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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB210472
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210472 vom 18.05.2022 (ZH)
Datum:18.05.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Qualifizierte einfache Körperverletzung etc.
Schlagwörter : Schuldig; Privatkläger; Beschuldigte; Gerin; Privatklägerin; Beschuldigten; Teidigung; Verteidigung; Staat; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Recht; Vorinstanz; Kantons; Prot; Urteil; Amtlich; Perverletzung; Körperverletzung; Berufung; Amtliche; Untersuchung; Privatklägers; Verfahren; Einvernahme; Freiheitsstrafe; Brecheisen; Einfache; Sinne
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 123 StGB ; Art. 126 StGB ; Art. 131 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 138 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 159 StGB ; Art. 186 StGB ; Art. 257 StPO ; Art. 307 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 350 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 53 StGB ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:131 IV 94; 135 IV 12; 136 IV 41; 137 I 16; 143 IV 397; 147 IV 241;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210472-O/U/nm

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Wenker, Präsident, Ersatzoberrichterin lic. iur.

Keller und Ersatzoberrichter Dr. iur. Bezgovsek sowie Gerichts- schreiber MLaw Huter

Urteil vom 18. Mai 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. Eberle,

Anklägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin betreffend qualifizierte einfache Körperverletzung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 21. April 2021 (DG200018)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 6. Juli 2020 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Das Verfahren betreffend den Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB wird definitiv eingestellt.

  2. Der Beschuldigte A.

    ist schuldig

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, wovon 3 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind, sowie mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.– (entsprechend Fr. 2'700.–) und einer Busse von Fr. 1'000.–.

  4. Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

    Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  5. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber der Privatklägerin 2 für die verurteilten Delikte dem Grundsatz nach schadenersatzpflichtig ist. Zudem wird der Beschuldigte verpflichtet, der Privatklägerin 2 eine Genug- tuung von Fr. 1'000.– zuzüglich 5 % Zins ab 23. September 2019 zu bezah- len.

  6. Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom

    12. Juni 2020 beschlagnahmte und bei der Kantonspolizei Zürich,

    Asservats-Triage, lagernde Brecheisen (A013'040'738) wird eingezogen und der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung überlassen.

  7. Es wird gegenüber dem Beschuldigten die Abnahme einer DNA-Probe und die Erstellung eines DNA-Profiles im Sinne von Art. 5 des DNA-Profil- Gesetzes angeordnet.

    Der Vollzugsauftrag wird der Kantonspolizei Zürich erteilt.

    Der Beschuldigte wird verpflichtet, sich innert 30 Tagen ab Eintritt der Rechtskraft des Urteils bei der Kantonspolizei Zürich, Erkennungsdienst, Kasernenstrasse 29, 8004 Zürich, zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit Wangenschleimhautabnahmen zu melden.

  8. Die Begehren des Beschuldigten um Zusprechung einer Genugtuung und um Zusprechung einer Umtriebsentschädigung werden abgewiesen.

  9. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 3'600.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'860.00 Gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 24'888.50 Kosten amtliche Verteidigung

    (inkl. MwSt. und Barauslagen)

    Fr. 60.00 Gutachten B. betr. Privatkläger 1

    Fr. 11'410.80 Kosten unentgeltliche Rechtsvertretung der

    Privatklägerin 2

    Fr. 41'819.30 Total

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.

  10. Die Kosten des Vorverfahrens (Gebühr Vorverfahren, Auslagen) und des ge- richtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung

und der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 2, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der un- entgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 2 werden indessen einst- weilen auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachforderung dieser Kosten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO und Art. 138 Abs. 1 StPO bleibt vorbehalten..

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 51 S. 3; Urk. 66 S. 3 & 30)

    1. Es sei der Beschuldigte der mehrfachen qualifizierten einfachen Kör- perverletzung i.S.v. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 2 Abs. 2 StGB sowie der Tätlichkeiten i.S.v. Art. 126 Abs. 1 StGB nicht schuldig zu er- kennen und freizusprechen.

    2. Es sei die Zivilklage der Privatklägerin 2 abzuweisen.

    3. Es sei das Brecheisen, Asservat Nr. A013'040'738, einzuziehen und nach Eintritt der Rechtskraft zu vernichten.

    4. Es sei von der Abnahme einer DNA-Probe sowie der Erstellung eines DNA-Profils abzusehen.

    5. Es seien die Gerichtskosten sowie die Verfahrenskosten, einschliess- lich der Kosten der amtlichen Verteidigung, auf die Staatskasse zu nehmen.

    6. Es sei dem Beschuldigten zulasten der Staatskasse eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 1'000.– sowie eine Umtriebsentschädigung in der Höhe von Fr. 300.– zuzusprechen.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich: (Urk. 56 S. 2; Urk. 67 S. 1)

    1. Der Beschuldigte sei der mehrfachen qualifizierten einfachen Körper- verletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen;

    2. Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, wovon 3 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind, sowie mit einer Bus- se von Fr. 1'000.– zu bestrafen;

    3. Im Übrigen sei das Urteil der Vorinstanz zu bestätigen.

  3. Des Vertreters der Privatklägerin 2: (Urk. 68 S. 1)

    1. Es sei das vorinstanzliche Urteil in Bezug auf sämtliche, die Privatklä- gerin 2 betreffenden Dispositivziffern, namentlich die Ziffern 2, 5 und 10 zweiter Satz, zu bestätigen.

    2. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung gemäss Honorarnote seien auf die Staatskasse zu nehmen.

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte

    1. Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene Urteil des Bezirksge- richtes Winterthur vom 21. April 2021 meldete der Beschuldigte fristgerecht Beru- fung an (Urk. 40). Das begründete Urteil der Vorinstanz wurde ihm am 30. August

      2021 zugestellt (Urk.47), worauf er am 20. September 2021 die Berufungserklä- rung einreichte (Urk. 51).

    2. Mit Präsidialverfügung vom 27. September 2021 wurde den Privatklägern 1 und 2 sowie der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich (fortan Staatsanwalt- schaft) Frist zur allfälligen Erklärung einer Anschlussberufung angesetzt (Urk. 52).

    3. Mit Eingabe vom 5. Oktober 2021 erhob die Staatsanwaltschaft An- schlussberufung (Urk. 56). Die Privatklägerin 2 beantragte innert Frist Bestätigung des angefochtenen Urteils (Urk. 57), während sich der Privatkläger 1 nicht ver- nehmen liess.

    4. Am 9. September 2021 wurde ein Strafregisterauszug über den Beschul- digten eingeholt (Urk. 50). Zusätzlich reichte er am 29. November 2021 das Da- tenerfassungsblatt samt Beilagen ein (Urk. 62-63).

    5. Zur Berufungsverhandlung sind der Beschuldigte sowie sein amtlicher Ver- teidiger, Rechtsanwalt MLaw X. , Staatsanwalt lic. iur. Eberle sowie der un- entgeltliche Rechtsbeistand der Privatklägerin 2, Rechtsanwalt lic. iur. Y. , erschienen (Prot. II S. 4).

