Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210458 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 23.09.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Qualifizierte Brandstiftung etc. und Widerruf |
Zusammenfassung : | Die Kläger A.________, B.________ und C.________ reichten eine Feststellungs- und negative Feststellungsklage gegen die D.________ AG ein, da sie nicht Schuldner von Forderungen in Höhe von Fr. 18'690.00 seien. Der Einzelrichter trat auf die Klage nicht ein, worauf die Kläger Berufung einreichten. Es wurde ein Ausstands- und Ablehnungsbegehren gegen Kantonsgerichtspräsident Urs Tschümperlin gestellt, auf das nicht eingetreten wurde. Die Kläger legten eine unzureichend begründete Berufung ein, weswegen das Gericht nicht darauf einging. Letztendlich wurde entschieden, dass die Berufung abgewiesen wird, die Kläger die Gerichtskosten von Fr. 900.00 tragen müssen und ihr Gesuch um unentgeltliche Prozessführung abgelehnt wird. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Schaden; Privatkläger; Schadenersatz; Urteil; Berufung; Beschuldigten; Privatklägerin; Gericht; Geschädigte; Verteidigung; Dispositiv; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Dispositivziffer; Kantons; Geldstrafe; Forderung; Geschädigten; Zivilklage; Brand; Massnahme; Bezirksgericht; Widerruf; Bundesgericht; Verfahren; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 119 StGB ; Art. 121 StPO ; Art. 123 StPO ; Art. 126 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 221 StGB ; Art. 342 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 408 StPO ; Art. 41 OR ; Art. 424 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 43 OR ; Art. 49 OR ; Art. 60 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 84 StPO ; Art. 95c VVG ; |
Referenz BGE: | 118 II 410; 128 III 22; 131 III 26; 135 IV 180; 141 IV 244; 92 II 234; 99 II 228; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210458-O/U/nm-as
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichter lic. iur. Castrovilli und Ersatzoberrichter lic. iur. Kessler sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Meier
Urteil vom 23. September 2022
in Sachen
vertreten durch stv. Leitenden Staatsanwalt lic. iur. Gossner,
Anklägerin und Erstberufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und Zweitberufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend qualifizierte Brandstiftung etc. und Widerruf
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 5. Dezember 2019 (Urk. D/1/16/23) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteile der Vorinstanz:
(Urk. 133 S. 73 ff.)
Es wird erkannt am 26. Mai 2020:
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte A. die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom 5. Dezember 2019 vorgeworfenen Brandstiftungen vom 11. September 2018, 25. August 2018 und
28. Dezember 2017 begangen und dadurch die Tatbestände der qualifizierten Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 und 2 StGB (Dossier 1) sowie der mehrfachen Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB (Dossiers 2 und 4) erfüllt hat.
Der Entscheid über die Tatfrage ist erst mit dem gesamten Urteil anfechtbar (Art. 342 Abs. 4 StPO).
und es wird erkannt am 2. Juni 2021:
Der Beschuldigte A. ist schuldig der qualifizierten Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 und 2 StGB (Dossier 1) sowie der mehrfachen Brandstiftung im Sinne von Art. 221 Abs. 1 StGB (Dossiers 2 und 4).
Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 Jahren und 10 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 81 Tage durch Haft erstanden sind.
Der bedingte Vollzug bezüglich der mit Entscheid des Bezirksgerichts Arbon vom 29. August 2016 (S1.2016.8) ausgefällten Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– wird widerrufen. Die Geldstrafe ist zu bezahlen.
a) Es wird eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB (Behandlung der emotional instabilen und dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung) angeordnet.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zu diesem Zweck aufgeschoben.
Für die Dauer der Behandlung wird für den Beschuldigten eine Bewährungshilfe angeordnet, insbesondere bezüglich sozialarbeiterischer Unterstützung und beruflicher Förderung.
Von der Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung wird abgesehen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 1 (Baugenossenschaft B. ) Schadenersatz von
Fr. 3'200.– zuzüglich 5 % Zins ab 1. Januar 2019 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Schadenersatzbegehren abgewiesen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 2 (C. ) Schadenersatz von Fr. 53'284.– sowie Fr. 369'689.– zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 3 (D. ) Fr. 500.– als Genugtuung zu bezahlen.
Die Privatklägerin 4 (E. ) wird mit ihrem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Privatkläger 5 (F. ) wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers 6 (G. ) wird abgewiesen.
Der Privatkläger 8 (H. ) wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
a) Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 9 (I. ) Schadenersatz von Fr. 184.05
zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird das Schadenersatzbegehren auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 9 (I. ) Fr. 1'000.– als Genugtuung zu bezahlen.
a) Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 11 (J. AG) Schadenersatz von Fr. 45'885.– zuzüglich 5 % Zins ab 6. Juni 2018 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 11 (J. AG) Schadenersatz von Fr. 12'181.95 zuzüglich 5 % Zins ab 1. März 2018 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 11 (J. AG) Schadenersatz von Fr. 9'441.55 zuzüglich 5 % Zins ab 9. März 2018 zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 12 (K. AG) Schadenersatz von Fr. 17'845.45 zu bezahlen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 12'000.–; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'000.– Gebühr für das Vorverfahren Fr. 900.– Kosten Kantonspolizei Zürich
Fr. 1'859.– Auslagen Untersuchung Fr. 21'783.– Auslagen Gutachten
Fr. 719.– Auslagen Ergänzungsgutachten
Fr. 20'000.– Akontozahlung amtliche Verteidigung Fr. 20'531.80 Restzahlung amtliche Verteidigung
inklusive Barauslagen und Mwst
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden jedoch einstweilen auf die Gerichtskasse genommen, wobei eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten bleibt.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 145 S. 1 f.)
