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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB210445: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um ein Ausstandsgesuch, das von A.________ gegen C.________ eingereicht wurde. A.________ beschuldigte den verfahrensleitenden Staatsanwalt der Ehrverletzung und Verletzung des Amtsgeheimnisses und stellte ein Ausstandsgesuch. Die Beschwerdekammer wies das Ausstandsgesuch ab, da die Begründung keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Staatsanwalts lieferte. Die Verfahrenskosten von Fr. 800.00 wurden A.________ auferlegt. Der Entscheid kann beim Bundesgericht in Lausanne angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB210445

Kanton:ZH
Fallnummer:SB210445
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210445 vom 31.05.2022 (ZH)
Datum:31.05.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Widerhandlung gegen die COVID-19-Verordnung 2
Schlagwörter : Person; Beschuldigte; Aktion; Personen; Verordnung; Covid; Covid-; -Verordnung; Beschuldigten; Urteil; Veranstaltung; Medien; Sinne; Berufung; Gruppe; Staat; Verein; Menschenansammlung; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Versammlung; Verordung; Erläuterung; Verteidigung; Velofahrer; Veranstaltungen; Verordung-; Menschenansammlungen; Erläuterungen
Rechtsnorm:Art. 10 StGB ;Art. 103 StGB ;Art. 11 EMRK ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB210445

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210445-O/U/hb

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Bertschi und Ersatzoberrichterin lic. iur. Nabholz sowie Gerichtsschreiber MLaw Pandya

Urteil vom 31. Mai 2022

in Sachen

A. ,

Beschuldigte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,

Anklägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin betreffend Widerhandlung gegen die COVID-19-Verordnung 2

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 25. März 2021 (GG200264)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat vom 20. Oktober 2020 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 11).

Urteil der Vorinstanz:

  1. Die Beschuldigte A. ist schuldig des Vergehens im Sinne von Art. 10f Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der COVID-19-Verordnung 2 (Stand

    am 14. Mai 2020).

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 1'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'100.00 Gebühr für das Vorverfahren

    Weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  5. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 24 S. 1 und Urk. 35 S. 1)

    1. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich sei vollumfänglich aufzuheben.

    2. Frau A. sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen die COVID- 19-Verordnung 2 vollumfänglich freizusprechen.

    3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren inkl. der Kosten der Verteidigung zu Lasten der Staatskasse

  2. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Zürich - Limmat: (Urk. 28 und Urk. 31)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils bezüglich Schuldspruch und Strafe.

Erwägungen:

  1. Gegenstand des Berufungsverfahrens

    Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung-Einzelgericht, vom 25. März 2021 wurde die Beschuldigte des Vergehens im Sinne von Art. 10f Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der COVID-19 Verordnung 2 (Stand am 14. Mai 2020) schuldig gesprochen und mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.-bestraft unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren. Die Kosten wur- den der Beschuldigten auferlegt.

    Im Anschluss an die mündliche Urteilseröffnung hat die Beschuldigte zu Protokoll Berufung angemeldet (Prot. I S. 22) und nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 21/1) mit Eingabe vom 20. August 2021 (Urk. 24) fristgerecht die Berufungserklärung eingereicht. Sie beantragt vollumfänglichen Freispruch unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse. Innert der mit Präsidialverfügung vom 1. September 2021 (Urk. 26) angesetzten Frist erklärte die Staatsanwaltschaft Anschlussberufung (Urk. 28) und präzisierte gemäss Aufforderung mit Präsidialverfügung vom 27. September 2021 (Urk. 29) ihre Anträge mit Eingabe vom 11. Oktober 2021 (Urk. 31). Sie beantragt die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils bezüglich Schuldspruch und Strafe.

    Das vorinstanzliche Urteil ist aufgrund der Berufung des Beschuldigten in allen Punkten angefochten, mit Ausnahme der Kostenfestsetzung (Dispositiv-Ziffer 4),

    welche in Rechtskraft erwachsen ist. Der Antrag der Staatsanwaltschaft geht auf Bestätigung des vorinstanzlichen Schuldspruchs und der Strafe und stellt keine Anschlussberufung dar.

    Die Berufungsverhandlung fand am 31. Mai 2022 in Anwesenheit der Beschuldigten und ihrer Verteidigung statt (Prot. II S. 5), wobei erstere im Anschluss an ihre Befragung aufgrund eines Arztzeugnisses von der weiteren Verhandlung dispensiert wurde (Urk. 35 und Prot. II S. 10).

