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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB210419: Obergericht des Kantons Zürich

Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Das Kantonale Zwangsmassnahmengericht verlängerte die Untersuchungshaft bis zum 8. November 2020. A.________ legte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde. Es besteht ein dringender Tatverdacht gegen ihn, da das mutmassliche Opfer ihn belastet und Beweise vorliegen. Es wird auch über Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr diskutiert. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 1'000.00 werden A.________ auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB210419

Kanton:ZH
Fallnummer:SB210419
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210419 vom 13.04.2022 (ZH)
Datum:13.04.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Raufhandel etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Berufung; Leverkusen; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Punkt; Beschuldigten; Schläge; Auseinandersetzung; Person; Zürcher; Leverkusener; Urteil; Raufhandel; Sinne; Vorinstanz; Personen; Angriff; Schal; Berufungsverfahren; Recht; Schlägerei; Geschehen; Schuldpunkt; Video
Rechtsnorm:Art. 133 StGB ;Art. 134 StGB ;Art. 140 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 196 StPO ;Art. 282 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 401 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 437 StPO ;Art. 45 StGB ;
Referenz BGE:141 IV 249; 146 IV 226; 147 IV 16; 147 IV 9;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB210419

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210419-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. B. Gut, Präsident, lic. iur. C. Maira und lic. iur. B. Amacker sowie Gerichtsschreiberin MLaw N. Hunziker

Urteil vom 13. April 2022

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. E. Lüscher,

Anklägerin und Berufungsklägerin

gegen

A. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. , betreffend Raufhandel etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 29. März 2021 (GB200091)

Anklage:

Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 30. September 2020 (Urk. 19) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 36 S. 22 f.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig

    • des Raufhandels im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB sowie

    • der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 100.– – wovon 8 Tagessätze als durch Haft erstanden gelten – sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  5. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 900.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. Kosten Kantonspolizei

    Fr. 1'000.00 Gebühr Anklagebehörde

    Fr. Kanzleikosten

    Fr. Auslagen Untersuchung Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  6. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  7. Der Antrag auf Zusprechung einer Entschädigung für die erbetene Verteidigung wird abgewiesen.

  8. (Mitteilungen)

  9. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

(Prot. II S. 7)

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 37, Urk. 49 S. 1 f.)

    1. Ziffer 1. des Urteils des ER am BG Zürich vom 29. März 2021 sei aufzuheben und der Beschuldigte sei stattdessen wegen Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB sowie der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG schuldig zu sprechen.

  2. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 53 S. 2)

1. Es sei die Berufung der Berufungsklägerin vollumfänglich abzuweisen soweit darauf eingetreten werden kann.

  1. Alles unter Entschädigungs- und Kostenfolgen zu Lasten der Berufungsklägerin

    Erwägungen:

    1. Prozessgeschichte, Berufungsumfang, Prozessuales

  1. Prozessgeschichte

    1. Das vorstehend wiedergegebene Urteil vom 29. März 2021 wurde der Staatsanwaltschaft am 6. April 2021 zugestellt (Urk. 30 f.). Die Staatsanwaltschaft meldete mit Eingabe vom 8. April 2021 innert Frist Berufung an (Urk. 26).

    2. Nach Zustellung des begründeten Urteils (Urk. 35/1) reichte die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 10. August 2021 fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 37). Mit Präsidialverfügung vom 18. August 2021 wurde die Berufungserklärung in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 und Art. 401 StPO dem Beschuldigten zugestellt, um gegebenenfalls Anschlussberufung zu erheben Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde den Parteien Frist zur Stellungnahme bezüglich einer schriftlichen Durchführung des Berufungsverfahrens angesetzt (Urk. 40). In Ihrer Eingabe vom 23. August 2021 erklärte sich die Staatsanwaltschaft mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens einverstanden (Urk. 42). Der Beschuldigte verzichtete mit Schreiben vom 9. September 2021 auf Anschlussberufung und erklärte sich ebenfalls mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens einverstanden (Urk. 43).

    3. Mit Präsidialverfügung vom 10. September 2021 wurde den Parteien mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren schriftlich durchgeführt werde. Gleichzeitig wurde der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, um die Berufungsanträge zu stellen und zu begründen (Urk. 45). Mit Eingabe vom 8. November 2021 reichte die Staatsanwaltschaft innert zweimal erstreckter Frist ihre Berufungsbegründung ins Recht (Urk. 49). Mit Präsidialverfügung vom 16. November 2021 wurde dem Beschuldigten sowie der Vorinstanz die Berufungsbegründung zugestellt und dem Beschuldigten Frist angesetzt, um die Berufungsantwort einzureichen. Gleichzeitig wurde der Vorinstanz Gelegenheit zur freigestellten Vernehmlassung gegeben (Urk. 50), worauf diese verzichtete (Urk. 52). Die Berufungsantwort des Beschul- digten ging am 10. Dezember 2021 ein (Urk. 53). Mit Präsidialverfügung vom 13. Dezember 2021 wurde der Staatsanwaltschaft die Berufungsantwort unter Fristansetzung zur freigestellten Stellungnahme zugestellt und das Beweisverfahren als geschlossen erklärt (Urk. 56). Mit Eingabe vom 16. Dezember 2021 erklärte die Staatsanwaltschaft, auf eine Stellungnahme zur Berufungsantwort zu verzichten (Urk. 58). Die Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft wurde dem Beschuldigten am 3. Januar 2022 zur Kenntnisnahme zugeschickt. Am 8. bzw. 9. März 2022 bestätigten die Parteien ihren Entscheid bezüglich der schriftlichen Durchführung des Berufungsverfahrens (Urk. 59).

