Zusammenfassung des Urteils SB220053: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die definitive Rechtsöffnung für eine Forderung von 300 CHF nebst Zinsen. Der Beschwerdeführer legte seine Beschwerde nicht ausführlich dar und machte keine konkreten Rechtsbegehren. Das Kantonsgericht entschied, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten wird, da die erforderlichen Angaben fehlten. Die Gerichtskosten in Höhe von 300 CHF wurden dem Beschwerdeführer auferlegt. Es wurde festgelegt, dass gegen diesen Entscheid beim Bundesgericht in Lausanne Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB220053 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 30.11.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_205/2023 |
Leitsatz/Stichwort: | Gewerbsmässigen Betrug etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Versicherung; Beschuldigten; Vorinstanz; Reise; Berufung; Sinne; Betrug; Schaden; Staat; Versicherungen; Urkunde; Anklage; Urteil; Staatsanwaltschaft; Betrugs; Landes; Verteidigung; Urkunden; Dossier; Verfahren; Freiheitsstrafe; Reiseversicherung; Landesverweisung; Schweiz; Urkundenfälschung |
Rechtsnorm: | Art. 146 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 23 StGB ;Art. 251 StGB ;Art. 267 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 46b VVG ;Art. 49 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ; |
Referenz BGE: | 118 IV 366; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB220053-O/U/nm-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Wenker, Präsident, Ersatzoberrichterin lic. iur.
Keller und Ersatzoberrichter Dr. iur. Bezgovsek sowie Gerichtsschreiber MLaw Huter
Urteil vom 30. November 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
betreffend gewerbsmässigen Betrug etc.
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 30. Juli 2021 (Urk. 20) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 41 S. 43 f.)
Der Beschuldigte A. ist schuldig
des gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 i. V. m.
Abs. 2 StGB,
der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 8 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für fünf Jahre des Landes verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 2'100.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr für das Vorverfahren.
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten:
(Urk. 43 S. 1 und Urk. 31 S. 2 f.; Urk. 54 S. 2 f.)
Der Beschuldigte sei hinsichtlich der n
achfolgenden Sachverhalte im Sinne von Art. 146 Abs. 1, eventualiter Abs. 2 StGB, teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen:
Zahlung der B. S.A., C. [Staat in Europa] im Dossier 1
Zahlungen der D1. S.A, W. [Stadt in Frankreich] / D2. in den Dossiers 1 und 2
Zahlung der E. Versicherungen AG im Dossier 2 bzw. dem Vorgehen im Dossier 3
Zahlung der F. Reiseversicherung im Dossier 1
Zahlung der G. Versicherung AG im Dossier 1
H2. Versicherungen AG/ H1. Versicherungen AG im Dossier 1.
Der Beschuldigte sei hinsichtlich der übrigen Sachverhalte vom Vorwurf des Betrugs im Sinne von Art. 146 StGB, teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, freizusprechen.
Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 StGB freizusprechen.
Der Beschuldigte sei mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu einem Tagessatz von Fr. 140.– zu bestrafen.
Die Geldstrafe sei bedingt auszusprechen, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.
Es sei von einer Landesverweisung abzusehen.
Es seien die Kosten der Untersuchung und des vorinstanzlichen Verfahrens zu zwei Dritteln dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Es seien die Kosten des Berufungsverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 47, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Prozessgeschichte
Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung – Einzelgericht, vom 25. November 2021 meldete der Beschuldigte am 29. November 2021 Berufung an (Urk. 36). Das begründete Urteil der Vorinstanz wurde ihm am 26. Januar 2022 zugestellt (Urk. 40/2), worauf er am 8. Februar 2022 die Berufungserklärung einreichte (Urk. 43).
Innert angesetzter Frist gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO verzichtete die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (fortan Staatsanwaltschaft) auf Erhebung einer Anschlussberufung, beantragte Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils sowie Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung (Urk. 47). Die Privatkläger liessen sich nicht vernehmen.
Am 2. Februar 2022 und am 24. November 2022 wurde jeweils ein neuer Strafregisterauszug über den Beschuldigten eingeholt (Urk. 42 und Urk. 52).
Zur Berufungsverhandlung sind der Beschuldigte sowie sein erbetener Verteidiger, Rechtsanwalt lic. iur. X. , erschienen (Prot. II S. 3). Der Staatsanwaltschaft war das Erscheinen freigestellt worden.
Prozessuales
Umfang der Berufung
Der Beschuldigte verlangt mit seiner Berufung analog seinen Anträgen vor Vorinstanz aus rechtlichen Gründen Freisprüche hinsichtlich einzelner Betrugsvorwürfe bzw. vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs sowie vom Vorwurf der Urkundenfälschung. Sodann sei er hinsichtlich spezifizierter Vorwürfe des mehrfachen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen und – im Vergleich zur erstinstanzlichen Strafzumessung – milder zu bestrafen. Von einer Landesverweisung sei abzusehen und die Kostenfolgen seien ausgangsgemäss
neu zu regeln (Urk. 43). Damit gilt das ganze Urteil als angefochten und ist bisher kein Punkt in Rechtskraft erwachsen.