  2. Prozessuales

    1. Der Beschuldigte verlangt mit seiner Berufung einen vollumfänglichen Frei- spruch. Entsprechend sei auch die Zivilklage der Privatklägerin 2 abzuweisen und von der Abnahme einer DNA-Probe und der Erstellung eines DNA-Profils abzu- sehen. Die Kosten seien auf die Gerichtskasse zu nehmen und dem Beschuldig- ten sei eine Umtriebsentschädigung von Fr. 300.– und Genugtuung von Fr. 1'000.–auszurichten. Das Brecheisen sei demgegenüber – wie vorinstanzlich vor- gesehen – einzuziehen und zu vernichten (Urk. 51; Urk. 66 S. 3 und 30).

      Die Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die rechtliche Qualifikation des Körperverletzungsdelikts gegen die Privatklägerin 2 (Dispositiv- ziffer 2) und das Strafmass (Dispositivziffer 3; vgl. Urk. 56 und 67).

      Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils (nur) im Umfang der Anfechtung gehemmt. Es ist somit festzustellen, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 21. April 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Verfahrenseinstellung betreffend den Vorwurf des Hausfriedensbruchs), 6 (Einziehung Brecheisen) und 9 (Kostenfestsetzung) unangefochten blieb und in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist.

    2. Die Verteidigung rügt, die Vorinstanz habe das aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergebende Recht auf Beweis verletzt, indem es den Beweisan- trag auf Edition der Krankengeschichte des Privatklägers 1 beim Kantonsspital Winterthur abgewiesen habe. Im Berufungsverfahren wurde allerdings kein ent- sprechender Beweisantrag mehr gestellt (Urk. 51 S. 9; Urk. 66 S. 3 und 17). Nachdem gemäss Art. 399 Abs. 3 lit. c StPO mit der Berufungserklärung die Be- weisanträge zu stellen sind und darauf verzichtet wurde, erweisen sich die Aus- führungen der Verteidigung zum vorinstanzlichen Entscheid betreffend Abweisung des Beweisantrags als gegenstandslos.

    3. Die Verteidigung rügt weiter, die polizeilichen Einvernahmen des Privatklä- gers 1, der Privatklägerin 2 und von C. , allesamt durchgeführt am

      24. September 2019 (Urk. D1/3/1; Urk. D1/4/1; Urk. D1/5/1), seien unter Verlet- zung der Teilnahmerechte des Beschuldigten nach Art. 147 Abs. 1 StPO erhoben worden und dürften deshalb nicht zulasten des Beschuldigten verwertet werden. Die Teilnahmerechte seien jederzeit zu gewähren, auch bei polizeilichen Einver- nahmen. Im Übrigen sei das Strafverfahren zum Zeitpunkt der Einvernahmen be- reits eröffnet gewesen, da die Kantonspolizei die Staatsanwaltschaft davor infor- miert und mit ihr bereits das weitere Vorgehen abgesprochen habe (Urk. 66 Rz. 9 ff.; Prot. II S. 36 f.).

      Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebun- gen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einver- nommenen Personen Fragen zu stellen. Die Anwesenheit der Verteidigung bei polizeilichen Einvernahmen richtet sich nach Art. 159 StGB. Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöf- fentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen

      Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind weder die Parteien noch die Verteidigung zur Teilnahme berechtigt (BGer 6B_780/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 1.2 f., m.w.H.). Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn sie Zwangsmassnahmen anordnet. Da eine Vorladung als Zwangsmassnahme gilt, genügt es in aller Regel für die Eröffnung, wenn die Staatsanwaltschaft erste Untersuchungshandlungen selber vornimmt, namentlich die beschuldigte Person einvernimmt. Der Eröffnungsverfü- gung kommt mithin lediglich deklaratorische Wirkung zu (BGE 143 IV 397 E. 3.4.2; 141 IV 20 E. 1.1.4 mit Hinweisen; BGer 6B_1385/2019 vom 27. Februar 2020 E. 1.1). Soweit nicht eine Benachrichtigungspflicht besteht oder die Polizei nicht auf Zwangsmassnahmen angewiesen ist, entscheidet diese autonom über die Rapportierung an die Staatsanwaltschaft; sie kann darauf unter gewissen Vo- raussetzungen sogar ganz verzichten (Art. 307 Abs. 4 StPO). Die Staatsanwalt- schaft wird aber erst dann in die Lage versetzt, das Verfahren zu leiten, Weisun- gen zu erteilen oder gar den Fall an sich zu ziehen, wenn sie Kenntnis von Ermitt- lungen der Polizei erlangt. Kenntnis erhält sie in der Regel erst dann, wenn die Eröffnung einer Untersuchung (Art. 309 Abs. 1 StPO) ansteht und ihr die Polizei zu diesem Zweck Bericht erstattet hat. Staatsanwaltschaftliche Weisungen und Aufträge dürften somit vorwiegend erst im Zusammenhang mit oder nach der Er- öffnung der Untersuchung von Bedeutung sein. Geht aus polizeilichen Berichten oder privaten Strafanzeigen der Tatverdacht nicht deutlich hervor, kann die Staatsanwaltschaft die Unterlagen der Polizei zur Durchführung ergänzender Er- mittlungen überweisen (Art. 309 Abs. 2 StPO). Dieses Rückweisungsverfahren dient der Substantiierung oder näheren Abklärung des Sachverhalts; es soll Klar- heit darüber verschaffen, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Strafun- tersuchung gegeben sind oder nicht. Da die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet ist, sind die Bestimmungen über das polizeiliche Ermittlungs- verfahren anwendbar; insbesondere stehen den Parteien noch keine Teilnahme- rechte zu (OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl., Bern 2020, S. 554).

      Die Staatsanwaltschaft wurde gemäss Polizeirapport am 24. September 2019 um 05:27 Uhr erstmals informiert (Urk. D1/1/1), die Privatkläger 1 und 2 allerdings be- reits davor ab 01:45 Uhr und ab 03:03 Uhr einvernommen (Urk. D1/3/1; Urk. D1/4/1). Damit wurde mit den Einvernahmen der Privatkläger kein Teilnah-

      merecht verletzt. C.

      wurde erst am 24. September 2019 ab 10:10 Uhr

      (Urk. D1/5/1) und somit nach der Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft einvernommen. Die Einvernahme wurde zudem gemäss Polizeirapport von der

      Staatsanwaltschaft gewünscht (Urk. D1/1/1). C.

      wurde, obwohl sie eine

      der vier sich beim Vorfall im Zimmer befindlichen Personen war, davor noch nicht befragt, weshalb deren Einvernahme als Substantiierung bzw. insofern die nähere Abklärung des Sachverhalts geeignet war, um die Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts und die Prüfung der Eröffnung der Strafuntersuchung zu ermögli- chen. Auch der Umstand, dass die Kantonspolizei zuvor von den Beteiligten, mit Ausnahme des Beschuldigten, noch keine Strafanträge eingeholt hatte, ist als un- vollständige polizeiliche Ermittlungsarbeit einzuordnen. Unter diesen Umständen ist die Formulierung im Polizeirapport, wonach der Staatsanwalt die Befragung

      von C.

      und die Ergänzung der Strafanträge wünsche, im Weiteren aber

      durch den Transportstaatsanwalt über die Zuführung entschieden werde, so zu verstehen, dass die Staatsanwaltschaft der Kantonspolizei lediglich aufzeigte, in- wiefern ihr die polizeiliche Ermittlungsarbeit noch nicht abgeschlossen erschien und die Kantonspolizei die Übermittlung zu früh vorgenommen habe. Wesentlich ist weiter, dass die Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der polizeilichen Einver- nahme von C. noch keine selbständigen Untersuchungshandlungen vorge- nommen oder Zwangsmassnahmen angeordnet hatte. Unter diesen Umständen kann nicht von einer faktisch bereits eröffneten Untersuchung vor der Einvernah- me von C. ausgegangen werden. Damit liegt auch bei dieser Einvernahme keine Verletzung des Teilnahmerechts vor. Nachdem der Beschuldigte zudem im weiteren Verlauf der Untersuchung mit den Aussagen der Privatkläger und von C. konfrontiert worden ist, sind sie vollumfänglich verwertbar.