Es sei festzustellen, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,
Abteilung, vom 26. Mai 2020 und vom 2. Juni 2021 bezüglich Dispositivziffern 1, 3, 4, 6a-c, 7, 10, 11, 12, 13, 14 und 18 in Rechtskraft erwachsen ist.
In Aufhebung von Dispositivziffer 5 des vorinstanzlichen Urteils sei vom Widerruf der mit Entscheid des Bezirksgerichts Arbon vom 29. August 2019 bedingt ausgefällten Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– abzusehen.
Eventualiter sei die vollziehbar erklärte Geldstrafe zugunsten der mit Urteil der Vorinstanz angeordneten ambulanten Massnahme aufzuschieben.
Es sei Vormerk zu nehmen vom weiteren Rückzug der Berufung des Beschuldigten mit Bezug auf Dispositivziffer 8 des vorinstanzlichen Urteils.
In Aufhebung von Dispositivziffer 9 des vorinstanzlichen Urteils sei die Zivilklage der Privatklägerin 2 abzuweisen.
Eventualiter sei darauf nicht einzutreten.
Subeventualiter sei die Zivilklage auf den Zivilweg zu verweisen.
Es sei Vormerk zu nehmen vom Rückzug der Berufung des Beschul- digten mit Bezug auf Dispositivziffer 15a-b des vorinstanzlichen Urteils.
In Aufhebung von Dispositivziffer 16a-c des vorinstanzlichen Urteils sei die Zivilklage der Privatklägerin 11 im Umfang von Fr. 41'616.55 abzuweisen.
Eventualiter sei in diesem Umfang nicht darauf einzutreten; im Übrigen sei die Zivilklage im Umfang von Fr. 12'991.95 gutzuheissen und im übersteigenden Umfang auf den Zivilweg zu verweisen.
Eventualiter, für den Fall, dass auf die Zivilklage in vollem Umfang einzutreten wäre, sei die Zivilklage im Umfang von Fr. 27'658.20 gutzuheissen und im übersteigenden Umfang auf den Zivilweg zu verweisen.
In Aufhebung von Dispositivziffer 17 des vorinstanzlichen Urteils sei die Zivilklage der Privatklägerin 12 im Umfang von Fr. 8'656.40 gutzuheissen und im übersteigenden Umfang auf den Zivilweg zu verweisen.
Es seien die Kosten der Untersuchung sowie des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens ganz zumindest teilweise auf die Staatskasse zu nehmen.
Des Vertreters der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich: (Urk. 148 S. 1)
Der bedingte Vollzug bezüglich der mit Entscheid des Bezirksgerichts Arbon vom 29. August 2016 (S1.2016.8) ausgefällten Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– sei zu widerrufen. Der Beschuldigte habe die Geldstrafe zu bezahlen.
Die Entscheide der Vorinstanz betreffend der Zivilansprüche der Geschädigten seien zu bestätigen.
Die Kosten des erstinstanzlichen und des zweitinstanzlichen Verfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Erwägungen:
Mit eingangs wiedergegebenem Urteil vom 26. Mai 2020 und vom 2. Juni 2021 (Tatinterlokut) sprach das Bezirksgericht Zürich, 2. Abteilung, den Beschul- digten der qualifizierten Brandstiftung sowie der mehrfachen Brandstiftung schul- dig und bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 10 Monaten. Das Bezirksgericht Zürich ordnete eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB an und schob den Vollzug der Freiheitsstrafe zu diesem Zweck auf. Von der Anordnung einer Landesverweisung wurde abgesehen. Weiter wurden diverse Zivilforderungen geregelt (Urk. 133). Gegen dieses Urteil meldeten sowohl die Staatsanwaltschaft wie der Beschuldigte fristgerecht Berufung an (Urk. 125 und 126). Die Berufungserklärungen vom 2. September 2021 (Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich) und vom 10. September 2021 (Beschuldigter) erfolgten ebenfalls fristgerecht (Urk. 135 und 136 in Verbindung mit Urk. 131/1-2).
Mit Präsidialverfügung vom 15. September 2021 wurde sämtlichen Parteien Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung angesetzt (Urk. 137), worauf stillschweigend verzichtet wurde (Urk. 138/1-4). Am 21. Januar 2022 wurde zur Berufungsverhandlung auf den 23. September 2022 vorgeladen (Urk. 140). Mit Eingabe vom 16. September 2022 liess der Beschuldigte einen teilweisen Rückzug sei- ner Berufung erklären (Urk. 142). Die Staatsanwaltschaft zog ihre Berufung mit Eingabe vom 16. September 2022 vollumfänglich zurück (Urk. 143). Dem Antrag des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft auf Durchführung des schriftlichen Verfahrens wurde in der Folge nicht entsprochen (Urk. 144).
Am 23. September 2022 fand die Berufungsverhandlung statt, zu welcher der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers erschienen ist (Prot. II S. 3).
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Auch wenn das Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt, fällt es am Ende ein insgesamt neues Urteil (Art. 408 StPO), worin es jedoch anzugeben hat, welche Punkte bereits früher in Rechtskraft erwachsen sind (BGE 141 IV 244 E. 1.3.3; Urteil des Bundesgerichtes 6B_533/2016 vom 29. November 2016 E. 4.2 mit Hinweisen). Der Beschuldigte beantragte mit seiner Berufungserklärung einen Freispruch unter entsprechender Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse (Urk. 136).
