Zusammenfassung des Urteils SB220221: Obergericht des Kantons Zürich
In dem Fall ZK1 2017 22 - Schenkung und Aufhebung vorsorglicher Massnahmen ging es um einen Schenkungsvertrag aus dem Jahr 2011, bei dem die Beklagte ihrem Neffen Schadenersatzansprüche abtrat. Es wurde verboten, ohne Zustimmung des Klägers über Gelder in einem spanischen Strafverfahren zu verfügen. Der Kläger reichte Klage ein, um den Rückzug der Strafanzeige der Beklagten zu verhindern. Das Bezirksgericht trat nicht auf die Klage ein, da der Kläger kein ausreichendes Rechtsschutzinteresse hatte. Die Berufung des Klägers wurde abgewiesen, und er wurde zur Zahlung von Gerichtskosten und einer Entschädigung verpflichtet.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220221 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 26.09.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchter Diebstahl etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Verteidigung; Urteil; Vorinstanz; Berufung; Landes; Sinne; Härtefall; Schweiz; Landesverweis; Landesverweisung; Gericht; Freiheit; Staatsanwaltschaft; Diebstahl; Freiheitsstrafe; Massnahme; Täter; Kantons; Gerichtskasse; Diebstahls; Drittel; Behandlung; Integration; Interesse |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ;Art. 186 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 23 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 425 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 47 AIG ;Art. 5 BV ;Art. 52 StGB ;Art. 56 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 144 IV 168; 144 IV 332; 144 IV 49; 146 IV 297; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220221-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. C. Maira sowie die Gerichtsschreiberin MLaw T. Künzle
Urteil vom 26. September 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
vertreten durch Staatsanwältin lic. iur. P. Brunner,
Anklägerin und Berufungsbeklagte betreffend versuchter Diebstahl etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 23. August 2021 (Urk. 20) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 56 S. 27 ff.)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
des versuchten Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie
des versuchten Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.
Vom Vorwurf der Sachbeschädigung wird der Beschuldigte freigesprochen.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 4 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 41 Tage durch Haft erstanden sind.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird nicht aufgeschoben.
Von der Anordnung einer therapeutischen Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB (ambulante Suchtbehandlung) wird abgesehen.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.
Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. August 2021 beschlagnahmte Mütze (Asservat-Nr. A014'889'306, lagernd bei der Kantonspolizei Zürich - Asservatentriage) wird dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.
Der Antrag des Beschuldigten auf Löschung seines DNA-Profils wird abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'500.–; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 1'100.– Gebühr für das Vorverfahren Fr. 10'953.50 amtliche Verteidigung
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden ausgangsgemäss dem Beschuldigten zu zwei Dritteln auferlegt und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse genommen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen, vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO. Über die Höhe der Kosten der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.
[Mitteilung]
[Rechtsmittel]
Berufungsanträge der Verteidigung:
(Urk. 57 S. 2 f.)
1. Es seien Dispositiv Ziffern 1., 3. bis 7. und 9. bis 12. des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 10.12.2021, Geschäfts-Nr. GG210271, aufzuheben;
es seien die Verfahren gegen den Beschuldigten wegen versuchtem Hausfriedensbruch
i.S. v. 186 i. V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und versuchtem Diebstahl eines geringfügigen Vermögenswerts i.S.v. Art. 139 Ziff. 1 i. V.m. Art. 1121er und Art. 22 Abs. 1 StGB je einzustellen;
eventualiter sei der Beschuldigte vom Vorwurf des versuchten Diebstahls i.S. v. Art. 139 Ziff. 1 i. V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und von den weiteren Vorwürfen gemäss Anklageschrift vom 23. August 2021 freizusprechen;
es sei von der Anordnung einer Landesverweisung gegen den Beschuldigten abzusehen;
es seien allfällige Zivilforderungen des Privatklägers abzuweisen;
es sei die Löschung des vom Beschuldigten erstellte DNA-Profil anzuordnen;
es sei der Beschuldigte für die erlittenen 41 Tage Untersuchungshaft eine Genugtuung von Fr. 6'100.zuzusprechen;
es seien die Kosten der Voruntersuchung, des Hauptverfahrens am Einzelgericht des Bezirksgerichts Zürich und des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der amtlichen Vertei- digung auf die Staatskasse zu nehmen;
subeventualiter
sei der Beschuldigte wegen des Vorwurfs des versuchten Diebstahls i.S.v. Art. 139 Ziff. 1
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen;
sei der der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von 41 Tagen zu bestrafen, unter Anrechnung der vom 7. April bis 17. Mai 2021 erstandenen 41 Tage Haft;
sei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Ansetzung einer 4 jährigen Probezeit aufzuschieben, unter Anordnung von Bewährungshilfe und der Weisung, die ärztliche Behandlung sei- ner Suchtproblematik fortzuführen;
sei eine ambulante Massnahme zur Suchtbehandlung i.S.v. Art. 63 StGB anzuordnen, unter Aufschub des Vollzugs einer Freiheitsstrafe zugunsten der ambulanten Behandlung;
seien die Kosten der Voruntersuchung, des Hauptverfahrens am Einzelgericht des Bezirksgerichts Zürich und des Berufungsverfahrens ausgangsgemäss im Umfang von einem Drittel dem Beschuldigten zu auferlegen, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, welche dem Beschuldigten in Anwendung von Art. 425 StPO zu erlassen seien.
