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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB210560: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um einen Untersuchungsbefehl zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, der von der Staatsanwaltschaft March erlassen wurde. Der Beschuldigte, A.________, reichte eine Eingabe ein, ohne jedoch konkrete Anträge zu stellen oder sich mit den angeordneten Zwangsmassnahmen auseinanderzusetzen. Nach einer Gelegenheit zur Verbesserung der Eingabe und einer Fristsetzung für den Beschuldigten, wurde letztendlich entschieden, dass auf die Rechtsmitteleingabe des Beschuldigten nicht eingetreten wird und keine Kosten erhoben werden. Gegen diesen Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB210560

Kanton:ZH
Fallnummer:SB210560
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210560 vom 06.09.2022 (ZH)
Datum:06.09.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Angriff
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Person; Raufhandel; Verteidigung; Geschädigte; Recht; Anklage; Urteil; Vorinstanz; Verfahren; Berufung; Video; Geschädigten; Verfahren; Freiheitsstrafe; Auseinandersetzung; Gruppe; Hotel; Gericht; Interesse; Beweis; Personen; Angriff; Leverkusen; Verhalten; Untersuchung; Anklageschrift
Rechtsnorm:Art. 10 StPO ;Art. 12 DSG ;Art. 123 StGB ;Art. 13 DSG ;Art. 133 StGB ;Art. 134 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 32 BV ;Art. 325 StPO ;Art. 34 StGB ;Art. 350 StPO ;Art. 4 ZGB ;Art. 40 StGB ;Art. 402 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:106 IV 246; 129 III 529; 130 IV 54; 133 IV 158; 136 III 410; 137 I 218; 138 II 346; 139 IV 168; 141 IV 437; 141 IV 45; 142 III 263; 143 IV 63;
Kommentar:
Donatsch, Heim, Weder, Heimgartner, Isenring, 21. Aufl., Zürich, Art. 133 StGB, 2022

Entscheid des Kantongerichts SB210560

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210560-O/U/ad

Mitwirkend: Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, Ersatzoberrichterin Dr. Bachmann und Ersatzoberrichter lic. iur. Vesely sowie Gerichtsschreiberin MLaw Brülisauer

Urteil vom 6. September 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Fürsprecher B. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Angriff

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 7. September 2021 (GG210155)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 29. April 2021 (Urk. 25) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 38 S. 31 f.)

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, wovon bis und mit heute 10 Tage durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die folgenden sichergestellten Gegenstände

    • Pullover, Farbe Blau, Anschrift Reservoir Dogs (Asservat-Nr. A012'201'944)

    • Baseballkappe, Marke Nike (Asservat-Nr. A012'201'977)

    • Jacke / Gillet, Farbe Dunkelblau (Asservat-Nr. A012'201'988)

    • Paar Schuhe, Marke Reebok, Farbe Weiss (Asservat-Nr.

      A012'202'005)

      aufbewahrt bei der Stadtpolizei Zürich, EA-LO-GE (G-Nr. 74310353), wer- den dem Beschuldigten auf erstes Verlangen herausgegeben.

      Werden die Gegenstände vom Beschuldigten einer durch ihn bevollmächtigten Person nicht innert 60 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils herausverlangt, werden diese der Lagerbehörde zur gutscheinenden Verwendung überlassen.

  5. Fürsprecher B. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten aus der Gerichtskasse mit total Fr. 13'790.– (inkl. Barauslagen und MwSt.) entschädigt.

  6. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf

    Fr. 2'100.–; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.– Gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 500.– Kosten Entsiegelungsverfahrens Nr. GM190002-L

    F r. 13'790.– amtliche Verteidigung Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  7. Die Kosten dieses Verfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung und derjenigen des Entsiegelungsverfahrens Nr. GM190002-L, werden dem Beschuldigten auferlegt.

  8. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse ge- nommen. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

  9. Die Kosten des Entsiegelungsverfahrens Nr. GM190002-L werden auf die Gerichtskasse genommen.

Berufungsanträge

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 52/1 S. 2)

    1. Der Beschuldigte sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

      Dem Beschuldigten sei für die ungerechtfertigt erstandene Haft vom

      9. Januar 2019, 05.20 Uhr bis 18. Januar 2019, 14.55 Uhr eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 200.– pro ausgestandenen Hafttag, zuzüglich Zins von 5 % ab Datum der Entlassung aus der Untersuchungshaft (18. Januar 2019) auszurichten (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO).

      Sämtliche sichergestellten Gegenstände seien dem Beschuldigten herauszugeben (soweit dies nicht schon passiert ist).

      Die erkennungsdienstliche Erfassung und das DNA-Profil des Beschul- digten seien zu löschen und der Wangenschleimhautabstrich zu ver- nichten.

      1. Eventualantrag: Der Beschuldigte sei des Raufhandels nach Art. 133 StGB schuldig zu sprechen und mit einer Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen à Fr. 30.– zu bestrafen.

        Der Vollzug der Geldstrafe sei bedingt aufzuschieben, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.

      2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. 7.7 % MwSt.) gemäss Verfahrensausgang.

      3. Die Kosten der amtlichen Verteidigung seien unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vom Staat zu tragen.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat: (Urk. 44)

Verzicht auf Anschlussberufung und Stellung eines Antrages.

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte

    Mit Urteil vom 7. September 2021 sprach die Vorinstanz den Beschuldigten des Angriffs i.S.v. Art. 134 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, unter Anrechnung von 10 Tagen Untersuchungshaft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

    Weiter regelte die Vorinstanz die Herausgabe von sichergestellten Gegenständen sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Urk. 38 S. 31 f.).

    Gegen dieses Urteil liess der Beschuldigte mit Eingabe desselben Tages Berufung anmelden (Urk. 33) und mit Eingabe vom 21. November 2021 fristgerecht die Berufung erklären (vgl. Urk. 40, Urk. 37/2).

    Die Staatsanwaltschaft verzichtete mit Eingabe vom 3. Dezember 2021 auf Anschlussberufung und erklärte, auf die Stellung eines Antrags zu verzichten (Urk. 44).

    Unter dem Datum vom 31. August 2022 reichte der amtliche Verteidiger die Urteile in den Parallelverfahren GG220040 sowie GB200091, welche den identischen Vorfall betreffen (Urk. 49 und Urk. 50/1-2), sowie seine Plädoyernotizen und Ho- norarnote zu den Akten (Urk. 51 und Urk. 52/1-2).

    Zur Berufungsverhandlung vom 6. September 2022 erschienen der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers, Fürsprecher B. , sowie der im Parallelverfahren SB210559 Beschuldigte C. in Begleitung seiner amtlichen Verteidigerin, Rechtsanwältin MLaw X. . Das vorliegende Verfahren wurde gemeinsam mit dem Verfahren SB210559 verhandelt (Prot. II S. 3).