Mit Eingabe vom 16. September 2022 liess der Beschuldigte den Rückzug seiner Berufung bis auf die Frage des Widerrufs und einzelne Zivilansprüche erklären (Dispositivziffern 5, 8-9, 15a-b, 16a-c, 17; Urk. 142). Anlässlich der Berufungsverhandlung liess er zudem vorbringen, die Dispositivziffern 8 und 15a-b nunmehr nicht anzufechten (Urk. 145 S. 1 f.). Die Staatsanwaltschaft beantragte eine höhere Strafe (Freiheitsstrafe von 11 ½ Jahren), das Absehen von der Anordnung einer ambulanten Massnahme, eventualiter die Anordnung einer solchen Massnahme, jedoch ohne Aufschub der Freiheitsstrafe zugunsten der Massnahme, die Anordnung einer Landesverweisung und im Übrigen die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 135), zog ihre Berufung in der Folge jedoch vollumfänglich zurück (Urk. 143). Unangefochten geblieben sind somit das Tatinterlokut (Dispositivziffer 1), die Schuldsprüche (Dispositivziffer 3), die Strafe (Dispositivziffer 4), die Anordnung einer ambulanten Massnahme (Dispositivziffer 6), das Absehen von einer Landesverweisung (Dispositivziffer 7), die vorinstanzliche Regelung der Zivilforderungen der Privatklägerschaften Baugenossenschaft B. , D. , E. und F. , G. , H. und I. (Dispositivziffern 8, 10-15) sowie die vorinstanzliche Festsetzung der Kosten und der Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Dispositiv-Ziffer 18). Insoweit ist das vorinstanz-
liche Urteil in Rechtskraft erwachsen (Art. 402 StPO), was vorab in einem Beschluss festzustellen ist.
Zu den theoretischen Voraussetzungen des Widerrufs sowie den vorliegend zu berücksichtigenden Umständen kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 133 S. 51 f.).
Anzumerken ist, dass die Verteidigung vor Vorinstanz – nach dem Interlokut
– für den Fall eines Schuldspruches ebenfalls einen Widerruf dieser Strafe beantragt hat (Urk. 122 S. 1). Im Berufungsverfahren beantragte sie indessen, es sei auf einen Widerruf zu verzichten, eventualiter sei die vollziehbar erklärte Geldstrafe zugunsten der mit Urteil der Vorinstanz angeordneten ambulanten Massnahme aufzuschieben (Urk. 145 S. 2). Die Staatsanwaltschaft beantragte im Rahmen ihrer Berufungsantwort den Widerruf des bedingten Vollzugs (Urk. 148 S. 1).
Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Arbon vom 29. August 2016 u.a. wegen mehrfacher Brandstiftung, Diebstahl, Hehlerei, Drohung etc. zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– verurteilt. Dies unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren. Diese Probezeit wurde in der Folge mit Entscheiden der Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern vom 12. Juni 2017 sowie der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 13. Juni 2018 insgesamt bereits um die Hälfte verlängert. Zudem wurde der Beschuldigte zwei Mal verwarnt (Urk. 134). Der Beschuldigte weist weitere Vorstrafen auf: So wurde er bereits mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom
4. Februar 2013 wegen versuchten Diebstahls, Sachbeschädigung, Hausfrie- densbruchs und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.– (Probezeit 2 Jahre) und ei- ner Busse von Fr. 500.– verurteilt. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern vom 12. Juni 2017 wurde er wegen einfacher Körperverletzung mit einer unbedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu Fr. 30.– bestraft. Schliesslich erging am 13. Juni 2018 von der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn ein Strafbefehl, mit der Beschuldigte wegen Diebstahls schuldig gesprochen und
zu einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.– bestraft wurde (Urk. 134). Die Vorstrafe aus dem Jahr 2012 dürfte mittlerweile gelöscht sein. Was seine Lebensumstände anbelangt, führte der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung aus, nach wie vor bei der L. als Lagerist tätig zu sein. Seine Einkünfte setzen sich aus seinem Lohn, einer halben IV-Rente und Ergänzungsleistungen zusammen und betragen monatlich rund Fr. 2'500.–. Davon bezahlt er noch einen hälftigen Anteil an die Wohnkosten. Diese belaufen sich auf Fr. 1'900.– bis fast Fr. 2'000.– aufgrund der gestiegenen Gaspreise. Er lebt weiterhin mit seiner Partnerin, D. , zusammen und sie planen im nächsten Jahr eine Heirat. Zudem wünschen sie sich Kinder. Derzeit absolviert der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben ein Jobcoaching, mit dem versucht wird, eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt für ihn zu finden. Das Ziel ist, dass er alle paar Monate weniger IV-Rente benötigt. Aktuell ist er bei 50% und es soll immer weniger werden, bis er ganz von der IV wegkommt (Prot. II S. 7 ff.).
