Zusammenfassung des Urteils SB210625: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte A.________ wurde wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln angeklagt, nachdem er links einer Sicherheitslinie überholte und in einen Unfall verwickelt war. Der Einzelrichter verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe und einer Verbindungsbusse. In der Berufung wurde das Urteil aufgehoben, da der Sachverhalt nicht eindeutig festgestellt werden konnte. Der Beschuldigte wurde freigesprochen, die Untersuchungskosten wurden ihm auferlegt. Der Richter war Dr. Reto Heizmann, die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Kanton auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210625 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 19.08.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1203/2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Grobe Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Geschwindigkeit; Beschuldigten; Laser; Messgerät; Motorrad; Vorinstanz; METAS; Verteidigung; Urteil; Geschwindigkeitsmessung; -Messgerät; Verkehrsregel; Kantons; Laser-Messgerät; Beruf; Verletzung; Berufung; Sinne; Strasse; Kantonspolizei; Höchstgeschwindigkeit; Geldstrafe; Verkehrsregeln; Gutachten |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 27 SVG ;Art. 29 BV ;Art. 391 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 41 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 121 IV 230; 122 IV 173; 130 IV 58; 133 III 439; 133 IV 9; 134 IV 60; 134 IV 97; 138 IV 120; |
Kommentar: | Waldmann, Basler Kommentar zum Strassenver- kehrsgesetz, Art. 90 SVG, 2014 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210625-O / U/ad-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichter lic. iur. Stiefel und Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie Gerichtsschreiberin MLaw Boese
Urteil vom 19. August 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 9. Februar 2021 (Urk. 13) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist schuldig der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4 a Abs. 1 lit. b VRV.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.– (entsprechend Fr. 7'200.–).
Die Geldstrafe wird vollzogen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 900.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 1'200.00 Gebühr für das Vorverfahren
Fr. 1'991.85 Auslagen (Gutachten METAS) Fr. 60.00 Auslagen Polizei
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 45 S. 1; Prot. II S. 24)
Das Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 24. Juni 2021 sei aufzuheben und der Beschuldigte von Schuld und Strafe freizusprechen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse, wobei dem Beschuldigten wegen der notwendigen anwaltlichen Vertretung eine Parteientschädigung von Fr. 6'850.– zzgl. Mehrwertsteuer zuzusprechen sei.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: (Urk. 49, schriftlich)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
Erwägungen:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Bülach, Einzelgericht, vom 24. Juni 2021 wur- de der Beschuldigte der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV schuldig gesprochen und mit einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.– bestraft (Urk. 31).
Gegen das mündlich eröffnete Urteil meldete der Beschuldigte mit Eingabe vom 5. Juli 2021 fristgerecht Berufung an (Urk. 34) und reichte am 3. Januar 2022 die begründete Berufungserklärung ein (Urk. 45). Er beantragt einen vollumfänglichen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse.
Mit Präsidialverfügung vom 4. Januar 2022 wurde der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben ein Nichteintreten auf die Berufung beantragt werde (Urk. 47). Innert der angesetzten Frist erhob die Staatsanwaltschaft keine Anschlussberufung. Mit Eingabe vom 10. Januar 2022 teilte sie einzig mit, dass sie die Bestätigung des vor-instanzlichen Urteils beantrage (Urk. 49).
Am 20. Mai 2022 wurde zur Berufungsverhandlung auf den 19. August 2022 vorgeladen (Urk. 52). Anlässlich derselben hielt der Beschuldigte an den eingangs aufgeführten Anträgen gemäss seiner schriftlichen Berufungserklärung vom 3. Januar 2022 fest (Prot. II S. 24).
Umfang der Berufung
Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Der Beschuldigte
verlangt die vollumfängliche Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, weshalb keine Dispositivziffer in Rechtskraft erwachsen ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel ergriffen hat, steht das vorinstanzliche Urteil unter Vorbehalt des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) somit insgesamt zur Disposition.
Beweisanträge des Beschuldigten
In seiner begründeten Berufungserklärung vom 3. Januar 2022 stellte der Beschuldigte die Beweisanträge auf Einholung einer Auskunft des Eidgenössischen Instituts für Metrologie (nachfolgend METAS) betreffend die Frage nach der METAS-Nummer des beim angeklagten Vorfall verwendeten Messgerätes bzw.
die Befragung der Messfunktionärin B.
als Zeugin betreffend das von ihr
verwendete Gerät bzw. dessen Gerätenummer. Ferner beantragte er, die Herstel-
lerin des Geräts J.
rechtshilfeweise über das EDA einzuladen, die Frage
nach der Notwendigkeit einer Durchführung von standardisierten Probemessungen vor Inbetriebnahme des Geräts J. bei Verwendung zusammen mit einer Videoaufzeichnungsanlage zu beantworten und die aktuelle Bedienungsanleitung für das Gerät einzureichen. Ausserdem beantragte der Beschuldigte die Durchführung eines Augenscheins, nachdem die Antwort des METAS zur Nummer des verwendeten Messgeräts, die verlangte Stellungnahme der ausländischen Herstellerin und die Bedienungsanleitung zum Gerät J. eingegangen sind (Urk. 45 S. 3 f.).
Diese Beweisanträge wurden mit Präsidialverfügung vom 8. Juli 2022 einstweilen abgewiesen (Urk. 56). Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 19. August 2022 hielt der Beschuldigte an den gestellten Anträgen fest und beantragte neu, dass das Berufungsgericht die englische Bedienungsanleitung des J. von der Homepage der Herstellerin herunterlade und die Kantonspolizei Zürich dazu auffordere, die vom verwendeten Laser-Messgerät erstellte Datei, mit welcher das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung gespeichert worden sei, vorzulegen (Prot. II S. 6 f., 23 f.). Auf die Beweisanträge des Beschuldigten ist im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen zum Sachverhalt einzugehen.
Anklagevorwurf
Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift vom 9. Februar 2021 vorgeworfen, er habe am Dienstag, 9. Oktober 2018 um 17.42 Uhr sein Motorrad ausserorts auf der C. -strasse in D. , Höhe E. -weg, in Fahrtrichtung F. gelenkt und dabei die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 53 km/h überschritten. Dies habe er bewusst und gewollt getan, da er aufgrund der zuvor getätigten starken Beschleunigung seines Motorrads zumindest damit habe rechnen müssen, so schnell unterwegs zu sein, und habe dies in Kauf genommen. Durch sein Verhalten habe der Beschuldigte die übrigen Verkehrsteilnehmer zumindest in abstrakter Weise erheblich gefährdet, da diese nicht damit hätten rechnen müssen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Mass überschritten werde (Urk. 13 S. 2).
Zu erstellender Sachverhalt
Dass der Beschuldigte den in der Anklage aufgeführten Strassenabschnitt zur angegebenen Zeit mit seinem Motorrad befuhr, ist unbestritten und ergibt sich aus den Untersuchungsakten. Der objektive Sachverhalt ist insofern erstellt.
Der Beschuldigte bestreitet jedoch eine Geschwindigkeitsüberschreitung im angeklagten Umfang und macht zusammengefasst geltend, er habe auf der gut sichtbaren Tacho-Anzeige seines Motorrads lediglich zwei Zahlen gesehen. Die gefahrene Geschwindigkeit müsse sich daher noch im zweistelligen Bereich bewegt, d.h. maximal 99 km/h betragen haben (Urk. 4/2 S. 2 ff., 9; Prot. I S. 11, 13, 15, 18; Prot. II S. 17 f.). In diesem Zusammenhang weist die Verteidigung auf verschiedene Mängel der Geschwindigkeitsmessung durch die Kantonspolizei Zürich hin und stellt sich auf den Standpunkt, das gesamte Messergebnis sei nicht verwertbar und könne einer Verurteilung des Beschuldigten nicht zugrunde gelegt werden (Urk. 45 S. 3 f.; Prot. II S. 7 f., 19 f., 23 f.; vgl. auch Prot. I S. 4, 20). Weiter kritisiert die Verteidigung die im eingeholten Gutachten vorgenommene Weg- Zeit-Analyse und erklärt, eigene Ausmessungen vor Ort hätten andere Ergebnisse
ergeben (Urk. 45 S. 4; Prot. I S. 4, 20). Nachfolgend wird demnach zu erstellen sein, ob der Beschuldigte sein Motorrad mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h über die C. -strasse gelenkt und damit die für den befahrenen Strassenabschnitt signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 53 km/h überschritten hat.
In subjektiver Hinsicht anerkennt der Beschuldigte, er habe gewusst, dass auf der befahrenen Strecke eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h einzuhalten gewesen wäre (Urk. 4/1; Urk. 4/2 S. 3). Er bestreitet jedoch, dass er gewusst habe, mit der gemessenen Geschwindigkeit von 133 km/h gefahren zu sein, und die Überschreitung des Tempolimits um 53 km/h zumindest in Kauf genommen habe. Zudem stellt der Beschuldigte in Abrede, dass er in Kauf genommen habe, durch sein Verhalten eine erhöhte und naheliegende Unfallgefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu schaffen (vgl. Urk. 45 S. 4; Prot. II S. 21, 23).