  2. Prozessuales

    1. Umfang der Berufung

      In der Berufungsschrift ist anzugeben, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils verlangt werden (Art. 399 Abs. 3 lit. b StPO). Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung.

      Der Beschuldigte beantragt einen vollumfänglichen Freispruch. Unangefochten und damit in Rechtskraft erwachsen ist die Regelung über die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände (Disp.-Ziff. 4), die Festsetzung der Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Disp.-Ziff. 5) sowie die gerichtliche Kostenfestsetzung (Disp.-Ziff. 6) und die Übernahme der Kosten des Entsiegelungsverfahrens

      GM190002-L auf die Gerichtskasse (Disp.-Ziff. 9), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.

    2. Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung

      Am 25. Oktober 2018 fand in Zürich ein Fussballspiel zwischen den Fussballclubs Zürich und Bayer Leverkusen statt. In derselben Nacht, am 26. Oktober 2018 um ca. 01.00 Uhr morgens, kam es an der D. -strasse in Zürich zu einer Ausei- nandersetzung zwischen einer Gruppe FC Zürich-Fans und einer Gruppe FC Bayern Leverkusen-Fans. Das Geschehen wurde von der Videokamera des Hotels E. aufgezeichnet. Weitere Aufnahmen erfolgten durch eine Zylinderkamera vor dem F. (Urk. 10).

      Die Verteidigung hält im Rahmen der Berufung wie schon vor Vorinstanz dafür, das Video des Hotels E. sei unverwertbar. Er machte sinngemäss geltend, es handle sich um die Aufnahme einer Privatperson und sei rechtswidrig erlangt worden. Es stelle eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG dar (vgl. Urk. 30 S. 3 f.; Urk. 52/1 S. 3).

      Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Grundlagen zur Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann auf ihre Erwägungen verwiesen werden (Urk. 38 S. 9 ff., Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachfolgenden Erwägungen verstehen sich als Hervorhebungen und Präzisierungen:

      Gemäss Art. 12 Abs. 1 DSG darf, wer Personendaten bearbeitet, die Persönlichkeit der betroffenen Person nicht widerrechtlich verletzen. Nach Abs. 1 von Art. 13 DSG (Rechtfertigungsgründe) ist eine Verletzung der Persönlichkeit widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates öffentliches Interesse durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 13 Abs. 1 DSG). Neben dem Interesse des Datenbearbeiters können dabei auch Interessen Dritter sogar der betroffenen Personen selbst die Datenbearbeitung unter Umständen rechtfertigen. Grundsätzlich kann jedes schützenswerte Interesse, d.h. jedes Interesse von allgemein anerkanntem Wert, berücksichtigt werden

      (BGE 138 II 346 E. 10.3 S. 364 mit Hinweisen). Die Prüfung, ob ein Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und setzt eine Abwägung aller betroffenen Interessen voraus (vgl. BGE 138 II 346 E. 9.2). Die Interessenabwägung beruht auf gerichtlichem Ermessen (Art. 4 ZGB; BGE 136 III 410 E. 2.2.3 S. 413; BGE 129 III 529 E. 3.1 S. 531).

      Eine Videoüberwachung im Eingangsbereich eines anonymen Wohnblocks, in dem gegebenenfalls gar ein Risiko von Übergriffen besteht, kann durchaus angezeigt und für alle betroffenen Personen zumutbar sein, während dies in einem kleinen Mehrfamilienhaus, wo sich die Nachbarn kennen, normalerweise nicht der Fall sein dürfte (BGE 142 III 263 E. 2.2.2).

      Die vorliegende Überwachung erfolgte im Eingangsbereich eines Hotels. Die Hotelgäste kennen sich in der Regel nicht bzw. es besteht eine Anonymität vergleichbar mit einem anonymen Wohnblock. Eine systematische Erhebung des Verhaltens von Bewohnern ist nicht möglich, da diese sich als Hotelgäste kaum genug lange im Hotel aufhalten, um eine systematische Erhebung ihres Verhaltens überhaupt zu ermöglichen. Der Beschuldigte resp. dessen Verteidigung stören sich denn auch nicht an der Aufnahme im Eingangsbereich, sondern dass zusätzlich der Vorplatz, die D. -strasse sowie auch ein Teil der F. erfasst würden, mithin weite Teile des öffentlichen Raumes, was die Aufnahme widerrechtlich mache (Urk. 30 S. 3). Diesbezüglich ist aber festzuhalten, dass sich der Vorfall im Eingangsbereich des Hotels ereignete, mithin in jenem Bereich, der grundsätzlich ohnehin gefilmt werden durfte.

      Soweit die Vorinstanz erwog, mangels anderer Hinweise sei zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass die Videoüberwachung für ihn nicht erkennbar gewesen sei, weshalb die Videoüberwachung rechtswidrig gewesen sei (Urk. 38 S. 9), wendet sie die Unschuldsvermutung i.S.v. Art. 10 Abs. 3 StPO nicht korrekt an.

      Gemäss Art. 10 Abs. 3 StPO hat das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage auszugehen, wenn unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat bestehen. Die Frage der Rechtmässigkeit bzw. Verwertbarkeit von Beweismitteln ist jedoch keine tatsächliche Voraussetzung, sondern eine rechtliche Voraussetzung. Aus der Unschuldsvermutung folgt kein Grundsatz, wonach im Zweifel die Unverwertbarkeit eines Beweismittels anzunehmen ist.

      Wenn eine beschuldigte Person eine sie entlastende Behauptung aufstellt, ohne dass sie diese wenigstens in einem Mindestmass glaubhaft machen kann, findet der Grundsatz in «dubio pro reo» keine Anwendung. Es tritt nämlich insoweit eine Beweislastumkehr ein, als nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung von der Anklagebehörde durch hieb- und stichfesten Beweis widerlegt werden muss. Ein solcher Beweis ist nur dann zu verlangen, wenn gewisse Anhaltspunkte wie konkrete Indizien eine natürliche Vermutung für die Richtigkeit der Behauptung sprechen bzw. diese zumindest als zweifelhaft erscheinen lassen, wenn der Beschuldigte sie sonst wie glaubhaft macht (vgl. Urteil des Obergerichts Zürich SB160176-O vom 20. September 2016 E. III/3.3). Darauf wird im Rahmen der Sachverhaltserstellung zurückzukommen sein.

      Vorliegend kann offengelassen werden, ob die Aufzeichnung gegen das DSG verstösst. Selbst wenn davon ausgegangen würde, wäre sie zunächst nur persönlichkeitsverletzend, aber noch nicht rechtswidrig. Widerrechtlich wird die Persönlichkeitsverletzung erst, wenn kein Rechtfertigungsgrund – namentlich ein überwiegendes öffentliches privates Interesse – vorliegt. Bei der Frage, ob ein Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG vorliegt, ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Datenbearbeiters und denjenigen der verletzten Person vorzunehmen. Bei der Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit eines Beweismittels sind hingegen der Strafanspruch des Staates und der Anspruch der beschuldigten Person auf ein faires Verfahren in erster Linie entscheidend; die Interessen des privaten Datenbearbeiters treten dabei zurück (Urteil des Bundesgerichts 6B_1188/2018 vom 26. September 2019, E. 3 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen).

      Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verwertbarkeit unrechtmässig erlangter Beweismittel verfassungsrechtlich nicht in jedem Fall ausgeschlossen, sondern lediglich dem Grundsatz nach. Massgebend sind die Schwere des Delikts und die Frage, ob das Beweismittel an sich zulässig und auch auf gesetzmässigem Weg zu erlangen gewesen wäre. Es bedarf einer Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person, dass der fragliche Beweis unterbleibt. Beim Verwertungsverbot bleibt es namentlich, wenn bei der streitigen Untersuchungsmassnahme ein Rechtsgut verletzt wurde, das im konkreten Fall den Vorrang vor dem Interesse an der Durchsetzung des Strafrechts verdient (BGE 137 I 218 E.

      2.3.4 m.w.H.).

      Bei der dem Beschuldigten in der Anklage vorgeworfenen Angriff i.S.v. Art. 134 StGB handelt es sich um ein Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird. Bei einer abweichenden rechtlichen Würdigung und der Annahme eines Raufhandels i.S.v. Art. 133 StGB liegt ein Vergehen vor, welches mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft wird. Entscheidend ist jedoch nicht das angedrohte Strafmass, sondern die Schwere der konkreten Tat. Dabei kann auf Kriterien wie das geschützte Rechtsgut, das Ausmass dessen Gefährdung resp. Verletzung, die Vorgehensweise und die kriminelle Energie des Täters und das Tatmotiv abgestellt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1468/2019 vom 1. September 2020, E. 1.4.2 m.w.H.).

      Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, sich an einem tätlichen Übergriff beteiligt zu haben. Konkret habe er mehrfach mit den Fäusten auf den Oberkörperbereich des Geschädigten G. eingeschlagen und versucht, ihn mit dem Fuss gegen den Kopf zu treten. Weitere Personen aus seiner Gruppe hätten aus dem Lauf heraus dem Geschädigten unvermittelt einen Faustschlag gegen den Kopf versetzt und auch dem weiteren Geschädigten H. gegen den Kopf geschlagen. Dieser sei dabei von weiteren Kollegen des Beschuldigten ebenfalls gegen den

      Kopf geschlagen und abgedrängt worden. Der Geschädigte H.

      sei in ein

      Gerangel verwickelt worden, bevor es ihm gelungen sei, in Richtung Hoteleingang zu flüchten. Dort sei er nach drei vier Faustschlägen gegen den Kopf gepackt und vom Hoteleingang weggezerrt und erneut mit Faustschlägen gegen Kopf und Oberkörper und mit Fusstritten eingedeckt worden. Dabei sei der Geschädigte H. zu Boden gefallen. Als er am Aufstehen gewesen sei, sei einer der anderen aus der Gruppe erneut in Richtung des Geschädigten H. gelaufen und habe diesem aus vollem Lauf einen Fusstritt gegen den Kopf versetzt. In der Zwischenzeit habe sich eine weitere Gruppe von drei vier Leverkusen- Fans auf der D. -strasse genähert. Auch diese seien von einer Gruppe von FCZ-Fans angegangen und körperlich zurückgedrängt worden. Der Geschädigte I. habe von einem der Angreifer unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht erhalten und sei darob zu Boden gegangen. Dadurch sei ihm die Brille ins Gesicht gedrückt und dabei zerstört worden. Zudem habe dieser Schlag zu einer stark blutenden Platzwunde geführt, so dass der Geschädigte I. von der Sanität ins Spital gefahren worden sei, wo die Wunde habe genäht werden müssen (Urk. 25 S. 3 f., vgl. Urk. 9 und Urk. 11/5).

      Bei diesem konkreten Vorwurf – auch wenn in Abweichung von der Anklageschrift und der Vorinstanz nicht von einem Angriff, sondern von einem Raufhandel auszugehen ist (vgl. nachstehend Erw. IV.) – bzw. der aktiven Beteiligung daran han- delt es sich um eine schwere Straftat. Das geschützte Rechtsgut Leib und Leben ist das höchste aller Rechtsgüter. Für die Bewertung der Schwere der Tat sind die Umstände und nicht bloss das isolierte Verhalten des Beschuldigten zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_1468/2019 vom 1. September 2020,

      E. 1.4.4). Es wurden gemäss Anklage mehrere Personen angegriffen und dabei verletzt. Der Tritt aus vollem Lauf gegen den Kopf einer anderen Person kann zu sehr schweren Verletzungen führen. Die in der Anklageschrift beschriebene Vorgehensweise ist brutal, zumal die Gruppe des Beschuldigten mehrere Personen umfasste, welche die Konfrontation mit der gegnerischen Fangruppe suchte. Diese gingen laut Anklage gemeinsam gewalttätig gegen die gegnerische Gruppe vor, wobei die Verletzung eines Geschädigten im Spital genäht werden musste. Die konkrete Beteiligung des Beschuldigten lässt sich denn erst abschliessend beurteilen, nachdem über die Verwertbarkeit der Videoaufnahmen entschieden wurde. Ein entlastendes Tatmotiv scheint nicht vorzuliegen und wird vom Beschuldigten auch nicht geltend gemacht.

      Mit der Vorinstanz liegt daher eine schwere Straftat vor.

      Angesichts der Schwere der vorliegenden Tat bzw. des entsprechenden Vorwurfs fällt die Interessenabwägung zu Gunsten der Verwertung aus.

      Sodann verwies die Vorinstanz zu Recht auf den Umstand, dass die Polizei das Beweismittel auch auf rechtmässigem Wege hätte erlangen können (vgl. Urk. 38 S. 10 f.).

      Gemäss § 32 Abs. 1 PolG kann die Polizei zur Verhinderung und Erkennung von Verbrechen und Vergehen zur Gefahrenabwehr Personen und Sachen ausserhalb des Geheimoder Privatbereichs im Sinne von Art. 179quater StGB offen verdeckt beobachten. Dabei kann gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung ein/e Polizeioffizier/in eine polizeiliche Observation mittels technischer Überwachungsgeräte anordnen, wenn die Verhinderung und Erkennung zukünftiger strafbarer Handlungen die Abwehr einer drohenden Gefahr sonst aussichtslos wäre unverhältnismässig erschwert würde.

      Die Polizei überwachte das Gebiet, weil sich das Hotel F. als fester Treffpunkt militanter Anhänger des FC Zürich etabliert habe und sich dort bereits mehrere tätliche Übergriffe und Schlägereien ereignet hätten (Urk. 15 S. 1).

