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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB220035: Obergericht des Kantons Zürich

Die Berufungsklägerin hat ein Gesuch um Schuldneranweisung für die Unterhaltsbeiträge ihrer Söhne X. und Y. eingereicht. Das Gericht entschied, dass die Berufungsklägerin als Prozessstandschafterin für den jüngeren Sohn Y. aktivlegitimiert ist, jedoch nicht für den älteren Sohn X. Die Berufung wurde abgewiesen, da die Berufungsklägerin nicht berechtigt war, die Schuldneranweisung für den Sohn X. geltend zu machen. Die Unterhaltsbeiträge für den Sohn Y. wurden vom Berufungskläger anerkannt und regelmässig geleistet, daher wurde das Gesuch um Schuldneranweisung insgesamt abgewiesen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB220035

Kanton:ZH
Fallnummer:SB220035
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB220035 vom 31.03.2023 (ZH)
Datum:31.03.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_643/2023
Leitsatz/Stichwort:Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Landes; Schweiz; Landesverweis; Landesverweisung; Urteil; Asservat-Nr; Berufung; Kosovo; Interesse; Ehefrau; Verteidigung; Gericht; Interessen; Verfahren; Recht; Sinne; Anordnung; Familie; Arbeit; Urteils; Vorinstanz; Härtefall; Staatsanwaltschaft; Kokain; Bundesgerichts; Hinweis
Rechtsnorm:Art. 135 StPO ;Art. 2 VRV ;Art. 27 SVG ;Art. 31 SVG ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 5 BV ;Art. 66a StGB ;Art. 8 EMRK ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:139 I 145; 144 I 266; 144 IV 332; 145 I 227; 145 IV 161; 146 IV 105;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB220035

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB220035-O/U/ad-cs

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Ersatzoberrichter lic. iur.

Kessler und Ersatzoberrichter lic. iur. Vogel sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. Leuthard

Urteil vom 31. März 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

ab 3. Januar 2022 amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Hinwil vom 15. Juli 2021 (DG200011)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 11. September 2020 (Urk. 1/18) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig

    • des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und lit. d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG (Gesundheitsgefährdung),

    • des Vergehens gegen das Waffengesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 lit. c WG, Art. 5 Abs. 2 lit. a WG sowie Art. 7 Abs. 3 WV, Art. 7 Abs. 1 WG, Art. 12 Abs. 1 lit. d WV sowie Art. 39 WV,

    • des Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2

      lit. a SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 1 VRV,

    • der vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 4a Abs. 1 und Abs. 5 VRV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wovon 59 Tage durch Haft erstanden sind und mit einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen à Fr. 50.–, sowie einer Busse von Fr. 400.–.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe wird aufgeschoben; unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.

  4. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

  5. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für 6 Jahre des Landes verwiesen.

  6. Die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem wird angeordnet.

  7. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 11. September 2020 beschlagnahmte Barschaft von Fr. 3'970.– wird eingezogen und zur anteilsmässigen Deckung der Verfahrenskosten verwendet.

  8. Das folgende, einzig als Beweismittel beschlagnahmte Mobiltelefon wird an den Beschuldigten freigegeben:

    iPhone X, IMEI 1 (Asservat-Nr. A013'091'093) inkl. SIM-Karte Swisscom, Karten-Nr. 2 (Asservat-Nr. A013'109'530).

    Dem Beschuldigten wird eine Frist von 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils angesetzt, um den ihm herauszugebenden Gegenstand unter Vorlage dieses Urteils und eines amtlichen Ausweises, nach telefonischer Voranmeldung, bei der nachgenannten Lagerbehörde abzuholen (oder durch eine bevollmächtigte Person abholen zu lassen).

    Wird der herauszugebende Gegenstand nicht innert Frist abgeholt, wird er vernichtet. Die Lagerbehörde wird angewiesen, diese Anordnung zu vollziehen und zu dokumentieren.

  9. Das folgende, mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom

    6. Dezember 2019 als Tatwerkzeug beschlagnahmte Mobiltelefon wird eingezogen und vernichtet:

    - Xiaomi, Redmi Go (Asservat-Nr. A013'126'335).