Die Vorinstanz ordnete für den Beschuldigten eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 60 StGB an (Urk. 133 S. 74). Nachdem der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft diesbezüglich ihre Berufungen zurückgezogen haben, ist diese Anordnung in Rechtskraft erwachsen. Das Bundesgericht entschied bereits wiederholt, dass die Anordnung einer stationären ambulanten Massnahme zugleich eine ungünstige Prognose bedeutet und den bedingten teilbedingten Aufschub einer gleichzeitig ausgefällten Strafe ausschliesst (BGE 135 IV 180
E. 2.3; Urteile des Bundesgerichts 6B_698/2017 vom 13. Oktober 2017 E. 7.2.1;
6B_223/2016 vom 8. September 2016 E. 3.3; 6B_1195/2015 vom 18. April 2016
E. 5; je mit Hinweisen). Bereits vor diesem Hintergrund verbleibt kein Raum für den Verzicht auf einen Widerruf. Daran vermögen auch die Vorbringen der Verteidigung nichts ändern. Dass die Untersuchungshaft im vorliegenden Verfahren einschneidende Auswirkungen auf den Beschuldigten hatte, ist nachvollziehbar. Auch trifft zu, dass er sich seit der heute zu beurteilenden Taten, mithin während nunmehr über 4 Jahren, wohlverhalten hat (vgl. Urk. 145 S. 6 f.; Urk. 143). Wie die Verteidigung zutreffend festhält, befindet sich der Beschuldigte in dem von
Prof. Dr. med. S.
im psychiatrischen Gutachten von 24. Februar 2021 so
bezeichneten Szenario 2. Demgemäss ist die Gesamtlage des Beschuldigten unter Alltagsbedingungen als weitgehend stabil, jedoch fragil, d.h. nicht belastungsstabil zu bezeichnen (Urk. 88 S. 85). Entsprechend erweist sich das kurzfristige,
d.h. innerhalb von Wochen bis Monaten gegebene Rückfallrisiko nach Ansicht des Gutachters als gering; das Risiko für erneute Brandlegungen und deliktisches Verhalten mittelfristig (innerhalb von 3 Monaten bis einem Jahr) bzw. langfristig (innerhalb von 1-3 Jahren) bezeichnet er jedoch als hoch bzw. potentiell hoch, wenn Belastungsfaktoren die Fähigkeit des Beschuldigten übersteigen würden, psychosozial belastende Lebenssituationen auf legalem, deliktfreiem Weg zu bewältigen (Urk. 88 S. 85 f.). Eine eigentliche Festigung der noch fragilen Lebens- umstände, wie die Verteidigung anführt (Urk. 145 S. 6 f.), ist noch nicht zu erken- nen, zumal sich seine Verhältnisse seit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung noch nicht massgeblich gefestigt haben. Insgesamt ist nach wie vor von einer ungünstigen Prognose auszugehen. Der weitere Einwand der Verteidigung, wonach der Widerruf indirekt mit dem Zweck der im Zusammenhang mit den neuen Delikten angeordneten Massnahme kollidiere, da der Beschuldigte nicht in der Lage sei, die Geldstrafe abzubezahlen (Urk. 145 S. 7 ff.), kann nach dem Erwogenen ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung zu einem Aufschub des Widerrufs der Geldstrafe zugunsten der Massnahme führen. Letzteres ist gesetzlich zu- dem nicht vorgesehen (vgl. Art. 10 V-StGB-MStG).
4. Der bedingte Vollzug der mit Urteil des Bezirksgerichts Arbon vom
29. August 2016 ausgefällten Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– ist daher zu widerrufen und die Geldstrafe ist zu bezahlen.
Rechtliche Grundlagen
Die Voraussetzungen der Gutheissung eines Schadenersatzanspruches bestimmen sich nach Art. 41 OR. Voraussetzung für die Zusprechung von Schadenersatz ist demnach, dass ein Schaden vorliegt, welcher durch ein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten adäquat kausal verursacht wurde. Grundsätzlich hat das Gericht gemäss Art. 126 Abs. 1 lit. a StPO über die anhängig gemachte Zivilklage zu entscheiden, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht. Davon
darf das Gericht nur dann abweichen, wenn die Privatklägerschaft die Zivilklage nicht hinreichend begründet beziffert hat (Art. 126 Abs. 2 lit. c StPO) die vollständige Beurteilung des Zivilanspruchs unverhältnismässig aufwendig wäre (Art. 126 Abs. 3 StPO). In diesen Fällen ist die Zivilklage auf den Zivilweg zu verweisen. Inhaltlich kann das Adhäsionsurteil auf Gutheissung, teilweise Gutheissung Abweisung der Zivilklage lauten. Bei teilweiser Gutheissung muss über den nicht gutgeheissenen Teil ebenfalls eine Entscheidung gefällt werden: Ist dieser Teil spruchreif, aber nicht begründet, wird er abgewiesen. Ist dieser Teil dagegen nicht genügend substantiiert, wird er auf den Zivilweg gewiesen. Abzuweisen ist die Zivilklage hingegen dann, wenn sie spruchreif, aber unbegründet ist die Aktivoder die Passivlegitimation nicht gegeben ist, schliesslich auch dann, wenn aufgrund der Beweislosigkeit zu Lasten der Zivilklägerschaft zu entscheiden ist.