  2. Sachverhalt

    1. Anklagevorwurf

      Der Beschuldigten wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich- Limmat vom 20. Oktober 2020 vorgeworfen, sie habe für die Gruppe B. zu einer Aktion aufgerufen, an welcher am tt.mm.2020 über ein Dutzend Velofahrer teilgenommen hätten. Dabei sei die rechte Fahrspur von der C. -Allee von der Höhe D. -Platz bis zur C. -Allee … mit Molankegeln abgesperrt worden und teilweise mit Spraydosen und Schablonen Velozeichen auf die Fahrspur gemalt worden. Die Beschuldigte sei vor Ort gegenüber den Medien für die Gruppe B. aufgetreten. Sie habe zuvor für die Gruppe zu dieser Aktion öffentlich aufgerufen und sei dafür verantwortlich gewesen, obschon es gemäss der damals gültigen COVID-Verordnung verboten gewesen sei, öffentliche private Veranstaltungen einschliesslich Sportveranstaltungen und Vereinsaktivitäten durchzuführen.

    2. Standpunkt der Beschuldigten

      In der polizeilichen Befragung vom 15. Juni 2020 (Urk. 2) und in der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 20. Oktober 2020 (Urk. 3) machte die Beschuldigte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. In der Befragung vor Vorinstanz vom 25. März 2021 sagte sie aus, sie habe an der Aktion als Me- diensprecherin der Gruppe B. teilgenommen, habe sich vor Ort befunden und die Medienanfragen beantwortet. Sie stehe als Mitunterzeichnerin auf der Medienmitteilung, welche im Zusammenhang mit dieser Aktion den Medien versandt worden sei, sie habe jedoch nicht zur Teilnahme an der Aktion aufgerufen. Sie sei bei der Aktion für die Medienarbeit verantwortlich gewesen, habe den Entwurf der Medienmitteilung redigiert. Zur sonstigen Organisation der Aktion könne sie nichts sagen (Prot. I S. 7 f.). Aus Sicht der Gruppe sei es wichtig, dass man auch in der Pandemie sicher unterwegs sein könne. Es sei deshalb auch wichtig zu sagen, dass auch an dieser politischen Aktion sämtliche Hygienemass- nahmen eingehalten worden seien, sie hätten Masken getragen und die Abstandsregeln eingehalten. Sie seien auch nie mehr als fünf Leute gewesen, welche die Aktion durchgeführt hätten. Sie hätten mit ihrer Aktion einen Beitrag dazu leisten wollen, dass man auch in der Pandemie sicher mit dem Fahrrad unterwegs sein könne. Das Ziel der Aktion sei gewesen, eine Autospur zu sperren und für Fahrradfahrer zugänglich zu machen (Prot. I S. 9). Aus ihrer Sicht sei es nicht Sinn und Zweck der COVID-19-Verordnung 2 politische Grundrechte einzuschränken. Es habe sich bei der Aktion nicht um ein Fussballspiel irgendeine Veranstaltung gehandelt, es sei eine politische Aktion gewesen, mit der sie ihren Willen auf der Strasse kundgetan hätten. Sie sei überzeugt, dass das unter Einhaltung der Abstandsregeln und Hygienemassnahmen auch in der Situation der Pandemie möglich sein müsse. Sie seien nur fünf Personen gewesen und hätten einfach ihren politischen Willen auf der Strasse geäussert (Prot. I S. 10). Es sei nicht so, dass sie gegen die Massnahmen hätten demonstrieren wollen, sie hätten vielmehr einen Beitrag leisten wollen, um die Pandemie zu bekämpfen (Prot. I S. 12). Es gebe Studien, die besagen, dass die Sterberate von an Covid-19 erkrankten Menschen bei hoher Luftverschmutzung höher sei. Wenn mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs wären, würde dies auch zu weniger Luftverschmutzung führen (Prot. I S. 9).

    3. Zu erstellender Sachverhalt

      Aufgrund der Aussagen der Beschuldigten ist erstellt, dass sie an der Organisation der Aktion der Gruppe B. vom 14. Mai 2020 als Medienverantwortliche beteiligt war. Sie hat die Medienmitteilung abgefasst und hat vor Ort gegenüber den Medien ein Interview gegeben. Auch der Ablauf der Aktion mit dem Aufstellen

      von Molankegeln zum Absperren der rechten Fahrspur und das Sprayen von Velozeichen auf die Fahrspur ist erstellt.