  10. Die folgenden, mit Verfügung der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom

  11. September 2020 beschlagnahmten Gegenstände werden eingezogen und vernichtet:

  • 1 Portion Kokain in Alufolie, Asservat-Nr. A013'090'910

  • 1 Portion Kokain in Alufolie, Asservat-Nr. A013'090'943

  • 1 Portion Kokain, Asservat-Nr. A013'091'071

  • 2 Portionen Kokain à ca. 10 Gramm, Asservat-Nr. A013'091'139

  • 1 Knittersack mit Kokain, Asservat-Nr. A013'091'173

  • 1 Feinwaage (on balance), Asservat-Nr. A013'091'208

  • 1 Feuerzeug mit Kokainanhaftungen, Asservat-Nr. A013'091'264

  • 1 Rolle Knittersäcke, Asservat-Nr. A013'091'275

  • Kokainpulverreste, Asservat-Nr. A013'091'300

  • 1 Küchenmesser mit Kokainanhaftungen, Asservat-Nr. A013'091'344

  • 1 Beutel mit weissem Pulver, Asservat-Nr. A013'091'355

  • Div. Latexhandschuhe mit Kokainanhaftungen, Asservat-Nr.

    A013'091'377

  • 1 Schere mit Kokainanhaftungen, Asservat-Nr. A013'091'457

  • Alufolienreste, Knittersack, Plastikbeutel, Asservat-Nr. A013'091'526

  • Alufolie, Asservat-Nr. A013'091'548

  • 1 Feinwaage (domo), Asservat-Nr. A013'091'559

  • 1 SIM-Kartenträger ohne SIM-Karte Lebara, Asservat-Nr. A013'091'582

  • 1 Quittung Fust, Kauf Mobiltelefon Meizu Meizu Asservat-Nr.

    A013'091'593

  • 1 Dolch, inkl. Holster und Umhängekette, Asservat-Nr. A013'090'863

  1. Die restlichen unter der Referenznummer K191008-081 beim forensischen Institut Zürich gelagerten Spuren und Spurenträger werden nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheides durch die Kantonspolizei Zürich vernichtet.

  2. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 4'500.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr Vorverfahren

    Fr. 1'650.00 Auslagen Gutachten FOR

    Fr. 900.00 Auslagen Polizei (Auswertung Mobiltelefone) Fr. -3'970.00 Anrechnung Kaution/Sicherstellung/Depositum

    Fr. 9'632.80 Kosten amtliche Verteidigung (inkl. Barauslagen und 7.7% MwSt.)

    Verlangt keine der Parteien eine schriftliche Begründung des Urteils, ermässigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

  3. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, dem Beschuldigten auferlegt.

  4. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse ge- nommen. Die Nachzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 84 S. 1 f.)

    1. Die Dispositiv-Ziffern 5, 6 und 13 des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichts Hinwil vom 15. Juli 2021 seien aufzuheben.

    2. Von der Anordnung einer Landesverweisung sei abzusehen.

    3. Eventualiter sei Herr A. für die Dauer von höchstens fünf Jahren des Landes zu verweisen.

    4. Die Kosten des Vorverfahrens und des vorinstanzlichen Gerichtsverfahrens seien Herrn A. höchstens zur Hälfte aufzuerlegen.

    5. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie diejenigen der amtlichen Verteidigung seien vollständig auf die Staatskasse zu nehmen.

  2. Der Staatsanwaltschaft See/Oberland: (schriftlich, Urk. 73)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

Erwägungen:

  1. Verfahrensgang

    Mit Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 15. Juli 2021 wurde der Beschul- digte gemäss dem eingangs wiedergegebenen Urteilsdispositiv u.a. wegen Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und lit. d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen à Fr. 50.– sowie einer Busse von Fr. 400.– bestraft. Weiter wurde der Beschuldigte für die Dauer von 6 Jahren des Landes verwiesen unter Anordnung der Ausschreibung im Schengener Informationssystem. Das Urteilsdispositiv wurde den Parteien noch gleichentags mündlich eröffnet und begründet sowie im Dispositiv übergeben. Der Beschuldigte liess vor Schranken Berufung erheben (Prot. I

    S. 45). Mit Eingabe vom 3. Januar 2022 reichte der Beschuldigte innert Frist die Berufungserklärung ein (Urk. 64 und Urk. 68). Mit Präsidialverfügung vom 8. Februar 2022 wurde der bisherige erbetene Verteidiger als amtlicher Verteidiger bestellt. Mit Eingabe vom 14. Februar 2022 erklärte die Staatanwaltschaft Verzicht auf Anschlussberufung, stellte den Antrag auf Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und ersuchte um Dispensation von der Berufungsverhandlung, was ge- nehmigt wurde (Urk. 73). Am 8. April 2022 wurde zur Berufungsverhandlung auf

    den 9. September 2022 vorgeladen (Urk. 77). In Gutheissung eines Verschiebungsgesuches der Verteidigung vom 1. September 2022 wurde die Berufungsverhandlung verschoben und neu auf den 31. März 2023 angesetzt (Urk. 79 und Urk. 82). Zur Berufungsverhandlung ist der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers erschienen (Prot. II S. 4).

