Zusammenfassung des Urteils SB210403: Obergericht des Kantons Zürich
A.________ hat gegen C.________ Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs und Freiheitsberaubung erstattet. Die kantonale Staatsanwaltschaft entschied jedoch am 29. November 2019, keine Strafuntersuchung durchzuführen. A.________ erhob daraufhin Beschwerde ans Kantonsgericht, um eine ordentliche Ermittlung und Anklage zu erreichen. Das Gericht hob die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf und wies die Kosten dem Staat zu. .
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210403 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 14.07.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte schwere Körperverletzung im Zustand der Schuldunfähigkeit |
Schlagwörter : | Antrag; Antragsgegner; Privatkläger; Berufung; Privatklägers; Antragsgegners; Massnahme; Vorinstanz; Urteil; Verteidigung; Körperverletzung; Verletzung; Recht; Sinne; Vorfall; Person; Staat; Trottoir; Staatsanwaltschaft; Tatbestand; Verfahren; Gutachten; Berufungsverfahren; Richtung; Verhalten |
Rechtsnorm: | Art. 122 StGB ;Art. 123 StGB ;Art. 135 StPO ;Art. 180 StGB ;Art. 19 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 374 StPO ;Art. 375 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 406 StPO ;Art. 408 StPO ;Art. 419 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 433 StPO ;Art. 56 StGB ;Art. 63 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 133 IV 1; 141 IV 244; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210403-O/U/ad
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, Oberrichter lic. iur. Wenker und Oberrichter lic. iur. Castrovilli sowie Gerichtsschreiber MLaw Andres
Urteil vom 14. Juli 2022
in Sachen
Antragsgegner und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
Antragstellerin und Berufungsbeklagte
sowie
1. B. ,
Privatkläger und Berufungsbeklagter 2. ...
1 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend versuchte schwere Körperverletzung im Zustand der Schuldunfähigkeit
Antrag:
Der Antrag auf Anordnung einer Massnahme für eine schuldunfähige Person der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 17. Dezember 2020 (Urk. 1/20) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
Das Verfahren wird betreffend folgende Vorwürfe eingestellt:
Fahren in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. d SVG,
Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB.
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte folgende Tatbestände erfüllt hat:
Versuchte schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB,
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG.
Aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit wird von einer Strafe abgesehen.
Es wird eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB angeordnet.
Die Privatkläger 1 und 2 werden mit ihren Zivilklagen auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 1'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'100.00 Gebühr Anklagebehörde
Fr. 20'645.15 Auslagen (Gutachten)
Fr. 200.00 Auslagen Anklagebehörde Fr. 787.05 Auslagen (Gutachten)
Fr. 7'577.75 Kosten amtliche Verteidigung Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten, inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Über die Höhe der Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird mit separater Verfügung entschieden.
Berufungsanträge:
Der amtlichen Verteidigung (Urk. 57 S. 1 f.)
Dispo.-Ziff. 2 des angefochtenen Urteils sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Berufungskläger folgende Tatbestände erfüllt hat (aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit jedoch von einer Strafe abzusehen ist):
Einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB),
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln i. S. v. Art. 90 Abs. 2 SVG.
Dispo.-Ziff. 4 des angefochtenen Urteils sei aufzuheben und es sei keine Massnahme anzuordnen.
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zu Lasten des Staates.
Des Vertreters des Privatklägers 1 (Urk. 61 S. 2)
Hauptanträge:
Die Berufung sei in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils voll- umfänglich abzuweisen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens seien dem Berufungskläger aufzuerlegen und es sei dieser zu verpflichten, dem Berufungsbeklagten eine angemessene Prozessentschädigung (zzgl. 7. 7% MwSt.) zu bezahlen.
prozessuale (Eventual-)Anträge:
Es sei der Berufungsbeklagte als Auskunftsperson zu befragen.
Es seien die folgenden Personen als Zeugen zu befragen:
C. , geb. tt. Dezember 1963, … [Adresse];
D. , geb. tt. September 1982, … [Adresse];
E. , geb. tt. April 1968, … [Adresse]
Der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (Urk. 53)
Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat stellte am 17. Dezember 2020 beim Bezirksgericht Zürich einen Antrag auf Anordnung einer Massnahme für eine schuldunfähige Person (Urk. 1/20). Mit eingangs im Dispositiv wiedergegebenem Urteil vom 20. April 2021 (Urk. 45) stellte das Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung
- Einzelgericht fest, dass der Antragsgegner die Tatbestände der versuchten
schweren Körperverletzung sowie der groben Verletzung der Verkehrsregeln erfüllt habe, zufolge Schuldunfähigkeit jedoch dafür nicht zu bestrafen sei. Von den Vorwürfen des Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie der Drohung sprach es den Antragsgegner dagegen frei. Schliesslich ordnete die Vorinstanz eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB an. Die Zivilansprüche der Privatkläger 1 und 2 verwies sie auf den Zivilweg. Gegen dieses Urteil meldete der Antragsgegner fristgerecht Berufung an (Urk. 37).
Mit Eingabe vom 16. August 2021 erstatte der Antragsgegner fristgerecht seine Berufungserklärung, im Rahmen welcher er sich gegen die Feststellung der Tatbestanderfüllung der versuchten schweren Körperverletzung und der groben Verletzung der Verkehrsregeln sowie die ambulante Massnahme wandte (Urk. 48). Mit Präsidialverfügung vom 24. August 2021 wurde der Staatsanwaltschaft sowie den Privatklägern Frist zur Anschlussberufung angesetzt (Urk. 50). Diese erhoben weder Anschlussberufung noch gingen Anträge auf Nichteintreten auf die Berufung des Antragsgegners ein (vgl. Urk. 53). Die Staatsanwaltschaft erklärte in ihrer Eingabe, sich nicht aktiv am Verfahren beteiligen zu wollen, weshalb auf weitere Fristansetzungen zur Stellungnahme verzichtet werden könne (Urk. 53).
Bereits in seiner Berufungserklärung hatte der Antragsgegner beantragt, das Berufungsverfahren schriftlich durchzuführen (Urk. 48). Nach Einholung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Privatklägers 1 (Urk. 54/1-2; die Privatklägerin 2 war in Anbetracht des beschränkten Berufungsgegenstandes am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt, vgl. Urk. 55 S. 2) wurde mit Präsidialverfügung vom 15. November 2021 gestützt auf Art. 406 Abs. 2 StPO das schriftliche Berufungsverfahren angeordnet und dem Antragsgegner Frist zur schriftlichen Berufungsbegründung angesetzt (Urk. 55).
In der Folge erstattete der Antragsgegner mit Eingabe vom 7. Dezember 2021 fristgerecht seine Berufungsbegründung, in welcher er seine Berufung dahingehend einschränkte, das einzig die Feststellung der Tatbestandserfüllung betreffend versuchter schwerer Körperverletzung angefochten sei, während jene betreffend grober Verletzung der Verkehrsregeln – im Unterschied zu seinen ur-
sprünglichen Anträgen in der Berufungserklärung – nunmehr akzeptiert werde (Urk. 57). Von diesem teilweisen Rückzug seiner Berufung ist Vormerk zu nehmen.
Mit Präsidialverfügung vom 13. Dezember 2021 wurde dem Privatkläger 1 Frist zur Berufungsantwort angesetzt. Gleichzeitig wurde der Vorinstanz Gelegenheit zur freigestellten Stellungnahme eingeräumt (Urk. 58). Letztere verzichtete auf eine Vernehmlassung (Urk. 60). Der Privatkläger 1 erstattete innert Frist seine Berufungsantwort vom 17. Januar 2022, in welcher er die Abweisung der Berufung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Antragsgegners beantragte (Urk. 61). Sodann beantragte er vorsorglich – mithin für den Fall, dass das Berufungsgericht den Sachverhalt hinsichtlich der zur Beurteilung stehenden versuchten schweren Körperverletzung als nicht erstellt erachten würde, die Befragung des Privatklägers 1 als Auskunftsperson sowie mehrere Zeugenbefragungen (Berufungsantwort Urk. 61 S. 2 prozessuale Anträge sowie Rz. 11).
