Zusammenfassung des Urteils SB220196: Obergericht des Kantons Zürich
Das Kantonsgericht hat in einem Fall von Verletzung des Berufsgeheimnisses entschieden. Der Beschuldigte wurde für schuldig befunden und mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 170 CHF belegt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt, ebenso wie eine Parteientschädigung für die Privatkläger. Die Berufung wurde teilweise gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und ein neues Urteil gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220196 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 03.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Diebstahl etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Recht; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Berufung; Vorinstanz; Sinne; Gericht; Landes; Delikt; Freiheitsstrafe; Verteidigung; Urteil; Landesverweisung; Dossier; Hausdurchsuchung; Busse; Befehl; Verfahren; Winterthur; Zusatzstrafe; Anordnung; Vollzug; Kantons; Verfahren; ührt |
Rechtsnorm: | Art. 105 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 144 StGB ;Art. 186 StGB ;Art. 190 BV ;Art. 198 StGB ;Art. 198 StPO ;Art. 241 StPO ;Art. 244 StPO ;Art. 245 StPO ;Art. 268 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 391 StPO ;Art. 400 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 41 StGB ;Art. 424 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 49 StGB ;Art. 5 BV ;Art. 51 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 66d StGB ;Art. 70 StGB ;Art. 83 AIG ;Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 122 IV 156; 135 II 110; 139 IV 128; 141 I 124; 141 IV 249; 142 IV 265; 143 IV 453; 144 IV 217; 144 IV 332; 145 IV 161; 145 IV 455; 146 IV 105; |
Kommentar: | Keller, Schweizer, Zürcher Kommentar StPO, Art. 244 StPO; Art. 241 StPO, 2020 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220196-O/U/bs
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, und lic. iur. B. Amacker, Ersatzoberrichter lic. iur. R. Amsler sowie der Gerichtsschreiber MLaw L. Zanetti
Urteil vom 3. Oktober 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin MLaw X.
gegen
vertreten durch Leitenden Staatsanwalt lic. iur. R. Michel,
Anklägerin und Berufungsbeklagte
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 1. Mai 2021 (Urk. 14) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 55A S. 45 ff.)
Es wird erkannt:
Das Verfahren betreffend Anklagedossier 4 (unrechtmässige Aneignung zum Nachteil von B. ) wird eingestellt.
Der Beschuldigte A. wird vom Vorwurf des Diebstahls gemäss Anklagedossier 5 freigesprochen.
Der Beschuldigte A. ist schuldig
des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB,
des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB,
der sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 StGB sowie
der mehrfachen geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 StGB in Verbindung mit Art. 172 ter StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten (wovon bis und mit heute 279 Tage durch Haft erstanden sind) sowie einer Busse von Fr. 400.–, teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 19. November 2020 und teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 18. Februar 2021.
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.
Der Beschuldigte wird für die Dauer von 5 Jahren des Landes verwiesen.
Die Landesverweisung wird im Schengener Informationssystem ausgeschrieben.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 28. März 2021 beschlagnahmten, bei der Bezirksgerichtskasse Winterthur lagernden Barschaften werden eingezogen und zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet:
- Fr. 28.75 (A014'420'678),
- Fr. 540.00 (A014'421'684),
- EUR 20.00 (A014'421'659),
- EUR 28.74 (A014'421'660),
- Fr. 115.50 (A014'421'784),
- EUR 108.00 (A014'421'795),
- MKD 30.00 (A014'421'808).
Die folgenden sichergestellten bzw. mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 28. März 2021 beschlagnahmten, bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate Triage, lagern- den Gegenstände werden den Berechtigten innert 3 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen hin zurückgegeben und hernach der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen:
Mobiltelefon Samsung (Zuordnung: C. AG, A014'420'894),
Tablet iPad mini (Zuordnung: D. , A014'421'171),
Daunenjacke schwarz (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'568),
Herrenhose (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'579),
Paar Sportschuhe (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'580).
Die Privatklägerin D. verwiesen.
wird mit ihrer Zivilforderung auf den Weg des Zivilprozesses
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'800.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 2'000.00 Gebühr Vorverfahren
Fr. 346.50 Auslagen (Gutachten)
Fr. 700.00 Auslagen Polizei
Fr. 11'473.70 Kosten amtliche Verteidigung (inkl. Barauslagen
und MwSt.)
Fr. 16'320.20 Total
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Kosten des Vorverfahrens (Gebühr und Auslagen) und des gerichtlichen Verfahrens, inkl. derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten zu zwei Dritteln auferlegt und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung wer- den indessen einstweilen vollständig auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von zwei Dritteln bleibt vorbehalten.
(Mitteilungen)
14. (Rechtsmittel)
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten (Urk. 83 S. 1 f.):
In Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichts Winterthur vom 30. August 2021, Ziff. 3 bis 8 und Ziff. 12 , sei/en:
der Berufungskläger von jeglichen Vorwürfen freizusprechen bzw. sei auf Dossier 6 nicht einzutreten;
der Berufungskläger für die erlittene Haft von 279 Tagen mit CHF 55'800 zu entschädigen;
von der Anordnung des Landesverweises sowie der Ausschreibung im Schengener Informationssystem abzusehen;
die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom
28. März 2021 beschlagnahmte Barschaft dem Berufungskläger herauszugeben;
die Kosten des vorliegenden Verfahrens, des Untersuchungssowie des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens inkl. der Kosten der amtlichen Verteidigung vollständig auf die Staatskasse zu nehmen;
ausserdem seien:
überdies die Kosten für die amtliche Verteidigung von CHF 5'424.20 des erstinstanzlichen Verfahrens ebenfalls auf die Staatskasse zu nehmen und in vorliegendem Verfahren zu entschädigen.
Der Staatsanwaltschaft Urk. 68): (schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Am 25. November 2020 wurde der Beschuldigte A. von Beamten der Kantonspolizei Zürich in seiner Unterkunft im Asylheim E. kontrolliert, nach- dem aufgrund von Überwachungsaufnahmen bzw. DNA-Spuren konkrete
Hinweise bestanden, dass er in der Nacht zuvor in E.
mehrfachen Hausfriedensbruch sowie in der Nacht vom 3./4. November 2020 einen Wohnungseinbruch in F. begangen hatte. Nachdem die Polizeibeamten anlässlich der Kontrolle im Zimmer des Beschuldigten mutmassliches Deliktsgut sowie weitere Beweismittel festgestellt hatten, wurde der Beschuldigte verhaftet, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland zugeführt und in der Folge in Untersuchungshaft versetzt (vgl. Urk. D2/1 S. 3 f.; Urk. 5/1; Urk. 5/6).
Nach Abschluss der Untersuchung, welche noch weitere Tatvorwürfe ergab, erhob die Staatsanwaltschaft am 1. Mai 2021 Anklage gegen den Beschuldigten an das Einzelgericht des Bezirksgerichts Winterthur (nachfolgend: Vorinstanz; Urk. 14). Dieses führte am 30. August 2021 die Hauptverhandlung durch und fällte gleichentags das eingangs wiedergegebene Urteil, welches es den Parteien mündlich sowie schriftlich in unbegründeter Ausfertigung eröffnete (vgl. Prot. I
S. 6 ff. und S. 35 ff.; Urk. 37). Mit Verfügung vom gleichen Tag entliess die Vorinstanz den Beschuldigten sodann aus der Sicherheitshaft und ordnete dessen Zuführung an das Amt für Justizvollzug zur Durchführung des
ordentlichen Strafvollzugs diverser Vorstrafen des Beschuldigten an (vgl. Urk. 38; Urk. 28), in dem sich der Beschuldigte bis heute befindet.
Am 2. September 2021 (Posteingang) meldete der Beschuldigte fristgerecht Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz an (Urk. 41). Mit Verfügung vom
11. November 2021 wurde die bisherige amtliche Verteidigerin des Beschuldigten, Rechtsanwältin lic. iur. X1. , entlassen und an ihrer Stelle Rechtsanwalt
lic. iur. X2.
als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten bestellt (Urk. 49).
Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 51 = Urk. 55A) am 3. März 2022 (Urk. 52) reichte der Beschuldigte dem Obergericht am 16. März 2022 (Poststempel) fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 56).
Mit Präsidialverfügung vom 9. Mai 2022 wurde der Staatsanwaltschaft und den Privatklägern in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO sowie Art. 401 StPO eine Kopie der Berufungserklärung des Beschuldigten zugestellt und Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen (Urk. 63). Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 16. Mai 2022 sinngemäss auf eine Anschlussberufung und beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 68). Die Privatkläger liessen sich nicht vernehmen.
Mit Präsidialverfügung vom 18. Mai 2022 wurde Rechtsanwalt lic. iur. X2. als amtlicher Verteidiger entlassen und an seiner Stelle Rechtsanwältin MLaw
X.
als amtliche Verteidigerin des Beschuldigten bestellt (Urk. 71). Am
August 2022 wurden die Parteien zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen, wobei der Staatsanwaltschaft das Erscheinen freigestellt wurde (Urk. 73).
4. Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der Beschuldigte A. in Begleitung seiner amtlichen Verteidigerin, Rechtsanwältin MLaw X. . Es waren weder Vorfragen noch Beweisanträge zu entscheiden. In der Sache selbst stellten die Parteien die eingangs wiedergegebenen Anträge (Prot. II S. 4 ff.). Das Verfahren ist spruchreif.
Umfang der Berufung
Die Berufungserklärung des Beschuldigten richtet sich gegen seine Verurteilung wegen Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, sexueller Belästigung und mehrfacher geringfügiger Sachbeschädigung (Disp.-Ziff. 3), die Strafzumessung (Disp.-Ziff. 4-5), die Landesverweisung (Disp.-Ziff. 6-7), die Einziehung der beschlagnahmten Barschaften (Disp.-Ziff. 8) sowie die Kostenauflage (Disp.- Ziff. 12; Urk. 56 S. 3 f.).
Nicht angefochten und somit in Rechtskraft erwachsen sind die Dispositiv- Ziffer 1 (Einstellung betreffend Anklagedossier 4), Ziffer 2 (Freispruch betreffend Anklagedossier 5), Ziffer 9 (Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände), Ziffer 10 (Verweisung einer Zivilforderung auf den Zivilweg) sowie Ziffer 11 (Kostenfestsetzung) des vorinstanzlichen Urteils, was vorab festzustellen ist.
Nachdem der Beschuldigte als einziger Berufung führt, steht die Überprüfung des angefochtenen Urteils im Übrigen unter dem Vorbehalt des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO).
Formelles
Soweit nachfolgend auf Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen wird, erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO (vgl. dazu BGer. 6B_570/2019 vom 23. September 2019, E. 4.2, m.w.H.), auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.
Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und je- des einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249,
E. 1.3.1, mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit in der Begründung auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Strafanträge
Die Verteidigung macht geltend, es sei betreffend die dem Beschuldigten in Dossier 6 vorgeworfene geringfügige Sachbeschädigung nicht belegt worden, dass der Strafantrag von Dr. iur. G. , dem damaligen Chef des Rechtsdienstes der Kantonspolizei Zürich, habe gültig unterzeichnet werden können (Urk. 83 S. 3).
Gemäss § 30 Abs. 2 und § 38 Abs. 3 des Gesetzes über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung (OG RR, LS 172.1) weist der Regierungsrat den Direktionen Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben zu. Er regelt die Grundzüge der Organisation in einer Verordnung und legt fest, ob die nachgeordneten Verwaltungseinheiten im eigenen Namen im Namen der Direktion entscheiden. § 66 Abs. 1 lit. b der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung (VOG RR, LS 172.11) sieht vor, dass die Verwaltungseinheiten der Direktionen (siehe dazu Anhang 2 Ziff. 2 VOG RR und § 4 Organisationsverordnung der Sicherheitsdirektion [OV DS, LS 172.110.2]) in den Aufgabenbereichen gemäss Anhang 3 VOG RR erstinstanzlich in eigenem Namen entscheiden. Anhang 3 VOG RR, Ziff. 2.1 legt fest, dass die Kantonspolizei in ihrem gesamten Aufgabenbereich selbstständige Entscheidkompetenz im eigenen Namen hat. Der Leiter der Verwaltungseinheit ist gemäss § 66 Abs. 3 VOG RR befugt, die Entscheidkompetenz innerhalb der Einheit zu delegieren. Gestützt auf § 11 OV DS und § 5 Kantonspolizeiverordnung (KapoV, LS 551.11) regelt der Kommandant als Leiter der Kantonspolizei Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der Angehörigen des Offizierskorps in einem Dienstbefehl (DB 3.1.2). Gemäss dessen Ziffer 2 kommt dem Chef Rechtsabteilung die Aufgabe zu, die Kantonspolizei in rechtlichen Verfahren zu vertreten. Darin eingeschlossen ist die Kompetenz, Strafanträge zu stellen, wenn die Kantonspolizei Zürich Geschädigtenstellung hat. Der Strafantrag wurde demnach vorliegend gültig durch den damaligen Chef der Rechtsabteilung der Kantonspolizei Zürich, Herr G. , unterzeichnet.
Die Vorinstanz legte hinsichtlich der weiteren Antragsdelikte im Übrigen zutreffend dar, dass die notwendigen Strafanträge vorliegen (Urk. 55A S. 7). Auf diese Erwägungen kann verwiesen werden.
Hausdurchsuchung
Die Verteidigung machte anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geltend, die Hausdurchsuchung beim Beschuldigten sei nicht rechtmässig erfolgt. Nachdem der Beschuldigte im Zeitpunkt der Durchsuchung bereits verhaftet gewesen sei, habe keine Gefahr im Verzug mehr bestanden, weshalb die Haus- durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft mittels schriftlichem Befehl hätte angeordnet werden müssen. Der Hausdurchsuchungsbefehl sei jedoch erst eine Woche später erfolgt. Zudem seien dem Beschuldigten weder der Hausdurchsuchungsbefehl noch das Durchsuchungsprotokoll die Beschlagnahmeverfügung unverzüglich ausgehändigt worden. Infolgedessen seien die anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Beweismittel unverwertbar (Urk. 36 S. 6 f.).
Die Vorinstanz gelangte diesbezüglich zum Schluss, die Pflicht zur Ausstellung eines schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehls stelle eine blosse Ordnungsvorschrift dar. In der vorliegenden Situation sei es geboten gewesen, das Zimmer des Beschuldigten zu durchsuchen, bevor allfällige Komplizen Mitbewohner der Polizei zuvorgekommen wären und allfälliges werthaltiges Diebesgut aus dem Zimmer beiseitegeschafft hätten. Nachdem die Voraussetzungen zur Anordnung einer Hausdurchsuchung daher unzweifelhaft vorgelegen hätten und die Staatsanwaltschaft einen Hausdurchsuchungsbefehl hätte ausstellen können, sei gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO von der Verwertbarkeit der Hausdurchsuchung auszugehen (Urk. 55A S. 7 f.).
Aus den Akten ergibt sich, dass die Polizei im Anschluss an die Verhaftung des Beschuldigten am 25. November 2020 in dessen Zimmer in der Asylunter-
kunft E.
eine Hausdurchsuchung vornahm, nachdem sie – infolge Abwesenheit des Beschuldigten – eine Mitarbeiterin des Betreibungsamts E. als Urkundsperson im Sinne von Art. 245 Abs. 2 StPO i.V.m. § 164 GOG beigezogen hatte, die an Stelle des Beschuldigten auch die Durchsuchungsprotokolle quittierte. Die Polizei führte diese Durchsuchung nicht auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, sondern gestützt auf Art. 241 Abs. 3 StPO wegen Gefahr in Verzug in eigener Kompetenz durch. Anlässlich dieser Hausdurchsuchung wurden zahlreiche Gegenstände sowie Bargeld als mutmassliches Deliktsgut sichergestellt (vgl. Urk. D2/1 S. 3 f.; Urk. 4/1-3). Die entsprechenden Durchsuchungsprotokolle wur- den dem Beschuldigten im Beisein seiner damaligen amtlichen Verteidigung – entgegen deren anderslautenden Behauptungen – bereits anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Hafteinvernahme vom 26. November 2020 zur Durchsicht ausgehändigt und gelangten ihm damit zur Kenntnis (Urk. 2/2 S. 4; vgl. auch Urk. 2/4 S. 10, Urk. 8/4 und Urk. 8/6). Der von der Staatsanwaltschaft am 2. Dezember 2020 erlassene Durchsuchungsbefehl betraf sodann – wiederum entgegen der Verteidigung – nicht die Hausdurchsuchung vom 25. November 2020, sondern die Durchsuchung des Mobiltelefons des Beschuldigten (Urk. 4/4), welche jedoch schlussendlich nicht stattfand, da der Beschuldigte die Angabe des PIN-Codes verweigerte und zudem die Siegelung verlangte (Urk. 2/3 S. 8 f.). Am 28. März 2021 erliess die Staatsanwaltschaft schliesslich eine formelle Beschlagnahmeverfügung bezüglich der nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen noch relevanten Gegenstände bzw. Barschaften (vgl. Urk. 4/13; Urk. 1/4 S. 3; Urk. D2/3 S. 4). Diese Verfügung blieb unangefochten.