      Die Beschuldigte bestreitet, öffentlich zur Teilnahme an der Aktion aufgerufen zu haben und macht geltend, es seien nur immer 5 Personen vor Ort gewesen. Damit bestreitet sie auch den Anklagevorwurf, wonach über ein Dutzend Velofahrer bei der C. -Allee demonstriert hätten. Zu prüfen bleibt, ob sich diese beiden bestrittenen Sachverhaltspunkte erstellen lassen.

      Betreffend die Zahl der an der Aktion beteiligten Personen wird im Polizeirapport vom 17. Juni 2020 festgehalten, dass sich bei Eintreffen der Polizei am 14. Mai 2020 fünf Personen vor Ort befanden (Urk. 1 S. 1). Dass gleichzeitig mehr als 5 Personen anwesend waren, lässt sich auch nicht aus der bei den Akten liegenden Fotodokumentation entnehmen (Urk. 4). Auf diesen Aufnahmen sind die Mitglie- der der Gruppe B. mit Signalwesten ersichtlich. Nur auf den Bildern Nr. 1 und Nr. 6 sind neben ein bis zwei Person mit der Signalweste Velofahrer zu erkennen und sind inklusive Velofahrer mehr als 5 Personen auf einem Bild. Dass es sich bei den darauf erkennbaren Velofahrern um Teilnehmer an einer Kundgebung handelt und nicht um bloss zufällige Passanten, lässt sich unter Wahrung des Grundsatzes in dubio pro reo auch nicht erstellen, zumal in der fraglichen Zeit aufgrund der Pandemie die Benützung des Fahrrades statt öffentlicher Verkehrsmittel sehr weit verbreitet war und die Aktion im Morgenverkehr an sehr zentraler Lage in der Nähe des E. erfolgte. Im F. [Medienunternehmen]-Beitrag wird die Aktion denn auch als Guerilla-Aktion mitten im Morgenverkehr bezeich- net. Auf der Aufzeichnung des Beitrags sind auch nicht mehr als fünf dem Verein B. zuzuordnende Personen mit Warnwesten zu erkennen (diejenige Person, die die Kegel setzt, eine Person, die die Velozeichen mit der Farbdose auf die Fahrbahn sprayt, eine weitere Person, die am Anfang der gesetzten Molankegel ein Schild mit der Aufschrift B. , Zukunft inkl. trägt und zwei Personen, die das Banner halten, unter welchem die Fahrradfahrer durchfahren. Schliesslich kommt die Beschuldigte hinzu, welche gegenüber den Medien die Aktion kommentiert. Dass gleichzeitig mehr als fünf Personen vom Verein B. zusammen am gleichen Ort anwesend waren, ist nicht zu erkennen. Zugunsten der

      Beschuldigten ist daher davon auszugehen, dass während der Aktion nie mehr als fünf Personen des Vereins B. anwesend waren und dass es sich bei den vorbeifahrenden Velofahrern nicht um Demonstrationsteilnehmer, vielmehr um blosse Passanten handelte. Abgesehen davon ist festzuhalten, dass auch ein Vorbeifahren auf dem Velo nicht als Teilnahme an einer Versammlung qualifiziert werden könnte, zumal die betreffenden Personen nicht stehen blieben, vielmehr stets in Fahrt blieben, alles sich draussen abspielte und es nicht zu einer Perso- nenansammlung kam, was unter dem Aspekt einer Virusübertragung von entscheidender Bedeutung war.

      Da die Medienmitteilung des Vereins B. vom 14. Mai 2020 (Urk. 5), für welche die Beschuldigte unbestrittenermassen verantwortlich zeichnete, nach Durchführung der Aktion erfolgte, kann mit der Vorinstanz (Urk. 22 S. 9) daraus nicht geschlossen werden, dass die Beschuldigte vorgängig zu dieser Aktion öffentlich aufgerufen hatte. Dagegen zeigt der Umstand, dass F. vor Ort war und die Beschuldigte ein Statement abgab, dass dieses Medium über die Aktion orientiert war. Dies stellt jedoch kein Aufrufen zur Teilnahme an dieser Aktion dar.

