. 2 genügt somit den Anforderungen einer nachträglichen schriftlichen Anordnung und Begründung der offensichtlich infolge Dringlichkeit mündlich angeordneten fotografischen Erfassung der Beschuldigten. Sie ist entgegen der Verteidigung prozessual verwertbar.

        3. Die Bestreitung der Verteidigung, die fotografierten Personen gemäss Urk. 2 und Urk. 3 [rot eingekreist] seien nicht identisch, ist schon eigentlich hilflos: Ganz abgesehen davon, dass die Augenpartie offensichtlich dieselbe ist, trägt die Per- son in Urk. 3 die sehr auffällige Gesichtsmaske mit Blumenmuster (in Urk. 2 ein- fach am Ohr), dasselbe bauchfreie rote Top (mit leicht veränderter farblicher Wie- dergabe auf den verschiedenen Fotos) und das schwarz-rosa-farbene Stoff- Bekleidungsteil (Schal oder Tuch) als Turban auf dem Kopf, welche auch von der Person in Urk. 2 getragen werden. Bei der Person gemäss Urk. 3 [rot eingekreist]

      handelt es sich ohne jeden Zweifel um die Beschuldigte. Aus den Fotografien in Urk. 3 ergibt sich sodann mit dem Beweisresultat der Vorinstanz (auf deren Erwä- gungen ergänzend verwiesen wird), dass sich die Beschuldigte zwischen 12:28 und 12:45 (Fotos

      15-18) stehend auf der Fahrbahn befand und zwischen 12:47 (Foto 19) und 13:49 (Bild 12; die Beschuldigte mit Turban ist deutlich erkennbar unter dem linken Arm der vor ihr mit dem Rücken zur Kamera stehenden Person, die einen rot- schwarzen Rucksack trägt) Teil der Sitzblockade war.

      Die Behauptung der Verteidigung, die Beschuldigte sei um 12:40 Uhr durch die Polizei kontrolliert worden, habe sich anschliessend entfernt und somit an die polizeilichen Anweisungen gehalten (Urk. 18 S. 7), ist durch die Akten widerlegt: Diese fusst auf der Angabe zur Kontrollzeit 1240h gemäss Urk. 2 S. 2: Bei dieser Zeitangabe handelt es sich jedoch offensichtlich um den Zeitpunkt des Beginns der Kontrolle sämtlicher Demonstranten (vgl. Urk. 1 S. 3 und Urk. 3, Text zu Foto 8) und nicht um die konkrete Zeit der Kontrolle der Beschuldigten. Dies wird durch die datierten Aufnahmen der Beschuldigten belegt.

      Durch die Fotoaufnahmen in Urk. 3 wird sodann die weitere Behauptung der Verteidigung entkräftet, die Beschuldigte habe sich nicht auf dem Tramtrassee befunden und den öffentlichen Verkehr nicht behindert (Urk. 18 S. 17). Die Vor- instanz hat zutreffend erwogen, dass die Beschuldigte gemeinschaftlich mit einer Vielzahl von Gleichgesinnten handelte. Die Demonstranten sperrten ab Beginn der Veranstaltung und bis zu deren Auflösung sowohl die Fahrbahnen für den Individualverkehr wie die Tramtrassees (Urk. 3 Foto 2 ff., insb. Foto 11 f.). Dass die Beschuldigte auch den öffentlichen Verkehr behindert hat, wird ihr in der Anklageschrift ausdrücklich vorgeworfen (Urk. 7 S. 3) und ihre Bestreitung einer Anwesenheit nach 12:40 Uhr ist wie erwogen widerlegt.

      In diesem Sinne ist der Anklagesachverhalt rechtsgenügend erstellt, mit der einzigen Einschränkung – wiederum mit der Vorinstanz –, dass nicht erstellt ist, dass die Beschuldigte ein Plakat oder Banner in der Hand gehalten hat (vgl. Urk. 28 S. 10-12). Ihre physische Präsenz und aktive Teilnahme ist letztmals 13:49 Uhr dokumentiert (Urk. 3 Foto 12). Zu ihren Gunsten ist davon auszugehen,

      dass sie kurz nachher polizeilich kontrolliert und entfernt wurde und ihre Beteiligung damit endete.