Gemäss Art. 241 Abs. 1 StPO sind Durchsuchungen grundsätzlich in einem schriftlichen Befehl (durch die Staatsanwaltschaft das Sachgericht, Art. 198 Abs. 1 StPO) anzuordnen. In dringenden Fällen können sie mündlich angeordnet werden, sind aber nachträglich schriftlich zu bestätigen. Ist gar Gefahr in Verzug, so kann die Polizei gemäss Art. 241 Abs. 3 StPO auch ohne Befehl Durchsuchungen vornehmen, hat jedoch die zuständige Strafbehörde unverzüglich darüber zu informieren. Das Gesetz unterscheidet bezüglich der formellen Anforderungen bzw. der Zuständigkeit zur Anordnung einer Durchsuchung mithin aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit der Massnahme drei Konstellationen: Im Normallfall ist ein schriftlicher Befehl durch die Staatsanwaltschaft erforderlich. Würde das Abwarten eines schriftlichen Befehls den Zweck der Massnahme gefährden, so kann dieser ausnahmsweise mündlich (z.B. telefonisch) erteilt werden, ist dann aber nachträglich schriftlich zu bestätigen. Ist die zeitliche
Dringlichkeit jedoch so hoch, dass bereits die Einholung eines mündlichen Befehls den Zweck der Massnahme gefährden würde (oder ist die Staatsanwaltschaft z.B. telefonisch nicht erreichbar), liegt Gefahr in Verzug vor und die Polizei ist dann ausnahmsweise ohne vorgängige, explizite Anordnung der Staatsanwaltschaft berechtigt, eine Durchsuchung vorzunehmen, sofern deren gesetzliche Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind. Die Anordnung einer Hausdurchsuchung ist insbesondere zulässig, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, zu vermuten ist, dass in den zu durchsuchenden Räumen zu beschlagnahmende Gegenstände Vermögenswerte vorhanden sind, und die Durchsuchung aufgrund des vorliegenden Tatverdachts als verhältnismässig erscheint (vgl. Art. 197 i.V.m. Art. 244 Abs. 2 StPO).
Umstritten sind die Konsequenzen von Formmängeln bei der Anordnung von (Haus-)Durchsuchungen, insbesondere falls die Polizei den Ausnahmetatbestand der Gefahr in Verzug zu Unrecht bejahte. Während in der Lehre teilweise gefordert wird, die so erlangten Beweise gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO grundsätzlich als unverwertbar zu betrachten (vgl. etwa Keller, in: Zürcher Kommentar StPO,
3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2020, N 5 zu Art. 244 StPO; Gfeller, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 41 zu Art. 241 StPO; je m.w.H.), geht ein anderer Teil der Lehre mit dem Bundesgericht grundsätzlich von der Verletzung einer blossen Ordnungsvorschrift gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO aus, welche für sich alleine die Verwertbarkeit der erlangten Beweise nicht tangiert, ausser es handle sich um eine bewusste bzw. vorsätzliche und rechtsmissbräuchliche Missachtung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung (BGE 139 IV 128, E. 1.5 ff.; Thormann/Brechbühl, in: Basler Kommentar, a.a.O., N 17 f. zu Art. 245 StPO; je m.w.H.).
Vorliegend erscheint klar, dass der von der Polizei geltend gemachte Ausnahmetatbestand der Gefahr in Verzug tatsächlich nicht vorlag, erfolgte die Hausdurchsuchung im Zimmer des Beschuldigten doch an einem Mittwoch- nachmittag um 13.30 Uhr (Urk. 4/1-2), nachdem der Beschuldigte gleichentags um 12.00 Uhr dort verhaftet worden war (Urk. 5/1). Zur Hausdurchsuchung wurde
zudem vorgängig das Betreibungsamt E.
beigezogen. Unter diesen
Umständen ist nicht ersichtlich, weshalb es den Polizeibeamten nicht möglich gewesen wäre, zumindest einen mündlichen Hausdurchsuchungsbefehl beim zuständigen Brandtourbzw. Transport-Staatsanwalt einzuholen. Im Polizeirapport wurde denn auch nicht näher ausgeführt, warum von Gefahr in Verzug auszugehen war. Anderseits waren die materiellen Voraussetzungen zur Anordnung einer Hausdurchsuchung vorliegend offensichtlich erfüllt, bestand doch gegen den Beschuldigten aufgrund des vorliegenden DNA-Hits am Tatort eines Wohnungseinbruchs einerseits (vgl. Urk. 3/1) und den unmittelbaren Feststellungen der Polizeibeamten betreffend mutmasslichem Deliktsgut im Zimmer des Beschuldigten anderseits (vgl. Urk. D2/1 S. 3) nicht nur ein hinreichender, sondern gar ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten. Zudem war unter diesen Gegebenheiten die Sicherstellung (weiteren) Deliktsguts im Zimmer des Beschuldigten ohne Weiteres zu vermuten und angesichts der Schwere des zu untersuchenden Delikts (Einbruchdiebstahl) war die Anordnung einer Haus- durchsuchung auch verhältnismässig. Nachvollziehbar erscheint sodann, dass sich die Hausdurchsuchung für die handelnden Polizeibeamten aus der vorgängigen Kontrolle (Anhaltung) des Beschuldigten in seinem Zimmer, den dabei gemachten Feststellungen und seiner anschliessenden Verhaftung – welche allesamt zu Recht in alleiniger polizeilicher Kompetenz ohne Einbezug der Staatsanwaltschaft erfolgten – ergeben hatte. Eine gewisse Dringlichkeit kann zudem nicht verneint werden, zumal das Zimmer des Beschuldigten im Asylheim unverschlossen war (vgl. Urk. 82 S. 5) und entsprechend die Gefahr drohte, dass Beweismittel daraus entwendet werden könnten. Eine vorsätzliche und rechtsmissbräuchliche Missachtung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, welche allenfalls Anlass zur Annahme der Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel geben würde, ist vorliegend jedenfalls nicht zu erkennen. Damit ist der Vorinstanz im Ergebnis beizupflichten und es ist angesichts des Umstands, dass vorliegend einzig der formelle Genehmigungsvorgang nicht eingehalten wurde, die materiellen Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung indessen jederzeit gegeben waren und der Beschuldigte auch keinen Rechtsverlust erlitten hat, von der blossen Verletzung einer Ordnungsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 3 StPO
auszugehen, welche die Verwertbarkeit der durch die Hausdurchsuchung erlangten Beweismittel nicht beschlägt.
Theoretische Grundlagen
Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Sachverhaltserstellung im Strafprozess zutreffend wiedergegeben (Urk. 55A S. 9 f.). Darauf kann verwiesen werden.
Dossier Nr. 1
Weiter gelangte die Vorinstanz in grundsätzlich überzeugender Beweiswürdigung zu Recht zum Schluss, dass der Anklagesachverhalt gemäss Dossier- Nr. 1 erstellt ist (Urk. 55A S. 10 bis 13). Auf diese Erwägungen kann mit der einzigen Korrektur verwiesen werden, dass auch hinsichtlich des nicht beim Beschuldigten zu Hause sichergestellten, sondern in der Toilettenanlage auf dem Friedhof H. (in unmittelbarer Nähe des Tatorts an der E'. -Str. …, vgl. Google-Maps) aufgefundenen Deliktsguts (vgl. Urk. 1/1 S. 4 ff.) davon auszugehen ist, dass dieses vom Beschuldigten anlässlich des Einbruchs entwendet und anschliessend auf dem Friedhof zurückgelassen wurde (so dann auch sinngemäss die Vorinstanz wieder in Urk. 55A S. 28). Die DNA-Spur des Beschuldigten am Balkongeländer und das im Zimmer des Beschuldigten sichergestellte Deliktsgut (iPad mini) einerseits sowie die erst spät erfolgten, unglaubhaften Erklärungen des Beschuldigten hierzu anderseits, lassen nur den Schluss zu, dass der Beschuldigte am Einbruch unmittelbar und massgeblich beteiligt war. Ob als Alleinoder als Mittäter spielt dabei keine Rolle.
An diesem Schluss vermögen auch die von der Verteidigung anlässlich der Berufungsverhandlung eingereichten Kartenauszüge aus Google-maps (Urk. 83
S. 8 f.; Urk. 84/1-3) nichts zu ändern, wobei ohnehin nicht vollends klar ist, was daraus überhaupt abgeleitet werden soll. Der Beschuldigte konnte den Einbruch ohne Weiteres auch auf dem Nachhauseweg von seinem Bekannten, welchen er besucht haben will, begangen haben. Es ergeben sich daraus entsprechend keine für das Beweisresultat relevanten Erkenntnisse.
Auch die rechtliche Würdigung der Vorinstanz erweist sich grundsätzlich als zutreffend (Urk. 55A S. 13-15). Fraglich erscheint einzig die Anwendung des privilegierten Tatbestandes von Art. 172ter Abs. 1 StGB, setzt dieser doch voraus, dass sich die Tat auch subjektiv auf einen geringen Vermögenswert richtete (vgl. etwa BGE 122 IV 156). Dies ist bei einem versuchten Aufbrechen einer verschlossenen Balkontüre mittels Gewalt nicht ohne Weiteres der Fall, kann der daraus entstehende Schaden vom Täter doch kaum im Voraus zuverlässig
abgeschätzt werden. Nachdem sich eine Verschärfung der vorinstanzlichen Schuldspruchs aber bereits aufgrund des vorliegend geltenden Verschlechterungsverbots ohnehin verbietet (Art. 391 Abs. 2 StPO), kann dies jedoch letztlich dahinstehen.