      Daher fand eine rechtmässige polizeiliche Observation genau jenes Bereichs statt, welchen unter anderem auch das Hotel E. filmte. Die Aufnahmen der von der Polizei installierten Zylinderkamera zeigen einen Ausschnitt des Gelän- des, der teilweise aus grösserer Distanz auch auf den Aufnahmen der Hotelkamera zu sehen ist. Die Fans des FC Bayer Leverkusen waren gerade Gäste dieses Hotels. Aus diesem Grunde kam es auch zur gefilmten Auseinandersetzung vor dem Eingangsbereich. Dass sich der Vorfall genau vor dem Hoteleingang, mithin ausserhalb des Aufnahmebereichs der polizeilichen Kamera (Zylinderkamera) ereignete, lässt nur den Schluss zu, dass die von den Privaten erstellten Videoaufzeichnungen auch von der Polizei hätten rechtmässig erlangt werden können. Infolgedessen wäre es der Polizei gestützt auf § 32 PolG grundsätzlich möglich gewesen, die von privater Seite durchgeführte Videoüberwachung selbst zu initiieren, denn nachträglich betrachtet wurde genau die Schnittstelle gefilmt, in welcher zu erwarten war, dass sich die Fans des FC Bayern Leverkusen und die Fans des

      FC Zürich begegnen würden. Wie erwähnt erwartete die Polizei dort auch tätliche Übergriffe und Schlägereien.

      Die Polizei hätte sowohl den von ihr ohnehin observierten Platz als auch den Hoteleingang angesichts der drohenden Zusammenstösse zwischen den Fans bei- der Fussballclubs observieren können. Wie der aufgenommene Vorfall zeigt, besteht ein Risiko von Übergriffen.

      Zusammenfassend ist der konkret vorgeworfene Raufhandel als schwere Straftat zu qualifizieren. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung dieser Tat ist höher als dasjenige des Beschuldigten an der rechtskonformen Erhebung resp. Unverwertbarkeit der privaten Videoaufnahme. Insbesondere wurde nicht etwa der Geheimoder Privatbereich des Beschuldigten gefilmt, sondern lediglich seine bewusste Teilnahme am Raufhandel. Die aus der Videoaufnahme gewonnenen Erkenntnisse dürfen zu Lasten des Beschuldigten verwendet werden. Diese Erkenntnis steht im Übrigen in Übereinstimmung mit den Urteilen des Bezirksgerichts Zürich GB200091 und GG220040 sowie des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, SB210419, welche allesamt den identischen Vorfall betreffen und die Verwertbarkeit der Videoaufnahme des Hotels E. ebenfalls bejahten.

    3. Verwertbarkeit der Zeugeneinvernahmen

      Mit der Berufung rügt der Beschuldigte wie schon vor Vorinstanz, dass ihm bei

      den Befragungen der Leverkusen-Fans in J.

      keine Teilnahmerechte gewährt worden seien. Daher seien diese Beweise nicht zu seinen Lasten verwertbar (Urk. 30 S. 4 und 6; Urk. 52/1 S. 3).

      Grundsätzlich ist es das Recht der beschuldigten Person, ihre prozessualen Anträge erstmals an der Hauptverhandlung zu stellen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben die Parteien aber (echte vermeintliche) formelle Mängel so früh wie möglich, d.h. bei erster Gelegenheit, geltend zu machen, und können diese Rügen nicht für das Rechtsmittelverfahren, im Falle eines für sie ungünstigen Ausgangs des Verfahrens, aufsparen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_542/2011 vom 3. Oktober 2012, E. 4.1 m.w.H.). Sowohl die Praxis des Bundesgerichts als auch diejenige der Strassburger Rechtsprechungsorgane verlangen grundsätzlich, dass der Beschuldigte sein Anwalt zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte rechtzeitig und in angemessener Weise aktiv wird. Wenn eine entsprechend zumutbare Intervention unterbleibt, kann gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nach Treu und Glauben sowie von Grundrechts wegen kein Tätigwerden der Strafjustizbehörden erwartet werden. Der Grundsatz von Treu und Glauben erfasst auch das widersprüchliche Verhalten (venire contra factum proprium). Setzt sich jemand zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist darin ein Verstoss gegen Treu und Glauben zu erblicken, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, das durch die neuen Handlungen enttäuscht würde. Wenn eine Partei mithin bereits im Untersuchungsverfahren Kenntnis von einem Beweismittel hatte und für sie erkennbar war, dass sich der Vorwurf gewichtig auf dieses Beweismittel stützt, hat sie zumindest bei anwaltlicher Vertretung selbst frühzeitig darauf zu bestehen, dass ihre Parteirechte gewahrt werden. Sie kann sich nicht auf die Justizförmigkeit des Verfahrens berufen. Die Partei riskiert, dass ihr Handeln als Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens eingestuft wird, wenn sie die Parteirechte nicht frühzeitig geltend macht.

      Der anwaltlich vertretene Beschuldigte verlangte weder in der Untersuchung noch vor Vorinstanz im Berufungsverfahren die Konfrontation mit den Zeugen. Die Zeugeneinvernahmen sind nach dem Erwogenen daher verwertbar. Lediglich der Vollständigkeit halber ist indes zu bemerken, dass sich die Sachverhaltserstellung ohnehin nicht auf die Zeugeneinvernahmen stützt.

    4. Verwertbarkeit des Berichts von Dr. K.

      vom 27. Oktober 2018

      Im Rahmen der rechtshilfeweisen Einvernahme des Geschädigten H. reichte dieser den Bericht von Dr. K. , Klinik L. , vom 27. Oktober 2018, zu den Akten (in Urk. 11/1).

      Die Verteidigung machte vor Vorinstanz geltend, dieser Bericht sei unverwertbar, weil ihre Teilnahmerechte an der Einvernahme nicht gewährt worden seien

      (Urk. 30 S. 4 und S. 6 i.V.m. Prot. I S. 17). Im Berufungsverfahren wird die Verwertbarkeit dieses Berichts seitens der Verteidigung nicht mehr bestritten (Urk. 52/1 e contrario).

      Der Vollständigkeit halber ist dennoch festzuhalten, dass es wie erwähnt nicht notwendig ist, die Zeugeneinvernahmen zur Sachverhaltserstellung beizuziehen, zumal der Beschuldigte in der Untersuchung und an der Berufungsverhandlung die Konfrontation gar nie verlangt hat. Auch hat der Beschuldigte nie geltend gemacht, Ergänzungsfragen betreffend den Arztbericht stellen zu wollen. Zudem besteht für ärztliche Berichte kein Anspruch auf Konfrontationseinvernahmen. Vielmehr sind diese der freien richterlichen Beweiswürdigung zugänglich.