  2. Prozessuales

    Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschieben- de Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Mit der Berufungserklärung vom 3. Januar 2022 verlangt der Beschuldigte die Aufhebung der Dispositivziffern 5, 6 und 13 des angefochtenen Urteils und beantragt, es sei von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen und es seien ferner die Kosten des Vorverfahrens und des vorinstanzlichen Gerichtsverfahrens dem Beschuldigten höchstens zur Hälfte aufzuerlegen (Urk. 68 S. 2). Folgerichtig hat Dispositivziffer 14 als mitangefochten zu gelten, werden darin die Kosten der amtlichen Verteidigung zwar auf die Gerichtskasse genommen, jedoch eine Nachforderung gegenüber dem Beschuldigten vorbehalten. Demnach sind die Dispositivziffern 1 (Schuldsprüche), 2 (Strafe), 3 (Vollzug), 4 (Ersatzfreiheitsstrafe), 7-11 (Verfügungen über beschlagnahmte Gegenstände und Spurenmaterial) und 12 (Kostenfestsetzung) nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschlusses festzustellen ist.

  3. Landesverweisung

    1. Die Vorinstanz hat eine Landesverweisung im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für die Dauer von 6 Jahren ausgesprochen und deren Ausschreibung

    im Schengener Informationssystem angeordnet (Urk. 66 S. 35). Die Verteidigung beantragt, es sei auf die Anordnung einer Landesverweisung zu verzichten

    (Urk. 68). Die Staatsanwaltschaft beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 73).

      1. Das Gericht verweist einen Ausländer, der wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetztes verurteilt wird unabhängig von der

        Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB). Das Gericht kann gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber dem privaten Interesse des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Es ist dabei der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind

        (Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB).

      2. Der Beschuldigte ist kosovarischer Staatsbürger und wurde wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19

    Abs. 2 BetmG und somit zu einer Katalogtat gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB verurteilt. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung sind damit erfüllt. Es ist daher vorab zu prüfen, ob wie geltend gemacht ein Härtefall vorliegt.

      1. Bei der Prüfung des Härtefalls ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt und in einem zweiten Schritt ist im Rahmen einer Interessenabwägung eine Gegenüberstellung der öffentlichen und privaten Interessen vorzunehmen (M ARCEL BRUN/ALBERTO FABBRI: Die Landesverweisung – neue Aufgaben und Herausforderungen für die Strafjustiz [zitiert: BRUN/FABBRI], recht 2017, S. 231 ff. und S. 244 m.w.H.). Bei der Beurteilung des schweren persönlichen Härtefalls sind unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Migrationsrechts, insbesondere Aspekte wie die Anwesenheitsdauer, die familiären Verhältnisse, die Arbeits- und Ausbildungssituation, der Grad der Integration, die Reintegrationschancen im Heimatland und die Resozialisierungschancen zu berücksichtigen, wobei abschliessend eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_1286/2017 vom 11. April 2018

        E. 1.2; BRUN/FABBRI, a.a.O., S. 245 f. m.w.H.). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105

        E. 3.4.2; 145 IV 364 E. 3.2 mit Hinweisen; 144 IV 332 E. 3.1.2). Sie ist restriktiv

        anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1 mit Hinweis). Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_708/2020 vom 11. März 2021 E. 5.3). Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (vgl. BGE 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_587/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.1.1; je mit Hinweisen). Die Sachfrage entscheidet sich mithin in einer Interessenabwägung nach Massgabe der öffentlichen Interessen an der Landesverweisung. Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, sodass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteile des Bun- desgerichts 6B_81/2021 E. 8.3 vom 10. Mai 2021; 6B_1194/ 2020 vom 8. Februar

