Zusammenfassung des Urteils SB210394: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Höfe wegen versuchter Nötigung. Der Beschuldigte hatte eine bedrohliche E-Mail an verschiedene Adressaten geschickt, darunter auch an seinen ehemaligen Vorgesetzten. In der E-Mail drohte er mit Konsequenzen, falls seine Forderungen nicht erfüllt würden. Der Beschuldigte wurde schliesslich freigesprochen, da die Androhung von Nachteilen nicht ausreichend konkret war, um eine Nötigung zu begründen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Bezirk Höfe auferlegt, und dem Beschuldigten wurde eine Genugtuung für die ungerechtfertigte Untersuchungshaft zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB210394 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 31.10.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vorsätzliches Vergehen gegen das Geldspielgesetz etc. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Berufung; Anklage; Urteil; Beschuldigten; Sinne; Bande; Recht; Lokal; Sportwetten; Vorinstanz; Berufungskläger; Berufungsklägerin; Gespa; Punkt; Anklageschrift; Geldspielgesetz; Bandenmässigkeit; Verteidigung; Verfahren; Tatbestand; Staatsanwaltschaft; Angebot; Gericht; Vergehen; Geldstrafe; Verfahrens; Konto |
Rechtsnorm: | Art. 135 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 325 StPO ;Art. 333 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 408 StPO ;Art. 417 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 45 StGB ; |
Referenz BGE: | 141 IV 244; 143 IV 63; 144 IV 234; 147 IV 167; 147 IV 176; 148 IV 124; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB210394-O/U/mc-as
Mitwirkend: Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Wasser- Keller und Ersatzoberrichterin lic. iur. Jeker sowie Gerichtsschreiber MLaw Andres
Urteil vom 31. Oktober 2022
in Sachen
sowie
Anklägerin
gegen
Beschuldigter und Berufungsbeklagter
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
betreffend vorsätzliches Vergehen gegen das Geldspielgesetz etc. Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom
Anklage:
Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 1. September 2020 (Urk. 22) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 66)
Der Beschuldigte ist schuldig
des vorsätzlichen Vergehens gegen das Geldspielgesetz (BGS) im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS,
der Übertretung gegen das Gastgewerbegesetz des Kantons Zürich (GGG) im Sinne von dessen § 39 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a GGG.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.–, wovon 2 Tagessätze als durch Haft geleistet gelten, sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.–.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt. Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'200.–; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 1'200.– Gebühr für die Strafuntersuchung Fr. 5'392.95 amtl. Verteidigungskosten
Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt; davon ausgenommen sind die Kosten der
amtlichen Verteidigung, welche einstweilen und unter dem Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO von der Gerichtskasse übernommen werden.
Es wird davon Vormerk genommen, dass die im Verfahren sichergestellten Gegenstände bereits herausgegeben wurden, soweit sie nicht vernichtet worden sind.
Berufungsanträge:
Der Gespa, Interkantonalen Geldspielaufsicht: (Urk. 68 S. 2)
Der Beschuldigte sei der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Geldspiele im Sinne von Art. 130 Abs. 1 Bst. a
i.V.m. Abs. 2 BGS schuldig zu sprechen;
Unter Kostenfolge zu Lasten des Beschuldigten.
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 83 S. 1 f.)
Die Berufung der Berufungsklägerin sei abzuweisen.
Der Beschuldigte sei in Bestätigung des Urteil des Bezirksgerichts Bülach (Einzelgericht) vom 20. April 2021 schuldig zu sprechen und zu bestrafen.
Die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens seien, inkl. der Kosten der amtlichen Verteidigung, definitiv auf die Staatskasse zu nehmen.