Mit Eingabe vom 24. März 2022 reichte der Antragsgegner innert mit Präsi- dialverfügung vom 18. Januar 2022 angesetzter Frist (Urk. 62) seine Replik ein (Urk. 64). Der Privatkläger 1 verzichtete in der Folge auf weitere Stellungnahmen (vgl. Urk. 67).
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Auch wenn das Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt, fällt es am Ende ein insgesamt neues Urteil (Art. 408 StPO), worin es jedoch anzugeben hat, welche Punkte bereits früher in Rechtskraft erwachsen sind (BGE 141 IV 244 E. 1.3.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_533/2016 vom 29. November 2016 E. 4.2 mit Hinweisen). Der Antragsgegner ficht das vorinstanzliche Urteil wie bereits erwähnt nur hinsichtlich der Feststellung der Tatbestandserfüllung der versuchten schweren Körperverletzung sowie hinsichtlich der angeordneten ambulanten Massnahme an. Im Übrigen, mithin hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens betreffend die Vorwürfe des Fahrens in fahrunfähigem Zustand und der Drohung (Dispositiv-
Ziffer 1), der Feststellung der Tatbestandserfüllung der groben Verletzung der Verkehrsregeln (Dispositiv-Ziffer 2 teilweise), der Verweisung der Zivilklagen der Privatkläger 1 und 2 auf den Zivilweg (Dispositiv-Ziffer 5), sowie hinsichtlich der Kostenfestsetzung (Dispositiv-Ziffer 6), blieb das vorinstanzliche Urteil unangefochten und ist deshalb insoweit in Rechtskraft erwachsen, was vorab mit Beschluss festzustellen ist. Gleiches gilt hinsichtlich der mit separater Verfügung vom 21. Juni 2021 erfolgten Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers (Urk. 38).
Dem Antragsgegner wird im Antrag auf Anordnung einer Massnahme für ei- ne schuldunfähige Person vom 17. Dezember 2020 (nachfolgend Antrag) zusammengefasst vorgeworfen, mit dem Auto auf den auf der Fahrbahn der F. -strasse stehenden Privatkläger 1 zugefahren zu sein, wobei der Antragsgegner das Auto zunächst so stoppte, dass er mit der Stossstange noch dessen Knie [touchiert / berührt] habe. Wie die Verteidigung zu Recht darauf hinweist (Urk. 57 S. 3), ist der Satz hinsichtlich des Kontakts mit dem Knie des Privatklägers 1 im Antrag unvollständig. Aus dem Kontext ergibt sich aber unzweifelhaft, dass dem Antragsgegner diesbezüglich ein Kontakt zwischen Stossstange und Knie vorgeworfen wird, wie dies letztlich auch die Verteidigung anfügt (Urk. 57 Rz. 1.4.). Als der Privatkläger 1 in der Folge auf das nahe Trottoir gehen wollte, habe der Antragsgegner die Vorderräder des Autos in Richtung des Privatklägers 1 gelenkt, was dieser gesehen und sich deshalb beeilt habe, wobei er gestürzt sei. Der Antragsgegner sei wieder losgefahren, und zwar in Richtung des Privatklägers 1 auf das Trottoir hinauf, wobei er noch über dessen linken Fuss gefahren sei. Hernach sei er mit rasanter und der Situation [unangepasster] Geschwindigkeit auf dem Trottoir weiter bergwärts gefahren, wo mindestens eine Fussgängerin sich durch einen Sprung in eine Nische in Sicherheit bringen musste. Der Privatkläger 1 habe bei diesem Vorfall Prellungen am rechten Knie und am linken Fuss erlitten und sei für drei Tage arbeitsunfähig gewesen. Es sei letztlich einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass er nicht schwer verletzt worden sei (Urk. 1/20).
Der Privatkläger 1 gab zunächst im Rahmen der polizeilichen Einvernahme vom 1. November 2018 und hernach in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 5. Juni 2019 zu Protokoll, er sei – nachdem er den Antragsgegner durch das offene Fahrerfenster gefragt habe, ob er nicht noch habe bezahlen wollen – von seinem Standort bei der Parkplatzeinfahrt auf die F. -strasse getreten, um wieder auf die andere Seite auf das Trottoir zu gelangen, dies nachdem die La- denverantwortliche gemeint habe, man solle den Antragsgegner gehen lassen, man hätte ja nun sein Autokennzeichen. Als er (der Privatkläger 1) sich gerade etwa in der Mitte der F. -strasse befunden habe, sei der Antragsgegner unvermittelt losgefahren und direkt auf ihn zu und mit der Stossstange in sein rechtes Knie gefahren. Er habe sich mit beiden Händen auf der Fahrzeughaube abgestützt und zum Antragsgegner Gaht's no! gerufen. Wie sich aus seinen Aussagen ergibt, stand das Auto des Antragsgegners nach diesem Kontakt wieder kurz still. Da habe er gesehen, dass der Antragsgegner am Steuerrad drehte und damit die Räder in seine Richtung ausrichtete. Als er dies erkannt habe, habe er sofort versucht, so schnell wie möglich auf das Trottoir zu gelangen, während der Antragsgegner erneut Gas gegeben und wiederum auf ihn zugefahren sei, wobei der Motor laut aufgeheult habe. Bei diesem Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, sei er gestürzt und zu Boden gegangen und der Antragsgegner sei mit Vollgas links an ihm vorbei und das Trottoir hochgefahren (Urk. 1/11/2 S. 2 f.; Urk. 1/2/2 S. 2 f.). Der Umstand, dass der Privatkläger 1 den Vorfall im Rahmen zweier Einvernahmen jeweils in längerer freier Erzählung weitestgehend identisch und überdies sehr detailliert und lebensnah zu schildern und auch das Geschehen in mehreren Etappen auf einem Plan genau zu verorten vermochte, spricht klar dafür, dass er das Geschilderte tatsächlich so erlebt hat.
Seine Ausführungen decken sich sodann weitestgehend mit jenen der Zeugin E. , welche den Vorfall ab dem Zeitpunkt des zweiten Losfahrens des Antragsgegners beobachtet hatte. Auch diese gab zu Protokoll, sie sei aus ihrer Position oben an der F. -strasse auf die Situation aufmerksam geworden, als sie das Fahrzeug des Antragsgegners und auf dem Trottoir einen Mann auf dem Boden gesehen habe, wobei das Fahrzeug kurz etwas zurückgerollt und dann losgefahren und sehr knapp am Mann, der auf dem Boden lag, vorbeigefahren sei. Dieser habe gar noch seine Beine stark anwinkeln müssen, um vom Antragsgegner nicht erfasst zu werden. Auch sie bestätigte, dass der Motor laut aufheulte, als der Antragsgegner Gas gegeben habe (Urk. 1/11/3 S. 2 f.). Auch die Schilderungen der Zeugin, welche zu Beginn des Ermittlungsverfahrens zunächst als Auskunftsperson befragt wurde, erweisen sich über beide Einvernahmen hinweg als äusserst konstant. Auch ihre Aussagen sind detailliert und lassen beim Betrachter keine Zweifel daran aufkommen, dass die Zeugin in ihren Schilderungen von tatsächlich Erlebtem berichtet. Dazu tragen insbesondere auch die Schil- derungen innerer Gedankengänge sowie die nebensächlichen Details (z.B. ihr kleiner Schirm, der genau in diesem Moment aus ihrer Bauchtasche fiel, vgl. Urk. 1/11/3 S. 3) bei.