Erwägungen:
Verfahrensgang
Der Beschuldigte wurde mit Urteil der Vorinstanz vom 10. Dezember 2021 gemäss dem eingangs wiederholten Urteilsdispositiv schuldig gesprochen und bestraft. Dagegen meldete er Berufung an (Urk. 44) und erklärte nach Zustellung des begründeten Urteils Berufung (Urk. 57 bzw. Urk. 60 f.).
Mit Eingabe vom 18. Mai 2022 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf Anschlussberufung und beantragte die Abweisung der Beweisanträge (Urk. 65).
Mit Verfügung vom 10. Juni 2022 wurden die Beweisanträge des Beschuldigten abgewiesen (Urk. 66).
Am 26. September 2022 fand die Berufungsverhandlung statt, wobei der Beschuldigte nicht zur Verhandlung erschienen ist (Prot. II S. 4 ff., S. 6).
Umfang der Berufung
Unangefochten blieben die Dispositiv-Ziffern 2 und 8 des vorinstanzlichen Entscheids, in welchem Umfang dieser in Rechtskraft erwuchs, was mit Beschluss festzuhalten ist (Urk. 70). Im übrigen Umfang steht der vorinstanzliche Entscheid zur Disposition. Es gilt das Verschlechterungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO).
Prozessuales
Soweit für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet. Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss. Das Berufungsgericht kann sich auf die für seinen Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 146 IV 297 E. 2.2.7; 143 III 65 E. 5.2; 141 IV 249
E. 1.3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1403/2019 vom 10. Juni 2020 E. 2.5 mit Hinweisen).
Zur Frage der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bzw. zum zu dieser Frage von der Verteidigung beantragten Gutachten (Urk. 70) ist in Ergänzung zu den Erwägungen in der vorerwähnten Verfügung vom 10. Juni 2022 (Urk. 66) noch Folgendes festzuhalten: Eine Begutachtung braucht nicht angeordnet zu werden, wenn sie nach der Lage der Dinge den Erkenntnisstand über die Schuldfähigkeit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt nicht zu verbessern vermag (BSK StGB I,
Aufl., BOMMER, N 22 zu Art. 20, mit Verweisen). Es sind keine tatzeitpünktlichen Blutalkoholoder sonstige Intoxikationswerte des Beschuldigten bekannt, der erst
drei Tage nach der eingeklagten Tat verhaftet wurde. Aktenkundig und unbestritten ist indes, dass er vor der Tat einen jahrelangen Betäubungsmittel- und Alkoholabusus betrieb und bei ihm eine Suchtmittelabhängigkeit besteht. Er machte denn auch geltend bzw. liess durch seine Verteidigung geltend machen, er habe vor der Tatbegehung Marihuana, Kokain, etwa 10 Bier und einen Liter Wein konsumiert und sei verladen gewesen (Prot. I S. 10 und S. 17 f., Urk. 40 S.
6). Demgegenüber sagte allerdings der Mitbeschuldigte B.
aus, er habe
nicht gesehen, dass der Beschuldigte etwas konsumiert getrunken hätte (Urk. 5/2 S. 3). Ebenso konnte sich der Beschuldigte anlässlich der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2021 - und damit rund acht Monate nach der Tat relativ detailliert an den Tathergang erinnern, obwohl er zuvor sowohl anlässlich der polizeilichen als auch staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen behauptet hatte, sich nicht mehr an die vorgeworfene Straftat erinnern zu können (Prot. I S. 17 ff.). Auch die Videoaufnahmen zeigen eine zielgerichtete Tatbegehung, wobei der Beschuldigte keinen besonders intoxikierten Eindruck macht (Urk. 6/4). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Gutachten den Erkenntnisstand über die Schuldfähigkeit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt zu verbessern vermag. Im Übrigen hat es das Bundegericht für zulässig erklärt, auf die Anordnung eines Gutachtens zu verzichten, wenn keine ernsthaften Zweifel an einem Rest von noch erhaltener Schuldfähigkeit bestehen (BOMMER, a.a.O., N 20, mit Verweisen), wovon vorliegend auszugehen ist. Mithin kann eine komplette Schuldunfähigkeit aufgrund der gemachten Ausführungen ausgeschlossen wer- den, wohingegen dem Beschuldigten mit der Vorinstanz eine relevante Intoxikation im Tatzeitpunkt zuzugestehen und eine damit einhergehende verminderte Schuldfähigkeit zu attestieren ist, weshalb der Beweisantrag der Verteidigung auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Schuldfähigkeit abzuweisen ist.