Der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: (Urk. 71, sinngemäss)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
Mit eingangs wiedergegebenem Urteil vom 20. April 2021 (Urk. 66) sprach das Bezirksgericht Bülach, Einzelgericht, den Beschuldigten des vorsätzlichen Vergehens gegen das Geldspielgesetz (BGS) im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS sowie der Übertretung gegen das Gastgewerbegesetz des Kantons Zürich (GGG) im Sinne von § 39 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a GGG schuldig und bestrafte ihn mit 100 Tagessätzen Geldstrafe zu Fr. 30.– bedingt sowie einer Busse von Fr. 1'000.–. Hinsichtlich des Verfahrensgangs bis zum vorinstanzlichen Urteil sei auf die dortigen Erwägungen (Urk. 66 S. 3 f.) verwiesen. Gegen dieses Urteil meldete die Interkantonale Geldspielaufsicht Gespa (bis 1. Januar 2021 noch Lotterie- und Wettkommission Comlot) fristgerecht Berufung an (Urk. 60). Die Berufungserklärung vom 9. August 2021 (Urk. 68) erfolgte ebenfalls fristgerecht.
Mit Präsidialverfügung vom 30. August 2021 wurde der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) und dem Beschuldigten Frist zur Anschlussberufung angesetzt (Urk. 69), worauf Erstere mit Eingabe vom
1. September 2021 verzichtete und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragte (Urk. 71). Der Beschuldigte erklärte mit Eingabe vom 20. September 2021 ebenfalls Verzicht auf Anschlussberufung und beantragte die Durchführung des schriftlichen Verfahrens (Urk. 72). Nachdem sich auch die Gespa sowie die Staatsanwaltschaft entsprechend einverstanden erklärt hatten (Urk. 73/1-3), wur- de mit Präsidialverfügung vom 27. September 2021 die Durchführung des schriftlichen Berufungsverfahrens angeordnet und der Gespa Frist angesetzt, um die Berufungsanträge zu stellen und zu begründen auf die bisherige Eingabe zu verweisen (Urk. 74). Mit Eingabe vom 18. Oktober 2021 verwies die Gespa auf ihre bereits im Recht liegende begründete Berufungserklärung (Urk. 76/1). In der Folge erstattete der Beschuldigte innert mehrfach erstreckter Frist (Urk. 79, 80,
82) am 17. Januar 2022 seine Berufungsantwort (Urk. 83). Am 17. Februar 2022 ging fristgerecht die Replik der Gespa bei der hiesigen Kammer ein (Urk. 87). Mit
Eingabe vom 21. März 2022 folgte schliesslich die Duplik des Beschuldigten (Urk. 90).
Anwendbares Prozessrecht und Beschwerdelegitimation
Dem Beschuldigten werden mit Blick auf das Geldspielgesetz (BGS) das Zurverfügungstellen von Online-Sportwetten (via Internet-Plattform www.B. .com) vorgeworfen, wobei es sich um Grossspiele im Sinne von Art. 3 lit. e BGS handelt, welche mit Blick auf die Verfahrensbestimmungen des Geldspielgesetzes wiederum unter den Begriff der anderen Geldspiele im Sinne von Art. 135 BGS fallen. Entsprechend sind die kantonalen Behörden für die Strafverfolgung zuständig und das Verfahren richtet sich nach eidgenössischer Strafprozessordnung (und nicht nach VStrR; vgl. Art. 134 BGS e contrario, i.V.m. Art. 135 BGS).
Aus dem Anwendungsbereich von Art. 135 BGS ergibt sich denn auch die Beschwerdelegitimation der Gespa als Berufungsklägerin. Die Interkantonale Geldspielaufsicht Gespa ist eine interkantonale öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit mit Sitz in Bern, welche die im BGS der interkanto- nalen Aufsichts- und Vollzugsbehörde zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt (Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Gesamtschweizerisches Geldspielkonkordat [GSK]; LS 553.2 Anhang I). Gemäss Art. 135 Abs. 2 lit. c BGS ist die Interkantonale Aufsichts- und Vollzugsbehörde zur Berufung und Anschlussberufung im Strafpunkt gegen Urteile bemächtigt. Die Gespa ist mithin zur Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bülach legitimiert, was auch von keiner Seite in Abrede gestellt wird.
Berufungsumfang
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung und wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils dementsprechend gehemmt. Das Berufungsgericht überprüft somit das erstinstanzliche
Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Auch wenn das Berufungsgericht nur die angefochtenen Punkte neu beurteilt, fällt es am Ende ein insgesamt neues Urteil (Art. 408 StPO), worin es jedoch anzugeben hat, welche Punkte bereits früher in Rechtskraft erwachsen sind (BGE 141 IV 244 E. 1.3.3; Urteil des Bundesgerichtes 6B_533/2016 vom 29. November 2016 E. 4.2 mit Hinweisen).
