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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB210543: Obergericht des Kantons Zürich

Die kantonale Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft für A.________ wegen Flucht- und Kollusionsgefahr sowie Fortsetzungsgefahr. A.________ wurde vorläufig festgenommen und die Untersuchungshaft bis zum 25. Juli 2019 angeordnet. A.________ erhob Beschwerde dagegen und gab teilweise Beteiligung an den Vorwürfen zu. Es wurde geprüft, ob Flucht-, Kollusions- und Wiederholungsgefahr vorliegen. Die Kollusionsgefahr wurde bejaht, da A.________ Personen beeinflussen könnte. Die Wiederholungsgefahr wurde offengelassen. Es wurde entschieden, A.________ mit einer Ausweis- und Schriftensperre sowie der Auflage, sich wöchentlich zu melden, aus der Haft zu entlassen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Staat.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB210543

Kanton:ZH
Fallnummer:SB210543
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210543 vom 18.08.2022 (ZH)
Datum:18.08.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Versuchte schwere Körperverletzung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Vorinstanz; Körper; Privatklägers; Körperverletzung; Aussage; Verteidigung; Kokain; Recht; Berufung; Aussagen; BetmG; Freiheitsstrafe; Urteil; Sinne; Staatsanwaltschaft; Busse; Flasche; Verfahren; Verletzung; Vergehen; Schläge; Alkohol; Schuld
Rechtsnorm:Art. 10 StPO ;Art. 12 StGB ;Art. 122 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 159 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 404 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 43 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:133 I 33; 135 IV 12; 137 IV 1; 138 IV 81; 139 IV 179; 141 IV 249; 144 IV 217; 144 IV 377;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB210543

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210543-O/U/cwo

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, Oberrichterin lic. iur.

M. Knüsel und Oberrichter lic. iur. R. Faga sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Kümin Grell

Urteil vom 18. August 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1.

gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwältin lic. iur. S. Tobler,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend versuchte schwere Körperverletzung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 10. Juni 2021 (DG200020)

Anklage:

(Urk. 17)

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 2. November 2020 ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 46 S. 49 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig

    • der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB

    • der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG sowie

    • der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 32 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 64 Tage durch Haft erstanden sind sowie mit einer Busse von Fr. 300.–.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 22 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (10 Monate), abzüglich 64 Tage, die durch Untersuchungshaft erstanden sind, wird die Freiheitsstrafe vollzogen. Die Busse ist zu bezahlen.

  4. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

  5. Es wird die Abnahme einer DNA-Probe des Beschuldigten und die Erstellung eines DNA-Profils im Sinne von Art. 5 des DNA-Profil-Gesetzes angeordnet. Die Kantonspolizei Zürich wird mit dem Vollzug beauftragt.

    Der Beschuldigte wird verpflichtet, sich innert 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft des Urteils bei der Kantonspolizei Zürich, Erkennungsdienst, Zeughausstrasse 11, 8004 Zürich, zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit Wangenschleimhautab- nahme zu melden.

  6. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  7. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger eine Genugtuung von Fr. 1'000.– zu bezahlen.

  8. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 4'000.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 5'000.00 Gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 2'759.15 Auslagen (Gutachten)

    Fr. 793.57 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwältin

    X2.

    (inkl. Barauslagen und MwSt; bereits ausbe-

    Fr. 6'288.40 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt X1. (inkl. Barauslagen und MwSt)

    Fr. 3'000.00 Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung des Privatklägers durch Rechtsanwalt Y. (inkl. Barauslagen und MwSt)

  9. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen derjenigen der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers, werden dem Beschuldigten auferlegt.

Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Privatklägers werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 66 S. 1 ff.)

    Hauptanträge:

    1. In Abänderung von Dispositiv-Ziffer 1 des vorinstanzlichen Urteils sei der Beschuldigte vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverlet-

      zung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das BetmG i.S.v. Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG freizusprechen.

      In Abänderung von Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils die der Beschuldigte einzig wegen Widerhandlung gegen das BetmG i.S.v. Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig zu sprechen und mit einer schuldangemessenen Busse zu bestrafen.

    2. Dem Beschuldigten sei eine angemessene Genugtuung für die zu Unrecht erlittene Haft zuzusprechen. Weiter sei dem Beschuldigten für die vormalige Wahlverteidigung eine Prozessentschädigung zuzusprechen.

    3. Die Zivilforderungen des Privatklägers seien anzuweisen.

    4. Die Kosten des Verfahrens seien ausgangsgemäss dem Beschuldigten anteilsmässig, maximal im Umfang von 10 Prozent, aufzuerlegen.

      Eventualanträge:

      1. In Abänderung von Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils sei der Beschuldigte der einfachen Körperverletzung, subeventualiter der versuchten schweren Körperverletzung, begangen im Notwehrexzess, schuldig zu sprechen.

        In Abänderung von Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils sei der Beschuldigte einzig wegen Widerhandlung gegen das BetmG i.S.v. Art. 19a Ziff. 1 BetmG schuldig zu sprechen und mit einer schuldangemessenen Busse zu bestrafen.

      2. In Abänderung der Dispositiv-Ziffern 2 und 3 des Urteils sei der Beschuldigte mit einer schuldangemessenen Freiheitsstrafe von maximal 15 Monaten zu bestrafen, dies unter Anrechnung der erstandenen Haft.

      3. In Abänderung von Dispositiv-Ziffer 3 des Urteils sei der bedingte Vollzug der Freiheitsstrafe anzuordnen, dies unter Ansetzung einer Probezeit von 4 Jahren.

      4. In Abänderung der Dispositiv-Ziffern 6 und 7 des Urteils seien die Zivilforderungen des Privatklägers abzuweisen bzw. auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.

      5. Die Kosten des Verfahrens seien ausgangsgemäss dem Beschuldigten anteilsmässig aufzuerlegen.

  2. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 53)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    Erwägungen:

    1. Verfahrensgang

      1. Zum Verfahrensgang bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 46 S. 4). Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Urteil liess der Beschuldigte innert gesetzlicher Frist die Berufung anmelden (Urk. 40). Nach Zustellung des begründeten Urteils reichte der Beschuldigte wiederum fristgerecht seine Berufungserklärung ein (Urk. 48). Sowohl die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) als auch der Privatkläger B. (nachfolgend: Privatkläger) erklärten daraufhin innert angesetzter Frist, auf eine Anschlussberufung zu verzichten (Urk. 53 und Urk. 55).

      2. Am 10. Mai 2022 wurden die Parteien auf den 18. August 2022 zur Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 57). Zu dieser erschien der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers (Prot. II S. 3). Vorfragen waren anlässlich der Berufungsverhandlung keine zu entscheiden und – abgesehen von der Befragung des Beschuldigten – auch keine Beweise abzunehmen (Prot. II S. 5).

  1. Prozessuales

  1. Umfang der Berufung

    In Ergänzung zu den Anträgen des Beschuldigten in der Berufungserklärung (Urk. 48) ist die mit der angefochtenen Busse zusammenhängende Ersatzfreiheitsstrafe (Dispositiv-Ziffer 4) wie auch der Passus betreffend Nachforderung der zunächst auf die Gerichtskasse genommenen Anwaltskosten (Dispositiv-Ziffer 9,

  2. Absatz) aufgrund der unmittelbaren Anhängigkeit vom Entscheid über die angefochtenen Punkte ebenfalls in zweiter Instanz zu überprüfen. Demzufolge gilt lediglich Dispositiv-Ziffer 8 (Kostenfestsetzung) als unangefochten und erwächst damit in Rechtskraft, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist (Art. 404 Abs. 1 StPO). Im übrigen Umfang steht der angefochtene Entscheid im Rahmen des Berufungsverfahrens unter Vorbehalt des Verschlechterungsverbotes zur Disposition.

    Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und je- des einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2, je mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.

    Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.

    1. Verwertbarkeit der Beweismittel

      1. In prozessualer Hinsicht bringt die amtliche Verteidigung an der Berufungsverhandlung erneut vor, der Beschuldigte sei am 19. September 2019 ohne

        notwendige Verteidigung polizeilich einvernommen worden, obwohl erkennbar gewesen sei, dass ein Fall notwendiger Verteidigung vorliege (Urk. 66 S. 3 f.).

        Die Vorinstanz legte die theoretischen Grundlagen betreffend die notwendige Verteidigung zutreffend dar und zeigte auf, dass die besagte polizeiliche Befragung noch im polizeilichen Ermittlungsverfahren und somit vor Eröffnung der Strafuntersuchung durchgeführt wurde; darauf kann verwiesen werden (Urk. 46 S. 5 f.). Entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 66 S. 4) kann das Verfahren gegen den Beschuldigten zu jenem Zeitpunkt auch materiell noch nicht als eröff- net angesehen werden, musste doch gerade in diesen ersten polizeilichen Einvernahmen mit den mutmasslich am Vorfall Beteiligten herausgefunden werden, ob ein genügender Tatverdacht bezüglich des Beschuldigten besteht. Zu betonen ist vorliegend, dass eine notwendige Verteidigung anlässlich der ersten Befragung im selbständigen polizeilichen Ermittlungsverfahren in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist. Die notwendige Verteidigung setzt erst nach der polizeilichen Vorermittlung ein (vgl. Art 131 Abs. 2 StPO). Damit besteht zwar ein Anspruch auf einen erbetenen unentgeltlichen amtlichen Anwalt der ersten Stunde (vgl. Art. 127 Abs. 1, Art. 129, Art. 132 Abs. 1 lit. b, Art. 158 Abs. 1 lit. c und Art. 159 StPO; BGE 144 IV 377 E. 2 S. 380 ff.), nicht jedoch auf eine notwen- dige Verteidigung der ersten Stunde (Urteile 6B_998/2019 vom 20. November 2020 E. 2.2; 6B_990/2017 vom 18. April 2018 E. 2.3.3.).