Anklageprinzip
Vor Vorinstanz (Urk. 31 S. 5 ff. und S. 12 f.) machte die Verteidigung zusammengefasst geltend, dass dem Beschuldigten vorgeworfen werde, etwas Verschwiegen zu haben, weshalb von einem Unterlassungsdelikt auszugehen sei. Die Anklageschrift äussere sich jedoch nicht zur diesfalls zwingend nötigen Garantenstellung des Beschuldigten, weshalb das Anklageprinzip verletzt sei. Ebenso ungenügend sei die Anklageschrift, soweit dem Beschuldigten vorgeworfen werde, er habe ein gefälschtes Arztzeugnis eingereicht, denn dabei handle es sich lediglich um eine rechtliche Würdigung, aber nicht um die Schilderung eines Lebensvorgangs. An diesen Vorbringen hielt die Verteidigung heute mit Verweis auf das vorinstanzliche Plädoyer fest (Urk. 54 S. 2 und 4).
Mit der Vorinstanz sind beide Einwände zu verwerfen. Was den Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs angeht, so ist der Anklageschrift nicht der Vorwurf eines Unterlassungsdelikts, sondern vielmehr ein mehrschichtiges, bereits in der Absicht zur Täuschung durchgeführtes Handeln des Beschuldigten zu entnehmen (Abschluss von verschiedenen Reiseversicherungen; Buchung von Reisen ohne die Absicht, die Reisen effektiv anzutreten; Stornierung der Reisen mittels echter [Dossier 1 und 2] bzw. gefälschter [Dossier 3] Belege; Anmeldung des jeweils vollumfänglichen Schadens bei sämtlichen Reiseversicherungen). Soweit hinsichtlich des letzten Punktes (Schadenbzw. Forderungsanmeldung) sodann geltend gemacht wird, dass der Beschuldigte dabei verschwiegen habe, dass er zeitgleich noch über weitere Versicherungen verfügt, wird im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen sein, inwiefern dieser Aspekt die Subsumtion, konkret das Kriterium der Arglist, tangiert. Dies führt aber entgegen den Vorbringen der Verteidigung (Urk. 54 S. 16 ff.) nicht dazu, dass insgesamt einzig vom Vorwurf ei- ner rechtserheblichen Unterlassung auszugehen wäre, da – wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat – ein aktives Verschweigen im Rahmen der Schadenanzeige, sei es konkludent (durch Forderung des gesamten Betrags anstelle einer bloss anteilmässigen Summe), sei es explizit (durch Verneinung der ausdrücklich
gestellten Frage nach einer allfälligen Doppelversicherung), keine Unterlassung, sondern gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung ein aktives Tun darstellt (BSK StGB-Maeder/Niggli, 2019, Art. 146 N 53). Eine Verletzung des Anklageprinzips ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich (vgl. auch die Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 7 ff., auf welche ergänzend verwiesen wird [Art. 82 Abs. 4 StPO]).
Mit Bezug auf den Vorwurf der Urkundenfälschung ist der, auf den Zugaben des Beschuldigten basierenden, Anklageschrift zu entnehmen, dass der Beschuldigte am 10. November 2020 an seinem Wohnort mittels Computer und Adobe Acrobat
eine gefälschte Stornobestätigung betreffend eine Reise mit der I.
Travel
AG vom 12. November bis 11. Dezember 2020 nach London für insgesamt Fr. 14'962.– sowie ein gefälschtes ärztliches Zeugnis, welches ihm infolge Krankheit für die Zeit vom 10. bis 18. November 2020 eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, erstellt habe (Urk. D1/20 S. 5). Der Begriff der Fälschung bzw. des Fälschens ist kein rein juristischer Terminus technicus, sondern vielmehr allgemein gebräuchlich und insoweit unmissverständlich, als jedem Leser sofort klar ist, dass bei der Herstellung einer gefälschten Urkunde der von der Urkunde ge- nannte Aussteller mit dem tatsächlichen nicht übereinstimmt. Damit ist vorliegend aber auch klar, welche deliktische Handlung dem Beschuldigten individuellkonkret vorgeworfen wird, nämlich das Herstellen einer unechten Urkunde mittels technischer Hilfsmittel. Inwiefern die Verteidigung hier das Anklageprinzip verletzt sieht, bleibt damit unerfindlich (vgl. auch die Vorinstanz in Urk. 41 S. 13; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Sachverhalt und rechtliche Würdigung
Der Beschuldigte anerkannte den Anklagesachverhalt ab seiner ersten Einvernahme vorbehaltlos als zutreffend an (Urk. D1/4/1 S. 2 ff., Urk. D1/4/2
S. 10, Prot. I S. 11, Prot. II S. 15). Das Geständnis deckt sich mit der übrigen Beweislage (insb. den Unterlagen der diversen Reiseversicherungen, Urk. D1/6/1- 23), weshalb der Sachverhalt rechtsgenügend erstellt ist. Jedoch machte die Verteidigung schon vor Vorinstanz und auch heute verschiedene Einwände gegen
die rechtliche Subsumtion der Staatsanwaltschaft (bzw. der Vorinstanz) geltend (Urk. 31 und Urk. 54), welche nachfolgend näher zu prüfen sind.