        1. Zur rechtlichen Würdigung hat die Vorinstanz vorab überzeugend darge- stellt, dass die Beschuldigte die ihr vorgeworfene Blockade in Mittäterschaft mit ihren – zahlreichen – Mitdemonstranten begangen hat (Urk. 28 S. 13 f.). Darauf wird verwiesen.

        2. Zur Beurteilung des Tatvorgehens der Beschuldigten und ihrer Mitstreiter betreffend den Tatvorwurf der Nötigung ist die bundesgerichtliche Vorgabe denk- bar klar (BGE 137 IV 326 E. 3.3.1. und E. 3.6. mit zahlreichen Verweisen):

          Wegen Nötigung nach Art. 181 StGB wird bestraft, wer jemanden durch Gewalt, Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Die Tatbestandsvariante der anderen Beschränkung der Handlungsfreiheit ist restriktiv auszulegen. Dieses Zwangsmittel muss, um tatbestandsmässig zu sein, das üblicherweise geduldete Mass an Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die ausdrücklich genannten Nötigungsmittel der Gewalt und der Androhung ernstlicher Nachteile gilt (BGE 134 IV 216 E. 4.1 mit Hinweisen). Es muss ihnen in seiner Intensität bzw. Wirkung ähnlich sein (BGE 119 IV 301 E. 2a mit Hinweis). Als Nötigung gilt z.B. die Bildung eines Menschenteppichs und die Sabotage einer Bahnschranke, die je den Strassenverkehr behinderten oder die Blockade des Autobahnverkehrs während eineinhalb Stunden (Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in BGE 134 IV 216 E. 4.2 und BGE 129 IV 6 E. 2.2 f.). Unrechtmässig ist eine Nötigung, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist, wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 134 IV 216 E. 4.1 mit Hinweisen). Geschütztes Rechtsgut von Art. 181 StGB ist die Handlungsfreiheit bzw. die Freiheit der Willensbildung und -betätigung des Einzelnen (BGE 129 IV 6 E. 2.1 mit Hinweisen). Geschützt ist auch die Freiheit, den Willen der automobilen Fortbewegung zu betätigen (BGE 134 IV 216 E. 4.4.3 mit Hinweis). Insbesondere

          Verkehrsblockaden werden in der Regel im Hinblick auf ein Fernziel veranstaltet. Die Blockade wird durchgeführt, um auf dieses Fernziel hinzuweisen und ihm allenfalls näher zu kommen; darin liegt das Motiv der Täter für die Aktion. Das Fernziel und das Motiv sind im Unterschied zum Nötigungsmittel und zum Nötigungszweck keine Elemente des Tatbestands der Nötigung (BGE 134 IV 216 E. 4.4.1.).

        3. Die Beschuldigte und die weiteren Demonstranten blockierten einerseits Privat- und öffentlichen Verkehr und verursachten andererseits durch ihr Verhalten die notwendige Sperrung der Brücke durch die Polizei. Durch den ihr nachgewiesenen persönlichen aktiven Einsatz hinderte die Beschuldigte die Teilnehmer des Privat- wie des öffentlichen Verkehrs während über einer Stunde, sich wie beabsichtigt vorzubewegen respektive zwang sie, entweder vor Ort stehen zu bleiben oder sich auf Alternativ-Routen weiter zu bewegen. Sie behinderte weiter den ordnungsgemässen Betrieb mehrerer Tramlinien. Dies tat sie wissentlich und willentlich. Damit hat die Beschuldigte insbesondere auch mit Verweis auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung und im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen die Tatbestände der Nötigung wie der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, objektiv und subjektiv erfüllt (Urk. 28 S. 14-19, S. 23-25; vgl. BGE 134 IV 216 E. 4.4.3. und 4.4.5.).

          Das Fernziel der Beschuldigten und ihrer Mitdemonstranten lag erklärtermassen in der Verbesserung des Weltklimas, ihr Motiv für die inkriminierte Blockade darin, die Bevölkerung auf die Klimaproblematik aufmerksam zu machen.