Eine Genugtuung gemäss Art. 49 OR setzt eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten, eine immaterielle Unbill, voraus und kann nur zugesprochen werden, wenn die Schwere der Verletzung nicht anders wiedergutzumachen ist (BGE 131 III 26 E. 12.1.). Die Persönlichkeitsverletzung muss widerrechtlich sein, d.h. es dürfen keine Rechtfertigungsgründe für den Eingriff vorliegen. Zu berücksichtigen ist, wie der Verletzte in seiner besonderen Situation von der objektiven Schädigung betroffen und in seiner konkreten Lebensführung beeinträchtigt wird (BGer v. 17.05.2003, 6S.232/2003 E. 2.1 = Pra 93/2004 Nr. 144). Nebst dem Vorliegen einer sog. immateriellen Unbill sowie der Widerrechtlichkeit der Persönlichkeitsverletzung muss die Handlung des Haftpflichtigen adäquat kausal für den Eingriff sein. Das Gesetz nennt als Mass für die Höhe der Genugtuung ausschliesslich die Art und Schwere der körperlichen und seelischen Verletzung, doch sind auch die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen, die Möglichkeit, durch eine Geldzahlung den seelischen Schmerz etwas auszugleichen (BGE 118 II 410 E. 2.a), in Erwägung zu ziehen (vgl. zum Ganzen: OFK- FISCHER, Art. 49 OR N 1 ff.).
Würdigung
C.
Das Schadenersatzbegehren der Privatklägerin 2 (C. ) wurde von der Vorinstanz vollumfänglich im Betrag von Fr. 53'284.– (Brand vom 25. August 2018) und Fr. 369'689.– (Brand vom 11. September 2018) gutheissen (Urk. 133
S. 69 in Verbindung mit Urk. D1/5/27). Die Verteidigung wendet ein, dass die Zahlungen der C. nicht belegt sind und macht damit deren fehlende Aktivlegitimation geltend. Sodann seien die tatsächlich angefallen Renovationskosten nicht ausgewiesen und die subrogierende Versicherung könne nicht in mehr Ansprüche eintreten, als der Geschädigten zugestanden habe. Sodann sei von wertvermehrenden Renovationen auszugehen. Die diesbezüglichen Verhältnisse seien nicht liquid. Es handle sich im Übrigen um einen klassischen Anwendungsfall von Art. 43 Abs. 1 OR, wonach Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Scha- den vom Richter bestimmt würden. Als bedeutsame Umstände würden dabei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien in Betracht fallen. Der Beschuldigte wäre bei seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch in hundert Jahren nicht in der Lage die Schadenersatzforderung von über Fr. 400'000.– zu bezahlen (Urk. 122 S. 23-25; Urk. 145 S. 10 ff.).
Die C. ist eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt, welche gestützt auf § 72 Abs. 1 GebVG berechtigt ist, Zivilklage zu erheben und jene Verfahrensrechte auszuüben, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung ihrer Zivilklage beziehen, wenn sie bis zum Abschluss des Vorverfahrens Entschädigungen geleistet hat (OGer ZH Beschluss SB130129 vom 10. September 2013, E. 2.2.4 und E. 2.2.5). Y. , der als Rechtsanwalt bei der Privatklägerin tätig ist, bestätigte mit Schreiben vom 27. August 2019, dass die Privatklägerin am 21. Juni 2019 und am 2. Juli 2019 zugunsten der Versicherten Zahlungen in der Höhe von Fr. 53'284.– und Fr. 368'689.– geleistet habe (Urk. D1/5/27 S. 2). Die Privatklägerin hat die genannten Beträge mit Schreiben vom 17. bzw. 26. Juni 2019 sodann anerkannt und jeweils festgehalten, dass der Betrag in den nächsten Tagen auf das Konto der Eigentümerin überwiesen werde (Urk. D2/2/14; Urk. D2/2/15 = Urk. 43/4+5). Die Rechtsvertretung der Hauseigentümerin hat zudem mit Eingabe
vom 20. März 2020 bestätigt, dass die beiden Beträge von der C. gemäss entsprechender Vergütungsanzeigen am 17. Juni 2019 und am 26. Juni 2019 überwiesen worden sind (Urk. 41 S. 3 Rz 4 und 6). Entgegen der Verteidigung (Urk. 145 S. 10 ff.) wurde der Nachweis der Zahlung somit vor Abschluss des Vorverfahrens erbracht, zumal dies sowohl die Privatklägerin als auch die Hauseigentümerin je in erwähnten Schreiben bestätigten. Folglich ist die Aktivlegitimation der C. gegeben.
Gemäss Art. 123 Abs. 1 StPO hat der Privatkläger seine zivilrechtlichen Ansprüche in der Erklärung gemäss Art. 119 StGB (Konstituierung als Zivilkläger) nach Möglichkeit zu beziffern und kurz schriftlich zu begründen, wobei er die Beweise nennen muss, auf die er sich stützen will. Im Zeichen der im Zivilprozess vorherrschenden Dispositions- und Verhandlungsmaxime obliegt es somit auch im Adhäsionsprozess grundsätzlich der Privatklägerschaft, ihre Forderung substantiiert zu behaupten und zu beweisen. Die Behauptungs-, Substantiierungs- und Beweisführungslast der Privatklägerschaft ist allerdings insofern gemindert, als dass sie auf die Ergebnisse der Strafuntersuchung verweisen kann, bzw. das Strafgericht sich im Zivilpunkt auch auf die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu stützen hat. Sachverhalte, welche für die Straftat nicht wesentlich sind und deshalb nicht durch die Strafbehörden ermittelt werden, hat die Privatklägerschaft hingegen zu substantiieren und zu beweisen. Dies gilt insbesondere für die genaue Höhe des erlittenen Schadens. Mit anderen Worten hat die Privatklägerschaft vor allem die privatrechtlichen Haftungsgrundlagen in tatsächlicher Hinsicht, soweit diese durch das Strafverfahren noch nicht offenkundig sind, darzulegen (DOLGE, BSK StPO, N 22 f. zu Art. 122 und N 8 zu Art. 123). Nach der Lehre und Rechtsprechung sind die Vorteile, die das schädigende Ereignis dem Geschädigten gebracht hat, bei der Berechnung des Schadens zu berücksichtigen; insbesondere sind die Aufwendungen, die der Geschädigte infolge des schädigenden Ereignisses erspart hat, von der Höhe des Schadens abzuziehen (Prinzip des Vorteilsausgleichs; Urteil des Bundesgerichts 4A_227/2007 vom