Der Beschuldigte ist somit bezüglich Dossier-Nr. 1 anklagegemäss des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB, des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB sowie der geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Dossier Nr. 2 und 3
Auch die Anklagesachverhalte gemäss Dossier-Nr. 2 und 3 erachtete die Vorinstanz mit zutreffender Begründung zu Recht als erstellt (Urk. 55A S. 15 f.). Zu ergänzen ist, dass den beim Beschuldigten wenige Stunden nach dem Tatzeitpunkt sichergestellten Sportschuhen offenbar auch frisches Erdreich anhaftete (vgl. Urk. 2/1 S. 2 unten; Urk. 4/3 S. 8 oben; Urk. D2/3 S. 4), was jedenfalls nicht dagegen spricht, dass sich der Beschuldigte noch am frühen Morgen desselben Tages in den Gärten der Geschädigten aufgehalten hatte. Insgesamt kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Person auf den Überwachungsaufnahmen um den Beschuldigten handelt (vgl. im Übrigen auch Urk. D7/7 S. 7).
Die Verteidigung brachte im Berufungsverfahren vor, bei der sichergestellten Daunenjacke des Beschuldigten handle es sich um ein abgestepptes und aufgeplustertes Kleidungsstück. Auf den Bildern der Überwachungskamera sei demgegenüber eine nicht abgesteppte, leicht faltenwerfende und im vorderen
Bereich um den Reissverschluss herum pludrige Jacke zu erkennen. Die Kleidungsstücke würden daher nichts beweisen. Zudem sei auf der Überwachungskamera das Gesicht der Person nur schlecht identifizierbar (Urk. 83 S. 10 f.). Entgegen dieser Darstellung der Verteidigung ist auf den Bildern der Überwachungskamera vielmehr eine Jacke zu sehen, welche wie die sichergestellte Daunenjacke des Beschuldigten eine horizontale Steppung des Fütterungsmaterials aufweist (Urk. D2/3). Es ist daher mit der Vorinstanz festzuhalten, dass die Jacke zumindest von der äusseren Erscheinung her derjenigen des Beschuldigten sehr ähnlich sieht. Auch in Bezug auf das auf den Bildern der Überwachungskamera ersichtliche Gesicht ist festzuhalten, dass es dem Beschuldigten jedenfalls nicht unähnlich sieht, wobei dies für sich alleine genommen noch nicht als Identifikation ausreichen würde. Zusammenfassend ist daher – wie bereits ausgeführt – den vorinstanzlichen Erwägungen zu folgen und der Anklagesachverhalte betreffend Dossiers Nr. 2 und 3 ist erstellt.
Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz erweist sich ebenfalls als zutreffend (Urk. 55A S. 16 f.). Auch auf diese Erwägungen kann verwiesen werden.
Der Beschuldigte ist somit bezüglich Dossier-Nr. 2 und 3 jeweils anklagegemäss des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB schuldig zu sprechen.
Dossier Nr. 6
Hinsichtlich des Anklagesachverhalts gemäss Dossier-Nr. 6 ging die Vorinstanz grundsätzlich zu Recht davon aus, dass dieser erstellt ist (Urk. 55A S. 18).
Der Beschuldigte und dessen Verteidigung brachten im Berufungsverfahren vor, die Hausschuhe seien bereits beschädigt gewesen, bevor der Beschuldigte diese zerrissen hat. Entsprechend sei der Beschuldigte der festen Überzeugung gewesen, dass die Hausschuhe sowieso ersetzt werden müssten (Urk. 82 S. 5; Urk. 83 S. 13). Wie den aktenkundigen Fotos zu entnehmen ist, wiesen die dem Beschuldigten abgegebenen Hausschuhe tatsächlich bereits vor der Zerstörung durch den Beschuldigten an der Oberseite einige Löcher auf (Urk. D2/3). Gleichzeitig ist erkennbar, dass die Hausschuhe – welche aufgrund ihres Anwendungsbereichs im Innenbereich selbstredend nicht etwa wasserdicht vollständig geschlossen sein müssen – ohne Weiteres noch zu gebrauchen waren und entsprechend dem Beschuldigten auch zur Benützung abgegeben wurden. Erst nach der Zerstörung durch den Beschuldigten, welcher die gesamte Oberseite der Hausschuhe abgerissen hatte, waren diese offensichtlich unbrauchbar (Urk. D6/2). Die Einwendungen des Beschuldigten erweisen sich daher als nicht stichhaltig.
Auch die rechtliche Würdigung der Vorinstanz erweist sich im Ergebnis als zutreffend (Urk. 55A S. 18 f.).
Der Beschuldigte ist somit bezüglich Dossier-Nr. 6 anklagegemäss der geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Dossier Nr. 7
Bezüglich des Anklagesachverhalts gemäss Dossier-Nr. 7 gelangte die Vorinstanz mit überzeugender Begründung zu Recht zum Schluss, dass dieser erstellt ist (Urk. 55A S. 19 ff.).
An diesen Feststellungen vermögen auch die von der Verteidigung im Berufungsverfahren geltend gemachten Ungenauigkeiten in den Aussagen der Privatklägerin nichts zu ändern (vgl. Urk. 83 S. 14 ff.). Ergänzt werden kann einzig, dass überhaupt kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Geschädigte den ihr bis dahin unbekannten Beschuldigten zu Unrecht hätte beanzeigen und anschliessend während mehrerer Einvernahmen belasten sollen.
Die rechtliche Würdigung der Vorinstanz erweist sich ebenfalls als zutreffend (Urk. 55A S. 21 f.). Auf diese Erwägungen kann verwiesen werden.
Der Beschuldigte ist somit bezüglich Dossier-Nr. 7 der sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 StGB schuldig zu sprechen.
Fazit
Zusammenfassend ist der Beschuldigte damit des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB, des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB, der mehrfachen geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB sowie der sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 StGB schuldig zu sprechen.
Die Vorinstanz machte grundsätzlich zutreffende Ausführungen zu den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung sowie zur Bildung von Zusatzstrafen, auf die verwiesen werden kann (Urk. 55A S. 26 f.). Ergänzend bzw. präzisierend dazu ist festzuhalten, dass das Bundesgericht spätestens seit BGE 144 IV 217 verlangt, für jedes Delikt innerhalb seines jeweiligen Strafrahmens eine Einzelstrafe (zumindest anhand der jeweiligen Tatkomponenten) festzulegen. Diese Einzelstrafen sind dann – soweit sie gleichartig ausfallen – erst in einem zweiten Schritt gegebenenfalls zu (einer mehreren) Gesamtstrafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Bei der Gesamtstrafenbildung ist so- dann jeweils von der für die schwerste Tat (pro Strafart) festgelegten Einzelstrafe als Einsatzstrafe auszugehen und diese ist dann für die übrigen Einzelstrafen (derselben Strafart) unter Beachtung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen, so dass die Gesamtstrafe höher ausfällt als die Einsatzstrafe, aber tiefer als die Summe der verwirkten Einzelstrafen. Zudem darf die Gesamtstrafe nicht tiefer ausfallen als die höchste gesetzliche Mindeststrafe aller daran beteiligten Strafrahmen (vgl. BGE 144 IV 217, E. 3.5.1 ff. und E. 4.).
Im Rahmen ihrer konkreten Strafzumessung hat die Vorinstanz übersehen, dass sowohl die Gesamtstrafenbildung nach Art. 49 Abs. 1 StGB als auch die Zusatzstrafenbildung nach Art. 49 Abs. 2 StGB nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur bei jeweils gleichartigen Strafarten in Betracht fällt. Für die Tatbestände des Diebstahls und des mehrfachen Hausfriedensbruchs werden dabei – wie noch aufzuzeigen sein wird – im Ergebnis Freiheitsstrafen auszufällen sein, wogegen die Tatbestände der mehrfachen geringfügigen Sachbeschädigung sowie der sexuellen Belästigung von Gesetzes wegen nur mit Busse bestraft
werden können. Aufgrund der unterschiedlichen Strafarten sind somit zwei separate Gesamtstrafenbildungen vorzunehmen, wobei für die mit Freiheitsstrafe zu ahndenden Delikte eine teilweise Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 19. November 2020 auszufällen ist, mit welchem der Beschuldigte wegen Missachtung der Einoder Ausgrenzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 90 Tagen, abzüglich einem Tag erstandener Haft, verurteilt wurde. Für die mit Busse zu ahndenden Delikte ist dagegen eine (reine) Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom
18. Februar 2021 zu bilden, mit welchem der Beschuldigte wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Busse von Fr. 200 verurteilt wurde (vgl. Urk. 60). Ausgangspunkt der jeweiligen Strafzumessung ist dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich das abstrakt schwerste Delikt.