          Die Beschuldigte beteiligte sich mehr als eine Stunde aktiv an der Blockadeaktion. Diese war nicht im Voraus angekündigt worden. Infolge der Aktion kam der Verkehr auf dem fraglichen, ohnehin stark verkehrsbelasteten Abschnitt zum Erliegen und es bildete sich Stau, was die Direktbetroffenen zweifelslos in ihrer Bewegungsfreiheit massiv einschränkte. Die von der Aktion betroffenen Menschen waren für die von den Demonstranten beklagten Missstände höchstens marginalst mitverantwortlich und sie konnten vor Ort auch nichts zu deren Beseitigung beitragen. Das Motiv der Aktivisten war somit einzig die Propagierung des durch die Gruppe C. definierten Interesses. In

          Anbetracht dieser Umstände waren das Nötigungsmittel und der Nötigungszweck unrechtmässig (vgl. BGE 134 IV 216 E. 4.5.).

        4. Die Beschuldigte liess im Hauptverfahren durch ihre Verteidigung ausführlich geltend machen, sie sei aufgrund des in der Verfassung und der EMRK geschütz- ten Rechts der Versammlungsfreiheit zu ihrer Aktion berechtigt gewesen (Urk. 18

          S. 10-15). Sinngemäss wiederholte die Beschuldigte diese Ausführungen im Be- rufungsverfahren (Urk. 40 S. 5 ff.). Die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit gehe grundsätzlich mit einem gesteigerten, bewilligungspflichtigen Gebrauch des öffentlichen Grundes einher. Gemäss Praxis in Zürich habe, wer an einer unbe- willigten, friedlichen Demonstration teilgenommen habe, bisher mit einer Busse rechnen müssen. Teilnehmer von friedlichen Demonstrationen seien nicht zu kriminalisieren. Was der Beschuldigten vorgeworfen werde, gehöre ins Über- tretungsstrafrecht. Es habe kein unerlaubter Nötigungszweck vorgelegen. Die Beschuldigte sei Teil einer friedlichen, politischen Kundgebung gewesen und ha- be keinerlei kriminelle Energie gezeigt.

          Diese Darstellung der Verteidigung sowie der Beschuldigten ist in wesentlichen Punkten unzutreffend: Korrekt ist, dass die Beschuldigte an einer unbewilligten, politischen Kundgebung teilgenommen hat. Friedlich war die Blockade der gesamten Fahrspuren der D. -brücke dahingehend, dass keine aktive physische Gewalt gegen Dritte angewendet wurde. Allerdings wurde – wie vorstehend erwogen – eine unbestimmt hohe Zahl von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern während längerer Zeit zu einem bestimmten Verhalten gezwungen respektive davon abgehalten, sich gemäss ihrem freien Willen fortzubewegen. Dies war zwar nicht das Fernziel der Aktivisten, jedoch deren klare Absicht. Die vorliegend zu beurteilende Aktion ist somit in keiner Weise vergleichbar mit einer unbewilligten Demonstration von Fussgängern, beispielsweise auf dem E. -platz, welche den motorisierten und den Fussgängerverkehr nicht tangiert und keine Drittpersonen erheblich nötigt. Die Beschuldigte und ihre Mitdemonstranten hätten leicht beispielsweise in unmittelbarer Nähe der D. -brücke, so am Bellevue oder den weitläufigen Fussgängeranlagen des Bürkliplatzes, auf die Klimakrise aufmerksam machen

          können. Das haben sie bewusst nicht gemacht, sondern vielmehr den gesamten Verkehr an einem verkehrstechnischen Nadelöhr der Stadt Zürich über mehrere Stunden zum Erliegen gebracht. Die Beschuldigte persönlich hat sich wie erstellt über eine Stunde daran aktiv beteiligt. Diese massive nicht nur Störung, sondern eigentlich Verhinderung des privaten wie öffentlichen Verkehrs mit unzähligen unbeteiligten Betroffenen war auch in keiner Weise verhältnismässig zum – durchaus berechtigten – Anliegen der Demonstranten, über die Klimaproblematik zu informieren. Die inkriminierte Aktion war mit der Vorinstanz zweifellos unrechtmässig (Urk. 28 S. 19 f.) und nicht durch die verfassungs- und konventionsrechtliche Versammlungsfreiheit geschützt (vgl. BGE 134 IV 216

          E. 5.2.; vgl. Urteil des Bundesgerichts in Pra 110 (2021) Nr. 134 vom

          28. September 2021 E. 4.2. mit Verweisen). Was die Verteidigung vorliegend fordert, ist ein Freibrief für eine beliebige Einschränkung der Willensfreiheit der Allgemeinheit zugunsten einer politischen Gruppierung gestützt auf die Freiheits- rechte. Dies ist selbstverständlich zu verwerfen.