Die Gespa beschränkt ihre Berufung auf den vorinstanzlichen Schuldpunkt betreffend Widerhandlung gegen das Geldspielgesetz. Unangefochten geblieben ist mithin der Schuldspruch wegen Übertretung des Gastgewerbegesetzes des Kantons Zürich (GGG) im Sinne von dessen § 39 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. a GGG, für welchen die Vorinstanz auf eine Busse von Fr. 1'000.– erkannt und für den Fall des schuldhaften Nichtbezahlens derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen festgesetzt hat. Insoweit ist das vorinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen, was vorab mit Beschluss festzustellen ist.
Betreffend Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Geldspiele (BGS) beantragt die Berufungsklägerin, den Beschuldigten wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung im Sinne von Art. 130 Abs. 2 BGS statt der einfachen Widerhandlung im Sinne von Art. 130 Abs. 1 BGS schuldig zu sprechen, auf welche die Vorinstanz erkannte. Was den Berufungsumfang angeht, argumentiert die Vertei- digung diesbezüglich, dass angesichts der Beschränkung der Berufung explizit und ausschliesslich auf den Schuldspruch das vorinstanzlich festgesetzte Strafmass ganzheitlich (inkl. Geldstrafe) unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei (Urk. 72 S. 1).
Wird die Berufung auf die Anfechtung von Schuldoder Freisprüchen beschränkt, muss eine Gutheissung automatisch dazu führen, dass die mit dem Schuldpunkt eng verknüpften Teile des Urteils neu überprüft werden, selbst wenn diesbezüglich keine Anträge vorliegen. Folglich sind bei einer Gutheissung der Berufung auch das Strafmass sowie die Nebenfolgen, welche eine enge Konnexität mit den angefochtenen Punkten aufweisen (Zivilpunkt, Einziehungen, erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsregelung), zu überprüfen. Sie gelten als mitangefochten. Entsprechend konnte die von der Vorinstanz für den angefochte-
nen Schuldspruch betreffend Geldspielgesetz ausgesprochene Strafe – entgegen der Verteidigung – nicht in Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in jedem Fall eine vollumfängliche Neubeurteilung der vorinstanzlich festgesetzten Strafe zu erfolgen hat. Denn wird der Berufungsantrag im Schuldpunkt abgewiesen, sind die weiteren, nicht spezifisch angefochtenen Urteilspunkte nicht erneut zu überprüfen. Letzteres wäre nur angezeigt, wenn der Berufungskläger im Rahmen seiner Teilanfechtung im Sinne Art. 399 Abs. 3 lit. a StPO seine Berufung – über den Schuldpunkt hinaus – ausdrücklich auch gegen andere Teilpunkte gemäss Art. 399 Abs. 4 lit. b e StPO richtet er für den Fall der Abweisung seiner Berufung im Schuldpunkt entsprechende Eventualanträge stellt. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in welcher die Berufungsklägerin ihre Berufung ausdrücklich auf den Schuldpunkt im Sinne von Art. 399 Abs. 4 lit. a StPO beschränkt hat (vgl. Urk. 68 S. 2, Formelles, 3. Absatz), sind im Falle der Bestätigung des vorinstanzlichen Schuldspruchs das Strafmass und die vorinstanzliche Kosten- und Entschädigungsregelung somit nicht zu überprüfen bzw. neu festzulegen (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6B_1299/2018 vom 28. Januar 2019 E. 2.3 mit weiteren Verweisen auf die Lehre; ZIMMERLIN, in: Do- natsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl. 2020, N 19 zu Art. 399 StPO).
