Zusammenfassung des Urteils SB210504: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte A.________ hat Beschwerde gegen den Untersuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft March zur Feststellung der Fahrunfähigkeit erhoben. Er hat jedoch keine Anträge bezüglich des Untersuchungsbefehls gestellt und keine weiteren Eingaben gemacht. Daher wird auf die Beschwerde nicht eingetreten, und er muss die Gerichtskosten von Fr. 300.00 tragen. Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210504 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 31.05.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einfache Körperverletzung |
Schlagwörter : | Privatkläger; Beschuldigte; Privatklägers; Berufung; Beschuldigten; Gericht; Aussagen; Verletzung; Entschädigung; Gerichtskasse; Urteil; Polizei; Schlag; Staatsanwaltschaft; Vorinstanz; Berufungsverfahren; Baustelle; Berufungsverhandlung; Baracke; Rechtsanwältin; Körperverletzung; Person; Auseinandersetzung; Verletzungen; Einvernahme; Sachverhalt |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ;Art. 138 StPO ;Art. 368 StPO ;Art. 379 StPO ;Art. 407 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 427 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 47 OR ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210504-O/U/cs-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Bertschi und Ersatzoberrichterin Nabholz sowie der Gerichtsschreiber MLaw Pandya
Urteil vom 31. Mai 2022
in Sachen
,
Privatkläger und Berufungskläger
unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,
sowie
Anklägerin
gegen
,
Beschuldigter und Berufungsbeklagter betreffend einfache Körperverletzung
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 30. März 2021 (Urk. 16) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 39 S. 25 f.)
Der Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die Zivilklage der Privatklägerschaft wird abgewiesen.
Dem Beschuldigten wird eine Entschädigung von Fr. 250.– aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Rechtsanwältin lic. iur. X. wird für ihre Bemühungen als unentgeltliche Rechtsbeiständin des Privatklägers mit Fr. 7'015.60 (inkl. Barauslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtsbeistandschaft des Privatklägers wer- den unter Vorbehalt der Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO und Art. 138 Abs. 1 StPO auf die Gerichtskasse genommen.
Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz; die übrigen Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen.
Berufungsanträge:
Der Vertreterin der Privatklägerschaft: (Urk. 41 S. 2 und Urk. 50 S. 2)
Der Beschuldigte sei der einfachen Körperverletzung nach Art. 123 Ziff. 1 StGB schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.
Die Zivilklage des Privatklägers sei gutzuheissen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Berufungsbeklagten, wobei dem Berufungskläger eine Entschädigung von Fr. xy (inkl. MwSt. und Spesen) zuzusprechen ist.
Der Beschuldigte:
(keine Anträge im Berufungsverfahren gestellt.)
Erwägungen:
Gegenstand des Berufungsverfahrens
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 7. Juli 2021 wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung freigesprochen, die Zivilklage der Privatklägerschaft wurde abgewiesen. Dem Beschul- digten wurde eine Entschädigung von Fr. 250.– aus der Gerichtskasse zugesprochen und die Kosten- und Entschädigungsfolgen wurden geregelt.
Gegen das am 7. Juli 2021 mündlich eröffnete Urteil hat der Privatkläger mit Eingabe vom 12. Juli 2021 fristgerecht Berufung angemeldet (Urk. 33) und mit Eingabe vom 30. September 2021 (Urk. 41) die Berufungserklärung eingereicht. Er beantragt, der Beschuldigte sei der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen, seine
Zivilklage sei gutzuheissen unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft und der Beschuldigte haben keine Anschlussberufung erhoben (Urk. 42 bis 44). Das vorinstanzliche Urteil ist einzig bezüglich der Festsetzung der Entschädigung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers (Dispositiv-Ziffer 4) in Rechtskraft erwachsen.
