Zusammenfassung des Urteils SB210500: Obergericht des Kantons Zürich
Die Beschwerdekammer hat in einem Fall von Einstellung eines Strafverfahrens aufgrund von Betrug und Veruntreuung entschieden. Der Privatkläger hatte Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens erhoben, während der Beschuldigte die Kosten auf die Staatskasse nehmen wollte. Nach Prüfung der Beweislage und rechtlichen Aspekte wurde entschieden, dass die Beschwerde des Privatklägers gutgeheissen wird und die Einstellungsverfügung aufgehoben wird. Der Beschuldigte muss die Kosten tragen und den Privatkläger entschädigen. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210500 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 03.06.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Fahrlässige Körperverletzung etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Privatklägerin; Beschuldigten; Unfall; Zeuge; Aussage; Fahrzeug; Kollision; Urteil; Fahrstreifen; Aussagen; Verhalten; Spurwechsel; Körper; Vorinstanz; Zeugen; Recht; Staat; Lastwagen; Verkehr; Körperverletzung; Berufung; Verteidigung; Geldstrafe; Verletzung |
Rechtsnorm: | Art. 105 StGB ;Art. 113 StPO ;Art. 12 StGB ;Art. 122 StGB ;Art. 123 StGB ;Art. 125 StGB ;Art. 126 StGB ;Art. 14 VRV ;Art. 158 StPO ;Art. 26 SVG ;Art. 34 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 36 SVG ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 428 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 45 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;Art. 90 StPO ; |
Referenz BGE: | 116 IV 306; 123 IV 49; 129 IV 284; 130 IV 7; 134 IV 60; 135 IV 56; 136 IV 55; 143 IV 138; 143 IV 408; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210500-O/U/as
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. Schärer, Präsidentin, Ersatzoberrichterin
lic. iur. Jeker und Ersatzoberrichterin lic. iur. Laufer sowie Gerichtsschreiberin MLaw Meier
Urteil vom 3. Juni 2022
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
verteidigt durch Rechtsanwältin MLaw X1. ,
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend fahrlässige Körperverletzung etc.
Anklage:
Die Anklage (Strafbefehl) der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 1. Februar 2021 (Urk. 19) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 52 S. 32 ff.)
Der Beschuldigte A. ist schuldig
der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB sowie
der mehrfachen Übertretung der Chauffeurverordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 ARV i.V.m. Art. 8 Abs. 3 ARV.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 80.–, entsprechend CHF 2'400.– und mit einer Busse von CHF 300.–.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Der Entschädigungsantrag von Rechtsanwältin lic. iur. X2. betreffend ihre Aufwendungen als unentgeltliche Rechtsvertreterin der Privatklägerin wird abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf Fr. 1'500.–.
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten gemäss vorstehender Ziffer sowie die Kosten des Strafbefehls (Unt. Nr.: A-6/2020/10019313) vom 1. Februar 2021 in Höhe von
Fr. 3'667.05 werden dem Beschuldigten auferlegt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 69 S. 1 f.)
Es sei Dispositivziffer 1 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom
7. Mai 2021 (Geschäfts-Nr. GB210035) aufzuheben und es sei der Beschuldigte vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 StGB freizusprechen.
Die Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen.
Dem Beschuldigten sei eine angemessene Entschädigung aus der Staatskasse im Betrag von mindestens Fr. 9'610.40 (inkl. MwSt.) zuzusprechen.
Der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis:
Keine Anträge
Erwägungen:
Mit Urteil vom 7. Mai 2021 sprach das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung - Einzelgericht, den Beschuldigten der fahrlässigen Körperverletzung und der mehrfachen Übertretung der Chauffeurverordnung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.– sowie mit einer Busse von Fr. 300.– und regelte die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Urk. 52 ff.).
Gegen das mündlich eröffnete Urteil (Prot. I S. 18 ff.) meldete der Beschul- digte rechtzeitig Berufung an (Urk. 43; Art. 399 Abs. 1 StPO). Das begründete Urteil wurde der Verteidigung am 16. September 2021 zugestellt. Mit Eingabe vom
4. Oktober 2021 liess der Beschuldigte der erkennenden Kammer rechtzeitig die schriftliche Berufungserklärung einreichen (Urk. 54; Art. 399 Abs. 3 i.V.m. Art. 90 StPO).
Mit Präsidialverfügung vom 6. Oktober 2021 wurde der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerin eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und Frist für Anschlussberufung angesetzt (Urk. 56). Weder die Privatklägerin noch die Staatsanwaltschaft liessen sich innert Frist vernehmen (Urk. 57/1-2). Rechtsanwältin lic. iur. X2. ersuchte mit Eingabe vom 12. Oktober 2021 darum, aus ihrer Funktion als unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin entlassen zu werden (Urk. 58). Ferner reichte der Beschuldigte aufforderungsgemäss das Datenerfassungsblatt ein (Urk. 60). Mit Präsidialverfügung vom 8. November 2021 wurde der Privatklägerin die unentgeltliche Rechtspflege entzogen und Rechtsanwältin lic. iur. X2. als unentgeltliche Rechtsbeiständin der Privatklägerin entlassen (Urk. 63).
Am 12. Januar 2021 wurde sodann zur Berufungsverhandlung auf den
3. Juni 2022 vorgeladen (Urk. 65). Anlässlich der Berufungsverhandlung liess der Beschuldigte die eingangs aufgeführten Anträge stellen (Prot. II S. 4).
Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Der Beschuldigte verlangt mit seiner Berufung einen Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung mit entsprechender Anpassung der Strafzumessung sowie der Kostenverlegung und der Entschädigungsansprüche (Urk. 54 S. 2; Urk. 69 S. 1 f.; Prot. II S. 4). Die von der Verteidigung an sich nicht beanstandete Busse gilt im Rahmen der angefochtenen Strafe als mitangefochten. Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen ist der vorinstanzliche Entscheid damit lediglich hinsichtlich der Dispositivziffern 1, 2. Spiegelsprich (Schuldspruch betreffend mehrfache Übertretung der Chauffeurverordnung), 5 (Abweisung Entschädigung unentgeltliche Vertretung der Privatklägerin) und 6 (Entscheidgebühr), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.
Da die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel erhoben hat, greift das Verbot der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO).
Die Privatklägerin liess mit Eingabe vom 27. April 2021 den Antrag stellen, ihre Zivilforderungen seien auf den Zivilweg zu verweisen (Urk. 33 S. 2). Diesbezüglich führte die Vorinstanz aus, die Privatklägerin habe weder eine konkrete Zivilforderung gestellt noch einen Entscheid über das Bestehen der Zivilforderung dem Grundsatz nach [verlangt]. Zur genauen Feststellung des allfälligen Bestehens bzw. des Umfangs des Schadenersatz- und Genugtuungsanspruchs sei sie auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen (Urk. 52 S. 31 E. 4). Eine entsprechende Dispositivziffer dazu fehlt jedoch, womit auch kein formeller Entscheid über den Antrag der Privatklägerin vorliegt. Dabei handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, das mit vorliegendem Entscheid zu korrigieren ist. Von einer Rückweisung an die Vorinstanz kann abgesehen werden, da dies keinen derart gravierenden Mangel darstellt, dass eine Rückweisung zur Wahrung der Parteirechte unumgänglich erscheinen würde (BGE 143 IV 408 E. 6.1.). Zudem würde dies das Verfahren nur unnötig verzögern und einem überstrengen Formalismus gleichkommen.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, er habe am 16. Juni 2020 um ca.
17.40 Uhr auf der A1 Richtung Bern den LKW Volvo mit dem Kontrollschild ZH 1 von der ersten Überholspur nach rechts auf die Normalspur gewechselt, wobei er den Spurwechsel mittels Blinker angezeigt habe. Dabei habe er unabsichtlich, aber krass pflichtwidrig den rechts neben ihn auf der Normalspur fahrenden PW BMW mit dem Kontrollschild ZH 2, gelenkt durch die Privatklägerin B. , übersehen, da er sich nicht rechtsgenügend über die Aussenspiegel vergewissert habe, dass sich kein Fahrzeug neben ihm befinde. Der PW wäre dabei über die Aussenspiegel erkennbar gewesen. In der Folge sei der Beschuldigte auf der Normalspur mit dem korrekt auf der Normalspur fahrenden PW BMW kollidiert, worauf der PW BMW um 90 Grad gedreht, vor den LKW gedrückt, rund 170 Meter vor dem LKW hergeschoben und danach in die linke Leitplanke geschleudert worden sei. Dabei habe der Beschuldigte der PW-Lenkerin B. einen Speichenbruch im rechten Handgelenk, ein Schleudertrauma und eine Brustkorbprellung zugefügt (Urk. 19 S. 3). Der Beschuldigte soll sich daher der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben.
Es ist unbestritten, dass es am 16. Juni 2020 zur Kollision zwischen dem vom Beschuldigten gelenkten LKW und dem PW der Privatklägerin kam. Vom Beschuldigten und der Privatklägerin liegen jedoch unterschiedliche Schilderungen in Bezug auf das Unfallgeschehen vor. Der Beschuldigte stellte sich während des gesamten Vorverfahrens wie auch im erstinstanzlichen Verfahren auf den Standpunkt, die Spur nicht gewechselt zu haben, da es noch Fahrzeuge auf der Spur gehabt habe, und bezeichnete konstant die Privatklägerin als Unfallverursacherin (Urk. 5/1 S. 4; Urk. 5/2 S. 2 ff.; Prot. I S. 11 ff.). Anlässlich der Berufungsverhandlung blieb der Beschuldigte bei dieser Darstellung (Prot. II S. 12 ff.).