        Die Strafverfolgungsbehörden waren somit nicht verpflichtet, dem Beschul- digten für die polizeiliche Einvernahme vom 19. September 2019 einen notwen- digen Verteidiger zu bestellen. Dieser wurde per 20. September 2019 für die Hafteinvernahme und das weitere Verfahren bestellt (Urk. D1/8/1), was nicht zu beanstanden ist. Die fragliche Einvernahme ist verwertbar.

      2. Die Verteidigung macht zudem, wie bereits vor Vorinstanz (Urk. 36

S. 3 ff.), geltend, es fehle bei der besagten ersten polizeilichen Einvernahme an einem genügenden Tatvorhalt (Urk. 66 S. 5 ff.). Der Beschuldigte wurde am

19. September 2019 vom befragenden Polizeibeamten zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet worden sei und er als beschuldigte Person einvernommen werde (Urk.

D1/2/1 Frage 1). Weiter wurde der Beschuldigte mit dem bis dahin bekannten Sachverhalt konfrontiert, nämlich dass es am 18. September 2019 um ca. 13:30 Uhr in C. an der D. -strasse, ca. Höhe Nr. …, zu einer Auseinandersetzung zwischen männlichen Personen gekommen sei, wobei es zu Personenschaden gekommen sei. Mindestens eine der Personen sei durch den Vorfall ver-

letzt worden und habe sich im Anschluss im Spital C.

behandeln lassen

müssen (Urk. D1/2/1 Frage 2). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, lagen zum Zeitpunkt der polizeilichen Einvernahme des Beschuldigten noch keine Aussagen des Privatklägers vor und dienten die Einvernahmen der beiden mutmasslich Beteiligten gerade dazu, das Vorgefallene abzuklären (Urk. 46 S. 7). Zudem ist festzuhalten, dass der vorgehaltene Vorwurf immerhin derart umschrieben war, dass der Beschuldigte sogleich wusste, welcher Vorfall gemeint war. Im Laufe der Befragung wurde der Beschuldigte konkret nach seinen Handlungen gefragt, womit für ihn spätestens dann klar wurde, welche Fragen sich bezüglich des Vorfalls für die Justizbehörden stellten resp. auf welche Vorwürfe das Verfahren hinauslaufen könnte. Hierzu konnte er sich jeweils sogleich auch äussern. Mit der Vorinstanz ist demnach nicht von einem unzureichenden Tatvorhalt gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. a StPO auszugehen. Wenn der befragende Polizeibeamte am Ende der besagten Einvernahme darüber informierte, dass neben einfacher Körperverletzung auch wegen versuchter schwerer Körperverletzung an die Staatsanwaltschaft rapportiert werde (Urk. D1/2/1 S. 9), ist davon auszugehen, dass sich dieser aufgrund der eben erfolgten Befragung, resp. deren Ergebnis, dazu veranlasst sah. Von einem anfänglichen Vorenthalten des zu ermittelnden Straftatbestands kann keine Rede sein (vgl. Plädoyer der Verteidigung, Urk. 66 S. 5 ff.). Die polizeiliche Befragung vom 19. September 2019 ist somit auch unter diesem Gesichtspunkt verwertbar.

3. Anklageprinzip

Die Verteidigung rügt ferner die Verletzung des Anklageprinzips bezüglich der vorgeworfenen Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz mit der Begrün- dung, der Anklagesachverhalt sei zu vage formuliert (Urk. 66 S. 18 f.). Entgegen dieser Ansicht ist jedoch festzuhalten, dass in der Anklage die Zeitspanne, die deliktischen Handlungen, die Mindestmengen gehandelter Drogen, die Grösse der angeblich verkauften Portionen sowie die Bedingungen, zu welchen der Beschul- digte die Drogen zuvor gekauft haben soll, aufgeführt sind. Der dem Beschuldigten diesbezüglich vorgeworfene Sachverhalt genügt somit dem Anklageprinzip.

III. Sachverhalt

  1. Vorwurf Körperverletzung (Dossier 1)

    1. Dem Beschuldigten wird in der Anklage zunächst zusammengefasst vorgeworfen, den Privatkläger nach mehrfach verbalen Auseinandersetzungen unvermittelt mit einer leeren Whiskey-Flasche ca. 2 bis 3 Mal auf dessen Vorderkopf und auch mehrfach auf dessen Körper eingeschlagen zu haben, wobei sich der Privatkläger zwei Quetschwunden an der Stirn, eine Hautein- und unterblutung an der linken Wange, grossflächige, bandförmige Hauteinblutungen und Hautabschürfungen am rechten Ellbogen und eine Luxation des linken Kleinfingers zugezogen habe (Urk. 17 S. 2).

    2. Der Beschuldigte will dem Privatkläger nur einmal auf den Kopf geschlagen haben. An weitere Schläge vermöge er sich nicht zu erinnern (Urk. D1/2/3 S. 4; Prot. I S. 9 und 11, Urk. 65 S. 9). Demgemäss ist zu prüfen, inwiefern der eingeklagte Sachverhalt aufgrund der Untersuchungsakten und der vorgebrachten Argumente erstellt und dem Beschuldigten mit rechtsgenügender Sicherheit nachgewiesen werden kann.

    3. Die Vorinstanz hat die Grundlagen der Beweiswürdigung zutreffend wiedergegeben sowie die vorliegend relevanten Beweismittel bezeichnet, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf zu verweisen ist (Urk. 46 S. 8 ff.).

    4. Stützt sich die Beweisführung auf die Aussagen von Beteiligten, so sind diese frei zu würdigen (Art. 10 Abs. 2 StPO). Bei der Würdigung von Aussagen darf nicht einfach auf die Persönlichkeit allgemeine Glaubwürdigkeit von Aussagenden abgestellt werden. Massgebend ist vielmehr die Glaubhaftigkeit der konkreten, im Prozess relevanten Aussagen. Dieser Ansatz wurde vom Bundesgericht vor kurzem im Urteil 6B_323/2021 vom 11. August 2021, E. 2.3.3., bestätigt: Das Konzept einer 'allgemeinen Glaubwürdigkeit' wird in der Aussagepsychologie als wenig brauchbar bewertet. Der allgemeinen Glaubwürdigkeit eines Zeugen im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft kommt nach heutiger Erkenntnis bei der Würdigung von Zeugenaussagen daher kaum mehr relevante Bedeutung zu. Weitaus bedeutender für die Wahrheitsfindung als die allgemeine Glaubwürdigkeit ist die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage. Dabei wird die konkrete Aussage durch methodische Analyse ihres Inhalts (Vorhandensein von Realitätskriterien, Fehlen von Fantasiesignalen) darauf überprüft, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben einem tatsächlichen Erleben der befragten Person entspringen (BGE 133 I 33 E. 4.3; Urteile 6B_257/2020 vom 24.

      Juni 2021 E. 5.4.3; 5A_550/2019 vom 1. September 2020 E. 9.1.3.1; je mit Hinweisen). Entscheidend für den Beweiswert einer Zeugenaussage ist daher die Glaubhaftigkeit der konkreten Zeugenaussage und nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen als persönliche Eigenschaft. Das für die Zeugenaussage Gesagte kann auf die Aussagenwürdigung generell übertragen werden, mithin auch für die Aussagen der Auskunftspersonen und Beschuldigten.

    5. Die Vorinstanz hat die relevanten Aussagen des Beschuldigten, des Privatklägers sowie des Zeugen E. richtig zusammengefasst (Urk. 46 S. 15

      f. mit weiteren Verweisen). Auch die Feststellungen betreffend die Verletzungen des Privatklägers gemäss Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) vom

      30. September 2019 wurden im vorinstanzlichen Entscheid korrekt wiedergegeben (Urk. 46 S. 17). Darauf kann verwiesen werden.

    6. Die Erwägungen der Vorinstanz zur Aussagenwürdigung der einver- nommenen Personen und zu den Arztberichten sind zutreffend und können über- nommen werden. Die nachfolgenden Ausführungen dienen lediglich der Verdeutlichung und allenfalls Ergänzung.