Auf die glaubhaften Aussagen des Privatklägers 1 und der Zeugin kann entsprechend abgestellt werden. Der im Antrag beschriebene Sachverhalt erweist sich – soweit dieser im vorliegenden Verfahren noch relevant ist – mithin im Wesentlichen als erstellt. Der Antragsgegner selber hatte an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung den Sachverhalt denn auch grundsätzlich anerkannt (Prot. I
S. 11). Auf die Frage betreffend das Überfahren des Fusses des Privatklägers 1 wird sogleich noch einzugehen sein (vgl. hiernach E. I I. 5.). Vor diesem Hintergrund erscheint es jedenfalls nicht notwendig, die vom Privatkläger 1 – für den Fall, dass das Gericht den Sachverhalt aufgrund der bereits im Recht liegenden Aussagen als nicht genügend erstellt erachten würde – zum Beweis angebotenen Personen (Privatkläger 1 sowie die Zeugen C. , D. und E. ) gerichtlich zu befragen.
Wenngleich der Antragsgegner in seiner Berufungserklärung vom
16. August 2021 in der dortigen Kurzbegründung noch angab, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung werde nicht beanstandet, sondern einzig die rechtliche Würdigung, weshalb das Verfahren gestützt auf Art. 406 Abs. 1 lit. a StPO schriftlich durchzuführen sei (Urk. 48 S. 3), erhob er in seiner Berufungsbegründung verschiedene Sachverhaltsrügen. Er stellte sich auf den Standpunkt, es sei zum einen nicht erstellt, dass der Antragsgegner dem Privatkläger 1 über den linken Fuss gefahren sei. Zum andern sei nicht erstellt, mit welcher Geschwindigkeit der
Antragsgegner auf dem Trottoir bergaufgefahren sei. Und ferner könne anhand der Sachverhaltsumschreibung hinsichtlich der weiteren Fahrweise des Antragsgegners in G. /ZH (sehr zügiges Fahren und Wenden mit quietschenden Reifen) kein strafrechtlich relevantes Verhalten erstellt werden (Urk. 57 S. 2 f.). Hinsichtlich der letzten beiden Vorbringen der Verteidigung (Geschwindigkeit auf der weiteren Fahrt auf dem Trottoir bergauf sowie Fahrweise in G. /ZH) ist festzuhalten, dass diese sich auf Teile des vorinstanzlichen Urteils beziehen, die nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Vorinstanz hat die Bergauffahrt auf dem Trottoir als grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG beurteilt. Sodann erfolgte mit Blick auf die gesamte Autofahrt als solche – insbesondere auch bezüglich seines Fahrverhaltens in G. /ZH – eine Einstellung des Verfahrens betreffend den Vorwurf des Fahrens in fahrunfähigem Zustand. Diese Punkte sind, wie dargelegt, unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Was die im Antrag weiter umschriebene unangepasste Fahrweise in der Ortschaft G. /ZH betrifft, wurden diese von der Vorinstanz
über die bereits erwähnte Frage des Fahrens in fahrunfähigem Zustand hinaus
offenbar nicht als strafrechtlich relevant betrachtet, womit es bereits in Anbetracht des Verschlechterungsverbotes sein Bewenden haben muss.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nach dem Gesagten einzig noch der Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung, welchen die Vorinstanz als erfüllt erachtete. Den Sachverhalt gemäss Antrag erachtete sie dabei als vollumfänglich erstellt, nachdem der Antragsgegner an der Hauptverhandlung den ihm vorgeworfenen Sachverhalt vollumfänglich anerkannt habe, mithin auch hinsichtlich des bisweilen bestrittenen Überfahrens des linken Fusses des Privatklägers 1 (Urk. 45 S. 7 f.). Diesbezüglich wendet die Verteidigung ein, der Antragsgegner habe auch an der Hauptverhandlung kein eigentliches Geständnis abgelegt, sondern auf Nachfrage, ob er den Fuss des Privatklägers 1 überfahren habe, geantwortet, dass er dies nicht genau sagen könne (Urk. 57 S. 2 f.).
Tatsächlich hat der Antragsgegner weder im Vorverfahren noch an der vorinstanzlichen Hauptverhandlung klar bestätigt, dem Privatkläger 1 über den Fuss gefahren zu sein. Vielmehr stellte er sich jeweils auf den Standpunkt, er sei, als er
auf das Trottoir gefahren sei, am Privatkläger 1 vorbeigefahren bzw. er könne sich nicht erinnern, jemanden angefahren zu haben, und wenn, sei dies jedenfalls nicht seine Absicht gewesen (Urk. 1/2/5 S. 5 - 7, 9; Urk. 1/11/1 S. 2, 4; Prot. I
S. 11). Selbst der Privatkläger 1 war sich nicht sicher, ob der Antragsgegner ihm über den Fuss gefahren ist. So gab er in der ersten (polizeilichen) Einvernahme an, er wisse nicht, ob der Antragsgegner, als er zum zweiten Mal auf ihn losgefahren sei, ihn nochmals erwischt habe (Urk. 1/2/2 S. 3). Auch in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme berichtete der Privatkläger 1 nicht davon, dass er ein zweites Mal angefahren worden sei (Urk. 1/11/2 S. 3). Bei dieser Ausgangslage ist entgegen der Vor-instanz nicht erstellt, dass der Antragsgegner dem Privatkläger 1 – wie im Antrag beschrieben – über den Fuss gefahren ist.
Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen werden, ist dies jedoch im Ergebnis gar nicht entscheidend: Dass der Privatkläger 1 beim strittigen Vorfall sowohl am rechten Knie als auch am linken Fuss verletzt wurde, ergibt sich aus den medizinischen Akten, insbesondere der Untersuchung im Stadtspital Waid gleich im Anschluss an den Vorfall und aus dem Operationsbericht der Klinik Hirslanden (Urk. 1/13/1 und 1/13/3; Urk. 45 S. 8 f.). Entsprechend ist aufgrund seiner Aussagen davon auszugehen, dass er sich die Verletzung am Fuss – wenn nicht durch tatsächliches Überfahren – beim Versuch, dem Antragsgegner auszuweichen, bei welchem er stürzte, zugezogen hat. Ohnehin ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, was die Verteidigung aus der Behauptung, das Überfahren des Fusses des Privatklägers 1 sei nicht erstellt, überhaupt ableiten will. Bereits die Vorinstanz hat hinsichtlich der vom Privatkläger 1 erlittenen Verletzungen am Knie und am Fuss festgehalten, dass sie diese als Schädigung des Körpers qualifiziere, welche – insbesondere auch mit Blick auf den verletzen linken Fuss – die Schwelle zur bleibenden Unbrauchbarkeit im Sinne einer schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB objektiv nicht erfülle. Entsprechend erkannte sie, dass mit der Verteidigung objektiv von einer einfachen Körperverletzung auszugehen sei (Urk. 45
S. 8 f.). Wie sich aus seinen Berufungsanträgen ergibt, beantragt auch der Antragsgegner die Feststellung, dass er den Tatbestand der einfachen Körperverletzung erfüllt habe. Daraus sowie aus ihren weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung ergibt sich, das die Verteidigung sich primär gegen die vorinstanzliche Feststellung richtet, wonach der Antragsgegner mit seinem Verhalten, als er nach dem ersten (unbestrittenen) Anfahren des Privatklägers 1 in dessen Beine bzw. dessen Knie die Vorderräder in dessen Richtung gelenkt und er- neut auf diesen losgefahren sei, eine schwere Verletzung des Privatklägers 1 zumindest in Kauf genommen habe, womit subjektiv von einem auf (versuchte) schwere Körperverletzung gerichteten Eventualvorsatz auszugehen sei (Urk. 45
S. 10 f.). Für diese Frage ist mithin nicht entscheidend, ob die Verletzungen am Fuss letztlich dadurch entstanden sind, dass der Antragsgegner dem Privatkläger 1 tatsächlich über den Fuss fuhr, der Privatkläger 1 sich diese beim Sturz zuzog, als er dem erneut losfahrenden Antragsgegner auszuweichen versuchte.