Die Verteidigung des Beschuldigten stellt zudem den Beweisantrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB zur Notwendigkeit und Erfolgsausaussichten einer ambulanten Massnahme des Beschuldigten (Urk. 70). Darauf ist nachfolgend unter dem Titel der therapeutischen Massnahme einzugehen (siehe Ziffer IV) einzugehen.
Die Verteidigung macht zu Unrecht geltend, dass es sich bei der C. GmbH nicht um die strafantragsberechtigte Person handle (Urk. 70 S. 6 f.). Das Geschäft an der D. -strasse … in Zürich, in welches der Beschuldigte einbrechen wollte, ist mit einer grossen Leuchttafel C. angeschrieben (Urk. D1/4/4, Foto Anhang A). Der Verteidiger führt selbst aus, dass der Beschul- digte und der Mitbeschuldigte in den C. hätten einbrechen wollen (Urk. 40
S. 5). Die C.
GmbH ist mit derselben Adresse D. -strasse …,
… Zürich, im Handelsregister eingetragen. Ebenso E. , der den Strafantrag unterzeichnete, als einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer. Damit ist belegt, dass die Räumlichkeiten von der C. GmbH als Geschäftsräumlichkeiten genutzt wurden und Letztere durch den Einbruchversuch in ihrem Gebrauch der Sache unmittelbar beeinträchtigt wurde, was nach Bundesgerichtsrechtsprechung die Strafantragsberechtigung begründet (BGE 144 IV 49 Erw. 1.2). Ob ein schriftlicher Mietvetrag besteht die Behauptung, wonach die Pächter immer wieder wechseln würden, wie die Verteidigung geltend macht, ist rechtlich unerheblich (Urk. 40 S. 7; Urk. 70 S. 6 ff.).
Anklagevorwurf
Der eingeklagte Sachverhalt ergibt sich aus der beigehefteten Anklageschrift (Urk. 17/03), darauf kann verwiesen werden.
Sachverhalt
Der Beschuldigte hat den äusseren Sachverhalt anerkannt. Es kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 56 S. 12, E. II.2. f. unter Hinweis auf die einschlägigen Aktenstellen. Demgegenüber bestreitet die Vertei- digung, dass der Beschuldigte Waren von mehr als 300 Franken haben stehlen wollen (Urk. 70 S. 7 ff.; Urk. 40 S. 5).
Der subjektive Wille eines Täters seine Absicht lassen sich nie wissenschaftlich nachweisen, da es sich um einen inneren Vorgang handelt. Deshalb ist auf äussere Umstände, aber auch auf die allgemeine Lebenserfahrung abzustellen. Bei versuchten Einbruchdiebstählen kann ein Täter immer behaupten, er habe nur auf wenig Beute abgezielt. Streng genommen lässt sich dies nie durch Fakten wiederlegen. Nicht in Abrede gestellt wird, dass ein Einbrecher bei versuchten Einbrüchen in Lebensmitteloder Kioskgeschäften oftmals durchaus zufrieden gewesen wäre, wenn er nur Zigaretten einige Alkoholflaschen im Wert von unter 300 Franken erbeutet hätte. Dennoch ist es lebensfremd anzu- nehmen, dass wenn 400 Franken in bar auf der Theke gelegen hätten, der Einbrecher diese liegen gelassen hätte. Ebenso lebensfremd ist, dass ein Einbrecher den teueren Whiskey liegen lässt und eine billigere Flasche nimmt, bloss weil beim Zusammenrechnen des Beutewertes der teurere Whiskey zu einem Gesamtwert von über 300 Franken führen würde. Das Sprichwort Gelegenheit macht Diebe ist nicht ohne Grund entstanden. Ausgenommen besonderer Fälle richtet sich der Vorsatz eines Einbrechers stets auf das Erbeuten von Waren Wertsachen von im Voraus unbekanntem Wert. Zum zwingenden Einhalten einer bestimmten Wertgrenze macht sich ein Einbrecher keine Gedanken. Dass er allenfalls Beute von weniger als 300 Franken prognostiziert, ist kein Beleg für fehlenden Vorsatz. Dass der Wert der Beute dann unvorhergesehen über 300 Franken beträgt, ist keine negative Folge und kein Kollateralschaden, den er in Kauf nimmt. Deshalb hat der nach oben offene Vorsatz auch nichts mit Eventualvorsatz zu tun, wie dies die Vorinstanz unter Verweis auf eine Kommentarstelle fälschlicherweise schreibt (Urk. 56 S. 16).