      Es besteht daher kein Anlass, an der Verwertbarkeit des Arztberichtes von Dr. K. zu zweifeln.

    5. Anklageprinzip

    Die amtliche Verteidigung moniert auch im Berufungsverfahren, dass der in der Anklageschrift gegen den Beschuldigten geschilderte Übergriff auf die Gruppe um den Geschädigten H. keine Angaben über eine Körperverletzung einer beteiligten Person enthalte, weshalb es in der Anklageschrift an einer Umschreibung der objektiven Strafbarkeitsbedingung der Körperverletzung fehlen würde. Der Übergriff auf die Gruppe um den Geschädigten I. sei sodann einerseits als separates Ereignis zu qualifizieren und andererseits sei festzustellen, dass der Beschuldigte daran überhaupt nicht teilgenommen bzw. da den Tatort schon längst in Richtung Restaurant F. verlassen gehabt habe (Urk. 52/1 S. 3 ff.; vgl. auch Urk. 30 S. 5 ff.).

    Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Der Beschuldigte muss aus der Anklage ersehen können, wessen er angeklagt ist. Das bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 m.w.H.).

    Dabei bildet das Kernstück der Anklageschrift die Darstellung der dem Beschuldigen zur Last gelegten Tat. Die Darstellung des tatsächlichen Vorgangs ist auf den gesetzlichen Tatbestand auszurichten, der nach Auffassung der Anklage als erfüllt zu betrachten ist, d.h. es ist anzugeben, welche einzelnen Vorgänge und Sachverhalte den einzelnen Merkmalen des Straftatbestandes entsprechen. Zu den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung gehören neben den Tatbestandsmerkmalen die Schuldform (sofern vorsätzliches und fahrlässiges Verhalten strafbar ist), die Teilnahmeform (Mittäterschaft, Anstiftung, Gehilfenschaft) sowie die Erscheinungsform (Versuch vollendetes Delikt) und allfällige Konkurrenzen (Urteil des Bundesgerichts 6B_633/2015 vom 12. Januar 2016, E. 1.3.2). Dabei ist jedoch – wie bereits erwähnt – der Inhalt des Tatbestandes ebenso wenig anzuführen, wie diesbezügliche rechtliche Ausführungen, denn das Gericht ist in der rechtlichen Würdigung des Tatvorwurfs frei (BGE 143 IV 63 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_492/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 2.3; nicht

    publ. in BGE 141 IV 437).

    Die Verletzungen des Geschädigten I. sind in der Anklageschrift aufgeführt und aktenkundig (vgl. Urk. 25 S. 3; Urk. 9; Urk. 11/5). Der amtlichen Verteidigung kann nicht gefolgt werden, wenn sie den Übergriff auf die Gruppe um den Geschädigten I. als separates Ereignis qualifiziert, an welchem der Beschul- digte überhaupt nicht mehr beteiligt gewesen sei (vgl. Urk. 52/1 S. 3 ff.). Der gegenständliche Vorfall ist nicht in einzelne Phasen zu unterteilen, sondern bildet in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht eine Einheit, wozu auch der Übergriff auf die Gruppe um den Geschädigten I. zu zählen ist. Eine als Raufhandel zu qualifizierende Schlägerei (vgl. nachstehend Erw. IV.) ist denn typischerweise auch durch den Umstand gekennzeichnet, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, an welchem nicht zwangsläufig zu jedem Zeitpunkt die gleichen Personen beteiligt sein müssen. Auch wenn es zu einzelnen Abspaltungen kommt, ändert dies grundsätzlich nichts an der Qualifikation als Raufhan- del, welcher nach seinem Sinn und Zweck in seiner Gesamtheit und nicht in Phasen zu beurteilen ist, insbesondere nicht wenn wie vorliegend die ganze Ausei- nandersetzung am gleichen Ort und innert wenigen Minuten stattfand, mithin zwar ein dynamisches, aber sehr kompaktes Geschehen zur Beurteilung steht. Da – wie ausgeführt – von einer Einheit der Tat auszugehen ist, ist folglich irrelevant, ob der Beschuldigte zum Zeitpunkt des Eintritts der Körperverletzung noch Teil der Auseinandersetzung war nicht (vgl. BGE 139 IV 168 m.w.H. und nachstehend Erw. IV.). Nachdem in der Anklageschrift sowohl eine einfache Körperverletzung des Geschädigten I. als auch die Tatbeteiligung des Beschuldigten an der tätlichen Auseinandersetzung beschrieben ist, mithin sich aus der Anklageschrift klar ergibt, welcher konkreten Handlungen der Beschuldigte beschul- digt wird, liegt keine Verletzung des Anklageprinzips vor.

  3. Sachverhalt

    Aufgrund der Videoaufzeichnung ist der angeklagte Sachverhalt ohne Weiteres erstellt. Der Beschuldigte wurde sowohl durch die Polizei als auch durch die Vorinstanz als jene Person identifiziert, deren Kopf auf dem Video rot umkreist ist (vgl. Urk. 38 S. 17). Auch das Berufungsgericht ist aufgrund der eigenen Wahr- nehmung der Ansicht, dass es sich beim Beschuldigten um jene Person auf dem Video handelt (vgl. auch Urk. 7 S. 6 unteres Bild).

    Soweit die Verteidigung im Eventualstandpunkt geltend macht, der Beschuldigte sei wohl irrtümlich von einer Notwehrhilfe-Situation ausgegangen und habe sei- nen Kameraden zu Hilfe eilen wollen (Urk. 30 S. 4), besteht hierfür in den Akten

    keine Stütze. Der Beschuldigte macht dies nicht geltend. Wie oben dargelegt besteht aber im Bereich rechtfertigender Tatsachen eine gewisse Behauptungslast. Wenn der Beschuldigte keine Aussagen macht, bestehen jedoch keine solchen entlastenden Behauptungen. Mithin bleibt es reine Spekulation der Verteidigung, wovon der Beschuldigte im Tatzeitpunkt ausgegangen sein könnte. Es bestehen keine konkreten Indizien eine natürliche Vermutung für die Richtigkeit der Annahme des von der Verteidigung behaupteten Irrtums über die Notwehrhilfe- Situation. Wenn ein Beschuldigter keine Aussagen zu seinen Vorstellungen im Tatzeitpunkt machen will, muss nicht zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass er sich in einem Irrtum befand. Die Ausführungen der Verteidigung, wovon der Beschuldigte im Zeitpunkt seines Hinzutretens zur Auseinandersetzung ausging (Urk. 30 S. 5; vgl. auch Urk. 52/1 S. 4 f.), sind blosse Spekulatio- nen. Dies vermag eine Aussage des Beschuldigten bzw. ein Beweismittel nicht zu ersetzen.