Die Vorinstanz hat die Grundsätze der Sachverhaltsfeststellung und der Beweiswürdigung zutreffend dargelegt, die Beweismittel vollständig aufgezählt und sich zur Glaubwürdigkeit der aussagenden Personen überzeugend geäussert. Auf ihre Ausführungen kann verwiesen werden (Urk. 52 S. 8 f., S. 15 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Namentlich kam sie auch zutreffend zum Schluss, dass sämtliche Beweismittel verwertbar sind, was uneingeschränkt auch für die Aussagen der Privatklägerin gilt. Wurde eine Person als beschuldigte Person einvernommen und stellt sich im Laufe des Verfahrens – wie vorliegend – heraus, dass sie zu Unrecht verdächtig worden ist, muss das Verfahren gegen sie durch Einstellung, Nichtanhandnahme Freispruch rechtskräftig erledigt werden. Aussagen, die sie in ihrer Rolle als beschuldigte Person nach entsprechender Belehrung tätigte, können, soweit das Verfahren gegen andere mitbeschuldigte Personen weitergeführt wird, gegen diese als Beweismittel verwertet werden (DONATSCH/LIEBER/SUMMERS/ WOHLERS [HRSG.], StPO Kommentar, 3. Aufl. 2020, Art. 158 N 41). Das Verfahren gegen B. wegen fahrlässiger Körperverletzung etc. betreffend den hier interessierenden Vorfall wurde mit Verfügung vom 1. Februar 2021 eingestellt
(Urk. 16). Zuvor wurde sie jeweils als beschuldigte Person einvernommen. In dieser Parteirolle ist sie einzig auf das Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht hinzuweisen (Art. 113 StPO und Art. 158 Abs. 1 StPO). Diese Hinweise sind erfolgt (Urk. 6/1 S. 2 und Urk. 6/2 S. 2).
Im angefochtenen Urteil wurden die Aussagen des Beschuldigten, der Privatklägerin B. sowie des Zeugen C. korrekt zusammengefasst sowie der Inhalt der massgebenden Sachbeweismittel (Plan- und Fotodokumentation) wiedergegeben und im Wesentlichen mit überzeugender Begründung zutreffend gewürdigt (Urk. 52 S. 10 ff.), worauf verwiesen werden kann (Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachstehenden Erwägungen erfolgen bloss ergänzend zur punktuellen Verdeutlichung und Vertiefung unter Einbezug neuer Ausführungen im Berufungsverfahren.
Mit der Vorinstanz ist zunächst festzuhalten, dass kein Anlass besteht, an der Validität der Plandokumentation zu zweifeln (Urk. 52 S. 16; Art. 82 Abs. 4 StPO). Die aus der Fotodokumentation erfassten Abriebspuren bzw. Pneu- druckspuren in der Plandokumentation lassen sich zwar dahingehend interpretieren, dass der Beschuldigte einen Spurwechsel vornahm und eine Kollision auf der Spur der Privatklägerin erfolgte, was gegen die vom Beschuldigten vertretene Version eines Spurwechsels der Privatklägerin sprechen würde (Urk. 11/3;
Urk. 11/4). Insbesondere die Abriebbzw. Pneudruckspuren 180 bis 170 Meter
vor Stillstand des LKWs (Urk. 11/3 Bild 3-4) legen diese Interpretation nahe, da dort 3 Abriebspuren auf der rechten Spur erkennbar sind. Fachkundige Angaben dazu, wie die Abriebspuren zu interpretieren sind und welche Schlüsse sie zulassen, fehlen jedoch. Es steht nicht fest, wie besagte Spuren entstanden sind und welchem Fahrzeug sie zugeordnet werden können. Sie erweisen sich daher nur als wenig aussagekräftig und sind als ambivalentes Beweismittel nicht geeignet, die Darstellung des Beschuldigten zu entkräften. Da sich der Sachverhalt indessen gestützt auf die weiteren vorhanden Beweismittel erstellen lässt, wie sich nachfolgend zeigen wird, erübrigt sich die Einholung eines verkehrstechnischen unfallanalytischen Gutachtens.
Die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens erweist sich damit nicht als notwendig, da sich der Sachverhalt gestützt auf die vorhandenen Beweismittel erstellen lässt.
Zur Frage, wer den Unfall verursacht habe, äusserte sich der Beschuldigte konstant und bezeichnete bereits kurz nach dem Unfall bei seiner Einvernahme als polizeiliche Auskunftsperson die Privatklägerin als Unfallverursacherin. Abgesehen von der eigentlichen Kollision ist die Schilderung des Beschuldigten insbesondere in Bezug auf die Vorbereitung eines Spurwechsels sowie sein Verhaltens vor und nach der Kollision relativ detailliert und erscheint grundsätzlich plausibel. So hielt er auf die Aufforderung hin, seine Sicht des Geschehens zu schildern, fest, dass er sich auf einen Spurwechsel habe vorbereiten wollen. Er habe keine Eile gehabt, da er genau wisse, wo er durchfahren müsse und wo die Verzweigung komme. Er habe immer 10 Mal geschaut, ob er sicher den Fahrstreifen wechseln könne. Ob er den Blinker gestellt habe nicht, wisse er nicht mehr. Aber selbst wenn, dann habe er diesen wieder ausgeschaltet, da noch Fahrzeuge auf dem Fahrstreifen gewesen seien, auf welchen er habe wechseln wollen
(Urk. 5/1 S. 2 F/A 14). Bezüglich seine Reaktion auf die Kollision führte er aus, er habe sofort nachgedacht, wie er am besten reagieren könne. Da er gewusst habe, dass er viel Ladung habe, habe er ganz sanft angefangen zu bremsen
(Urk. 5/1 S. S. 2 F/A 15). Diese Umschreibung seiner Gedankengänge und Überlegungen wirkt durchaus lebensnah. Seine Darstellung ist für sich betrachtet auch
nicht unplausibel und der Unfall könnte sich tatsächlich so zugetragen haben. Die Schadensbilder an den beiden Fahrzeugen schliessen dies jedenfalls nicht aus (Urk. 11/3 Bilder 24-27, 30-34). In Bezug auf die Kollision waren seine Aussagen hingegen eher blass und wenig konkret. Das mag zum einen daran liegen, dass die eigentliche Kollision nur wenige Sekunden dauerte und derart turbulente Geschehen naturgemäss schwierig zu rekapitulieren sind. Andererseits scheint er gemäss eigenen Angaben die Kollision gar nicht recht wahrgenommen zu haben. So will er bemerkt haben, dass etwas von rechts nach links komme und er dieses berührt habe. Das Auto sei zuerst vor ihm gewesen und dann vor ihm verschwun- den (Urk. 5/1 S. 2 F/A 15). Auch hielt er fest, die Kollision irgendwie schon wahrgenommen zu haben, aber es habe nicht nach einem Crash geklungen (Urk. 5/1 S. 3 F/A 24).
Welche Schritte er bereits ausgeführt hatte, um die Spur zu wechseln, bezeichnete er zu Beginn nicht eindeutig. So erklärte er zunächst, nachdem das Auto vor ihm verschwunden sei, habe er alle Bemühungen, den Fahrstreifen zu wechseln, abgebrochen (Urk. 5/1 S. 2 F/A 15). Welche Bemühungen dies konkret waren bzw. ob sich diese im Setzen des Blinkers erschöpften, führte er nicht näher aus. Es drängt sich jedenfalls die Vermutung auf, dass er im Zeitpunkt der Kollision bereits zum Spurwechsel ansetzte, d.h. die Linie zur rechten Spur mit seinem LKW schon überquerte. Erst nach dem Ablauf seiner Vorbereitung auf den Fahrstreifenwechsel befragt, gab er an, er schaue in den Frontspiegel, dann in den Seitenspiegel und dann noch in den Weitwinkelspiegel. Zuerst stelle er den Blinker. Er sei sich aber nicht sicher, ob er den Blinker wieder ausgeschaltet habe, da er noch gesehen habe, dass es noch Fahrzeuge auf der Spur gehabt habe (Urk. 5/1
S. 3 F/A 18). Ob er tatsächlich schon zum Spurwechsel angesetzt hatte, stellte er erst später klar, indem er festhielt, seiner Meinung nach habe sie (die Privatklägerin) angefangen, die Spur zu wechseln und dies viel zu nahe bei seinem Fahrzeug. Dann sei es zur Berührung gekommen. Er könne es sich nicht anders vorstellen. Er sei ja schnurgerade in der Spur gewesen. Es sei ja nicht anders möglich gewesen (Urk. 5/1 S. 4 F/A 29). Auf die Frage, ob er die Spur je verlassen habe, seit dem Zeitpunkt, als er sich auf den Spurwechsel vorbereitet habe, erklärte er ferner, sobald er etwas im Spiegel sehe, könne er gar keinen Wechsel
mehr machen. Er wisse ja, was alles passieren könne. Da sei er wie blockiert, dass er keinen Fahrstreifenwechsel machen könne. Er würde sie als schuldig bezeichnen. Er wisse genau, dass er bei der Autobahnauffahrt an ihr vorbeigefahren sei. Er glaube, dass sie dann beschleunigt habe und zu früh den Fahrstreifen habe wechseln wollen (Urk. 5/1 S. 4 F/A 30 f.). Dabei fällt auf, dass er die Frage nach dem Spurwechsel nicht mit einem klaren Ja Nein beantwortete, sondern verallgemeinernd blieb. Mit der Vorinstanz ist zudem eine gewisse Beto- nung auf sein eigenes vorbildliches Verhalten im Strassenverkehr nicht von der Hand zu weisen (vgl. Urk. 5/1 S. 2 F/A 9 ff., F/A 21; insbesondere F/A 14: […] Ich schaue immer 10 Mal, ob ich sicher den Fahrstreifen wechseln kann. […]). Das ist zwar menschlich nachvollziehbar. Dass er sich insgesamt kaum selbstkritisch äusserte, dagegen aber nicht davor zurückschreckte, die Privatklägerin zu belasten und sie und den Zeugen der Lüge zu bezichtigen (vgl. Urk. 5/1 S. 4 F/A 31; Urk. 5/2 S. 2 F/A 7, F/A 10, S. 4 F/A 17 f.), ist als Lügensignal zu werten und wirkt sich entsprechend negativ auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen aus.