Rechtliche Würdigung
Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz ist zutreffend (Urk. 56 S. 14-17
E. III.), darauf kann ebenfalls verwiesen werden. Mit der Vorinstanz ist insbeson- dere davon auszugehen, dass weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschlussgründe vorliegen und die Suchtmittelabhängigkeit des Beschuldigten zu einer im Tatzeitraum verminderten Schuldfähigkeit führte, was strafmindernd zu berücksichtigen ist (vgl. a.a.O., S. 16 E. III.2.5. und S. 17 E.III.3.4. bzw. dazu vorne unter
E. I.3.2. bzw. sogleich nachfolgend unter E. III.2.).
Die Verteidigung stellte den Eventualantrag, es sei von einer Bestrafung des Beschuldigten wegen tätiger Reue im Sinne von Art. 23 Abs. 1 StGB und Art. 52 StGB Umgang zu nehmen, subeventualiter wegen untauglichem Versuch im Sinne von Art. 22 Abs. 2 (Urk. 70 S. 10, Urk. 40 S. 3).
Tätige Reue gemäss Art. 23 Abs. 1 StGB sieht lediglich eine Strafmilderung und keine Strafbefreiung vor. Zudem ist das Ablassen von einem erfolglos versuchten Einbruchdiebstahl keine tätige Reue, sondern eben ein profaner Versuch im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB. Darüber hinaus fehlt es auch nicht an ei- nem staatlichen Strafbedürfnis, bloss weil ein Einbruchdiebstahl nicht gelungen ist. Würde man hier Täter von Strafe befreien, wäre dies geradezu ein Aufruf an Diebe, es an möglichst vielen Orten zumindest einmal zu versuchen, da ihr Tun im Falle eines Misserfolgs ja straflos bleibe. Bei solch in der Praxis verbreiteten Eigentumsdelikten besteht im Gegenteil aus generalpräventiven Gründen ein sehr hohes Strafbedürfnis des Staates.
Schliesslich begründet auch die Verteidigung nicht, aus welchen Gründen ein untauglicher Versuch gemäss Art. 22 Abs. 2 StGB vorliege. Mit mehr Gewalt hätten der Beschuldigte und sein Begleiter die Türe mit Sicherheit aufdrücken können. Zudem war das Geschäft auch nicht leer, was die Täter durch das Schaufenster unschwer erkennen konnten. Weshalb es ihnen nicht möglich gewesen sein soll, sich nach dem Eindringen Waren anzueignen, bleibt beim Standpunkt der Verteidigung schleierhaft.
Strafrahmen, Strafart und allgemeine Strafzumessungsregeln
Die Vorinstanz hat den Strafrahmen, die Strafart und die allgemeinen Strafzumessungsregeln zutreffend dargelegt (Urk. 56 S. 18-20 VI.1-3.), darauf kann verwiesen werden. Zur Strafart hat sie richtig festgehalten, dass aufgrund der fünf teilweise einschlägigen Vorstrafen (Urk. 62) die Ausfällung einer Geldstrafe nicht mehr in Frage kommt.