Entscheidend und hier zu beurteilen ist vielmehr, ob das Verhalten des Antragsgegners – mithin das zweimalige Losfahren in die Richtung des Privatklägers 1 – auf eine Inkaufnahme schwerer Verletzungen und damit auf eine versuchte schwere Körperverletzung schliessen lässt.
Die Vorinstanz erwog dazu, der Antragsgegner sei nicht aufgrund eines Unfalls mit dem Auto in die Beine des Privatklägers 1 gefahren, sondern weil letzterer ihm gefolgt sei und ihn zur Rede gestellt habe, nachdem er (der Antragsgeg- ner) die im Laden konsumierte Milch nicht bezahlt hatte. Es sei offenbar die Absicht des Antragsgegners gewesen, den Privatkläger 1 anzufahren, damit letzterer eingeschüchtert werde und ihn in Ruhe lasse. Dies lasse sich daran erkennen, dass der Antragsgegner nach dem ersten Aufprall das Lenkrad in die Richtung des Privatklägers 1 gedreht habe und ein zweites Mal auf ihn losgefahren sei, statt das Auto anzuhalten und sich um den Verletzten zu kümmern. Wer mit dem Auto beschleunigend auf eine Person zufahre, müsse nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen, dass er diese Person bei einer Kollision erheblich verletzt. Aufgrund der Masse seines Fahrzeugs habe der Antragsgegner damit rechnen müssen, dass sein Verhalten zu schweren Verletzungen führen wür- de. Ob eine allfällige Kollision zu schweren einfachen Körperverletzungen führen würde, sei dabei nicht mehr im Einflussbereich des Antragsgegners gewesen. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner zumindest in Kauf genommen habe, den Privatkläger 1 schwer zu verletzen, wo-
mit der Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt sei (Urk. 45 S. 10 f.).
Der Antragsgegner lässt dazu vorbringen, es ergebe sich aus seinen Aussagen sowie insbesondere auch aus den Aussagen des Privatklägers 1, dass er sich vom Privatkläger 1 offenbar bedrängt gefühlt und sich der gesamten Situation nur noch habe entziehen wollen. Dafür habe er sich mit dem Fahrzeug auf die Fahrbahn der F. -strasse begeben wollen. Offenbar sei ihm da aber der Privatkläger 1 im Weg bzw. vor dem Auto gestanden, sodass er diesen beim Losfahren am Knie touchierte. Diesbezüglich könne dem Antragsgegner jedoch wohl kaum vorgeworfen werden, er habe den Privatkläger 1 schwer verletzten wollen. Denn wenn dem so gewesen wäre, so hätte er kaum gleich wieder angehalten und Letzteren nur touchiert. Gemäss den Aussagen des Privatklägers 1 habe der Antragsgegner anschliessend realisiert, dass er sich aufgrund des Staus auf der Fahrbahn nicht weiter fortbewegen konnte, weshalb ihm das Trottoir als valable Alternative zur Fahrbahn erschienen sei. Er habe deshalb die Vorderräder seines Fahrzeuges in Richtung des parallel zur Fahrbahn gelegenen Trottoirs gelenkt, wo sich aber mittlerweile auch der Privatkläger 1 befunden habe (Urk. 57 S. 4 f.). Das Vorbringen der Verteidigung geht also dahin, dass der Antragsgegner seine vermeintliche Lenkbewegung sowie das anschliessende erneute Losfahren in Richtung des Privatklägers 1 nicht deshalb ausgeführt habe, weil dieser dort gestanden habe und er diesen habe anfahren wollen, sondern vielmehr nur habe flüchten wollen, wobei er dazu seinen Wagen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zwangsläufig in Richtung des Privatklägers 1 habe lenken müssen, um überhaupt auf seinen geplanten Fluchtweg zu gelangen.
Anhand der glaubhaften Aussagen des Privatklägers 1 bestehen wie dargelegt keine unüberwindliche Zweifel daran, dass dieser in einer ersten Phase im Begriff war, die F. -strasse zu überqueren, als er ungefähr in der Mitte der Strasse vom Antragsgegner angefahren und dabei am Knie getroffen wurde. Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner da zunächst das Fahrzeug stoppte, ist darauf zu schliessen, dass er den Privatkläger 1 durchaus gesehen hatte und den- noch in die F. -strasse, auf der sich der Privatkläger 1 befand, eingebogen
ist. Hinsichtlich der zweiten Phase beschreibt der Privatkläger 1 glaubhaft, wie er sich nach dem Aufprall zum Fahrer gedreht, sich mit den Händen auf der Motorhaube abgestützt und Gaht's no gerufen habe. Als er dem Antragsgegner zugewandt war, erkannte der Privatkläger 1, wie der Antragsgegner das Lenkrad und damit die Räder in seine Richtung drehte, als er wiederum im Begriff war, auf das Trottoir zu gelangen. Als der Antragsgegner mit heulendem Motor das zweite Mal losfuhr, befand sich der Privatkläger 1 somit erneut vor dem Fahrzeug des Antragsgegners und musste von diesem somit auch wahrgenommen worden sein. Dennoch entschied sich der Antragsgegner, in Richtung Trottoir und damit in die Richtung des Privatklägers 1 loszufahren. Die Vorinstanz nahm diesbezüglich an, dass der Antragsgegner damit die Absicht verfolgte, den Privatkläger 1 (erneut) anzufahren, um diesen einzuschüchtern und von diesem in Ruhe gelassen zu werden (Urk. 45 S. 10). Damit unterstellt sie dem Antragsgegner, die allenfalls schwere Verletzung sei dessen direktes Handlungsziel gewesen. Dies ist zwar denkbar, lässt sich mangels entsprechender Aussagen des Antragsgegners über seine Absicht und auch aus den Umständen nicht mit genügender Sicherheit feststellen. Denkbar ist genauso, dass der Antragsgegner – wie die Verteidigung vorbringt – nicht primär darauf aus war, den Privatkläger 1 zu verletzen, sondern er einfach flüchten wollte, ohne mit seiner Fahrweise direkt das Ziel verfolgt zu haben, den Privatkläger 1 schwer zu verletzen. Entgegen der Verteidigung liesse aber selbst dies den subjektiven Tatbestand bzw. genauer gesagt den Vorsatz des Antragsgegners nicht dahinfallen. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass sich gemäss Lehre und Rechtsprechung verschiedene Formen des Vorsatzes unterscheiden lassen. Beim direkten Vorsatz ersten Grades will nimmt der Täter den Erfolg in Kauf und sieht diesen als sicher voraus. Direkter Vorsatz zweiten Grades ist gegeben, wenn der Täter den deliktischen Erfolg als notwendige Folge als Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks in seinen Entschluss miteinbezogen hat, selbst wenn dieser ihm gleichgültig sogar unerwünscht sein mag. Der Erfolg braucht nicht das direkt vom Täter erstrebte Ziel zu sein. Es genügt, dass er mitgewollt ist. Der Gefährdungsvorsatz liegt somit vor, wenn der Täter die Gefahr kennt und trotzdem handelt (ohne auf ihren Nichteintritt zu vertrauen, in welchem Fall nur bewusste Fahrlässigkeit vorliegt; vgl. statt vieler Urteil des Bundesgerichts 6B_913/2016 vom 13. April 2017 E. 1.1.1. mit weiteren Verweisen auf Rechtsprechung). Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 133 IV 1 E. 4.1 S. 3 mit Hinweisen; STRATHENWERTH, Schweizerisches Strafrecht - Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 3. Aufl. 2005, S. 187 ff.).