Den beantragten Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung begrün- det die Verteidigung rein formal durch die behauptete – aber oben verworfene (vgl. Ziff. 2.2 vorstehend) – Verletzung des Anklageprinzips (Urk. 31 S. 12 f.). Weitere Einwände wurden nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich, weshalb hinsichtlich der rechtlichen Würdigung vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz (Urk. 41 S. 25 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO) verwiesen werden kann. Zum Vorteil des Beschuldigten fällt aus, dass die Vorinstanz in den Erwägungen zwar – da er zwei Urkunden produziert hatte – von mehrfacher Urkundenfälschung ausging (Urk. 41 S. 26), im Dispositiv dann aber – in Einklang mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft – lediglich auf einfache Tatbegehung erkannte (Urk. 41 S. 43). Dies ist in Nachachtung des Verschlechterungsverbots gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO zu bestätigen und der Beschuldigte ist der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB schuldig zu sprechen.
Die Verteidigung des Beschuldigten macht sodann hinsichtlich des Betrugsvorwurfs geltend, dass der Beschuldigte in den Fällen, in welchen die Reiseversicherung im Schadenmeldeformular die Frage nach dem Bestehen einer allfälligen Doppelversicherung nicht gestellt hat (so die J. Versicherungen AG,
die K.
Versicherungsgesellschaft AG, die L.
Versicherungsgesellschaft AG, die M. -versicherungsgesellschaft und die N. Versicherung AG) mangels Bestehens einer Garantenstellung des Versicherungsnehmers und infolge fehlender Arglist nicht tatbestandsmässig gehandelt habe und deshalb freizusprechen sei (Urk. 54 S. 16 ff.; Urk. 43 in Verbindung mit Urk. 31 S. 8 ff.).
Hinsichtlich der übrigen geschädigten Versicherungen (B.
S.A., D1.
S.A./D2. , E.
Versicherungen AG, F.
Reiseversicherung,
G.
Versicherung AG und H2.
Versicherungen AG/H1.
Versicherungen AG) anerkannte sie demgegenüber, dass sich der Beschuldigte durch seine in der Anklageschrift geschilderte Handlungsweise des (mehrfachen, teilweise versuchten) Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat (Urk. 54 S. 16; Urk. 43 in Verbindung mit Urk. 31 S. 2). Insofern ist die Sachund Rechtslage tatsächlich klar und bedarf – über die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz hinaus, auf welche hiermit verwiesen sei (Urk. 41 S. 14 ff., S. 17) – keiner weiteren Erwägungen. Ebenso klar ist aber auch, dass zufolge Verwen- dung eines gefälschten Stornobelegs und eines gefälschten Arztzeugnisses auch die unter Dossier 3 aufgeführten Handlungen jedenfalls als arglistig zu qualifizieren sind, womit hier – da der Beschuldigte, nachdem er von der Eröffnung der Strafuntersuchung Wind bekam, seine Schadenmeldungen revoziert hat – von zahlreichen versuchten Betrügen auszugehen ist (vgl. auch hier die zutreffenden, auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichts verweisenden Erwägungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 20).
Damit bleibt die Frage zu klären, ob auch in jenen Fällen der Dossiers 1 und 2, in welchen die Versicherungsgeber in ihren Schadenmeldungsformularen nicht aus- drücklich nach dem Vorhandensein anderer Risikoträger fragten, das Tatbestandsmerkmal der Arglist zu bejahen ist, ob diese Versicherungen derartig nachlässig und leichtsinnig handelten, dass eine Strafbarkeit des Beschuldigten ausgeschlossen wäre. Mit der Vorinstanz, auf deren detaillierte und überzeugen- de Ausführungen (Urk. 41 S. 14 ff.) verwiesen werden kann, ist Letzteres zu ver- neinen. Indem der Beschuldigte im Rahmen der jeweiligen Antragstellung die Auszahlung der ungekürzten Reisekosten verlangte, zeigte er konkludent an, dass er für die angefallenen Annullationskosten über keine andere, ebenfalls leistungspflichtige Versicherung verfügte. Der Vorgang an sich (Schadenmeldung samt Einreichung von Belegen betreffend die Stornierung einer Reise und den damit verbundenen Kosten) ist als typischer Routinefall im Massengeschäft der Reiseversicherungen anzusehen, bei welchem nach dem Prinzip von Treu und Glauben keine ausserordentlichen Vorkehrungen nötig sind, sondern redliches Verhalten des Versicherungsnehmers erwartet werden kann. Deshalb konnte der Beschuldigte damit rechnen, dass die Versicherungen seine Schadenmeldung nicht vertieft überprüfen würden, solange keine besonderen Verdachtsmomente (bspw. offensichtlich gefälschte Unterlagen Widersprüche in den Angaben, etc.) bestehen. Hinzu kommt, dass – wie der Beschuldigte zweifelsfrei bewiesen hat – die Frage nach einer allfälligen Doppelversicherung allein nicht geeignet ist, das Betrugsrisiko zu minimieren. Weder die vertiefte Prüfung jeder einzelnen
Schadenmeldung, noch der routinemässige Abgleich mit sämtlichen anderen Reiseversicherungen auf allfällige Doppelversicherung wäre aber in diesem Massengeschäft praktikabel und zumutbar. Überdies plante der Beschuldigte bereits beim Abschluss der mehrfachen Reiseversicherungen, sich durch Buchung und Stor- nierung einer Reise zu bereichern, wobei ihm schon vorab klar war, dass sich das nötige Arztzeugnis notfalls einfach beschaffen lassen würde (Urk. D1/4/1 S. 8, Urk. D1/4/2 S. 3), und bediente sich damit besonderer Machenschaften. Eine derartige innere Haltung ist für die Versicherung aber ohnehin nicht erkennbar, obwohl bereits daran ihre Leistungspflicht scheitern würde (vgl. Art. 53 Abs. 2 in der zur Tatzeit gültigen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes [VVG] bzw. gemäss aktueller Version Art. 46b Abs. 3 VVG).