      Zusammenfassend ist der Sachverhalt bezüglich der von der Beschuldigten bestrittenen Punkte nicht erstellt. Der rechtlichen Würdigung zugrunde zu legen ist demzufolge, dass neben der Beschuldigten an der Aktion 5 Personen des Vereins B. teilnahmen, wobei nicht erstellt ist, dass mehr als 5 Personen gleichzeitig vor Ort waren und dass zur Aktion öffentlich aufgerufen worden war.

  3. Rechtliche Würdigung

    1. Gesetzliche Grundlage

      Der zur Anklage gebrachte Sachverhalt ereignete sich am tt.mm.2020. Zur Anwendung gelangt daher die Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid -19) (nachfolgend Covid-19-Verordnung 2) mit Stand am tt.mm.2020.

      Gemäss Art. 6 Abs. 1 Covid-19-Verordung-2 ist es verboten, öffentliche private Veranstaltungen, einschliesslich Sportveranstaltungen und Vereinsaktivitäten

      durchzuführen. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe wird bestraft, wer sich vorsätzlich Massnahmen nach Art. 6 widersetzt, sofern keine schwerere strafbare Handlung nach dem Strafgesetzbuch vorliegt (Art. 10f Abs. 1 Covid-19- Verordung-2).

      Gemäss Art. 7c Abs. 1 Covid-19-Verordung-2 sind Menschenansammlungen von mehr als 5 Personen im öffentlichen Raum, namentlich auf öffentlichen Plätzen, auf Spazierwegen und in Parkanlagen verboten, ausgenommen sind Ansammlungen von Schulkindern auf Pausenplätzen. Bei Ansammlungen von bis zu 5 Personen ist zwischen den einzelnen Personen ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten (Art. 7c Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2). Wer gegen das Verbot von Menschenansammlungen in öffentlichen Raum nach Art. 7c verstösst, wird mit Busse bestraft (Art. 10f Abs. 2 lit. a Covid-19-Verordung-2).

      Aus der Gegenüberstellung der angedrohten Sanktionen geht hervor, dass ein Verstoss gegen das Verbot öffentlicher Veranstaltungen im Sinne von Art. 6 Covid-19-Verordung-2 ein Vergehen (Art. 10 Abs. 3 StGB), ein Verstoss gegen das Verbot von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum eine Übertretung (Art. 103 StGB) darstellt.

    2. Subsumption in concreto

      Aus vorstehender Übersicht der Bestimmungen der Covid-19-Verordung-2 geht hervor, dass das Verhalten der Beschuldigten straflos ist, wenn man dieses als Menschenansammlung von bis zu 5 Personen qualifiziert, da nicht erstellt ist, dass mehr als 5 Teilnehmende gleichzeitig vor Ort waren und dass die Teilnehmenden den Mindestabstand von zwei Metern nicht einhielten. Die vorbeifahren- den Velofahrer bildeten nicht Teil einer Ansammlung von Menschen.

      Wird das erstellte Verhalten dagegen als Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Covid-19-Verordung-2 qualifiziert, beträgt die Strafandrohung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe.

      Der Text der Covid-19-Verordnung-2 enthält keine Definition für den Begriff Veranstaltung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung. Dem Wortlaut der Bestimmungen ist zu entnehmen, dass Sportveranstaltungen und Vereinsaktivitäten unter diesen Begriff fallen. Im Bereich des Sports zulässig sind gemäss Art. 6 Abs. 4 Covid-19-Verordnung-2 Sportaktivitäten ohne Körperkontakt von Einzelpersonen und in Gruppen bis zu 5 Personen (Art. 6 Abs. 4 lit. a) und Trainings von Leistungssportlerinnen und -sportlern, die Angehörige eines nationalen Kaders eines nationalen Sportverbands sind und als Einzelpersonen, in Gruppen bis zu 5 Personen als beständige Wettkampfteams trainieren (Art. 6 Abs. 4 lit. b), wobei ein Schutzkonzept für diese Aktivitäten erarbeitet und umgesetzt werden muss (Art. 6 Abs. 5). Im Zusammenhang mit den Sportaktivitäten taucht die Zahl von 5 Personen gleichermassen auf wie im Zusammenhang mit den Menschenansammlungen im öffentlichen Raum im Sinne von Art. 7c Covid-19-Verordnung-2.