Es ist, wie dargelegt, davon auszugehen, dass der Antragsgegner den Privatkläger 1 gesehen hat, als er sich nach dem ersten Aufprall in die Beine des Privatklägers 1 entschied, erneut loszufahren, obwohl sich dieser immer noch in seinem Fahrweg befand. Damit hat er zumindest im Sinne eines Eventualvorsatzes in Kauf genommen, den Privatkläger 1 erneut anzufahren und ihn damit zu verletzen. Wie aus den Aussagen des Privatklägers 1 sowie den Tatortfotografien (vgl. Tatortfotos Urk. 1/3 sowie Fotodokumentation Urk. 1/9/1, insbesondere S. 3) entnommen werden kann, muss die Distanz zwischen dem Antragsgegner bzw. dessen Fahrzeug und dem Privatkläger 1, als der Antragsgegner mit laut aufheulendem Motor und entsprechend viel Gas auf diesen losfuhr, sehr gering – mithin höchstens wenige Meter – gewesen sein. Auf diese kurze Distanz konnte der Antragsgegner nicht mehr darauf vertrauen, dass er den Privatkläger 1, auf den er stark beschleunigend zufuhr, verfehlen würde bzw. dass dieser sich problemlos noch aus dem Fahrweg würde retten können. Ob er das Anfahren des Privatklägers 1 damit gar im Sinne eines direkten Vorsatzes zweiten Grades als notwendige Nebenfolge für seine schnellstmögliche Flucht über das Trottoir mitgewollt hat, kann vorliegend offen bleiben, ist doch in beiden Varianten der subjektive Tatbestand der (schweren) Körperverletzung erfüllt. Die Unterscheidung zwischen direktem Vorsatz (zweiten Grades) und Eventualvorsatz wäre im Rahmen der Strafzumessung relevant, nachdem Eventualvorsatz mit Blick auf das Tatverschulden weniger schwer wiegt. Da der Antragsgegner vorliegend jedoch ohnehin als schuldunfähig anzusehen ist und straflos bleibt, fällt diese Unterscheidung folglich hier nicht ins Gewicht. Wie die Vorinstanz im Übrigen zu Recht anführte, muss jener, der mit einem Auto beschleunigend auf eine Person zufährt, nach all-
gemeiner Lebenserfahrung davon ausgehen, dass er diese Person bei einer Kollision erheblich verletzt (Urk. 45 S. 10). Dabei spielt, wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend ausführte, das verhältnismässig hohe Gewicht bzw. die Masse eines Personenwagens durchaus eine wichtige Rolle. Zwar ist – wie die Verteidigung zur Recht einwendet (Urk. 57 S. 5) – die Masse mit Blick auf die (Aufprall)Energie nicht der alleinige entscheidende Faktor, da sich die kinetische Energie bei zunehmender Geschwindigkeit (gar im Quadrat) erhöht. Nachdem der Antragsgegner, als er den Privatkläger 1 das zweite Mal vor sich hatte, gerade dabei war, aus dem Stand zu beschleunigen, dürfte die Geschwindigkeit beim potentiellen Aufprall mit dem Privatkläger 1 noch nicht besonders hoch gewesen sein. Soweit sich die Verteidigung mit diesem Argument auf den Standpunkt stellt, eine schwere Verletzung des Privatklägers 1 sei damit von vornherein ausgeschlossen gewesen, verkennt sie, dass ein Personenwagen aufgrund seiner Motorisierung selbst bei sehr geringer Geschwindigkeit in der Lage ist, eine Person zu überrollen und damit schwer zu verletzen, dies insbesondere, wenn der Fahrer wie in casu stark aufs Gaspedal drückt. Hinzu kommt die Gefahr eines unkontrollierten Mitschleifens der erfassten Person, was wiederum zu sehr schweren Verletzungen führen kann. Entsprechend musste der Antragsgegner, als er auf das Trottoir und damit auf den sich dort befindlichen Privatkläger 1 zufuhr und mit laut aufheulendem Motor stark beschleunigte, damit rechnen, dass er diesen anfahren, überrollen mitschleifen würde. Diesbezüglich ist es durchaus zutreffend, wenn die Vorinstanz ausführt, dass es bei diesem gefährlichen Fahrmanöver nicht mehr im Einflussbereich des Antragsgegners stand, ob die vermeintliche Kollision zu Verletzungen im Bereich der einfachen Körperverletzung der schweren Körperverletzung führen würde. Indem sich der Antragsgegner bei dieser Ausgangslage dennoch entschied, auf diesen zuzuhalten, nahm er eine schwere Körperverletzung des Privatklägers 1 zumindest eventualvorsätzlich in Kauf. Nachdem der tatbestandsmässige Erfolg – glücklicherweise – dennoch ausblieb, hat der Antragsgegner damit im Ergebnis den Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt.
Die Vorinstanz hat in ihrem Urteil – dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend – gestützt auf das psychiatrische Gutachten vom 1. November 2018 der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK; Urk. 1/12/20) sowie deren Ergänzungsgutachten vom 10. November 2020 (Urk. 1/12/31) die Schuldunfähigkeit des Antragsgegners zum Tatzeitpunkt festgestellt (Urk. 45 S. 17 ff.). Auf diese zutreffenden Ausführungen kann verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). Der Antragsgegner hat somit im Ergebnis den Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt, wofür er infolge Schuldunfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 1 StGB jedoch nicht zu bestrafen ist.
Von der Staatsanwaltschaft wurde im Antrag vom 17. Dezember 2020 die Anordnung einer ambulanten Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB beantragt und von der Vorinstanz in ihrem Urteil auch angeordnet (Urk. 45 S. 19 ff.). Der Antragsgegner betragt mit seiner Berufung, es sei auf eine ambulante Mass- nahme zu verzichten.
Wie bereits angesprochen, beauftragte die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Taten vom 1. November 2018 Prof. Dr. med. H. die PUK Zürich am 5. November 2019 mit der Erstellung eines Gutachtens, welches am
2. April 2020 erstattet wurde (Urk. 1/12/20). Noch vor Abschluss der Strafuntersuchung ereignete sich am 15. Mai 2020 der im Antrag unter Dossier 4 beschriebe- ne Vorfall betreffend Drohung des Antragsgegners mit einem Messer. Entsprechend beauftragte die Staatsanwaltschaft den Gutachter am 12. August 2020 mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, um die Schuldfähigkeit des Antragsgegners auch hinsichtlich dieses jüngsten Vorfalls und die Rückfallgefahr (allenfalls neu) zu beurteilen (vgl. Urk. 1/12/29). Das Ergänzungsgutachten wurde am
10. November 2020 erstattet (Urk. 1/12/31). Beide Gutachten erweisen sich als schlüssig und werden auch von den Parteien nicht in Frage gestellt, weshalb auf diese abgestellt werden kann.
Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer ambulanten Massnahme gemäss Art. 56 - 58 StGB und Art. 63 StGB hat die Vorinstanz bereits zutreffende Ausführungen gemacht (Urk. 45 S. 19). Auf diese kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen werden.