    7. Wenn die Vorinstanz das Aussageverhalten des Beschuldigten als wi- dersprüchlich, relativ karg in der Schilderung sowie teilweise wenig nachvollziehbar beschrieb (Urk. 46 S. 18), kann dem zugestimmt werden. Der Beschuldigte sprach stets nur von einem Schlag gegen den Kopf des Privatklägers, resp. gab an, er möge sich nur an einen Schlag erinnern (so zuletzt an der Berufungsverhandlung, Urk. 65 S. 9). Seine diesbezüglichen Behauptungen fielen allerdings sehr unbestimmt aus und er berief sich stets auf seine fehlende Erinnerung. Er gab an, er sei betrunken gewesen (Urk. D1/2/2 S. 4, Urk. D1/2/3 S. 4). Zum Grund, weshalb er sich überhaupt bei E. aufhielt, behauptete der Beschul- digte noch bei der Polizei, mit diesem etwas getrunken zu haben, dann habe er aber gehen wollen, weil er erfahren habe, dass der Privatkläger auf dem Weg zu E. sei, und er diesem nicht habe begegnen wollen (Urk. D1/2/1 S. 3). Hingegen erklärte der Beschuldigte in der Hafteinvernahme auf Vorhalt der Aussagen von E. , dass dieser ihn angerufen hätte, damit er – der Beschuldigte – E. vor dem Privatkläger beschützen komme, welcher zuvor sein Kommen angekündigt hätte. Der Beschuldigte räumte auf weiteren Vorhalt auch ein, nur ei- nige Minuten bei E. gewesen zu sein, bevor der Privatkläger an die Tür gehämmert habe (Urk. D1/2/2 S. 5). Auch an der Berufungsverhandlung erklärte der Beschuldigte unmissverständlich, E. habe ihn angerufen und um seine Hilfe gebeten, nachdem ihm der Privatkläger mit dem Tod gedroht habe (Urk. 65 S. 7). Während der Beschuldigte bei der Polizei und auch anfänglich bei der Staatsanwaltschaft noch davon sprach, er habe dem Privatkläger möglichst aus dem Weg gehen wollen (Urk. D1/2/1 S. 3 und 8, Urk. D1/2/2 S. 3), erklärte er später bei der Staatsanwaltschaft, er habe das alles klären wollen, resp. er habe eine leichte Wut gehabt, aber er habe es hauptsächlich klären wollen (Urk. D1/2/2 S. 5 f.). Er gab bereits bei seiner ersten Befragung und auch später an, gehört zu haben, wie es an der Tür klopfte bzw. polterte (Urk. D1/2/1 S. 3; Prot. I S. 9; Urk. 65 S. 8), womit er nach vormaliger Ankündigung des Privatklägers genau gewusst haben muss, dass er diesem nach dem Öffnen der Türe gegenüberstehen würde. Dass die Begegnung nicht von Freundlichkeit geprägt sein würde, konnte er ah- nen, da ihm der Privatkläger gemäss eigenen Angaben bereits im Vorfeld gedroht haben soll. Dass der Beschuldigte dennoch die Tür öffnete, obwohl er dem Privatkläger aus dem Weg gehen wollte und – wie er zuletzt an der Berufungsverhandlung angab (Urk. 65 S. 8 ff.) – grosse Angst vor diesem hatte, ist nicht schlüssig. Vielmehr ist aufgrund des Ausgeführten und in Übereinstimmung mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschuldigte eine Konfrontation mit dem Privatkläger bewusst gesucht hatte (vgl. Urk. 46 S. 20).

      Zum Verhalten des Privatklägers nach dem Öffnen der Tür, gab der Beschuldigte an, dieser sei direkt auf ihn zugekommen und habe ihn packen wollen, ihn nicht durchlassen wollen, er habe ihm an die Gurgel gewollt (Urk. D1/2/1

      S. 3, vgl. auch S. 8), […] auch weil er mir an den Hals ging (Urk. D1/2/2 S. 4). Vor Vorinstanz machte er geltend, der Privatkläger sei direkt auf ihn losgekommen, habe ihn gewürgt resp. gepackt, er habe keine Luft bekommen (Prot. I S. 9 f.). Der Privatkläger habe ihm bereits vorher gedroht, dass er zu ihm nach Hause komme, ihn zusammenschlage und ihm die Genitalien abschneide (Prot. S. 10). Diese Dramatisierung im Laufe des Verfahrens ist sehr auffällig und die Aussagen wirken damit nicht glaubhaft. Wäre der Beschuldigte tatsächlich vom Privatkläger gewürgt worden, hätte er diesen wichtigen Umstand bereits zu Beginn der Untersuchung vorgebracht. An der Berufungsverhandlung schwächte der Beschuldigte den Angriff seitens des Privatklägers insofern wieder etwas ab, als er angab, der Privatkläger sei mit beiden Händen auf ihn, resp. seinen Hals- und Brustbereich, losgegangen, er habe sich bedroht gefühlt (Urk. 65 S. 9). Ob es überhaupt zu ei- ner Bedrohungssituation seitens des Privatklägers kam, ist aufgrund der diesbezüglichen unterschiedlichen Schilderungen nicht klar. Ebenso wenig gelang es dem Beschuldigten darzulegen, weshalb sich der Privatkläger auf ihn hätte stürzen sollen. So gab er in der Untersuchung an, nicht zu wissen, weshalb er vom Privatkläger immer wieder angegangen werde, er denke, dieser versuche, ihm Kokain wegzunehmen. Er wolle dem Privatkläger aber kein Kokain verkaufen (Urk. D1/2/1 S. 4 und 7 f.). An der Berufungsverhandlung erklärte der Beschuldigte, der Privatkläger habe sich bei ihm rächen wollen, weil er dessen Kollegen einmal kein Kokain habe verkaufen wollen (Urk. 65 S. 10). Solche Gründe lassen einen tätlichen Angriff seitens des Privatklägers nicht plausibel erscheinen.

    8. Die Aussagen des Privatklägers zum Grund, weshalb er damals den Wohnort von E. aufsuchte, sind nicht einheitlich und damit nicht schlüssig. Nachdem er bei der Polizei noch angab, bei E. die gemeinsame Bekannte F. gesucht zu haben (Urk. D1/3/1 S. 1 und 4), erklärte er bei der Staatsanwaltschaft, er habe mit E. auch darüber reden wollen, dass er ihm schlechtes Kokain verkauft habe (Urk. D1/3/2 S. 6). Mit der Vorinstanz liegt damit die Vermutung nahe, dass der Privatkläger E. nicht mit rein freundlicher Absicht

      aufsuchte (Urk. 46 S. 21). In Bezug auf den Konflikt mit dem Beschuldigten räumte der Privatkläger ein, dass es vorgängig seinerseits zu verbalen Drohungen ge-

      genüber dem Beschuldigten – wie im Übrigen auch gegenüber E.

      – gekommen sei (Urk. D1/3/1 S. 5, Urk. D1/3/2 S. 9), sodass mit der Vorinstanz nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch der Privatkläger seinen Teil zu dieser Auseinandersetzung mit dem Beschuldigten beigetragen hat (Urk. 46 S. 21).

      In Bezug auf den eigentlichen Vorfall gab der Privatkläger in der Untersuchung konstant und gleichlautend zu Protokoll, dass der Beschuldigte ihn gleich nach dem Öffnen der Türe heftig mit einer Flasche gegen den Kopf (Urk. D1/3/1

      S. 1, 5 f.), resp. mehrfach (Urk. D1/3/2 S. 4), ca. 2 3 Mal (Urk. D1/3/2 S. 7) auf den Kopf geschlagen habe. Die Aussagen sind grundsätzlich – insbesondere mit Blick auf die vom IRM festgestellten und analysierten Verletzungen (Urk. D1/6/2) – glaubhaft.

      Zu Beginn der polizeilichen Befragung gab der Privatkläger an, der Beschul- digte habe dann mit der Flasche auf seinen ganzen Körper eingeschlagen. Etwas später erklärte er, dieser habe auch mit den Fäusten geschlagen und getreten, als er am Boden gelegen habe (Urk. D1/3/1 S. 5). Schliesslich mutmasste er, er sei wohl, nachdem er zu Boden gefallen sei, nicht mehr mit der Flasche geschlagen, sondern nur noch getreten worden (Urk. D1/3/1 S. 6). Demgegenüber erklärte er später bei der Staatsanwaltschaft wiederum, der Beschuldigte habe ihn nach dem Sturz auf einen Blumentopf am ganzen Körper mit der Flasche geschlagen (Urk. D1/3/2 S. 4 f.). Die widersprüchlichen Aussagen bezüglich allfälliger weiterer Schläge gegen den Körper mögen damit erklärt werden, dass der Privatkläger – wie er jeweils erwähnte – zeitweise das Bewusstsein verloren hat (Urk. D1/3/2 S. 5, Urk. D1/3/1 S. 1 f.). Jedoch kann daraus nicht zweifelsfrei auf weitere Schläge mit der Flasche gegen den Körper des Privatklägers geschlossen werden.

    9. Der Zeuge E.

      versuchte zwar anfänglich, den Beschuldigten in

      Schutz zu nehmen (Urk. D1/4/2 S. 1-10). Er begründete dies damit, dass der Beschuldigte ihm ja nur habe helfen wollen und er, E. , eigentlich schuld sei (Urk. D1/4/3 S. 3). Danach schilderte er seine Wahrnehmung des Sachverhalts in beiden Einvernahmen gleichlautend und nachvollziehbar. Insbesondere erklärte

      er, dass der Privatkläger ihm gedroht habe. Der Privatkläger habe ihn vor dem fraglichen Vorfall angerufen und gesagt, er würde vorbeikommen und ihn beerdigen. Darauf habe er den Beschuldigten angerufen, weil ihm dieser früher einmal gesagt habe, er könne ihn immer anrufen und er würde helfen. Der Beschuldigte sei dann mit einer Whiskeyflasche zu ihm gekommen, kurz bevor der Privatkläger an die Türe gepoltert habe. Der Beschuldigte habe (dem Privatkläger) darauf die Türe geöffnet, während er, E. , sich in seinem Zimmer eingeschlossen und mehrmals, resp. dreimal ein Dong gehört habe (Urk. D1/4/2 S. 10 f., Urk. D1/4/3

      S. 4 f.). Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, ist zu beachten, dass E. das Geschehen gemäss seinen Aussagen nicht selbst gesehen und er damit nicht Augenzeuge im eigentlichen Sinn ist (Urk. 46 S. 23).