    Der Sachverhalt und die Täterschaft des Beschuldigten ist damit anklagegenügend erstellt. Ein Irrtum des Beschuldigten über das Vorliegen eines vermeintlichen Angriffs bzw. ein Handeln aus vermeintlicher Notwehr lag nicht vor.

  4. Rechtliche Würdigung

    Die Vorinstanz würdigte das Verhalten des Beschuldigten als Angriff i.S.v. Art. 134 StGB (Urk. 38 S. 20 ff.).

    Die Verteidigung macht im Eventualstandpunkt geltend, es liege lediglich ein Raufhandel vor (Urk 30 S. 5 ff.; Urk. 52/1 S. 6 f.).

    Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB und des Raufhandels im Sinne von Art. 133 StGB korrekt dargelegt (Urk. 38

    S. 19 f.). Diese zutreffenden Erwägungen können übernommen werden.

    Rekapitulierend und teilweise ergänzend ist Folgendes (nochmals) festzuhalten: Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

    Geldstrafe bestraft (Art. 133 Abs. 1 StGB). Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt die Streitenden scheidet (Art. 133 Abs. 2 StGB). Raufhandel ist die tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen. Die Beteiligung muss eine aktive sein; das passive Einstecken von Schlägen genügt nicht. Wenn mindestens zwei Personen auf eine dritte Person einschlagen, die passiv die Schläge einsteckt, ohne sich aktiv tätlich zu wehren, kann neben allfälligen Körperverletzungsdelikten nicht Raufhandel, sondern allenfalls Angriff vorliegen. Wer aber tätlich ausschliesslich abwehrt die Streitenden scheidet, beteiligt sich an einem Raufhandel, weil er tätlich ist, doch ist er gemäss Art. 133 Abs. 2 StGB nicht strafbar, da er ausschliesslich abwehrt die Streitenden scheidet. Das tätliche Verhalten kann nicht nur in Schlägen bestehen, sondern beispielsweise auch in Würgen, Stossen, Ringen, Messerstechen, Bewerfen mit Gegenständen gar Schiessen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1056/2015 vom 4. Dezember 2015, E. 4.1. m.w.H.). Im Sinne einer objektiven Strafbarkeitsbedingung ist weiter vorausgesetzt, dass der Raufhandel zum Tod zur körperlichen Schädigung im Mindestumfang von Art. 123 StGB eines Teilnehmers eines Dritten führt (BGE 141 IV 45 E. 2.3.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_889/2019 vom 6. November 2019, E. 1.6). Strafbar wird der Teilnehmer – im Falle einer Einheit des Tatgeschehens – auch dann, wenn er vor Eintritt dieser Bedingung aus dem Kampf ausscheidet. Nach dieser Rechtsprechung ge- nügt es überdies, wenn die Bedingung erst nach Beendigung des Raufhandels eintritt, sofern das Tatgeschehen in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht eine Einheit bildet. Zwar bedarf es eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Kampf und dem Eintritt der Bedingung, nicht aber zwischen dieser und dem Verhalten eines einzelnen Beteiligten (BGE 139 IV 168). In subjektiver Hinsicht verlangt Raufhandel, dass der Täter mit der Beteiligung von mehr als zwei Personen an der tätlichen Auseinandersetzung einverstanden ist (BGE 106 IV 246 E. 3b S. 251). Die objektive Strafbarkeitsbedingung muss vom Vorsatz nicht erfasst sein (DONATSCH, in: Donatsch/Heimgartner/Isenring/Weder [Hrsg.], StGB Kommentar,

    21. Aufl., Zürich 2022, Art. 133 N 6).

    Aus dem Video ist ohne Weiteres ersichtlich, wie ein FCZ-Fan auf die Leverkuse- ner zusteuert und sie anspricht. Dann wird dem Geschädigten M. von einem FCZ-Fan mit Mütze der Schal weggezerrt, worauf er noch aus dieser Bewegung mit offener Hand in das Gesicht des Geschädigten H. schlägt (Zeitstempel 01:05:40). Es scheint entsprechend klar zu sein, dass die Leverkusener die Auseinandersetzung nicht von sich aus gesucht haben, sondern viel mehr von Zürcher Seite her provoziert wurden. Indes reagierte der Geschädigte H. darauf, indem er einen FCZ-Fan von sich wegstiess und diesem mehrere Schläge und Fusstritte verpasste (Zeitstempel ab 01:50:44 und ab 01:50:58). Auch wenn diese Handlungen in erster Linie wohl als Notwehrhilfe und später als Abwehrhandlungen i.S.v. Art. 133 Abs. 2 StGB zu würdigen sind und die FCZ-Fans im weiteren Verlauf deutlich die Übermacht über das Geschehen hatten, verhielt sich der Geschädigte H. mindestens zu jenen Zeitpunkten aktiv tätlich, übte mit anderen Worten Gegenwehr, womit für eine kurze Zeit von beiden Seiten Schläge ausgeteilt wurden und eine wechselseitige tätliche Auseinandersetzung von min- destens drei Personen – mindestens eine Person auf Seiten der Leverkusen-Fans und mehrere Personen auf Seiten der FCZ-Fans – vorlag. Da es sich beim vorliegend zu beurteilenden Raufhandel um ein ganzheitliches Geschehen handelt (vgl. vorstehend Erw. II.5.), scheidet ein Angriff i.S.v. Art. 134 StGB seitens der FCZ- Fans bzw. des Beschuldigten im Lichte der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus, vielmehr liegt ein Raufhandel i.S.v. Art. 133 StGB vor. Im Übrigen ist auch in subjektiver Hinsicht nicht von einem Angriff, sondern von einem Raufhandel auszugehen, da im Zeitpunkt, als der Beschuldigte vom Geschehen Kenntnis erhielt und herbeieilte, eine wechselseitige Auseinandersetzung vorlag (Zeitstempel 01:05:55) und entsprechend davon auszugehen ist, dass bei ihm kein Vorsatz zur Teilnahme an einem Angriff bestand.

    In Bezug auf die Person des Beschuldigten ist festzuhalten, dass sich dieser – wie bereits erwähnt – ab Zeitstempel 01:05.55 Uhr zur Auseinandersetzung begab, wobei in diesem Moment ein FCZ-Fan mit einer weissen Mütze heftig auf die Leverkusener-Fans losging. Diese stiessen ihn von sich weg, worauf der Beschuldigte seinen Schritt beschleunigte, sich an einem anderen FCZ-Fan vorbei- drängte und mit seiner Getränkedose nach der gegnerischen Gruppe (ausserhalb des Bildes) warf. Er drängte sich richtiggehend an den anderen Gruppenmitglie- dern vorbei bzw. schubste sie aus dem Weg, um auch noch auf die Leverkusener-Fans einprügeln zu können (Zeitstempel 01:06:11). Damit hat sich der Beschuldigte offenkundig am Raufhandel beteiligt. Erneut ist festzuhalten, dass kei- ne Notwehrsituation vorlag und eine solche vom Beschuldigten selbst auch nicht behauptet wurde.