Subjektiv war ihm auch ohne die Frage nach einer allfälligen Mehrfachversicherung jedenfalls bewusst, dass ihm die Rückerstattung der Kosten nicht mehrfach zustand. Dies ergibt sich bereits aus dem Zweck seines Tuns, der nicht darin bestand, ihm den Schaden, mithin die bei ihm entstandenen Annullationskosten, zu ersetzen, sondern auf schnelle und einfache Weise die Finanzierung seiner Lebenshaltungskosten der kommenden Jahre sicherstellen sollte. Damit ist auch in jenen Fällen, wo das Schadenformular keine explizite Frage nach einer allfälligen Mehrfachversicherung enthielt, von insgesamt tatbestandsmässigem Verhalten im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB auszugehen (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen Irrtum, Vermögensdisposition/Vermögensschaden sowie Motivations- und Kausalzusammenhang ergänzend auch die detaillierten Ausführungen der Vorinstanz, Urk. 41 S. 17 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Aus den Anträgen der Verteidigung erhellt sodann, dass sie die Qualifikation der mehrfachen, teilweise versuchten Betrüge als gewerbsmässig im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StGB bestreitet. Eine Begründung hierfür wurde jedoch nicht vorgebracht (Urk. 31 und Urk. 54 passim). Sie ist mit Blick auf die höchstrichterliche Umschreibung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit (vgl. die Darstellung im angefochtenen Urteil, Urk. 41 S. 23) auch nicht zu finden. Der Beschuldigte wollte sich mit der Summe der deliktisch erzielten Einnahmen seine Lebenshaltungskosten während der Dauer des mehrjährigen Informatikstudiums an der O.
[Schweizerische Hochschule] finanzieren (Urk. D1/4/1 S. 2, Urk. D1/4/2 S. 11, Prot. I S. 11 f.). Hierfür betrog er in einem Zeitraum von knapp fünf Monaten (30. Juni 2020 bis 13. November 2020) im Zusammenhang mit drei gebuchten Reisearrangements diverse Versicherungen, womit er insgesamt Fr. 93'593.20 erhältlich machen konnte, während hinsichtlich weiterer rund Fr. 122'000.– die Zahlung aus verschiedenen Gründen (Deckungsausschluss für Covid 19; Misstrauen der Versicherung wegen widersprüchlicher Belege; Revokation der Rückerstattungsforderung durch den Beschuldigten) unterblieb. Heute zeigte er konkret auf, dass er mit den eingeplanten rund Fr. 200'000.– Deliktserlös seine Lebenshaltungskosten während des Studiums habe decken wollen, wobei er von Lebenshaltungskosten von Fr. 40'000.– pro Jahr und einem voraussichtlich fünf Jahre dauernden Studium ausgegangen sei (Prot. II S. 16 f.). Vor diesem Hintergrund (Zeitspanne der deliktischen Tätigkeit, Anzahl deliktischer Einzelakte, angestrebte Deliktssumme, Zweck der Delinquenz) kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Beschuldigte gewerbsmässig handelte. Rechtfertigungsoder Schuldausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Damit ist der Beschuldigte auch des gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen (vgl. ergänzend das angefochtene Urteil, Urk. 41 S. 24 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Strafzumessung und Vollzug
Was die allgemeinen Grundlagen der Strafzumessung anbelangt, so hat sich die Vorinstanz ausführlich und korrekt mit den methodischen Grundsätzen der Festlegung einer (Gesamt-)Strafe befasst und dabei insbesondere auch den vorliegend massgeblichen Strafrahmen (Freiheitstrafe bis zu zehn Jahren bzw. Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen für den gewerbsmässigen Betrug als im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB schwerste Straftat) zutreffend wiedergegeben (vgl. Urk. 41 S. 26 ff.), so dass vollumfänglich auf diese Ausführungen verwiesen wer- den kann. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur der mehrfachen Tatbegehung, sondern auch dem Strafmilderungsgrund der aufrichtigen Reue und Schadensbehebung (Art. 48 lit. d StGB) innerhalb des ordentlichen Strafrahmens Rechnung zu tragen ist bzw. Rechnung getragen werden kann. Im Berufungsver-
fahren ist sodann zusätzlich zu berücksichtigen, dass das Verschlechterungsverbot gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO es verbietet, dass der Beschuldigte im Ergebnis mit mehr als acht Monaten Freiheitsstrafe bestraft wird.