Mit Präsidialverfügung vom 5. Oktober 2021 wurde dem Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben (Urk. 42). Die Verfügung konnte dem Beschuldigten zugestellt werden (Urk. 43/3). Dieser liess sich jedoch nicht vernehmen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Anschlussberufung (Urk. 44). Die Vorladung für die Berufungsverhandlung vom
31. Mai 2022 konnte dem Beschuldigten und dem Privatkläger nicht zugestellt werden (Urk. 46 - 48). Gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO gilt bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch trotzdem erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste. Der Beschuldigte wusste aufgrund der Präsidialverfügung vom 5. Oktober 2021 vom Verfahren. Sodann wusste auch der Privatkläger als Berufungskläger vom Verfahren. Die Vorladungen gelten damit als rechtsgültig erfolgt. Die unentgeltliche Rechtsvertreterin des Privatklägers, Rechtsanwältin lic. iur. X. , konnte im Übrigen auch keine Angaben zur Adresse des Privatklägers machen und gab an, selbst keinen Kontakt mit ihm herstellen zu können (Urk. 48).
Anlässlich der Berufungsverhandlung erschien einzig die unentgeltliche Rechtsvertreterin des Privatklägers. Betreffend seine Abwesenheit gilt es festzuhalten, dass Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO nicht greift. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Berufung als zurückgezogen gilt, wenn die Partei, die sie erklärt hat, der mündlichen Berufungsverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt. Vorliegend ist der Privatkläger durch Rechtsanwältin X. vertreten. Seine Berufung gilt somit nicht als zurückgezogen.
Der Beschuldigte erschien unentschuldigt nicht zur Berufungsverhandlung. Es sind in diesem Fall die Bestimmungen zum Abwesenheitsverfahren anwendbar (Art. 366 ff. StPO). Art. 407 Abs. 2 StPO sieht nämlich vor, dass ein Abwesenheitsverfahren stattfindet, wenn die Privatklägerschaft die Berufung im Schuldoder Strafpunkt erklärt und die beschuldigte Person der Verhandlung unentschul- digt fern bleibt.
Sachverhalt
Anklagesachverhalt
Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich- Limmat vom 30. März 2021 vorgeworfen, er habe dem Privatkläger am 3. April 2020 um ca. 21.00 Uhr nach einer verbalen Auseinandersetzung in der Baustellenbaracke an der C. -strasse von hinten gegen die Schulter geschlagen, ihn von hinten gepackt und ihn aus der Baracke geschleift. Vor der Baracke habe er den Privatkläger erneut mehrfach gegen den Rücken und die Schulter geschlagen und ihn zu Boden geworfen. Der Privatkläger habe durch dieses Vorgehen des Beschuldigten ein leichtes Schädel-Hirntrauma, eine dislozierte Orbitabodenfraktur, eine Augapfelprellung, eine Unterlidabrissverletzung links und eine tiefe Schürfwunde am Knie rechts erlitten.
Der Beschuldigte bestritt im Vorverfahren, vor Vorinstanz und im Berufungsverfahren, den Privatkläger geschlagen und zu Boden geworfen zu haben. Es ist zu prüfen, ob sich der Anklagesachverhalt erstellen lässt.
Beweismittel
Ärztliche Berichte
Gemäss dem ärztlichen Bericht des Instituts für Klinische Chemie des Universitätsspitals Zürich vom 4. April 2020 wies der Privatkläger am 3. April 2020 um
22.20 Uhr (Materialentnahme) eine Blutalkoholkonzentration vom 2,2 Gewichtspromille auf (Urk. 7/3). Dem von der Staatsanwaltschaft eingeholten ärztlichen Befund des Universitätsspitals Zürich vom 1. Dezember 2020 ist zu entnehmen, dass der Privatkläger am 3. April 2020 ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit dislozierter Orbitabodenfraktur links, eine Augapfelprellung und Entrundung der Pupille und eine Unterlidlazeration, sowie eine Schürfwunde am Knie rechts erlitt und bei ihm eine Alkoholintoxikation vorlag (Urk. 7/7). Diese Verletzungen seien gemäss Sanitätsprotokoll im Rahmen eines Streits mit Auseinandersetzung entstanden, eine Selbstbeibringung sei unwahrscheinlich (Urk. 7/7). Im ergänzenden Befund des Universitätsspitals Zürich vom 12. Februar 2021 wird festgehalten, dass die Verletzungen auch Folge eines Sturzes sein können (Urk. 7/9). Im Operationsbericht der Augenklinik des Universitätsspitals Zürich vom 4. April 2020 wird festgehalten, das Verletzungsmuster sei hinweisend auf einen Verletzungshergang mit einem spitz-scharfen Gegenstand (Urk. 7/2 S. 2).