Mit Blick auf das Erfordernis der schweren psychischen Störung gemäss Art. 63 Abs. 1 StGB kamen beide Gutachten zum Befund, dass der Antragsgeg- ner an einer paranoiden Schizophrenie leidet und seine psycho-soziale Leistungsfähigkeit deshalb im Tatzeitpunkt deutlich beeinträchtigt war (Urk. 1/12/20 S. 31 und Urk. 1/12/31 S. 39). Entgegen der Verteidigung (Urk. 57 S. 7) handelt es sich mithin nicht um eine blosse Verhaltensauffälligkeit, sondern um eine psychische Störung, die im Rechtssinne als schwer zu gelten hat.
Die Symptome der psychischen Erkrankung lagen beim Antragsgegner im Tatzeitpunkt vor; der Antragsgegner befand sich in einer desorganisierten psychischen Verfassung, die seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben hat. Beide Vorfälle (Vorfall betreffend Auto im November 2018 und Drohung im Mai 2020) standen mithin im Zusammenhang mit der psychischen Störung (Urk. 1/12/20 S. 31 und Urk. 1/12/31 S. 39). Zumindest hinsichtlich der Delikte im Rahmen des Vorfalls vom November 2018 (versuchte schwere Körperverletzung, grobe Verletzung der Verkehrsregeln) handelte der Antragsgegner tatbestandsmässig und rechtswidrig, womit das Erfordernis der Anlasstat, die gemäss Art. 63 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit der schweren psychischen Störung stehen muss, gegeben ist. Dass der Antragsgegner dabei schuldunfähig war, weshalb auch von einer Strafe abzusehen ist, steht der Anordnung einer Massnahme bekanntlich gerade nicht entgegen (Art. 19 Abs. 3 StGB).
Wie die Vorinstanz sodann zutreffend festhielt, wird in beiden Gutachten sinngemäss festgehalten, dass beim Antragsgegner mit einem erhöhten Rückfallrisiko gerechnet werden muss, falls er keine genügende Behandlung erfährt (Urk. 1/12/20 S. 31 f. und Urk. 1/12/31 S. 39 f.). Es wird hierzu ausgeführt, dass die paranoide Schizophrenie psychiatrisch und medikamentös behandelbar ist und man davon ausgehen könne, dass dieses Rückfallrisiko durch eine geeig- nete und konsequente Therapie langfristig deutlich verringert werden könne
(Urk. 1/12/20 S. 32 f. und Urk. 1/12/31 S. 40 f.; Urk. 45 S. 20). Mit anderen Worten liesse sich das Risiko weiterer, mit der Störung zusammenhängender Delikte mit einer ambulanten Behandlung verringern. Entsprechend erweist sich auch dieses Erfordernis an die Anordnung einer Massnahme als erfüllt.
Die Anordnung einer Massnahme bedingt weiter, dass der mit ihr verbunde- ne Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist (Art. 56 Abs. 2 StGB).
Im Rahmend des ersten Gutachtens vom 2. April 2020 hielt der Gutachter Prof. Dr. med. H. zum Rückfallrisiko des Antragsgegners fest, zur Begeg- nung des Risikos erneuter mit der psychischen Erkrankung verbundener Straftaten sei idealerweise eine adäquate medikamentöse Behandlung mit regelmässiger psychiatrischer Befundkontrolle angezeigt. Allerdings fehle es zum Zeitpunkt der Begutachtung an einer akuten Gefährdung durch den Antragsgegner, da es seit dem Vorfall im November 2018 (Vorfall betreffend Autofahrt mit Verletzung des Privatklägers 1) zu keinen ähnlichen riskanten gefährlichen Verhaltensweisen mehr gekommen sei. Ausserdem sei ihm der Führerausweis entzogen worden. Entsprechend sei das Rückfallrisiko aktuell als gering einzustufen (Urk. 1/12/20 S. 29 ff.). Im Ergänzungsgutachten vom 10. November 2020 kommt derselbe Gutachter dann unter Einbezug des weiteren Vorfalls (Drohung vom Mai 2020) und aufgrund weiterer Erhebungen zum Schluss, dass das Risiko weiterer Straftaten vor dem Hintergrund der weiterhin unbehandelten schizophrenen Erkrankung vorhanden sei, da die Gefahr bestehe, dass insbesondere eine situativ herausfordernde Konstellation durch den Antragsgegner erneut paranoid gefärbt und fehlinterpretiert werden könnte. Seit der letzten Begutachtung im April 2020 hätte sich diese Behandlungsbedürftigkeit anhand des Wiederauftretens fremdbedrohlichen Verhaltens des Antragsgegners in geradezu exemplarischer Weise gezeigt. Entsprechend sei das Rückfallrisiko nunmehr als hoch einzustufen. Es sei mit erneuten riskanten Handlungen strafrechtlicher Relevanz, bedrohlichem Verhalten und Gewaltdelikten zu rechnen (Urk. 1/12/31 S. 39 f.).
In ihrer Berufungsbegründung wendet die Verteidigung dazu im Wesentlichen ein, die Vorinstanz habe zu Unrecht auf das Ergänzungsgutachten vom November 2020 und die darin als hoch eingestufte Rückfallgefahr aufgrund seiner psychischen Erkrankung abgestellt, welche im ersten Gutachten vom April 2020 noch als gering eingestuft worden sei. Die hinsichtlich des hier zu beurteilenden Vorfalls vom Antragsgegner ausgehende Gefährdung, welche im Zusammenhang mit dem Führen eines Motorfahrzeugs zustande gekommen sei, habe durch den Führerausweisentzug bereits gebannt werden können. Entsprechend rechtfertige sich nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit eine gegen den Willen des Antragsgegners angeordnete ambulante Massnahme nicht mehr (Urk. 57 S. 6 ff.). Dem kann nicht gefolgt werden. Wenn die Verteidigung das krankheitsbedingte Gefährdungspotential des Antragsgegners – basierend auf den Vorfall vom November 2018 – einzig auf Taten im Zusammenhang mit Autofahrten beschränkt, verkennt sie, dass der Antragsgegner durch das – zumindest punkto Verhältnismässigkeit der Abwehrreaktion höchst fragwürdige – Ziehen eines Messers beim Vorfall im Mai 2020 gerade den Tatbeweis erbracht hat, dass seine weiterhin unbehandelt belassene psychische Erkrankung bei ihm weiterhin ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential mitsichbrachte, welches sich gerade nicht nur auf den Strassenverkehr beschränkt. Die aus dem Ergänzungsgutachten gewonne- nen Erkenntnisse und die darin vorgenommene aktualisierte Einschätzung des Rückfallrisikos dürfen nicht unberücksichtigt gelassen werden. Dass die Vorinstanz den Antragsgegner hinsichtlich dieses zweiten Vorfalls im Mai 2020 letztlich unter dem Titel der rechtfertigenden Notwehr (mittlerweile rechtskräftig) freigesprochen hat, dem Antragsgegner sein Verhalten mithin in strafrechtlicher Hinsicht nicht anlastet, ändert daran nichts, zumal der im Antrag der Staatsanwaltschaft beschriebene Sachverhalt vom Antragsgegner nicht bestritten und entsprechend als erstellt erachtet wurde. Entsprechend durfte auch der Gutachter im Ergänzungsgutachten auf diesen neuen Vorfall abstellen und – unabhängig von dessen späteren rechtlichen Würdigung durch die Vorinstanz – auch dieses Verhaltens des Antragsgegners aus medizinischer bzw. psychiatrischer Sicht in seine Beurteilung miteinbeziehen und daraus seine Schlüsse ziehen. Schliesslich ist festzuhalten, dass die Vorinstanz, entgegen der Kritik der Verteidigung (Urk. 57
S. 8), bei der Anordnung der ambulanten Massnahme als Anlasstat nicht auf den späteren Vorfall vom Mai 2020 (Drohung mit Messer) – für welchen sie den Antragsgegner infolge rechtfertigender Notwehr freisprach – abstellte, sondern vielmehr – wenn auch nur implizit – auf die tatbestandsmässig und rechtswidrig begangene schwere Körperverletzung und die grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Rahmen des früheren Vorfalls im November 2018.