Die Verteidigung machte geltend, es bestünden Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte durch den Bürgerkrieg in seinem Heimatland Afghanistan, den frühen Tod seiner Eltern und seine jahrelange Flucht stark traumatisiert sei, weshalb von einer verminderten gar aufgehobenen Schuldfähigkeit des Beschuldigten auszugehen sei (Urk. 34 S. 2). Diesbezüglich befindet sich ein ausführliches jugendforensisches Gutachten über den Beschuldigten vom
15. Januar 2020, erstellt von Dr. phil. I. von der PUK Zürich, bei den Akten (vgl. Beizugsakten der Jugendanwaltschaft Limmattal/Albis, dortige Urk. 36/12). Der Gutachter diagnostizierte darin beim Beschuldigten eine mittelgradig ausgeprägte Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (ICD-10: F91.1) sowie einen schädlichen Gebrauch von Cannabis und Alkohol (ICD-10: F12.1; F10.1). Die Anlassdelikte (damals u.a. Hausfriedensbruch, Diebstahl, Exhibitionismus, Hinderung einer Amtshandlung, Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes etc., vgl. Gutachten S. 37 ff. sowie Urk. 60) stünden im Zusammenhang mit der beim Beschuldigten diagnostizierten Störung des Sozialverhaltens und seiner beeinträchtigten Persönlichkeitsentwicklung. Aufgrund seines Reifedefizits sei er zudem nicht in der Lage gewesen, die langfristigen Konsequenzen seiner Handlung abzuschätzen. Die Taten seien durch sein dissoziales Wertesystem begünstigt worden, das auch auf die vorhandene Störung des Sozialverhaltens zurückzuführen sei und delinquente
Handlungen zur kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung legitimiere. Ein direkter Zusammenhang zwischen einer Abhängigkeit von Suchtstoffen und den Delikten sei nicht feststellbar (vgl. Gutachten S. 34 f. und S. 51 f.). Eine Aufhebung der Schuldfähigkeit ergebe sich daraus nicht. Generell sei die Einsichtsfähigkeit beim Beschuldigten nicht eingeschränkt. Jedoch sei aufgrund der festgestellten Störung des Sozialverhaltens sowie einem entwicklungsbedingten Reifedefizit beim Beschuldigten von einer mittelgradigen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit und damit der Schuldfähigkeit auszugehen (Gutachten S. 41 und S. 52). Zudem bestehe eine hohe Rückfallgefahr, eventuell auch für andere Deliktskategorien wie Gewaltstraftaten und Fremdaggression sowie für Delikte, die durch übermässigen Cannabis- und Alkoholkonsum begünstigt werden (S. 53).
Die gutachterlichen Feststellungen und Aussagen sind umfassend und beschränken sich – entgegen der Vorinstanz – nicht auf das Sexualverhalten des Beschul- digten. Das Gutachten erscheint nachvollziehbar und schlüssig sowie angesichts der heute zu beurteilenden Delikte des Beschuldigten, die er rund 11 Monate nach der Begutachtung beging, auch nach wie vor als aktuell. Es kann im Folgenden darauf abgestellt werden.
Am 1. Januar 2018 trat der revidierte Art. 41 StGB in Kraft, welcher die Ausfällung einer Freiheitsstrafe anstelle einer ebenfalls möglichen Geldstrafe u.a. dann vorsieht, wenn eine Freiheitsstrafe geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten (Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB). Diese Bestimmung dient der sog. negativen Spezialprävention, d.h. der individuellen Abschreckung von rückfälligen Tätern, die zuvor bereits erfolglos mit Geldstrafen belegt wurden und mit ihrem Rückfall bewiesen haben, dass sich die aus Verhältnismässigkeitsgrundsätzen primär auszufällende Geldstrafe bei ihnen in präventiver Hinsicht als wirkungslos erweist. In solchen Fällen soll eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden (vgl. Basler Kommentar, Strafrecht I, 4. Aufl., Basel 2019, N 39 f. zu Art. 41 StGB).
Nachdem der Beschuldigte noch vor den heute zu beurteilenden Delikten im Zeitraum von März bis Oktober 2020 bereits zehn Mal mit (unbedingten) Geld- und
Freiheitsstrafen belegt werden musste (vgl. Urk. 60), jedoch ungeachtet dessen immer wieder straffällig wurde, ist davon auszugehen, dass Geldstrafen bei ihm keine präventive Wirkung entfalten, was sich auch mit der im vorerwähnten jugendforensischen Gutachten festgestellten hohen Rückfallgefahr deckt. Die Ausfällung einer Freiheitsstrafe erscheint deshalb beim Beschuldigten immer auch dann im Sinne von Art. 41 Abs. 1 lit. a StGB als geboten, wenn das Strafmass grundsätzlich noch die Ausfällung einer Geldstrafe erlauben würde (d.h. bis zu 180 Tagessätzen, Art. 34 Abs. 1 StGB). Für diese Delikte sind somit – ungeachtet des konkreten Strafmasses – Freiheitsstrafen auszufällen und aus diesen ist mithin nach Art. 49 StGB eine Gesamtbzw. teilweise Zusatzstrafe zu bilden.
Nachdem bezüglich der mit Freiheitsstrafe zu ahndenden Delikte die (abstrakt) schwerste Straftat im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB nicht der bereits ausgefällten Grundstrafe vom 19. November 2020, sondern der noch festzulegenden Gesamtstrafe für die neu zu beurteilenden Taten zugrunde liegt, ist die Grundstrafe gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zu asperieren und hernach die dadurch eingetretene Re- duktion gegenüber der effektiv ausgefällten, rechtskräftigen Grundstrafe von der Gesamtstrafe abzuziehen, was die Zusatzstrafe ergibt (vgl. BGE 142 IV 265, E. 2.4.4., m.w.H.).
Ausgangspunkt der Strafzumessung ist vorliegend der Diebstahl im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB (Dossier-Nr. 1), welcher mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist und damit die abstrakt schwerste Straftat aller mit einer Freiheitstrafe zu ahndenden Delikte darstellt.
In objektiver Hinsicht fällt hierzu in Betracht, dass der Beschuldigte nachts in eine Wohnung einbrach und dort aus dem Wohnzimmer scheinbar wahllos diverse Gegenstände, Bargeld, Ausweise, Schlüssel etc. im Gesamtwert von ca. Fr. 1'950 entwendete. Dieser Deliktsbetrag hält sich zwar insgesamt noch in Grenzen, was dem Beschuldigten indessen nicht zu Gute zu halten ist, suchte er doch zweifellos möglichst wertvolle Gegenstände zu erbeuten. Das vom Beschuldigten gewählte Vorgehen eines nächtlichen Wohnungseinbruchs erscheint im Übrigen besonders verwerflich und mit erheblicher krimineller Energie verbunden, lässt es doch
jeglichen Respekt vor dem Eigentum und der Privatsphäre der Geschädigten vermissen und birgt nicht zuletzt immer auch die Gefahr einer (eskalierenden) physischen Konfrontation mit den Geschädigten. Zudem sind Wohnungseinbrüche gerichtsnotorisch geeignet, bei den Betroffenen nachhaltige psychische Beeinträchtigungen (Angstzustände) zu verursachen. Insgesamt erscheint das objektive Verschulden des Beschuldigten deshalb als nicht mehr leicht, was innerhalb des anwendbaren Strafrahmens zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten führt.
Subjektiv ist von finanziellen, mithin egoistischen Motiven des Beschuldigten auszugehen, was ihn nicht entlastet. Indessen ist gestützt auf das vorerwähnte jugendforensische Gutachten von einer mittelgradig eingeschränkten Schuldfähigkeit des Beschuldigten auszugehen, was zu einer Reduktion des Verschuldens auf eher leicht führt, entsprechend einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten als Einzelstrafe, welche im Rahmen der Gesamtstrafenbildung die Einsatzstrafe darstellt.
Der Beschuldigte hat sich unter Dossier-Nr. 1 ferner des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht, wofür er gemäss Art. 186 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist.
In objektiver Hinsicht drang der Beschuldigte durch die verschlossene Balkontüre nachts in die Wohnung der Geschädigten ein und hielt sich dort kurze Zeit im Wohnzimmer auf, um dieses nach Wertgegenständen zu durchsuchen, worauf er die Wohnung wieder verliess. Es handelte sich somit um einen kurzen, aber relativ intensiven Eingriff in das Hausrecht der Geschädigten. Insgesamt erscheint das Verschulden des Beschuldigten als nicht mehr leicht, was innerhalb des anwendbaren Strafrahmens zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten führt.
Subjektiv ist von einem finanziellen, egoistischen Motiv des Beschuldigten auszugehen, das ihn nicht entlastet. Indessen ist gestützt auf das vorerwähnte jugendforensische Gutachten von einer mittelgradig eingeschränkten Schuldfähigkeit des Beschuldigten auszugehen, was zu einer Reduktion des Verschuldens auf eher leicht führt, entsprechend einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten als Einzelstrafe.
In Anwendung des Asperationsprinzips führt dies zu einer Erhöhung der Einsatzstrafe um 2 Monate.
Der Beschuldigte hat sich ferner unter Dossier-Nr. 2 und 3 jeweils des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht, wofür er gemäss Art. 186 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist. Aufgrund des engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs dieser beiden Delikte sind sie gemeinsam zu behandeln.