Der bestrittene Teil des subjektiven Anklagesachverhalts, also was der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt genau wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen und ist damit eine Tatfrage. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn bei Fehlen eines Geständnisses aus äusseren Umständen auf jene inneren Tatsachen geschlossen werden muss. Eine Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Vorsatz bzw. Eventualvorsatz begründet ist. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass Tat- und Rechtsfragen insoweit eng miteinander verknüpft sind und sich teilweise überschneiden (BGE 133 IV 9, E. 4.1; BGE 130 IV 58, E. 8.5; je mit weiteren Hinweisen). Deshalb rechtfertigt es sich, die zu klärenden Tatfragen – soweit erforderlich
– im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen, wie auch die Vorinstanz vorgegangen ist (Urk. 42 S. 4 und 11 f.).
Beweismittel und deren Verwertbarkeit
Die Anklage basiert auf einer Laser-Geschwindigkeitsmessung der Kantonspolizei Zürich am Motorrad, welches der Beschuldigte zur Tatzeit auf der C. -strasse lenkte. Die Geschwindigkeitsmessung ist dokumentiert durch das Laser-Messprotokoll vom 9. Oktober 2018, ausgefüllt von der Messfunktionärin B.
(Urk. 3/6), sowie durch eine Videoaufnahme des Messgeräts (Urk.
3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und Urk. 7/4/1 S. 4 f.). Weiter liegen das Eichzertifikat zum verwendeten Laser-Messgerät (Urk. 3/5) und das Zertifikat über die erfolgreich
abgeschlossene Laserausbildung der Messfunktionärin B. (Urk. 3/4).
bei den Akten
Relevante Beweismittel sind sodann das in Auftrag gegebene Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020 betreffend die Geschwindigkeitsmessung am Motorrad des Beschuldigten (Urk. 7/4/1) sowie dessen Aussagen (Urk. 4/1-2; Prot. I S. 10 ff.; Prot. II S. 17 ff.).
Laser-Messprotokoll vom 9. Oktober 2018
Gemäss dem Laser-Messprotokoll wurde die zu beurteilende Geschwindigkeitsmessung am 9. Oktober 2018 durch ein Messgerät des Typs J. mit der METAS-Nummer … durchgeführt. Die Videoaufnahme des für die Messung angeblich verwendeten Laser-Messgeräts zeigt hingegen die METAS-Nummer … an. Diesen Widerspruch in den angegebenen METAS-Nummern wertete die Vorinstanz als Schreibfehler im Laser-Messprotokoll (Urk. 42 S. 5).
Die Verteidigung wendet hiergegen ein, dass ohne neuerliche Überprüfung nicht zu Ungunsten des Beschuldigten von einem Schreibfehler im Messprotokoll ausgegangen werden könne. Sollte die Messfunktionärin B. tatsächlich das Messgerät mit des METAS-Nummer … verwendet haben, wäre die protokollierte Messung nicht verwertbar, da diesbezüglich keine Eichzertifikate vorliegen wür- den. In diesem Zusammenhang stellt sie den erwähnten Beweisantrag, wonach eine Auskunft der METAS über die Frage einzuholen sei, ob ein Messgerät mit der METAS-Nummer … existiere. Sodann sei die Messfunktionärin B. als Zeugin zu dem von ihr verwendeten Messgerät bzw. dessen METAS-Nummer zu befragen (Urk. 45 S. 3; vgl. auch Prot. II S. 20).
Mit der Vorinstanz bestehen keine im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StPO un- überwindbaren Zweifel daran, dass ein Verschrieb im handschriftlich ausgefüllten Laser-Messprotokoll vorliegt. So weicht die dort aufgeführte METAS-Nummer
(….) des verwendeten Messgeräts lediglich mit einer (fehlenden) Zahl von der METAS-Nummer (…) gemäss der Videoaufzeichnung der Laser-Messung ab. Alle weiteren Angaben im Laser-Messprotokoll sind identisch mit den entsprechenden Anzeigen der Videoaufnahme bzw. einem Standbild daraus (vgl. Urk. 3/1). Die METAS-Nummer, welche in der Videoaufzeichnung dargestellt wird, stimmt so- dann mit dem eingeholten Eichzertifikat desjenigen Laser-Messgeräts überein, welches am 9. Oktober 2018 für die Geschwindigkeitsmessung an der C. strasse in D. verwendet wurde. Darin wird das Messgerät wie folgt bezeich- net: J. , S.-Nr. …, METAS … (Urk. 3/5). Im Gutachten des METAS vom
13. Juli 2020 wird schliesslich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die im Laser-Messprotokoll angegebene METAS-Nummer … ungültig sei bzw. nicht existiere, weshalb von einem Schreibfehler der zuständigen Messfunktionärin auszugehen sei (Urk. 7/4/1 S. 2, 12). Die vom Beschuldigten gestellten Beweisanträge versprechen somit keine neuen Erkenntnisse, welche den gerichtlichen Entscheid zu beeinflussen vermögen. Sie sind daher abzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Beschuldigten ist das Laser-Messprotokoll vom
9. Oktober 2018 verwertbar. Mit dem Messgerät des Typs J. mit der METAS- Nummer … werden die Werte der Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 wiedergegeben.
Videoaufnahme des Laser-Messgeräts / Durchführung von Tests entsprechend den Vorgaben der Herstellerin
Die Verteidigung rügt, die am Laser-Messgerät angebrachte Videokamera sei nicht geeicht gewesen. Die Herstellerin des verwendeten J. schreibe je- doch zwingend vor, dass sowohl die Laserpistole als auch die Videoeinheit vor der Inbetriebnahme geeicht werden müssten. Für die Eichung der Laserpistole liege ein entsprechendes Zertifikat vor. Ein Eichzertifikat für das an der Lasereinheit angebrachte Videogerät fehle hingegen, da das METAS nie eine Eichung vorgenommen habe. Werte man die erstellte Videoaufnahme zusammen mit der Geschwindigkeitsmessung des Laser-Messgeräts aus, bestehe folglich die Gefahr, dass Dateien zusammengeführt würden, die gar nicht zusammengehören. Um Divergenzen zwischen der Videoaufzeichnung und der Laser-Messung ausschliessen zu können, sei die Kantonspolizei Zürich aufzufordern, die vom verwendeten Messgerät erstellte Datei, mit welcher das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 gespeichert worden sei, vorzulegen (Prot. I S. 4, 20; Urk. 45 S. 3; Prot. II S. 6 f., 20).
Die Verteidigung weist sodann darauf hin, dass im Laser-Messprotokoll nicht dokumentiert sei, dass vor der Geschwindigkeitsmessung ein Test des Videogeräts vorgenommen worden sei, obwohl die Herstellerin einen solchen Test zwingend vorschreibe. Hinsichtlich des verwendeten Laser-Messgeräts werde in der Bedie- nungsanleitung zudem die vorgängige Durchführung eines sogenannten HUD- Ausrichtungstests und eines Differenzial-Distanztests zwingend vorgesehen. Diese Tests seien vor der Messung vom 9. Oktober 2018 nicht vorgenommen wor- den. Jedenfalls fehle es an einer entsprechenden Dokumentation der Kantonspolizei Zürich. Unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 3 der Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung (VSKV-ASTRA; SR 741.013.1) ist die Verteidigung der Ansicht, dass sowohl die Videoaufnahme des Laser-Messgeräts als auch das gesamte Messergebnis nicht verwertbar sind, da die Laser- Geschwindigkeitsmessung nicht entsprechend der Herstellerangaben durchgeführt wurde (Prot. I S. 4, 20; Urk. 45 S. 3; Prot. II S. 7 f., 19 f., 23 f.). Die Herstellerin des Messgeräts J. sei deshalb rechtshilfeweise über das EDA einzula- den, die Frage nach der Notwendigkeit einer Durchführung von standardisierten Probemessungen vor Inbetriebnahme eines J. -Messgeräts bei Verwendung zusammen mit einer Videoaufzeichnungsanlage zu beantworten. Weiter sei die Herstellerin aufzufordern, die aktuelle Bedienungsanleitung für das Laser- Messgerät einzureichen (Urk. 45 S. 3). Eventualiter sei die englische Bedienungsanleitung zum J. von der Homepage der Herstellerin herunterzuladen (Prot. II S. 7 f.).
In Bezug auf den Einwand der Verteidigung, die mit dem Laser-Messgerät gekoppelte Videokamera hätte ebenfalls geeicht sein müssen, kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 42 S. 8 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Hervorzuheben ist, dass die Videoaufzeichnung lediglich dazu dient, die Verkehrssituation zu dokumentieren und auszuschliessen, dass die La-
ser-Messung ein anderes Fahrzeug als das mit dem Laser anvisierte betrifft. Zu- dem ermöglicht sie eine Geschwindigkeitsbestimmung des gefilmten Fahrzeugs auf der Basis einer Weg-Zeit-Rechnung, welche ausschliesslich die Überprüfung der Lasermessung und damit den Ausschluss grober Fehler bei der Geschwindigkeitsmessung zum Zweck hat. Die Auswertung der parallel erfolgten Videoaufzeichnung ist unabhängig von der Laser-Messung und für deren Gültigkeit irrelevant (Urk. 7/4/1 S. 6, 9). So kann eine Geschwindigkeitsmessung mit dem J. auch ohne Videoaufnahme vorgenommen werden (Urk. 7/6 S. 17, 19).