    4. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

  2. Umfang der Berufung

    1. Gemäß Art. 399 StPO muss in der Berufungserklärung angegeben werden, ob das Urteil als Ganzes nur in Bezug auf bestimmte Teile angefochten wird. Im letzteren Fall muss der Berufungskläger in seiner Berufungserklärung endgültig angeben, auf welche Teilpunkte sich die Berufung bezieht. Art. 399 Abs. 4 StPO zählt in den Buchstaben a bis g die Teilpunkte des Urteils, die gesondert angefochten werden können, abschliessend auf. Die Berufung kann sich somit insbesondere auf den Schuldpunkt – gegebenenfalls in Bezug auf jede einzelne Tat – beziehen. Innerhalb der in Abs. 4 aufgelisteten Teilpunkte können keine einschränkenden Differenzierungen vorgenommen werden (Zürcher Kommentar StPO-ZIMMERLIN, Art. 399 StPO N 17 m.w.H.).

    2. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung auf den Schuldpunkt betreffend Raufhandel bzw. die entsprechende rechtliche Qualifikation beschränkt. Sie ficht ausdrücklich Dispositivziffer 1, 1. Spiegelstrich, des vorinstanzlichen Entscheids an (Urk. 37; Urk. 49 S. 1 f.). Ihren Ausführungen in der Berufungserklärung ist zu entnehmen, dass sie den Vorfall vom 26. Oktober 2018 nicht nur rechtlich anders würdigt, sondern auch die diesbezüglichen sachverhaltlichen Erwägungen der Vorinstanz – welche insbesondere eine wechselseitige tätliche Auseinandersetzung als erstellt erachtete (Urk. 36 S. 10 E. III.7.) – moniert (Urk. 37; vgl. auch Urk. 47 S. 2 ff.). Damit gilt der Schuldpunkt betreffend den Vorfall vom 26. Oktober 2018 (Dispositivziffer 1, 1. Spiegelstrich) als Ganzes als angefochten.

    3. Wird die Berufung auf die Anfechtung des Schuldpunkts beschränkt, muss eine Gutheissung automatisch dazu führen, dass die mit dem Schuldpunkt eng verknüpften Teile des Urteils neu überprüft werden, selbst wenn diesbezüglich keine ausdrücklichen Anträge vorliegen. Folglich ist bei einer Gutheissung einer solchen Berufung insbesondere das Strafmass zu überprüfen. Wird der Berufungsantrag im Schuldpunkt indessen abgewiesen, sind die weiteren nicht angefochtenen Urteilspunkte bei einer Beschränkung der Berufung nicht zu überprüfen

      (Urteil des Bundesgerichts 6B_1299/2018 vom 28. Januar 2019, E. 2.3.; ZIMMER- LIN, a.a.O., Art. 399 StPO N 19 m.w.H.).

    4. Vorliegend beschränkt sich die Berufung der Staatsanwaltschaft wie gesehen auf den Schuldpunkt betreffend den Vorfall vom 26. Oktober 20218. Den Strafpunkt ficht sie nicht an. Ist der Berufung der Staatsanwaltschaft im Schuldpunkt kein Erfolg beschieden, darf der Strafpunkt im vorliegenden Berufungsverfahren folglich nicht überprüft werden.

    5. Unangefochten blieben bzw. nicht als mitangefochten gelten der Schuldpunkt betreffend Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG (Dispositivziffer 1, 2. Spiegelstrich), das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffer 5 und 6) und der Entschädigungspunkt (Dispositivziffer 7). In diesem Umfang ist der vorinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen, was vorab vorzumerken ist (Art. 399 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 437 StPO).

    6. Im Übrigen steht der angefochtene Entscheid – mit dem erwähnten Vorbehalt (Ziff. I.2.4.) – zur Disposition.

  3. Prozessuales (Verwertbarkeit der Beweismittel)

    1. Die Vorinstanz qualifiziert sämtliche Beweismittel als uneingeschränkt verwertbar (Urk. 36 S. 4 ff. E. II.). Diese Beurteilung wird im Berufungsverfahren von keiner Partei in Abrede gestellt. Die Verwertbarkeit von Beweismitteln ist indes ei- ne von Amtes wegen zu prüfende Frage. Das vorliegend zentrale Beweismittel ist das Video des Hotels B. (Urk. D1/2/6, Datei Täter 8_Unbekannt). Auf dessen Verwertbarkeit ist im Folgenden näher einzugehen.