        5. Schliesslich macht die Beschuldige – wie bereits ihre Verteidigung vor der Vorinstanz – einen rechtfertigenden Notstand geltend (Urk. 18 S. 19 f.; Urk. 40 S. 11 ff.).

          Das Bundesgericht hat erst kürzlich in zwei Entscheiden in aller Deutlichkeit entschieden, was folgt:

          Klimanotstand ist nicht deckungsgleich mit strafrechtlichem Notstand gemäss Art. 17 StGB. Sind die engen Voraussetzungen dieser Bestimmung, namentlich eine unmittelbare Gefahr für bestimmte Individualrechtsgüter, zu deren Schutz kein anderes Mittel als die Notstandshandlung zur Verfügung steht, nicht erfüllt, entfällt eine Rechtfertigung für strafbares Verhalten. Die Klimaerwärmung kann nicht mit dem Rechtsbegriff der unmittelbaren Gefahr im Sinne von Art. 17 StGB gleichgesetzt werden (Urteil des Bundesgerichts in Pra 110 (2021) Nr. 134 vom

          28. September 2021, Ingress sowie E. 3. mit Verweisen).

          Die Klimaerwärmung ist keine Naturkatastrophe im Sinne einer unmittelbaren Gefahr nach Art. 17 StGB. Mit der Abwehr einer Gefahr, die jedermann auf dem

          Globus treffen könnte, wird ein kollektives Rechtsgut geschützt, aber nicht ein individuelles Rechtsgut gemäss Art. 17 StGB. Der rechtfertigende Notstand im Sinne von Art. 17 StGB betrifft Handlungen, die begangen werden, wenn es für den Täter nicht möglich ist, zu handeln, ohne eine grundsätzlich strafbare Handlung zu begehen (vgl. Botschaft vom 21. September 1998, BBl 1999 1979, Ziff. 212.33). Es handelt sich nicht um einen übergesetzlichen Rechtfertigungsgrund wie die Wahrung überwiegender Interessen (vgl. a.a.O., Ziff. 212.3; vgl. in Bezug auf diesen letzteren Begriff auch BGE 129 IV 6 E. 3

          S. 13 ff.). Art. 17 StGB richtet sich somit nicht darauf, grundsätzlich strafbare Verhaltensweisen rechtmässig erscheinen zu lassen, weil der Täter der Ansicht ist, handeln zu müssen, um zu schützen, was er als ein rechtmässiges oder höhergewichtiges Interesse betrachtet, sondern betrifft die spezifische Situation, in der dieser sich zufällig mit einer Gefahr konfrontiert sieht, die kurzfristig eintreten muss, und es wählt, ein Rechtsgut zu opfern, um sie abzuwenden. Demzufolge muss die Gefahr konkret und dringend das betroffene Rechtsgut bedrohen, und nicht nur in einem ungewissen Zeithorizont auf unbestimmte Güter lasten.

          Im Übrigen kann man bemerken, dass die Rechtsprechung das Bestehen gewisser übergesetzlicher, das heisst nicht vom StGB geregelter Rechtfertigungsgründe, be- jaht. Es handelt sich namentlich um die Wahrung legitimer Interessen (BGE 146 IV 297 E. 2.2.1 S. 303; vgl. BGE 129 IV 6 E. 3.3 S. 14 f.; Urteil 6B_960/2017 vom

          2. Mai 2018 E. 3.2). Ein eventueller übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund muss restriktiv ausgelegt und besonders strengen Anforderungen bei der Würdigung der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit unterworfen werden. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt, wenn die rechtswidrige Tat nicht bloss ein notwendiges und geeig- netes Mittel für den Schutz legitimer Interessen von einer Bedeutung, die klar über jene des von der verletzten Bestimmung geschützten Rechtsgüter übertrifft, sondern dass diese Tat das einzige Mittel für diesen Schutz darstellt. Diese Voraussetzungen sind kumulativ zu erfüllen (Urteil des Bundesgerichts in Pra 110 (2021) Nr. 133 vom 26. Mai 2021, Ingress sowie E. 2.3.4., E. 2.7., mit weiteren Verweisen).