Konkrete Strafzumessung
Tatkomponenten
Die Vorinstanz hat das objektive und subjektive Tatverschulden für den versuchten Diebstahl und den versuchten Hausfriedensbruch abgehandelt und dazu zutreffende Ausführungen gemacht, auf die zunächst ebenfalls verwiesen werden kann (Urk. 56 S. 21 f. E. VI.3.3.). Mit der Vorinstanz ist hinsichtlich der subjektiven Tatschwere aufgrund der zumindest teilweisen glaubhaften Schilderungen des Beschuldigten bezüglich seines Suchtmittelkonsums im Vorfeld der Tat davon auszugehen, dass er zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig war, was leicht strafmindernd zu berücksichtigen ist. Zudem ist auch die jahrelange Suchtmittelabhängigkeit des Beschuldigten strafmindernd zu veranschlagen. Ergänzend ist weiter festzuhalten, dass der Beschuldigte direktvorsätzlich handelte. Der Klarheit halber ist an dieser Stelle schliesslich nochmals die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Strafzumessung bei versuchten Delikten in Erinnerung zu rufen. Der Versuch ist als verschuldens unabhängiges Strafzumessungskriterium zu verstehen. Demnach ist bei Vorliegen eines versuchten Delikts bei der Bildung der Einsatzstrafe in einem ersten Schritt die schuldangemessene Strafe für das vollendete Delikt festzulegen. Die derart ermittelte hypothetische Strafe ist in der Folge unter Berücksichtigung des fakultativen Strafmilderungsgrundes von Art. 22 Abs. 1 StGB zu reduzieren (vgl. dazu statt Weiterer die Urteile des Bundesgerichts 6B_865/2009 vom 25. März 2010 E. 1.6.1 und 6B_466/2013 vom 25. Juli 2013 E. 2.3.1). Vorliegend ist für das vollendete Delikt eine Strafe von sechs Mo- naten angemessen. Der Versuch ist mit der Vorinstanz leicht strafmindernd zu berücksichtigen, auch wenn davon auszugehen ist, dass die Tat zu Ende geführt worden wäre und die Täter Beute gemacht hätten, wenn es ihnen gelungen wäre, die Türe aufzubrechen. Im Ergebnis ist mit der Vorinstanz von einem insgesamt leichten Verschulden auszugehen. Die von ihr festgelegte Einsatzstrafe für das Tatverschulden in der Höhe von vier Monaten erscheint nach Berücksichtigung des Versuchs noch angemessen, sie ist sicher nicht zu streng.
Täterkomponente
Auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen zur Täterkomponente kann verwiesen werden (Urk. 56 S. 22 E. IV.4.). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass sich der Beschuldigte seit dem 18. November 2021 in der Therapie für Abhängigkeitserkrankungen der F. -Stiftung befand, wo er seit dem 19. Februar 2022 in einer Aussenwohngruppe wohnte (Urk. 59/3). Seit dem
22. August 2022 ist für den F. nicht mehr erreichbar, weshalb die freiwillige Therapie abgebrochen wurde (Urk. 71/3). Der Beschuldigte weist zudem fünf Vorstrafen ((1) 21.09.2012: Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich wegen Diebstahls; (2) 26.11.2014: Bezirksgericht Zürich wegen Irreführung der Rechtspflege; (3) 27.03.2018: Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen Sachbeschädigung; (4) 19.02.2020: Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen Diebstahls und geringfügigen Diebstahls und (5) 30.03.2021: Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen mehrfacher geringfügiger Hehlerei, mehrfachen teilweise geringfügigen Diebstahls, Hausfriedensbruchs und Nichtabgabe von Ausweisen und / Kontrollschildern) auf, wobei er wie gezeigt mehrfach einschlägig wegen Diebstahls, letztmals mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom 30. März 2021, verurteilt wurde (Urk. 62). Dies ist straferhöhend zu berücksichtigen. Strafmin- dernd fällt dagegen das Geständnis betreffend den äusseren Sachverhalt ins Gewicht. Die strafmindernden und straferhöhenden Faktoren halten sich insgesamt die Waage.
Ergebnis
Der Beschuldigte ist mit einer Freiheitsstrafe von vier Monaten zu bestrafen. Der Anrechnung der erstandenen Haft von 41 Tagen steht nichts entgegen.
Vollzug
Die Freiheitsstrafe ist zu vollziehen, diesbezüglich kann auf die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (Urk. 56 S. 23 E. V.).
Grundlagen
Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürf- nis des Täters besteht die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die spezifischen Voraussetzungen der jeweils anzuordnenden Massnahme erfüllt sind (Art. 56 Abs. 1 StGB). Bei der Anordnung von Massnahmen handelt es sich um Eingriffe in die persönliche Freiheit des Betroffenen. Es gilt das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Deshalb ist immer diejenige Massnahme anzuordnen, welche mit dem mildesten Eingriff in die Freiheit des Betroffenen dem Sicherheitsbedürf- nis der Allgemeinheit gleichwohl genügt (Art. 56 Abs. 2 StGB).
Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen in an- derer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: (a.) der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und (b.) zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen (Art. 63 Abs. 1 StGB). Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen (Art. 63 Abs. 2 StGB).