Nach dem Gesagten liegt gestützt auf die beiden gutachterlichen Einschätzungen von Prof. Dr. med. H. eine erhebliche Gefahr für weitere Straftaten vor, falls die psychische Erkrankung weiterhin unbehandelt bleibt. Die gemäss Gutachter zweckmässige Behandlung in Form einer ambulanten psychiatrischen Therapie, idealerweise verbunden mit einer antipsychotischen Medikation (Urk. 1/12/20 S. 32; 1/12/31 S. 38, 40) stellt mit der Vorinstanz – insbesondere im Vergleich zur stationären Massnahme – einen eher leichten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Antragsgegners dar und erweist sich mithin in Relation zur drohenden Gefahr bedrohlichen Verhaltens und Ausführung von Gewaltdelikten durch den Antragsgegner (Urk. 1/12/31 S. 39) als verhältnismässig. Die Vorinstanz setzte sich ferner mit der Thematik der Massnahmewilligkeit des Antragsgegners auseinander. Auf die grundsätzlich zutreffenden Erwägungen kann vorab verwiesen werden (Urk. 45 S. 21 f.). An der mangelnden Bereitschaft des Antragsgegners, sich einer Therapie zu unterziehen hat sich – wie den Ausführungen der Verteidigung implizit entnommen werden kann (Urk. 57 S. 6 f.) – offenbar nichts wesentlich geändert. Zwar kann dem Antragsgegner wohl nicht attestiert werden, keinerlei Krankheitseinsicht zu besitzen, was auch im Ergänzungsgutachten mit dem Hinweis, wonach eine gewisse Akzeptanz der schizophrenen Erkrankung zwar vorliege, festgestellt wird (Urk. 1/12/31 S. 37). Wie sich sowohl aus den Gutachten als auch aus der gerichtlichen Befragung des Antragsgegners durch die Vorinstanz ergibt, fehlt dem Antragsgegner allerdings die Einsicht in die Therapiebedürftigkeit seiner Erkrankung. Er vertritt die Ansicht, aufgrund seiner veränderten Lebenssituation, welche er mit einem stabilen famili- ären und kollegialen Umfeld und seiner Arbeitstätigkeit beschreibt, sowie angesichts dessen, dass er seither viel gelernt und mit seiner (deliktsverstrickten) Vergangenheit abgeschlossen hätte (Prot. I S. 11 ff.), keine Therapie (mehr) benötige, um künftige Rückfälle auszuschliessen. Dem widerspricht Prof. Dr. med.
H.
allerdings klar, der in seinem Gutachten mehrfach die eigenweltliche
Logik des Antragsgegners mit fortlaufenden Fehleinschätzungen sozialer Situationen thematisiert und, wie bereits dargelegt, bei weiterhin ausbleibender Behandlung einen hohe Wahrscheinlichkeit weiterer Delikte attestiert, insbesondere in akuten Krankheitsphasen bzw. bei situativer Überforderung (Urk. 1/12/31 S. 37). Daraus erhellt, dass der Antragsgegner zumindest die Schwere seiner psychischen Erkrankung bzw. insbesondere den Umstand, dass diese ohne Therapie, alleine durch ein verändertes Umfeld und eine vermeintlich geläuterte innere Einstellung, nicht einfach verschwindet. Insofern ist dem Antragsgegner durchaus ei- ne gewisse mangelnde Krankheitseinsicht zu attestierten. Die Rechtsprechung stellt an das Erfordernis der Therapiewilligkeit zum Zeitpunkt des richterlichen Entscheids in der Regel keine allzu hohen Anforderungen, trägt sie damit doch gerade dem Umstand Rechnung, dass es durchaus aufgrund der psychischen Erkrankung des Betroffenen an der Fähigkeit fehlen kann, die Notwendigkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen. Mangelnde Einsicht gehört bei schweren, langandauernden Störungen häufig zum typischen Krankheitsbild. Ein erstes Therapieziel besteht daher oft darin, Einsicht und Therapiewilligkeit zu schaffen. Entsprechend lässt es die Rechtsprechung genügen, dass beim betroffenen Täter eine nur minimale Motivierbarkeit erkennbar ist (Urteils des Bun- desgerichts 6B_1287/2017 vom 18. Januar 2018 E. 1.3.3 m.w.H.). Dies gilt grundsätzlich auch bei ambulanten Massnahmen (vgl. dazu einlässlich HEER in: Basler Kommentar StGB, 4. Aufl. 2019, N 29 zu Art. 63 StGB). Wie sich aus der im Gutachten vom 2. April 2020 dargelegten psychiatrischen Vorgeschichte des Antragsgegners ergibt, hat sich dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach psychiatrischen Behandlungen unterzogen, im Jahr 2016 im Sanatorium Kilchberg, im November 2018 in der Klinik Clienia Schlössli und im Mai 2019 in der PUK Zürich. Zwar waren insbesondere die beiden letztgenannten Behandlungen im Rahmen von Fürsorgerischen Unterbringen (FU) angeordnet worden. Dennoch äusserte sich der Antragsgegner zu den Behandlungen durchaus auch positiv, gab er doch an, den mehrmonatigen stationären Aufenthalt in der PUK Zürich (Mai - September 2019) als coole Zeit erlebt zu haben und dass es ihm danach
deutlich besser gegangen sei. Sodann habe er in der Folge – auch wenn auch nur einmalig – eine ambulante Therapiesitzung besucht, da er da sehr beschäftigt gewesen sei und deshalb keine weiteren Termine mehr habe wahrnehmen wollen (Urk. 1/12/20 S. 14 f.). Vor diesem Hintergrund sind durchaus gewisse Anzeichen für eine minimale Motivierbarkeit beim Antragsgegner vorhanden. Schliesslich weist der Gutachter darauf hin, dass aufgrund der mangelnden Therapiebereitschaft des Antragsgegners eine zweckmässige ambulante Behandlung in jüngerer Zeit zwar nicht habe erfolgen können, weist aber darauf hin, dass diese dem Antragsgegner bislang nur auf freiwilliger Basis habe angeboten werden können und dies mithin nicht bedeute, dass er sich einer gerichtlich angeordneten Therapie ebenfalls nicht unterziehen würde (Urk. 1/12/20 S. 32 und Urk. 1/12/31 S. 40).
Im Ergebnis sind die Voraussetzungen damit erfüllt. Die bereits durch die Vorinstanz angeordnete ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB (Behandlung der psychischen Störung des Antragsgegners) ist deshalb zu bestätigen.
Die Vorinstanz hat die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens gestützt auf Art. 419 StPO vollumfänglich auf die Gerichtskasse genommen. Diese Kostenübernahme ist zu bestätigen. Ohnehin stünde einer Abänderung dieser Kostenverlegung zu Ungunsten des Antragsgeg- ners das Verschlechterungsverbot entgegen.