    2. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um eine amtliche Überwachungsmassnahme im Sinne von Art. 196 StPO handelt, welche behördlich zu bewilligen gewesen wäre. Da das in Frage stehende Video sodann vom öffentlichen Raum aufgenommen wurde, scheidet auch ein Beweisverwertungsverbot gestützt auf einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre der aufgezeichneten Personen gemäss Art. 179quater StGB aus. Diese Strafbestimmung umfasst

      den allgemein öffentlich zugänglichen Raum nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_536/2009 vom 12. November 2009, E. 3.2).

    3. Allerdings sind im öffentlichen Raum auch private Aufzeichnungen von Drittpersonen nur beschränkt zulässig. Zu beachten sind bei privaten Videoüberwachungsanlagen die Vorschriften des Datenschutzgesetzes (DSG, SR 235,1; vgl. BGE 147 IV 9 E. 1.3.2., präzisierend BGE 147 IV 16 E. 3. und 5.). Ob ein Verstoss gegen das DSG vorliegt, kann letztlich aber offenbleiben.

    4. Die Verwertbarkeit von rechtswidrig erhobenen Beweismitteln richtet sich nach Art. 140 f. StPO. Von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel sind verwertbar, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für deren Verwertung spricht. Bei der Interessenabwägung ist derselbe Massstab wie bei staatlich erhobenen Beweisen anzuwenden. Die Verwertung ist damit nur zulässig, wenn dies zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich ist (BGE 146 IV 226 E. 2). Entscheidend für die Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweises ist die Schwere der konkreten Straftat. Dabei kann auf Kriterien wie das geschützte Rechtsgut, das Ausmass dessen Gefährdung bzw. Verletzung, die Vorgehensweise und kriminelle Energie des Täters das Tatmotiv abgestellt werden (BGE 147 IV 9 E. 1.4.2., bestätigt in BGE 147 IV 16, E. 6.).

    5. Die abstrakten Voraussetzungen der Erreichbarkeit sind vorliegend erfüllt. Es liegt keine verbotene Beweiserhebung gemäss Art. 140 StPO vor, und die Voraussetzungen zur Durchführung einer Observation gemäss Art. 282 StPO sind bei Vergehen als gegeben zu betrachten. Der Subsidiaritätsgrundsatz muss so- dann nicht geprüft werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_786/2015 vom

      8. Februar 2016, E. 1.3.1 m.w.H.). Weiter handelt es sich beim Tatort generell um einen deliktsträchtigen Bereich in der Stadt Zürich, bei welchem mit erhöhter Wahrscheinlichkeit mit Straftaten zu rechnen ist. Auch die Polizei selbst wäre befugt, den öffentlichen Raum präventiv motiviert, d.h. zur Verhinderung und Erken- nung von Verbrechen und Vergehen zur Gefahrenabwehr, zu überwachen (vgl. § 32 ff. PolG ZH). Damit liegen insgesamt genügende gesetzliche Grundlagen vor, aufgrund welcher die Strafbehörden die Videoaufnahme rechtmässig hätten erlangen können.

    6. Der Beschuldigte wirkte zusammen mit weiteren Zürcher Fans physisch teils heftig auf mehrere Fans von Bayer Leverkusen ein. Letztere verhielten sich dabei hauptsächlich abwehrend steckten schlicht ein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zürcher Fans zahlenmässig klar überlegen waren. Die teils heftige Gewalt manifestierte sich hauptsächlich in Faustschlägen und Fusstritten, woraus als nennenswerte Verletzung eine Schädelprellung eines Leverkusener resultierte. Der Beschuldigte teilte immerhin zwei Schläge aus. Insgesamt ist die kriminelle Energie des Beschuldigten damit als hoch zu werten. Sein Tatmotiv ist in der Zugehörigkeit zur Anhängerschaft eines anderen Fussballclubs zu sehen und somit verwerflicher Natur. Die Verletzung bzw. Gefährdung der körperlichen Integrität wiegt schwer. Der dem Beschuldigten vorgeworfene und wie zu zeigen sein wird erstellte Sachverhalt erreicht unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles insgesamt die geforderte Schwere von Art. 141 Abs. 2 StPO. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung der vorliegenden Straftat ist hoch und überwiegt dasjenige des Beschuldigten an der rechtskonformen Erhebung der privaten Videoaufnahmen. Im Übrigen ist zu bemerken, dass nicht etwa der Geheimoder Privatbereich des Beschuldigten, sondern lediglich seine Teilnahme an einer physischen Auseinandersetzung auf öffentlich zugänglichem Grund gefilmt wurde. Die Videoaufnahme stellt zudem in der Gesamtheit aller Beweiselemente ein unerlässliches Beweismittel dar. Insbesondere greift auch die Verteidigung wiederholt in ihren Ausführungen auf Erkenntnisse der besagten Aufnahme zurück.