Aussagen
Aussagen des Beschuldigten
Der Beschuldigte sagte in der ersten polizeilichen Einvernahme vom 6. Mai 2020 aus, der Privatkläger sei total betrunken auf die Baustelle gekommen und habe von ihm wissen wollen, weshalb er ihm gekündigt habe (Urk. 5/1 S. 1). Während des Gesprächs sei der Privatkläger plötzlich aggressiv geworden, habe ihn an den Kleidern beim Hals gepackt. Er habe den Privatkläger weggedrückt. Dieser habe kaum stehen können, so betrunken sei er gewesen. Er habe den Privatkläger aus dem Gemeinschaftscontainer gebracht und sei im Container geblieben. Er habe gehört, wie der Privatkläger sehr laut geredet habe und sei nach draussen gegangen. Er habe den Privatkläger aufgefordert wegzugehen und sei wieder in den Container gegangen. Der Privatkläger habe angefangen herumzuschreien und habe auf dem Boden gelegen. Er habe den Container verlassen und habe den Privatkläger weggewiesen, dieser sei nicht gegangen. Er sei Richtung Bahnhof gegangen, sei dann nochmals zurückgegangen und habe gesehen, dass der Privatkläger ausserhalb der Baustelle gewesen sei. Irgendwann sei die Polizei gekommen . Er wisse nicht, ob sie den Privatkläger mitgenommen habe (Urk. 5/1
S. 2). Er habe dem Privatkläger gekündigt, da er die von ihm erwartete Leistung nicht erbracht habe. Der Privatkläger sei sehr enttäuscht gewesen (Urk. 5/1 S. 2). Er bestritt, den Privatkläger geschlagen zu haben. Der Privatkläger sei sehr stark betrunken gewesen, habe kaum noch einen Schritt vor den anderen machen kön- nen und habe durcheinander gesprochen (Urk. 5/1 S. 4). Er habe gesehen, dass die Polizei gekommen sei, habe die Szene aus eine Distanz von 50 bis 100 Meter beobachtet und sei dann zum Bahnhof gegangen. Er habe nicht mit der Polizei gesprochen, das habe ihn nicht weiter interessiert (Urk. 5/1 S. 4). Er kenne die Frau des Privatklägers nicht und es treffe nicht zu, dass er Sachen über sie wisse, die nur der Privatkläger wissen könne (Urk. 5/1 S. 5).