      Von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob die angeklagte Aktion vom 14. Mai 2020 als Menschenansammlung im öffentlichen Raum als Veranstaltung im öffentlichen Raum zu qualifizieren ist, ist der Zweck, der mit der Covid-19-Verordnung 2 angestrebt ist. Dieser liegt im vorliegenden Kontext in der Verhinderung Eindämmung des Coronavirus und von lokalen Ausbrüchen, Reduktion der Häufigkeit von Übertragungen und Unterbrechung von Übertragungsketten (Art. 1 Abs. 2 lit. a und lit. b Covid-19-Verordnung-2). Die im Rahmen des Verbots von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum angeführte Anzahl von maximal 5 Personen ist im Zusammenhang mit der Reduktion der Häufigkeit von Übertragungen zu sehen und findet sich wie bereits erwähnt auch im Zusammenhang mit Sportaktivitäten. Aus dem Auszug des Protokolls des Stadtrats von Zürich vom 2. September 2020 und der beigelegten Liste sämtlicher Demonstrationen, Kundgebungen ähnlichen Veranstaltungen seit dem 28. Februar 2020 geht hervor, dass gemäss Erläuterungen des BAG zur Covid-19- Verordung 2 vom 15. Mai 2020, Veranstaltungen bis zu 5 Personen erlaubt sind und Gruppen erlaubt sind, die untereinander keinen (räumlichen) Zusammenhang haben (Urk. 16 Liste S. 2). Diese Erläuterung ist ohne weiteres nachvollziehbar, kann es doch im Hinblick auf die Eindämmung des Virus klarerweise keine Rolle spielen, ob 5 Personen sich zu einem Kaffeekränzchen in Ausübung ihrer Meinungsäusserungsfreiheit zu einer politischen Aktion treffen (die Einhaltung der Abstandsregeln immer vorausgesetzt). In den Erläuterungen des BAG zur Covid19-Verordnung-2 in der Version vom 12. Juni 2020 wird Veranstaltung im Sinne von Art. 6 der Verordnung definiert als ein zeitlich begrenztes, in einem definierten Raum Perimeter stattfindendes und geplantes Ereignis, welches in aller Regel einen definierten Zweck und eine Programmfolge mit thematischer, inhaltlicher Bindung hat und dessen Organisation in der Verantwortung eines Veranstalters, einer Person, Organisation Institution liegt. Von zentraler Bedeutung für den vorliegenden Fall ist die Feststellung in den Erläuterungen, wonach mit Blick auf die zulässige Anzahl Personen bei Menschenansammlungen im öffentlichen Raum von neu 30 Personen (Art. 7c Abs. 1) davon auszugehen ist, dass entsprechende Gruppenanlässe zumindest ohne weitere zusätzliche Aspekte (Installatio- nen, Musikdarbietungen u.a.m.) nicht als Veranstaltungen nach Art. 6 gelten (Erläuterungen S. 22). Betreffend Art. 7c der Verordnung wird zur Abgrenzung einer Ansammlung von einer Veranstaltung auf die Erläuterungen zu Artikel 6 verwiesen (Erläuterungen S. 33). In Übereinstimmung mit dem Zweck der Verordnung ist den Erläuterungen zu entnehmen, dass gemäss dem Willen des Verordnungsgebers Veranstaltungen mit einer maximalen Anzahl von Personen, wie sie für Menschenansammlungen im öffentlichen Raum im Sinne von Art. 7c der Verord- nung zulässig ist, ebenfalls erlaubt sind und eine Strafbarkeit erst bei Überschreiten dieser Anzahl Personen gegeben ist.

      Da im Rahmen der Sachverhaltserstellung festgehalten wurde, dass eine Überschreitung der in jenem Zeitpunkt zulässigen Anzahl von 5 Personen nicht erstellt werden kann, gilt die vorliegend zu beurteilende Aktion nicht als Veranstaltung im Sinne von Art. 6 Covid-19-Verordnung-2 (Stand am 14. Mai 2020).

      Die Beschuldigte ist daher des Vergehens im Sinne von Art. 10f Abs. 1 in Verbin- dung mit Art. 6 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung 2 (Stand am 14. Mai 2020) nicht schuldig und ist freizusprechen.

      Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigen sich Ausführungen zur Frage, ob die Einschränkung der Versammlungsfreiheit, wie sie in Art. 6 der Covid-19- Verordnung 2 statuiert wurde, eine Verletzung der in Art. 11 EMRK garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit darstellt. Lediglich am Rande sei jedoch darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in

      seinem Urteil vom 15. März 2022 in Sachen Communauté Genevoise d'action Syndicale gegen Schweiz (Verfahren 21881/20) entschieden hat, dass das uneingeschränkte Versammlungsverbot zwischen 17. März 2020 und 30. Mai 2020 ei- ne Verletzung von Art. 11 EMRK darstellt. Der Gerichtshof berücksichtigte die beträchtliche Zeitdauer des allgemeinen Verbots (Erwägungen Ziffer 86) vertrat die Auffassung, der Bundesrat habe die Frage nicht beantwortet, weshalb der Zugang zu Fabriken und Büros weiterhin erlaubt war, auch wenn dort hunderte von Leuten angestellt waren, sofern die Angestellten die adäquaten organisatorischen und technischen Massnahmen ergriffen, um die Hygienemassnahmen und Abstandsregeln einhalten zu können, wogegen Aktivitäten im öffentlichen Raum auch draussen selbst dann nicht erlaubt waren, wenn die notwendigen gesundheitlichen Schutzmassnahmen eingehalten wurden (Erwägungen Ziffer 87). Fer- ner hielt der Gerichtshof fest, eine friedliche Demonstration dürfe im Prinzip nicht Gegenstand einer Strafandrohung bilden, die Verhängung einer Strafe bedürfe einer besonderen Begründung. Die angedrohte Strafe von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe beurteilte der Gerichtshof als sehr scharfe Sanktion. Er hielt fest, die schwere Bedrohung, welche das Coronavirus für die Gesellschaft und die öffentliche Gesundheit darstellte, müsse berücksichtigt werden wie auch der Umstand, dass am Anfang der Pandemie nur beschränkte Kenntnisse über den Charakter und die Gefährlichkeit des Virus herrschten und dass der Staat rasch handeln musste (Erwägungen Ziffer 84). Auf der anderen Seite sei die Bedeutung einer friedlichen Versammlung in einer demokratischen Gesellschaft in Betracht zu ziehen, die Dauer der Einschränkung der Versammlungsfreiheit sei zu berücksichtigen und die angedrohte Art und Schwere der Sanktion bei Verstoss gegen das Verbot. Ausserdem hätten die innerstaatlichen Gerichte in der relevanten Zeit kei- ne wirksame Kontrolle der fraglichen Massnahmen vorgenommen (Erwägungen Ziffer 91). Der Gerichtshof kam zum Schluss, die Schweiz habe mit dem Versammlungsverbot gemäss der Covid-19-Verordnung 2 ihren Ermessensspielraum überschritten und es liege eine Verletzung von Art. 11 EMRK vor. Gestützt auf die Erwägungen des Gerichtshofs stellt somit die Regelung gemäss Art. 6 Abs. 1 Covid-19-Verordnung 2 einen unverhältnismässigen Eingriff in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Sinne von Art. 11 EMRK dar. Eine Verurteilung der

      Beschuldigten gestützt auf Art. 10f. Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung 2 würde demzufolge eine Verletzung in ihrem von Art. 11 EMRK garantierten Freiheitsrecht darstellen.

  4. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    Die Beschuldigte ist vollumfänglich freizusprechen und obsiegt mit ihrer Berufung. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens beider Instanzen auf die Gerichtskasse zu nehmen

    (Art. 426 StPO und Art. 428 StPO). Der Beschuldigten ist für die Kosten ihrer Verteidigung für das ganze Verfahren eine Entschädigung zuzusprechen (Art. 429 StPO). Ihre Verteidigung machte für das Vorverfahren und das erstsowie zweitinstanzliche Gerichtsverfahren einen Aufwand von Fr. 9'705.50 geltend

    (Urk. 34B). Für die Berufungsverhandlung sah sie eine Dauer von fünf Stunden vor. Da die tatsächliche Verhandlungsdauer wesentlich kürzer ausfiel (siehe

    Prot. II S. 11), erscheint es angemessen, eine reduzierte Entschädigung von pauschal Fr. 9'000.– festzusetzen.

    Es wird beschlossen:

    1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 25. März 2021 bezüglich der Dispositivziffer 4 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.

    2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A.

    ist des Vergehens im Sinne von Art. 10f Abs. 1 in

    Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Covid-19-Verordnung 2 (Stand am 14. Mai 2020) nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Die Kosten des Vorverfahrens und des Gerichtsverfahrens beider Instanzen werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Der Beschuldigten wird für das ganze Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 9'000.– aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  5. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG).

  6. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 31. Mai 2022

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Der Gerichtsschreiber:

MLaw Pandya

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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