In den weiteren Einvernahmen vor der Staatsanwaltschaft und der Vorinstanz blieb er im Wesentlichen bei seinen bisherigen Ausführungen und damit grundsätzlich konstant, insbesondere was seine Belastung der Privatklägerin anbelangt (Urk. 5/2 S. 2 ff.; Prot. I S. 10 ff.). Darüber hinaus wies sein Aussageverhalten je- doch einige Auffälligkeiten und Widersprüchlichkeiten auf. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, vermochte der Beschuldigte auf Vorhalt von Sachbeweismitteln und den ihn belastenden Aussagen der Privatklägerin und des Zeugen, die seiner Version widersprechen, keine plausible Erklärung vorbringen (vgl. Urk. 52 S. 20; Art. 82 Abs. 4 StPO). Exemplarisch zeigt sich dies in Bezug auf die Aussagen des Zeugen, die dem Beschuldigten vorgehalten wurden. Danach gefragt, was er zu dessen Aussage, er (der Beschuldigte) habe einen Spurwechsel nach rechts gemacht, sage, erklärte er lediglich, zu wissen, dass der Zeuge hinter dem BMW gefahren sei. Sofort nach dem Unfall habe er [der Zeuge] angefangen zu reden. Er glaube, der Zeuge habe einen blauen Volvo gehabt und diesen viel weiter vorne auf dem PW auf den Pannenstreifen parkiert. Weiter gab er bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll, er habe den Zeugen im Rückspiegel gesehen. Er sei sich 100% sicher, dass der Zeuge auf der Normalspur hinter dem BMW gefahren sei.
Der Zeuge sei dann zum BMW gerannt, um der Privatklägerin zu helfen. Er selbst habe ein grosses Teil von der Gegenfahrbahn (gemeint ist wohl die linke der drei Spuren) beseitigt. Schliesslich hielt er noch fest, der Zeuge habe ihm gesagt, er habe alles gesehen, er (der Beschuldigte) sei nicht schuldig (Urk. 5/2 S. 3 F/A 12 f.). Letzteres widerspricht aber klar den Aussagen des Zeugen, die dem Beschul- digten vorgehalten wurde. Zudem hielt der Beschuldigte im Widerspruch dazu vor Vorinstanz selber fest, der Zeuge habe ihn schon damals am Unfallort verurteilt und gesagt, er (der Beschuldigte) sei schuld (Prot. I S. 13). Bei anderer Gelegenheit gab er auch an, so wie es der Zeuge beschrieben habe, könne es nur wie in einem Videogame passieren (Urk. 5/2 S. 4 F/A 18), ohne dies jedoch näher auszuführen. Auch vor Vorinstanz wurde er darauf angesprochen, dass die Privatklägerin und der Zeuge eine andere Version geschildert hätten, worauf er festhielt, er könne sich dies nicht erklären. Er sei anwesend gewesen, als die Zeugen Aussagen gemacht hätten. Ihm sei erklärt worden, wie es zu diesem Unfall gekommen sei und die Zeugen hätten seine Version zum Unfallereignis bestätigt (Prot. I
S. 13). Sodann erklärte er, es stehe ihm vielleicht nicht zu, gegen den Zeugen zu reden, und warf die Frage nach dessen Verhalten auf. Wenn es nach ihm ginge, würde er den Zeugen ganz genau unter die Lupe nehmen, weil dieser auch nachgeholfen haben könnte, das die Privatklägerin die Kontrolle verloren habe, dadurch vor seinen LKW gekommen und es so zur Kollision gekommen sei. Er bestätigte auf entsprechende Frage, den Zeugen anzuzweifeln, weil dieser auch ein Interesse daran haben könnte, einen Verstoss gegen die Strassenverkehrsordnung zu verschweigen (Prot. I S. 13). Auf die anschliessende Frage, ob er ein solches Verhalten des Zeugen habe feststellen können, machte er Ausführungen dazu, wann er den Volvo des Zeugen wahrgenommen habe, ohne auf die Frage zu antworten. Nachdem die Frage wiederholt wurde, hielt er schliesslich fest, er könne nicht sagen, ein falsches Verhalten des Zeugen festgestellt zu haben (Prot. I S. 13 f.). Neben dem Umstand, dass der Beschuldigte suggerierte, der Zeuge habe sich nicht konform verhalten und ihn damit in einem schlechten Licht erscheinen lassen wollte, ist ebenso bezeichnend, dass er auf näheres Befragen zu seinen eigenen Angaben äusserst ausweichende Antworten gab.
In ähnlicher Weise reagierte der Beschuldigte auf Vorhalt der Sachbeweismittel. Zur Plandokumentation und der Position der Pneuspuren gab er zu Protokoll, er habe nach dem Unfall immer wieder versucht, zu reflektieren. Er sei unter Schock gestanden. Es sei schlimm zu sehen, wie etwas vor den Lastwagen komme. Er sei sich sicher, dass sie von rechts nach links gefahren sei und beschleunigt habe. Er habe auf der rechten Seite keine Beschädigungen am Fahrzeug gehabt (Urk. 5/2 S. 2 f. F/A 10). Zu den ihm vorgehaltenen Fotos wollte er sich nicht äussern (Urk. 5/2 S. 3 F/A 11). Darauf angesprochen, dass er gemäss Unfallrekonstruktion den PW der Privatklägerin rechts neben sich und danach vor sich in den Spiegel hätte sehen müssen, erwiderte er, ohne direkt auf den Vorhalt zu antworten, er habe genügend Zeit auf seiner Spur gehabt, da er erst später nach rechts habe müssen. Der BMW sei sehr schnell vor sich gekommen. Die Front des LKW [gemeint ist wohl der BMW] sei beschädigt worden, als er in die Leitplanke gefahren sei. Er habe keine Erklärung, weshalb die Reifenspuren auf der rechten Spur seien (Urk. 5/2 S. 4 F/A 21). Vor Vorinstanz stellte er sich zudem auf den Standpunkt, der Unfall könne in Wahrheit gar nicht so passiert sein, wie er geschildert werde. Das sei physikalisch gar nicht möglich. Eine Erklärung dafür, weshalb dies aus seiner Sicht nicht möglich sein soll, lieferte er jedoch nicht.
Was seine Wahrnehmungen des BMW der Privatklägerin anbelangt, erklärte er zunächst von sich aus, diesen erst kurz vor dem Stillstand zum ersten Mal wahrgenommen zu haben (Urk. 5/1 S. 3 F/A 19). Auf entsprechende Frage gab er im Anschluss indessen an, er denke, an dem BMW vorbeigefahren zu sein. Er sei schneller als sie gefahren (Urk. 5/1 S. 3 F/A 20). Bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme erklärte er demgegenüber sehr detailliert, wo sich der BMW befun- den habe, als er ihn gesehen habe: Der BMW sei ca. 50 cm hinter der Fahrerkabine gewesen sei. Er habe ihn im rechten Hauptspiegel gesehen (Urk. 5/2 S. 3 F/A 16). Insofern sind seine Angaben in dieser Hinsicht widersprüchlich, weshalb es höchst fraglich erscheint, dass er den BMW tatsächlich sah. In dieser Hinsicht überzeugen seine unmittelbar nach dem Ereignis getätigten Depositionen, wo- nach er lediglich gesehen habe, wie etwas von rechts nach links gekommen sei, am ehesten, zumal seine Erinnerungen zu diesem Zeitpunkt noch frisch waren. Jedenfalls hielt der Beschuldigte selbst fest, dass es an der Front des LKWs keinen toten Winkel hat: An der LKW-Front ist ein toter Winkel ausgeschlossen, wenn man vorschriftsgemäss schaut und einen Spurwechsel frühzeitig vorbereitet, dann sieht der LKW-Fahrer genau, was um ihn herum ist (Prot. I S. 16). Gemäss seinen Angaben musste er die Privatklägerin neben sich also sehen. Dies wird auch durch das Ergebnis der Unfallrekonstruktion bestätigt (Urk. 11/3 Bilder 39 ff.), weshalb darauf abzustellen ist.
Anlässlich der Berufungsverhandlung führte er wiederum aus, die Privatklägerin habe den Fehler gemacht, dass sie überholt habe. Er sei von Beginn weg auf der mittleren Spur gefahren. Dort fahre er eigentlich immer. Es sei am Anfang der Autobahn gewesen, wo es noch 3 Spuren gegeben habe. Dort habe auch der Unfall stattgefunden. Danach gefragt, was seiner Ansicht nach der Fehler der Privatklägerin gewesen sei, erwiderte er weit ausholend, aber ohne konkret auf die Frage zu antworten, er sei auf der mittleren Spur der Autobahn gewesen. Er habe nicht nur einmal, sondern mehrmals in den Spiegel bzw. nach rechts und links geschaut. Er habe auch gesehen, dass sich Autos von der linken Seite genähert hätten, also habe er auch nach links geschaut. Als er nach rechts geschaut habe, habe er gesehen, dass die Privatklägerin komme. Er habe jedoch gedacht, dass sie an ihm vorbeifahre ihre Geschwindigkeit verlangsamen würde. Er habe dann den Blinker gesetzt, damit er nach rechts einspuren könne. Jedoch habe er dann gespürt, dass es einen Knall geben werde. Er habe es schon gespürt. Er habe dann die Motorbremse angewandt. Er sei sehr schockiert gewesen, als der Unfall passiert sei. Er habe niemanden in Gefahr bringen wollen, also sei er auf dieser Spur geblieben. Er habe sein Lenkrad so fest gedrückt, dass er gar nicht anders gekonnt habe. Er habe zuerst die Motor-, dann die Fuss- und die Notbremse bedient.