26. September 2007 E. 3.6.3. mit Hinweisen; BGE 128 III 22 E. 2.e/cc).
Die Schadensbeträge sind belegt (Urk. D1/5/24-35, Urk. D2/2/14 und Urk. D2/2/15). Die tatsächlichen Rechnungsbeträge sind in den Schadensabrech-
nungen aufgeführt und wurden von der C.
geprüft (Urk. D1/5/27 S. 2;
Urk. D2/11 und Urk. D2/2/13 = Urk. 43/4+5). Namentlich geht im Einzelnen hervor, welche Arbeiten ausgeführt werden mussten und wie viel für diese Arbeiten in Rechnung gestellt wurden. Demgemäss ist der Schaden genügend substantiiert und soweit möglich und zumutbar belegt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Überkompensation bzw. eine Bereicherung des Eigentümers bei einer Teilzerstörung des Gebäudes nicht bereits deshalb anzunehmen, weil zur Ausführung der Gebäudereparaturen notwendigerweise neue Materialien verwendet werden. Denn den Schaden entsprechend zu reduzieren, um der verlängerten Lebenserwartung des wiederaufgebauten Gebäudes Rechnung zu tragen, hiesse im Ergebnis, den Geschädigten zu einer Ausgabe zu zwingen, um die frühere Situation wiederherzustellen, wodurch der Geschädigte letztlich einen ungerechtfertigten finanziellen Nachteil erleiden würde. Die Anwendung der Vorteilsanrechnung rechtfertigt sich in solchen Fällen einzig, wenn der Eigentümer aufgrund die geleisteten Reparaturen eindeutig bereichert sei (… que le propriétaire est clairement enrichi par des réparations réalisées...; Urteil des Bundesgerichts 4C.87/2007 vom 26. September 2007 E. 5.2.). Am 28. August 2018 entstanden im Kellergeschoss der Liegenschaft durch den Brand Russschäden an Wänden und Decken und es wurden Kellerabteile beschädigt (Urk. D2/1/1 S. 6). Beim Brand vom 11. September 2018 wurde der Dachstock komplett aufgebrannt, Eingangstüren der Wohnungen im 2. Obergeschoss angebrannt und Wohnungen im 2. Obergeschoss im Eingangsbereich und an den Decken geschwärzt. Sodann wurde die ganze Liegenschaft von Russ- und Rauchpartikeln geschwärzt und in der linken Wohnung im 2. Obergeschoss kam es zu einem Wasserschaden (Urk. D1/2/1 S. 10; vgl. auch Urk. D1/2/4). Inwiefern es zu einer eindeutigen Bereicherung der Geschädigten gekommen sein soll, wurde vom Beschuldigten nicht substantiiert geltend gemacht und ist mit Blick auf die Schadensabrechnungen nicht ersichtlich. Vielmehr sind die darin aufgeführten Positionen ohne Weiteres mit den entstandenen Schäden in Einklang zu bringen. So sind beispielsweise Malerarbeiten aufgrund der Russschäden offenkundig
notwendig. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bzw. des Zustands zum Zeitwert wäre mithin nicht möglich und den Geschädigten auch nicht zumutbar gewesen. Es wäre sodann am Beschuldigten gelegen, die Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, die es ermöglichten, das Vorliegen eines solchen Vorteils festzustellen, dessen Anrechnung auf den Schadensbetrag er verlangt (BGE 128 III 22 S. 28 f. E. 2 = Pra 91 (2002) Nr. 74).
Eine Reduktion des Schadensersatzes im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OR ist vorliegend nicht angezeigt. Zwar sind die finanziellen Verhältnisse der Privatklä-
gerin als C.
um einiges komfortabler als diejenigen des Beschuldigten.
Nicht ausser Acht zu lassen ist allerdings, dass der Beschuldigte vorsätzlich han- delte. Diesfalls ist eine Reduktion des Schadens ausgeschlossen (BGE 92 II 234 E. 3b; BGE 99 II 228 E. 5).
Folglich erweist sich die Schadenersatzforderung der Privatklägerin als ausgewiesen. Der Beschuldigte ist nach dem Erwogenen zu verpflichten, der C. (Privatklägerin 2) als Schadenersatz Fr. 53'284.– sowie Fr. 369'689.– zu bezahlen.
J. AG
Die Privatklägerin 11, J. AG, macht Regressforderungen geltend, also
jene Beträge, welche sie den Mietern D.
(Fr. 16'481.35), M.
(Fr. 9'410.60), N.
(Fr. 9'842.05), O.
(Fr. 10'151.–), P.
(Fr. 12'181.95) und Q.