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im Zulassungszertifikat vom 3. März 2014 betreffend das Laser-Geschwindigkeitsmesssystem J. festgehalten wird, dass nicht nur das eigentliche Laser-Messgerät eichtechnisch relevant sei, sondern auch der digitale Videorecorder (DVR Laser G2) mit Kontrollmonitor und Tastatur (Urk. 7/4/2 S. 2). Im eingeholten Eichzertifikat vom 17. Januar 2018 betreffend das am 9. Oktober 2018 verwendete Geschwin- digkeitsmessgerät wird denn auch als Gegenstand der Eichung sowohl das Laser-Messgerät J. mit der METAS-Nummer … als auch das zugehörige Bild- dokumentationssystem (DVR Laser G2) aufgeführt (Urk. 3/5). Dies lässt darauf schliessen, dass die mit dem Laser-Messgerät gekoppelte Videokamera ebenfalls vom METAS geeicht wurde.
In der bereits beigezogenen und vom METAS genehmigten Bedienungsanleitung
betreffend das Geschwindigkeitsmesssystem J.
vom 1. Dezember 2013
sind keine Hinweise darauf enthalten, dass vor einer Laser- Geschwindigkeitsmessung auch ein Test der Videokamera zu erfolgen hätte. Ebensowenig wird ein Differenzial-Distanztest verlangt. Für amtliche Messungen ist lediglich ein Funktionstest des Lasers vorgeschrieben, bestehend aus einem Selbsttest, einem Test der Visiereinrichtung, was dem von der Verteidigung erwähnten HUD-Ausrichtungstest entspricht, und einem Null-Test (Urk. 7/6 S. 15 f., 17). Da eine Geschwindigkeitsmessung mit dem J. , wie vorstehend erwähnt, auch ohne Videoaufnahme erfolgen und ausgewertet werden kann, ist nicht ersichtlich, weshalb ein vorgängiger Test der Videokamera für die Verwertbarkeit der Laser-Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 erforderlich
sein soll. Dass vor dieser Messung kein Differenzial-Distanztest durchgeführt wurde, kann der Verwertbarkeit des Messergebnisses ebenfalls nicht entgegenstehen, zumal die genehmigte Bedienungsanleitung zum J. -Messgerät vom
1. Dezember 2013 gerade keinen solchen Test vorschreibt, sondern nur einen sogenannten Null-Test verlangt, der jedoch vorschriftsgemäss durchgeführt wurde (vgl. Urk. 3/6).
Vor diesem Hintergrund erweisen sich Beweisergänzungen als rechtlich unerheblich, weshalb von solchen abzusehen ist. Zudem ist der Verteidigung nicht zu folgen, wenn sie angibt, sowohl die Videoaufnahme des Laser-Messgeräts als auch das gesamte Messergebnis seien nicht verwertbar, da die Laser- Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 nicht entsprechend der Herstellerangaben durchgeführt worden sei.
Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020
Unter dem Titel Plausibilitätsüberprüfung wird im Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020 eine Weg-Zeit-Rechnung vorgenommen, basierend auf der Vi- deoaufnahme, welche das verwendete Laser-Messgerät bei der Geschwindigkeitsmessung anfertigte (Urk. 7/4/1 S. 9 ff.).
Die Verteidigung wendet zunächst ein, dass auf die im Gutachten dargelegte Weg-Zeit-Rechnung nicht abgestellt werden könne, da die Videokamera des Laser-Messgeräts nicht geeicht gewesen und die erstellte Videoaufnahme deshalb nicht verwertbar sei. Hierauf ist mit Verweis auf die vorstehenden Erwägungen nicht weiter einzugehen. Das Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020 erweist sich ohne Einschränkungen als verwertbar.
Weiter moniert die Verteidigung, die im eingeholten Gutachten vorgenommene Weg-Zeit-Analyse sei fehlerhaft. Ihre eigenen Ausmessungen vor Ort hätten an- dere Ergebnisse ergeben. Sie beantragt deshalb, dass das Gericht vom anklagegegenständlichen Strassenabschnitt einen Augenschein nehme und die Videoaufnahme vor Ort noch einmal anschaue (Urk. 45 S. 4; Prot. I S. 4, 20).
Die Weg-Zeit-Rechnung im Gutachten des METAS bezweckt einzig, die Plausibilität der Laser-Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und grosse Messfehler Fehlzuordnungen auszuschliessen (Urk. 7/4/1 S. 9). Allein das ordnungsgemäss erhobene Messergebnis betreffend die Geschwindigkeit des vom Beschuldigten gelenkten Motorrads ist für die Erstellung des objektiven Sachverhalts relevant, nicht aber die im Gutachten dargestellte Kontrollrechnung. Entsprechend erweist es sich von vornherein als unerheblich und nicht zielführend, die vom Beschuldigten befahrene Strecke gemäss Anklagesachverhalt ei- nem Augenschein zu unterziehen. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Vertei- digung nicht aufzeigt, inwiefern die Weg-Zeit-Rechnung der sachverständigen Gutachter fehlerhaft sei bzw. wie ihre eigenen Ausmessungen und Berechnungen davon abweichen. Der Beweisantrag auf Durchführung eines Augenscheins ist deshalb abzuweisen.
Beweiswürdigung / Sachverhaltserstellung
Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Beweiswürdigung zutreffend dargestellt, worauf verwiesen werden kann (Urk. 42 S. 4 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Am 9. Oktober 2018 fuhr der Beschuldigte unbestrittenermassen mit sei- nem Motorrad der Marke Yamaha auf dem Gebiet der Gemeinde D. über die C. -strasse in Richtung F. . Ausserorts auf der Höhe E. -weg ergab eine Laser-Geschwindigkeitsmessung der Kantonspolizei Zürich am Motorrad des Beschuldigten eine Geschwindigkeit von 134 km/h. Dies geht einerseits aus dem Laser-Messprotokoll der Messfunktionärin B. vom 9. Oktober 2018 hervor (Urk. 3/6) und wird andererseits durch die entsprechende Geschwindigkeitsanzeige in der korrespondierenden Videoaufnahme des Laser-Messgeräts bestätigt (Urk. 3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und 7/4/1 S. 4 f.). Bereits vorstehend wurde geklärt, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das Laser-Messgerät des Typs J. mit der METAS-Nummer … durchgeführt wurde (Ziffer III.3.2.3.).
Zur ordnungsgemässen Durchführung und Gültigkeit der Laser- Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 kann einleitend auf die zutreffenden Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil verwiesen werden (Urk. 42 S. 5 f.;
Art. 82 Abs. 4 StPO). Auch das Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020 kommt nach einlässlicher Prüfung zum Ergebnis, dass die Laser-Messung vom 19. Oktober 2018 am Motorrad des Beschuldigten messtechnisch korrekt und gemäss den einschlägigen ASTRA-Weisungen erfolgt ist. So habe das Laser-Messgerät zum Zeitpunkt der Messung eine gültige Eichung aufgewiesen. Weiter sei die Mess-
funktionärin B.
von der Kantonspolizei Zürich ermächtigt worden, Geschwindigkeitsmessungen mit Laser-Messgeräten wie dem verwendeten durchzuführen. Gemäss dem aktenkundigen Laser-Messprotokoll sei vorgängig zur amtlichen Messung der vorgeschriebene Gerätetest durchgeführt worden. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine Fehlbedienung ein Fehlverhalten des Messgeräts vor. Entsprechend wird im Gutachten des METAS festgehalten, dass das Messresultat korrekt zustande gekommen sei (Urk. 7/4/1 S. 3 ff., 12).
Die Mindestgeschwindigkeit des vom Beschuldigten gelenkten Motorrads errech- neten die sachverständigen Gutachter ausgehend von der tatsächlich gemesse- nen Geschwindigkeit von 134 km/h. Nach Abzug der maximalen Messunsicherheit von vorliegend 0.531% gelangten sie zum Ergebnis, dass die gefahrene Min- destgeschwindigkeit zum Messzeitpunkt mindestens 133 km/h betragen habe. Die Sicherheitsmargen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b VSKV-ASTRA dürften gemäss Art. 21 der ASTRA-Weisungen über polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachung im Strassenverkehr nicht noch zusätzlich berücksichtigt werden (Urk. 7/4/1 S. 7).
Die gutachterlichen Darlegungen sind nachvollziehbar und schlüssig, weshalb keine Veranlassung besteht, von diesen abzuweichen. Die vorstehend behandelten Vorbringen der Verteidigung vermögen die überzeugenden Schlussfolgerungen im Gutachten nicht in Zweifel zu ziehen.
Im Sinne eines Zwischenresultats ist somit festzuhalten, dass angesichts der objektiven Beweismittel keine unüberwindbaren Zweifel daran bestehen, dass der Beschuldigte sein Motorrad – wie in der Anklageschrift beschrieben – mit ei- ner Geschwindigkeit von 133 km/h ausserorts über die C. -strasse in Richtung F.
gelenkt und damit die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von
80 km/h um 53 km/h überschritten hat.