Worin seiner Ansicht nach der Fehler der Privatklägerin lag, geht aus seinen Angaben nicht hervor, worauf er auch hingewiesen wurde. Dazu hielt er lediglich ausweichend fest, eigentlich wisse die Privatklägerin das am besten und die Staatsanwaltschaft wisse das auch. Er sei dabei gewesen, als sie ausgesagt habe. Er finde, es sei nicht nötig, das nochmals zu sagen. Auf die Aussagen der Privatklägerin und des Zeugen angesprochen, wonach er einen Spurwechsel vorgenommen habe und auf die Spur der Privatklägerin gekommen sei, äusserte er sich erneut zunächst verallgemeinernd. So erklärte er, kein Chauffeur habe den Luxus, die Spur zu wechseln, wenn er sehe, dass jemand von hinten rechts links komme. Sodann blieb er dabei, den Spurwechsel nicht angefangen, sondern ihn lediglich vorbereitet zu haben. Der Beschuldigte bleibt in Bezug auf die eigentliche Kollision erneut vage und zwar vager, als es bei einer faktenbasierten Schil- derung zu erwarten wäre. Es wird nicht klar, was seiner Ansicht nach genau passiert ist bzw. wie es konkret zur Kollision kam. Zudem schilderte er, wie er dies bereits früher tat, vor allem sein eigenes Verhalten bzw. was er machte (Prot. II S. 13 ff.).
Im Polizeirapport vom 6. Juli 2020 ist als einzige Auskunftsperson C. aufgeführt und vermerkt, dass dieser hinter dem Lastwagen gefahren sei und den Unfall habe beobachten können (Urk. 1 S. 3). C. wurde am 16. Juni 2020 um 18.24 Uhr, d.h. nur kurze Zeit nach der Kollision als polizeiliche Auskunftsperson befragt und am 12. November 2020 durch die Staatsanwaltschaft als Zeuge einvernommen (Urk. 7/1; Urk. 7/2). Er gab konstant zu Protokoll, dass der Beschuldigte mit dem LKW einen Spurwechsel auf den Normalstreifen machte und mit dem PW der Privatklägerin kollidierte (Urk. 7/1 S. 2; Urk. 7/2 S. 3 f.). Dabei legte er seine Wahrnehmungen überzeugend und nachvollziehbar dar. Auch legte er Unsicherheiten offen und hielt auch fest, wenn er etwas nicht beobachten konnte. Namentlich erklärte er, davon auszugehen, der BMW und der LKW seien auf den Spuren, auf denen sie gewesen seien, auf die Autobahn gekommen. Gesehen habe er dies aber nicht. Er gab auf entsprechende Frage ferner an, nicht gesehen zu haben, dass der BMW den LKW rechts überholt habe (Urk. 5/2 S. 3 F/A 13 f.). Seine Aussagen sind insgesamt sehr sachlich und nicht übertrieben. Anhaltspunkte dafür, dass er den Beschuldigten zu Unrecht belastete, finden sich keine. So hob er von sich aus gar die aus seiner Sicht positive Reaktion des Beschuldigten nach der Kollision in Bezug auf das langsame Bremsen hervor
(Urk. 5/1 S. 3 F/A 7). Auf seine glaubhaften Angaben kann abgestellt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen des Beschuldigten, was den Zeugen anbelangt, wenig überzeugend und als Versuch zu werten, die Aufmerksamkeit von sich auf den Zeugen zu lenken. Dass er in Frage stellt, ob dieser sich verkehrsregelkonform verhalten hat und nicht allenfalls einen Kontrollverlust der Privatklägerin verursacht haben könnte, findet keine Stütze bei den vorhandenen Beweismitteln. Entgegen der Verteidigung (Urk. 39 S. 11) sind die Aussagen des Zeugen sodann keineswegs widersprüchlich. Namentlich sagte er nicht, dass die Privatklägerin am LKW vorbeifuhr, lediglich, dass der erste Kontakt in der Mitte des BMWs stattgefunden habe (Urk. 7/1 S. 2 F/A 3). Gemäss seinen Angaben war damit zwar ein Teil des BMWs vor dem LKW. Dies stimmt indessen einerseits mit dem Schadensbild und den Aussagen der Privatklägerin, wonach sie noch eine Flucht nach vorn versuchte (vgl. nachfolgend Ziffer 4.4.), überein. Andererseits ist dies nicht mit überholen bzw. vorbeifahren gleichzusetzen. Wenn der Zeuge dies also auf entsprechende Frage verneinte, stellt dies keinen Widerspruch dar.
Die Privatklägerin gab bei ihrer polizeilichen Einvernahme als beschuldigte Person vom 22. Juni 2020, mithin wenige Tage nach dem Unfall zu Protokoll, zum Unfallhergang an, sie sei auf dem rechten Fahrstreifen gefahren und plötzlich sei es auf ihrer linken Fahrzeugseite dunkel geworden, da dort ein Lastwagen gefahren sei. Der Lastwagen habe sie fast überholt, ein Teil seines Fahrzeugs sei noch neben ihr auf dem Fahrstreifen gewesen. In dieser Position habe er den rechten Blinker eingeschaltet. Der Lastwagen sei seitlich auf ihr Fahrzeug zugekommen, sie sei sich nicht mehr ganz sicher, aber sie glaube, dass der Lastwagen zwei Anhänger gehabt habe. Sie habe sich gedacht, wenn sie jetzt bremsen würde, würde er mit dem letzten Anhänger auf ihr Auto prallen und sie wäre so in Lebensgefahr. Sie habe dann in den Sportmodus ihres Fahrzeugs geschaltet und Vollgas gegeben. Da sie dem Lastwagen nicht habe entwischen können, habe dieser den hinteren Teil ihres Fahrzeug berührt, wobei ihr Auto um 90 Grad vor den Lastwagen gedreht worden sei. Als sich ihr Fahrzeug quer vor dem Lastwagen befunden habe, sei dieser einfach weitergefahren und habe sie vor sich hergeschoben, so dass sie schlussendlich auf dem linken Fahrstreifen gelandet sei (Urk. 6/1 S. 2 F/A 6). Ihre Darstellung ist detailliert und wirkt erlebt, namentlich was den Hinweis auf die Verdunkelung sowie ihre Gedankengänge bezüglich ihrer Überlebenschancen anbelangt. Entgegen der Verteidigung (Urk. 69 S. 9) wi- derspricht ihre Aussage bezüglich das Dunkelwerden keineswegs ihrer Angabe, dass es Nachmittag und sonnig gewesen sei. Letzteres äusserte sie in Bezug auf
die Witterung und nicht im Zusammenhang mit dem Ablauf der Kollision (vgl. Urk. 6/2 S. 3 F/A 10). Auf die Frage, wie weit auf ihren Fahrstreifen der Lastwa-
gen gekommen sei, als sie sich entschlossen habe, Gas zu geben und ihn wieder zu überholen, erklärte sie, sie wisse es nicht in Metern, aber seine Räder seien schon auf ihrem Fahrstreifen gewesen. Ausserdem sei der rechte Blinker eingeschaltet gewesen, was darauf hingedeutet habe, dass er die Spur wechseln wür- de. Der Blinker habe ihr das Leben gerettet, denn so habe sie gewusst, was er tun wollte. Danach gefragt, ob sie noch versucht habe, den Lastwagenchauffeur mittel Hupen auf sich aufmerksam zu machen, erwiderte sie, nein, sie habe nicht gehupt. Es sei auch nicht nötig gewesen, er habe sie ja gesehen, als er sie überholt habe (Urk. 6/1 S. 2 F/A 8). Auch diese Angaben wirken grundsätzlich plausibel. Ihre zu Beginn der Einvernahme gemachte Aussage, wonach nachvollziehbar sei, dass sie keine Spur habe wechseln müssen, da sie die Ausfahrt F. habe nehmen müssen, korrigierte sie zu einem späteren Zeitpunkt und erklärte schlüssig, dass an der Stelle des Unfalls noch kein Fahrstreifenwechsel nötig war (Urk. 6/1 S. 3 F/A 11). Wie der einvernehmende Polizeibeamte ihr vorhielt, wäre das erst einige Kilometer weiter gekommen, was sich auch mit den Bildern der Fotodokumentation deckt, wo keine entsprechende Anzeigetafel, die einen baldigen Fahrstreifenwechsel erforderlich gemacht hätte, erkennbar ist (vgl. Urk. 11/3).
Ein grober Widerspruch ist entgegen der Verteidigung darin nicht zu sehen
(Urk. 39 S. 7), zumal die Privatklägerin im Bereich des Unfalls noch keinen Spurwechsel vornehmen musste.