    7. Zusammenfassend ist die Videoaufnahme des Hotels B.

uneingeschränkt verwertbar. Entsprechendes gilt – unter Hinweis auf die diesbezüglichen zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz (Urk. 36 S. 4 ff. E. II.) – für die weiteren Beweismittel.

II. Sachverhalt

  1. Anklagevorwurf und Allgemeines

    Betreffend den dem Beschuldigten zur Last gelegten Anklagevorwurf kann auf den beigehefteten Strafbefehl vom 30. September 2020 der Staatsanwaltschaft (Urk. 19) verwiesen werden. Die Berufungsinstanz kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (vgl. BGE 141 IV 249 E. 1.3.1

    S. 253; 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; je mit Hinweisen).

  2. Standpunkte

    1. Vorinstanz

      Die Vorinstanz erachtete den angeklagten Sachverhalt zusammengefasst dahingehend als erstellt, dass der Beschuldigte zu einer wechselseitigen tätlichen Auseinandersetzung zwischen Leverkusen-Fans und Zürchern hinzugekommen sei, wobei Personen auf Zürcher Seite die Leverkusener im Laufe der wechselseitigen Auseinandersetzung mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert hätten und einer der Zürcher mit dem Fuss gegen den Kopf des Leverkusener C.___ getreten habe, sodass dieser eine Schädelprellung erlitten habe. Weiter sei auch erstellt, dass der Beschuldigte selber zwei Schläge ausgeteilt habe, wovon einer gegen den Hinterkopf von C.___ (Urk. 36 S. 10).

    2. Staatsanwaltschaft

      Die Staatsanwaltschaft stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, die Leverkusen-Fans hätten sich ihrer Unterkunft genähert, als sie ohne ersichtlichen Grund von den FCZ-Fans angegangen worden seien. Ein FCZ-Fan habe einem Leverkusener den Fanschal weggenommen. Als der Leverkusener C.___ dagegen verbal aufbegehrt habe, sei er mit der offenen Hand ins Gesicht geschlagen worden. Als er weiter versucht habe, den Schal zurückzuerobern und dazu den Schaldieb von sich gestossen habe, hätten auch die übrigen Zürcher begonnen, auf die Leverkusener einzuwirken und das Ganze habe damit geendet, das die Leverkusener von den Zürchern in Überzahl regelrecht verdroschen worden seien. Selbst wenn in den tätlichen Abwehr-

      handlungen des Geschädigten C.___ eine gewisse Gegenseitigkeit gesehen werden könne, fehle eine solche in Bezug auf den Geschädigten D.___, welcher selbständiges Ziel des Angriffs der gewaltbereiten FCZ-Fans gewesen sei. Zu erwähnen sei sodann der Umstand, dass der Beschuldigte erst in einer späten Phase der Auseinandersetzung eingegriffen habe. Von den anfänglichen Abwehrhandlungen des Geschädigten C.___ habe er nichts mitbekommen, in jenem Zeitpunkt habe er sich noch auf der anderen Strassenseite, vor dem Restaurant E.___ aufgehalten. Er könne somit keinesfalls davon ausgegangen sein, es handle sich um eine wechselseitige Angelegenheit, denn damals sei bereits aus allen Rohren auf den Geschädigten C.___ eingedroschen worden, der sich nur noch habe einigeln können und auf diese Art und Weise die Wirkung der auf ihn einprasselnden Faustschläge und Fusstritte zu mindern versuchen (Urk. 49).

    3. Beschuldigter

      Vom Beschuldigten wurde zusammengefasst ausgeführt, die Vorinstanz habe festgestellt, dass es C.___ gewesen sei, der zunächst auf den vermeintlichen Räuber losgegangen sei und diesem zudem einen halbvollen Bierbecher angeworfen habe. Die Schlägerei sei damit klar als wechselseitig zu qualifizieren. Die Beschuldigte habe gemäss Bezirksgericht just in jenem Moment von der Auseinandersetzung Kenntnis erhalten, in welchem C.___ und der mutmassliche Räuber sich gegenseitig geschlagen hätten. Auf den Videoaufnahmen sei sichtbar, dass der Beschuldigte zunächst mit dem Rücken zum Geschehen gestanden sei, sich aber erstmals um 01:05:47 Uhr umgedreht und die Schlägerei wahrgenommen habe. Sogleich habe er sich auf den Weg zur Rangelei gemacht, um 01:05:53 Uhr, wobei der erste Schlag C.___s um 01:05:58 Uhr erfolgt sei. Der Beschuldigte habe daher nichts anderes wahr- nehmen können als eine Schlägerei, die klar wechselseitig verlaufen sei. Dies sei indirekt auch durch die Staatsanwaltschaft anerkannt, indem diese argumentiere, dass in den tätlichen Abwehrhandlungen des Geschädigten C.___ eine gewisse Gegenseitigkeit gesehen werden könne. Auch gestehe die Staatsanwaltschaft ein, dass vom vorherigen Geschehen der Beschuldigte