    10. Aufgrund des Ausgeführten vermögen weder die Sachdarstellung des Beschuldigten noch jene des Privatklägers vollends zu überzeugen (vgl. Urk. 46

      S. 23), insbesondere hinsichtlich der Beweggründe für deren Handeln. Jedoch bestehen in Bezug auf das eigentliche, rechtserhebliche Tatgeschehen keine erheblichen Zweifel daran, dass der Beschuldigte dem Privatkläger mit einer Whiskeyflasche mindestens einmal auf den Kopf geschlagen hat. Der Beschuldigte hat einen Schlag eingestanden. Von mindestens einem Schlag mit der Flasche gegen den Kopf des Privatklägers kann ausgegangen werden aufgrund der Aussagen des Privatklägers sowie des Gutachtens der Fachärztin für Rechtsmedizin vom 30. September 2019, welche als möglichen Ereignismechanismus die geltend gemachten Schläge mit einer Flasche erwähnt (Urk. D1/6/2 S. 4).

    11. Dass der Beschuldigte mit der Flasche auch mehrfach auf den Körper des Privatklägers eingeschlagen hat, kann in Übereinstimmung mit der Vorinstanz nicht als erstellt erachtet werden (vgl. Urk. 46 S. 23). Einerseits wird dies vom Beschuldigten bestritten, andererseits konnte der Privatkläger hierzu keine einheitlichen Angaben machen. Kommt hinzu, dass der Privatkläger auch keine Verletzungen aufwies, welche eindeutig auf solche Schläge gegen den Körper hin- deuten würden. Gemäss genanntem Gutachten des IRM werden die weiteren Verletzungen (grossflächige, bandförmige Hauteinblutungen und Hautabschürfungen an der Rumpfrückseite mit erdartigen Antragungen, Hautabschürfungen

      am rechten Ellbogen) denn auch mit einem Sturz und nicht mit Schlägen in Einklang gebracht (Urk. D1/6/1 S. 4). Mit der Vorinstanz sind daher zugunsten des Beschuldigten die weiteren eingeklagten Schläge gegen den Körper des Privatklägers nicht als erstellt zu erachten (Urk. 46 S. 25).

    12. Zur vom Beschuldigten geltend gemachten Notwehrlage ist zunächst festzuhalten, dass dieser nicht einheitlich dartun konnte, inwiefern er vom Privatkläger angegriffen wurde. Zwar konnten gemäss IRM-Gutachten Hautabschürfungen am Nacken, Hautrötungen nahe des rechten Schlüsselbeins, an der rechten Halsseite und am rechten Oberarm festgestellt werden, welche aufgrund der Lokalisation und Morphologie auf ein Zerren an der Bekleidung ein Kratzen mit Fingernägeln zurückgeführt wurden (Urk. D1/5/3 S. 4). Verletzungen, welche eindeutig auf eine Würgeattacke hindeuten würden, konnten gemäss Gutachten des IRM jedoch nicht ausgemacht werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die festgestellten Zerr- und Kratzspuren im Zusammenhang mit dem Gerangel entstanden, zu welchem es gemäss den Beteiligten nach dem Schlag gekommen ist (Urk. D1/3/2 S. 5, Urk. 65 S. 9 f.). Um eine Notwehrsituation zu begründen, reicht zwar auch schon eine unmittelbare Bedrohung mit einem Angriff. Jedoch konnte der Beschuldigte auch eine solche Bedrohung nicht dartun, resp. machte er insbesondere anlässlich der Hauptverhandlung vielmehr geltend, derart gewürgt worden zu sein, dass er keine Luft mehr bekommen habe, was aber wie gesagt medizinisch nicht nachgewiesen werden konnte. Weiter ist die Aussage E. s zu beachten, wonach in der Zeit, als man auf das Eintreffen des Privatklägers gewartet habe, (vom Beschuldigten) gesagt worden sei, Der soll nur kommen (Urk. D1/4/2 S. 12, Urk. D1/4/3 S. 6). E. schilderte auch, wie der Beschuldigte nervös und aufgebracht gewirkt habe, als der Privatkläger an die Tür geklopft habe; der Beschuldigte sei sofort losgestürmt (Urk. D1/4/2 S. 11). Bezeichnend ist schliesslich auch die Aussage des Beschuldigten, er habe die Flasche am Hals gehalten, so wie man sie eben halte, wenn man zuschlagen wolle (Urk. D1/2/1 S. 3 ff.). Dass der Beschuldigte in späteren Einvernahmen behauptete, er habe die Flasche ganz normal gehalten, erscheint mit der Vorinstanz angesichts der Umstände wenig überzeugend (Urk. 46 S. 20). Wenn der Beschuldigte an der Hauptverhandlung wieder zu Protokoll gab, er habe die Tür geöffnet und

      nachhause gehen wollen (Prot. I S. 11), widersprach er seinen früheren Zugaben wie auch den Aussagen E. s, dass er zur Verteidigung E. s zu diesem gegangen sei und die Sache mit dem Privatkläger habe klären wollen. Aufgrund des Ausgeführten bestehen vielmehr keine Zweifel daran, dass der Beschuldigte dem Privatkläger eine Abreibung verpassen wollte und dieser Wille resp. diese Absicht bereits vor dem Öffnen der Tür bestanden hatte. Von einer Notwehrsituation ist aufgrund des Ausgeführten nicht auszugehen. Dass der Beschuldigte vom Privatkläger angegriffen und er sich gegenüber diesem nur verteidigt hat, ist offensichtlich eine Schutzbehauptung.

    13. Als erstellt gilt also im Ergebnis, dass der Beschuldigte dem Privatkläger mindestens einmal mit einer Whiskeyflasche gegen den Vorderkopf schlug und dieser dabei zumindest die zwei Quetschwunden an der Stirn und die Hautein- und unterblutung an der linken Wange erlitt. Die weiteren Schläge mit der Flasche gegen den Körper des Privatklägers lassen sich hingegen nicht erstellen. Zurecht spricht schliesslich die Anklage nicht von einem Angriff des Privatklägers und einer Abwehrresp. Notwehrsituation seitens des Beschuldigten.

  2. Vorwurf Widerhandlung gegen das BetmG (Dossier 2)

    1. Dem Beschuldigten wird weiter vorgeworfen, vom 18. April 2019 bis am

      18. September 2019 insgesamt mindestens 20 Gramm Kokain an unbekannte Drittpersonen verkauft zu haben, wobei er das Kokain zuvor bei unbekannten Drittpersonen gekauft haben soll. Zudem habe er während mehrerer Monate Kokain und Marihuana konsumiert.

    2. Diese Vorwürfe stützen sich auf die Aussagen des Beschuldigten in der polizeilichen Befragung vom 18. November 2019 (Urk. D2/2/2). Dieser hat die genannten Vorwürfe in der Schlusseinvernahme eingestanden (Urk. D1/2/3 S. 5). Dass seitens der Staatsanwaltschaft hierzu keine weiteren Beweiserhebungen durchgeführt wurden, ist angesichts der klaren Sachlage nicht hinderlich. An der Berufungsverhandlung bestritt der Beschuldigte den Vorwurf betreffend den Betäubungsmittelhandel. Er machte geltend, er sei bei der genannten Befragung durch den Polizeibeamten G. sehr unter Druck gesetzt worden, indem ihm

dieser gedroht hätte, er würde ihn nicht aus der Haft entlassen, wenn er nichts zugebe (Urk. 65 S. 14). Tatsächlich wurde der Beschuldigte kurze Zeit nach der fraglichen Einvernahme aus der Haft entlassen (Urk. D1/11/10). Wieso der Beschuldigte den Sachverhalt betreffend Betäubungsmittelhandel bei entsprechen- dem Vorhalt an der Schlusseinvernahme vom 2. Juli 2020 bestätigte, obwohl er sich damals nicht mehr in Haft befand, macht jedoch keinen Sinn. Dieser Umstand spricht klar für eine nachgeschobene Schutzbehauptung.

Wenn die Vorinstanz in Korrektur zur Anklage von einem mittleren Reinheitsgrad von 66.8%, geltend für das Jahr 2019, ausgeht, ist dem zuzustimmen. Ebenso zutreffend ist, dass die eingeklagte Menge von 20 Gramm Kokain 13.36 Gramm reinem Kokain entspricht (Urk. 46 S. 8).

Der Deliktszeitraum betreffend den Betäubungsmittelkonsum ist mit während mehreren Monaten vage gehalten. Zugunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass dieser nicht an die Zeit des Betäubungsmittelhandels anknüpft (ca. 18. April 2019 bis 18. September 2019; Sachverhalt gemäss Dossier 2, 1. Absatz), sondern in der Zeit zwischen der letzten Verurteilung (9. Juli 2019; Urk.

  1. und der Verhaftung des Beschuldigten lag (18. September 2019; Urk. D1/11/1).

    Mit den genannten Korrektuen ist der Sachverhalt gemäss Dossier 2 somit als erstellt zu erachten.