    4. Die Verteidigung bringt schliesslich vor, die Einvernahme des Beschuldig- ten vom 24. September 2019 sei nicht verwertbar, da gestützt auf die Darstellung des Privatklägers 1 zu diesem Zeitpunkt bereits von einem Fall notwendiger Ver-

      teidigung nach Art. 130 lit. b StPO hätte ausgegangen werden müssen. Der Beschuldigte sei aber ohne Anwesenheit einer Verteidigung einvernommen worden und habe auch nachträglich nicht auf eine Wiederholung verzichtet (Urk. 66 Rz. 14 ff.).

      Werden Beweise erhoben, bevor eine Verteidigung bestellt worden ist, obwohl die Verteidigung bereits erkennbar notwendig gewesen wäre, ist die Beweiserhebung nur gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet (Art. 131 Abs. 3 StPO). Die Verteidigung ist insbesondere notwendig, wenn der beschuldigten Person eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht (Art. 130 lit. b StPO). Die notwendige Verteidigung setzt allerdings gemäss Art. 131 Abs. 2 StPO erst nach der polizeilichen Vorermittlung ein, auch wenn sich diese auf eine Straftat richtet, für die grundsätzlich ein notwendiger Verteidiger eingesetzt wer- den muss. Damit besteht zwar ein Anspruch auf einen erbetenen oder unentgeltli- chen amtlichen Anwalt der ersten Stunde, nicht jedoch auf eine notwendige Ver- teidigung der ersten Stunde (BGer 1B_159/2022 vom 13. April 2022 E. 4.5.3).

      Damit durfte die erste Einvernahme des Beschuldigten am 24. September 2019 ohne notwendige Verteidigung durchgeführt werden. Unabhängig davon hatte die Polizei zum Zeitpunkt der Einvernahme des Beschuldigten auch noch keine Kenntnis von den Rippenbrüchen des Privatklägers 1, welche das Potential einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erkennen gegeben hätten. Die Einver- nahme des Beschuldigten vom 24. September 2019 erweist sich somit ebenfalls als vollumfänglich verwertbar.

  3. Sachverhaltserstellung

    1. Der Beschuldigte bestreitet die ihm in der Anklage vorgeworfenen Hand- lungen gegen Leib und Leben der beiden Privatkläger (Prot. I S. 15 ff.; Prot. II

      S. 14 ff.). Entsprechend ist zunächst zu prüfen, ob sich die in der Anklage ge- schilderten Handlungen des Beschuldigten anhand der vorliegenden Beweismittel rechtsgenügend erstellen lassen. Wie dabei vorzugehen ist, hat die Vorinstanz zutreffend dargelegt (Urk. 49 S. 7 f.), worauf vollumfänglich verwiesen werden kann (Art. 82 Abs. 4 StPO).

    2. Als Beweismittel liegen nebst verschiedenen Einvernahmen der vor Ort (zumindest zeitweise) Anwesenden (Urk. D1/2/1-4, Urk. D1/3/1; Urk. D1/4/1-2 und Urk. D1/5/1-3) die vom Privatkläger 1 während der Auseinandersetzung aufge- nommenen Film- bzw. Tonaufnahmen (Urk. D1/6/5), die durch die Polizei erstell- ten Fotografien (Urk. D1/6/1-4) sowie medizinische Unterlagen betreffend die bei- den Privatkläger (Urk. D1/7/1-14 und Urk. D1/8/1-3) vor.

    3. Mit der Vorinstanz ist im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaub- würdigkeit der Einvernommenen festzuhalten, dass vorliegend einzig der Zeuge D. als gänzlich neutral und unvoreingenommen erscheint (vgl. Urk. 49 S. 10 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Primär ist bei der Würdigung der Aussagen jedoch ohne- hin auf deren Inhalt bzw. die Glaubhaftigkeit des Gesagten abzustellen, während die allgemeine Glaubwürdigkeit der aussagenden Personen lediglich am Rande eine Rolle spielen kann.

    4. Die Vorinstanz hat die Aussagen der Befragten korrekt wiedergegeben bzw. zusammengefasst (Urk. 49 S. 11-16 und S. 25-28). Ebenso ist dem ange- fochtenen Urteil eine zutreffende Wiedergabe der Geschehnisse auf der Film- bzw. Tonaufnahme des Privatklägers 1 sowie eine Zusammenfassung der medi- zinischen Befunde der beiden Privatkläger zu entnehmen (Urk. 49 S. 17 ff. und S. 29). Hierauf kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO).

    5. Wie die Vorinstanz sodann im Rahmen der Beweiswürdigung zu Recht bemerkt hat, ist hinsichtlich der Aussagen des Beschuldigten auffällig, dass dieser seine Schilderung stetig abänderte und ausschmückte, was nicht für deren Glaubhaftigkeit spricht (Urk. 49 S. 17). Dieses Aussageverhalten zeigte sich auch anlässlich der Berufungsverhandlung, als er erstmals aussagte, der Privatkläger 1 habe nicht nur die alte Kruste im Gesicht aufgebrochen, er habe das Blut auch noch über sein ganzes Gesicht und sogar der Privatklägerin 2 angeschmiert (Prot. II S. 18 und 24 f.). Andererseits gab der Beschuldigte anlässlich der Beru- fungshandlung erstmals zu, er sei vielleicht ein bisschen emotional und genervt gewesen (Prot. II S. 19). Er habe einfach in das Zimmer gehen, dem Privatklä- ger 1 eine Lektion erteilen und diesem aufzeigen müssen, dass er nicht Leute mit einer Brechstange bedrohen könne (Prot. II S. 17). Der Beschuldigte gestand da-