          Die Beschuldigte hatte für ihre Mitwirkung an der inkriminierten Aktion keinen unmittelbaren, individuellen Notstandsgrund vorzuweisen und die Blockade war

          auch nicht geeignet, die Klimakrise zu beheben. Das Klima hat sich durch die Aktion der Beschuldigten nicht in geringster Weise verbessert. Im Gegenteil, indem man andere Leute ärgert, schikaniert und nötigt, gewinnt man niemanden für eigene Anliegen. Sodann hätten die Demonstranten auch – mit dem Bundesgericht – eine Schar anderer, rechtmässiger, Methoden einsetzen können, um ihr Ziel zu erreichen, insbesondere bewilligte Demonstrationen, Märsche, Interventionen in den Medien oder in der Kultur.

        6. Dass die Verteidigung die Aussichtlosigkeit ihrer Argumentation eigentlich erkennt, geht sodann schon daraus hervor, dass sie vor Vorinstanz sowie die Beschuldigte im Berufungsverfahren ausführlich an die Justiz als Teil der Lösung appelliert und die angerufenen Gerichte auffordert, nicht auf die Politik zu warten und insbesondere entgegen der durch sie selber zitierten und anschliessend kritisierten Bundesgerichtspraxis zu entscheiden (Urk. 18 S. 21-24; Urk. 40 S. 14 ff.; Prot. II S. 7). Vor dem Hintergrund dieser – im Übrigen entgegen der Verteidigung überzeugenden – höchstrichterlichen Vorgaben ist dieses Ansinnen offensichtlich haltlos.

      1. Insgesamt ist der vorinstanzliche, angefochtene Schuldspruch zu bestätigen.

      2. Schliesslich hätte in concreto eigentlich mehrfache Nötigung angeklagt wer- den sollen, da die Beschuldigte in Idealkonkurrenz die individuellen Rechte einer Vielzahl von Betroffenen tangiert hat. Eine entsprechende Verurteilung verbietet sich heute allerdings aus prozessualen Gründen (Art. 391 Abs. 2 StPO).

    3. Sanktion

      1. Die Vorinstanz hat die Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen bestraft (Urk. 28 S. 32).

        1. Die Beschuldigte macht wie schon im Hauptverfahren geltend, es sei man- gels Strafbedürfnis von einer Bestrafung abzusehen (Urk. 18 S. 24; Urk. 40 S. 16).

        2. Gemäss BGE 146 IV 297 S. 310 richtet sich Art. 52 StGB unter dem Randtitel Fehlendes Strafbedürfnis auch im Teilgehalt (Absehen von einer Strafe) wesentlich nach der Würdigung des Verschuldens gemäss den in Art. 47 StGB aufgeführten Strafzumessungskriterien. Mit dieser Bestimmung ist nicht be- absichtigt, bei leichten Straffällen oder bei Bagatellstraftaten generell auf eine Sanktion zu verzichten. Eine Strafbefreiung kommt nur in Betracht, wenn keinerlei Strafbedürfnis besteht (BGE 135 IV 130 E. 5.3.3 S. 135). Das Verhalten des Täters muss im Quervergleich zu typischen unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden Taten insgesamt, vom Verschulden wie von den Tatfolgen her, als unerheblich erscheinen, so dass die Strafbedürftigkeit offensichtlich fehlt (Urteil 6B_368/2017 vom 10. August 2017 E. 5.2).

        3. Die Beschuldigte hat sich in keiner Weise anders als ihre zahlreichen Mitaktivisten verhalten. Der gesamte öffentliche und Privatverkehr wurden über eine längere Zeit lahmgelegt und eine Grosszahl von Unbeteiligten zu einem unfreiwilligen Fortbewegungsverhalten genötigt. Weder Verschulden noch Tat- folgen waren unerheblich. Die Vorinstanz ist einzig dahingehend zu präzisieren, dass der Beschuldigten eine aktive Teilnahme lediglich – aber immerhin – im Umfang von etwas über einer Stunde vorzuwerfen ist (vgl. Urk. 28 S. 26).