      nichts mitbekommen habe. Die Vorinstanz habe auch festgestellt, dass in dem Zeitpunkt, als er sich dem Geschehen erstmals zugewandt habe, noch keine der Seiten klar überlegen gewesen sei. Unerwähnt lasse die Vorinstanz im Urteil, dass es unmittelbar im Anschluss an die erste heftige Aktion von C.___ zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen den Fangruppen kam, während der der Geschädigte C.___ den Täter 2 von sich weggestossen habe (01:05:53 Uhr). Als Folge dieses Stosses habe sich Täter 5 am Geschehen beteiligt und dem Geschädigten D.___ ins Gesicht geschlagen. C.___ habe darauf mit weiteren Schlägen und Tritten gegen den Täter 2 reagiert, woraufhin die wechselseitige Auseinandersetzung zwischen C.___ und mehreren mutmasslichen Zürich Fans ihren Fortgang genommen habe (ab 01:05:55 Uhr). Dies bestätige allerdings nur die ohnehin bereits klare vorinstanzliche Feststellung der Wechselseitigkeit (Urk. 53).

  3. Unbestrittener Sachverhalt

    1. Im Berufungsverfahren unbestritten ist, dass es sich beim Beschuldigten um die Person mit dem Bart und der braunen Lederjacke handelt, welche in der relevanten Videoaufnahme (Datei Täter 8_Unbekannt; Urk. D1/2/6) eingekreist ist.

    2. Ebenfalls unbestritten sind folgende vorinstanzlichen – bereits oben wiedergegebenen – Erwägungen: Der Beschuldigte kam zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Leverkusen-Fans und Zürchern hinzu, wobei Personen auf Zürcher Seite die Leverkusener mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert haben und einer der Zürcher mit dem Fuss gegen den Kopf des Leverkusener C. getreten hat, sodass dieser eine Schädelprellung erlitt. Der Beschuldigte selber hat zwei Schläge ausgeteilt, wovon einer gegen den Hinterkopf von C. . Mit Blick auf die Aufnahme der Überwachungskamera des Hotels B. (Datei Täter 8_Unbekannt; Urk. D1/2/6) sind diese Erwägungen zutreffend.

  4. Bestrittener bzw. zu erstellender Sachverhalt

    1. Strittig und daher nachfolgend zu erstellen ist, ob es sich um eine wechselseitige Auseinandersetzung handelte und zu welchem Zeitpunkt der Beschuldigte zum Geschehen hinzukam bzw. wie sich das Geschehen für ihn präsentierte, als er hinzukam.

    2. Von der Staatsanwaltschaft wurde nicht in Abrede gestellt, dass der Leverkusener C. zu Beginn des Streits um den Schal eines anderen Leverkuse- ner den mutmasslichen Schalräuber von sich weggestossen hat (vgl. Datei Täter 8_Unbekannt; Urk. D1/2/6 ab 01:05:47 Uhr). Bereits diese unbestrittene Handlung C.___s begründet eine gewisse Wechselseitigkeit der Auseinandersetzung, was auch von der Staatsanwaltschaft grundsätzlich anerkannt wird.

    3. Die Vorinstanz erwog, auf dem Video sei ab dem Zeitpunkt 01:05:17 Uhr zu sehen, dass vier Personen – offensichtlich Fans von Bayer Leverkusen – von der F. -strasse her zum Hoteleingang gehen würden. Drei Personen, welche sich zunächst beim E. befinden würden, würden gleichzeitig die Strassenseite wechseln und zu den Leverkusen-Fans hingehen, wobei eine dieser drei Personen mit den Leverkusen-Fans spreche, eine zweite den Schal eines Lever-

      kusen-Fans – wohl G.

      • behändige und die dritte Person eher im Hintergrund bleibe (Urk. D1/2/6 01:05:40 Uhr). Als die offensichtlich körperlich robusteste Person auf Leverkusener Seite – wohl C. – den mutmasslichen Raub des Schals – wie dieser rechtlich zu würdigen sei, sei vorliegend irrelevant und könne somit offen gelassen werden – bemerke, komme er dem mutmasslich Beraubten zu Hilfe. Der mutmassliche Räuber gebe in der Folge C. einen Klaps an die

        Ohren, woraufhin C.

        auf den mutmasslichen Räuber losgehe und diesem

        überdies einen halbvollen Bierbecher anwerfe (Urk. D1/2/6 01:05:44 Uhr). Aus dieser Situation heraus entstehe eine Rangelei, welche zunächst noch – wohl auch dank dem zunächst noch ausgeglichenen Stärkeverhältnis, seien die Zürcher doch zwar zahlenmässig überlegen, C. aber ganz offensichtlich die mit Abstand kampfstärkste Person – vergleichsweise harmlos verlaufe. Auf Zürcher Seite seien dabei inzwischen sechs Personen anwesend, wobei sich von den drei zusätzlichen Personen eine bereits vor Beginn der tätlichen Auseinandersetzung

        und die beiden anderen unmittelbar danach vom E. aus auf den Weg zur Rangelei gemacht hätten (Urk. 36 S. 7).