Anlässlich seiner polizeilichen Befragung (Kurzeinvernahme SVG) unmittelbar nach der Anhaltung anerkannte der Beschuldigte diesen Sachverhalt. Er führte aus, er habe seine Fahrt zunächst verlangsamen müssen, weil ein Fahrzeug vor ihm auf der Höhe Kieswerk abgebogen sei. Anschliessend habe er sein Motorrad beschleunigt, ohne dabei auf den Tacho zu schauen. Über die gemessene Geschwindigkeit zeigte sich der Beschuldigte nicht überrascht. Er führte aus, dass man mit seinem Motorrad sehr schnell beschleunigen und auf diese Weise eine hohe Geschwindigkeit erreichen könne. Auf entsprechende Nachfrage erklärte der Beschuldigte nochmals, er habe nicht auf den Tachometer geblickt (Urk. 4/1).
Sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei seiner Einvernahme anlässlich der Hauptverhandlung erklärte der Beschuldigte hingegen, die gemessene Geschwindigkeit könne nicht stimmen. Der Tacho seines Motorrads sei in seinem Sichtfeld gewesen und er habe lediglich zwei Zahlen auf der Anzeige gesehen. Die gefahrene Geschwindigkeit müsse daher maximal 99 km/h betragen haben. Es könne sicher keine dreistellige Zahl gewesen sein. Er fahre seit seinem 16. Lebensjahr Töff und spüre, wenn er schnell unterwegs sei. Die vorgehaltene Geschwindigkeit von 134 km/h komme ihm sehr komisch vor. Zudem habe er bremsen können, als der Polizeibeamte auf die Strasse gesprungen sei und ihn zum Anhalten aufgefordert habe. Dies sei ein Zeichen dafür, dass er nicht so schnell gefahren sei, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift festhalte (Urk. 4/2
S. 2 ff., 9; Prot. I S. 11, 13, 15, 18). Diese Aussagen wiederholte der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung (Prot. II S. 17 ff.). Mit dem Widerspruch zu seinen früheren Aussagen konfrontiert, erklärte der Beschuldigte, er habe diese Antworten lediglich deshalb gegeben, weil er so schnell wie möglich vom Ort des Geschehens habe weggehen und die Befragung durch die Kantonspolizei Zürich hinter sich bringen wollen. Ihm seien die Erinnerungen an sein Verkehrsdelikt aus dem Jahr 2013 wieder hochgekommen, weshalb ihm das Ganze ein wenig zu viel
gewesen sei. Er habe das Protokoll der Kurzeinvernahme nicht wirklich gelesen (Urk. 4/2 S. 4, 7; Prot. I S. 11, 16; vgl. auch Prot. II S. 18).
Die Vorinstanz stützte sich in ihrem Urteil auf die Aussagen des Beschul- digten gegenüber der Kantonspolizei Zürich unmittelbar nach seiner Anhaltung am 9. Oktober 2018. Die spätere Erklärung des Beschuldigten, er habe sich damals nur deshalb geständig gezeigt, weil er so schnell wie möglich vom Ort des Geschehens habe weggehen wollen und gehofft habe, die einvernehmende Polizistin werde keine weiteren Fragen stellen, wertete die Vorinstanz hingegen als blosse Schutzbehauptung (Urk. 42 S. 6 f.).
Die Verteidigung rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt insofern falsch festgestellt, als sie davon ausgegangen sei, die vorgenannte Erklärung des Beschuldigten sei lediglich vorgeschoben und als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Kenne man den Beschuldigten, dann glaube man diesem ohne Weiteres, dass seine Anhaltung am 9. Oktober 2018 durch die Kantonspolizei Zürich alte Erinnerungen und damit den Reflex in ihm hervorgerufen habe, schnellstmöglich wegzukommen. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Beschuldigte bei seiner Anhaltung die Telefonnummer seines späteren Verteidigers bei sich gehabt habe, da dieser damals bereits als Anwalt seiner Familie fungiert habe. Der Beschuldigte hätte sich somit jederzeit anwaltlichen Beistand einholen können. Indem er dies jedoch nicht getan habe, spreche sein Verhalten dafür, dass er in diesem Moment alles unternommen unterschrieben hätte, um die Befragung möglichst rasch hinter sich zu bringen (Urk. 45 S. 2 f.).
Es ist nachvollziehbar, dass die Anhaltung und anschliessende Befragung durch die Kantonspolizei Zürich am 9. Oktober 2018 beim Beschuldigten negative Erinnerungen hervorriefen an sein vergangenes Strafverfahren wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln und die entsprechende Verurteilung durch das Bezirksgericht Winterthur vom 12. März 2014. Ebenso erscheint verständlich, wenn der Beschuldigte ausführt, er sei extrem gestresst bzw. genervt gewesen und habe so schnell wie möglich wegkommen wollen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte wohl nicht zumindest nicht in dem
beschriebenen Ausmass gestresst und genervt gewesen wäre, als die Kantonspolizei Zürich ihn zum Anhalten aufforderte und zur Sache einvernahm, wenn er unmittelbar zuvor mit einer zulässigen Geschwindigkeit gefahren wäre.
Aufgrund seiner einschlägigen Verurteilung wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung von 71 km/h ausserorts wäre überdies zu erwarten gewesen, dass der Beschuldigte die gemessene Geschwindigkeit genau prüft und sich gegen eine vermeintliche Fehlmessung zur Wehr gesetzt hätte. So musste ihm klar bewusst sein, dass ihm ein Strafverfahren sowie eine empfindliche Strafe drohen könnten, sollte er tatsächlich mit einer Geschwindigkeit von 134 km/h unterwegs gewesen sein und damit die für die befahrene Strecke signalisierte Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h überschritten haben. Folglich durfte der Beschuldigte nicht davon ausgehen, dass die Angelegenheit mit Abschluss der polizeilichen Kurzeinvernahme vom 9. Oktober 2018 ihr Bewenden haben würde, auch wenn er später aussagte, er habe gehofft, man werde ihm nach der Anerkennung des Sachverhalts keine weiteren Fragen stellen und er könne die Befragung auf diese Weise schnell hinter sich bringen. Mit derselben Begründung kann die Verteidigung nichts daraus ableiten, dass der Beschuldigte trotz entsprechen- der Rechtsbelehrung darauf verzichtete, für seine Befragung durch die Kantonspolizei Zürich einen Rechtsanwalt zu seiner Verteidigung beizuziehen. Wenn der Beschuldigte schliesslich angibt, er habe das Protokoll der Kurzeinvernahme vom
9. Oktober 2018 nicht wirklich gelesen (Urk. 4/2 S. 4, 7; Prot. I S. 16; vgl. auch Urk. 45 S. 2), setzt er sich in Widerspruch mit seiner Aussage, dass die einver- nehmende Polizistin seine Antworten richtig protokolliert habe (Prot. I S. 16).
Die Vorbringen der Verteidigung vermögen das Geständnis des Beschul- digten anlässlich seiner Kurzeinvernahme durch die Kantonspolizei Zürich vom 9. Oktober 2018 somit nicht in Zweifel zu ziehen. Für die Glaubhaftigkeit seiner damaligen Aussagen spricht zunächst, dass der Beschuldigte in jenem tatnahen Zeitpunkt ohne jeglichen Vorbehalt anerkannte, sein Motorrad mit einer gemesse- nen Geschwindigkeit von 134 km/h ausserorts auf der C. -strasse in Richtung F. gelenkt zu haben und nachvollziehbar begründete, wie es zu diesem Tempoexzess gekommen war. So führte er aus, er habe sein Motorrad beschleunigt, nachdem er die Geschwindigkeit kurz habe reduzieren müssen, weil ein Fahrzeug vor ihm auf der Höhe Kieswerk abgebogen sei (Urk. 4/1). Diese Aussage wiederholte er im Wesentlichen anlässlich der Hauptverhandlung (Prot. I S. 14).
Hinzu kommt, dass der Beschuldigte bei seiner Anhaltung am 9. Oktober 2018 zunächst von sich aus und anschliessend auf entsprechende Frage der einvernehmenden Polizistin hin aussagte, er habe bei der Beschleunigung seines Motorrads nicht auf den Tacho geschaut (Urk. 4/1). Anlässlich seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme sowie bei seiner Befragung im Rahmen der Hauptverhandlung betonte der Beschuldigte hingegen wiederholt, die Tacho-Anzeige seines Motorrads sei gut sichtbar gewesen, und er habe lediglich zwei Zahlen darauf gesehen. Es könne sicher keine dreistellige Zahl gewesen sein (Urk. 4/2 S. 2 ff., 9; Prot. I S. 11, 13, 15, 18; vgl. auch Prot. II S. 17 f.). Es erscheint nur wenig glaubhaft, dass sich der Beschuldigte zwei bzw. zweieinhalb Jahre nach der Geschwindigkeitsüberschreitung und seiner diesbezüglichen Einvernahme durch die Kantonspolizei Zürich genauer daran erinnern konnte, ob er während der gemessenen Fahrt auf den Tacho seines Motorrads geschaut und welche Tempoanzeige er darauf erkannt hat. Weiter erscheint lediglich vorgeschoben, wenn er sich erst im Rahmen des Vorverfahrens bzw. anlässlich der Hauptverhandlung erstaunt zeigte über die gemessene Geschwindigkeit und erklärte, diese könne nicht stimmen (Urk. 4/2 S. 2; Prot. I S. 11, 15, 18). Vielmehr ist auf die unmittelbare Reaktion des Beschuldigten auf das Ergebnis der Laser-Messung abzustellen. Anlässlich seiner Kurzeinvernahme vom 9. Oktober 2018 zeigte er sich jedoch nicht überrascht von der gemessenen Geschwindigkeit von 134 km/h, sondern erklärte, mit seinem Motorrad könne man sehr schnell beschleunigen und eine hohe Geschwindigkeit erreichen (Urk. 4/1).