Wie beim Beschuldigten wirkte auch die Privatklägerin darum bemüht, sich als vorbildliche Autofahrerin zu präsentieren (vgl. Urk. 6/1 S. 3 F/A 18 f. und 21). Sie äusserte sodann ebenfalls keine Selbstkritik, sondern belastete den Beschuldigten, was die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben tangiert. Es ist sodann nicht auszuschliessen, dass sie aufgrund der bevorstehenden Anerkennung ihres … Führerausweises [des Staates D. ] und da sie offenbar ihr Fahrzeug mit Gips lenkte, grundsätzlich ein Interesse daran hatte, von sich abzulenken. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie sich bei ihrer Aussage von diesen sachfremden Motiven tatsächlich leiten liess, liegen hingegen keine vor. Zudem blieben ihre Aussagen, was das eigentliche Kerngeschehen betraf, konstant. Wie schon bei der Polizei wies sie namentlich darauf hin, hätte der Beschuldigte den Blinker nicht gestellt, wäre sie gestorben, da sie dadurch realisiert habe, was er vorhabe (Urk. 6/2
S. 3 F/A 10 f.; Urk. 6/1 S. 7). Bei dieser Feststellung handelt es sich um ein besonderes Detail, was dafür spricht, dass sie tatsächlich Erlebtes schildert. Weiter führte sie aus, als sie realisiert habe, dass er die Spur wechseln wolle, sei sie schockiert gewesen. In dem Moment habe es so ausgesehen, als habe der LKW zwei Anhänger. Sie habe angefangen zu schreien. Wiederum erklärte sie, nicht gebremst zu haben, weil sie Angst habe, dass er sie mit den Anhängern erwischen würde. Sie habe ein wenig beschleunigt, weil sie sich dadurch selber aus der Situation habe retten wollen. Sodann nannte sie erneut eine Besonderheit, in- dem sie darauf verwies, dass sie ihr Fahrzeug in den Sportmodus umstellte
(Urk. 6/2 S. 3 F/A 12 f.).
Soweit die Verteidigung auf Ungereimtheiten in den Angaben der Privatklägerin hinsichtlich der Geschwindigkeit verweist (Urk. 39 S. 8), gilt zu bemerken, dass es sich bei den Aussagen sämtlicher Beteiligter in Bezug auf die gefahrenen Geschwindigkeiten um Schätzungen handelte, die sich in einem Bereich von 60 bis 95 km/h bewegen (vgl. Urk. 5/1 S. 3 F/A 17; Urk. 5/2 S. 4 F/A 18; Urk. 6/1 S. 2 F/A 10, 22; Urk. 6/2 S. 2 F/A 9; Urk. 7/1 S. 3 F/A 6; Urk. 7/2 S. 3 F/A 11). Mensch-
liche Geschwindigkeitsschätzungen sind naturgemäss immer unscharf, da es sich um eine Kombination von Entfernungsschätzung und Zeitschätzung handelt, welche ebenfalls oftmals subjektiv sind und meist überschätzt werden. Insofern sind die Angaben sämtlicher Beteiligter betreffend Geschwindigkeit mit Vorsicht zu ge- niessen, gerade auch angesichts des dynamischen und turbulenten Geschehens, welches ein Unfall auf einer Autobahn mit sich bringt. Wenn der Zeuge die Geschwindigkeit des Beschuldigten auf 80 km/h schätzte, schliesst das somit unabhängig der Geschwindigkeitsangaben der Privatklägerin nicht aus, dass der Beschuldigte gemäss ihren Angaben schneller als sie fuhr (Urk. 6/2 S. 3 F/A 10). Demgegenüber ist der Verteidigung darin zuzustimmen, dass die Privatklägerin erstmals bei der Staatsanwaltschaft erwähnte, dass der LKW noch weiter beschleunigt habe (Urk. 39 S. 9). Dabei handelt es sich um ein neues Detail, dass den insgesamt stimmigen Ablauf, den die Privatklägerin konstant schilderte, je- doch nicht zu durchbrechen vermag. Auch die von der Verteidigung angesprochenen Differenzen in Bezug auf ihre Reaktion, namentlich dass sie einmal erklärte, Vollgas gegeben zu haben, während sie bei anderer Gelegenheit ein wenig beschleunigt haben will (Urk. 39 S. 9), erscheint einzeln betrachtet tatsächlich widersprüchlich. Sie blieb jedoch konstant dabei, in den Sportmodus geschaltet und beschleunigt zu haben, um sich aus der Gefahrenlage zu retten. Welchen Einfluss dies auf den Unfallhergang hatte, verbleibt dabei, ausgehend von ihrer Version der Darstellung auch nicht unklar. Der Schaden am Fahrzeug der Privatklägerin lässt sich vielmehr mit ihren Angaben ohne Weiteres in Einklang bringen. Zu einem anderen Ergebnis führen auch die weiteren von der Verteidigung angeführten Unschärfen in den Aussagen der Privatklägerin nicht. Namentlich ist der Zeitpunkt, in dem sie den Blinker sah, im Nachhinein schwierig zu rekapitulieren und in Zusammenhang mit der genauen Position des LKWs zu bringen, gerade bei zwei sich mit hoher Geschwindigkeit fortbewegenden Objekten. In diesen Unstimmigkeiten sind jedenfalls keine groben Widersprüche und damit Lügensignale zu erkennen. Nicht gefolgt werden kann der Verteidigung sodann, wenn sie festhält, die Privatklägerin habe nie ausgesagt, dass der Lastwagen auf ihre Spur gekommen sei und sie sei konkreten Fragen danach immer ausgewichen (Urk. 39
S. 9). So erwähnte sie bei der Staatsanwaltschaft explizit, sie sei überzeugt, dass der Beschuldigte sie beim Spurwechsel überhaupt nicht gesehen habe (Urk. 6/2
S. 3 F/A 15). Aus ihren Schilderungen insgesamt, die überdies mit der Darstellung des Zeugen übereinstimmen, wird klar, dass sie selbst keinen Spurwechsel vor- nahm. Damit bestätigte sie ihre Angabe bei der Polizei, wo sie ebenfalls aussagte, dass sie selbst keinen Spurwechsel vorgenommen habe (Urk. 6/1 S. 4 F/A 24).
Was die im Anklagesachverhalt festgehaltenen Verletzungen der Privatklägerin anbelangt, ist mit der Vorinstanz zu konstatieren, dass der Speichenbruch sich aufgrund des Arztberichts vom 12. Juni 2020 nicht als Unfallfolge erstellt werden kann, da sie bereits im Unfallzeitpunkt wegen einer undislozierten distalen Radiusfraktion rechts in ärztlicher Behandlung war und deshalb einen Gips trug (Urk. 8/1; Urk. 52 S. 17 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der Vorinstanz ist sodann entgegen der Verteidigung (Urk. 69 S. 2 ff.) darin zuzustimmen, dass das Schleudertrauma und die Brustkorbprellung gestützt auf die Arztberichte wie auch die Angaben der Privatklägerin auf den Unfall zurückgeführt werden können (Urk. 52
S. 17; Art. 82 Abs. 4 StPO). Die Privatklägerin wurde zu den Umständen, die zum Speichenbruch führten, nie befragt. Entsprechend ist nicht bekannt, ob dieser auf einen Sturz ähnliches zurückzuführen ist. Das ist vorliegend aber auch nicht wesentlich. Im Bericht des Spitals Limmattal vom 12. Juni 2020 über die unfallchirurgische Sprechstunde ist als Diagnose der Verdacht auf eine undislozierte distale Radiusfraktur vom 2. Juni 2020 festgehalten. Weitere Verletzungen werden nicht aufgeführt (Urk. 8/1). Demgegenüber differenziert der Austrittsbericht vom
19. Juni 2020 zwischen der Diagnose HWS Distorsion Grad 2 (Schleudertrauma) sowie BWS- und Thoraxkontusion (Brustkorbprellung), wobei diese Verletzungen unter dem Titel Verkehrsunfall vom 16. Juni 2020 aufgeführt werden, und dem Verdacht auf undislozierte distale Radiusfraktur rechts vom 2. Juni 2020 sowie dem Verdacht auf eine symptomatische Ovarialzyste. Weiter wird unter Verlauf aufgeführt, dass es sich um eine notfallmässige Rettungsdienstzuweisung nach Verkehrsunfall handelte. Die Patientin sei am 16. Juni 2020 am Nachmittag/Abend mit dem PKW nach Hause gefahren und dabei auf der Autobahn mit ca. 80 km/h von einem Lastwagen hinten rechts touchiert worden, wobei sich ihr Auto quer vor den Lastwagen gestellt habe. Sodann wird festgestellt, dass gemäss Privatklägerin keine Bewusstlosigkeit, keine Kopfschmerzen und keine Übelkeit vorgelegen hätten, sie jedoch Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule gehabt habe (Urk. 8/4 S. 1). Der Umstand, dass der Bericht vom 12. Juni 2020 kein Schleudertrauma und keine Brustkorbprellung aufführen, diese jedoch im späteren Bericht als Folge des Verkehrsunfall diagnostiziert wurden (Urk. 8/4
S. 1), spricht klar dafür, dass diese Verletzungen auch tatsächlich aus der anklagegenständlichen Kollision herrühren und nicht ebenfalls vorbestehend waren. Hierfür spricht auch, dass das Verletzungsbild aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung mit einem Verkehrsunfall in Einklang gebracht werden kann. Es ist allgemein bekannt, dass ein Schleudertrauma durch plötzliche, ruckartige Beugung und Überstreckung des Kopfes infolge einer unerwarteten Krafteinwirkung entsteht. Eine solch unerwartete Krafteinwirkung wird üblicherweise bei einem heftigen Aufprall, wie bspw. der Kollision eines Fahrzeugs mit einer Leitplanke, ausgelöst. Auch lässt sich die Brustkorbprellung auf die getragene Sicherheitsgurte zurückführen. Darüber hinaus schilderte die Privatklägerin überzeugend, wie es
um ihre Wirbelsäule ganz heiss geworden sei und sie Schmerzen im Nacken- und Halsbereich gehabt habe (Urk. 6/1 S. 2). Die Privatklägerin behauptete entgegen der Verteidigung sodann nicht, sie sei bewusstlos geworden. Sie hielt lediglich fest, dass dies beinahe geschehen sei. Insofern stimmen ihre Angaben mit denje- nigen im Arztbericht vom 19. Juni 2020 überein. Somit lassen sich das Schleudertrauma und die Brustkorbprellung auf die Kollision vom 16. Juni 2020 zurückführen und sind als erstellt zu erachten.