In objektiver Hinsicht hielt sich der Beschuldigte am frühen Morgen für wenige Minuten in den umfriedeten, jedoch nicht verschlossenen Gärten der beiden Einfamilienhäuser der Geschädigten auf und verliess diese wieder. Das Verschulden erscheint insgesamt als leicht, was innerhalb des anwendbaren Strafrahmens zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat führt
Subjektiv ist jedenfalls kein entlastendes Motiv für das Verhalten des Beschuldigten ersichtlich. Indessen ist gestützt auf das vorerwähnte jugendforensische Gutachten von einer mittelgradig eingeschränkten Schuldfähigkeit des Beschuldigten auszugehen, was zu einer Reduktion des Verschuldens auf sehr leicht führt, entsprechend einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen als Einzelstrafe.
In Anwendung des Asperationsprinzips ist die Einsatzstrafe um weitere 10 Tage zu erhöhen.
Sodann ist die am 19. November 2020 ausgefällte Grundstrafe von 90 Tagen im Rahmen der Zusatzstrafenbildung mit den bereits behandelten Delikten zu asperieren. Es erscheint eine Asperation im Umfang von 50 Tagen als angemessen, weshalb die sich daraus ergebende Reduktion von 40 Tagen im Ergebnis von der Einsatzstrafe in Abzug zu bringen ist.
3.6. Zusammenfassend ergibt sich aufgrund der aspirierten Tatkomponenten ei- ne Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten, als teilweise Zusatzstrafe zum Strafbefehl vom 19. November 2020.
Es bleibt die Täterkomponente zu berücksichtigen. Bezüglich des Vorlebens und der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten kann vorab auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Urk. 55A S. 30 oben) sowie auf die ausführliche Darstellung im jugendpsychiatrischen Gutachten verwiesen werden (vgl. Beizugsakten Jugendanwaltschaft, dortige Urk. 36/12 S. 16 ff. und S. 30 f.). Kurz zusammengefasst wurde der Beschuldigte im Jahr 2002 in Afghanistan geboren, wo er zunächst auch aufwuchs und einige Jahre die Schule besuchte, bis er das Land im Alter von ca. 11 Jahren zusammen mit einem Freund verliess, nachdem nach seiner Mutter auch noch sein Vater verstorben war. Über mehrere Stationen gelangte der Beschuldigte schliesslich mit 14 Jahren in die Schweiz, wo er in diversen Heimen untergebracht war, jedoch offenbar nie einen Schulabschluss eine Berufsausbildung absolvieren konnte. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt, jedoch wurde er aus humanitären Gründen vorläufig aufgenommen (Bewilligung F). In diesem Rahmen wird er von der Sozialhilfe unterstützt.
Seit seiner Verhaftung am 25. November 2020, mithin seit fast zwei Jahren, befindet sich der Beschuldigte ununterbrochen in Haft bzw. im ordentlichen Strafvollzug. Dort war der Beschuldigte zunächst in der Montage tätig und arbeitet nunmehr seit August 2022 in der Druckerei (Urk. 81 S. 5). Es wird ihm dabei insgesamt ein korrektes Vollzugsverhalten attestiert (vgl. Urk. 81 S. 4). Anlässlich der Befragung des Beschuldigten an der Berufungsverhandlung ergab sich neu, dass er beabsichtige, nach der Entlassung aus dem Strafvollzug eine Ausbildung als Elektromonteur beginnen zu wollen, wobei er – abgesehen von den Bemühungen, sein Deutsch zu verbessern – noch keine konkreten Schritte hierfür unternommen habe (Urk. 82 S. 3 f.).
Das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten wirken sich (nebst der bereits gutachterlich festgestellten Verminderung der Schuldfähigkeit) weder straferhöhend noch strafmindernd aus.
Der Beschuldigte wies sodann gemäss dem vorliegenden aktuellen Strafregisterauszug in der Schweiz bereits vor den heute zu beurteilenden Delikten insgesamt zehn, teilweise einschlägige Vorstrafen über insgesamt rund 18 Monate auf (Urk. 60). Dies fällt stark straferhöhend ins Gewicht.
Ein positives Nachtatverhalten des Beschuldigten, welches zu seinen Gunsten berücksichtigt werden könnte, ist nicht erkennbar. Vielmehr bestritt der Beschuldigte die von ihm begangenen Delikte bis zuletzt, trotz erdrückender Beweislage.
Insgesamt ergibt sich aus der Täterkomponente eine deutliche Straferhöhung im Umfang von mindestens drei Monaten, was die von der Vorinstanz ausgefällte Freiheitsstrafe von 10 Monaten, als teilweise Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 19. November 2020, ohne Weiteres als angemessen erscheinen lässt. Eine Erhöhung der ausgefällten Strafe fällt angesichts des geltenden Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) ohnehin ausser Betracht.
Gemäss Art. 51 StGB sind für die vom Beschuldigten erstandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft insgesamt 279 Tage an die ausgefällte Freiheitsstrafe anzurechnen (vgl. auch Urk. 55A S. 35).
Für die vom Beschuldigten begangenen Übertretungen ist sodann eine Gesamtbusse von bis zu Fr. 10'000.– auszufällen (Art. 106 Abs. 1 StGB). Für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht bezahlt wird, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu drei Monaten auszufällen (Art. 106 Abs. 2 StGB). Busse und Ersatzfreiheitsstrafe sind je nach den Verhältnissen des Täters so zu bemessen, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist (Art. 106 Abs. 3 StGB). Die Busse ist schliesslich als Zusatzstrafe zum Strafbefehl vom
18. Februar 2021 auszugestalten, mit welchem der Beschuldigte wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Busse von Fr. 200.– verurteilt wurde. Als schwerstes Delikt erscheint dabei die neu zu beurteilende sexuelle Belästigung gemäss Dossier-Nr. 7, weshalb die bereits ausgefällte Grundstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung zu asperieren ist.
Bezüglich der persönlichen bzw. finanziellen Verhältnisse kann auf die vorstehenden Erwägungen unter Ziff. 3.7 verwiesen werden. Beim Beschuldigten handelt es sich um einen vorläufig Aufgenommenen ohne Ausbildung namhaftes Einkommen. Er ist damit grundsätzlich als mittellos zu bezeichnen.
Hinsichtlich der sexuellen Belästigung gemäss Dossier-Nr. 7 fällt in Betracht, dass der Beschuldigte frühmorgens in der S-Bahn in unmittelbarer Nähe der Geschädigten masturbierte, was durchaus geeignet war, bei dieser Ekel hervorzurufen und sie in ihrem Sicherheitsgefühl in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, was der Beschuldigte bei seinem Vorgehen zumindest in Kauf nahm. Es handelte sich dabei jedoch nicht um einen eigentlichen körperlichen Übergriff. Auch unter Berücksichtigung der mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit und der schlechten finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten erscheint dafür die Ausfällung ei- ner Busse von Fr. 300.– als Einsatzstrafe als angemessen.
4.4. Der Beschuldigte beschädigte bei seinem Einbruch unter Dossier-Nr. 1 eine Balkontüre, um sich Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, wodurch ein relativ geringer Sachschaden von ca. Fr. 100.– entstand. Unter Berücksichtigung der mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit und der schlechten finanziellen Verhält- nisse des Beschuldigten erscheint dafür die Ausfällung einer Busse von Fr. 150.– als Einzelstrafe als angemessen. In Anwendung des Asperationsprinzips ist die vorstehend festgelegte Einsatzstrafe um Fr. 100.– zu erhöhen.
Der Beschuldigte zerstörte nach seiner Verhaftung unter Dossier-Nr. 6 mutwillig die ihm zur Verfügung gestellten Hausschuhe im Wert von Fr. 10.–. Unter Berücksichtigung der mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit und der schlechten finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten erscheint dafür die Ausfällung einer Busse von Fr. 50.– als Einzelstrafe als angemessen. In Anwendung des Asperationsprinzips ist die vorstehend festgelegte Einsatzstrafe um Fr. 30.– zu erhöhen.
Sodann ist die am 18. Februar 2021 ausgefällte Grundstrafe von Fr. 200.– im Rahmen der Zusatzstrafenbildung mit den bereits behandelten Delikten zu asperieren. Es erscheint eine Asperation im Umfang von Fr. 150.– als angemessen, weshalb die sich daraus ergebende Reduktion von Fr. 50.– im Ergebnis von der Einsatzstrafe in Abzug zu bringen ist.
Zusammenfassend ergibt sich aufgrund der aspirierten Tatkomponenten ei- ne Gesamtbusse von Fr. 380.–, als teilweise Zusatzstrafe zum Strafbefehl vom
18. Februar 2021.
Hinsichtlich der Täterkomponente ist auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 3.7 ff. zu verweisen. Insgesamt ergibt sich daraus eine deutliche Straferhöhung im Umfang von mindestens Fr. 20.–, was die von der Vorinstanz ausgefällte Busse von Fr. 400.–, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 18. Februar 2021, ohne Weiteres als angemessen erscheinen lässt. Eine Erhöhung der ausgefällten Strafe fällt angesichts des geltenden Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) ohnehin ausser Betracht.
Die von der Vorinstanz ausgefällte Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen (Urk. 55A
S. 35) entspricht der Praxis und ist zu bestätigen.
5. Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges fällt bei der Busse von Gesetzes wegen (Art. 105 Abs. 1 StGB) und bei der Freiheitsstrafe angesichts der zahlreichen Vorstrafen und der auch gutachterlich festgestellten Rückfallgefahr des Beschuldigten ausser Betracht (vgl. auch E. 2.1 f. vorstehend). Die Freiheitsstrafe wie auch die Busse sind daher zu vollziehen.