Gemäss anerkanntem Anklagesachverhalt (vgl. Urk. 66 S. 8; Urk. 83 S. 2) hat der Beschuldigte im Zeitraum vom 1. Juni 2019 bis zum 4. Dezember 2019,
im Lokal C. an der D. -strasse ... in E.
den Besuchern über
zumindest drei mit dem Internet verbundene Rechner Zugang zur Sportwetten- Plattform B. .com angeboten, ohne über die dafür erforderliche Bewilligung zu verfügen. Dabei hatten die Besucher dem Beschuldigten jeweils die Beträge (zwischen Fr. 10.– bis Fr. 100.–) in bar übergeben, woraufhin dieser dann über einen Master-Account auf der gewünschten Wettplattform ein Benutzerkonto und einen bestimmten Spielbetrag freigeschaltet hat, so dass die Besucher in der Folge über einen der Rechner selbständig hätten Wetten platzieren können. Dies tat
der Beschuldigte, um die Frequentierung des von ihm betriebenen Lokals zu erhöhen, wobei er sporadisch Einnahmen aus den Wetteinsätzen jeweils an unbekannte Dritte ablieferte (Urk. 22 S. 4).
Dass der Beschuldigte damit den angeklagten Grundtatbestand des Zurverfügungstellens von Grossspielen ohne die notwendige Bewilligung im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS erfüllte, ist unbestritten und wird auch vom Beschuldigten anerkannt. Zu prüfen ist dagegen, ob darüber hinaus auch der qualifizierte Tatbestand der Bandenmässigkeit erfüllt ist.
Die Vorinstanz hat das Verhalten des Beschuldigten – wie bereits erwähnt – als (einfaches) Vergehen gegen das Geldspielgesetz im Sinne von 130 Abs. 1 lit. a BGS qualifiziert (Urk. 66 S. 8 ff.). Wenngleich sich in objektiver Hinsicht gewisse Anhaltspunkte dafür finden liessen, dass die Zusammenarbeit des Beschuldigten mit Drittpersonen eine gewisse Struktur aufwies (Urk. 66 S. 12), sei jedenfalls nicht rechtsgenüglich erstellbar, dass der Beschuldigte den Willen gehabt habe, Teil einer Bande zu sein bzw. mit dieser inskünftig mehrere gleichgelagerte Delikte zu begehen, womit der subjektive Tatbestand der bandenmässigen Tatbegehung im Sinne von Art. 130 Abs. 2 BGS nicht erfüllt sei (Urk. 66 S. 13 f.).
Die Berufungsklägerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass der Beschuldigte anerkanntermassen einem gewissen G. wöchentlich die erzielten Wetteinnahmen abgegeben habe, wobei es sich über die ganze Deliktsperiode von Beginn weg um dieselbe Person gehandelt habe. Sodann gebe es aus den beim Beschuldigten sichergestellten Chatverläufen konkrete Hinweise auf einen dritten Komplizen, F. , den der Beschuldigte regemässig kontaktiert habe, wenn er wieder Geld auf dem Spielerkonto benötigt es administrative Probleme mit den Spieleraccounts gegeben habe. Diese rollen- und arbeitsteilige Zusammenarbeit zwischen dem Beschuldigte, der durch seine Tätigkeit an der Front im Lokal C. zum vorgeworfenen unbewilligten Zurverfügungstellen von Grossspielen selber einen massgeblichen Beitrag geleistet habe, und den beiden genannten Personen erfülle nicht nur die Voraussetzungen der Mittäterschaft. Angesichts der repetitiven und routinierten Vorgehensweise in immer der
gleichen Konstellation sei von einem intakten Bandenkonstrukt bzw. einem stabilen Team auszugehen. Nachdem der Beschuldigte die nicht autorisierten Sportwetten im Wissen und Wollen in dieser Form und in Kooperation mit den anderen beiden Personen angeboten habe und das illegale Angebot erst aufgrund der Intervention durch die Polizei beendet worden sei, seien die Voraussetzungen der Bandenmässigkeit im Sinne von Art. 130 Abs. 2 BSG erfüllt (Urk. 68 S. 4 ff.). So- dann würde es sich beim Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS – entgegen der Vorinstanz – auch nicht um ein Dauerdelikt, sondern um ein Zustandsdelikt handeln, womit nicht eine einfache, sondern mehrfache (bandenmässige) Deliktsbegehung vorliege (Urk. 68 S. 7 ff.).