Mit der Vorinstanz ist demnach festzuhalten, dass die Aussagen des Beschuldigten, mit denen er sein Geständnis gegenüber der Kantonspolizei Zürich vom 9. Oktober 2018 zurückzog, als blosse Schutzbehauptungen zu qualifizieren sind. Abzustellen ist somit auf die ursprüngliche Bestätigung des Beschuldigten anlässlich seiner Kurzeinvernahme, wonach er die gemessene Geschwindigkeit
anerkenne. Zusammen mit der korrekt durchgeführten Laser- Geschwindigkeitsmessung vom 9. Oktober 2018 und den nachvollziehbaren Schlussfolgerungen im sachverständigen Gutachten des METAS vom 13. Juli 2020 ergibt sich im Ergebnis ohne überwiegende Zweifel, dass der Beschuldigte sein Motorrad an jenem Tag mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h ausserorts über die C. -strasse in Richtung F. lenkte und damit die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 53 km/h überschritt. Der objektive Anklagesachverhalt ist insofern erstellt.
Urteil der Vorinstanz / Standpunkt des Beschuldigten
Die Vorinstanz gelangte zum Ergebnis, der Beschuldigte habe mit seinem Verhalten sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV erfüllt (Urk. 42 S. 12).
Die Verteidigung trägt hingegen vor, dass der subjektive Tatbestand nicht ohne Weiteres als erfüllt erachtet werden könne. So könne allein aus einer kurzfristigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht abgeleitet werden, der Beschuldigte habe in Kauf genommen, für andere Verkehrsteilnehmer eine abstrakte Unfallgefahr zu schaffen. Ganz im Gegenteil habe der Beschuldigte noch nie einen Unfall verursacht andere einer konkreten Unfallgefahr ausgesetzt, weshalb davon auszugehen sei, dass er keine Gefährdung Dritter seine eigene in Kauf genommen habe (Urk. 45 S. 4; Prot. II S. 21, 23).
Objektiver Tatbestand
Die Vorinstanz gab die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG durch Überschreitung von Höchstgeschwindigkeiten zutreffend wieder (Urk. 42 S. 9 f.). Auf diese Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Zum Erfor- dernis der ernstlichen Gefahr für die Sicherheit anderer ist zu ergänzen, dass eine
solche bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben ist. Die erhöhte abstrakte Gefahr setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung voraus (BGE 122 IV 173, E. 2.b/bb; BGE 121 IV 230, E. 2.b/aa; je mit weiteren Hinweisen).
Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass die erstellte Geschwindigkeits- überschreitung des Beschuldigten mit 53 km/h deutlich über dem vom Bundesgericht festgelegten Schwellenwert für nicht richtungsgetrennte Strassen ausserorts liegt, ab dem grundsätzlich unbesehen der konkreten Umstände eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG gegeben ist. Verkehrsteilnehmer dürfen sich darauf verlassen, dass (andere) Autofahrer und sonstwie motorisierte Verkehrsteilnehmer sich in etwa an die Geschwindigkeitsvorschriften halten. Wer, wie der Beschuldigte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als zwei Drittel überschreitet, schafft nicht nur durch den Überraschungseffekt für Dritte eine naheliegende abstrakte Gefahrenlage, sondern auch durch eine erhöhte kinetische Energie, die sich in einem wesentlich längeren Bremsweg und einem stärkeren Aufprall im Falle einer Frontaloder Seitenkollision niederschlägt. Das Verhalten des Beschuldigten ist somit in objektiver Hinsicht als schwerwiegend verkehrsregelwidrig einzustufen.
Subjektiver Tatbestand
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen zum subjektiven Tatbestand der groben Verletzung der Verkehrsregeln anhand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zutreffend dargelegt (Urk. 42 S. 11). Auf die entsprechenden Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO).
Die Verteidigung rügt, dass das vorinstanzliche Urteil an einem Begrün- dungsmangel leide, da konkrete Ausführungen zur Wissens- und Willenskompo- nente, mithin zum Vorsatz des Beschuldigten fehlen würden (Urk. 45 S. 4; vgl. auch Prot. II S. 21).
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt unter anderem die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Be-
gründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebe- nenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGE 133 III 439, E. 3.3 mit weiteren Hinweisen).
Dem vorstehenden Einwand der Verteidigung ist nicht zu folgen. Der Urteilsbegründung lassen sich ohne Weiteres die wesentlichen Gründe und Überlegungen entnehmen, weshalb die Vorinstanz zum Ergebnis kam, der Beschuldigte habe auch den subjektiven Tatbestand der schweren Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt (Urk. 42 S. 11 f.). Die Vorinstanz war nicht dazu verpflichtet, sich mit jeder Aussage des Beschuldigten bzw. mit jedem Argument der Verteidigung auseinanderzusetzen. Ihre Ausführungen mussten dem Beschul- digten lediglich die Möglichkeit eröffnen, das Urteil sachgerecht anzufechten, wozu er offensichtlich in der Lage war (vgl. Urk. 45 S. 4).
In einer Konstellation wie der vorliegenden, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer nicht richtungsgetrennten Strasse ausserorts um 30 km/h mehr überschritten wurde, ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich auf ein zumindest grobfahrlässiges Verhalten zu schliessen (BGer 6B_33/2015 vom 5. Mai 2015, E. 1.1; BGer 6B_766/2013 vom 24. Februar 2014,
E. 1.4; BGer 6B_50/2013 vom 4. April 2013, E. 1.3 mit weiteren Hinweisen). Die Vorinstanz kam hingegen zum Ergebnis, der Beschuldigte habe eventualvorsätzlich gehandelt (Urk. 42 S. 12). Die Verteidigung wendet hiergegen ein, es könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte in Kauf genommen habe, für andere Verkehrsteilnehmer sich selber eine abstrakte Unfallgefahr zu schaffen (Urk. 45 S. 4; Prot. II S. 21, 23). Nachfolgend ist deshalb zu prüfen, ob die Vorinstanz auf eine (eventual-)vorsätzliche Tatbegehung erken- nen durfte.
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter weiss um die Möglichkeit des Erfolgseintritts bzw. das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissenskompo- nente stimmen beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands somit überein. Unterschiede bestehen hingegen auf der Willensseite. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten tatbestandsmässigen Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, will ihn im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg billigt. Ob er die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinn in Kauf genommen hat, muss das Gericht nach den Umständen entscheiden (BGE 133 IV 9, E. 4.1; BGE 130 IV 58, E. 8.3;
BGer 6B_870/2018 vom 29. April 2019, E. 3.7.1).
Vorstehend wurde festgehalten, dass auf das Geständnis des Beschuldigten anlässlich seiner Kurzeinvernahme vom 9. Oktober 2018 abzustellen ist. Dort anerkannte er zwar die gemessene Geschwindigkeit von 134 km/h, sagte jedoch spontan und auf entsprechende Nachfrage aus, er habe bei der Beschleunigung seines Motorrads nicht auf den Tacho geschaut (Urk. 4/1). Folglich ist nicht erstellt, dass der Beschuldigte aufgrund seines Blicks auf die Tacho-Anzeige wusste, dass er sein Motorrad auf eine Geschwindigkeit von mindestens 133 km/h beschleunigt hatte. Allerdings erklärte der Beschuldigte wiederholt, dass man mit seinem Motorrad sehr schnell beschleunigen und auf diese Weise eine hohe Geschwindigkeit erreichen könne. Entsprechend zeigte er sich bei seiner Anhaltung durch die Kantonspolizei Zürich über die gemessene Geschwindigkeit nicht überrascht (Urk. 4/1; Urk. 4/2 S. 4; vgl. auch Prot. I S. 14). Die nicht unerhebliche (Beschleunigungs-) Leistung ergibt sich auch aus der eingereichten Übersicht über die technischen Daten des vom Beschuldigten gelenkten Motorrad-Modells (Yamaha, …; Urk. 29). Das Motorrad gehörte dem Beschuldigten zum Tatzeitpunkt
bereits seit gut einem Jahr und er fuhr regelmässig damit (Prot. I S. 12, 18; Prot. II
S. 17). Sodann betonte er wiederholt, dass er ein erfahrener Motorradfahrer sei und sozusagen im Seitenwagen aufgewachsen sei (Urk. 4/2 S. 2; Prot. I S. 11 f.). Der in der Anklageschrift genannte Strassenabschnitt war dem Beschuldigten bekannt, und er wusste, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 80 km/h betrug (Urk. 4/1; Urk. 4/2 S. 3; Prot. I S. 12; Prot. II S. 19). Angesichts dieser Umstände bestehen keine überwiegende Zweifel daran, dass der Beschuldigte bemerken zumindest damit rechnen musste, dass er sein Motorrad mit einer stark übersetzten Geschwindigkeit ausserorts über die C. -strasse lenkte, selbst wenn er nach dem kurzen Abbremsen bei der Verzweigung in Richtung Kieswerk nicht maximal beschleunigt haben will. Entsprechend musste der Beschuldigte wissen immerhin mit der Möglichkeit rechnen, dass er durch die erhebliche Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit eine elementare Verkehrsregel verletzte, und nahm dies durch sein Verhalten in Kauf.