Die Vorinstanz ordnete gestützt auf Art. 66a StGB eine obligatorische fünfjährige Landesverweisung des Beschuldigten sowie deren Ausschreibung im Schengener Informationssystem an. Sie erwog zusammengefasst, beim Beschul- digten liege kein Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vor, sondern allenfalls ein Vollzugshindernis nach Art. 66d StGB, welches vom Beschuldigten bisher aber nicht näher substantiiert worden sei (Urk. 55A S. 36 ff.).
Die Verteidigung bringt zusammengefasst dagegen vor, beim Beschuldigten liege ein schwerer persönlicher Härtefall vor, weshalb von einer Landesverweisung abzusehen sei. Konkret sei der Beschuldigte nunmehr bemüht, eine Lehrstelle zu finden und habe erstmals im Leben eine Perspektive.
Er spreche zudem bereits gut Deutsch. Die Bewährungs- und Vollzugsdienste würden vor diesem Hintergrund eine Entlassung per Ende November 2022 prüfen. Darüber hinaus müsse bereits bei der Anordnung der Landesverweisung die Frage der Verletzung von zwingenden völkerrechtlichen Normen aufgrund eines Vollzugs der Landesverweisung geprüft werden. Dem Beschuldigten sei es aufgrund der prekären Lage in Afghanistan weder möglich noch zumutbar, in sein Heimatland zurückzukehren. Schliesslich überwiege beim Beschuldigten aber auch das private Interesse, da aufgrund der noch geringen kriminellen Energie, welche seinen Delikten zu Grunde liege, kein schwerwiegendes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung bestehe (Urk. 83 S. 18 ff.).
Der Beschuldigte ist afghanischer Staatsangehöriger und hat sich unter anderem des Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch (sog. Einbruchs- delikt im Sinne von Art. 121 Abs. 3 lit. a BV) schuldig gemacht, womit er gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB grundsätzlich für mindestens fünf Jahre des Landes zu verweisen ist.
Von der Landesverweisung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sie kumulativ (1) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105, E. 3.4.2;
144 IV 332, E. 3.1.2 und E. 3.3.1). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332,
E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Härtefall in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Da die Landesverweisung strafrechtlicher Natur ist, sind auch strafrechtliche Elemente wie die Aussichten auf soziale Wiedereingliederung des Täters in die
Interessenabwägung miteinzubeziehen (BGE 144 IV 332, E. 3.3.2, mit Hinweisen). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiäre Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen. Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholten Delinquenz Rechnung zu tragen. Dabei darf das Gericht auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (BGer. 6B_1070/2018 vom 14. August 2019, E. 6.2.2, mit Hinweisen). Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161, E. 3.4; BGer. 6B_1070/2018 vom 14. August 2019, E. 6.3.4, mit Hinweisen; vgl. auch zum Ganzen: BGer. 6B_396/2020 vom 11. August 2020, E. 2.4.2. ff.).
Der heute 22-jährige Beschuldigte kam erst im Alter von 14 Jahren als sogenannter unbegleiteter Minderjähriger (mineur non accompagné, MNA) alleine in die Schweiz und lebt seither hier. Sein Asylgesuch wurde 2017 abgelehnt, jedoch wurde er in der Schweiz aus humanitären Gründen vorläufig aufgenommen (Bewilligung F). Er wurde in verschiedenen Heimen untergebracht, konnte aber weder eine (Berufs-)Ausbildung abschliessen noch eine Arbeitstätigkeit aufnehmen. Er verfügt hier weder über Familie noch über sonstige Verwandte nahe Bezugspersonen. Die Härtefallkriterien gemäss Art. 31 Abs. 1 VZAE bzw. Art. 66a Abs. 2 StGB erfüllt der Beschuldigte somit offensichtlich nicht. Grundsätzlich wäre daher eine Landesverweisung gegen den Beschuldigten auszusprechen.
Jedoch werden Ausschaffungen nach Afghanistan vom Staatssekretariat für Migration bereits seit Ende 2019 (Ausbruch der Corona-Pandemie) faktisch nicht mehr durchgeführt. Nach der Machtergreifung durch die Taliban wurde der Wegweisungsvollzug für afghanische Staatsangehörige sodann am 11. August 2021 auch offiziell bis auf Weiteres ausgesetzt (vgl. https://www.sem.admin.ch/sem/de / home/asyl/afghanistan.html#373521904, Stichwort: Wegweisungsvollzug afghanischer Asylsuchender). Es stellt sich die Frage, ob dieser Umstand bereits in den
Entscheid über die Anordnung der Landesverweisung einzubeziehen erst in einem allfälligen Vollzugsverfahren durch das Migrationsamt zu berücksichtigen ist.
Soweit ersichtlich, hat sich das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu dieser Frage wie folgt geäussert:
BGer. 6B_1024/2019 vom 29. Januar 2020, E. 1.3.4. f.:
1.3.5. Nach der wegweisungsrechtlichen Rechtsprechung hat die Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Verhältnismässigkeit der Ausweisung des Bewilligungswiderrufs zu prüfen und kann hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Ausweisung nicht auf die Vollzugsbehörde verweisen, weil im Vollstreckungsverfahren nur die Unzulässigkeit geprüft werden müsse. Die vorläufige Aufnahme als wegweisungsrechtliche Ersatzmassnahme könne jederzeit aufgehoben werden, falls der Wegweisungsvollzug wieder zulässig, möglich zumutbar erscheine (BGE 135 II 110 E. 4.2
S. 119; zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_2/2019 vom 27. September 2019 E. 9.4). Aus dieser Rechtslage folgt, dass das Sachgericht zu prüfen hat, ob sich eine Landesverweisung angesichts des Gesundheitszustands als verhältnismässig erweist. Es kann hinsichtlich der Prüfung des Non-Refoulement-Prinzips anderer zwingender Normen (Art. 66d StGB; Art. 83 AIG) nicht lediglich auf die Vollzugsbehörde verweisen. Unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit ist daher entweder gegebenenfalls auf die Landesverweisung zu verzichten (Art. 66a Abs. 2 StGB und/oder Art. 8 Ziff. 2 EMRK) diese anzuordnen, falls sich die Krankheit als heilbar medizinisch hinreichend behandelbar erweist (zur Publikation vorgesehenes Urteil 6B_2/2019 vom
27. September 2019 E. 9.4). Diese im Anwendungsfall auf die medizinische Gesundheit bezogenen Erwägungen beanspruchen allgemeine Gültigkeit. Daher hat das Sachgericht die rechtliche Durchführbarkeit der Landesverweisung zu prüfen (oben zitiertes Urteil 2C_1106/2018 vom 4. Januar 2019 E. 4.1). Dabei ist zu beachten, dass die Art. 66a ff. StGB den tatsächlichen Vollzug der Landesverweisung nicht regeln, sondern insoweit in Art. 66d StGB weiter auf die zuständige kantonale Behörde verweisen, womit die (vorläufig bestimmbare) Zulässigkeit des tatsächlichen Vollzugs durch das Strafgericht primär gemäss Art. 66a ff. StGB und sekundär nach AIG zu prüfen sein wird.
BGer. 6B_50/2021 vom 8. September 2021, E. 4.6:
4.6. Das Bundesgericht sieht sich im Rahmen des demokratisch legitimierten gewaltenteiligen Verfassungsverständnisses zu einer völkerrechtsfreundlichen und konventionskonformen Auslegung und Anwendung des Bundesrechts verpflichtet. Der EGMR stellt in seinem jüngsten Urteil zur strafrechtlichen Landesverweisung fest, dass die bundesgerichtliche Auslegung der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB a priori ei- ne konventionskonforme Anwendung erlaubt (Urteil des EGMR M.M. gegen Schweiz, § 54).
Der Bundesgesetzgeber hat sich bewusst, und für das Bundesgericht massgebend (Art. 190 BV), für die in Art. 66c und 66d StGB kodifizierte Rechtslage entschieden. Nach der gesetzlichen Konzeption der strafrechtlichen Landesverweisung hat daher
stets erstens das anordnende Strafgericht eine in Betracht fallende Landesverweisung
nach Art. 66a Abs. 2 StGB und Art. 66d StGB zu beurteilen. Zweitens hat die Vollzugsbehörde im Vollzugsentscheid die Sache gemäss Art. 66d StGB aktuell zu prüfen, so etwa auch unter dem Gesichtspunkt, ob die Voraussetzungen für eine Rückkehr in me- dizinischer Hinsicht weiterhin erfüllt sind (BGE 145 IV 455 E. 9.1 und 9.4; zur Publikation bestimmtes Urteil 6B_422/2021 vom 1. September 2021; Urteile 6B_1270/2020 vom 10. März 2021 E. 9.4; 6B_747/2019 vom 24. Juni 2020 E. 2.1.2 und
2.2.3; 6B_1024/2019 vom 29. Januar 2020 E. 1.3.5 f.).