      Es hat in concreto keine Strafbefreiung gemäss Art. 52 StGB zu erfolgen.

      2.4 Anlässlich der Berufungsverhandlung brachte die Beschuldigte sodann sinn- gemäss vor, dass ihr das Strafverfahren in Bezug auf ihre berufliche Zukunft schaden würde, weshalb sie im Sinne von Art. 54 StGB schwer betroffen und von einer Bestrafung abzusehen sei (Urk. 40 S. 18). Hierzu lässt sich ausführen, dass Mutmassungen über zukünftige Einschränkungen des beruflichen Fortkommens in keiner Art und Weise unmittelbare Folgen der Tat darstellen, welche eine Straf- befreiung nach Art. 54 StGB rechtfertigen würden. Derartige Fälle sind weitaus schwerwiegender (vgl. BSK StGB-RIKLIN Art. 54 N 14 ff.).

        1. Die Vorinstanz hat den anwendbaren Strafrahmen korrekt bemessen und die notwendigen theoretischen Ausführungen zur richterlichen Strafzumessung gemacht (Urk. 28 S. 26 ff.; Art. 47 StGB).

        2. Die Beschuldigte kritisiert im Berufungsverfahren die Strafzumessung nicht substantiiert (Urk. 40). Die Vorinstanz hat zusammengefasst erwogen, bezüglich der objektiven Tatschwere sei eine wichtige Verkehrsachse der Stadt Zürich wäh- rend einer erheblichen Zeitdauer versperrt worden. Insbesondere die Sitzblocka- de sei von Anfang an darauf angelegt worden, dass sie möglichst lange dauere und damit der Verkehr möglichst lange behindert werde. Die Demonstration sei gewaltfrei verlaufen und die Beschuldigte selbst habe keine tragende Rolle inner- halb der Gruppe eingenommen und keine kriminelle Energie gezeigt.

          In subjektiver Hinsicht habe die Beschuldigte nicht aus egoistischen Beweggrün- den gehandelt; ihr Motiv liege vielmehr in ihrer Sorge um die Umwelt und um die eigene Zukunft wie auch die Zukunft einer ganzen Generation, was ohne Weite- res nachvollziehbar sei. Das Verschulden wiege insgesamt sehr leicht und es rechtfertige sich eine hypothetische Einsatzstrafe von zehn Tagessätzen (Urk. 28 S. 29).

        3. Dies ist grundsätzlich richtig, es ist allerdings zu differenzieren: Die Beschul- digte hat – in Mittäterschaft – den privaten wie den öffentlichen Verkehr der grössten Schweizer Stadt an einer zentralen Stelle komplett lahm gelegt und dadurch eine Vielzahl von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern an der Ausübung ihres freien Willens gehindert. Wohl war die Beschuldigte nicht Initiantin der Akti- on, sie schloss sich dieser geplanten und bewusst an einer möglichst diffizilen Stelle angelegten Blockade jedoch an und übernahm damit die Absicht der Orga- nisatoren und half mit, diese umzusetzen. Wie bereits vorstehend erwogen, ist der Beschuldigten allerdings nur eine aktive Teilnahme von gut einer Stunde vorzu- werfen. Dennoch ist die objektive Tatschwere nicht kleinzureden.

          Relativiert wird die objektive Tatschwere jedoch in der Tat durch das nicht eigen- nützige Motiv der Beschuldigten. Zugute zu halten ist der Beschuldigten sodann auch ihr junges Alter, offenbar verbunden mit einer gewissen Naivität. Darauf lässt auch das merkwürdige Demokratieverständnis der gesamten Bewegung, welcher sie sich angeschlossen hat, schliessen: Eine zahlenmässig überschauba- re Gruppe nimmt für sich in Anspruch, Tausende Unbeteiligter in ihrer Handlungsfreiheit einzuschränken, um auf ein – zugegeben existentes – Problem hinzuwei- sen, obwohl dies auch mit weit weniger invasiven Mitteln möglich gewesen wäre.