Mit Bezug auf die Tatkomponenten des gewerbsmässigen Betrugs ist festzuhalten, dass der Beschuldigte in kurzer Zeit sehr viel Geld erhältlich gemacht hat (die knapp nicht sechsstellige Schadensumme übertrifft das mediane Brutto- Jahreseinkommen in der Schweiz deutlich, vgl. die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 2020, publiziert am 28. März 2022) und noch viel mehr Geld erhältlich machen wollte (vgl. Ziff. 3.4 hiervor). Dabei ging er bereits beim Abschluss der in der Anklageschrift im Einzelnen genannten Reiseversicherungen planmässig und gezielt vor, indem er schon damals beabsichtigte, eine sodann zu buchende Reise gar nicht anzutreten, sondern stornieren und sich mehrfach erstatten zu lassen. Dies wiederholte er in kurzer Zeit dreimal. Während die erste Reise als Gesamtarrangement bereits als kostspielig zu bezeichnen ist (Fr. 3'831.– für Flüge und Hotelaufenthalt), eskalierte bzw. optimierte er dies mit den weiteren Reisen in luxuriöse Sphären (Fr. 9'794.– für das zweite und Fr. 14'962.– für das dritte Arrangement). Auch in der Vorgehensweise zeigte er sich mit fortschreiten- dem Zeitablauf unverfrorener, indem er nicht einmal mehr einen Arzt aufsuchte, um diesen wegen (allenfalls nicht bestehender) Symptome zu konsultieren (vgl. hierzu seine Aussagen in Urk. D1/4/1 S. 8 und Urk. D1/4/2 S. 3), sondern die nötigen Belege gleich eigenhändig herstellte. Bei gefühlt stockender Bearbeitung durch die Versicherung zeigte er sich sodann von seltener Dreistigkeit, drängte und drohte mit der Finanzmarktaufsicht, dem Ombudsmann und einem Gerichtsverfahren bzw. setzte diese Ankündigungen teilweise sogar in die Tat um, ohne die zunächst angesetzte Reaktionsfrist abzuwarten (vgl. sein Vorgehen gegen-
über der B.
S.A., wiedergeben im angefochtenen Urteil, Urk. 41 S. 19 f.).
Auch später noch, im Rahmen seiner polizeilichen Befragung, zeigte er diesbezüglich ein eklatantes Unrechtsbewusstsein, indem er ausführte, er habe die Versicherung bei der Ombudsstelle gemeldet, weil er dies dürfe und weil bei jener Organisation offensichtlich einiges schief gelaufen sei, weil sie den Fall zweimal eröffnet und abgeschlossen habe (Urk. D1/4/1 S. 6). Insgesamt ist von nicht zu vernachlässigender krimineller Energie auszugehen, auch wenn die automatisierten Abläufe der Versicherungen mit der Möglichkeit des Online- Versicherungsabschlusses und der Online-Schadenmeldung es ihm auch recht leicht gemacht haben. Gleichzeitig zeigt sich die Skrupellosigkeit des Beschuldigten aber auch gerade darin, dass er diese, primär zum Zweck der Kundenfreundlichkeit geschaffenen, nutzerfreundlichen Strukturen vorsätzlich zu seinem Vorteil und seiner Bereicherung ausnützte, was im Endergebnis zu Lasten der redlichen Mehrheit der Versicherten, mithin der Allgemeinheit, geht. Dass der Beschuldigte gut situierte und potente Versicherungen schädigte und nicht etwa Privatpersonen um ihr ganzes Vermögen brachte, erweist sich im Vergleich hingegen von geringerer Verschuldensqualität, selbst wenn die Schädigung einer Versicherung mittelbar auf deren Kunden abgewälzt werden könnte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass er hinsichtlich der dritten Reise von selbst von den in jenem Zeitpunkt erst gerade frisch gestellten Forderungen im Umfang von rund Fr. 83'000.– (und ebenso von den beiden noch ausstehenden Zahlungen der zweiten Reise von knapp Fr. 20'000.–) zurücktrat und damit dafür sorgte, dass diese Betrüge im Versuchsstadium endeten (vgl. Art. 22 bzw. Art. 23 StGB). Dieser Akt tätiger Reue geschah jedoch erst, wenn auch unmittelbar, nachdem sein Bankkonto eingefroren wurde und ihm durch die Staatsanwaltschaft am 13. November 2020 auf Nachfrage mitgeteilt worden war, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Versicherungsbetrugs läuft (Urk. D1/9 in Verbindung mit Urk. D1/4/1 S. 6 + 7), woraus erhellt, dass er nicht primär aus inneren Motiven, sondern getrieben von äusseren Gegebenheiten sprichwörtlich die Reissleine zog (vgl. BGE 118 IV 366 E. 3a). Trotzdem scheint es angemessen, diese Reaktion moderat verschuldensmin- dernd anzurechnen, da der Beschuldigte so doch zumindest verhindert hat, dass weitere Versicherungsleistungen ausbezahlt werden und sich der Schaden mehr als verdoppelt, was das Verfahren sicher vereinfacht hat. Insgesamt ist damit – innerhalb des weiten Strafrahmens des qualifizierten Delikts – von einem gerade noch leichten Verschulden zu sprechen. Eine Geldstrafe kann dem aufgrund ihrer Obergrenze von 180 Tages-sätzen von vornherein nicht angemessen, sprich schuldadäquat, Rechnung tragen. Vielmehr ist die Einsatzstrafe auf 16 bis 18 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.