        2021 E. 1.1; 6B_587/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.1.1; je mit Hinweisen).

      2. Der Beschuldigte ist am tt. Januar 1983 im Kosovo geboren, wo er zusammen mit zwei Brüdern und einer Schwester in einer ländlichen Region bei seinen Eltern aufwuchs. Er besuchte dort acht Jahre lang die Primarschule und vier Jahre lang das Gymnasium. Eine eigentliche Berufsausbildung hat der Beschuldigte nicht absolviert, indessen nach dem Gymnasium als Fassaden-Installateur gearbeitet. Die Eltern und ein jüngerer Bruder wohnen im Kosovo, eine Schwester lebt in Norwegen und ein Bruder in der Schweiz. Im Jahre 2006 ist er im Alter von 23 Jahren in die Schweiz gekommen, hat auch in diesem Jahr geheiratet und lebt seither ununterbrochen zusammen mit seiner Ehefrau in der Schweiz. Seine Ehefrau stammt ursprünglich zwar ebenfalls aus dem Kosovo, ist indessen bereits 1991 im Alter von fünf Jahren im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz gekommen und lebt seit nunmehr 31 Jahren hier. Sie ist in der Schweiz in die Schule gegangen, hat eine Berufsausbildung absolviert und arbeitet seit längerer Zeit als Pflegeassistentin am C. . Am tt.mm.2014 wurde der gemeinsame Sohn, B. , in Zürich geboren. Dieser ist seit nunmehr rund 3 Jahren eingeschult und besucht die 2. Klasse. Die Ehefrau des Beschuldigten ist schwanger.

        Im April 2023 soll das zweite Kind zur Welt kommen. Hier in der Schweiz arbeitete der Beschuldigte in verschiedenen Bereichen (u.a. Bäckereigehilfe, Reinigungsmitarbeiter, Fassaden-Installateur, Heizungsmonteur, Gerüstbauer, Versuch als selbständiger Bauunternehmer), allerdings jeweils nur kurze Zeit, unterbrochen durch mehrjährige Phasen von Arbeitslosigkeit, teilweise wegen Arbeitsunfällen in den Jahren 2009 und 2014.

        Den Akten des Migrationsamtes ist zu entnehmen, dass beispielsweise die Arbeitslosigkeit zwischen Juli 2011 und August 2013 nicht unfallbedingt war, ebenso diejenige ab Ende 2016 bis 2019. Zwei IV-Rentengesuche wurden 2011 und 2016 abgewiesen (vgl. Urk. 1/13/87, Urk. 1/13/169, Urk. 1/13/176-179,

        Urk. 1/13/259). Im Zeitpunkt der Berufungserklärung war der Beschuldigte erneut arbeitslos (Urk. 68 und 69), aktuell arbeitet er jedoch wieder bei seinem damaligen Arbeitgeber als Heizungsmonteur und verdient rund Fr. 4'500.– netto pro Mo- nat (Prot. II S. 8 und S. 14 f., Urk. 85/1). Der Beschuldigte verfügt über kein Vermögen, sondern ist hoch verschuldet. Der Schuldenberg ist in der Zwischenzeit auf über Fr. 80'000.– (Stand 2021: Betreibungen in der Höhe von Fr. 85'605.55, Verlustscheine von insgesamt Fr. 54'776.10) gewachsen (vgl. Urk. 1/13/166). Hinzu kommen offenbar noch Privatschulden, mehrheitlich im Kosovo, teilweise aber auch hier (Prot. I S. 24 f.). Der Beschuldigte gab an, er habe ein Spielproblem gehabt und in privaten Clubs in der Schweiz wie auch im Kosovo gespielt. Die Drogen habe er wegen Drohungen dieser Leute verkauft, um seine Schulden zu begleichen. Er habe die erhaltenen Gelder mit Zinsen zurückzahlen müssen (Prot. I S. 27 und S. 31 und S. 33, Prot. II S. 13). Die Deutschkenntnisse des Beschuldigten sind nicht gut. Er erklärt dies damit, immer auf Baustellen gearbeitet zu haben, unter anderem mit Italienern, Serben und Albanern (Urk. 1/9 S. 9). Im Strafregister ist noch eine Vorstrafe vom 20. August 2015 der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 80.– wegen Vergehens gegen das Waffengesetz verzeichnet (Urk. 83).