      mit erstmals implizit ein, dass es ihm darum ging, autoritär und kompromisslos durchzugreifen. Dazu passt, dass er aussagte, er habe den Privatkläger 1 solan- ge fixiert, bis dieser ihm gehorchte und ruhig wurde, wofür er ihm gemäss seiner Darstellung ab und zu mal auch das Gefühl habe geben müssen, dass er ihm sehr weh machen würde, wenn er nicht aufhöre (Prot. II S. 20). Wesentlich ist aber insbesondere, dass seine Aussagen nicht mit der Tonaufnahme, welche während des ganzen Vorfalls (und noch lange danach) im Zimmer des Privatklä- gers 1 mitlief, in Übereinstimmung zu bringen sind. Entgegen der Ansicht der amt- lichen Verteidigung (Urk. 66 Rz. 59 ff.; Prot. II S. 35) lassen sich die Geschehnis- se im Zimmer des Privatklägers 1 sowie ausserhalb des Zimmers im Hörbereich aufgrund der Tonaufnahme einwandfrei mitverfolgen und – gerade vor dem Hin- tergrund der authentischen und grösstenteils deckungsgleichen Aussagen der Privatkläger (vgl. nachfolgende Ausführungen) – schlüssig interpretieren. Insbe- sondere ist auszuschliessen, dass der Beschuldigte im Zimmer des Privatklägers 1 auf der Tonaufnahme nicht wiedergegebene Ausführungen gemacht hat, nach- dem sogar die Äusserungen der Privatklägerin 2 von ausserhalb des Zimmers klar zu hören sind. Die Vorinstanz hat dies überzeugend dargelegt (Urk. 49 S. 17 f.). Auf ihre Erwägungen, wie auch auf den Schluss, dass die Aussagen des Beschuldigten nicht glaubhaft sind und hierauf für die Sachverhaltserstellung nicht abgestellt werden kann, kann vollumfänglich verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Auch die Aussagen der Zeugin C. , der Schwester des Beschuldig- ten, tragen zur Wahrheitsfindung nichts bei. Nicht nur deckt sich ihre Schilderung nicht mit der Tonaufnahme, sie ergibt teilweise auch inhaltlich kaum Sinn und vor allem fehlt es ihr auch an Deckungsgleichheit mit irgendeiner Schilderung der üb- rigen Beteiligten (vgl. hierzu die Vorinstanz, Urk. 49 S. 20).

      Wenn die Vorinstanz im weiteren festhält, dass die Aussagen des Privatklägers 1 im Wesentlichen widerspruchsfrei sind, mit der Tonaufnahme und den Aussagen der Privatklägerin 2 im Einklang stehen und auch durch den medizinischen Be- fund bestätigt werden (Urk. 49 S. 18 f.), ist auch diesen stringenten Ausführungen ohne Einschränkung beizupflichten. Insbesondere ist festzuhalten, dass die wi- dersprüchlichen Aussagen des Privatklägers 1 bezüglich des Umstands, ob er den ersten Schlag mit der Brechstange gesehen hat oder nicht, entgegen den

      Vorbringen der Verteidigung (Urk. 66 Rz. 50 ff.), nicht ernsthafte Zweifel begrün- den können, zumal es sich um ein dynamisches Geschehen innerhalb von Se- kundenbruchteilen handelte, als der Beschuldigte dem Privatkläger 1 die Brech- stange entriss und dieser sich zu schützen versuchte. Zu ergänzen bleibt im Zu- sammenhang mit dem Vorfall zum Nachteil des Privatklägers 1, dass aufgrund der Fotodokumentation ersichtlich ist, dass das Bett des Privatklägers nur am Fuss- und (vermutlich) Kopfende eine vorstehende Holzeinfassung aufweist, wel- che bei einem Sturz darüber geeignet wäre, allenfalls eine Verletzung nach sich zu ziehen. So wie das Bett aber im Raum platziert ist, ist es gar nicht möglich, derart auf das Bett zu fallen. Seitlich weist das Bett demgegenüber keine vorste- hende Abgrenzung auf, welche massgebliche Verletzungen bewirken könnte. Auch die Platzierung der (dick gepolsterten) Stühle im Raum lässt ein Darüber- auf-das-Bett-Stolpern, wie vom Beschuldigten einmal geschildert, als nicht nach- vollziehbar erscheinen (vgl. die Fotodokumentation Urk. D1/6/4). Soweit der Beschuldigte sodann weiter darauf beharrt, der Privatkläger 1 müsse sich die Rip- penfrakturen vor oder nach den Ereignissen vom 23. September 2019 zugezogen haben, da diese Verletzungen erst drei Tage später aktenkundig festgehalten sei- en (Urk. 51 S. 9; Prot. I S. 19; Urk. 66 Rz. 62 ff.; Prot. II S. 41), ist dem entgegen- zuhalten, dass direkt vor Ort durch die Rettungssanitäter zwar kein Behandlungs- bedarf festgestellt wurde (Urk. D1/1/1 S. 2), sich der Privatkläger 1 jedoch bereits am Folgetag und unter klarer Bezugnahme auf die Ereignisse vom Vortag um weitere ärztliche Abklärungen bemühte und dabei Rippenschmerzen diagnosti- ziert wurden (Urk. D1/7/3-4). Eine abschliessende Abklärung dieser Schmerzen durch Röntgen erfolgte indes damals nicht, was dazu führte, dass sich der Privat- kläger 1 aufgrund progredienter Schmerzen am 26. September 2019 bei der E. in Winterthur vorstellte, welche die Rippenfrakturen mittels Röntgenauf- nahmen diagnostizierte und eine stationäre Überweisung ins Kantonsspital Win- terthur veranlasste (Urk. D1/7/5). Dem medizinischen Bericht des Kantonsspitals Winterthur vom 25. Mai 2020 ist sodann zu entnehmen, dass sich der Privatkläger 1 ohne seine Polytoxikomanie – der Privatkläger 1 war im Tatzeitpunkt morphi- umsubstituiert (Urk. D1/7/9) – wahrscheinlich (noch) schneller um ärztliche Be- handlung bemüht hätte (Urk. D1/7/14 S. 2). Insgesamt verbleiben damit im Hinblick auf den Vorfall zum Nachteil des Privatklägers 1 keine Zweifel, dass der Beschuldigte dem Privatkläger 1 zunächst einen Faustschlag verpasste, wodurch dieser stürzte und gleichzeitig sein Mobiltelefon fallen liess, der Beschuldigte ihm sodann das Brecheisen entriss und damit mehrfach, ca. viermal, heftig gegen den Oberkörper des Privatklägers 1 schlug, wodurch dieser ein stumpfes Thoraxtraum mit Rippenserienfrakturen links und rechts erlitt. Die vom Beschuldigten in diesem Zusammenhang geltend gemachte Notwehrsituation lässt sich demgegenüber beweismässig nicht erhärten. Nicht nur ist den Bildaufnahmen des Privatklägers 1 nicht zu entnehmen, dass sich der Beschuldigte, ein routinierter Kampfsportler und mehrfacher …-box-…-meister, durch dessen Behändigung des Brecheisens irgendwie aus der Ruhe hätte bringen bzw. in Angst und Schrecken hätte verset- zen lassen (Urk. D1/6/5 solange Bildaufnahme noch läuft), vielmehr ergibt sich daraus auch zweifellos, dass die Behändigung des Brecheisens eine Reaktion des Privatklägers 1 darauf war, dass der Beschuldigte die mehrfache Aufforde- rung, das Zimmer zu verlassen, ignorierte und sich der Privatkläger 1 deswegen bedroht fühlte und die Privatklägerin 2 sich ängstigte (Urk. D1/6/5 ca. 0.20). An- lässlich der Berufungsverhandlung führte der Beschuldigte zudem aus, er habe keine Angst vor der Brechstange gehabt, da er aufgrund seiner Kampfsporterfah- rung genau gewusst habe, wie er dem Privatkläger 1 die Brechstange abnehmen konnte (Prot. II S. 17). Von irgendwelchen potentiellen Spritzen oder Messern im Raum (vgl. Prot. II S. 19 und 36) ging zudem keine unmittelbare Gefahr aus, zu- mal der Privatkläger 1 in diesem Moment bereits beide Hände brauchte, um die Brechstange und das Mobiltelefon zu halten. Selbst wenn aber eine Bedrohungs- situation für den Beschuldigten vorgelegen wäre, war die unmittelbare Gefahr – worauf die Vorinstanz zu Recht hinweist (Urk. 49 S. 24) - mit dem Entreissen des Brecheisens gebannt, die Situation damit nachhaltig entschärft und waren spätere Schläge mit Selbigem nicht mehr von einer Notwehrsituation gedeckt.