Dabei musste er sich im Klaren sein, dass es ihm nicht möglich sein würde, bei einem auftretenden Hindernis einem unerwarteten Manöver eines anderen Verkehrsteilnehmers innerhalb weniger Sekunden adäquat zu reagieren und so stark abzubremsen, um eine Seitenoder Frontalkollision verhindern zu kön- nen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei derart hohen Geschwindigkeiten aufgrund des entsprechend verlängerten Bremswegs und der massiv höheren kinetischen Energie bei einer Kollision mit einem Hindernis einem anderen Verkehrsteilnehmer nicht nur mit einem Sachschaden zu rechnen ist, sondern andere Fahrzeuglenker mindestens schwere Verletzungen davontragen könnten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte die erstellte Geschwindigkeitsüberschreitung an einem Wochentag um
17.42 Uhr, d.h. bei erhöhtem Verkehrsaufkommen infolge des Feierabendverkehrs beging. Entsprechend kamen dem Beschuldigten zur Tatzeit auf der ungetrennten Gegenfahrbahn des aufgezeichneten Streckenabschnitts mehrere Personenwagen entgegen. Zudem war auf dem separaten Fahrradstreifen unmittelbar neben der Fahrspur des Beschuldigten ein E-Bikefahrer unterwegs (Urk. 3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und 7/4/1 S. 4 f.). Dies erkannte auch der Beschuldigte. So bestätigte er anlässlich der Hauptverhandlung, dass infolge des Feierabendverkehrs zum Tatzeitpunkt ein paar Autos unterwegs gewesen seien. So seien auf der Gegenfahrbahn sowie auf seiner Fahrspur vor ihm sicher ein paar Autos gefahren (Prot. I S. 14 f.). Angesichts dieser konkreten Verkehrssituation musste der Beschuldigte wissen zumindest damit rechnen, dass er durch die krasse Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit eine erhebliche abstrakte Gefährdung und damit eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer Personen schuf.
Dass der Beschuldigte einen Verkehrsunfall im Sinne des Eventualvorsatzes auch in Kauf nahm, muss aus den tatsächlichen Umständen zu erschliessen sein, die diesen Schluss zweifelsfrei zulassen. Angesichts der einhergehenden Selbstgefährdung ist Eventualvorsatz allerdings nicht leichthin anzunehmen (BGE 133 IV 9, E. 4.2.5; BGE 130 IV 58, E. 9.1.1; BGer 6B_870/2018 vom 29. April
2019, E. 3.7.3). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt eventualvorsätzliche Tatbegehung nur bei krasser Fahrweise vor, wenn der Fahrzeuglenker das Geschehen gleichsam aus der Hand gibt, er es nicht mehr unter Kontrolle hat, die Gefahrenlage zu meistern einen Unfall durch eigene Machtmittel zu vermeiden, bzw. sich der noch glimpfliche Ausgang alleine dem glücklichen Zufall zuschreiben lässt, letzteres insbesondere dann, wenn sich der Täter mit massiver Geschwindigkeitsüberschreitung ein Rennen mit einem anderen Fahrzeuglenker liefert, sodass zu schliessen ist, er habe sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden (BGE 133 IV 9, E. 4.3; BGE 130 IV 58, E. 9.1.1; BGer 6B_870/2018
vom 29. April 2019, E. 3.7.3). Nach dem Gesagten ist Eventualvorsatz selbst bei Verletzungs- und Todesfolgen im Strassenverkehr nur mit Zurückhaltung und in krassen Fällen anzunehmen, in denen sich aus dem Gesamtgeschehen heraus ergibt, dass sich der Täter gegen das geschützte Rechtsgut entschieden hat (BGE 133 IV 9, E. 4.4; BGer 6B_870/2018 vom 29. April 2019, E. 3.7.3).
Die Verteidigung bringt diesbezüglich vor, der Beschuldigte habe in der Vergangenheit noch nie einen Verkehrsunfall mit Fremd- und/oder Eigenschaden verursacht, weshalb davon auszugehen sei, dass er keine abstrakte Gefährdung Dritter eine Gefahr für seine eigene Sicherheit in Kauf genommen habe (Urk.
45 S. 4; Prot. II S. 21, 23; vgl. auch Prot. I S. 22). Diese Ausführungen sind nicht zielführend. Vorliegend ist einzig relevant, ob aufgrund der Umstände darauf zu schliessen ist, dass der Beschuldigte im konkreten Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung, d.h. am 9. Oktober 2018 um 17.42 Uhr eine erhöhte abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zumindest in Kauf nahm, d.h. mit dem Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs rechnete und sich damit abfand. Dem automobilistischen Leumund des Beschuldigten kommt bei dieser Beurteilung – wenn überhaupt – eine bloss untergeordnete Bedeutung zu.
Die erstellte Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h auf einer nicht richtungsgetrennten Strasse ausserorts hat ohne Weiteres als waghalsig und extrem riskant zu gelten. Der Beschuldigte überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als zwei Drittel und schuf damit eine naheliegende abstrakte Gefahrenlage für andere Verkehrsteilnehmer. Die potentielle Gefährdung der Sicherheit Dritter musste sich dem Beschuldigten regelrecht auf- drängen, fuhr er doch an einem Wochentag um 17.42 Uhr, d.h. bei erhöhtem Verkehrsaufkommen infolge des Feierabendverkehrs auf der C. -strasse. Er sagte selbst aus, dass zur Tatzeit sowohl auf der Gegenfahrbahn als auch auf seiner Fahrspur ein paar Autos gefahren seien (Prot. I S. 14 f.). Diese Aussage deckt sich mit dem Beweisergebnis (Urk. 3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und 7/4/1 S. 4 f.). Präzisierend ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschuldigten auf dem aufgezeichneten Streckenabschnitts sieben Personenwagen entgegenkamen. Auf dem separaten Fahrradstreifen unmittelbar neben der Fahrspur des Beschuldigten war sodann ein E-Bikefahrer unterwegs.
Hinzu kommt, dass der Beschuldigte aus einer leichten Linkskurve heraus auf den gemessenen Streckenabschnitt der C. -strasse gelangte. Im Moment, als die Messung eine Geschwindigkeit des Beschuldigten von 134 km/h anzeigte, passierte dieser eine Strassenzufahrt, an welcher ein Personenfahrzeug darauf wartete, in die C. -strasse einzubiegen. Der Beschuldigte bestätigte, dass ihm die befahrene Strecke bekannt gewesen sei (Urk. 4/2 S. 3; Prot. I S. 12). Folglich musste er wissen, dass er aus der Linkskurve der C. -strasse auf eine Zufahrt zusteuerte, aus welcher Fahrzeuge entweder auf die nicht richtungsgetrennte Gegenfahrbahn auf seine Fahrspur einbiegen könnten. Indem der Beschuldigte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 133 km/h an der Strassenzufahrt vorbeiraste, schuf er ein erhebliches Unfallrisiko. So hätte er kaum frühzeitig ein Bremsmanöver einleiten können, hätte sich an dieser Stelle tatsächlich ein anderes Fahrzeug unmittelbar vor ihm eingespurt. Der Lenker des Perso- nenwagens hätte bei seinem Einbiegemanöver sodann nicht damit rechnen müssen, dass von rechts der Beschuldigte mit einer derart übersetzten Geschwindigkeit herannahen würde. Im Falle einer Kollision wären aufgrund der erhöhten ki- netischen Energie schwerste Verletzungswenn nicht sogar Todesfolgen zu erwarten gewesen.
Zwar beschreibt sich der Beschuldigte als einen erfahrenen Motorradfahrer (Urk. 4/2 S. 2; Prot. I S. 11 f.) und ist nicht leichthin anzunehmen, dass er sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer einer abstrakten Unfallgefahr aussetzen wollte. Allerdings kann angesichts der vorstehenden Umstände nicht mehr davon ausgegangen werden, er habe im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang seines Beschleunigungsmanövers vertraut. Vielmehr ist das Verhalten des Beschuldigten als schwerwiegend verkehrsregelwidrig einzustufen und zeugt von einer erheblichen Rücksichtslosigkeit. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h liegt zudem nur knapp unterhalb der Grenze, ab welcher von einer qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 90 Abs. 4 lit. c SVG auszugehen wäre. Eine solche setzt gerade keinen Gefährdungsvorsatz mehr voraus (F IOLKA, in: Niggli/Probst/Waldmann [Hrsg.], Basler Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, N 146 zu Art. 90 SVG).