Standpunkt des Beschuldigten
Die Verteidigung führte im Rahmen der Berufungserklärung aus, die Lebensverhältnisse des Beschuldigten seien in den letzten Jahren und erst recht in den Monaten vor dem 4. April 2021 alles andere als strukturiert gewesen. Er sei total abgestürzt, sei aus allen Strukturen und zuletzt sogar aus der Unterstützung der Sozialhilfe herausgefallen, weshalb er auch bereits in den Monaten zuvor zahlreiche Beschaffungsdelikte begangen habe. Unterlagen des Sozialamts dokumentierten zahlreiche Abstürze und Behandlungsabbrüche in den letzten Jahre sowie insbesondere den Kontaktabbruch ab Ende 2020. Gleiches ergebe sich aus den Akten des G. . Auch in der stationären Therapie der F. -Stiftung sei es bereits zu Rückfällen und Drogenkonsum gekommen. Alles andere würde nach einer so langen und schweren Suchtmittelabhängigkeit auch jeder Erfahrung widersprechen. Aber selbst wenn der Beschuldigte im Rahmen des Strafvollzugs und eines stationären Settings tatsächlich einige Monate clean geblieben wäre, ändere das nichts daran, dass die höchste Rückfallgefahr notorisch nicht während eines Strafvollzugs eines engen stationären Settings, sondern nach der Entlassung aus diesem bestehe, weshalb es dringend einer ambulante Behandlung und -betreuung bedürfe. Genau darauf habe die Therapeutin H. anlässlich der Befragung der Vorinstanz denn auch mehrfach hingewiesen (Urk. 57 S. 5 f.). Ergänzend lässt sich den Plädoyernotizen des Verteidigers entnehmen, dass der Beschuldigte gemäss Mail der Therapieleiterin H. seit dem 21. August 2022 einen anhaltenden Rückfall habe. Eine Rückkehr in die Aussenwohngruppe F. erneute Anmeldung beim Sozialamt sei ihm in den rund 4 Wochen seither noch nicht gelungen und werde erfahrungsgemäss noch einige Tage Wochen dauern (Urk. 70 S. 5 und Urk. 71/3).
Würdigung
Der Beschuldigte hat eine Tat verübt, die mit seiner Suchterkrankung in Zusammenhang steht. Erstellt ist namentlich, dass er seit Jahren schwer suchtkrank ist, was nicht zuletzt durch die von der Verteidigung im Rahmen des Berufungsverfahrens eingereichten Unterlagen (Urk. 59/1-3) einmal mehr bestätigt wird und sich auch zwanglos aus den Ausführungen der vor Vorinstanz befragten Psychologin H. , der Therapeutin und Bezugsperson des Beschuldigten in der Stiftung F. , ergibt (Prot. I S. 23 ff.). Vor diesem Hintergrund ist die Massnahmebedürftigkeit des Beschuldigten ohne Weiteres zu bejahen. Der Beschuldigte befand sich bis August 2022 in einer freiwilligen Therapie, die aufgrund seines
unbekannten Aufenthaltsortes (mutmasslich I.
gemäss der Therapeutin
H. ) beendigt wurde (vgl. dazu Urk. 71/3). An der Berufungsverhandlung nahm der Beschuldigte nicht teil. Dieses Verhalten des Beschuldigten zeigt, dass
er über keine (ausreichende) Massnahmewilligkeit verfügt. Im Übrigen wäre aufgrund des Anlassdeliktes, dem geringen Verschulden und der ausgesprochenen kurzen Freiheitsstrafe ohnehin trotz Therapiebedürftigkeit des Beschuldigten von einer Massnahme abzusehen. In diesem Sinne besteht auch keine Notwendigkeit, den Beschuldigten diesbezüglich begutachten zu lassen.
Grundlagen
Die Vorinstanz hat die Grundlagen für die Anordnung einer Landesverweisung etwas gar knapp abgehandelt (Urk. 56 S. 24 E. VII.1.), weshalb dazu ergänzend noch folgendes festzuhalten ist:
In seinem Urteil vom 4. Dezember 2019 (6B_690/2019) hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung zur Härtefallregelung bei der Landesverweisung präzisiert und zusammengefasst festgehalten, ob bei einer Person ein Härtefall vorliegt, weil sie in der Schweiz geboren aufgewachsen ist, bestimme sich weder anhand von starren Altersvorgaben, noch führe eine bestimmte Anwesenheitsdauer automatisch zur Annahme eines Härtefalls. Die Härtefallprüfung sei vielmehr im Einzelfall anhand der gängigen Integrationskriterien durchzuführen. Im Einzelnen:
[…] Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 144 IV 332 E. 3.1.3 S. 339). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1 S. 171; Urteil 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.2.1; vgl. zum Ganzen Urteil 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019, E. 3.4.1.).
Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur ausnahmsweise unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an
der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 144 IV 332 E. 3.1.2 S. 338; Urteile 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 3.2, zur Publikation vorgesehen; 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.2.2; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1 S. 340). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Härtefall in Art. 31 Abs. 1 der Verord- nung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen (BGE 144 IV 322 E. 3.3.2 S. 340 f.; Urteil
6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7; vgl. zum Ganzen Urteil 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019, E. 3.4.2.).