5. Im Ergebnis ergibt die gesamthafte Würdigung aller relevanten Beweismittel
– insbesondere aufgrund der glaubhaften Aussagen des Zeugen – dass die Kollision bei Fahrt beider Unfallbeteiligter und aufgrund des Spurwechsels durch den Beschuldigten stattgefunden haben muss. Der Privatklägerin gelang es dabei nicht, durch Beschleunigung der Kollision auszuweichen. Wenngleich auch die Aussagen der Privatklägerin gewisse Ungereimtheiten aufweisen, erweist sich die Darstellung des Beschuldigten tendenziell als weniger glaubhaft und überzeugt nicht. Zwar wäre eine Kollision aufgrund eines Fahrstreifenwechsels der Privatklägerin theoretisch möglich. Diese theoretische Möglichkeit genügt jedoch nicht, die den Beschuldigten belastenden Momente auszuräumen. Entgegen der Vertei- digung liegt keine Aussage gegen Aussage-Situation vor, bei der eine deutlich höhere Validität der Aussagen der Privatklägerin erforderlich wäre. In vorliegender Konstellation werden die Aussagen der Privatklägerin zusätzlich durch die glaubhaften Aussagen eines unbeteiligten Dritten gestützt. Demnach bestehen keine Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt – mit Ausnahme des Speichenbruchs – so wie in der Anklage umschrieben, zugetragen hat.
Die Staatsanwaltschaft würdigte das Verhalten des Beschuldigten als fahrlässige Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB durch Verletzung der Verkehrsregel gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG (Urk. 19). Dem folgend sprach die Vorinstanz den Beschuldigten wegen fahrlässiger Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB schuldig (Urk. 52 S. 2). Die Verteidigung macht im Berufungsverfahren eine unrichtige Rechtsanwendung in Bezug auf die Fahrlässigkeit
durch die Vorinstanz geltend, wobei sie sich auf den Standpunkt stellt, dass sich aufgrund der im Recht liegenden Beweismittel kein Verstoss gegen Art. 34 Abs. 3 SVG erstellen lasse (Urk. 69 S. 10 f.).
Der einfachen fahrlässigen Körperverletzung macht sich schuldig, wer fahrlässig einen Menschen am Körper an der Gesundheit schädigt (Art. 125 Abs. 1 StGB). Dies setzt das unvorsätzliche Bewirken des tatbestandsmässigen Erfolgs der einfachen Körperverletzung, den Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Erfolg (natürliche Kausalität), die Missachtung einer Sorgfaltspflicht sowie die Relevanz der Sorgfaltspflichtverletzung für den Erfolgseintritt voraus (DONATSCH/ HEIMGARTNER/ISENRING/WEDER, StGB-Kommentar, 21. Aufl. 2022,
Art. 12 N 14 ff., Art. 123 N 1 ff.; DONATSCH/TAG, Strafrecht I – Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, § 31 f.).
Der tatbestandsmässige Erfolg liegt bei der fahrlässigen einfachen Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 123 StGB im Eintritt der Schädigung des Körpers der Gesundheit eines Menschen, wobei die Verletzung weder die Voraussetzungen von Art. 122 StGB (schwere Körperverletzung) noch diejenigen von Art. 126 StGB (Tätlichkeit) erfüllt. Das Gesetz verlangt eine gewisse minimale Beeinträchtigung der körperlichen gesundheitlichen Integrität, damit überhaupt erst von einer Tätlichkeit einer Körperverletzung gesprochen werden kann. Bloss vorübergehende, unwesentliche Störungen des Wohlbefindens geringfügige pathologische Veränderungen sind damit nicht ausreichend, um die Strafbarkeit zu begründen (NIGGLI/WIPRÄCHTIGER [HRSG.], Basler Kommentar StGB, 4. Aufl., Basel 2018, VorArt. 122 N 16 f.; STRATEN- WERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl., § 3 N 2 und N 7 f.).
Die Privatklägerin erlitt aufgrund des Unfalls nachweislich ein Schleudertrauma und eine Brustkorbprellung (vgl. E.III.5 vorstehend). Gemäss Austrittsbericht des Spital Limmattal war die Privatklägerin rund 2 Tage zur Überwachung hospitalisiert (Urk. 8/4 S. 1 f.). Sodann war sie vom 16. Juni 2020 bis 30. Juni 2020 aufgrund des Unfalls arbeitsunfähig und ihr wurde aufgrund des Schleudertraumas Physiotherapie verordnet (Urk. 8/4; 8/5; 8/7). Gemäss ihren eigenen Angaben hatte sie aufgrund ihrer Verletzungen Schmerzen im Hals- und Nackenbereich und erlitt eine Verschiebung des Brustbeins sowie eine Entzündung im Hirn. Sie gab zudem zu Protokoll, ununterbrochen Schmerzen im Hinterkopf zu haben. Zum Zeitpunkt ihrer staatsanwaltschaftlichen Einvernahme befand sie sich sodann noch in Physiotherapie (Urk. 6/1 S. 4 f. F/A 30; Urk. 6/2 S. 3 F/A 15). Die von der Privatklägerin erlittenen Verletzungen stellen damit keine nur harmlose und lediglich das gesellschaftlich tolerierte Mass übersteigende Einwirkung auf den Körper dar, sondern sind als Schädigung des Körpers im Sinne von Art. 123 StGB zu qualifizieren.
Gemäss Art. 12 Abs. 3 StGB handelt fahrlässig, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt darauf keine Rücksicht nimmt. Im Strassenverkehr richtet sich der Umfang der zu beachtenden Sorgfalt nach dem Strassenverkehrsgesetz und den dazu gehörenden Verord- nungen. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die Übertretung einer solchen Vorschrift – bei Eintritt eines entsprechenden tatbestandsmässigen Erfolgs – regelmässig auch eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB dar (BGE 116 IV 306 E. 1a). Als Grundregel gilt, dass sich jede Person im Verkehr so verhalten muss, dass sie andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG).
Dem Beschuldigten wird vorliegend vorgeworfen, bei seinem Fahrstreifenwechsel unabsichtlich, aber krass pflichtwidrig im Sinne von Art. 34 Abs. 3 SVG die rechts neben ihm fahrende Privatklägerin übersehen zu haben, da er sich nicht genügend über die Aussenspiegel vergewissert habe, dass sich kein Fahrzeug neben ihm befand.
Gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG hat der Fahrzeugführer, der seine Fahrrichtung ändern will, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, auf den Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. Ein Fahrspurwechsel ist nicht erst bei einer Gefährdung, son- dern bereits bei einer Behinderung des übrigen Verkehrs untersagt. Derjenige, der sein Fahrzeug in den Verkehr einfügen, wenden rückwärts fahren will,
darf andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben den Vortritt (Art. 36 Abs. 4 SVG; vgl. Art. 14 Abs. 1 VRV). Entsprechendes gilt beim Wechseln des Fahrstreifens. Wer diesen ändern will, ist vortrittsbelastet (Urteile des Bundesgerichts 6B_1190/2019 vom 11. Februar 2020, 6B_735/2020 vom 18. August 2021
E. 3.2.2., 1C_403/2016 vom 27. März 2017 E. 2.1, 6B_453/2012 vom 19. Februar
2013 E. 2.2.1 und 6B_10/2011 vom 29. März 2011 E. 2.2.1 mit Hinweis).
Der Beschuldigte hat gemäss erstelltem Sachverhalt einen Fahrstreifenwechsel vollzogen, wobei er gegenüber dem rechten Fahrstreifen vortrittsbelastet war. Ein Spurwechsel darf erst vorgenommen werden, wenn alle Vorkehren getroffen wur- den, um den sich daraus ergebenden Gefahren begegnen zu können. Bei einer Situation wie der vorliegenden muss der Fahrzeuglenker durch aufmerksame Beobachtung des rückseitigen Verkehrs die Gewissheit erlangen, dass er nicht mit einem andern Verkehrsteilnehmer kollidieren könnte. Der Beschuldigte übersah offensichtlich den auf der rechten Fahrspur fahrende vortrittsberechtigte BMW der Privatklägerin. Dies obwohl er ausführte, die erforderlichen Kontrollblicke gemacht zu haben (vgl. Urk. 5/1 S. 1 F/A 14; S. 2 F/A 18; Prot. I S. 11). Er hätte, wie auch die Unfallrekonstruktion gezeigt hat, bei der erforderlichen Aufmerksamkeit und genügender Rücksichtnahme auf nachfolgende Fahrzeuge vor dem Fahrstreifenwechsel die neben ihm fahrende Privatklägerin gesehen. Gerade diesem Bereich, der nicht ohne weiteres überblickbar ist, hätte er besondere Aufmerksamkeit schenken müssen (Phänomen des sichttoten Winkels; vgl. auch BGE 143 IV 138
E. 2.2.2.; 127 IV 34 E. 2b; Urteile des Bundesgerichts 1C_32/2011 vom 4. Juli 2011 E. 2.1; 6B_443/2013 vom 18. Dezember 2013 E. 3.4, je mit Hinweisen). Dieser Pflicht kam er aber offenbar nur ungenügend nach, ansonsten er die Privatklägerin hätte sehen können und müssen. In der Folge schnitt er der korrekt auf der rechten Fahrspur fahrenden Privatklägerin den Weg ab, was schliesslich zur Kollision führte. Dies stellt im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB eine Sorgfaltspflichtwidrigkeit dar, womit diese Voraussetzung des Tatbestandes erfüllt ist.