      3. Die Vorinstanz ist zum Schluss gekommen, dass kein schwerer persönlicher Härtefall vorliege und sich daher die Prüfung, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Landesverweisung bestehe, erübrige. Sie erwog, dass der Beschuldigte weder in der Schweiz geboren sei noch die für Entwicklung und soziale Prägung entscheidenden Kinder- und Jugendjahre hier verbracht habe. Negativ ins Gewicht fallen würden ferner die längeren Unterbrüche ohne Erwerbstätigkeit und der Schuldenstand, der mit über Fr. 50'000.– ein prekäres Niveau erreicht habe. Die Deutschkenntnisse des Beschuldigten seien schlecht und es seien auch sonst keine Umstände erkennbar, welche für eine besonders gute Integration des Beschuldigten sprechen würden. Das Leben des Beschuldigten in der Schweiz habe sich auf seine Erwerbstätigkeit und seine Familie beschränkt. Sei- ne Chancen auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt im Kosovo seien durchaus intakt bzw. wohl gleich gut wie in der Schweiz. Die Vorinstanz attestiert dem Beschuldigten sodann eine echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung hier in der Schweiz und insbesondere – aufgrund seiner immer wieder auftretenden Arbeitslosigkeit und der dadurch entstandenen Betreuungsverantwortung – ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Sohn, der sich in einem prägenden Lebensabschnitt befinde. Ein Landesverweis würde damit einen erheblichen Eingriff in das gelebte Privat- und Familienleben des Beschuldigten bewirken, welcher auch Auswirkungen auf die Kernfamilie habe. Die Vorinstanz erachtet indes einen allfälligen Umzug von Frau und Kind in den Kosovo als zwar einschneidend, aber zumutbar. Dies aufgrund der Tatsache, dass die sozialen Bindungen des Kindes ausserhalb der Kernfamilie noch im Entstehen begriffen seien und deshalb eine erhöhte Anpassungsfähigkeit vorhanden sei. Für die Ehefrau stünden die Chancen auf eine Reintegration sehr gut, spreche sie doch die Sprache und sei sie sich den Gepflogenheiten bewusst (Urk. 66 S. 29-31).

      4. Die Verteidigung macht wie bereits vor Vorinstanz geltend, dass die privaten Interessen des Beschuldigten die öffentlichen Sicherheitsinteressen an der Anordnung einer Landesverweisung bei Weitem überwiegen würden. Das öffentliche Sicherheitsinteresse der Schweiz wiege angesichts des noch leichten Verschul- dens und der günstigen Legalprognose nicht schwer. Der Beschuldigte halte sich seit 16 ½ Jahren in der Schweiz auf, welche zu seiner Heimat geworden sei. Bei einer solch langen Aufenthaltsdauer könne ohne Weiteres von einer tiefgreifen- den kulturellen Integration ausgegangen werden. Er sei seit 2006 verheiratet und lebe in einer intakten Ehegemeinschaft. Seine Ehefrau lebe seit dem 5. Altersjahr

    bzw. seit über 30 Jahren in der Schweiz, sei hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und habe eine Ausbildung zur Pflegeassistentin absolviert. Sie arbeite seit über 10 Jahren als Pflegeassistentin am C. und trage (aktuell) die volle wirtschaftliche Verantwortung für den Lebensunterhalt der Familie. Würde sie dem Beschuldigten im Falle einer Landesverweisung in den Kosovo folgen, würde sie sich mit erheblichen Schwierigkeiten der Reintegration konfrontiert sehen. Der gemeinsame Sohn sei 2014 zur Welt gekommen und nunmehr seit rund 3 Jahren eingeschult bzw. seit 2021 in der Primarschule. Würde sein Sohn mit in den Kosovo gehen, würde dieser aus seinem sozialen und schulischem Umfeld herausgerissen und in seiner persönlichen und schulischen Entwicklung erheblich gefährdet. Zudem sei die Ehefrau des Beschuldigten derzeit hochschwanger. Der errechnete Geburtstermin sei Ende April 2023. Der Ehefrau sei es unter diesen Umständen nicht zuzumuten, dem Beschuldigten im Falle der Anordnung einer Landesverweisung in den Kosovo zu folgen. Würde sie aber hier bleiben, bliebe sie als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, eines Babys und eines schulpflichtigen Kindes, ohne jegliche Unterstützung des Ehemannes in der Schweiz zurück. Der Beschuldigte habe sich während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit – als Folge eines Unfalles – vor allem um den Sohn gekümmert und es sei eine sehr enge affektive Vater-Sohn-Beziehung entstanden. Würde der Beschuldigte des Landes verwiesen, stünde die Betreuung der beiden Kinder in der alleinigen Verantwortung der Ehefrau. Die geografische Distanz würde es dem Beschuldigten verunmöglichen, einen Beitrag an die Kinderbetreuung zu leisten. Der persönliche Kontakt sei für die Aufrechterhaltung einer Vater-Sohn Beziehung im Alter von B. aber unerlässlich. Zudem würde das zweite Kind ohne Vater aufwachsen müssen. Seit der Drogendelinquenz des Beschuldigten seien bald drei Jahre verstrichen und der Beschuldigte habe sich in dieser Zeit bewährt. Das gesamte soziale Umfeld des Beschuldigten befinde sich in der Schweiz, auch ein Bruder von ihm lebe hier (Urk. 57 S. 13-16, Urk. 84 S. 4 ff.). Die Verteidigung verweist sodann auf den Bundesgerichtsentscheid BGE 139 I 145, welcher mit dem vorliegenden Fall vergleichbar sei und dessen Erwägungen praktisch eins zu eins übertragbar seien. Ferner seien die Vorgaben von Art. 3 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention zu berücksichtigen, da vorliegend eine Gefährdung des Kindeswohls von B. zu bejahen sei (Urk. 57 S. 16 f., Urk. 84 S. 13 ff.).