In der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 14. Januar 2021 (Urk. 5/2 und Urk. 25) bestritt der Beschuldigte erneut, dem Privatkläger Verletzungen zugefügt zu haben. Er habe keine Auseinandersetzung mit dem Privatläger gehabt. Der Privatkläger habe ihn ca. eine zwei Wochen nachdem er ihm gekündigt habe in der Baracke gepackt, und er habe ihn weggestossen. Der Privatkläger sei sehr stark alkoholisiert auf die Baustelle gekommen und habe gefragt, warum er ihm gekündigt habe. Der Privatkläger habe sich sehr wohl mit ihm gefühlt und sei enttäuscht gewesen. Er habe dem Privatkläger gesagt, er wolle weggehen. Als dieser handgreiflich geworden sei, habe er ihn gepackt und gesagt, er müsse gehen. Die Polizei habe den Privatkläger abgeholt, er wisse nicht, wer sie gerufen habe, vielleicht seien es die Nachbarn gewesen. Er habe keinen Kontakt mit der Polizei gehabt. Ihm sei nichts aufgefallen, dass der Privatkläger verletzt gewesen sei (Urk. 5/2 S. 4). Der Privatkläger habe wissen wollen, weshalb er ihm gekündigt
habe, er habe ihm gesagt, dass er kein Fachmann sei. Der Privatkläger habe bei den anderen Mitarbeitern von Ausserirdischen und von Anzeigen in Spanien wegen geklauten Projekten und davon erzählt, dass seine Frau Sexvideos zu Hause drehe (Urk. 5/2 S. 5). Das habe er alles nur von den anderen Mitarbeitern gehört. Er kenne die Ehefrau des Privatklägers nicht und habe noch nie von Projekten des Privatklägers betreffend ökologische Wohnungen in Spanien gehört (Urk. 5/2
S. 5). Er habe den Privatkläger nicht geschlagen, dieser habe sich die dokumentierten Verletzungen selber zugefügt, er habe kaum laufen, kaum auf den Beinen stehen können.
In der Befragung vor Vorinstanz hielt der Beschuldigte daran fest, dass der Privatkläger zu ihm in die Baracke gekommen sei und mit ihm habe diskutieren wollen. Er sei dabei richtig ausgerastet, wütend geworden. Er habe ihn gebeten, aus der Baracke zu gehen. Er habe den Privatkläger nicht geschlagen. Der Privatkläger habe ihn an den Kleidern am Hals gepackt (Prot. I S. 9). Der Privatkläger sei so halb freiwillig mit ihm nach draussen gekommen, habe mit ihm weiter diskutieren wollen. Er habe dem Privatkläger gesagt, er habe noch zu tun, er solle das Areal verlassen. Er habe ihn zur Tür begleitet, der Privatkläger sei so betrunken gewesen, dass er ihn habe rausführen müssen. Er habe ihn rausgeschoben, nicht rausgeschleift (Prot. I S. 10). Er habe die Tür zugemacht, Der Privatkläger sei immer wieder gekommen und wieder gegangen. Einmal habe er angefangen zu schreien. Es sei ein Durcheinander gewesen an diesem Abend mit ihm. Der Privatkläger habe mit ihm reden wollen, er nicht mit ihm. Der Privatkläger habe wissen wollen, wieso er ihm gekündigt habe. Als der Privatkläger mit der Polizei geredet habe, habe er gesehen, dass etwas mit ihm nicht stimme, die Polizei habe ihm aufhelfen müssen, weil er nicht habe stehen können. Da habe er Blut gesehen (Prot. I S. 11).
Aussagen des Privatklägers
Der Privatkläger wurde zweimal einvernommen. In der ersten polizeilichen Einvernahme einen Tag nach dem angeklagten Vorfall im Spital sagte er aus, er habe sich am Vorabend auf die Baustelle begeben, um ein paar Bier zu trinken. Vor zwei Tagen sei ihm die Arbeitsstelle auf jener Baustelle gekündigt worden. Zuerst