      Was den Vorfall zum Nachteil der Privatklägerin 2 angeht, ist aufgrund ihrer Aus- sagen (Urk. D1/4/1 S. 2 f.; Urk. D1/4/2 S. 9 und 15), welche vom Zeugen D. bestätigt werden (Urk. D1/5/3 S. 16 f.), als erstellt zu betrachten, dass der Beschuldigte die Privatklägerin 2 auf den Boden stiess und an den Haaren schleifte und ihr Fusstritte verpasste. Dieses hat sie überdies bereits kurz nach dem Vorfall

      dem Beschuldigten lautstark vorgeworfen, wie der Tonaufnahme zweifelsfrei ent- nommen werden kann (Urk. D1/6/5 ca. 04.01, 04.33, ca. 05.08/26 und ca. 09.44), und damit die Glaubhaftigkeit ihrer diesbezüglichen späteren Aussagen unter- mauert. Weiter wurde die Rissquetschwunde am rechten Handgelenk direkt nach dem Vorfall durch die Polizei fotografisch dokumentiert (Urk. D1/6/3). Gemäss dem Arztbericht des Kantonsspitals Winterthur vom 3. Oktober 2019 musste die Wunde mit einem Stich genäht werden (Urk. D1/8/3). Dass diese Wunde, welche zweifelsfrei im Rahmen der körperlichen Auseinandersetzung entstanden ist, durch den Beschuldigten mit einem Schlag mit dem Brecheisen verursacht wurde, kann anhand der vorliegenden Beweismittel allerdings mit der Verteidigung (Urk. 66 Rz. 81 ff.; Prot. II S. 34) nicht rechtsgenügend erstellt werden. Der Tonaufnahme ist ein derartiger Vorwurf nicht zu entnehmen. Allerdings wäre dies auch nicht zwingend, kann doch der erfolgte Vorwurf voll zäme gschlage worden zu sein (Urk. D1/6/5 04.01, 05.08/26) durchaus mehr als nur Faustschläge umfas- sen. Gewichtiger scheint jedoch, dass die Privatklägerin 2 den Einsatz des Brecheisens – trotz entsprechendem Nachfragen des Polizeibeamten – weder tatnah gegenüber der Polizei als ursächlich erklärte, obwohl sie das Brecheisen kurz zuvor in anderem Zusammenhang durchaus von sich aus ansprach (vgl. Urk. D1/4/1 S. 2 f.), noch bei der kurz darauf erfolgten Schilderung des Vorfalls im Kantonsspital Winterthur (Urk. D1/8/3 S. 1). Im entsprechenden Arztbericht ist vielmehr explizit erwähnt, dass unklar sei, woher die oberflächliche Schnittwunde genau stamme. Auch der Zeuge D. konnte nicht bestätigen, das Brecheisen in der Hand des Beschuldigten gesehen zu haben, als dieser die Privatklägerin 2 bei der Küche an den Haaren über den Boden zog (Urk. D1/5/3 S. 17). Das Vor- bringen der Staatsanwaltschaft, dass eine Rissquetschwunde am Handgelenk wie vorliegend praktisch nur mit einem harten Gegenstand und nicht mit einem Hand- schlag oder Fusstritt verursacht werden könne (Urk. 67 S. 4), lässt sich anhand der Akten nicht erhärten.

      Insgesamt ist damit festzuhalten, dass der Anklagesachverhalt grösstenteils er- stellt werden kann. Einzig daran, dass der Beschuldigte der Privatklägerin 2 die Armverletzung ebenfalls mit dem Brecheisen zugefügt hat, verbleiben rechtser- hebliche Zweifel. In Nachachtung von Art. 10 Abs. 3 StPO ist deshalb davon auszugehen, dass diese Verletzung zwar im Rahmen der tätlichen Auseinanderset- zung zwischen dem Beschuldigten und der Privatklägerin 2 entstanden ist, ihr aber nicht unter Einsatz des Brecheisens zugefügt wurde.

  4. Rechtliche Würdigung

    Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung (inkl. Ausführungen zur nicht bestehenden Notwehrsituation) kann grundsätzlich auf die zutreffenden Erwägungen der Vor- instanz verwiesen werden (Urk. 49 S. 21 ff. und S. 29 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der für einen Schuldspruch wegen einfacher Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 1 StGB, je begangen zum Nachteil der Privatklägerin 2, erforderliche Strafantrag liegt vor (Urk. D1/1/4). Bei der einfachen Körperverletzung zum Nachteil des Privatklä- gers 1, begangen mit einem gefährlichen Gegenstand (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB), handelt es sich demgegen- über um ein Offizialdelikt (vgl. Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB).

    Das vorinstanzliche Urteil ist allerdings in der Hinsicht zu korrigieren, dass der Beschuldigte zum Nachteil der Privatklägerin 2 nur der einfachen Körperverlet- zung, nicht aber der Tätlichkeit schuldig zu sprechen ist. Gewaltdelikte wie unter anderem eine einfache Körperverletzung konsumieren die bei deren Verübung begangenen Tätlichkeiten (BSK StGB-Roth/Keshelava, Art. 126 N 14). Mehrere Einzelhandlungen sind dabei rechtlich als Einheit (sog. natürliche Handlungsein- heit) anzusehen, wenn sie auf einem einheitlichen Willensakt beruhen und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs bei objektiver Betrachtung noch als ein einheitliches zusammengehörendes Geschehen erscheinen (BGE 131 IV 94 E. 2.4.5: z.B. eine Tracht Prügel). Die Rissquetschwunde hat der Beschuldigte der Privatklägerin 2 unmittelbar im Rahmen der Tätlichkeiten zugefügt, bzw. als sie nach ihren Worten voll zäme gschlage worden sei. Damit liegt eine natürliche Handlungseinheit vor und die Tätlichkeiten werden durch die einfache Körperverletzung konsumiert.

    Entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 51 S. 10 f.; Urk. 66 Rz. 125 ff.) hat hinsichtlich des Vorwurfs, auch gegenüber der Privatklägerin 2 eine qualifizierte

    einfache Körperverletzung begangen zu haben, kein Freispruch zu erfolgen. Zwar konnte ein Schlag mit dem Brecheisen nicht zweifelsfrei erstellt werden, was sich in der gegenüber der Anklage milderen rechtlichen Qualifikation niederschlägt. Dadurch wird der massgebliche Anklagesachverhalt jedoch weder ergänzt noch verlassen. Vielmehr bleibt diese Einschätzung, entgegen den Vorbringen der Ver- teidigung (Urk. 66 Rz. 127), innerhalb des zu beurteilenden Lebenssachverhalts (vgl. Art. 350 Abs. 1 StPO). Soweit der Beschuldigte den verlangten Freispruch damit begründet, dass dies auch bei den Kostenfolgen zu seinen Gunsten Aus- wirkungen habe (Urk. 51 S. 10 f.; Urk. 66 Rz. 129 ff.), ist ihm der Entscheid des Bundesgerichts 6B_1404/2020 vom 17. Januar 2022 (E. 2.6.5-6; zur Publikation vorgesehen) entgegenzuhalten, worin in ähnlicher Konstellation darauf hingewie- sen wird, dass explizite Teileinstellungsverfügungen, die nicht den gesamten Le- benssachverhalt, sondern lediglich einzelne erschwerende Tatvorwürfe umfass- ten, zwar möglich seien, jedoch derartige Teileinstellungen keine Entschädi- gungspflicht nach sich ziehen würden.

  5. Strafzumessung und Vollzug

    1. Die Vorinstanz hat die qualifizierte einfache Körperverletzung gegen den Privatkläger 1 mit einer Freiheitsstrafe und die einfache Körperverletzung gegen die Privatklägerin 2 mit einer Geldstrafe geahndet, ohne sich zur jeweiligen Wahl der Strafart zu äussern (Urk. 49 S. 31 ff.). Die Staatsanwaltschaft verlangt mit ih- rer Anschlussberufung für beide Delikte eine Gesamtfreiheitsstrafe (Urk. 56 S. 2 und Urk. 67 S. 1 und 6). Tatsächlich erscheint eine Geldstrafe angesichts ihrer Obergrenze von 180 Tagessätzen weder der Schwere der Verletzungen des Pri- vatklägers 1 noch dem gezeigten, aggressiven Verhalten des Beschuldigten an- gemessen, weshalb als schuldangemessen und auch mit Blick auf ihre spezial- präventive Wirkung einzig eine Freiheitsstrafe in Frage kommen kann (vgl. BGE 147 IV 241 = Pra 111 (2022) Nr. 17). Dies gilt vorliegend aber auch für das Delikt gegen die Privatklägerin 2, welches im Rahmen des selben Vorfalles und in quasi nahtloser Fortsetzung der Gewalttätigkeiten gegen den Privatkläger 1 begangen wurde, ohne dass ein eigentlicher Handlungsunterbruch ersichtlich wäre. Dass hier nicht zwei isolierte, separat und vor verschiedenem Hintergrund sich ereig-

      nende Taten zu beurteilen sind, kann bei der Wahl der Strafart nur dazu führen, dass beide Körperverletzungsdelikte einheitlich mit Freiheitsstrafe zu ahnen sind. Da keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Verlassen des ordentlichen Strafrahmens bedingen würden, wird diese Gesamtfreiheitsstrafe im Bereich der ordentlichen Strafandrohung von Art. 123 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jah- ren) festzusetzen sein (vgl. auch Art. 49 Abs. 1 StGB).

    2. Auszugehen ist bei der Strafzumessung vorliegend vom Delikt gegen den Privatkläger 1. Dieses richtete sich – zwangsläufig – gegen das höchste Rechts- gut, Leib und Leben, des Opfers. Der Privatkläger 1 erlitt dabei mehrere Rippen- brüche in Serie, wozu der Beschuldigte eine knapp ein Kilogramm schwere Brechstange als Schlaginstrument gegen den wehrlos am Boden oder auf dem Bett liegenden Privatkläger 1 einsetzte, obwohl er (der Beschuldigte) nur bereits schon aufgrund seiner Konstitution und Kampfsporterfahrung dem Privatkläger 1 körperlich deutlich überlegen war. Auch wenn schlimmere Verletzungen denkbar sind, handelt es sich bei den vorliegenden Rippenfrakturen keineswegs um Baga- tellen (vgl. hierzu auch den Arztbericht des Kantonsspitals Winterthur, welches von potentiell lebensbedrohlichen Verletzungen spricht, Urk. D1/7/14 S. 1). Dies zeigt sich auch daran, dass zu ihrer Behandlung ein zweitägiger stationärer Spi- talaufenthalt mit nachfolgender Schmerzmedikation nötig waren (Urk. D1/7/9). Der Beschuldigte liess sich zu seinen Taten spontan hinreissen. Nachdem der Beschuldigte heute aussagte, er habe dem Privatkläger 1 eine Lektion erteilen wol- len, ist allerdings von einer nicht unerheblichen kriminellen Energie auszugehen. Zudem war der Anlass nichtig und der Beschuldigte grundsätzlich gar nicht in ei- ner Position, in welcher es seine Aufgabe gewesen wäre, im Wohnheim des Pri- vatklägers 1 für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Auch wäre es ohne weiteres mög- lich gewesen, auf die wieder aufgebotene Polizei zu warten, welche sich noch- mals um die Ruhestörung gekümmert hätte. Subjektiv handelte der Beschuldigte vorsätzlich. Wenn die Vorinstanz hier insgesamt von nicht mehr leichtem Ver- schulden spricht, ist ihr beizupflichten. Ebenso, wenn sie die Einsatzstrafe – ver- schuldensangemessen – auf 12 Monate Freiheitsstrafe ansetzt (Urk. 49 S. 32 f.).

    3. Was die Körperverletzung der Privatklägerin 2 angeht, so erlitt sie mit der Rissquetschwunde am Arm, die mit einem Stich genäht werden musste, eine Ver- letzung am untersten Ende des möglichen Spektrums. Jedoch ist auch hier wenig nachvollziehbar, wie sich der Beschuldigte als ausgebildeter Kampfsportler zu ei- nem derartigen Verhalten gegenüber der – auch gemäss den Aussagen des Beschuldigten (Prot. II S. 23) – körperlich deutlich unterlegenen Privatklägerin 2 hin- reissen lassen konnte. Leicht verschuldensrelativierend ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte die Verletzung der Privatklägerin 2 wohl nur in Kauf ge- nommen hat. Insgesamt kann somit – mit der Vorinstanz – von leichtem Ver- schulden gesprochen werden. Bei Einzelbetrachtung erschiene eine Freiheitsstra- fe von 3 Monaten als verschuldensadäquat. Da die verschiedenen Einsatzstrafen aber nicht zu kumulieren, sondern lediglich zu asperieren sind, resultiert nach Be- rücksichtigung der Tatkomponenten vorliegend eine Freiheitsstrafe von 14 Mona- ten.