Bei isolierter Betrachtung der Urkundenfälschung ist zu statuieren, dass der Beschuldigte am Computer unter Verwendung von Adobe Acrobat eine Stor- nobestätigung sowie ein Arztzeugnis produziert hat, das – zumal als Mailanhang bzw. in Kopie den Versicherungen eingereicht (vgl. Urk. D1/6/1-23) – nicht von den entsprechenden echten Urkunden (vgl. die mit dem ersten Schadenfall eingereichten Belege in Urk. D1/6/1-23) zu unterscheiden ist. Insofern ist er professio- nell und sorgfältig vorgegangen, was wiederum von einiger krimineller Energie zeugt und das Verschulden jedenfalls nicht am untersten Rand der Skala einreiht. Mit der
Vorinstanz ist aufgrund der engen Vernetzung mit dem Betrugsdelikt einerseits festzuhalten, dass auch hierfür nur eine Freiheitsstrafe in Frage kommen kann, anderseits indessen die Einsatzstrafe für den gewerbsmässigen Betrug nur um einen Monat zu erhöhen ist, während isoliert sicher eine deutlich höhere Strafe auszufällen wäre.
Was die Täterkomponenten angeht, wirken sich Vorleben und persönliche Verhältnisse (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. 5.2) strafzumessungsneutral aus. Der Beschuldigte hat sodann hinsichtlich der betrügerisch eingeforderten Reisekosten sofort ein Geständnis abgelegt. Dieses stand aller- dings unter dem Eindruck einer erdrückenden Beweislage und vor dem Hintergrund der bereits in Kraft gesetzten Kontosperre. Mithin rechtfertigt sich hierfür nur eine minimale Strafminderung. Stärker zu berücksichtigen ist aber, dass er heute die Taten offensichtlich bereut (Prot. I S. 11; Prot. II S. 15 f. und 18), sich bei allen betroffenen Versicherung bereits vor seiner ersten Einvernahme schriftlich entschuldigte (Urk. D1/10/3 Beilage 2, Entschuldigungsschreiben vom
18. Dezember 2020) und sofort Hand geboten hat, die bezogenen Leistungen zurückzuerstatten, so dass die Geschädigten bereits vor Abschluss des Strafverfahrens schadlos gehalten werden konnten (vgl. Urk. D1/5/8, Urk. D1/10/3 und Urk. D1/10/3 Beilage 3, Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 23. November 2020, Urk. D1/10/5; Art. 48 lit. d StGB). Allerdings ist auch hierzu anzumerken, dass das dafür benötigte Geld grösstenteils bereits durch die Staatsanwaltschaft auf dem Bankkonto des Beschuldigten blockiert war (Urk. D1/10/6-8) und somit
auch auf dem Prozessweg den Geschädigten hätte zugeführt werden können. Es war damit für den Beschuldigten jedenfalls verloren (vgl. Art. 267 StPO).
Was die Urkundenfälschung angeht, ist zugunsten des Beschuldigten anzumerken, dass diese überhaupt erst aufgrund seiner Selbstbezichtigung ans Licht und zur Anklage kam (Urk. D1/4/2 S. 2 f.), was ihm hinsichtlich dieser Teilstrafe deutlich strafmindernd anzurechnen ist.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Tat- und Täterkomponenten erwiese sich somit im Ergebnis eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten als angemessen. In Nachachtung des Verschlechterungsverbots ist jedoch die vorinstanzlich ausgefällte Strafe von 8 Monaten Freiheitsstrafe zu bestätigen.
Der Vollzug dieser Freiheitsstrafe ist unter Ansetzung einer zweijährigen Probezeit aufzuschieben, da beim Beschuldigten als Ersttäter die gute Prognose von Gesetzes wegen zu vermuten ist (Art. 42 StGB; so schon die Vorinstanz in Urk. 41 S. 32 f.).
Landesverweisung
Der Beschuldigte hat eine Katalogtat begangen (Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB), weshalb er grundsätzlich obligatorisch des Landes zu verweisen ist, sofern er sich nicht auf das Vorliegen eines Härtefalls berufen kann (Art. 66a Abs. 2 StGB; vergleiche hierzu auch die Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 33 f.).