          Wenn die Vorinstanz das Verschulden insgesamt noch als sehr gering sah, ist dies wohlwollend, jedoch zu übernehmen.

        4. Zur Strafzumessung betreffend Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, hat die Vorinstanz auf die Kriterien der Strafzumessung zur Nötigung verwiesen und – wiederum bei sehr geringem Verschulden – eine Einsatzstrafe von fünf Tagessätzen gesehen. Mit Verweis auf das Asperationsprinzip und den überlagernden Unrechtsgehalt der zu beurteilenden Delikte hat die Vorinstanz dann die nach der Beurteilung der Nötigung festgesetzte Einsatzstrafe von 10 Tagessätzen überhaupt nicht erhöht (Urk. 28 S. 29 f.). Dies ist rein strafzumessungstechnisch nicht haltbar: Das Asperationsprinzip kann und darf nicht dazu führen, dass zusätzlich zu einem weiteren Delikt begangene Taten überhaupt nicht sanktioniert werden. Das Gesetz verlangt bei echter Real- respektive Idealkonkurrenz eine angemessene Straferhöhung (Art. 49 Abs. 1 StGB). Art. 239 StGB schützt sodann nicht kongruent dasselbe Rechtsgut wie der Nötigungstatbestand: Geschützt wird nicht die individuelle freie Willensbildung und -betätigung (Art. 181 StGB), sondern das Interesse der Allgemeinheit an der ungehinderten Verrichtung ihrer Dienstleistungen durch öffentliche Anstalten (Art. 239 Ziff. 1 StGB). Gerade an einem funktionierenden öffentlichen Verkehr, im Falle des blockierten Trams auch ohne fossile Brennstoffe betrieben, müsste die Gruppe um die Beschuldigte ja das grösste Interesse haben.

          Als Folge des Verbots der reformatio in peius muss es jedoch bei der vorinstanz- lichen Version der Strafzumessung sein Bewenden haben (Art. 391 Abs. 2 StPO).

        5. Zur Täterkomponente hat die Vorinstanz die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten angeführt und richtig erkannt, dass sich diese strafzumessungs- neutral auswirken (Urk. 28 S. 30). Die Beschuldigte weist keine erhöhte Straf- empfindlichkeit auf, ebenso keine Vorstrafen (Urk. 29). Ein Geständnis, Einsicht oder Reue legt die Beschuldigte bis heute nicht an den Tag (Prot. I S. 8 f., Urk. 39 und Urk. 40).

      Die Täterkomponente führt weder zu einer Erhöhung noch zu einer Senkung der nach der Beurteilung der Tatkomponente bemessenen Einsatzstrafe von 10 Tagessätzen.

      1. Dass bei diesem Ausgang einzig eine Geldstrafe in Frage kommt (Art. 34 Abs. 1 StGB), die Höhe der Tagessätze auf das Minimum von Fr. 30.– (Art. 34 Abs. 2 StGB) festzusetzen und der Beschuldigten unter Ansetzung der gesetzlich minimalen Probezeit (Art. 44 Abs. 1 StGB) der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist (Art. 42 Abs. 1 StGB), hat die Vorinstanz richtig erkannt (Urk. 28 S. 30 ff.) und daran ist wieder mit Verweis auf Art. 391 Abs. 2 StPO schon aus prozessualen Gründen nichts zu ändern.

      2. Der gesamte Sanktionspunkt des angefochtenen vorinstanzlichen Urteils ist somit zu bestätigen.

    4. Kosten

  1. Ausgangsgemäss ist die vorinstanzliche Kostenregelung zu bestätigen (Art. 426 StGB).

  2. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'000.– festzu- setzen.

  3. Die Beschuldigte unterliegt im Berufungsverfahren mit ihren Anträgen voll- umfänglich, weshalb ihr die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen sind (Art. 428 StGB).

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A. ist schuldig

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziffern 4. und 5.) wird bestätigt.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

  7. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  8. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundes- gerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 19. September 2022

Der Präsident:

lic. iur. B. Gut

Der Gerichtsschreiber:

MLaw S. Zuber

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

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