Die Verteidigung beantragt die Bestätigung des Urteils der Vorinstanz, deren Begründung sie als zutreffend bezeichnet. Einer Verurteilung wegen Ban- denmässigkeit würde bereits das Anklageprinzip entgegenstehen. Die von der Berufungsklägerin ins Feld geführte Zusammenarbeit mit F. werde dem Beschuldigen in der Anklage gar nicht erst vorgeworfen. Auch werde der subjektive Tatbestand der Bandenmässigkeit in der Anklage nicht umschrieben. Sodann ergebe sich aus den Umständen, dass der Beschuldigte den Zugang zu den Wetten gestützt auf einen einmaligen Gesamtvorsatz angeboten habe, womit keine mehrfache Tatbegehung vorgelegen habe (Urk. 83 S. 3 ff.).
Zunächst ist auf Frage nach der Einhaltung des Anklageprinzips einzugehen, mithin, ob die von der Berufungsklägerin beatragte qualifizierte Begehung des Zurverfügungstellens von Grossspielen im Sinne der Bandenmässigkeit überhaupt durch die vorliegende Anklageschrift erfasst wird.
Die Anklageschrift bezeichnet unter anderem möglichst kurz, aber genau, die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO). Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht
genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 144 IV 234 E. 5.6.1.; 143 IV 63
E. 2.2 S. 65; 141 IV 132 E. 3.4.1.; je mit Hinweisen). Die beschuldigte Person muss aus der Anklage ersehen können, wessen sie angeklagt ist. Das bedingt ei- ne zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass die betroffene Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Sie darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_918/2020 vom 19. Januar 2021 E. 3.3., mit Hinweisen).
Die Voraussetzungen der Bandenmässigkeit im Sinne der Rechtsprechung wurde von der Vorinstanz bereits zutreffend dargelegt (Urk. 66 S. 9 f.). Demnach ist Bandenmässigkeit gegeben, wenn zwei mehrere Täter sich mit dem aus- drücklich konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbstständiger, im Einzelnen möglicherweise noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Dabei muss der Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet sein. Zweck der Qualifikation ist die besondere Gefährlichkeit, die sich daraus ergibt, dass der Zusammenschluss die Täter stark macht und die fortgesetzte Verübung solcher Delikte voraussehen lässt. Eine Bande kann nach der Rechtsprechung schon beim Zusammenschluss von zwei Tätern gegeben sein, wenn nur gewisse, über die blosse Mittäterschaft hinausgehende Mindestansätze einer Organisation (etwa ei- ner Rollenoder Arbeitsteilung) vorliegen die Intensität des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreicht, dass von einem bis zu einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann, auch wenn dieses allenfalls nur kurzlebig ist (BGE 147 IV 176 E. 2.4.2; 135 IV 158 E. 2 und
E. 3.3). Der Begriff der Bande ist eng auszulegen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1145/2016 vom 7. April 2017 E. 1.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_510/2013 vom 3. März 2014 E. 3.3).
In der Anklageschrift wird dem Beschuldigten unter dem Titel Vergehen gegen das BG über Geldspiele vorgeworfen, in bereits beschriebener Manier (vgl. oben E. II I. 1.) seinen Gästen über den Zeitraum von Anfang Juni bis 4. Dezember 2019 im Lokal C. an der D. -strasse ... in E. Zugang zu Sportwetten angeboten zu haben. Dies habe der Beschuldigte getan, ohne über eine hierfür nötige Bewilligung zu verfügen, was er gewusst und gewollt respektive zumindest billigend in Kauf genommen habe. Hinsichtlich der von der Berufungsklägerin betonten rollen- und arbeitsteiligen Zusammenarbeit mit seinen vermeintlichen Bandenmitgliedern erwähnt die Anklageschrift einzig, dass der Beschuldigte die sporadischen Einnahmen aus den Wetteinsätzen in nicht mehr eruierbarer Höhe jeweils an unbekannte Dritte ablieferte (Urk. 22 S. 4). Eine eigentliche Umschreibung der rollen- und arbeitsteiligen Zusammenarbeit zwischen dem Beschuldigte und seinen beiden Mittätern G. und F. , welche die Berufungsklägerin für erstellt erachtet, ist im Anklagesachverhalt nicht enthalten. Weder werden die beiden Bandenmitglieder mit Namen (allenfalls Aliasnahmen) aufgeführt, noch enthält die Anklage eine Umschreibung ihrer Rolle, welche