Sinn und Zweck der Altersvorgaben im Migrationsrecht ist es, sicherzustellen, dass ein Kind mindestens die Hälfte der obligatorischen Schulzeit in der Schweiz verbringt, was der Integration und der Förderung der sprachlichen Fähigkeiten zuträglich sei (vgl. Art. 42 Abs. 4 des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AIG; SR 142.20]; siehe auch Art. 43 Abs. 6 und Art. 47 Abs. 1 AIG sowie Art. 73 Abs. 1 VZAE; MARC SPESCHA, in: SPESCHA et al.
[Hrsg.], Migrationsrecht Kommentar, 5. Aufl. 2019, N. 18 zu Art. 42 und N. 1 zu Art. 47 AIG mit Hinweisen). Diese Überlegungen sind grundsätzlich auch im Rahmen der Härtefallprüfung nach Art. 66a Abs. 2 StGB von Relevanz, spielt der Grad der Integration doch auch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Wie das Bundesgericht bereits mehrfach festgehalten hat, kann bei einer Härtefallprüfung allerdings nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz angenommen werden. Spielt sich das gesellschaftliche Leben einer ausländischen Person primär mit Angehörigen des eige- nen Landes ab, spricht dies eher gegen die Annahme einer hinreichenden Integration (Urteil 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7.2 mit Hinweisen). Im Gegensatz zum Migrationsrecht sieht Art. 66a Abs. 2 StGB denn auch keine Altersgrenze vor. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber entsprechende Vorgaben in den Wortlaut der Gesetzesbestimmung aufgenommen hätte, wenn dies seinem Willen entsprochen hätte. Die Anwendung von starren Altersvorgaben sowie die automatische Annahme eines Härtefalls ab einer bestimmten Anwesenheitsdauer findet somit keine Stütze im Gesetz. Die Härtefallprüfung ist vielmehr in jedem Fall anhand der gängigen Integrationskriterien (vgl. BGE 144 IV
332 E. 3.3.2 S. 340 f.) vorzunehmen. Der besonderen Situation von in der Schweiz geborenen aufgewachsenen ausländischen Personen wird dabei Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz in aller Regel als starkes Indiz für das Vorliegen von genügend starken privaten Interessen und damit für die Bejahung eines Härtefalls zu werten ist (1. kumulative Voraussetzung; vgl. E. 3.4.2). Bei der allenfalls anschliessend vorzunehmen- den Interessenabwägung (2. kumulative Voraussetzung) ist der betroffenen Person mit zunehmender Anwesenheitsdauer ein gewichtigeres privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz zuzubilligen. Hingegen kann davon ausgegangen werden, dass die in der Schweiz verbrachte Zeit umso weniger prägend war, je kürzer der Aufenthalt und die in der Schweiz absolvierte Schulzeit waren, weshalb auch das private Interesse an einem Verbleib in der Schweiz weniger stark zu gewichten ist (vgl. zum Ganzen Urteil 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019, E. 3.4.4.).
Würdigung
Der Beschuldigte hat sich als Ausländer mit dem versuchten Einbruchdiebstahl einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a StGB (Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB) schuldig gemacht hat, weshalb grundsätzlich obligatorisch eine Landesverweisung im Sin- ne von Art. 66a StGB anzuordnen ist. Davon kann nur abgesehen werden, wenn die Landesverweisung für den Beschuldigten einen schweren persönlichen Härtefall darstellen würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Noch einmal sei betont, dass die Härtefallklausel eine restriktiv anzuwendende Ausnahmeklausel ist. Was die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten betrifft, kann zunächst auf das bereits Ausgeführte verwiesen werden. Daraus bzw. aufgrund der Akten (Urk. 5/1 S. 4 f. F/A 28 ff., Urk. 5/3 S. 7 ff. F/A 28 ff., Prot. I S. 8 ff.) ergibt sich, dass er Beschuldigte den Grossteil seines Lebens nicht in der Schweiz verbrachte, insbesondere nicht seine Kindheit und Jugend. Er kam erst im Jahr 2002, also in seinem 25. Lebensjahr in die Schweiz. Er lebte zwar die letzten zwanzig Jahre in der Schweiz, scheint hier aber gleichwohl nicht besonders verwurzelt. Er ist geschieden und kinderlos und hat zwei Schwestern, die auch in der Schweiz leben. Ebenso muss von einer unterdurchschnittlich sozialen und beruflichen Integration ausgegangen werden, war der Beschuldigte doch immer wieder auf staatliche Fürsorge angewiesen, nicht nur in fi- nanzieller Hinsicht. Er würde in I. wohl ein ähnliches Leben führen wie in der Schweiz, seine dortigen Integrationschancen erscheinen jedenfalls nicht wesentlich schlechter als die hiesigen. Die mit einer Verschiebung des Lebensmittelpunktes nach I. einhergehenden Inkommoditäten halten sich beim Beschul- digten vergleichsweise insofern in Grenzen, als er den grösseren Teil seines Lebens dort verbracht hat und die dortige Sprache kennt. Im Übrigen sind sie als vom Gesetzgeber gewollt hinzunehmen. Zudem gab der Beschuldigte anlässlich der Hafteinvernahme vom 9. April 2021 auf die Frage, wie er sich zu einem Lan- desverweis äussere, an, er würde in I. besser leben als hier, er würde [dort] keine Drogen nehmen (Urk. 5/1 S. 5 F/A 36). Offenbar hält er sich zudem aktuell
auch in I.