Der Vorinstanz ist somit zu folgen, wenn sie das Verhalten des Beschuldigten in subjektiver Hinsicht als eventualvorsätzlich qualifiziert. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die (eventual-)vorsätzliche als auch die grobfahrlässige Verletzung von Verkehrsregeln gleichermassen im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG strafbar ist (BGer 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022, E. 1.5.2; BGer 6B_692/2020 vom 27. September 2021, E. 1.3; BGer 6B_267/2019 vom 11. Dezember 2019,
E. 3.3). Ob vorsätzliches fahrlässiges Handeln vorliegt, ist daher nicht in erster Linie für die Tatbestandsmässigkeit massgeblich, sondern für die Bestimmung des Verschuldens und damit für die Strafzumessung (BGer 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022, E. 1.6.4; BGer 6B_208/2015 vom 24. August 2015, E. 13.3).
Fazit
Mit seinem Verhalten hat der Beschuldigte sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand der groben Verletzung der Verkehrsregeln erfüllt. Rechtfertigungsoder Schuldausschlussgründe sind nicht gegeben und wurden vom Beschuldigten auch nicht vorgebracht. Er ist daher anklagegemäss der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV schuldig zu sprechen.
Urteil der Vorinstanz / Standpunkt des Beschuldigten
Mit dem vorinstanzlichen Urteil wurde der Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.– bestraft (Urk. 42 S. 16).
Für den Fall, dass der vorinstanzliche Schuldspruch bestätigt werden sollte, weist die Verteidigung darauf hin, dass die Strafzumessung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten im Zeitpunkt des obergerichtlichen Urteils vorzunehmen sei (Urk. 45 S. 4). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte sie diesbezüglich aus, der Beschuldigte habe sein Arbeitsverhältnis mit der G. per Ende August 2022 gekündigt. Derzeit habe er noch keine neue Stelle in Aussicht, sondern werde ab September 2022 vorerst über kein Erwerbseinkommen verfügen (Prot. II S. 8). Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten legte die Verteidigung dar, dass dessen Zwillingsbruder schwer an Krebs erkrankt sei. Sodann sei im Zeitraum, als der vorliegend zu beurteilende Vorfall passiert sei, die langjährige Beziehung des Beschuldigten auseinandergegangen und habe ihm die Ex-Freundin einen enormen Schuldenberg, bestehend aus Steuerschulden in Höhe von Fr. 25'000.– und Mietzinsausständen, zurückgelassen (Prot. II S. 22). Der Beschuldigte wies sodann darauf hin, dass er seinen
Eltern gegenüber zur Rückzahlung der für dieses Verfahren vorgeschossenen Kosten für die anwaltliche Vertretung von rund Fr. 45'000.– verpflichtet sei. Auf entsprechende Nachfrage erklärte er jedoch, aktuell keine Abzahlungen leisten zu müssen (Prot. II S. 13, 16).
Strafrahmen / Rechtliche Grundlagen der Strafzumessung
Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass Art. 90 Abs. 2 SVG einen ordentlichen Strafrahmen von drei Tagessätzen Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass weder Strafschärfungs- noch Strafmilderungsgründe vorliegen. Die tat- und täterangemessene Strafe ist deshalb innerhalb des ordentlichen Strafrahmens festzusetzen.
Die rechtlichen Grundlagen zur Strafzumessung wurden von der Vorinstanz korrekt wiedergegeben, worauf an dieser Stelle verwiesen werden kann (Urk. 42 S. 12 f.).
Konkrete Strafzumessung
Tatkomponente
Hinsichtlich der objektiven Tatschwere ist verschuldenserhöhend zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte den vom Bundesgericht entwickelten Schwellenwert für eine grobe Verkehrsregelverletzung durch Geschwindigkeits- überschreitung auf einer nicht richtungsgetrennten Strasse mit einem Tempolimit von 80 km/h um mehr als zwei Drittel überschritt. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte nur knapp keine qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 90 Abs. 4 lit. c SVG beging, als er sein Motorrad mit einer Geschwindigkeit von 153 km/h ausserorts über die C. -strasse lenkte. Das Ausmass der Geschwindigkeits- überschreitung fällt somit erheblich zu seinen Lasten ins Gewicht. Verschuldenserhöhend kommt hinzu, dass sich die Tat an einem Dienstag um 17.42 Uhr, d.h. bei verstärktem Verkehrsaufkommen infolge des Feierabendverkehrs ereignete. Zur Tatzeit kamen dem Beschuldigten auf der ungetrennten Gegenfahrbahn mehrere Personenwagen entgegen. Zudem war auf dem separaten Fahrradstreifen unmittelbar neben der Fahrspur des Beschuldigten ein E-Bikefahrer unterwegs (Urk. 3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und 7/4/1 S. 4 f.).
Es herrschten hingegen günstige Strassen- und Sichtverhältnisse, d.h. die Fahrbahn war trocken und das Wetter sonnig (Urk. 3/6; Urk. 3/7; vgl. auch Urk. 3/1 und 7/4/1 S. 4 f.). Zudem kannte der Beschuldigte den befahrenen Strassenabschnitt, sodass zumindest insofern kein zusätzliches Gefahrenpotential für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer bestand. Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz, wenn sie geltend macht, es sei dem Beschuldigten zugutezuhalten, dass er keinen Personenoder Sachschaden verursacht habe (Urk. 42 S. 13). Hätte der Beschuldigte andere Verkehrsteilnehmer sich selber verletzt Sachen beschädigt, wäre dies vielmehr zusätzlich verschuldenserhöhend zu berücksichtigen gewesen hätte gar zur Anwendung weiterer Straftatbestände geführt. Nach dem Gesagten erweist sich die objektive Tatschwere als nicht mehr leicht.
Bei der subjektiven Tatschwere ist mit der Vorinstanz verschuldensmin- dernd zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte eventualvorsätzlich handelte. Ein nachvollziehbares Motiv für die Geschwindigkeitsüberschreitung ist nicht ersichtlich. Der Beschuldigte hätte sich ohne Weiteres an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit halten können, zumal er es offenbar nicht eilig hatte, sondern auf dem Weg zum Töff-laden K. war, um dort Öl zu holen (Urk. 4/2 S. 3; Prot. I
S. 12; Prot. II S. 17). Die subjektive Tatschwere vermag die objektive nicht spürbar zu relativieren, weshalb ein nicht mehr leichtes Verschulden gegeben ist. Hierfür erscheint die von der Vorinstanz vorgesehene Strafe von 150 Tagessätzen Geldstrafe bzw. fünf Monaten Freiheitsstrafe angemessen.
Täterkomponente
In Ergänzung der Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil ist zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten festzuhalten, dass dieser in der Schweiz bei seinen Eltern aufwuchs und nach Abschluss der obligatorischen Schulausbildung eine Lehre als H. begann. Nachdem sein damaliger
Lehrmeister den Betrieb aufgegeben und er die Lehrstelle verloren hatte, trat er eine Ausbildung zum I. an, welche er erfolgreich abschloss. Seither arbeitet der Beschuldigte auf seinem erlernten Beruf bei der G. . Der inzwischen 28jährige Beschuldigte ist ledig und hat keine Kinder (Urk. 4/2 S. 12 f.; Prot. I S. 8; Prot. II S. 9 ff.). Aus dem Vorleben und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten ergeben sich keine strafzumessungsrelevanten Kriterien.
Der Beschuldigte weist infolge seiner Verurteilung durch das Bezirksgericht Winterthur vom 12. März 2014 eine einschlägige Vorstrafe wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG auf. Er wurde mit einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von einem Jahr und einer Busse von Fr. 500.– bestraft (Urk. 42 S. 14; Urk. 44). Sodann wurden gemäss Auszug aus dem Eidgenössischen Register für Administrativmassnahmen vom
27. Mai 2021 bereits zwei administrative Massnahmen gegen den Beschuldigten infolge von Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet (Urk. 27). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sowohl die gerichtliche Verurteilung als auch die verhängten Administrativmassnahmen des ADMAS zum Tatzeitpunkt bereits mehrere Jahre zurücklagen. Der getrübte automobilistische Leumund des Beschuldigten ist im Umfang von einem Fünftel, d.h. von 30 Tagessätzen Geldstrafe bzw. einem Monat Freiheitsstrafe straferhöhend zu berücksichtigen.
Dass der Beschuldigte nicht geständig war bzw. sein anfängliches Geständnis wieder zurückzog, fällt weder straferhöhend noch strafmindernd ins Gewicht. Auch die fehlende Reue und Einsicht in das Unrecht seines Verhaltens wirken sich strafzumessungsneutral aus.
Die Täterkomponente führt insgesamt zu einer leichten Erhöhung der vorstehend festgesetzten Strafe auf 180 Tagessätze Geldstrafe bzw. sechs Monate Freiheitsstrafe.