    Der Geschädigte H. erlitt eine Schädelprellung, welche gemäss ärztlichem Behandlungsbericht mittels Analgesie, mithin Schmerzlinderung, therapiert wer- den musste (Urk. 11/1), jedoch ergeben sich dessen Verletzungen nicht aus der Anklageschrift. Wie sich jedoch aus den Akten und der Anklageschrift ergibt (vgl. Urk. 25 S. 3; Urk. 9; Urk. 11/5), trug nebst dem Geschädigten H. auch der

    Geschädigte I.

    Verletzungen davon, welche die Schwere einer einfachen

    Körperverletzung erreichen. Wie bereits vorstehend erwogen (vgl. Erw. II.5.) han- delt es sich beim vorliegend zu beurteilenden Raufhandel um ein ganzheitliches Geschehen, wozu auch die Auseinandersetzung rund um die Person des Geschädigten I. zu zählen ist. Dass der Beschuldigte zu jenem Zeitpunkt am Raufhandel nicht mehr beteiligt gewesen ist, ist insofern irrelevant. Die objektive Strafbarkeitsbedingung der einfachen Körperverletzung i.S.v. Art. 123 StGB ist damit erfüllt. Daran ändert der Rückzug des Strafantrags nichts.

    Am tätlichen Vorgehen der gewaltbereiten FCZ-Fans, welches offenkundig mehr als zwei Personen involvierte und nach dem Erwogenen als Raufhandel i.S.v. Art. 133 StGB zu werten ist, schloss sich der Beschuldigte bewusst und gewollt an. Es wäre ihm unbenommen geblieben, auf der anderen Strassenseite zu bleiben, so wie es viele FCZ-Fans gemacht haben, sich im Minimum nicht tätlich an der Auseinandersetzung zu beteiligen. Damit ist erstellt, dass der Beschuldigte vorsätzlich am Raufhandel teilgenommen hat.

    Zusammenfassend ist der Beschuldigte entgegen der Vorinstanz nicht des Angriffs i.S.v. Art. 134 StGB, sondern des Raufhandels i.S.v. Art. 133 StGB schuldig zu sprechen.

  5. Strafzumessung

    1. Rechtliches

      Der Raufhandel i.S.v. Art. 133 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, mithin ist die Strafe innerhalb des Strafrahmens von mindestens drei Tagen Freiheitsstrafe bzw. drei Tagessätzen Geldstrafe (Art. 40 Abs. 1 StGB; Art. 34 Abs. 1 StGB) bis maximal drei Jahren Freiheitsstrafe zu bemessen. Die Vorinstanz hat die theoretischen Strafzumessungsregeln im Übrigen korrekt dargetan. Auf diese Erwägungen kann vorab zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen werden (Urk. 38 S. 24 ff.).

    2. Tatschwere

      Zur objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass sich der Beschuldigte einem bereits im Gange befindlichen Raufhandel zwischen den FCZ-Fans und den Leverkusen-Fans anschloss. Er unterstützte den Raufhandel und beteiligte sich selbst daran, wobei er mit Fäusten auf einen Geschädigten einprügelte und nach diesem trat. Er nutzte die deutliche zahlenmässige Überlegenheit seiner Gruppe und leistete einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Auseinandersetzung. Nur einem glücklichen Zufall ist zu verdanken, dass es nicht zu schwereren Verletzungen kam. Mit der Vorinstanz ist das objektive Tatverschulden innerhalb des bis 3 Jahre Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens als nicht mehr leicht zu werten.

      Zur subjektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte sich vorsätzlich am bereits laufenden Raufhandel beteiligte. Auch wenn er zur Frage nach seinen Motiven die Aussagen verweigerte, ist aus den gesamten Handlungen zu schliessen, dass es ihm darum ging, die gegnerischen Fans zu verprügeln. Dafür drängte er sich bewusst und gewollt an anderen Mitgliedern seiner Gruppe vorbei, um die Schläge auszuteilen. Damit manifestierte er einen überdurchschnittlich ausgeprägten Willen, die Tat zu begehen, was leicht straferhöhend zu werten ist.

      Das gesamthafte Tatverschulden ist nicht mehr leicht, was einer Einsatzstrafe von 10 Monaten Freiheitsstrafe entspricht.

    3. Täterkomponente

      In Bezug auf die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten kann auf die vorinstanzlichen Erwägungen sowie die Akten verwiesen werden (Urk. 38 S. 26). Anlässlich der Berufungsverhandlung ergänzte er, in N. bei seinen Eltern aufgewachsen zu sein, einen Bruder zu haben und gab an, ledig zu sein und keine Kinder zu haben. Er hielt fest, nach wie vor an der Universität Zürich zu studieren, daneben in einem 60%-Pensum zu arbeiten und damit netto monatlich ungefähr Fr. 3'500.– zu erzielen sowie keine Schulden, jedoch ein Vermögen von ca. Fr. 33'000.– aufzuweisen. Auf Nachfrage bestätigte er hinsichtlich seiner finanziellen Verhältnisse, dass seine Wohnkosten Fr. 800.– und seine Krankenkassenprämien Fr. 338.– pro Monat sowie die jährliche Steuerbelastung Fr. 225.50 betragen würden (Prot. II S. 10 f.; vgl. auch Urk. 47 und Urk. 52/1 S. 8).

      Insgesamt sind die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten strafzumessungsneutral zu werten.

      Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft (Urk. 48), was ebenfalls strafzumessungs- neutral zu würdigen ist.

    4. Weitere Strafzumessungsgründe

      Der Beschuldigte verpflichtete sich am 19. Dezember 2019 im Rahmen der Vereinbarung der FCZ-Fans und der Leverkusen-Fans zur Zahlung von insgesamt Fr. 9'720.– an die Geschädigten. Er erklärte darin sein Bedauern über die Ausei- nandersetzung ohne Schuldanerkennung. Im Gegenzug zogen die Geschädigten die Strafanträge zurück und erklärten ausdrücklich das Desinteresse an der Strafverfolgung (vgl. Urk. 23).

      Der Beschuldigte zeigte damit eine minime Reue, welche mit der Vorinstanz leicht strafmindernd zu berücksichtigen ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Erklärung ausdrücklich ohne Schuldanerkennung erfolgte. Eine eigentliche Einsicht in eigenes Fehlverhalten wird damit nicht zum Ausdruck gebracht.

      Der Beschuldigte verweigerte im Strafverfahren die Aussage, was sein gutes Recht ist. Ein Geständnis und damit ein weitergehender Ausdruck von Reue gar Einsicht kann ihm aber damit nicht zugutegehalten werden.