Nicht jedes sorgfaltspflichtwidrige Verhalten ist der beschuldigten Person auch tatsächlich im konkreten Fall anzulasten. Vielmehr muss ein Zusammenhang zwischen der objektiv gegebenen Sorgfaltspflichtwidrigkeit und dem Deliktserfolg bestehen. Zu prüfen sind dabei die Vorhersehbarkeit, die Vermeidbarkeit sowie der Schutzzweck der Norm, die verletzt wurde (vgl. DONATSCH/TAG, Strafrecht I – Verbrechenslehre, a.a.O., S. 339 ff., 351 ff.; Urteil des Bundesgerichts 6B_250/2012 E. 3.2.1). Ein (pflichtwidriges) Verhalten ist im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetrete- ne Erfolg entfiele. Dieses Verhalten braucht nicht die alleinige unmittelbare Ursache des Erfolgs zu sein. Mit dieser Bedingungsformel (conditio sine qua non) wird ein hypothetischer Kausalzusammenhang untersucht und dabei geprüft, was beim Weglassen bestimmter Tatsachen geschehen wäre. Ein solchermassen vermuteter natürlicher Kausalverlauf lässt sich nicht mit Gewissheit beweisen, weshalb es genügt, wenn das Verhalten des Täters mindestens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Ursache des Erfolgs bildete (Urteil des Bundesgericht 1B_322/2017 vom
24. August 2017 E. 2.5; BGE 135 IV 56 E. 2.1f.; BGE 130 IV 7 E. 3.2; BGE 121 IV
286 E. 3; BGE 116 IV 306 E. 2a mit Hinweisen). Für die Bedingungsoder Äquivalenztheorie sind alle Bedingungen, die überhaupt zum Eintritt des Erfolgs beitragen, gleichwertig (Urteile des Bundesgerichts 6B_885/2013 vom 24. März 2014 E. 2.6; 6B_461/2012 vom 6. Mai 2013 E. 5.4; 6B_183/2010 vom 23. April 2010
E. 3). Massgebend für die objektive Zurechnung ist, dass der jeweilige Beschuldigte durch sein Verhalten eine Bedingung für den konkreten Erfolg gesetzt hat (BGE 135 IV 56 E. 3.1.2).
Zunächst ist zu prüfen, ob der zum Erfolg führende Geschehensverlauf angesichts der konkreten Umstände in seinen wesentlichen Zügen für den Beschul- digten voraussehbar war, d.h. ob für ihn voraussehbar war, dass der Fahrstreifenwechsel zu einer Kollision mit einem Personenwagen mit Verletzungsfolgen führen konnte. Dabei muss in Beachtung der massgeblichen Adäquanz das fragliche Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens den eingetretenen Erfolg herbeizuführen mindestens zu begünstigen. Das Verhalten der beschuldigten Person braucht dabei nicht die einzige unmittelbare Ursache der Schädigung zu sein. Die Voraussehbarkeit wird nur dann verneint, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände wie das Mitverschulden eines Dritten als Mitursachen hinzutreten, mit denen die beschuldigte
Person schlechthin nicht rechnen musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren – namentlich das Verhalten des jeweiligen Beschuldigten – in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1; 130 IV 7
E. 3.2.; vgl. DONATSCH/TAG, Strafrecht I – Verbrechenslehre, a.a.O., S. 352 ff.).
Ein Fahrstreifenwechsel ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den allgemeinen Erfahrungen des Lebens geeignet, zu einem Verkehrsunfall mit den wie von der Privatklägerin erlittenen Verletzungen zu führen. Irgendwelche mitverursachenden Faktoren, namentlich solche, die das Verhalten des Beschul- digten in den Hintergrund drängen (BGE 129 IV 284 f. E. 2.1) den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrechen würden, sind nicht erkennbar. Namentlich ist ein verkehrsregeldwidriges Verhalten der Privatklägerin nicht ersichtlich, womit der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem sorgfaltspflichtwidrigen Han- deln des Beschuldigten und den Verletzungen der Privatklägerin gegeben ist. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Privatklägerin das Lenken eines Fahrzeugs mit einem Unterarmgips nicht erlaubt war (vgl. Urk. 69 S. 7), würde sich dies nicht auf das Verschulden des Beschuldigten auswirken. Das Strafrecht kennt keine Verschuldenskompensation (Urteil 6B_826/2011 vom 13. April 2012
E. 2.4). Darüber hinaus schilderte der Zeuge nichts, was auf eine auffällige Fahrweise einen Kontrollverlust der Privatklägerin hindeuten würde. Ein Fahrspurwechsel zählt zu den riskanten Fahrmanövern im Strassenverkehr. Gerade auf einer Autobahn birgt ein solcher aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeiten ein erhebliches Risiko. Es ist immer damit zu rechnen und daher besonders darauf zu achten, ob sich auf einer parallel verlaufenden Fahrspur ein anderes Fahrzeug befindet. Der Beschuldigte hätte aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten als Lastwagenchauffeur, der berufsmässig fährt und regelmässig Fahrstreifenwechsel vorzunehmen hat, voraussehen können, dass er durch sein Fahrmanöver einen Unfall verursachen und andere Verkehrsteilnehmer gefährden bzw. verletzen könnte.
2.4. Der Erfolg wäre vermeidbar gewesen, wenn er nach dem hypothetischen Kausalverlauf bei pflichtgemässem Verhalten des Beschuldigten ausgeblieben
wäre (Urteil 6B_250/2012 vom 1. November 2012 E. 3.2.1; BGE 130 IV 7 E. 3.2.; 127 IV 34 E. 2a), beziehungsweise wenn dieser grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, durch sein Verhalten den Eintritt des voraussehbaren Erfolgs zu vermeiden (DONATSCH/TAG, Strafrecht I – Verbrechenslehre, a.a.O., S. 364 f.).
Der Beschuldigte hat sich wie erwähnt nicht zumindest nur ungenügend vor dem Fahrstreifenwechsel vergewissert, ob er diesen gefahrlos durchführen kann und schenkte dem nachfolgenden Verkehr zu wenig Aufmerksamkeit. Wenn sich der Beschuldigte (im Sinne einer Prüfung des hypothetischen Kausalverlaufes) verkehrsregelkonform verhalten und im fraglichen Zeitpunkt vom Spurwechsel abgesehen hätte (weil er die Privatklägerin bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit bemerkt hätte), wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Kollision und zu den Verletzungen der Privatklägerin gekommen. Diese wären also vermeidbar gewesen. Somit steht ausser Zweifel, dass sich bei pflichtgemässem und regelkonformem Verhalten des Beschuldigten die Kollision und damit die Verletzungen des Privatklägerin vollständig hätten vermeiden lassen.
Das Verhalten des Beschuldigten, mithin seine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit war (adäquat) kausal für die Kollision mit der Privatklägerin und ihren daraus resultierenden Verletzungen. Dabei war der Unfall und damit einhergehend die Körperverletzung für ihn (grundsätzlich) voraussehbar und vermeidbar. Demnach ist sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB erfüllt. Mangels Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründen ist der Beschuldigte entsprechend schuldig zu sprechen. Ein zusätzlicher Schuldspruch wegen einer Verkehrsregelverletzung kommt mangels im Anklagesacherhalt umschriebener konkreter Gefährdung weiterer Menschen nicht Betracht (Urk. 52 S. 25).
Für die fahrlässige Körperverletzung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren eine Geldstrafe von drei bis maximal 180 Tagessätzen vor (Art. 125 Abs. 1 StGB und Art. 34 Abs. 1 StGB). Die Vorinstanz sprach eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.– aus. Da der Beschuldigte keine Vorstrafen
aufweist und das Tatverschulden, wie noch aufzuzeigen sein wird, im untersten Bereich liegt, erweist sich die Sanktionsart der Geldstrafe als angemessen. Die Ausfällung einer schärferen Sanktionsart kommt aufgrund des Verschlechterungsverbots gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO indessen ohnehin nicht in Betracht.
Für die mehrfache Übertretung der Chauffeurverordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 ARV i.V.m. Art. 8 Abs. 3 ARV ist eine Busse auszusprechen.
Die Strafe ist grundsätzlich innerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehenen ordentlichen Strafrahmens der anzuwendenden Strafbestimmung festzusetzen. Dieser kann zwar entsprechend der Regelung der Art. 47 ff. StGB nach oben bzw. nach unten erweitert werden, dies jedoch nur, wenn aussergewöhnliche Umstän- de vorliegen (BGE 136 IV 55 E. 5.3.), welche vorliegend nicht gegeben sind. In- nerhalb des Strafrahmens ist die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei sein Vorleben und seine persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf sein Leben zu berücksichtigen sind (Art. 47 Abs. 1 StGB; vgl. zu den Einzelheiten BGE 123 IV 49 E. 2, BGE 136 IV 55 E. 5.3.).