(Fr. 9'441.55) für den geltend gemachten Schaden
ausbezahlt hat (Urk. D4/50, Urk. D4/61 und Urk. D4/62). Die Verteidigung wendet
vorab ein, die Geschädigten N. , P. , Q.
und O.
hätten
ausdrücklich auf eine Konstituierung als Privatkläger verzichtet und die J. AG könne daher nicht gestützt auf Art. 121 Abs. 2 StPO in deren Stellung als Privatkläger subrogieren. Bezüglich den Entschädigungen für Fahrhabe handle es sich nicht um durch Belege nachgewiesene Forderungen (Urk. 122 S. 29).
Die J. hat sich rechtzeitig als Privatklägerin konstituiert und kann daher gestützt auf Art. 95c VVG Regress geltend machen. Was das Vorbringen der
Verteidigung in Bezug auf den Verzicht auf Konstituierung als Privatkläger durch die Geschädigten N. , P. , Q. und O. und die fehlende Aktivlegitimation der Privatklägerin anbelangt, ist dem entgegenzuhalten, dass die entsprechenden Geschädigten lediglich auf die adhäsionsweise Geltendmachung ihrer Zivilansprüche und auf die Teilnahme als Privatkläger im Strafverfahren sowie die Ausübung von Parteirechten verzichteten (Urk. D4/45, Urk. D4/39, Urk. D4/46, Urk. D4/57). Dem ist keinesfalls ein Verzicht auf Schadenersatz gleichzusetzen, zumal diese Geschädigten den Schaden bei ihrer Versicherung geltend machte. So vermerkten die Geschädigten P. und O. in ihren Formularen Geltendmachung von Rechten als Privatklägerschaft, dass ihre Ansprüche von einer Versicherung gedeckt würden (Urk. D4/39; Urk. D4/57). Auch die übrigen Geschädigten gingen offensichtlich davon aus, dass ihr Schaden von ihrer Versicherung gedeckt wird und diese ihrerseits auf den Beschuldigten zurückgreifen wird. Der von der Verteidigung gemachte Einwand der mangelnden Legitimation der J. AG findet demnach keine Stütze.
Wie dargelegt hat die J. für D. für die entstandenen Schäden
Zahlungen von Fr. 16'481.35 geleistet, für M.
Fr. 9'410.60, für N.
Fr. 9'842.05, für O. Fr. 10'151.–, für P. Fr. 12'181.95 und für Q. Fr. 9'441.55 (Urk. D4/50; Urk. D4/61 und Urk. D4/62). Bei sämtlichen Geschädigten erweisen sich die Reinigungs- und Transportkosten als rechtsgenügend ausgewiesen und belegt. Betreffend die Forderungen in Bezug auf die beschädigte zerstörte Fahrhabe finden sich zwar Aufstellungen bei den Akten, wobei den einzelnen Objekten ihr jeweiliger Wert zugeordnet ist. Weitere Belege für den Kauf dieser Objekte und deren tatsächlichen Wert findet sich indessen nicht. Diesbezüglich erweisen sich die Schadenersatzforderungen somit nicht hinreichend substantiiert und die Privatklägerin ist mit ihren Forderungen, soweit sie Fahrhabe der Geschädigten betreffen, auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.
Der Beschuldigte hat die Schadenersatzforderungen der J. in folgen- dem Umfang anerkannt (Urk. 145 S. 17 f.):
Geschädigte D. : Fr. 7'226.35
Geschädigte M. : Fr. 5'765.60
Geschädigte N. : Fr. 5'042.05
Geschädigte P. : Fr. 2'986.70
Geschädigte Q. : Fr. 1'371.55
Geschädigter O. : Fr. 5'266.– Total: Fr. 27'685.25
Die J. verlangt zuzüglich zur Schadenersatzforderung 5% Zins für die Geschädigten D. , M. , N. und O. seit dem 6. Juni 2018 (Urk. D4/50), für die Geschädigte P. seit dem 1. März 2018 (Urk. D4/61) und für die Geschädigte Q._ seit dem 9. März 2018 (Urk. D4/62). Nachdem dies vom Beschuldigten unbestritten blieb, ist dem diesbezüglichen Antrag der J. zu entsprechen.
2.4. Der Beschuldigte ist daher gemäss seiner Anerkennung zu verpflichten, der J. AG (Privatklägerin 11) Fr. 27'658.20 zuzüglich 5% Zins ab 1. März 2018
auf Fr. 2'986.70, ab 9. März 2018 auf Fr. 1'371.55 und ab 6. Juni 2018 auf Fr. 23'299.95 Schadenersatz zu bezahlen. Im Mehrbetrag (Schadenersatz für die Fahrhabe der jeweiligen Geschädigten) ist die Schadenersatzforderung der J. auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.
K. AG
Des Weiteren hat die Privatklägerin 12, die K. AG, Schadenersatzforderungen in der Höhe von Fr. 17'845.45 geltend gemacht (Urk. D4/42 und Urk. D4/48). Es handelt sich um Regressforderungen für Zahlungen an ihre Versicherungs-
nehmer R.
(Fr. 7'231.10) sowie G.