        1. Der Beschuldigte verbrachte seine prägenden Kinder- und Jugendjahre im Kosovo. Er kam erst im Alter von 23 Jahren in die Schweiz. Sein Deutsch scheint für die Anwesenheitsdauer von nunmehr rund 16 ½ Jahren nicht wirklich gut zu sein. Auffallend sind sodann die langen Phasen der Arbeitslosigkeit. Auch wenn diese teilweise auf Unfälle zurückzuführen sind, zeigt sich, dass der Beschuldigte jeweils Taggelder und bis zur Aussteuerung Arbeitslosengeld bezogen hat und in der Folge teilweise über Jahre hinweg (2011-2013, 2017 und 2018) nicht gearbeitet hat. Wie erwähnt wurden zwei Anträge für eine IV-Rente abgewiesen. Es kann daher insgesamt nicht von einer beruflichen Integration gesprochen werden. Die vielen Betreibungen und Verlustscheine seit rund 10 Jahren bzw. der hohe Schul- denberg zeigen auch ein deutliches Bild. Der Beschuldigte hat zwar gegenüber dem Migrationsamt des Kantons Zürich im Rahmen von Aufenthaltsbewilligungsverfahren stets beteuert, dass er nun arbeite und an einer Schuldensanierung sei, doch erscheint dies im Nachhinein eher als fadenscheinig. Zu betonen ist, dass der Schuldenberg nicht einfach auf die Berufsunfälle zurückgeführt werden kann, hat der Beschuldigte in der Folge doch jeweils Taggelder und Arbeitslosengelder bezogen. Das Migrationsamt sprach 2014 gar von mutwilliger Schuldenwirtschaft (Urk. 1/13/178). Es kann mit der Vorinstanz jedenfalls davon ausgegangen wer- den, dass die Chancen des Beschuldigten auf eine berufliche Wiedereingliederung im Kosovo intakt bzw. wohl gleich gut wie in der Schweiz sind. Besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen gesellschaftlicher Natur in der Schweiz sind nicht ersichtlich. Es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass sich das soziale Leben des Beschuldigten soweit ersichtlich und vorgebracht auf seine Familie und seine Erwerbstätigkeit beschränkt. Vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte seine prägenden Jahre in seinem Herkunftsland verbracht und dort auch schon gearbeitet hat, ist davon auszugehen, dass es für den Beschuldigten auch ohne Weiteres möglich wäre, sich im Falle einer Landesverweisung in seiner früheren Heimat wieder zurecht zu finden. Er wird sich beruflich ohne Weiteres in einer seiner auch in der Schweiz gesammelten Berufserfahrung entsprechenden Arbeit betätigen können. Im Kosovo leben zudem seine Eltern und ein jüngerer Bruder. Auch wenn der Beschul- digte angibt, keinen intensiven Kontakt zur Heimat zu pflegen, so ist doch festzuhalten, dass seine Mutter während vier Monaten in der Schweiz war, um sich um seinen Sohn zu kümmern und sie regelmässig telefonischen Kontakt haben. Des Weiteren pflegt der Beschuldigte offensichtlich weiterhin Kontakte im Kosovo, spielte er doch gemäss seinen Angaben in den letzten Jahren auch im Kosovo in privaten Clubs und hat deswegen bei diesen Personen dort Schulden (Prot. I

          S. 33).

        2. Näher zu prüfen ist jedoch seine familiäre Situation, soweit es die eigentliche Kernfamilie (Ehefrau, Kind) angeht. Der Beschuldigte befindet sich seit 2006 in einer tatsächlich gelebten familiären Beziehung mit seiner Ehefrau und hat ein sehr gutes Verhältnis zu seinem achtjährigen Sohn, der nunmehr in die zweite Primarschule geht.

          Das durch Art. 13 f. BV bzw. Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungsoder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1; je mit Hinweisen). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (vgl. BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1; Urteile des Bundesgerichts 6B_1428/2020 vom 19. April 2021 E. 2.4.3; 6B_587/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.1.2 mit Hinweisen). Art. 8 EMRK hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden. Berührt die Landesverweisung Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, sind die Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK, insbesondere die Verhältnismässigkeit der Massnahme, zu prüfen (BGE 146 IV 105

          E. 4.2; Urteil des EGMR in Sachen I.M. gegen die Schweiz vom 9. April 2019,

          Nr. 23887/16, Ziff. 68). Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (vgl. BGE 145 IV 161 E. 3.4; Urteile des Bundesgerichts 6B_587/ 2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.1.2 und 6B_396/2020 vom 11. August 2020 E. 2.4.4 mit Hinweisen).