Hinsichtlich der objektiven Tatschwere ist festzuhalten, dass die Sorgfaltspflichtverletzung des Beschuldigten zur Kollision mit einem Personenwagen führte. Der Beschuldigte, welcher berufsmässig täglich als Lastwagenchauffeur unterwegs ist, missachtete eine elementare Verkehrsregel, welcher erhebliche Be- deutung zukommt und deren Missachtung gerade auf Autobahnen häufig zu schweren Unfällen führt. Für ihn als Lastwagenchauffeur gelten erhöhte Anforderungen, da ein Lastwagen auch eine grössere Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Aufgrund der verhältnismässig hohen Geschwindigkeit zeigt sich denn auch ein deutliches Schadensbild an den beteiligten Fahrzeugen, welches auf einen recht heftigen Zusammenstoss hinweist. Das Fahrzeug der Privatklägerin wurde über mehrere Meter vor dem LKW hergeschoben und geriet schlussendlich in die Mittelleitplanke. Dabei erlitt die Privatklägerin ein Schleudertrauma und eine Brustkorbprellung, was zu einem zweitägigen Spitalaufenthalt, Schmerzen und einer rund zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit führte. Zudem war eine länger andauernde Physiotherapie erforderlich. Die Verletzungen waren damit durchaus beachtlich, innerhalb sämtlicher bei diesem Delikt denkbaren Beeinträchtigungen jedoch nicht sehr gravierend. Es war sodann reines Glück, dass die Privatklägerin nicht noch erheblicher verletzt wurde und keine weiteren Verkehrsteilnehmer betroffen waren. Wie die Vorinstanz jedoch zutreffend ausführte, ist ihm lediglich eine ganz kurze Unaufmerksamkeit vorzuwerfen (Urk. 52 S. 27). Dass er sich im Übrigen verkehrsregelkonform verhielt und ein normales Fahrverhalten an den Tag legte (vgl. Urk. 52 S. 27), ist neutral zu werten. Zu seinen Gunsten ist zu gewichten, dass er seine ganze Professionalität einsetzte, um Schlimmeres zu verhindern. So konnte er mit seiner bedachten Reaktion (das langsame Bremsen) verhindern, dass es zu grösseren Schäden kam. Objektiv ist das Verschulden des Beschuldigten als leicht zu qualifizieren.
Bei der subjektiven Tatschwere ist zu beachten, dass der Beschuldigte unbewusst fahrlässig handelte und die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung nicht bedachte. Es liegen sodann keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er etwa in bewusster Kenntnis der Gefahr auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut hat. Den- noch wäre es von ihm als Berufschauffeur und Lenker eines Lastwagens mit Anhänger zu erwarten gewesen, sich vor dem Fahrspurwechsel die Gewissheit zu verschaffen, dass er dadurch keinen anderen Verkehrsteilnehmer behinderte gefährdet, wodurch der Unfall hätte vermieden werden können. Die subjektiven Tatkomponenten vermögen das objektive Tatverschulden insgesamt leicht zu re- duzieren. Die Einsatzstrafe ist entsprechend auf 60 Tagessätze Geldstrafe anzusetzen.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten ist bekannt, dass er am tt. Juli 1970 im D. [Staat in Europa] geboren wurde, dort bei seinen Eltern und mit seinen (Stief-)Geschwistern aufwuchs und 1996 in die Schweiz übersiedelte. Er ist im Besitz der Aufenthaltsbewilligung C. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit nunmehr 6 Jahren arbeitet er als Chauffeur und ist derzeit bei der E. angestellt. Sein monatliches Nettoeinkommen bei einem Beschäftigungsgrad von 100% beträgt rund Fr. 5'700.– zzgl. 13. Monatslohn. Seine Ehefrau erzielt monatlich ein Einkommen von ca. Fr. 4'000.–. Zwei seiner drei Kinder (Jahrgang 2000, 2002 und 2004) sind in der Lehre, während eine Tochter bereits Vollzeit arbeitstätig ist. Alle Kinder wohnen noch bei ihm zuhause. Er muss monatlich Fr. 1'600.– bis Fr. 1'800.– Miete bezahlen und Fr. 600.– bis Fr. 700.– an Krankenkassenprämien, wobei davon auch die Prämien seiner Ehefrau und sei- ner Kinder erfasst sind. An Steuern zahlt er rund Fr. 480.– bis Fr. 500.– pro Mo- nat. Abgesehen von einem Mercedes S Klasse weist er kein Vermögen auf, hat hingegen Schulden in der Höhe von maximal Fr. 20'000.–, die er in monatlichen Raten von Fr. 200.– abbezahlt (Urk. 5/2 S. 5 f.; Prot. I S. 8; Urk. 60; Prot. II
S. 6 ff.). Aus dem Werdegang und den persönlichen Verhältnissen des Beschul- digten lassen sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren ableiten.
Der Beschuldigte weist keine Vorstrafen auf (Urk. 53) und ist nicht gestän- dig. Zu seinen Ungunsten spräche grundsätzlich, dass er einen etwas getrübten Leumund im Strassenverkehr aufweist, wobei die Führerausweisentzüge schon sehr lange zurückliegen. Im Jahr 2018 musste er sodann noch wegen mangeln- der Betriebssicherheit seines Fahrzeugs verwarnt werden (Urk. 15/4). Die Täterkomponenten wirken sich insgesamt gerade noch strafzumessungsneutral aus.
Für das heute zu beurteilende Delikt würde sich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen als gerechtfertigt erweisen. Dem steht jedoch das Verschlechterungsverbot entgegen, weshalb es bei der vorinstanzlich ausgesprochenen Geldstrafe von 30 Tagessätzen bleibt.
Das Bundesgericht hat die Kriterien für die Bemessung der Geldstrafe in einem Grundsatzentscheid festgehalten (BGE 134 IV 60). Es bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB). Der Tagessatz soll dem Teil des täglichen wirtschaftlichen Einkommens des Beschuldigten entsprechen, auf den er nicht zwingend angewiesen ist. Ausgangspunkt für die Bemessung bildet das Einkommen, das dem Täter durchschnittlich an einem Tag zufliesst, ganz gleich, aus welcher Quelle die Einkünfte stammen. Denn massgebend ist die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (BGE 134 IV 60 E. 6.1). Zum Einkommen zählen ausser den Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit namentlich die Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, aus der Land- und Forstwirtschaft
und aus dem Vermögen (Miet- und Pachtzinsen, Kapitalzinsen, Dividenden usw.), ferner privat- und öffentlichrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge, Renten, Sozialversicherungs- und Sozialhilfeleistungen sowie Naturaleinkünfte. Was gesetzlich geschuldet ist dem Täter wirtschaftlich nicht zufliesst, ist abzuziehen, so die laufenden Steuern, die Beiträge an die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung sowie die notwendigen Berufsauslagen bzw. bei Selbständigerwerbenden die branchenüblichen Geschäftsunkosten (BGE 134 IV 60 E. 6.1). Ein Tagessatz beträgt gemäss Art. 34 Abs. 1 StGB in der Regel min- destens Fr. 30.– und höchstens Fr. 3'000.–. Ausnahmsweise, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten, kann der Tagessatz bis auf Fr. 10.– gesenkt werden. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Urteilszeitpunkt. Damit ist das Urteil der letzten Tatsacheninstanz gemeint, d.h. jene Instanz, vor welcher neue Tatsachen noch berücksichtigt werden können. Ist die Tagessatzhöhe im Rechtsmittelverfahren neu festzusetzen, so ist somit der Zeitpunkt des Rechtsmittelurteils massgebend (NIGGLI/WIPRÄCHTIGER [HRSG.], Basler Kommentar StGB, 4. Aufl., Basel 2018, Art. 34 N 50).
In Anbetracht der vorstehend dargelegten finanziellen Verhältnisse rechtfertigt es sich, die Höhe des Tagessatzes auf Fr. 80.– festzusetzen.
Die von der Vorinstanz für die Übertretungen festgesetzte Busse von
Fr. 300.– erweist sich auch unter Berücksichtigung der aktuellen finanziellen Verhältnissen als seinem Verschulden angemessen und ist zu bestätigen.
Die Vorinstanz gewährte dem Beschuldigten hinsichtlich der Geldstrafe den bedingten Vollzug und legte die Probezeit auf 2 Jahre fest (vgl. Urk 52 S. 30). Diese Beurteilung ist im Lichte der gesetzlichen Bestimmung von Art. 42 Abs. 1 und 2 StGB nicht zu beanstanden, zumal dem Beschuldigten innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Tat keine Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten auferlegt wor- den ist. Umstände, die für eine eigentlich Schlechtprognose sprechen, liegen trotz des etwas getrübten Leumunds im Strassenverkehr nicht vor. Entsprechend ist der Vollzug der Geldstrafe in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils aufzu-
schieben und die Probezeit für den nicht vorbestraften Beschuldigten auf 2 Jahre festzusetzen. Die Busse ist zu bezahlen (Art. 105 Abs. 1 StGB).
Ausgangsgemäss ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffer
7) zu bestätigen.
Im Berufungsverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Mit dem heutigen Urteil unterliegt der Beschuldigte vollumfänglich. Ihm sind daher die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Bei diesem Verfahrensausgang besteht kein Raum für eine Prozessentschädigung an den Beschuldigten.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 4. Abteilung - Einzelgericht, vom 7. Mai 2021 hinsichtlich der Dispositivziffern 1, 2. Spiegelsprich (Schuldspruch betreffend mehrfache Übertretung der Chauffeurverordnung), 5 (Abweisung Entschädigung unentgeltliche Vertretung der Privatklägerin) und 6 (Entscheidgebühr) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist ferner schuldig der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 80.– und einer Busse von Fr. 300.–.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Die Zivilforderungen der Privatklägerin werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 7) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.–.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis
die Privatklägerschaft
(Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich, PIN 3
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 3. Juni 2022
Die Präsidentin:
Oberrichterin lic. iur. Schärer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Meier
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missacht
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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