(Fr. 10'614.45). Die Reinigungsund Transportkosten werden vom Beschuldigten auch hier anerkannt, nämlich im Gesamtbetrag von Fr. 8'659.40, nicht aber die Entschädigungen für Fahrhabe (vgl. Urk. 145 S. 19). Belegt und vom Beschuldigten anerkannt sind betreffend die
Geschädigten R.
und G.
die Reinigungs- und Transportkosten im
Umfang von insgesamt Fr. 8'659.40 (Urk. D4/42; Urk. D4/48). Was den Ersatz für die beschädigte bzw. zerstörte Fahrhabe anbelangt, kann auf das zuvor unter Ziffer 2.3.1. Erwogene verwiesen werden. Auch hier fehlt es an Belegen und einer ausreichenden Substantiierung. Der Beschuldigte ist demzufolge gemäss seiner teilweisen Anerkennung zu verpflichten, der Privatklägerin 12 als Schadenersatz Fr. 8'659.40 zu bezahlen. Im Mehrbetrag ist die Schadenersatzforderung hingegen auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Vorinstanzliches Verfahren
Gestützt auf Art. 428 Abs. 3 StPO hat die Rechtsmittelinstanz von Amtes wegen auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu befinden, wenn sie selber ein neues Urteil fällt und nicht kassatorisch entscheidet. Gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Ausgenommen sind – unter dem Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO – die Kosten der amtlichen Verteidigung. Angesichts der angespannten fi- nanziellen Verhältnisse des Beschuldigten und aufgrund der auf von ihm zu leistenden hohen Schadenersatzzahlungen erscheint es im Sinne einer Ausnahme gerechtfertigt, dem Beschuldigten die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens le- diglich im Umfang von Fr. 10'000.– aufzuerlegen. Im übersteigenden Betrag sind sie definitiv abzuschreiben.
Zweitinstanzliche Kosten- und Entschädigungsfolgen
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird die das Rechtsmittel zurückzieht (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_1344/2019 vom 11. März 2020 E. 2.2. m.w.H.). Wird der Entscheid im Rechtsmittelverfahren nur unwesentlich abgeändert, können die Kosten nach dem Verursacherprinzip auferlegt werden (Urteil 6B_318/2016 vom 13. Oktober 2016
E. 4.1. m.w.H.). Die Staatsanwaltschaft beantragte mit ihrer Berufung ursprünglich
eine höhere Strafe, den Verzicht auf Anordnung einer ambulanten Massnahme bzw. den Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe zugunsten der Massnahme und eine Landesverweisung (Urk. 135 S. 2). Aufgrund ihres vollumfänglichen Berufungsrückzugs unterliegt sie in Bezug auf ihre Anträge. Gleiches gilt in Bezug auf den Beschuldigten betreffend seinen teilweisen Berufungsrückzug. Er unterliegt sodann mit seinen Anträgen in Bezug auf die Frage des Widerrufs und teilweise in Bezug auf die Zivilforderungen. Es rechtfertigt sich damit, dem Beschul- digten die Kosten im Umfang von zwei Dritteln aufzuerlegen und im Übrigen (zu einem Drittel) auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Kosten der amtlichen Vertei- digung sind auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von zwei Dritteln vorbehalten.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist in Anwendung von Art. 424 Abs. 1 StPO i. V. m. §§ 16, 2 Abs. 1 lit. b, c und d sowie 14 GebV OG unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falles sowie des Zeitaufwands des Gerichts für dieses Verfahren auf Fr. 3'000.– festzusetzen.
Der amtliche Verteidiger ist für seine Aufwendungen im Berufungsverfahren gemäss seiner Honorarnote (Urk. 147), unter Berücksichtigung der effektiven Dauer der Berufungsverhandlung, mit Fr. 10'200.– zu entschädigen.
Es wird beschlossen:
Vom Rückzug der Berufung der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und vom teilweisen Rückzug der Berufung des Beschuldigten wird Vormerk genommen.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 2. Abteilung, vom 26. Mai 2020 und 2. Juni 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Tatin-
terlokut), 3 (Schuldspruch), 4 (Strafe), 6 (ambulante Massnahme), 7 (Absehen von Landesverweisung), 8 und 10-15 (Zivilforderungen der Privatkläger 1, 3, 4, 5, 6, 8 und 9) sowie 18 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Gegen Ziffer 1 dieses Entscheids kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Es wird erkannt:
Der bedingte Vollzug der mit Entscheid des Bezirksgerichts Arbon vom
29. August 2016 ausgefällten Geldstrafe von 260 Tagessätzen zu Fr. 60.– wird widerrufen.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, der Privatklägerin 2 (C. ) als Scha- denersatz Fr. 53'284.– sowie Fr. 369'689.– zu bezahlen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 11 (J. AG) als Schadenersatz Fr. 27'658.20 zuzüglich 5% Zins ab 1. März 2018 auf Fr. 2'986.70, ab 9. März 2018 auf Fr. 1'371.55 und ab 6. Juni 2018 auf Fr. 23'299.95 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird die Schadenersatzforderung auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Der Beschuldigte wird gemäss seiner teilweisen Anerkennung verpflichtet, der Privatklägerin 12 (K. AG) als Schadenersatz Fr. 8'659.40 zu bezahlen. Im Mehrbetrag wird die Schadenersatzforderung auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt, jedoch im Fr. 10'000.– übersteigenden Umfang sofort abgeschrieben.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:
Fr. 10'200.– amtliche Verteidigung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden zu zwei Dritteln dem Beschuldigten auferlegt und zu einem Drittel auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von zwei Dritteln vorbehalten.
Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
die Privatklägerschaft
(Eine begründete Urteilsausfertigung gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
das Bezirksgericht Arbon, betr. S1.2016.8, gemäss Dispositivziffer 1
das Bezirksgericht Arbon, Rechnungswesen, betr. Vollzug der Geldstrafe gemäss Dispositivziffer 1
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A und B.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 23. September 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Meier
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