seien noch ein Italiener und ein Portugiese anwesend gewesen, am Schluss sei er allein mit dem Beschuldigten auf der Baustelle gewesen und habe diesen gefragt, warum er so viel über sein Frau wisse. Der Beschuldigte habe wütend reagiert, habe ihn gestossen und geschlagen. Er habe dann auf dem Bauch am Bo- den gelegen. Der Beschuldigte habe ihn gezogen bzw. geschleift. Irgendwann habe er einen Schlag im Auge gespürt und habe nichts mehr gesehen. Er habe mit dem Gesicht nach unten gelegen. Als er hochgeschaut habe habe der Beschuldigte ihn geschlagen. Er habe den Schlag nicht kommen sehen, er habe geblutet und der Beschuldigte sei über ihm gewesen. Der Beschuldigte sei dann abgehauen. Er sei auf die Strasse gegangen, um die Polizei anzurufen (Urk. 6/1
S. 2 f.). Er sei mehr als einmal geschlagen worden, könne aber nicht sagen wie oft. Auf die Frage, ob der Beschuldigte eine Ausholbewegung mit dem Arm Bein gemacht habe, sagte er, er sei mit dem Gesicht nach unten gewesen, wisse es nicht. Als er habe aufstehen wollen, habe er den Schlag gespürt und habe nichts mehr mitbekommen. Er glaube, er sei teilweise bewusstlos geworden
(Urk. 6/1 S. 3). Auf die Frage, weshalb der Beschuldigte ihn geschlagen habe, erklärte er, er würde dies gerne wissen. Er denke, der Beschuldigte habe eine Affäre mit seiner Frau. Eventuell hätten der Beschuldigte und seine Frau seine Dokumente (Pläne für ökologische Wohnungen in Spanien) gestohlen (Urk. 6/1 S. 3). Er habe einen starken Schlag im Bereichs seines linken Auges, seiner Stirn und seiner Nase gespürt. Er wisse nicht mehr, was der Beschuldigte zu jenem Zeitpunkt gesagt habe (Urk. 6/1 S. 3). Der Auslöser für den Streit sei glaublich das Marihuana und die Fragen gewesen, die er ihm gestellt habe. Der Beschuldigte habe auf einmal angefangen, über seine Frau zu reden (Urk. 6/1 S. 4). Zuerst habe es ein Gerangel gegeben, er wisse aber nicht mehr genau, wie dies abgelaufen sei, plötzlich habe der Beschuldigte über ihm gestanden und habe ihn geschlagen. Der Beschuldigte habe ihn am Rücken gepackt und auch im Brustbereich (Urk. 6/1 S. 4). Er habe an diesem Abend zwei Bier getrunken (Urk. 6/1
S. 5). Er habe den Beschuldigten nicht provoziert, dieser wirke schnell aufbrausend und nervös. Er ändere sehr schnell seinen Charakter, sei eine falsche Person und lüge (Urk. 6/1 S. 5).
In der Befragung als Auskunftsperson vom 18. November 2020 (Urk. 6/2) erklärte der Privatkläger als erstes, der Beschuldigte sei abhängig von Kokain und Marihuana und habe am fraglichen Tag genügend davon geraucht gehabt. Der Beschuldigte habe eine Waffe kaufen wollen (Urk. 6/2 S. 4). Auf die Frage, was sich an diesem Abend zwischen ihm und dem Beschuldigten zugetragen habe, sagte er aus, der Beschuldigte habe gemeint, er sei Gott. Er habe nur Informationen über seine Ehefrau haben wollen. Er habe ihm Drogen und Alkohol unterstellen wollen, habe überprüfen wollen, wie stark er sei und Informationen von ihm haben wollen. Der Beschuldigte habe gemeint, er sei Gott. Er habe ihm gesagt, das sei eine Dummheit. Der Beschuldigte habe ihn gepackt und aus der Baracke rausgeworfen. Draussen habe er ihn von hinten geschlagen. Er habe nur Blut gesehen und es sei ihm schwarz vor den