sie gemäss Berufungsklägerin innerhalb der Bande gespielt haben sollen. Während sich die vermeintliche Rolle von G. – welchem der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben jeweils den Erlös aus den Wetteinsätzen abgegeben hatte (Urk. 8/2 S. 12; Urk. 8/3 S. 3) – allenfalls noch unter die Bezeichnung der unbekannten Dritten, welchen er die Einnahmen abgegeben habe, subsumieren liesse, fehlt eine Erwähnung des angeblichen Mittäters F. und/oder dessen Rolle bzw. Aufgaben, die dieser innerhalb der Bande übernommen haben soll, dagegen gänzlich. Entsprechend fehlt es in der Anklageschrift selbst an einer auch nur groben Umschreibung der Umstände, welche auf ein bandenmässiges Zusammenwirken des Beschuldigten mit allfälligen Mittätern schliessen liesse. Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die subjektiven Elemente der Bandenmässigkeit, mithin der Absicht, mit den Bandenmitgliedern inskünftig eine Vielzahl von Delikten zu begehen, bezieht sich die Umschreibung des Vorsatzes in der Anklageschrift doch einzig auf das Anbieten von Sportwetten ohne Bewilligung an sich. Zwar sind nach der Rechtsprechung an die Umschreibung des subjektiven Tatbestandes in vielen Fällen nur sehr geringe Anforderungen zu stellen (v.a. bei
einfachen Vorsatzdelikten; BGE 143 IV 63 E. 2.3). Nachdem das subjektive Element (Absicht gemeinsamer künftiger Deliktsbegehungen) der Bandenmässigkeit jedoch gerade ein entscheidendes Element darstellt, durch welches sich diese von der mehrfachen nur mittäterschaftlichen Deliktsbegehung unterscheidet, genügt die vorliegende Anklageschrift, die auch keine generell abstrakte Wiedergabe des Gesetzestextes bzw. nicht einmal einen Hinweis auf den qualifizierten Straftatbestand gemäss Art. 130 Abs. 2 BGS enthält, den Anforderungen des Anklageprinzips jedenfalls nicht (vgl. zum Ganzen illustrativ Urteil des Bundesgerichts 6B_1145/2016 vom 7. April 2016 E. 1).
Nach dem Gesagten steht fest, dass die Anklageschrift vom 1. September 2020 in ihrer vorliegenden Fassung eine Verurteilung wegen bandenmässigen Zurverfügungstellens von Grossspielen im Sinne von Art. 130 Abs. 2 BGS nicht zulässt, da dies eine Verletzung des Anklageprinzips bedeuten würde.
Gemäss Art. 333 Abs. 1 StPO gibt das Gericht der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen anderen Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Zwar kommt eine Konstellation, in welcher in der Anklage nur der Grundtatbestand dargestellt wird, während der Sachverhalt eine qualifizierte Variante des angeklagten Tatbestands erfüllen könnte, wofür aber die Umschreibung der Qualifikationsmerkmale fehlt, grundsätzlich als Anwendungsfall von Art. 333 Abs. 1 StPO in Betracht (vgl. BGE 147 IV 167 E. 1.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_1216/2020 vom
11. April 2022 E. 1.3.2.). Wie sogleich zu zeigen sein wird, ist aufgrund der Beweislage jedoch ohnehin nicht von Bandenmässigkeit auszugehen, womit eine Ergänzung der Anklageschrift einem Leerlauf gleichkommen würde.
Dass der Beschuldigte hinsichtlich des Zurverfügungstellens der Sportwetten nicht auf eigene Faust handelte, ist unbestritten und ergibt sich – wie die Vorinstanz bereits zutreffend feststellte (Urk. 66 S. 11 f.) – auch aus den Akten. Zutreffend ist zwar, dass der Beschuldigte hinsichtlich des unbewilligten Angebots der Sportwetten durchaus eine relevante Aufgabe wahrnahm, war er doch – wie es auch die Berufungsklägerin formulierte – an der Front tätig und verkörperte
insofern dieses illegale Angebot zumindest vordergründig. Eine genauere Betrachtung der Rolle des Beschuldigten innerhalb des Gefüges, welches hinter diesem Angebot zu stehen scheint, lässt jedoch erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass der Beschuldigte tatsächlich auch Teil eines festen Teams im Sinne der Rechtsprechung war, mit welchem die illegale Tätigkeit gemeinsam organisiert wurde und künftig auch weiter hätte angeboten werden sollen. Aufgrund verschiedener nachfolgend darzulegender Indizien entsteht insgesamt vielmehr der Eindruck, dass der Beschuldigte mehr als Marionette eines hierarchisch höher strukturierten Gefüges benutzt wurde, ohne selber eigentlicher Teil dieses Teams zu sein.