    IV. Rechtliche Würdigung

    1. Versuchte schwere Körperverletzung und einfache Köperverletzung (Dossier 1)

      1. Die Staatsanwaltschaft würdigt das Verhalten des Beschuldigten gemäss Dossier 1 als versuchte schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in

      2. Die Vorinstanz hat die Verletzungen des Privatklägers zutreffend und unter Hinweis auf die entsprechenden Voraussetzungen und Definitionen als einfache Körperverletzungen qualifiziert (Urk. 46 S. 25 f.). Auch in Nachachtung des Verschlechterungsverbots erübrigen sich hierzu weitere Erwägungen. Somit ist der Taterfolg bezüglich einer schweren Körperverletzung, eine Schädigung im Sinne von Art. 122 StGB, nicht eingetreten und der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. Zu prüfen ist, ob eine versuchte schwere Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB zu bejahen ist.

      3. Ein Versuch gemäss Art. 22 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende führt wenn der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht eintritt dieser nicht eintreten kann. Schlägt der Täter wie hier das Opfer kräftig mit einem harten Gegenstand gegen den Vorderkopf, hat er offensichtlich den entscheidenden Schritt zu einer möglichen schweren Körperverletzung vollzogen und auch alles dafür getan, den Erfolg eintreten zu lassen. Deshalb ist von einem vollendeten Versuch einer schweren Körperverletzung auszugehen; zumindest sind die objektiven Voraussetzungen hierfür erfüllt.

            1. Ein Versuch gemäss Art. 22 Abs. 1 StGB setzt Vorsatz in Bezug auf die Erfüllung aller objektiven Merkmale des betreffenden Tatbestands voraus. Eventualvorsatz genügt den Anforderungen, soweit der Straftatbestand nicht eine abweichende Vorsatzform erfordert (DONATSCH/TAG, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, S. 103). Der Tatbestand der schweren Körperverletzung setzt mindestens Eventualvorsatz voraus (Art. 12 Abs. 2 StGB).

            2. Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht – soweit der Täter nicht geständig ist – regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählt auch die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 135 IV 12 E. 2.3.2 S. 17; 134 IV 26 E. 3.2.2 S. 28 f.; je mit Hinweisen).

            3. Die Vorinstanz leitete detailliert und zutreffend her, weshalb Eventualvorsatz vorliegend zu bejahen sei. Auf die entsprechenden Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden (Urk. 46 S. 26-30). Hervorzuheben ist dabei, dass gemäss allgemeiner Lebenserfahrung Schläge gegen den Kopf des Opfers zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität führen kön- nen. So bestätigte der Beschuldigte auch selber, zu wissen, dass Schläge gegen den Kopf gefährlich sind (Urk. D1/2/3 S. 3; Prot. I S. 10). Aufgrund zweier früherer Verfahren, bei denen der Beschuldigte infolge Gewalteinwirkung gegen den Kopf der jeweiligen Opfer wegen Körperverletzung verurteilt worden war (Urk. D1/13/3+5), hätten diesem die möglichen Folgen von Schlägen gegen den Kopf bewusst sein müssen, auch wenn die Vorfälle damals für beide Opfer glimpflich ausgegangen waren (Urk. 46 S. 28, Urk. D1/13/3+5). Weiter ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte die Stärke seiner Schläge mit 6 auf einer Skala von 1 bis 10 angab und auch der Privatkläger erklärte, dass die Schläge mit der Flasche wirklich heftig gewesen seien, der Beschuldigte die Flasche am Flaschenhals gehalten und voll auf den Vorderkopf zugeschlagen habe (Urk. 46 S. 28 f. mit weiteren Verweisen). Von einer gewissen Heftigkeit kann somit ausgegangen werden, zumal eine Jack Daniel's – Whiskeyflasche in der Regel aus schwerem Glas besteht und damit bei einem entsprechenden Schlag eine gewisse Wucht immanent ist. Die Vorinstanz folgerte zutreffend, dass unter Würdigung der konkreten Umstände die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts derart naheliegend gewesen ist, dass davon ausgegangen werden muss, dass der Beschuldigte eine schwere Verletzung des Privatklägers im Sinne von Art. 122 StGB zumindest billigend in Kauf genommen hat und er sich der möglichen

        Folgen seines Handelns bewusst sein musste. Damit handelte er eventualvorsätzlich im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB.

        1.5. Der Beschuldigte ist demnach schuldig zu sprechen der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB. Laut korrekter Wertung der Vorinstanz konsumiert dieser Schuldspruch den Vorwurf der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB (Urk. 46 S. 29 f.), womit sich alleine schon angesichts des Verschlechterungsverbots Weiterungen hierzu erübrigen.

    2. Widerhandlungen gegen das BetmG (Dossier 2)

      1. Nachdem seitens der Staatsanwaltschaft die Anklage betreffend Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 lit. a BetmG zurückgezogen wurde (Urk. 17 S. 3; Prot. I S. 21), qualifizierte die Vorinstanz das Verhalten des Beschuldigten zurecht betreffend Kauf, Besitz, Aufbewahrung und Veräusserung als mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG und hinsichtlich des Konsums als Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG (Urk. 46 S. 30). Auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz hierzu kann verwiesen und der Schuldspruch somit bestätigt werden.

V. Sanktion

  1. Ausgangslage

    1. Die Vorinstanz sanktionierte den Beschuldigten für die versuchte schwere Körperverletzung und das mehrfache Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz mit einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten. Für den Betäubungsmittelkonsum sprach sie eine Busse von Fr. 300.– aus (Urk. 46 S. 49). Die Verteidigung beantragt eine Freiheitsstrafe von maximal 15 Monaten und eine schuldangemessene Busse (Urk. 66 S. 2)

    2. Die Vorinstanz hat die Grundsätze, nach welchen eine Strafe zuzumessen ist, richtig zusammengefasst (Urk. 46 S. 30-32), weshalb zur Vermeidung von

      Wiederholungen darauf und auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hierzu

      (u.a. BGE 144 IV 217) zu verweisen ist.

    3. Der Tatbestand von Art. 122 StGB als vorliegend schwerstes Delikt sieht eine abstrakte Strafandrohung von Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Umstände, die ein Überoder Unterschreiten des Strafrahmens indizieren, liegen nicht vor.

  2. Konkrete Strafzumessung

    1. Einsatzstrafe versuchte schwere Körperverletzung (Dossier 1)

      1. Tatkomponente betr. versuchte schwere Körperverletzung

        1. Die objektive Tatschwere ist zunächst für das vollendete Delikt der schweren Körperverletzung zu erheben. Nach der Würdigung der objektiven und subjektiven Tatschwere ist zu berücksichtigen, dass eine versuchte Tatbegehung vorliegt.

          Vorab ist zu vergegenwärtigen, dass es sich beim Kopf und Gesicht um eine besonders sensible Körperregion handelt und Verletzungen folgenschwere Beeinträchtigungen nach sich ziehen können. Der Beschuldigte schlug dem Privatkläger mindestens einmal mit der Whiskeyflasche auf den Vorderkopf, was für diesen unerwartet geschah. Die Vorgehensweise des Beschuldigten muss mit der Vorinstanz als hemmungslos und brutal bezeichnet werden (Urk. 46 S. 33). Der Privatkläger wurde zwar nicht schwer verletzt. Wer jedoch derart kräftig mit einem entsprechenden Gegenstand gegen den Kopf und unmittelbar über dem Gesicht seines Kontrahenten einschlägt, schafft eine nicht unerhebliche Gefahr, dass das Opfer Kopfverletzungen, beispielsweise einen Schädelbruch und Verletzungen der Hirnregion Hirnblutungen, erleidet.

        2. In subjektiver Hinsicht ist zu beachten, dass sich der Beschuldigte, nachdem er von E. zu Hilfe gerufen worden war, zu dessen Wohnort begab, wo er kurze Zeit später dem Privatkläger mit der Whiskeyflasche in der Hand die Tür öffnete mit der Absicht, Letzterem eine Abreibung zu verpassen. Aufgrund

          dessen ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz von einer gewissen Planung des Angriffs auszugehen. Der Beschuldigte nahm eine schwere Verletzung des Privatklägers in Kauf und offenbarte damit seine grosse Geringschätzung gegen- über der physischen Integrität des Privatklägers sowie eine nicht unerhebliche kriminelle Energie (so auch in Urk. 46 S. 33). Dass es im Vorfeld zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger bereits zu verbalen Auseinandersetzungen und Provokationen gekommen war, rechtfertigt einen solchen Angriff keineswegs. Im Übrigen suchte der Privatkläger am Tattag auch nicht den Beschuldigten, son- dern E. auf. Aber auch um diesen vor dem Privatkläger zu beschützen, war ein einsprechender Übergriff in keiner Weise gerechtfertigt.

        3. Die Verteidigung macht geltend, der Beschuldigte habe zur Tatzeit in erheblicher Weise unter Einfluss von Kokain, Alkohol und Medikamenten gestanden, was sich aus der Rückrechnung der im Gutachten des IRM angegebe- nen Werte zu ergeben habe und berücksichtigt werden müsse (Urk. 36 S. 16 f., Urk. 66 S. 17 f.).

          Wie bereits im vorinstanzlichen Entscheid ist auch vorliegend zu prüfen, ob von einer verminderten Schuldfähigkeit des Beschuldigten im Tatzeitpunkt auszugehen ist. Die Vorinstanz wies zutreffend darauf hin, dass bei einer Blutalkoholkonzentration von über 2 Promille eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in Betracht fällt, dass die Blutalkoholkonzentration nur eine Orientierungshilfe ist, dass bei einer solchen von über 3 Promille aber meist Schuldunfähigkeit gegeben ist und dass bei der Rückrechnung in der Regel von einem stündlichen Abbau nach erfolgter Resorbtion von minimal 0,1 Gewichtspromille und maximal 0,2 Gewichtspromille auszugehen ist (Urk. 46 S. 34 mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und Praxis).