Augen geworden. Er habe die Polizei benachrichtigt. Der Beschuldigte sei davongerannt (Urk. 6/2 S. 4 f.). Der Beschuldigte sei sauer gewesen, weil er nicht mit ihm einverstanden gewesen sei, habe unter Drogeneinfluss gestanden, habe ihn angegriffen, habe gemeint, er sei Gott, sei sauer geworden als er ihn gefragt habe, woher er die Informationen über seine Frau habe, habe geantwortet einfach so und sei auf ihn losgegangen (Urk. 6/2 S. 5). Er habe keine Ahnung, wie der Beschuldigte ihm die Verletzung zugefügt habe. Der Beschuldigte habe hinter ihm gestanden. Er habe nur einen Schlag gespürt und anschliessend Blut gesehen. Wie er ihn angegriffen habe, wisse er nicht. Er habe ihn von hinten angegriffen (Urk. 6/2 S. 6). Er sei nicht umgefallen (Urk. 6/2 S. 7). Schon in der Baracke habe er ihn geschlagen, immer auf die Schulter von hinten, habe ihn gepackt und nach draussen geschleift (Urk. 6/2 S. 7). Er wisse nicht, womit er geschlagen worden sei, ob er mit Hand Fuss geschlagen worden sei und wisse nicht, wo er getroffen worden sei (Urk. 6/2 S. 7 f.). Er sei am Boden liegen geblieben, bis er es geschafft habe aufzustehen. Der Beschuldigte habe ihn auf den Boden geworfen. Er sei zu Boden gegangen, weil er ihm die Verletzung von hinten zugefügt habe, Er sei etwas benebelt gewesen aber nicht bewusstlos (Urk. 6/2 S. 8). Die wesentlichste und schlimmste Verletzung sei die auf dem linken Auge bzw. den Knochen rundherum, aber es habe unzählige Schläge auf den Rücken und die Schulter gegeben (Urk. 6/2 S. 8). Er habe sich nicht gewehrt (Urk. 6/2 S. 9). Er sei nicht betrunken gewesen, glaube er habe drei halbe
Liter Bier getrunken (Urk. 6/2 S. 9). In dieser Einvernahme sagte der Privatkläger ferner aus, er habe Probleme, da man versuche, in seine Wohnung einzudringen und ihn zu vergiften (Urk. 6/2 S. 11).
Beweiswürdigung
Betreffend die allgemeinen Regeln der Beweiswürdigung kann auf die zutreffen- den Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 39 S. 9 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).
Im Zentrum der Beweiswürdigung stehen die Aussagen des Privatklägers. Sie stellen das einzige Beweismittel zulasten des Beschuldigten betreffend den zu erstellenden Sachverhalt dar. Aus den Arztberichten gehen zwar die beim Privatkläger festgestellten Verletzungen hervor, jedoch lässt sich aus dem Verletzungsbild kein eindeutiger Rückschluss betreffend die Ursache der Verletzung ziehen. Wie vorstehend dargelegt (Erwägung 2.2.) ist gemäss ärztlicher Einschätzung ei- ne Selbstbeibringung unwahrscheinlich und können die Verletzungen sowohl durch einen Schlag im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung als auch durch einen Sturz des Privatklägers verursacht worden sein.
Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, haben sowohl der Privatkläger als auch der Beschuldigte ein eigenes Interesse an einem für sie günstigen Verfahrensausgang. Bei beiden besteht die Gefahr, dass sie geneigt sein könnten, die Geschehnisse in einem für sie günstigen Licht darzustellen. Bei keinem der beiden liegen Hinweise vor, welche an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln liessen. Von zentraler Bedeutung bei der Beweiswürdigung ist die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen.