    4. Zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen des nicht vorbestraften Beschuldigten ist dem angefochtenen Urteil zusammengefasst zu entnehmen, dass der Beschuldigte mit 13 Jahren aus Kosovo in die Schweiz kam und hier die obligatorischen Schulen besuchte. Eine Lehre im Service brach er ohne Ab- schluss ab um Profisportler zu werden. Er lebt seit zwanzig Jahren in fester Part- nerschaft. Die gemeinsamen Kinder (Zwillinge) wurden 2018 geboren (Urk. 49 S. 35). Weiter geht aus den Akten hervor, dass er in den vergangenen 25 Jahren fünffacher …-meister im …-boxen auf höchstem Niveau geworden und unge- schlagen sei, und dass er vor 10 Jahren eine Kampfsportschule eröffnet habe (Prot. I S. 25 f., S. 28; Prot. II S. 16). Heute ergänzte der Beschuldigte weiter, dass er inzwischen wieder uneingeschränkt arbeitsfähig sei, nachdem er zuvor von der SUVA infolge eines Unfalls Taggelder erhalten habe. Zurzeit sei er als

      Stapelfahrer bei den F.

      in G. , H. , tätig und verdiene Fr. 30.–

      pro Stunde brutto bei einem Arbeitspensum von 100 %. Weiter laufe die Tätigkeit im Kampfsportverein nach Corona wieder besser und er organisiere derzeit eine

      …-Night zum

      10-Jahres-Jubiläum des Vereins (Prot. II S. 6 ff.). Strafzumessungsrelevant sind diese Umstände nicht. Allerdings kann dem Beschuldigten hinsichtlich des Delikts

      gegen den Privatkläger 1 im Sinne eines positiven Nachtatverhaltens moderat strafmindernd angerechnet werden, dass er sich – allerdings auf Initiative des Pri- vatklägers 1 hin (vgl. Prot. I S. 24) – noch vor der erstinstanzlichen Verhandlung mit dem Privatkläger 1 versöhnt hat (vgl. Urk. 32; Prot. II S. 43), auch wenn darin trotz nomineller Entschuldigung und Leistung einer finanziellen Zahlung – nach- dem der Beschuldigte den Tatvorwurf weiterhin bestreitet – keine Wiedergutma- chung im Sinne von Art. 53 StGB gesehen werden kann. Denn dafür wäre (unter anderem) die Anerkennung eines Normverstosses und damit ein Geständnis nötig (vgl. BSK StGB-Riklin, Art. 53 N 30, 32; BGE 135 IV 12 E. 3.4.3; BGE 136 IV 41

      E. 1.2.1; BGE 137 I 16 E. 2.3). Insgesamt ist die Einsatzstrafe somit nach Berück- sichtigung der Täterkomponenten um zwei Monate auf zwölf Monate Freiheits- strafe zu reduzieren.

      Auf diese Strafe anzurechnen sind 3 Tage erstandene Untersuchungshaft (Art. 51 StGB).

      Mit der Vorinstanz ist dem Beschuldigten als nicht vorbestraftem Ersttäter der be- dingte Strafvollzug unter Ansetzung der minimalen Probezeit von zwei Jahren zu gewähren (Art. 42 und 44 StGB).

  6. DNA-Profil

    1. Die Staatsanwaltschaft wollte bereits im Laufe der Untersuchung das DNA- Profil des Beschuldigten erfassen (Urk. D1/10/1-19), was letztlich jedoch durch das Bundesgericht abgelehnt wurde. Wie das Bundesgericht dazu in seinem nicht bei den Akten liegenden, aber im Internet abrufbaren Entscheid 1B_242/2020 vom 2. September 2020 E. 4.1-3 ausführte, fehle es beim nicht vorbestraften Beschuldigten an weiteren Anhaltspunkten, die solches rechtfertigen würden. So ge- be es keinerlei Hinweise, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit in Delikte von einer gewissen Schwere involviert gewesen wäre oder es in Zukunft sein könnte. Auch sei bei ihm keine Persönlichkeitsstörung ärztlich diagnostiziert, auf- grund welcher von einer krankhaften Impulsivität auszugehen wäre und ange- nommen werden müsste, der Beschuldigte habe sich generell nicht unter Kontrol- le. Die Erstellung eines DNA-Profils erweise sich folglich als unverhältnismässig.

      Im Falle einer Verurteilung bestehe aber die Möglichkeit, nach Massgabe von Art. 257 StPO ein DNA-Profil zu erstellen.

    2. Die Vorinstanz verwies denn auch auf Art. 257 lit. b StPO als Rechtsgrund- lage, als sie die DNA-Profilerstellung anordnete und dazu erwog, dass der Beschuldigte in nicht unerheblichem Ausmass auf die beiden Privatkläger eingewirkt habe (Urk. 49 S. 42). Indes ist auch im Falle einer Anordnung gemäss Art. 257 lit. b StPO, wie die Verteidigung zutreffend vorbringt (Urk. 66 Rz. 145 ff.; Prot. II

      S. 27 f.), der Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu beachten (BSK StPO- Fricker/Maeder, 2014, Art. 257 StPO N 4). In der Regel wird eine Anordnung einer Probenabnahme und Profilerstellung dann in Betracht zu ziehen sein, wenn von einer erhöhten Rückfallgefahr, auch für schwerere Delikte, auszugehen ist (Graf/Hansjakob, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], StPO Komm., 3. Aufl. 2020, Art. 257 N 3). Hiervon kann vorliegend aber keine Rede sein. Der bald 39-jährige Beschuldigte ist in der Vergangenheit noch nie strafrechtlich relevant aufgefallen (Urk. 50). Angesichts seiner langjährigen Kampfsporterfahrung wäre aber davon auszugehen, dass bereits zahlreiche, an Leib und Leben geschädigte Opfer zu verzeichnen wären, hätte der Beschuldigte tatsächlich grundlegende Probleme mit der Impulskontrolle. Vor diesem Hintergrund erscheint der vorlie- gend zu behandelnde Vorfall als singulär und nicht als Ausdruck einer dauerhaft bestehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Von der Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils ist damit abzusehen.

  7. Zivilansprüche

    1. Die Vorinstanz stellte im Hinblick auf die Zivilforderungen der Privatkläge- rin 2 fest, dass der Beschuldigte ihr gegenüber für die verurteilten Delikte dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig sei. Zudem verpflichtete er den Beschul- digten, der Privatklägerin 2 eine Genugtuung von Fr. 1'000.– zuzüglich Zins von 5 % seit 23. September 2019 zu bezahlen (Urk. 49, S. 38 f. und Dispositivziffer 5). Die Privatklägerin 2 hat dies akzeptiert, obwohl sie ursprünglich Fr. 1'500.– Ge- nugtuung gefordert hatte (Urk. 34 S. 1 und Urk. 57).