          Es ist davon auszugehen, dass die Ehefrau des Beschuldigten und sein Sohn ein weitgehend gefestigtes Aufenthaltsrecht besitzen und in der Schweiz bleiben wollen (vgl. Prot. II S. 17). Entgegen der Einschätzung der Vorinstanz wäre es der Ehefrau denn auch nicht zumutbar, im Falle einer Landesverweisung des Beschuldigten mit ihm in den Kosovo zu ziehen. Daran ändert nichts, dass sie die Sprache und die Gepflogenheiten im Kosovo kennt. Ebenso wenig, dass sie mit dem Beschuldigten einen Mann aus dem Kosovo geheiratet und diesen in die Schweiz nachgezogen hat. Sie lebt seit dem Alter von fünf Jahren – also seit 1991 – in der Schweiz, ist hier zur Schule gegangen und hat hier eine Ausbildung genossen. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Pflegeassistentin im C. . Es muss davon ausgegangen werden, dass sie hier voll integriert ist, sozial und auch kulturell. Insbesondere sind ihre wirtschaftliche Situation und auch die Möglichkeiten einer guten Ausbildung für den Sohn hier in der Schweiz wohl aussichtsreicher als im Kosovo. Zudem leben auch ihre Eltern und ihre Geschwister hier. Es kann daher nicht einfach davon ausgegangen werden und es ist ihr auch kaum zumutbar, dass sie dem Beschuldigten in den Kosovo folgen würde. Auch für den Sohn wäre ein Umzug nach Kosovo schwierig, ist er doch hier aufgewachsen und eingeschult, worüber sich seine Mutter sicherlich auch Gedanken machen wird. Es ist jedenfalls nicht ohne Weiteres damit zu rechnen, dass die Ehefrau mit dem Sohn die Schweiz verlassen würden. Die Landesverweisung würde unter diesen Umständen demnach zu einer Trennung von Frau und Kind bzw. vom Ehemann und Vater führen und nicht nur den Beschuldigten, sondern auch seine Ehefrau und seinen Sohn, für welchen er offenbar eine wichtige Bezugsperson ist, stark tangieren. Darin ist mit Blick auf die Garantie des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK jedenfalls ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB zu sehen und zwar einerseits beim Beschuldigten selbst, aber auch im Sinne einer Reflexwirkung aufgrund der Auswirkungen der Trennung auf Ehefrau und Kind (BGE 145 IV 161 E. 3.3 S. 164 f., E. 3.4 S. 166 f., publ. in: Pra 11/2019 S. 1256).

        3. Da ein Härtefall zu bejahen ist, ist in einem zweiten Schritt eine Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz und dem öffentlichen Interesse an einer Landesverweisung vorzunehmen. Was die Tatschwere betrifft, so wiegt das Verschulden des Beschuldigten hinsichtlich der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz noch leicht. Es wurde im Rahmen des schweren Falles eine noch eher tiefe Strafe von 18 Monaten Freiheitsstrafe ausgefällt, was aufzeigt, dass die kriminelle Energie des Beschuldigten nicht allzu ausgeprägt ist. Des Weiteren wurde dem Beschuldigten eine günstige Legalprognose gestellt und es kann ihm – auch vor dem Hintergrund der rund zweimonatigen Untersuchungshaft und dem Strafverfahren insgesamt – heute eine positive Legalprognose gestellt werden, zumal sich der Beschuldigte seit Dezember 2019, also seit bald dreieinhalb Jahren, nichts mehr hat zuschulden kommen lassen. An privaten Interessen des Beschuldigten ist insbesondere wie oben erwogen, ein Weiterführen des Familienlebens im Sin- ne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK anzuführen, also die tatsächlich gelebte Beziehung zu seiner langjährigen Ehefrau und das Interesse, den guten Kontakt zu seinem Sohn weiterzuführen und ihm als Vater beizustehen. Zu beachten ist auch, dass der Beschuldigte doch seit 16 ½ Jahren in der Schweiz lebt und er immerhin die deutsche Sprache zumindest alltagstauglich zu sprechen scheint. Des Weiteren hat er immer wieder – auch wenn wie oben dargetan grosse Arbeitslücken bestehen – gearbeitet und (dank seiner arbeitstätigen Ehefrau) keine Sozialfürsorge in Anspruch genommen. Die bisherigen Vorstrafen betreffen sodann vor allem Delikte im Strassenverkehr und andere Verstösse im Bagatellbereich. Auch scheinen seine Resozialisierungschancen zusammen mit der Familie wohl besser. Im Sin- ne der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips beim Härtefall stehen den gewichtigen persönlichen Interessen des Beschuldigten vorliegend zwar durchaus hochwertige Rechtsgüter und damit gewichtige öffentliche Interessen der Sicherheit an der Landesverweisung gegenüber. Die Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz kann aber im Rahmen des schweren Falles als noch leicht angesehen und das Rückfallrisiko als gering erachtet werden, weshalb in Nachach-