    4. Weiter erwog die Vorinstanz, der Beschuldigte selber sei bis zu diesem Zeitpunkt nicht vor Ort, sondern noch auf der anderen Strassenseite beim E. . Auf den Bildern sei auch zu sehen, dass der Beschuldigte den Beginn der Ausei- nandersetzung – insbesondere auch den mutmasslichen Raub des Schals – gar nicht mitbekomme, stehe er doch zu jenem Zeitpunkt noch mit dem Rücken zum Geschehen. Das erste Mal drehe er sich um 01:05:47 Uhr um, als C. und der mutmassliche Räuber sich gegenseitig prügelten, wobei zu diesem Zeitpunkt

      • wie bereits dargelegt – noch keine der Seiten klar überlegen sei. Kurz nachdem der Beschuldigte das Geschehen bemerkt habe, mache er sich auf den Weg zur Rangelei (ab 01:05:53 Uhr), wobei vor ihm noch weitere drei Personen – wovon eine (jene mit der schwarzen Kappe) allerdings klarerweise nur schlichtend tätig gewesen sei, eine andere (jene mit der weissen Dächlikappe) dafür umso heftigere Gewalt ausgeübt habe – beim Geschehen eintreffen und nach ihm noch weitere sechs Personen hinzukämen. In der Folge komme es zwischen 01:05:55 und 01:06:27 Uhr zu einer halbminütigen Schlägerei. Dabei teile C. zu Beginn auch aus (vgl. 01:05:58 Uhr) – weshalb die Schlägerei zumindest zu Beginn wechselseitig sei –, doch habe er in der Folge gegen die zahlenmässige Übermacht der Zürcher keine Chance und werde mehrfach geschlagen (vgl. insbeson- dere 01:06:14-19 Uhr). Dabei werde C. von der offensichtlich rücksichtslosesten Person auf Zürcher Seite – jener mit der weissen Dächlikappe – auch gegen den Kopf getreten (Urk. D1/2/6 01:06:21 Uhr), sodass C. eine Schädelprellung erleide (vgl. Urk. D1/13/3; Urk. 36 S. 8).

    5. Schliesslich erwog die Vorinstanz, der Beschuldigte sei zunächst bis 01:06:04 Uhr sichtbar – wobei aber keine konkreten Gewalttaten des Beschuldigten selber ersichtlich seien –, und dann wieder ab 01:06:09 Uhr, wobei er um 01:06:12 Uhr allem Anschein nach einen Leverkusener Fan ein Mal schlage. Da- nach seien keine Schläge des Beschuldigten selber mehr ersichtlich, wobei er aber – ohne zu intervenieren – zuschaue, wie eine andere Person der Zürcher Gruppe einen Leverkusener mehrere Sekunden lang mehrmals relativ heftig

      schlage. Als sich die Szene um ca. 01:06:26 Uhr auflöse, gehe der Beschuldigte nochmals zu C. hin und spreche zunächst auf diesen ein – wobei er ihm der Gestik zufolge wohl bedeute, nun ins Hotel zu gehen – und anschliessend – nachdem sich dieser umgedreht gehabt habe, um ins Hotel zu gehen – verpasse er C. noch einen Faustschlag an den Hinterkopf (Urk. D1/2/6 01:06:37 Uhr; Urk. 36 S. 8).

    6. Diese zutreffenden Erwägungen können übernommen werden. Teilweise rekapitulierend und ergänzend ist festzuhalten, dass die Zürcher Fans die physische Auseinandersetzung zweifellos streitsuchend provozierten und teils heftige Gewalt gegen die Personen auf der Leverkusen-Seite ausübten. Zumin- dest zu Beginn war die Schlägerei noch wechselseitig. Hierfür genügt, dass auf Seiten der Leverkusener C. gegen die Zürcher tätlich in Erscheinung trat, auch wenn es sich dabei in erster Linie um Abwehrhandlungen handelte. Zu den konkreten Handlungen C. s ist – mit dem Beschuldigten – festzuhalten, dass er während der Schlägerei mit mehreren Schlägen und Tritten gegen den mutmasslichen Schalräuber reagiert hat (Datei Täter 8_Unbekannt; Urk. D1/2/6 ab 01:05:55 Uhr). Zudem ging er – mit der Vorinstanz (Urk. 36 S. 11) – zu Beginn des Streits zwecks Rückeroberung des Fanschals auf den mutmasslichen Räuber los, nachdem dieser ihm provozierend einen Schlag von eher geringer Intensität gegen die Ohren erteilt hatte und stiess ihn etwas später von sich weg, als sich dieser ebenfalls provozierend vor ihm aufstellte, woraufhin es zur Schlägerei kam (Datei Täter 8_Unbekannt; Urk. D1/2/6 ab 01:05:44). Der Beschuldigte hat den mutmasslichen Schalraub nicht mitbekommen, weil er mit dem Rücken zum Geschehen auf der anderen Strassenseite vor dem E.___ stand. Als er sich umdrehte und das Geschehen bemerkte, nahm er die Rangelei zwischen C.___ und dem mutmasslichen Schalräuber wahr. Den Blick auf das Geschehen gerichtet, machte er sich auf den Weg dorthin, wobei dieses nun in eine Schlägerei mündete und C.___ wie gesehen zu Beginn Schläge und Tritte gegen den mutmasslichen Schalräuber austeilte. Der Beschuldigte beteiligte sich selber mit einem Schlag gegen C.___ und einem zweiten gegen einen anderen Leverkusener an der Schlägerei (a.a.O. ab 01:05:47). Auch aus der Perspektive des Beschuldigten beteiligte er sich folglich an einer wechselseitigen physischen Auseinandersetzung. Daran ändert nichts, dass sich ein Schlag gegen einen – soweit ersichtlich – selber nicht tätlich aktiven Leverkusener richtete, zumal aufgrund der unmittelbaren Abfolge der Ereignisse und der Dynamik der Auseinandersetzung das Tatgeschehen sachlich, räumlich und zeitlich als Einheit zu betrachten ist. In subjektiver Hinsicht bleibt Folgendes festzuhalten. Es ist nicht zweifelhaft, dass sich der Beschuldigte wissentlich und willentlich an der Schlägerei beteiligt hat. Dies war sein eigentliches Handlungsziel.