          Zum Alkohol- und Drogenkonsum des Beschuldigten vor der Tat ist festzuhalten, dass dieser anfänglich angab, in E. s Wohnung Kokain konsumiert und Jack Daniels getrunken zu haben (Urk. D1/2/1 S. 3 f.), später aber erklärte, zwei Becher Whiskey Cola getrunken, weitere Substanzen jedoch nicht konsumiert zu haben (Urk. D1/2/2 S. 5). Zu seinem Zustand bei der Tat erklärte der Beschuldigte in der Hafteinvernahme noch, lediglich leicht betrunken gewesen zu

          sein (Urk. D/1/2/2 S. 5), dann soll plötzlich viel Alkohol im Spiel gewesen sein (Urk. D1/2/3 S. 4). Bevor er bei E. eingetroffen sei, habe er – gemäss sei- ner Darstellung in der Hafteinvernahme – noch nichts getrunken gehabt (Urk. D1/2/2). Von Kokain war keine Rede mehr. Erst anlässlich der Hauptverhandlung machte der Beschuldigte geltend, er habe bereits am Vortag und über die Nacht viel Alkohol getrunken und etwa ein Gramm Kokain sowie geringe

          Mengen Benzodiazepine konsumiert. Bei E.

          habe er zwei bis drei Gläser

          Whiskey getrunken, welche bis zu einem Drittel damit gefüllt gewesen seien (Prot. I S. 14 f.). Zur Zeit der Tat sei er sehr stark alkoholisiert gewesen und er habe unter Drogen gestanden (Prot. I S. 15). An der Berufungsverhandlung gab er schliesslich an, am Vorabend eine Flasche 40-prozentigen Whiskey und 1-2 Gramm Kokain konsumiert zu haben. Am Tag des Vorfalls habe er zuhause angefangen zu konsumieren und Alkohol zu trinken (Urk. 65 S. 7). Bei E. hätten sie dann noch einen Becher zusammen getrunken (Urk. 65 S. 8). Damit ist eine Tendenz sichtbar, welche mit der Vorinstanz vermuten lässt, dass der Beschuldigte seine Aussagen im Laufe des Verfahrens dahingehend anpasste, dass zu sei- nem Vorteil eine verminderte Schuldfähigkeit im Raum steht (Urk. 46 S. 35). Immerhin ist zu beachten, dass E. als Zeuge aussagte, der Beschuldigte sei vor der Tat ziemlich durch den Wind, also angetrunken gewesen (Urk. D1/4/3 S.4). Er habe diesen noch nie so gesehen, der Beschuldigte sei auch aufgeputscht gewesen (ebd.).

          Zum Nachkonsum sagte der Beschuldigte ebenfalls uneinheitlich aus. Nachdem er in der Untersuchung noch angegeben hatte, wegen Flugangst immer vor dem Flug zu trinken (Urk. D1/2/1 S. 7) und am Tag der Verhaftung am Flughafen Zürich Kokain konsumiert zu haben (Urk. D2/2/2 S. 3), bestritt der Beschuldigte an der Hauptverhandlung einen Konsum von Drogen Alkohol nach der Tat, resp. vermochte er sich – auf seine früheren Aussagen angesprochen – nicht mehr daran zu erinnern (Prot. I S. 16 f.). Wiederum entsteht der Eindruck, dass der Beschuldigte seine Aussagen im Laufe des Verfahrens zu seinen Gunsten anpasste, weshalb von seinen anfänglichen Aussagen auszugehen ist. Mit der Vorinstanz ist demzufolge von einem dringenden Verdacht auszugehen, dass sowohl bezüglich Alkohol wie auch hinsichtlich Kokain ein Nachkonsum stattgefunden hat (Urk. 46 S. 35). Die vom IRM festgestellten Werte können damit nicht zur Berechnung des Zustands des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt herangezogen werden.

          Für den Fall dass dennoch kein Nachkonsum angenommen würde, berech- nete die Vorinstanz zutreffend, dass von einer im Tatzeitpunkt bestehenden Blutalkoholkonzentration von maximal 2,4 Promille auszugehen wäre - Blutalkoholkonzentration von 0.39 Gewichtspromille rund 10 Stunden nach dem Vorfall bei einem stündlichen Abbau von 0,2 Gewichtspromille (Urk. 46 S. 36). Gemäss Einschätzung des IRM liege dieser Wert zwar im Bereich zwischen einem Rausch und einem schweren Rausch (Urk. D1/5/4 S. 3), jedoch dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass beim Beschuldigten damals gemäss eigenen Angaben sowohl eine Alkoholals auch eine Kokainabhängigkeit bestanden habe (Urk. D1/2/2 S. 8; Prot. I S. 17). Damit müsse hinsichtlich Alkohol und Kokain von einer Gewöhnung ausgegangen werden, weshalb die Wirkungsbeeinträchtigung durch die Substanzen nicht mit einer durchschnittlichen Person vergleichbar sei. Nach- dem eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in der Regel überhaupt erst bei ei- ner Blutalkoholkonzentration von 2 Promille in Frage komme, sei nicht davon auszugehen, dass beim Beschuldigten bei maximal 2,4 Promille von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen wäre – dies auch nicht bei einer allfälligen Wirkungsverstärkung durch den gleichzeitigen Konsum von Kokain, zumal auch diesbezüglich von einer Gewöhnung auszugehen sei (Urk. 46 S. 36). Die Erwägungen der Vorinstanz sind zu übernehmen wie auch der Schluss, dass der Konsum von Benzodiazepinen auf die Schuldfähigkeit des Beschuldigten keinen Einfluss gehabt haben dürfte, zumal der Wert gemäss Gutachten im therapeutischen Bereich liege (ebd.).

          Schliesslich argumentiert die Vorinstanz zurecht, dass auch das Aussageverhalten des Beschuldigten an der ersten Einvernahme gegen eine verminderte Schuldfähigkeit zur Zeit der Tat spreche, habe er sich doch damals noch im Detail daran erinnern können, was genau geschehen sei. Erst im Laufe des Verfahrens habe er immer weitergehende Erinnerungslücken geltend gemacht (Urk. 46 S. 36). Wenn die Vorinstanz schloss, dass sich aus den Aussagen des Beschuldigten bei der polizeilichen Befragung vom 19. September 2019 keinerlei Hinweise auf eine verminderte Schuldfähigkeit wegen Alkohol- und Drogenkonsum ergäben (Urk. 46 S. 36), ist dies zu übernehmen.

          In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist unter Würdigung der besagten Umstände zweifellos davon auszugehen, dass der Beschuldigte im Tatzeitpunkt in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (Urk. 46 S. 37). Ebenso ist von der Vorinstanz die Feststellung zu über- nehmen, dass dem Beschuldigten nicht widerlegt werden kann, dass dieser zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol, Kokain und Benzodiazepinen stand. Zugunsten des Beschuldigten und mit der Vorinstanz ist die tathemmende Wirkung eines möglichen Drogen- und Alkoholkonsums somit leicht verschuldensmindernd zu berücksichtigen (Urk. 46 S. 37).

        4. Bei einer Gesamtbetrachtung des Tatverschuldens wird das objektive Tatverschulden durch die subjektive Verschuldenskomponente leicht gemin- dert. Unter Berücksichtigung vorstehender Erwägungen ist insgesamt von einem nicht mehr leichten Verschulden auszugehen. Damit erscheint für die vollendete Tat eine Freiheitsstrafe angemessen, die sich im oberen Bereich des untersten Strafrahmendrittels befindet. Die von der Vorinstanz hierfür eingesetzte hypothetische Einsatzstrafe in der Höhe von 29 Monaten ist nicht zu beanstanden (Urk. 46 S. 37).

        5. Ein von Seiten der Verteidigung eventualiter geltend gemachter Notwehrexzess (Urk. 66 S. 21) liegt nicht vor, weil gemäss erstelltem Sachverhalt keine Notwehrsituation bestand.

        6. Der Privatkläger wurde durch die Schläge des Beschuldigten nicht lebensgefährlich verletzt und er erlitt Verletzungen, die nicht arg bleibend sind. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, war es ein glücklicher Zufall, dass es zu keiner schweren Körperverletzung kam (Urk. 46 S. 38). Mit Blick auf die tatsächlichen Folgen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass Nähe und Ausmass des tatbestandsmässigen Erfolgs (Kopfverletzungen, etwa ein Schädelbruch Verletzungen der Hirnregion) nicht bekannt sind, ist zugunsten des

Beschuldigten von einer spürbaren Strafreduktion auszugehen. Unter dem Gesichtspunkt der Tatkomponente erscheint demgemäss eine hypothetische Einsatzstrafe von 24 Monaten als angemessen (so auch Urk. 46 S. 38).