Der Beschuldigte kam erst Mitte Juni 2018, mit 23 Jahren, in die Schweiz, wo er heute über eine Aufenthaltsbewilligung B (EU/EFTA), gültig bis 21. April 2025, verfügt (Urk. D1/11/2 S. 10). Geboren wurde er in Slowenien, wo er auch die Primarschule besuchte. Für die weitere Ausbildung (Gymnasium, Bachelor in Economics an der Universität V. ) übersiedelte er nach England. Er spricht neben Slowenisch und Englisch auch Kroatisch, Russisch und Deutsch (Urk. D1/4/2 S. 13; Prot. II S. 21). In der Schweiz studierte er zwei Semester lang an der Hochschule P. , und hatte verschiedene Stellen inne (Praktikum bei der
Q.
im Rahmen eines …-Programs, Internship bei R. , Arbeit bei
S. als Werkstudent; Prot. I S. 9, Urk. D1/4/2 S. 13; Prot. II S. 7). Von September 2020 bis Ende Januar 2021 studierte er überdies an der O. Informatik, wobei er parallel dazu noch bis Oktober 2020 bei der Q. angestellt war.
Seit Februar 2021 arbeitet er bei der T.
AG in U.
als M&A Analyst
und erzielt damit inzwischen, nach zwei Beförderungen und zwei entsprechenden Lohnerhöhungen, ein Jahreseinkommen von brutto Fr. 110'000.– zuzüglich Bonus (Prot. II S. 8 ff.; Prot. I S. 7 ff., Urk. D1/4/2 S. 11 ff. und Urk. 49/1-4). Seit Januar 2020 lebt der Beschuldigte mit seinem Lebenspartner zusammen (Prot. II S. 14). Eine Heirat ist geplant, allerdings wissen die Eltern des Beschuldigten nicht um dessen Homosexualität (Prot. I S. 10 und 12; Prot. II S. 11). Seine Schwester lebt in Österreich, die Eltern abwechselnd in Slowenien und Kroatien (Urk. D1/4/2
S. 14; Prot. II S. 20). Nebst der Aufenthaltsbewilligung B für die Schweiz verfügt er über ein noch bis Herbst 2023 gültiges Aufenthaltsrecht in England (sog. settled status; Prot. I S. 13; Prot. II S. 14) und ist sodann als Bürger von Slowenien, einem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU), grundsätzlich auch in deren gesamtem Einzugsbereich aufenthaltsberechtigt.
Aus all diesen Ausführungen erhellt, dass der heute 27-jährige Beschuldigte, welcher erst seit wenigen Jahren in der Schweiz weilt, zwar wirtschaftlich und sozial gut integriert ist, aber als gut ausgebildeter, mehrsprachiger Kosmopolit problemlos auch ausserhalb der Schweiz (wieder) Fuss fassen könnte. Ein Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB liegt jedenfalls entgegen den Vorbringen der Verteidigung (Urk. 54 S. 14 f.) bei weitem nicht vor (vgl. hierzu auch die zusammenfassende Einschätzung der Vorinstanz in Urk. 41 S. 37 f.).
Da der Beschuldigte die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes besitzt, müssen allerdings für eine Landesverweisung nicht nur die innerstaatlichen Vorschriften des Strafgesetzbuches erfüllt sein, sondern darf dadurch auch nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Union (FZA) verstossen werden. Damit ist zusätzlich gefordert, dass eine Landesverweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist, was eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraussetzt, welche die Grundinteressen der Gesellschaft berührt (vgl. zum Ganzen die detaillier-
ten Ausführungen der Vorinstanz in Urk. 41 S. 38 ff.). Dies ist vorliegend – entgegen dem Fazit der Vorinstanz (vgl. Urk. 41 S. 40 ff.) – zu verneinen.
Zwar ist mit dem Vorderrichter festzuhalten, dass der Beschuldigte mit dem gewerbsmässigen Betrug im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StGB ein Delikt erheblicher Schwere begangen hat, wofür insbesondere die angestrebte Deliktssumme einsteht. Allerdings ist den Katalogtaten von Art. 66a StGB eine gewisse Schwere stets immanent, weshalb im Rahmen derer wiederum zu differenzieren ist. Diesbezüglich ist der Verteidigung denn auch zuzustimmen, dass es sich beim vorliegend verletzten Rechtsgut des Vermögens zwar um ein hohes, aber nicht um ein mit der psychischen, physischen sexuellen Integrität vergleichbar hohes Rechtsgut handelt (Urk. 54 S. 11). Dass er zumindest mittelbar durch seine Tat die Allgemeinheit, gemeint die Mehrheit der (Reise-)Versicherungsnehmer, geschädigt hat, was durchaus geeignet ist, das soziale Gefüge und damit die öffentliche Ordnung zu bedrohen, steht zwar ausser Diskussion. Wenn die Vorinstanz aber von einer hinreichend wahrscheinlichen Rückfallgefahr ausgeht, da der Beschuldigte nicht aus eigenem Antrieb von der Realisierung des angestrebten Deliktserlöses abgesehen habe, weshalb der Beschuldigte beispielsweise bei einem erneuten Verlust der Arbeitsstelle versuchen könnte, seinen Lebensunterhalt abermals mittels betrügerischer Handlungen zu finanzieren (Urk. 41 S. 41), stösst sie zu tief in das Reich der Spekulation vor und missachtet dabei gleichzeitig die konkreten Begleitumstände des Delikts. Zwar ergeben sich aufgrund der vorstehend geschilderten, unverfrorenen Art, wie der Beschuldigte bei gefühlt stocken- der Bearbeitung eine Versicherung drängte und ihr mit Anzeigen drohte bzw. diese teilweise sogar in die Tat umsetzte, schon gewisse Verdachtsmomente, dass eine deliktsaffine Persönlichkeitsstruktur bestehen könnte. Der Beschuldigte war aber, und dies erscheint wesentlich, im Zeitpunkt der ersten Tathandlungen weder in der Schweiz noch im Ausland vorbestraft, weshalb jedenfalls nicht von einem Gewohnheitsverbrecher gesprochen werden kann. Er wollte sich zudem damals
beruflich umorientieren und hierzu an der O.