  5. Ergebnis

Zusammenfassend ist der Anklagesachverhalt im Sinne der Erwägungen der Vorinstanz erstellt (vgl. Ziff. II.2.1.).

  1. Rechtliche Würdigung

    1.

      1. Die Staatsanwaltschaft wendet in rechtlicher Hinsicht ein, der Vorfall sei als Angriff im Sinne von Art. 134 StGB und nicht als Raufhandel im Sinne von Art. 133 StGB zu qualifizieren. Der einzige und wesentliche Unterschied zwischen ei- nem Angriff und einem Raufhandel bestehe darin, dass die körperlichen Einwirkungen beim Raufhandel wechselseitig erfolgen müssten, während beim Angriff lediglich von einer Seite aus auf die andere losgegangen werde und diese höchstens abwehren dürfe. Eine solche Abwehr sei vorliegend gegeben. C. habe versucht, den Angriff des Schalräubers – ein Schlag an den Kopf – abzuwehren, wobei seine entsprechende Handlung nicht über die Intensität einer Abwehrhandlung hinausgegangen sei. Es habe sich keineswegs um eine tätliche Auseinan- dersetzung zwischen Leverkusen-Fans und Zürchern gehandelt, da auf Seiten der Leverkusener lediglich der Geschädigte C. sich gegen den Angriff körperlich gewehrt habe. Es habe somit keinerlei Anlass dafür bestanden, dass der Beschuldigte habe davon ausgehen können, dass er sich an einem Raufhandel beteiligen würde. Sein Vorsatz habe sich auf einen reinen Angriff bezogen. Es

        komme nur die Verurteilung wegen der Teilnahme an einem Angriff in Frage (Urk. 49).

      2. Der Beschuldigte führt zusammengefasst aus, damit es sich um einen wechselseitigen Streit handle, genügten einzelne Schläge, Stösse etc. unabhängig davon, ob die Schläge zur Verteidigung zum Angriff ausgeteilt würden. Gemäss Art. 133 Abs. 2 StGB handle jedoch straflos, wer als Beteiligter gelte, dies aber ausschliesslich tue, indem er abwehre schlichte. Die ratio legis des Raufhandels bestehe darin, dass der Beteiligte, der mit seinem Verhalten nicht zur abstrakten Gefahr beitrage, da er die Auseinandersetzung weder weiter provoziere noch versuche, diese in Gang zu halten, straflos bleiben solle. Vorliegend habe C. nicht nur Abwehrhandlungen vorgenommen. Es habe sich um eine wechselseitige Auseinandersetzung gehandelt. Darauf habe sich auch der Vorsatz des Beschuldigen bezogen. Schliesslich verkenne die Staatsanwaltschaft, dass zur Erfüllung des Tatbestandes des Raufhandels nicht nötig sei, dass die sich schlagenden Parteien aus mehreren Personen bestehen (Urk. 53).

    2.

      1. Die Vorinstanz hat sich in ihrer rechtlichen Würdigung sehr sorgfältig mit den Straftatbeständen des Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB und des Raufhan- dels im Sinne von Art. 133 StGB auseinandergesetzt und das Handeln des Beschuldigten schliesslich zutreffend als Raufhandel im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB qualifiziert (Urk. 36 S. 11 ff.). Diese zutreffenden Erwägungen können über- nommen werden.