      1. Täterkomponente betr. Körperverletzung

        1. Gemäss seinen Aussagen in der Untersuchung sowie vor Vor- und Berufungsinstanz wuchs der Beschuldigte bei seiner Mutter in C. auf. Sein Vater zog aus, als der Beschuldigte sechs Jahre alt war. Er besuchte in C. die Grundschule wie auch die Oberstufe. Nach dem 10. Schuljahr habe er zwei Lehren als Informatiker und Hochbauzeichner begonnen, jedoch mangels Interesse abgebrochen. Später habe er eine KV-Lehre gemacht und anschliessend kurz

          bei einer Versicherung gearbeitet. Danach sei er im Restaurant I. in

          J.

          tätig gewesen und habe weitere Gelegenheitsjobs verrichtet. An der

          Hauptverhandlung gab der Beschuldigte an, nach der Untersuchungshaft eine Arbeitsstelle als Hauswart gefunden zu haben, damals zu einem Pensum von 20 bis 40 % und einem Einkommen von Fr. 1'000 bis 1'500. Ergänzend wurde er vom Sozialamt unterstützt (Prot. I S. 8). Seine Schulden bezifferte er auf Fr. 30'000.00 bis Fr. 40'000.00 (Prot. I S. 6 f.). Anlässlich der Berufungsverhandlung erklärte der Beschuldigte, die Stelle als Hauswart inzwischen verloren zu haben (Urk. 65

          S. 3). Er reichte einen Arbeitsvertrag mit der Firma H.

          GmbH ins Recht,

          gemäss welchem er per 5. September 2022 zu einem monatlichen Bruttolohn von Fr. 4'200 als Sachbearbeiter tätig sein wird (Urk. 67). Der Beschuldigte wohnt nach wie vor bei seiner Mutter in C. , plant jedoch, nach Antritt der neuen Stelle auszuziehen (Urk. 65 S. 4).

          Aus den persönlichen Verhältnissen und dem Vorleben des Beschuldigten ergeben sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren.

        2. Der Beschuldigte zeigte sich nach erdrückender Beweislage zumin- dest bezüglich eines Schlags gegen den Kopf des Privatklägers geständig, machte jedoch Notwehr geltend und versuchte damit, die Schuld auf den Privatkläger

          zu schieben. Ein solches Geständnis ist lediglich marginal strafmindernd zu berücksichtigen. Einsicht und Reue hinsichtlich der Körperverletzung sind insbeson- dere angesichts des Umstands, dass der Beschuldigte Notwehr geltend machte, nicht auszumachen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht straferhöhend zu gewichten ist der Umstand, dass sich der Beschuldigte mit einem Flug in die Türkei möglicherweise einer Strafuntersuchung entziehen wollte (Urk. 46 S. 39).

        3. Der Beschuldigte weist acht Vorstrafen aus den Jahren 2013 bis 2019 auf (Urk. 59), zwei davon unter anderem wegen einfacher Körperverletzung (Schlag resp. Steinwurf ins Gesicht des Opfers; Urk. D1/13/3+5). Wenn auch die übrigen Vorstrafen hinsichtlich Körperverletzung nicht einschlägig sind, zeigen diese doch deutlich die bisherige Einstellung des Beschuldigten gegenüber der Rechtsordnung. Aufgrund des Ausgeführten wirken sich die Vorstrafen stark straferhöhend aus.

        4. Angesichts der straferhöhenden Komponente betreffend Vorstrafen sowie aufgrund des lediglich marginal zu berücksichtigenden Geständnisses erscheint eine Erhöhung der Einsatzstrafe für die versuchte schwere Körperverletzung um 6 Monate gerechtfertigt. Bezüglich des Vorwurfs der versuchten schweren Körperverletzung ist somit von einer Einsatzstrafe von 30 Monaten auszugehen.

    1. Einsatzstrafe Vergehen gegen das BetmG (Dossier 2)

      1. Tatkomponente betr. Vergehen gegen das BetmG

        1. Zur objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte während fünf Monaten mindestens 20 Gramm Kokain (13,36 Gramm reines Kokain) an Drittpersonen verkaufte, welches er zuvor erworben hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte als Teil einer Drogenorganisation handelte, bestehen nicht. In der Hierarchie des Drogenhandels ist er auf der unteren Stufe anzusiedeln. Dieser Wert liegt aber bereits relativ nahe an der Grenze von 18 Gramm, ab welcher von einem schweren Fall auszugehen wäre (so auch die Vorinstanz, Urk. 46 S. 38). Bei Kokain handelt es sich um eine relativ gefährliche

          Droge mit hohem psychischen Abhängigkeitspotenzial. Mit der Vorinstanz ist in objektiver Hinsicht demgemäss von einem erheblichen Verschulden auszugehen (Urk. 46 S. 38).

        2. Bezüglich der subjektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass der Beschuldigte aus finanziellen Motiven handelte. Zu seinen Beweggründen führte er selber aus, dass er mit dem Kokainhandel seinen eigenen Kokainkonsum fi- nanziert habe (Urk. D2/2/2 S. 3). Er bezeichnete sich damals als süchtig (ebd.), weshalb von einer Beschaffungskriminalität auszugehen ist. Was die Intensität des verbrecherischen Willens anbelangt, so handelte der Beschuldigte hinsichtlich der Drogenart und -menge mit direktem Vorsatz. Dennoch vermag die subjektive Tatkomponente die objektive Tatschwere leicht zu reduzieren, womit – in Übereinstimmung mit der Vorinstanz (Urk. 46 S. 38) – von einem nicht mehr leichten Tatverschulden auszugehen ist.

        3. Im Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe erweist sich in der Gesamtbetrachtung eine hypothetische Einsatzstrafe von 8 Monaten bzw. 240 Tagessätzen als angemessen.

      1. Täterkomponente betr. BetmG-Vergehen

        1. Die Täterkomponente wirkt sich bezüglich der persönlichen Verhält- nisse wiederum neutral aus; es kann auf vorstehende Ziff. V./2.1.2.1. verwiesen werden.

        2. In Bezug auf die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist einerseits mit der Vorinstanz festzuhalten, dass diese Taten ohne Geständnis des Beschuldigten nur schwer bzw. nur mit erheblichem Aufwand hätten nachgewiesen werden können (Urk. 46 S. 39). Andererseits hat der Beschuldigte sein Geständnis heute mit einer offensichtlichen Schutzbehauptung widerrufen (Urk. 65

          S. 14). Das diesbezügliche Geständnis ist demzufolge nicht erheblich strafmin- dernd zu berücksichtigen.

        3. Der Beschuldigte weist diesbezüglich eine einschlägige Vorstrafe auf, welche am 9. Juli 2019 durch die Staatsanwaltschaft See/Oberland, Uster,

          wegen versuchten Betrugs, Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz und Übertretung desselben ausgesprochen wurde (Urk. 59 S. 4). Diese Vorstrafe ist straferhöhend zu gewichten.

        4. Schliesslich fällt auch die Delinquenz (ca. 18. April 2019 bis 18. September 2019) während laufender Strafuntersuchung der Staatsanwaltschaft See/Oberland, Uster, resp. kurz nach Eröffnung des genannten Strafbefehls vom

          9. Juli 2019 leicht straferhöhend ins Gewicht.

        5. In Bezug auf die Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz halten sich die strafmindernde und die straferhöhenden Täterkomponenten (Geständnis, Vorstrafe und Delinquenz während Strafuntersuchung resp. kurz nach Strafbefehl) gerade in etwa die Waage, womit es bei einer Einsatzstrafe von 8 Monaten bzw. 240 Tagessätzen bleibt.

      1. Strafart betr. BetmG-Vergehen

        1. In Bezug auf die Wahl der Strafart ist festzuhalten, dass für die vorliegenden Vergehen gegen das Betäubungsmitteldelikt sowohl Freiheitsstrafe als auch Geldstrafe angedroht ist, während die versuchte schwere Körperverletzung von Gesetzes wegen auf jeden Fall mit Freiheitsstrafe zu ahnden ist. Die Vorinstanz wies zutreffend darauf hin, dass der Beschuldigte acht, darunter auch mehrfache einschlägige Vorstrafen aufweist und dass ihn auch mehrere unbe- dingte Geldstrafen bisher nicht davon abhalten konnten, erneut straffällig zu wer- den (Urk. 46 S. 31). Wenn die Vorinstanz die Bestrafung mit einer Geldstrafe aufgrund der schlechten Legalprognose als nicht mehr zulänglich einschätzt und aus spezialpräventiver Sicht auch für die BetmG-Vergehen eine Freiheitsstrafe als notwendig erachtet (Urk. 46 S. 31), ist dem beizupflichten. Damit entfällt auch die Thematik einer teilweisen Zusatzstrafe zur Vorstrafe vom 9. Juli 2019 (vgl. Urk. 59).

2.2.4. Festsetzung der definitiven Gesamtstrafe

Da sich für beide vorgenannten Delikte gleichartige Strafen, nämlich Freiheitsstrafen, aufdrängen, ist in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB eine Gesamtstrafe auszufällen. In Nachachtung des Asperationsprinzips ist die Einsatzstrafe betreffend die versuchte schwere Körperverletzung von 30 Monaten angemessen zu erhöhen. Dabei rechtfertigt es sich, für die Strafe betreffend BetmG-Vergehen 5 Monate hinzuzuschlagen. Daraus resultiert eine Freiheitsstrafe von 35 Monaten. Angesichts des Verschlechterungsverbots hat es jedoch bei der von der Vorinstanz ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 32 Monaten zu bleiben. Anzurech- nen sind mit der Vorinstanz 64 Tage erstandene Untersuchungshaft (Urk. D1/11/1 und Urk. D1/11/14).

2.3. Busse betr. BetmG-Übertretung (Dossier 2)

Für die Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG sprach die Vorinstanz eine Busse von Fr. 300.– aus. Zugunsten des Beschuldigten ist wie erwähnt (vgl. Ziff. III./2.2.) von einem Deliktszeitraum von etwas mehr als zwei Monaten auszugehen. Die von der Vorinstanz eher mild ausgefallene Busse von Fr. 300.00 erweist sich vor diesem Hintergrund immer noch als angemessen. Für den Konsum von Kokain und Marihuana in der ge- nannten Zeitspanne ist der Beschuldigte daher mit einer Busse von Fr. 300.– zu bestrafen.