Diese zweimalige Prüfung im Rahmen der gesetzlichen Anordnungs- und Vollzugskompetenz gewährleistet den Rechtsschutz der betroffenen Person sowie die Prüfung einer weiterhin bestehenden Konventionskonformität der angeordneten Landesverweisung zum Zeitpunkt der Vollstreckung gemäss Art. 66d StGB.
Gemäss der vorzitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung – indes entgegen des mit der zitierten Rechtsprechung nicht kongruenten Entscheids des Bundesgerichts 6B_1130/2021 vom 15. Oktober 2021 – hat somit bereits das Sachgericht im Rahmen des Entscheids über die Anordnung einer Landesverweisung eine Vollzugsprognose zu treffen. Wenn keine bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung zu vollziehen, ist von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen. Dies ist vorliegend der Fall. Wegweisungen nach Afghanistan werden offenbar bereits seit rund drei Jahren aus faktischen und völkerrechtlichen Gründen nicht mehr vollzogen. Eine Verbesserung der Situation in Afghanistan ist insbesondere seit der nunmehr gefestigten Machtübernahme der Taliban – welche anhaltende gravierende Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land nach sich gezogen hat
– nicht absehbar (vgl. auch https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen - und-reisehinweise/afghanistan/reisehinweise-fuerafghanistan.html#edae36c45). Der Vollzug einer Landesverweisung wäre im Fall des Beschuldigten somit ohne Verletzung des völkerrechtlich zwingenden Non-Refoulement-Gebots bis auf Weiteres nicht möglich. Somit erweist sich bereits deren Anordnung als sinnlos bzw. unverhältnismässig. Es ist deshalb davon abzusehen.
1. Die Vorinstanz ordnete an, dass die beim Beschuldigten sichergestellten und später von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Barschaften (vgl. Urk. 4/13) in Anwendung von Art 268 Abs. 1 StPO einzuziehen und zur Deckung der Verfahrenskosten zu verwenden seien (Urk. 55A S. 43 f.). Dies ist insofern zu korrigieren, als eine Einziehung von Vermögenswerten nach Art. 70 StGB nur bei
(nachweislichem) Deliktserlös in Frage kommt, wovon die Vorinstanz jedoch zu Recht nicht ausgegangen ist. Nicht zu beanstanden ist dagegen eine Verwendung der beschlagnahmten Barschaften zur Deckung der Busse und der Verfahrenskosten gemäss Art. 268 Abs. 1 StPO.
1. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositiv-Ziffer 12) ist entsprechend dem Ausgang des Verfahrens vollumfänglich zu bestätigen (Art. 426 Abs. 1 StPO; Urk. 55A S. 44).
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Parteien grundsätzlich nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung im Wesentlichen vollständig. Das heutige Absehen von einer Landesverweisung ist nicht zuletzt auch den Entwicklungen nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils geschuldet (vgl. Art. 428 Abs. 2 lit. a StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Beschuldigten daher – mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung – vollständig aufzuerlegen.
Der vormalige amtliche Verteidiger, Rechtsanwalt lic. iur X2. , reichte für die nach Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils angefallenen Leistungen der Vorinstanz eine Honorarnote über Fr. 5'424.20 ein, welche die Vorinstanz der Berufungsinstanz zu Prüfung überwiesen hat (vgl. Urk. 84/8). Weiter macht er für weitere Aufwendungen im Berufungsverfahren Aufwände in Höhe von Fr. 2'210.15 geltend (Urk. 84/7a). Die amtliche Verteidigung wurde – nachdem von Rechtsanwalt X2. vorgängig versichert wurde, dass durch den Wechsel keine zusätzlichen Kosten anfallen würden (Urk. 70) – mit Präsidialverfügung vom
18. Mai 2022 auf Rechtsanwältin X. übertragen (Urk. 71). Diese macht für das weitere Berufungsverfahren Aufwände in Höhe von Fr. 7'529.30 geltend (Urk. 84/7b).
Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung richtet sich im Strafverfahren insbesondere nach den §§ 1, 17 und 18 der Anwaltsgebührenverordnung (AnwGebV). Gemäss § 1 Abs. 2 AnwGebV setzt sich die Entschädigung aus der Gebühr und den notwendigen Auslagen zusammen. Die Grundgebühr ist dabei nach den besonderen Umständen, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen und Schwierigkeiten des Falles, zu bemessen (§ 2 Abs. 1 AnwGebV). Entschädigungspflichtig sind all jene Aufwendungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen, notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse aufzuerlegen (BGE 141 I 124, E. 3.1 mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen. Honorarpauschalen dienen dabei der gleichmässigen Behandlung und begünstigen eine effiziente Mandatsführung. Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen (BGE 143 IV 453, E. 2.5.1; BGE 141 I 124 E. 4.3 S. 128 mit Hinweis).
Für einen Einzelrichterfall sieht die Anwaltsgebührenverordnung sowohl hinsichtlich des Hauptals auch des Berufungsverfahrens eine Grundgebühr in Höhe von maximal Fr. 8'000.– vor (§ 18 Abs.1 i.V.m. § 17 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Der vorliegende Fall präsentiert sich als durchschnittlicher Einzelrichterfall mit keinen besonders komplexen tatsächlichen rechtlichen Schwierigkeiten. Der Beschuldigte trat als einziger Berufungskläger auf und die Berufungsverhandlung konnte entsprechend innert weniger als drei Stunden durchgeführt werden (Prot. II S. 4 ff.). Angesichts der im Berufungsverfahren geltend gemachten Auf-
wände von Rechtsanwalt X2.
und Rechtsanwältin X.
rechtfertigt es
sich, das Honorar pauschal im oberen Bereich des von der Anwaltsgebührenverordnung vergebenen Rahmens auf Fr. 7'000.– festzusetzen, womit jegliche Aufwände, welche nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils angefallen sind, abge- deckt werden.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Vorbehalten bleibt eine Rückforderung beim Beschuldigten gestützt auf Art. 135 Abs. 4 StPO.
4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ist praxisgemäss auf Fr. 3'000.– festzusetzen (Art. 424 Abs. 1 StPO i.V.m. § 16 Abs. 1 und § 14 GebV OG).
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur, Einzelgericht Strafsachen, vom 30. August 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
Es wird erkannt:
Das Verfahren betreffend Anklagedossier 4 (unrechtmässige Aneignung zum Nachteil von B. ) wird eingestellt.
Der Beschuldigte A. wird vom Vorwurf des Diebstahls gemäss Anklagedossier 5 freigesprochen.
3.-8. (…)
Die folgenden sichergestellten bzw. mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 28. März 2021 beschlagnahmten, bei der Kantonspolizei Zürich, Asservate Triage, lagernden Gegenstände werden den Berechtigten innert 3 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen hin zurückgegeben und hernach der Lagerbehörde zur Vernichtung überlassen:
Mobiltelefon Samsung (Zuordnung: C. AG, A014'420'894),
Tablet iPad mini (Zuordnung: D. , A014'421'171),
Daunenjacke schwarz (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'568),
Herrenhose (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'579),
Paar Sportschuhe (Zuordnung: Beschuldigter, A014'421'580).
Die Privatklägerin D. prozesses verwiesen.
wird mit ihrer Zivilforderung auf den Weg des Zivil-
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'800.00; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 2'000.00 Gebühr Vorverfahren
Fr. 346.50 Auslagen (Gutachten)
Fr. 700.00 Auslagen Polizei
Fr. 11'473.70 Kosten amtliche Verteidigung (inkl. Barauslagen
und MwSt.)
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten. 12. (…)
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel)
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist schuldig
des Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB (Dossier-Nr. 1),
des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB,
der mehrfachen geringfügigen Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 172ter Abs. 1 StGB sowie
der sexuellen Belästigung im Sinne von Art. 198 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 10 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 279 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft bereits erstanden sind), als teilweise Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich- Limmat vom 19. November 2020, sowie mit einer Busse von Fr. 400.–, als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom
18. Februar 2021.
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.
Von der Anordnung der obligatorischen Landesverweisung wird abgesehen.
Die folgenden mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 28. März 2021 beschlagnahmten, bei der Bezirksgerichtskasse Winterthur lagernden Barschaften werden zur Deckung der Busse und der Verfahrenskosten verwendet:
- Fr. 28.75 (A014'420'678),
- Fr. 540.00 (A014'421'684),
- EUR 20.00 (A014'421'659),
- EUR 28.74 (A014'421'660),
- Fr. 115.50 (A014'421'784),
- EUR 108.00 (A014'421'795),
- MKD 30.00 (A014'421'808).
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 12) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 7'000.– amtliche Verteidigung
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (versandt)
die Privatklägerin D. (versandt)
den Privatkläger B. (versandt)
die Privatklägerin J. (versandt)
(Eine begründete Urteilsausfertigung - und nur hinsichtlich ihrer eigenen Anträge (Art. 84 Abs. 4 StPO) wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung
des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 3. Oktober 2022
Der Präsident:
lic. iur. B. Gut
Der Gerichtsschreiber:
MLaw L. Zanetti
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