Strafart
Bei der Wahl der Strafart sind die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre
präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97, E. 4.2 mit weiteren Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll nach konstanter Rechtsprechung bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120, E. 5.2; BGer 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018, E. 1.3.2; je mit weiteren Hinweisen). Die Geldstrafe stellt die Hauptsanktion dar (BGE 134 IV 97, E. 4.2.2). Sie wiegt als Vermögenssanktion prinzipiell weniger schwer als ein Eingriff in die persönliche Freiheit (BGE 138 IV 120, E. 5.2; BGE 134 IV 97, E. 4.2.2).
Es besteht kein Anlass, gestützt auf Art. 41 Abs. 1 StPO vom Primat der Geldstrafe abzuweichen und eine Freiheitsstrafe auszusprechen (Urk. 42 S. 15). Der Beschuldigte ist daher mit 180 Tagessätzen Geldstrafe zu bestrafen.
Höhe der Tagessätze
Um Wiederholungen zu vermeiden, kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu den rechtlichen Grundlagen hinsichtlich der Bemessung der Tagessatzhöhe verwiesen werden (Urk. 42 S. 15).
Zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen befragt, führte der Beschuldigte im Vorverfahren aus, sein monatliches Netto-Erwerbseinkommen betrage ungefähr Fr. 4'500.–. Darüber hinaus werde ihm ein 13. Monatslohn und je nach Erreichung der gesetzten Ziele eine Gratifikation von bis zu Fr. 1'500.– ausbezahlt (Urk. 4/2 S. 11 f.; Prot. I S. 8). Anlässlich der Berufungsverhandlung wiesen der Beschuldigte bzw. seine Verteidigung allerdings darauf hin, dass er sein Arbeits-
verhältnis mit der G.
per Ende August 2022 gekündigt habe. Eine neue
Stelle habe er derzeit nicht in Aussicht, sondern wolle zuerst einmal einen Monat lang Ruhe haben. Zu den Gründen für seine Kündigung führte der Beschuldigte aus, dass eine Anstellung bei seiner Arbeitgeberin zur Voraussetzung gehabt habe, dass er über einen Führerausweis verfüge. Für den Fall einer Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln und dem damit verbundenen Entzug seines Führerausweises habe er befürchten müssen, die Arbeitsstelle zu verlieren. Aufgrund dieser ständigen Unsicherheit habe er sich schliesslich dazu entschieden, selber zu kündigen. Ab September 2022 verfüge er somit über kein Erwerbseinkommen mehr (Prot. II S. 8, 11 f., 13, 16; vgl. auch Prot. I S. 18, 21).
Das Gericht hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters möglichst aktuell und genau zu ermitteln und zwar im Hinblick auf den Zeitraum, in dem die Geldstrafe zu zahlen sein wird. Daraus folgt, dass künftige Einkommensverbesserungen -verschlechterungen zu berücksichtigen sind, jedoch nur, wenn sie konkret zu erwarten sind und unmittelbar bevorstehen. Bleiben die Einkünfte hinter den Beträgen zurück, die der Täter in zumutbarer Weise erzielen könnte auf die er Anspruch hätte, so ist von einem potentiellen Einkommen auszugehen (BGE 134 IV 60, E. 6.1 mit weiteren Hinweisen).
Ausgehend von einem monatlichen Netto-Erwerbseinkommen (inkl. 13. Monatslohn) von Fr. 4'875.– rechnete die Vorinstanz dem Beschuldigten Einkünfte von Fr. 3'400.– pro Monat an. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit seine Arbeitsstelle aufgrund des Schuldspruchs verlieren und in näherer Zukunft gezwungen sein werde, Arbeitslosentaggelder zu beziehen. Es rechtfertige sich deshalb, ihm ein tieferes Einkommen in der Höhe von 70% seines bisherigen Verdienstes anzurechnen, da dies seiner mutmasslichen Entschädigung durch die Arbeitslosenkasse entspreche (Urk. 42 S. 15 f.).
Es besteht kein Anlass, von diesen Berechnungen zum künftigen Einkommen des Beschuldigten abzuweichen. Zwar wird er voraussichtlich während maximal 60 Tagen in seiner Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosentaggelder eingestellt sein, nachdem er ohne wichtigen Grund die Kündigung einreichte und so seine Arbeitslosigkeit selbst herbeiführte (vgl. Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG; SR 837.0). Nach Ablauf der Einstelltage wird der Beschuldigte jedoch Arbeitslosentaggelder im Umfang von 70% seines versicherten Verdienstes ausbezahlt erhalten (Art. 22 Abs. 2 AVIG). Hinzu kommt, dass er zum Urteilszeitpunkt noch über seinen Führerausweis verfügte (vgl. Prot. II S. 11). Folglich wäre es ihm durchaus zumutbar gewesen, weiterhin für seine Arbeitgeberin tätig zu sein und abzuwarten, ob diese tatsächlich das langjährige Arbeitsverhältnis mit ihm beenden würde. Bis zu einer
allfälligen Kündigung durch die G. und während der Kündigungsfrist hätte der Beschuldigte noch sein volles Erwerbseinkommen erzielt und erst anschliessend über tiefere Einkünfte in Form von Arbeitslosentaggeldern verfügt. Zugunsten des Beschuldigten ist für die Festlegung der Tagessatzhöhe jedoch von einem potentiellen Erwerbsersatzeinkommen von Fr. 3'400.– pro Monat auszugehen.
Seine Wohnkosten bezifferte der Beschuldigte mit Fr. 1'550.–, seine Krankenkassenprämien mit Fr. 350.– pro Monat. Weiter gab er an, keine Kinder zu haben und entsprechend keine Unterhaltsbeiträge leisten zu müssen (Urk. 4/2 S. 12; Prot. I S. 8 f.). Zur Frage, ob die vom Beschuldigten bzw. seiner Verteidigung vorgebrachte Schuldenbelastung bei der Bemessung der Tagessatzhöhe zu berücksichtigen ist, kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 42 S. 16).
Hingegen ist der Vorinstanz nicht zu folgen, wenn sie die Wohnkosten des Beschuldigten entgegen der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 134 IV 60, E. 6.4; BGer 6B_900/2020 vom 1. Oktober 2020, E. 2.2) von den ermittelten Netto-Einkünften in Abzug bringt (Urk. 42 S. 16). Auf der Ausgabenseite sind somit lediglich die laufenden Steuern, die Beiträge des Beschuldigten an die Grundversicherung der Krankenkasse und weitere Ausgaben zu berücksichtigen, die gesetzlich geschuldet sind.
Unter Berücksichtigung aller relevanter Faktoren zur Bemessung der angemessenen Höhe der Tagessätze erweisen sich die von der Vorinstanz festgesetzten Fr. 40.– trotz der erwähnten Korrektur hinsichtlich der Wohnkosten als den Verhältnissen des Beschuldigten im Urteilszeitpunkt angemessen.
Fazit
In Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils ist der Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.– zu bestrafen.
Im vorinstanzlichen Urteil sind die Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs sowie die bei der Prognosestellung zu beachtenden Umstände korrekt dargelegt (Urk. 42 S. 16 f.). Diese brauchen nicht wiederholt zu werden.
Der Beschuldigte ist einschlägig vorbestraft. So wurde er mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 12. März 2014 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung der qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG schuldig gesprochen und mit einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie mit einer Busse von Fr. 500.– bestraft (Urk. 44). Die frühere Strafuntersuchung, die Verurteilung und Bestrafung zeigten jedoch offenbar keine genügende Warnwirkung. Ebensowenig scheinen die angeordneten Administrativmassnahmen des ADMAS den Beschuldigten nachhaltig beeindruckt und von erneuter Delinquenz im Strassenverkehr abgehalten zu haben (Urk. 27). Hinzu kommt, dass am 4. Juni 2021 und damit noch während des laufenden Verfahrens betreffend die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 9. Oktober 2018 eine neue Strafuntersuchung gegen den Beschuldigte eingeleitet wurde wegen einer ähnlich gelagerten Verletzung der Verkehrsregeln (Urk. 44; Prot. I S. 5).
Es ist nicht erkennbar, dass sich die persönliche Situation des Beschuldigten in einem relevant anderen Licht präsentieren würde und deshalb von einer positiven Legalprognose auszugehen wäre (Urk. 42 S. 17). Vielmehr ist eine eigentliche Schlechtprognose gegeben, und es ist zu befürchten, der Beschuldigte würde sich im Rahmen eines bedingten Strafvollzugs nicht bewähren. Eine bedingte Strafe kommt deshalb nicht in Betracht. Die Geldstrafe ist zu vollziehen.
Wie vorstehend aufgezeigt, ist der Beschuldigte anklagegemäss schuldig zu sprechen. Damit unterliegt er im Berufungsverfahren mit seinen Anträgen auf vollumfänglichen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das erstinstanzliche Kostendispositiv zu bestätigen (Urk. 42 S. 18, Dispositiv-Ziffern 4 und 5). Darüber hinaus sind dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (Art. 426 Abs. 1 und Art. 428 Abs. 1 StPO).
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 40.–.
Die Geldstrafe wird vollzogen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziffern 4 und 5) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, Lessingstrasse 33, 8090 Zürich, unter Hinweis auf die PIN …
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 19. August 2022
Der Präsident:
lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Boese
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.