Die Aussagen des Privatklägers weisen einen geringen Detaillierungsgrad auf. Eine nachvollziehbare Schilderung des Ablaufs der verbalen Auseinandersetzung mit dem Beschuldigten lässt sich daraus nicht entnehmen. Es bleibt unklar, weshalb es dazu gekommen sein soll, dass der Beschuldigte den Privatkläger geschlagen haben soll. Der Privatkläger bestritt, dass er beim Vorfall betrunken gewesen sei. Dies Bestreitung ist aufgrund des Befunds des Instituts für Klinische Chemie des USZ wiederlegt, gemäss welchem der Privatkläger einen Blutalkoholgehalt von 2,2 Gewichtspromille aufwies (Urk. 7/3). Dementsprechend überzeugt auch der Einwand seiner unentgeltlichen Rechtsvertretung nicht, wenn diese erklärte, dass der Berufungskläger keine überzeugenden Aussagen getätigt habe, weil er einen Promillewert von 2.2 aufgewiesen habe und es erstaunlich sei, dass er überhaupt noch habe stehen bzw. laufen können. Sie macht geltend, dass vor diesem Hintergrund nicht einfach die Glaubhaftigkeit des Privatklägers aberkannt werden könne, nur weil seine Aussagen nicht gleichbleibend seien. Die meisten Personen mit einem solchen Promillewert könnten sich nicht mehr an alle Details erinnern (Urk. 50 S. 6). Diese Darstellung steht im Widerspruch zu den Aussagen des Privatklägers selbst und ist zudem nicht stringent. Es ist zu unterscheiden zwischen widersprüchlichem Aussageverhalten und fehlendem Erinnerungsvermögen einer Person. Wer derart stark alkoholisiert ist, dass er sich an ei- nen Vorfall später nicht mehr erinnern kann, kann nicht widersprüchliche Aussagen zu Protokoll geben und dann sich auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen berufen, weil er sich nicht mehr erinnern kann. Er würde vielmehr zu Protokoll geben sich nicht mehr nur schwach an das fragliche Ereignis zu erinnern. Die Ausführungen zu seiner eigenen Position im Zeitpunkt des Schlages durch den Beschuldigten sind widersprüchlich. In der ersten Einvernahme sagte der Privatkläger aus, der Schlag habe ihn getroffen als er habe vom Boden aufstehen wollen. Im Widerspruch dazu sagte er in der zweiten Einvernahme aus, er sei infolge des Schlags zu Boden gegangen. Unklar bleibt bei beiden Varianten insbesondere, wie der Beschuldigte dem Privatkläger von hinten bzw. während dieser am Boden war und mit seinem Gesicht gegen den Boden schaute, einen Schlag auf das Auge versetzt haben soll. Der Privatkläger konnte nicht erklären, wie der Beschuldigte ihn geschlagen habe, ob dies mit der Faust erfolgte, ob er ihm einen mehrere Fusstritte versetzte. Hinweise auf die vom Privatkläger geltend gemachten Schläge auf den Rücken und die Schultern lassen sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen, es wurden keine entsprechenden Hämatome festgestellt. Die diffusen Belastungen des Beschuldigten durch den Privatkläger betreffend Entwendung von Unterlagen bei einem Einbruchdiebstahl sowie die angebliche durch nichts konkret begründete Vermutung einer Affäre der Ehefrau des Privatklägers mit dem Beschuldigten sowie die pauschalen negativen Äusserungen über den Beschuldigten, wonach dieser lüge, eine falsche Person sei, drogensüchtig sei, Kokain und Marihuana konsumiere und ein Waffe erwerben wolle, lassen weitere Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Darstellung aufkommen. Aufhorchen lassen auch seine Ausführungen dazu, dass man ihn vergiften wolle. Ein Motiv für eine Falschbelastung des Beschuldigten könnte darin liegen, dass dieser dem Privatkläger kurze Zeit vor dem Vorfall die Arbeitsstelle gekün- digt hatte.
Insgesamt erweisen sich die pauschalen, in einem zentralen Punkt widersprüchlichen Aussagen des Privatklägers als nicht glaubhaft und kann der Sachverhalt nicht erstellt werden. Deshalb erübrigt sich eine eingehende Würdigung der Aussagend es Beschuldigten. Auch wenn seine Darstellung nicht in allen Punkten zu überzeugen vermag und insbesondere der Umstand, dass er sich von der Baustelle entfernte als die Polizei eintraf, den Verdacht aufkommen lässt, dass es zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Privatkläger gekommen sein könnte und der Beschuldigte die Geschehnisse zu seinen Gunsten beschönigt, ändert dies nichts daran, dass sich der Sachverhalt aufgrund der Aussagen des Privatklägers nicht erstellen lässt.
Dem Grundsatz in dubio pro reo folgend ist der Beschuldigte daher vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB freizusprechen.