    2. Nachdem der diesbezügliche Sachverhalt erstellt werden konnte (vgl. Ziff. 3.5), ist unter Verweis auf die zutreffenden erstinstanzlichen Erwägungen (Urk. 49 S. 38 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO) die grundsätzliche Schadenersatzpflicht des Beschuldigten festzustellen. Zur genauen Feststellung des Schadenersatzan- spruches ist die Privatklägerin auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen. So- dann ist den überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz auch hinsichtlich der auszusprechenden Genugtuung zu folgen. So ist festzuhalten, dass sie aufgrund des Vorfalls physische Schmerzen erlitt, sich erniedrigt, ausgeliefert und wehrlos fühlte. Entsprechend ist der Beschuldigte zu verpflichten, der Privatklägerin 2 eine Genugtuung von Fr. 1'000.– samt Zins ab Tattag zu bezahlen. Im Mehrbetrag ist das Genugtuungsbegehren abzuweisen.

  8. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind den Par- teien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).

    2. Nachdem die Schuldsprüche zu bestätigen sind, bleibt es grundsätzlich auch bei der vorinstanzlichen Kostenauflage. Dass das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs eingestellt wurde, vermag entgegen den Vor- bringen der Verteidigung (Urk. 66 Rz. 134 f.) eine teilweise Kostenübernahme durch den Staat nicht zu rechtfertigen, da auf jenen Vorwurf kein aussonderbarer Aufwand entfallen ist.

      Hinsichtlich der Kosten der amtlichen Verteidigung im Untersuchungsverfahren und vor Vorinstanz, welche in der Regel nur einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen sind, überzeugt jedoch das Argument der Verteidigung, dass ihr Aufwand im Zusammenhang mit dem erfolgreich geführten Beschwerdeverfahren (vgl. Urk. 66 Rz. 136 ff. und den Entscheid des Bundesgerichts B_242/2020 vom 2. September 2020) definitiv auf die Gerichtskasse zu nehmen ist. Dies insbesonde- re auch vor dem Hintergrund, dass auch heute auf die Erstellung eines DNA- Profils zu verzichten ist. Die Verteidigung macht hierfür zehn Arbeitsstunden und

      Fr. 50.– Auslagen geltend (Urk. 50 S. 11 f.; Urk. 66 Rz. 143), was mit Blick auf die bei den Akten liegende Honorarnote (Urk. 38) angemessen erscheint. Zehn Ar- beitsstunden à Fr. 220.– und Fr. 50.– Auslagen, je zzgl. Mehrwertsteuer, ergeben Fr. 2'423.25. Dieser Betrag ist somit aus der zugesprochenen Entschädigung von Fr. 24'888.50 herauszurechnen. Entsprechend ist hinsichtlich der Kosten der amt- lichen Verteidigung im Untersuchungsverfahren und vor Vorinstanz lediglich im Umfang von Fr. 22'464.25 die Rückforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vor- zubehalten.

      Auch die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 2 sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Hier ist jedoch hinsichtlich der ge- samten Kosten die Rückforderung vorzubehalten (Art. 138 Abs. 1 StPO in Verbin- dung mit Art. 135 Abs. 4 StPO).

    3. Für das Berufungsverfahren ist eine Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.– zu er- heben.

      Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung fast vollständig. Einzig von der Abnahme einer DNA-Probe ist abzusehen. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits un- terliegt mit ihrer Anschlussberufung teilweise, da keine härtere Qualifikation des Körperverletzungsdelikts gegen die Privatklägerin 2 erfolgt und die Strafe nicht im beantragten Umfang verschärft wird. Vor diesem Hintergrund sind die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 2, dem Beschuldigten zu vier Fünfteln aufzuerlegen und im Übrigen auf die Gerichtskasse zu nehmen.

      Die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche ausgehend von der eingereichten Honorarnote und den Korrekturbemerkungen im Plädoyer auf Fr. 7'500.– (inkl. MwSt.) festzusetzen sind (Urk. 65 und Urk. 66 Rz. 167; § 23 in Verbindung mit

      § 17 f. AnwGebV), und die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Pri- vatklägerin 2 von Fr. 2'500.– (inkl. MwSt., vgl. die entsprechende Honorarnote, Urk. 69; § 23 in Verbindung mit § 17 f. AnwGebV), sind einstweilen auf die Ge- richtskasse zu nehmen, unter Vorbehalt der Rückzahlung von vier Fünfteln dieser

      Kosten durch den Beschuldigten, sollten dies seine finanziellen Verhältnisse der- einst erlauben (vgl. Art. 135 Abs. 4 StPO in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 StPO).

    4. Der Beschuldigte fordert auch eine persönliche Umtriebsentschädigung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 StPO von Fr. 300.–, und begründet diese mit Fahrtkos- ten zu Einvernahmen mit dem Privatfahrzeug von insgesamt 292 Kilometern zu Fr. 0.70 pro Kilometer sowie mit Spesen für die Korrespondenz mit der Verteidi- gung (Urk. 51 und Urk. 66 Rz. 169). Nachdem er heute aber in keinem Anklage- punkt freizusprechen ist und damit kein Entschädigungsanspruch im Sinne von Art. 429 Abs. 1 StPO besteht, ist sein Begehren um Zusprechung einer persönli- chen Umtriebsentschädigung abzuweisen.

Auch auf seine Forderung nach Zusprechung einer Genugtuung im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO kann nicht eingegangen werden. Nachdem die vom Beschuldigten erstandene Untersuchungshaft an die heute auszusprechende Strafe anzurechnen ist, bleibt hierfür kein Raum.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom

    21. April 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Einstellung des Verfahrens betreffend Hausfriedensbruchs), 6 (Einziehung und Vernichtung Brecheisen) und 9 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist schuldig

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 12 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 3 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind).

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Von der Abnahme einer DNA-Probe und Erstellung eines DNA-Profils wird abgesehen.

  5. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber der Privatklägerin 2, I. , aus dem eingeklagten Ereignis dem Grund-satze nach vollumfänglich schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Schadenersatzanspruches wird die Privatklägerin 2 auf den Weg des Zivil- prozesses verwiesen.

  6. Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin I. Fr. 1'000.– zu- züglich 5 % Zins seit 23. September 2019 als Genugtuung zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Genugtuungsbegehren abgewiesen.

  7. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltli- chen Vertretung der Privatklägerin 2, werden dem Beschuldigten auferlegt.

    Die Kosten der amtlichen Verteidigung im Untersuchungsverfahren und im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren werden im Umfang von Fr. 22'464.25 einstweilen und im übrigen Umfang definitiv auf die Gerichtskasse genommen. Im Umfang von Fr. 22'464.25 bleibt die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

    Die Kosten der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerin 2 werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO in Verbindung mit

    Art. 138 Abs. 1 StPO vorbehalten.

  8. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 7'500.– amtliche Verteidigung

    Fr. 2'500.– unentgeltliche Vertretung der Privatklägerin 2.

  9. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privat- klägerin 2, werden zu vier Fünfteln dem Beschuldigten auferlegt und im Üb- rigen auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidi- gung sowie der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerin 2 werden auf die Gerichtskasse genommen. Im Umfang von vier Fünfteln dieser Kosten bleibt die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten.

  10. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  11. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsa- chen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesge- richtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 18. Mai 2022

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Wenker

Der Gerichtsschreiber:

MLaw Huter

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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