      Soweit die Verteidigung als Strafminderungsgrund vorbringt, der Beschuldigte sei an jenem Abend alkoholisiert gewesen (Urk. 30 S. 8; Urk. 52/1 S. 8), handelt es sich dabei um eine Spekulation. Der Beschuldigte selbst behauptete nicht, alkoholisiert gewesen zu sein, sondern verweigerte dazu die Aussage. Auch hier liegt eine Entlastungstatsache vor, die vom Beschuldigten glaubhaft zu machen zumindest zu behaupten wäre. Der Videoaufzeichnung lassen sich jedenfalls kei- ne Hinweise für eine verminderte Schuldfähigkeit entnehmen, ging er doch gezielt vor und sind auch keine anderen Anzeichen für eine Angetrunkenheit erkennbar. Namentlich wies der Beschuldigte weder einen schwankenden Gang noch verzögerte Bewegungen auf. Vielmehr ging er gezielt und kraftvoll vor. Der Umstand, dass der Beschuldigte im Tatzeitpunkt eine Dose in der Hand hielt, bildet kein In- diz für eine Angetrunkenheit. Es ist nicht erstellt, dass es sich dabei um eine Bier- dose handelte, wie die Vorinstanz annahm (Urk. 38 S. 26), zumal sich dies weder den Videoaufnahmen noch anderen Aussagen entnehmen lässt. Mithin bestehen keine Hinweise auf eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt.

      Die Vorinstanz erachtete die lange Verfahrensdauer als weiteren Strafminderungsgrund und wertete diesen minim strafmindernd (Urk. 38 S. 27).

      Das in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 3 lit. c UNO- Pakt II festgeschriebene Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren voranzutreiben, um den Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Ungewissen zu lassen (BGE 133 IV 158 E. 8; 130 IV 54 E. 3.3.1; 124 I 139 E. 2a; je mit Hinweisen). Entscheidend für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist eine Gesamtbetrachtung des konkreten Einzelfalls (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3; 124 I 139 E. 2c). Von den Behör- den und Gerichten kann nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem einzigen Fall widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgänglich. Wirkt keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 6B_51/2013 vom 12. März 2013, E. 2.2). Welche Verfahrensdauer angemessen ist, hängt von den konkreten Umständen ab, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Kriterien hierfür bilden etwa die Schwere des Tatvorwurfs, die Komplexität des Sachverhaltes, die dadurch gebotenen Untersuchungshandlungen, das Verhalten des Beschuldigten und dasjenige der Behörden sowie die Zumutbarkeit für den Beschuldigten (BGE 130 IV 54

      E. 3.3.1 S. 54 f.; 130 I 269 E. 3.1 S. 273; je mit Hinweisen). Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im Rahmen der Strafzumessung festzustellen und zu würdigen, da die Verfahrensverzögerung nicht geheilt werden kann (BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170 m.w.H.). Insoweit gilt das Beschleunigungsgebot als Strafzumessungskriterium nach Art. 47 StGB.

      Der Vorfall ereignete sich am 26. Oktober 2018. Am 7. Januar 2019 wurde gegen den Beschuldigten die Untersuchung eröffnet (Urk. 14), wobei der Beschuldigte sein Mobiltelefon siegeln liess. Der Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft erfolgte am 17. Januar 2019 beim Zwangsmassnahmengericht Zürich, welches das Verfahren mit Urteil vom 25. Juni 2019 erledigte (Urk. 17/11) und das Mobiltelefon mit Verfügung vom 26. September 2019 herausgab (Urk. 17/13). Bis zu diesem Zeitpunkt bestand in der Untersuchung keine unerklärliche Lücke. In der Folge stand das Verfahren jedoch bis Januar 2021 still. Diese Lücke lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass gegen andere Beteiligte des Raufhandels vom 26. Oktober 2018 separate Strafuntersuchungen liefen. Führt die Untersuchungsbehörde die Strafverfahren gegen verschiedene Beschuldigte bewusst separat, kann sie sich nicht darauf berufen, das eine Verfahren sei still gestanden, weil andere Verfahren bearbeitet worden seien. In der Regel steht jedes Verfahren still, weil die Untersuchungsbehörden andere Verfahren vorantreiben. Mangels Akteneinsicht in die anderen Verfahren konnte der Beschuldigte nicht wissen, weshalb sein Verfahren stillsteht. Er wurde unnötig im Ungewissen gelassen. Es liegt daher eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vor, was zu einer höheren Strafreduktion führt als von der Vorinstanz angenommen.

    5. Fazit

    Die hiesige Kammer erachtet mit der Vorinstanz eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten dem Verschulden des Beschuldigten als angemessen. Die Ausfällung einer Geldstrafe fällt bei dieser Strafhöhe nicht in Betracht.

    Der Anrechnung von 10 Tagen Haft (Urk. 18/2 und Urk. 18/12) an die Freiheitsstrafe steht nichts entgegen. Hingegen ist der Antrag auf Zusprechung einer Ge- nugtuung für die erlittene Untersuchungshaft abzuweisen.

  6. Vollzug

    Unter Verweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz (vgl. Urk. 38

    S. 28 f.) ist dem Beschuldigten der bedingte Vollzug zu gewähren, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.

  7. DNA-Profil

    Nachdem der Beschuldigte wegen eines vorsätzlichen Vergehens gegen Leib und Leben zu verurteilen ist, kommt die durch die Verteidigung beantragte Löschung seines DNA-Profils einstweilen nicht in Betracht (Art. 11 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 5 lit. b DNA-Profil-Gesetz).

  8. Kosten- und Entschädigungsfolgen

Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die erstinstanzliche Kostenregelung zu bestätigen. Weiter sind dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, aufzuerlegen

Die Kosten der amtlichen Verteidigung von insgesamt Fr. 3'450.– (inkl. MwSt.; Urk. 52/2 zzgl. 4 Stunden für die Berufungsverhandlung inkl. Weg und Urteilsbesprechung) sind auf die Gerichtskasse zu nehmen, unter Vorbehalt einer Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 7. September 2021 bezüglich der Dispositivziffern 4 (Herausgabe der sichergestellten Gegenstände), 5 (Entschädigung der amtlichen Verteidigung), 6 (Kostenfestsetzung) und 9 (Übernahme der Kosten des Entsiegelungsverfahrens GM190002-L) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig des Raufhandels im Sinne von Art.

    133 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 7 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 10 Tage durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Der Antrag auf Löschung des DNA-Profils des Beschuldigten wird abgewiesen.

  5. Der Antrag auf Zusprechung einer Genugtuung für die Untersuchungshaft wird abgewiesen.

  6. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 7 und 8) wird bestätigt.

  7. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 3'450.– amtliche Verteidigung.

  8. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten

    der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  9. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten;

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat; sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten;

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat;

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz;

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A;

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils.

  10. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 6. September 2022

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Brülisauer

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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