Zivilansprüche
Hinsichtlich der Erwägungen zu den Zivilansprüchen kann vollumfänglich auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 39 S. 23, Art. 82 Abs. 4 StPO). Da der Sachverhalt, auf welchen sich der Genugtuungsanspruch des Privatklägers stützt, nicht erstellt ist und die Voraussetzungen für eine Haftung des Beschuldigten gestützt auf Art. 47 OR nicht erfüllt sind, ist das Genugtuungsbegehren des Privatklägers abzuweisen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Der Beschuldigte wird freigesprochen, weshalb die Kosten des Vorverfahrens und des Gerichtsverfahrens der ersten Instanz, inklusive derjenigen der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers, ausgangsgemäss definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen sind (Art. 426 StPO).
Die Vorinstanz hat dem Beschuldigten für seine Umtriebe eine Entschädigung von Fr. 250.– aus der Gerichtskasse zugesprochen. Unter Hinweis auf die zutreffen- den Erwägungen der Vorinstanz ist ihr Entscheid in diesem Punkt zu bestätigen. Für das Berufungsverfahren hat der Beschuldigte keine Entschädigung geltend gemacht, weshalb ihm auch keine zuzusprechen ist.
Der Privatkläger unterliegt im Berufungsverfahren mit seinen Anträgen vollumfänglich, weshalb er ausgangsgemäss kostenpflichtig ist (Art. 428 Abs. 1 StPO). Art. 427 StPO kommt im Rechtsmittelverfahren nicht zur Anwendung (BGer 6B_370/2016 E. 1.2). Die Kosten sind jedoch infolge der dem Privatkläger gewährten unentgeltlichen Rechtspflege (Urk. 10/7) auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO), wobei die Rückzahlungspflicht vorbehalten bleibt (Art. 138 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 135 Abs. 4 StPO). Die unentgeltliche Rechtsvertreterin, Rechtsanwältin lic. iur. X. , machte für das Berufungsverfahren einen Aufwand von Fr. 3649.50 geltend, wobei sie für die Verhandlung zwei Stunden vorsah (Urk. 49A S. 2). Angesichts der tatsächlichen Dauer der Berufungsverhandlung, welche wesentlich kürzer ausfiel, erscheint ei- ne pauschale Entschädigung von Fr. 3'300.– als angemessen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 7. Juli 2021 bezüglich der Dispositivziffer 4 (Honorar unentgeltliche Rechtsvertretung des Privatklägers) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte B.
ist der einfachen Körperverletzung im Sinne von
Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.
Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers A.
wird abgewiesen.
Dem Beschuldigten wird eine Umtriebsentschädigung von Fr. 250.– aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Rechtsanwältin lic. iur. X. wird für die unentgeltliche Vertretung des Privatklägers im Berufungsverfahren mit Fr. 3'300.– aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Gerichtsgebühr fällt für das Verfahren beider Instanzen ausser Ansatz.
Die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'300.– unentgeltliche Verbeiständung
Die Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, inklusive derjenigen der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers, werden definitiv auf die Gerichtskasse genommen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers, werden dem Privatkläger auferlegt, aber sofort definitiv abgeschrieben.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
den Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
die unentgeltliche Rechtsvertretung im Doppel für sich und den Privatkläger
sowie in vollständiger Ausfertigung an
den Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
die unentgeltliche Rechtsvertretung im Doppel für sich und den Privatkläger
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG).
Der Beschuldigte kann innert 10 Tagen seit Erhalt des Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mündlich eine neue Beurteilung des in seiner Abwesenheit ergangenen Urteils verlangen. Im Gesuch hat der Beschuldigte kurz zu begründen, weshalb er an der Berufungsverhandlung nicht teilnehmen konnte. Das Gericht lehnt das Gesuch ab, wenn der Beschuldigte ordnungsgemäss vorgeladen worden, aber der Berufungsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist (Art. 368 Abs. 2 und 3 StPO, Art. 379 StPO).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 31. Mai 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Pandya
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.