Grundsätzlich richtet sich die Kostentragung im Rechtsmittelverfahren nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens der Parteien (Art. 428 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 419 StPO können Schuldunfähigen allerdings nur Kosten auferlegt werden, wenn dies nach den gesamten Umständen billig erscheint. Die einschränkende Kostenauflage gilt auch dann, wenn gegen einen Schuldunfähigen im Sinne von Art. 375 Abs. 1 StPO Massnahmen angeordnet werden (zur Anwendung von Art. 419 StPO im selbständigen Massnahmeverfahren vgl. B OMMER in: Basler Kommentar StPO II, 2. Aufl. 2014, N 22 ff. zu Art. 375 StPO sowie SCHMID, Praxiskommentar Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2018,
N 6 zu Art. 375 und N 13 zu Art. 426 StPO; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, SB180159 vom 23. Juli 2019 S. 28). Aus Billigkeitsgrün- den ist eine Kostenauflage gerechtfertigt, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der beschuldigten schuldunfähigen Person so gut sind, dass eine Kostenüber- nahme durch den Staat als stossend erschiene (DOMEISEN in: Basler Kommentar StPO II, 2. Aufl. 2014, N 7 zu Art. 419 StPO, m.H.; vgl. zum Thema auch ZR 89/1990 Nr. 128, S. 319). Nachdem die finanziellen Verhältnisse des Antragsgeg- ners mit einem Nettoeinkommen von Fr. 5'000.– zwar nicht am Existenzminimum (Prot. I S. 8 f.), jedoch auch nicht massgeblich darüber liegen, ist kein Fall gegeben, in dem die Kostenübernahme durch den Staat als geradezu stossend erscheinen würde. Entsprechend ist – wie bereits die Vorinstanz im erstinstanzlichen Verfahren – auch im Berufungsverfahren auf eine Kostenauflage an den Antragsgegner zu verzichten. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben entsprechend ausser Ansatz zu fallen. Schliesslich entfällt auch die spätere Rückzahlungspflicht hinsichtlich der Kosten der amtlichen Verteidigung (dazu sogleich) im Sinne von Art. 135 Abs. 4 StPO (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, SB180159 vom 23. Juli 2019 S. 28 f.).
Der amtliche Verteidiger ist aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 135 Abs. 1 StPO). Er macht mit Kostennote vom 11. Juli 2022 (Urk. 70) einen Aufwand (inkl. Barauslagen und MwSt.) von Fr. 2'292.80 (inkl. MwSt. und Auslagen) geltend. Dieser Aufwand erscheint als angemessen. Entsprechend ist Rechtsanwalt lic. iur. X. für seine Tätigkeit als amtlicher Verteidiger im Berufungsverfahren mit Fr. 2'292.80 zu entschädigen. Eine Rückzahlungspflicht nach Art. 135 Abs. 4 StPO besteht wie zuvor dargelegt nicht.
Der Privatkläger 1 beantragt die Zusprechung einer angemessenen Prozessentschädigung zu Lasten des Antragsgegners. Gemäss Art. 433 Abs. 1 StPO hat die Privatklägerschaft gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren, wenn sie obsiegt (lit. a) wenn die beschuldigte Person nach Art. 426 Abs. 2 StPO kostenpflichtig ist (lit. b). Vorliegend hat der Privatkläger 1 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt, womit er im Berufungsverfahren
grundsätzlich obsiegt. Für die Zusprechung einer Prozessentschädigung ist aller- dings erforderlich, dass die Privatklägerschaft ihre entsprechende Forderung nicht nur beantragt, sondern auch beziffert und belegt (Art. 433 Abs. 2 StPO). Der Untersuchungsgrundsatz gilt hier nicht. Mit einem allgemeinen Antrag auf Zusprechung einer Entschädigung kommt die Privatklägerschaft dieser Pflicht jedenfalls nicht nach (vgl. ZR 113/2014 S. 44). Vorliegend hat der anwaltlich vertretene Privatkläger 1 seinen Antrag im Rahmen seiner Parteivorträge weder beziffert noch belegt (Urk. 61 und 67). Entsprechend ist auf seinen Entschädigungsantrag in Anwendung von Art. 433 Abs. 2 StPO nicht einzutreten. Anzumerken ist überdies, dass ohnehin fraglich erscheint, ob dem Privatkläger 1 – selbst im Fall ausreichender Bezifferung und Belegens – entschädigungspflichtige (bzw. notwendige
i.S.v. Art. 433 Abs. 1 StPO) Aufwendungen zugestanden werden könnten. Im selbständigen Massnahmeverfahren gemäss Art. 374 f. hat die Privatklägerschaft Anrecht darauf, sich zum Antrag auf Anordnung einer Massnahme für eine schuldunfähige beschuldigte Person sowie zu ihrer Zivilklage zu äussern (Art. 374 Abs. 3 StPO). Ersteres Äusserungsrecht bezieht sich allerdings auf die Frage der Schuld(un)fähigkeit der beschuldigten Person (SCHWARZENEGGER, in: Schulthess Kommentar Schweizer Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, N 8 zu Art. 374 StPO). Dies wird vorwiegend dann von Relevanz sein, wenn die Privatklägerschaft mit der Einschätzung der Staatsanwaltschaft, wonach der Täter in schuldunfähigem Zustand gehandelt und deshalb von Vornherein straflos bleiben soll, nicht einverstanden ist und entsprechend die Durchführung eines ordentlichen gerichtlichen Hauptverfahrens verlangt. Vorliegend war die Schuldunfähigkeit des Antragsgeg- ners, welche die Staatsanwaltschaft bewogen hat, anstelle einer Anklage bzw. ei- nes ordentlichen Hauptverfahrens direkt einen Antrag auf Anordnung einer Mass- nahme im Sinne von Art. 374 f. StPO zu stellen, im Berufungsverfahren (insbesondere auch von Seiten des Privatklägers 1) nicht mehr umstritten. Überdies verlangte selbst der Antragsgegner – wie auch der Privatkläger 1 – die Feststellung, mit seinem Verhalten tatbestandsmässig und rechtswidrig gehandelt zu haben (wenn auch mit einer etwas anderen rechtlichen Qualifikation als einfache statt versuchte schwere Körperverletzung), und nicht etwa die Einstellung des Verfahrens. Weiter haben weder der Antragsgegner noch der Privatkläger 1 die vorinstanzliche Verweisung seiner Zivilklage auf den Zivilweg angefochten, womit diese nicht mehr Thema des Berufungsverfahrens war. Und zur beantragten Massnahme hat sich die Privatklägerschaft von Vornherein nicht zu äussern (SCHWARZENEGGER, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund wäre ohnehin nicht ersichtlich, dass dem Privatkläger 1 im Sinne des Gesetzes notwendiger Aufwand entstanden wäre, womit ihm selbst bei Erfüllung seiner prozessualen Obliegenheiten (Bezifferungs- und Nachweispflicht) keine Entschädigung zuzusprechen gewesen wäre.
Es wird beschlossen:
Vom teilweisen Rückzug der Berufung des Antragsgegners hinsichtlich der vorinstanzlichen Feststellung der Tatbestandserfüllung der groben Verletzung der Verkehrsregeln wird Vormerk genommen.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung vom 20. April 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Einstellungen), 2 teilweise (betr. grobe Verletzung der Verkehrsregeln), 5 (Verweisung Privatkläger 1 und 2 auf den Zivilweg) und 6 (Kostenfestsetzung) sowie der am
21. Juni 2021 ergangene Beschluss (Entschädigung amtliche Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen sind.
Auf den Antrag des Privatklägers 1, lautend auf Zusprechung einer Prozessentschädigung, wird nicht eingetreten.
Gegen Ziffer 3 dieses Beschlusses kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner A. ferner den Tatbestand der versuchten schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB erfüllt hat.
Aufgrund der nicht selbst verschuldeten Schuldunfähigkeit wird von einer Strafe abgesehen.
Es wird eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB angeordnet.
Die erstinstanzliche Kostenregelung (Ziff. 7) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen Fr. 2'292.80 für die amtliche Verteidigung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Antragsgegners
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
die Vertreter der Privatkläger 1 und 2, je im Doppel für sich und zuhan- den der Privatkläger 1 und 2
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste mit Vermerk der Rechtskraft (im Doppel nebst Akten zur Einsicht)
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 14. Juli 2022
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Stiefel
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Andres
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