      2. Rekapitulierend und teilweise ergänzend ist Folgendes (nochmals) festzuhalten: Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft (Art. 133 Abs. 1 StGB). Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt die Streitenden scheidet (Art. 133 Abs. 2 StG B). Raufhandel ist die tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen. Die Beteiligung muss eine aktive sein; das passive Einstecken von Schlägen genügt nicht. Wenn mindestens zwei Personen auf eine dritte Person

        einschlagen, die passiv die Schläge einsteckt, ohne sich aktiv tätlich zu wehren, kann neben allfälligen Körperverletzungsdelikten nicht Raufhandel, sondern allenfalls Angriff vorliegen. Wer aber tätlich ausschliesslich abwehrt die Streiten- den scheidet, beteiligt sich an einem Raufhandel, weil er tätlich ist, doch ist er gemäss Art. 133 Abs. 2 StGB nicht strafbar, da er ausschliesslich abwehrt die Streitenden scheidet. Das tätliche Verhalten kann nicht nur in Schlägen bestehen, sondern beispielsweise auch in Würgen, Stossen, Ringen, Messerstechen, Bewerfen mit Gegenständen gar Schiessen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1056/2015 vom 4. Dezember 2015, E. 4.1. m.w.H.).

      3. Die Zürcher Fans zettelten in deutlicher zahlenmässiger Übermacht die physische Auseinandersetzung an. Nachdem einem Leverkusener der Fanschal entwendet worden war, wurde dem Leverkusener C. ein Schlag gegen die Ohren gegeben, als er den Fanschal zurückerobern wollte. Mit der Vorinstanz können die anschliessenden Handlungen C. s in erster Linie zunächst wohl als Notwehrhilfe und später als Abwehrhandlungen im Sinne von Art. 133 Abs. 2 StGB gewürdigt werden (vgl. Urk. 36 S. 11 f.). C. stiess den mutmasslichen Schalräuber von sich weg und teilte gegen diesen wie gesehen mehrere Schläge und Fusstritte aus, womit er sich während der Auseinandersetzung zweifellos aktiv tätlich verhielt. Ein Angriff im Sinne von Art. 134 StGB seitens der Zürcher bzw. des Beschuldigten scheidet daher im Lichte der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus. Der objektive Tatbestand von Art. 133 StGB ist demgegen- über erfüllt, wenn sich wie vorliegend mindestens drei Personen an einer tätlichen Auseinandersetzung beteiligen und wechselseitig gegeneinander vorgehen. Entsprechend kann eine Partei auch aus nur einer Person bestehen. Dass auf

        Seiten der Leverkusener einzig C.

        gegen die Zürcher tätlich wurde, steht

        der Anwendung des Straftatbestandes des Raufhandels im Sinne von Art. 133 StGB folglich nicht entgegen. Gemäss erstelltem subjektiven Sachverhalt handelte der Beschuldigte bewusst, rational und ihm war klar, dass er an einer Schlägerei teilnahm. Damit nahm er direktvorsätzlich an einem Raufhandel teil. Die objektive Strafbarkeitsbedingung ist mit der Schädelprellung von C. zweifellos erfüllt.

      4. Der Beschuldigte ist demnach zudem schuldig zu sprechen des Raufhan- dels im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB.

  2. Strafzumessung

    Weil der Berufung der Staatsanwaltschaft im Schuldpunkt kein Erfolg beschieden ist, darf der Strafpunkt wie gesehen im vorliegenden Berufungsverfahren nicht überprüft werden (Ziff. I.2.4.). Der Beschuldigte ist folglich in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 100.–, wovon 8 Tagessätze als durch Haft erstanden gelten, sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.– zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe ist aufzuschieben und die Probezeit auf 2 Jahre festzusetzen.

  3. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurden ( THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Bd. II, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 428 StPO).

    2. Die Staatsanwaltschaft strebte mit ihrer Berufung eine Verurteilung des Beschuldigten wegen Angriffs im Sinne von Art. 134 StGB an und unterliegt im Berufungsverfahren mit ihren Anträgen vollumfänglich. Ausgangsgemäss fällt die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr ausser Ansatz und die Kosten des Berufungsverfahrens sind auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    3. Dem Beschuldigten ist für das Berufungsverfahren für anwaltliche Vertretung antragsgemäss eine Entschädigung von Fr. 2'449.65 aus der Gerichtskasse auszurichten (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO; Urk. 55).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung

    - Einzelgericht, vom 29. März 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:

    Es wird erkannt:

    1. Der Beschuldigte ist schuldig

- (…)

- der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG.

2.-4. (…)

  1. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 900.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. Kosten Kantonspolizei

    Fr. 1'000.00 Gebühr Anklagebehörde Fr. Kanzleikosten

    Fr. Auslagen Untersuchung Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  2. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  3. Der Antrag auf Zusprechung einer Entschädigung für die erbetene Verteidigung wird abgewiesen.

  4. (Mitteilungen.)

  5. (Rechtsmittel.)

2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist zudem schuldig des Raufhandels im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à Fr. 100.– – wovon 8 Tagessätze als durch Haft erstanden gelten – sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.–.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  7. Dem Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren eine Prozessentschä- digung von Fr. 2'449.65 für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  8. Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Obergerichtskasse

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials.

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung

des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 13. April 2022

Der Präsident:

lic. iur. B. Gut

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw N. Hunziker

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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