    tung der bedeutenden persönlichen Interessen des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz gerade noch auf eine Landesverweisung zu verzichten ist.

    Der Beschuldigte ist jedoch mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass bei Begehung eines neuen Deliktes von vergleichbarer Schwere eine Landesverweisung unumgänglich wäre.

  4. Kostenauflage vorinstanzliches Verfahren

    1. Der Beschuldigte liess vor Vorinstanz den Antrag stellen, es seien ihm die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens zu höchstens zwei Dritteln auferlegen und im Restbetrag auf die Staatskasse zu nehmen (Urk. 57

      S. 2). Zur Begründung verwies die Verteidigung im Wesentlichen auf ihre Anträge auf Freispruch von den Vorwürfen des Verstosses gegen das Waffengesetz und des Fahrens in fahrunfähigem Zustand und auf Absehen von der Anordnung einer Landesverweisung (Urk. 57 S. 18 f.). Mit der Berufungserklärung verlangt die Verteidigung, die Kosten des Vorverfahrens und des vorinstanzlichen Verfahrens seien dem Beschuldigten höchstens zur Hälfte aufzuerlegen (Urk. 68 S. 2). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte sie dazu aus, dass im gerichtlichen Verfahren von Anfang an die Frage der Landesverweisung im Zentrum gestanden habe (Urk. 84 S. 20).

    2. Der Beschuldigte wurde durch das Bezirksgericht Hinwil vollumfänglich schuldig gesprochen (Urk. 66 S. 34). Dieser Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 13 und 14) ist damit in Anwen- dung von Art. 426 Abs. 1 StPO zu bestätigen.

    An der Kostenauflage ändert auch nichts, dass heute von der Anordnung ei- ner Landesverweisung abgesehen wird. Der verurteilte Beschuldigte hat die Einleitung und Durchführung des Verfahrens verschuldet und ist deshalb zur Tragung sämtlicher Verfahrenskosten nach Art. 422 StPO verpflichtet, war doch von Gesetzes wegen über die Landesverweisung zu entscheiden.

  5. Kostenfolgen im Berufungsverfahren

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte obsiegt mit seinem Hauptantrag, es sei von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen. Ausgangsgemäss hat die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr damit ausser Ansatz zu fallen und sind die Kosten der amtlichen Verteidigung im Berufungsverfahren in der Höhe von pauschal Fr. 5'000.– inklusive Mehrwertsteuer (vgl. Urk. 86 zuzüglich Nachbesprechungsaufwand) auf die Gerichtskasse zu nehmen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 15. Juli 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Schuldsprüche), 2 (Strafe), 3 (Vollzug), 4 (Ersatzfreiheitsstrafe), 7-11 (Verfügungen über beschlagnahmte Gegenstände und Spurenmaterial) und 12 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Von der Anordnung einer Landesverweisung des Beschuldigten A. im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB wird abgesehen.

  2. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 13 und 14) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die Kosten der amtlichen Verteidigung im Berufungsverfahren werden auf Fr. 5'000.– festgesetzt und definitiv auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft See/Oberland

    • das Bundesamt für Polizei fedpol, Hauptabteilung Bundeskriminalpolizei, Kriminalanalyse KA2, Guisanplatz 1A, 3003 Bern (unter Hinweis auf Ziff. 1 des Beschlusses)

    • das Bundesamt für Polizei fedpol, Zentralstelle Waffen Guisanplatz 1A, 3003 Bern (unter Hinweis auf Ziff. 1 des Beschlusses)

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz (unter Rücksendung der Akten und mit dem Ersuchen um Vornahme der notwendigen Mitteilungen an die Lagerbehörden und Ämter [mit Ausnahme der Koordinationsstelle VOSTRA])

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 31. März 2023

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. Leuthard

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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