auf. Von einem schweren persönlichen Härtefall kann deshalb
nicht ausgegangen werden, womit sich eine Interessenabwägung erübrigt und die Landesverweisung anzuordnen ist. Die von der Vorinstanz angeordnete Dauer der Landesverweisung von fünf Jahren ist angemessen und zu übernehmen. Diese Landesverweisung ist im Schengener Informationssystem auszuschreiben, diesbezüglich kann auf die vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (Urk. 56 S. 25 E. VII.3.f.).
Was die beantragte Löschung des DNA-Profils des Beschuldigten anbelangt, kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 56 S. 26 f. E. X.). Eine sofortige Löschung kann nicht angeordnet werden.
Erstinstanzliches Verfahren
Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung ist zu bestätigen. Was die erstinstanzliche Kostenverteilung betrifft, so auferlegte die Vorinstanz dem Beschuldigten unter Hinweis auf den erfolgten Freispruch betreffend den Vorwurf der Sachbeschädigung die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausge- nommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, zu zwei Dritteln und nahm einen Drittel auf die Gerichtskasse. Das ist nicht zu beanstanden. Weiter nahm sie die Kosten der amtlichen Verteidigung auf die Gerichtskasse, vorbehältlich einer Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO. Auch das ist soweit richtig. Die Vorinstanz hat jedoch übersehen, dass konsequenterweise im Umfang des erfolgten Freispruchs, d.h. im Umfang eines Drittels, auch die Kosten der amtlichen Vertei- digung sofort definitiv auf die Gerichtskassen zu nehmen gewesen wären, was zu korrigieren ist.
Berufungsverfahren
Die Gebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf Fr. 3'000.– festzusetzen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte unterliegt mit seinen Anträgen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten sind einstweilen und unter Vorbehalt der Nachzahlungspflicht auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die amtliche Verteidigung des Beschuldigten macht ein Honorar von insgesamt Fr. 3'219.55 geltend, was ausgewiesen und angemessen ist (vgl. Urk. 72). Zusätzlich zu entschädigen ist der Aufwand für die Berufungsverhandlung und eine Nachbesprechung, weshalb die amtliche Verteidigung mit insgesamt Fr. 3'700.– aus der Gerichtskasse zu entschädigen ist.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom
10. Dezember 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird erkannt:
1. […]
2. Vom Vorwurf der Sachbeschädigung wird der Beschuldigte freigesprochen. 3.-7. […]
8. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19. August 2021 beschlagnahmte Mütze (Asservat-Nr. A014'889'306, lagernd bei der Kantonspolizei Zürich - Asservatentriage) wird dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.
9.-13. […]
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig
des versuchten Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie
des versuchten Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 4 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 41 Tage durch Haft erstanden sind.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird nicht aufgeschoben.
Es wird keine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (Suchtbehandlung) angeordnet.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.
Der Antrag des Beschuldigten auf Löschung seines DNA-Profils wird abgewiesen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv wird soweit es die Ziffern 10. und 11. betrifft bestätigt. Ziffer 12 des erstinstanzlichen Kosten wird aufgehoben und durch folgende Regelung ersetzt:
12. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden zu zwei Dritteln einstweilen und zu ei- nem Drittel definitiv auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang der einstweilen auf die Gerichtskasse genommenen zwei Drittel vorbehalten.
Über die Höhe der Kosten der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'700.-amtliche Verteidigung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung für das Berufungsverfahren werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
die Privatklägerin C. GmbH
(Eine begründete Urteilsausfertigung wird der Privatklägerin nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A
die Kordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
die Kantonspolizei Zürich, Asservate Triage, Postfach, 8021 Zürich, betr. erstinstanzliche Dispositivziffer 8,
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben gemäss
§ 54a PolG betr. erstinstanzliche Dispositivziffer 2.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 26. September 2022
Der Präsident:
lic. iur. B. Gut
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw T. Künzle
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