ein mehrjähriges Informatikstudium absolvieren, welches er im September 2020 auch antrat. Dabei war ihm einerseits mitgeteilt worden, dass sich ein O. -Studium als Werkstudent aufwandmässig nicht würde bewerkstelligen lassen, und wusste er andrerseits,
dass seine Arbeitsvertrag mit der Q. nur noch bis Ende Oktober 2020 bestand und das Einkommen zusammen mit Ersparnissen bloss für ein Semester reichen würde, weshalb er sich grosse Sorgen um seine finanzielle Zukunft machte (Urk. D1/4/1 S. 2 f.; Urk. D1/4/2 S. 10 f.). Seine Eltern wollte er, durchaus nachvollziehbar, nicht belangen, zumal die ihm bereits die Ausbildung in England und das Erststudium finanziert hatten. In dieser speziellen, sein kriminelles Han- deln selbstredend nicht entschuldigenden, Situation kam es sodann zu den Versicherungsbetrügen. Deren Ziel war, die nötigen Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhalts während des Studiums erhältlich zu machen. Heute präsentiert sich demgegenüber eine völlig andere Ausgangslage. Der Beschuldigte ist seit Februar 2021 bei derselben Arbeitgeberin in Festanstellung tätig und verdient als erst 27-Jähriger bereits ein überdurchschnittliches Einkommen. Den Traum eines weiteren Studiums scheint er grundsätzlich begraben zu haben (Prot. II S. 9). Aufgrund seiner Qualifikationen und Berufserfahrung ist sodann davon auszugehen, dass er im Falle eines Stellenverlustes problemlos eine neue Anstellung fin- den würde. Entsprechend macht der Beschuldigte auch schwergewichtig und nicht unglaubhaft geltend, dass sich seine Lebensumstände in den letzten zwei Jahren wesentlich verändert haben und er sich auch in persönlicher Hinsicht erheblich weiterentwickelt hat (Prot. II S. 18 f.; Urk. 54 S. 6). Dass er, nachdem eine erste Versicherung ihm auf die Schliche gekommen und ein Strafverfahren eingeleitet worden war, sofort und diskussionslos sämtliche ausstehenden Schadenfor- derungen revozierte (Urk. D1/4/1 S. 6 + 7) und sogleich auch die Rückerstattung bereits erhaltener Zahlungen in die Wege leitete (Urk. D1/10/3 Beilagen 2 und 3), kann zudem nicht anders interpretiert werden, als dass er durchaus risikoavers veranlagt ist und inskünftig auf keinen Fall eine Landesverweisung und damit den Verlust des bisher Erreichten riskieren würde. Damit aber besteht vorliegend, auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Restzweifel hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur, aus ausländerrechtlicher Optik keine realistische Rückfallgefahr. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte aus dem heutigen Strafverfahren die nötigen Lehren gezogen hat und ihm insbesondere nun klar ist, dass bei erneuter Delinquenz (auch) eine Landesverweisung drohen kann, was nebst dem Verlust der Arbeitsstelle auch die Trennung von seinem Lebenspartner
nach sich ziehen könnte. Damit liegt im Ergebnis jedenfalls keine anhaltende und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr für die öffentliche Ordnung vor. Folglich ist eine Landesverweisung des Beschuldigten mit Art. 5 Anhang I FZA nicht vereinbar, weshalb von der Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung abzusehen ist.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Nachdem der Beschuldigte auch heute umfassend schuldig zu sprechen ist, ist die vorinstanzliche Kostenregelung (Dispositivziffern 5 und 6) zu bestätigen.
Für das Berufungsverfahren ist eine Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.– zu erheben (§ 14 Abs. 1 lit b GebV OG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 GebV OG). Da der Beschuldigte mit seiner Berufung mehrheitlich unterliegt, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens zu vier Fünfteln aufzuerlegen. Im Übrigen sind sie auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Sodann verzichtet der Beschuldigte explizit auf die Geltendmachung einer Parteientschädigung für das Berufungsverfahren im Sinne von Art. 436 Abs. 2 StPO (Urk. 54 S. 19), weshalb eine solche selbst in reduziertem Umfang nicht zuzusprechen ist.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig
des gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 in Verbin- dung mit Abs. 2 StGB,
der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 8 Monaten Freiheitsstrafe.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Von der Anordnung einer Landesverweisung des Beschuldigten gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB wird abgesehen.
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 5 und 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu vier Fünfteln dem Beschul- digten auferlegt und zu einem Fünftel auf die Gerichtskasse genommen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Privatkläger 1-5
(Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 30. November 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Wenker
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Huter
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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