  1. Vollzug

    1. Angesichts der heute auszusprechenden Freiheitsstrafe von 32 Monaten ist die Gewährung der bedingten Strafe im Sinne von Art. 42 StGB nicht mehr möglich, wird die hierfür gesetzte Obergrenze von zwei Jahren doch deutlich überschritten.

      1. Die Vorinstanz hat sodann die Voraussetzungen für einen teilweisen Aufschub, welcher vorliegend theoretisch in Betracht kommt, aufgezeigt (Urk. 46

        S. 40); darauf kann verwiesen werden.

      2. Der Beschuldigte weist acht Vorstrafen auf, allesamt Geldstrafen und die meisten davon unbedingt ausgesprochen (Urk. 59). Diese Strafen haben ihn nicht von der Begehung neuer Delikte abgehalten. Zu beachten ist jedoch auch, dass der Beschuldigte nunmehr erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird,

    was ihm (nach 8 Vorstrafen) endlich eine Lehre sein sollte. Die Vorinstanz erwog aufgrund ihres Eindrucks vom Beschuldigten an der Hauptverhandlung, es schei- ne, dieser sei daran, sein Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken. Er gehe zumindest einer Teilzeit-Erwerbstätigkeit nach, mache geltend, er habe sein gesamtes Umfeld geändert, in Bezug auf sein Suchtverhalten zeige er sich einsichtig und konsumiere gemäss eigenen Aussagen keine Drogen und nicht übermässig Alkohol (Urk. 46 S. 40 f.). In der Zwischenzeit hat der Beschuldigte seine Teilzeitstelle zwar verloren, jedoch bemühte er sich offensichtlich um eine neue Arbeitsstelle und war darin erfolgreich. Der Beschuldigte hat sich seit seinen heute zu beurteilenden Taten, das heisst annähernd drei Jahre lang, nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Nun wird er zumindest einen Teil der vorliegenden Strafe absitzen müssen, was darauf hoffen lässt, er werde sich dadurch genügend beeindrucken lassen, sodass er künftig straffrei bleibt. Insgesamt erscheint es in Bestätigung der Vorinstanz daher ausreichend, nur einen Teil der Freiheitsstrafe zu vollziehen. Dieser muss gemäss Art. 43 Abs. 3 StGB mindestens sechs Monate betragen. Mit der Vorinstanz – und in Beachtung des Verschlechterungsverbots – erscheint angemessen, die Freiheitsstrafe im Umfang von 10 Monaten zu vollziehen. Im Übrigen ist dem Beschuldigten der bedingte Strafvollzug zu gewähren.

    Den Bedenken zur Prognose Rechnung tragend ist die Probezeit hinsichtlich des bedingt auszusprechenden Strafteils auf vier Jahre anzusetzen.

    3. Die Busse ist zu bezahlen. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen festzulegen (Urk. 46 S. 41).

  2. Erstellung eines DNA-Profils

    Nach Rücksprache mit der Koordinationsstelle Vostra/DNA hat sich ergeben, dass bezüglich des Beschuldigten am 19. September 2019 ein DNA- Formular erstellt wurde. Das entsprechende Löschungsformular liegt nun bei den Akten (Urk. 61). Entgegen dem Entscheid der Vorinstanz (Urk. 46 S. 50) erübrigt

    sich demzufolge die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines DNA- Profils.

  3. Zivilansprüche

  1. Ausgangslage

    Die Vorinstanz legte die Voraussetzungen, unter denen durch eine Tat geschädigte Personen im Strafprozess adhäsionsweise zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 41 ff. OR geltend machen können, korrekt dar, weshalb sie an dieser Stelle nicht zu wiederholen sind (Urk. 46 S. 42 f.).

  2. Schadenersatz

    Der Privatkläger bezifferte in seiner Eingabe vom 7. Juni 2021 die Höhe des von ihm insgesamt verlangten Schadenersatzes mit Fr. 1'511.– und begründete die einzelnen von ihm geltend gemachten Positionen (Behandlungskosten Fr. 221.–; beschädigte Hose Fr. 200.– und Schuhe Fr. 190.–; beschädigtes resp. verlorenes iPhone Fr. 900.–; Urk. 31). Die Vorinstanz hielt mit zutreffender Begründung fest, dass mangels entsprechender resp. notwendiger Belege lediglich eine Schadenersatzpflicht des Beschuldigten dem Grundsatze nach festgestellt werden könne (Urk. 46 S. 44). Dem ist beizupflichten. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist das Schadenersatzbegehren des Privatklägers somit zur genauen Feststellung des Umfangs der Schadenersatzpflicht auf den Zivilweg zu verweisen.

  3. Genugtuung

    1. Der Privatkläger verlangt eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 1'000.– (Urk. 31). Die Vorinstanz verpflichtete den Beschuldigten, dem Privatkläger eine Genugtuung in ebendieser Höhe zu bezahlen (Urk. 46 S. 50).

    2. Fest steht, dass der Privatkläger durch den widerrechtlichen Angriff des Beschuldigten nachweisliche Verletzungen erlitt, welche gewiss mit Schmerzen

      verbunden waren. Eine Lebensgefahr bestand jedoch nicht. Auch war keine Operation notwendig und der Privatkläger konnte nach ambulanter Versorgung aus dem Spital C. entlassen werden (Urk. D1/6/2 S. 2+4). Der Privatkläger macht geltend, er habe, nachdem er wegen des Vorfalls mehrere Tage arbeitsunfähig gewesen sei, seine damalige Stelle verloren (Urk. 31 S. 2). Belege hierfür finden sich nicht in den Akten. Nichts desto trotz hat der Beschuldigte die dokumentierten Verletzungen (als adäquat kausale Folge des Eingriffs in die psychische und physische Integrität des Privatklägers) und die damit verbundene seelische Unbill des Privatklägers durch sein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten am 18. September 2019 zu verantworten. Die für eine Genugtuung notwendige Intensität ist damit vorliegend gegeben. Das Verschulden ist als nicht mehr leicht einzustufen (vgl. Ziff. V./2.1.1.4). Die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Genugtuungsleistung sind damit erfüllt.

    3. Insgesamt erscheint die von der Vorinstanz festgelegte Genugtuungssumme von Fr. 1'000.– als der Beeinträchtigung des Privatklägers und dem Verschulden des Beschuldigten angemessen (vgl. Urk. 46 S. 44). Der Beschuldigte ist somit zu verpflichten, dem Privatkläger eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 1'000.– zu bezahlen.

IX. Kosten- und Entschädigungsfolgen

1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschuldigte gemäss Art. 426 StPO die Verfahrenskosten zu tragen. Die vorinstanzliche Kostenauflage ist deshalb zu bestätigen.

    1. Die Gebühr für das Berufungsverfahren ist praxisgemäss auf Fr. 3'000.– festzusetzen.

    2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte unterliegt mit seinen Anträgen vollumfänglich. Damit sind die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers, dem Beschuldigten aufzuerlegen.

      Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

    3. Der vom amtlichen Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. iur. X1. , geltend gemachte Aufwand von Fr. 7'297.40 ist ausgewiesen (Urk. 68). Demgemäss ist der amtliche Verteidiger mit ebendiesem Betrag (inkl. Auslagen und MwSt.) zu entschädigen.

    4. Der vom unentgeltlichen Vertreter des Privatklägers, Rechtsanwalt lic. iur. Y. , geltend gemachte Aufwand von Fr. 331.70 (inkl. MwSt.) ist ebenfalls ausgewiesen, weshalb dieser entsprechend zu entschädigen ist.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 10. Juni 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1.-7. (…)

    8. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 4'000.00 ; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 5'000.00 Gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 2'759.15 Auslagen (Gutachten)

    Fr. 793.57 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwältin

    X2. (inkl. Barauslagen und MwSt; bereits ausbezahlt)

    Fr. 6'288.40 Kosten amtliche Verteidigung durch Rechtsanwalt

    X1. (inkl. Barauslagen und MwSt)

    Fr. 3'000.00 Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung des Privatklä-

    gers durch Rechtsanwalt Y. und MwSt)

    (inkl. Barauslagen

    9. (…)

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig

    • der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB

    • des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG sowie

    • der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten, wovon 64 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 300.–.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird im Umfang von 22 Monaten aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt. Im Übrigen (10 Monate) wird die Freiheitsstrafe vollzogen.

  4. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

  5. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfangs des Schadenersatzanspruchs wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  6. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger eine Genugtuung von Fr. 1'000.– zu bezahlen.

  7. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 9) wird bestätigt.

  8. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 7'297.40 amtliche Verteidigung

    Fr. 331.70 unentgeltliche Vertretung des Privatklägers

  9. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  10. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung für sich und zuhanden des Beschuldigten (per Inca-Mail versandt)

    • die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich (per E-Mail versandt)

    • die Vertretung des Privatklägers für sich und den Privatkläger (per Inca-Mail versandt)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich

    • die Vertretung des Privatklägers (im Doppel für sich und den Privatkläger)

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A

    • die Kordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials

  11. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 18. August 2022

Der Präsident:

lic. iur. Ch. Prinz

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. S. Kümin Grell

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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