Im Rahmen der Hafteinvernahme erklärte der Beschuldigte den modus operandi, mit welchem hinsichtlich der Sportwetten im …-lokal jeweils vorgegangen wurde, wie folgt: Der Kunde gibt mir z.B. CHF 100.-, ich eröffne dann am Computer ein Konto, dazu gehe ich an einen der drei Computer, ich eröffne ein Konto auf Solo. Normalerweise haben alle ein eigenes Konto, aber ich kann auch eigene Kontos eröffnen. Ich habe ein Konto, auf diesem ist ein Guthaben von CHF 500 - 600.–. Das Geld lade ich dann auf das Konto des Spielers weiter. Das Geld wird von anderen auf mein Konto geladen. Es wird auch durch diese Leute überprüft und falls nötig, wird wieder Guthaben aufgeladen. Die Leute spielen dann an den Computern im Lokal Fussballwetten auf B. . Das vom Kunden erhaltene Geld, wird danach abgeholt von G. , den Nachnamen kenne ich nicht. (Urk. 8/2 S. 12). Auf die Frage, wieviel er denn vom Wetterlös erhalte, erklärte der Beschuldigte, er erhalte nichts (Urk. 8/2 S. 12). Wenngleich klar sein dürfte, dass der Beschuldigte als Lokalbetreiber hinsichtlich der Gästekonsumationen (Essen, Trinken) von einer erhöhten Frequentierung seines Lokals indirekt ebenfalls einen Nutzen aus dem Wettangebot zog, ist den- noch auffällig, dass die Infrastruktur, der Masteraccount und die Bewirtschaftung desselben und schliesslich der gesamte Geldfluss im Zusammenhang mit dem Angebot der Sportwetten von aussen organisiert und gesteuert wurde. Bemerkenswert ist ferner, dass der Beschuldigte, als er das Lokal als Betreiber über- nahm, das bereits vor seiner Zeit bestehende Wettangebot einfach weiterführte, es quasi mit dem Inventar übernommen hatte. Dass das Angebot in dieser Form bereits vor der Übernahme durch den Beschuldigten bestanden hat, ergibt sich
aus der Kurzeinvernahme eines bereits vormaligen Stammkunden des Lokals (vgl. Kurzeinvernahme H. , Urk. 11/1 F/A 8 und 15), welche ungeachtet der Frage nach der Einhaltung der Teilnahme- und Konfrontationsrechte (vgl. Urk. 66
S. 10) jedenfalls zu Gunsten des Beschuldigten verwertet werden kann. Der Beschuldigte gab an, er habe das Wettangebot zunächst nicht weiterführen wollen, weshalb sie ihn zunächst auch nicht als Mieter bzw. Betreiber des Lokals gewollt hätten. Man habe ihm zudem gesagt, dass sich das Gastrolokal ohne das Wettangebot nicht gewinnbringend betreiben liesse (Urk. 8/2 S. 8 f.; Urk. 8/3
S. 7). Bei seiner Übernahme des Betriebs seien die drei PCs bereits vorhanden und alles entsprechend eingerichtet gewesen. Der vormalige Betreiber, I. , habe ihm auch gezeigt, wie es funktioniere (Urk. 8/2 S. 12 f.). Diesbezüglich entsteht jedoch der Eindruck, dass der Beschuldigte nur gerade über die nötigsten Kenntnisse verfügte, um das Angebot wie bisher aufrechtzuerhalten (vgl. Urk. 8/2
S. 8: F: Wie funktionierte das Ganze? A: Ich weiss nicht, was sie gemacht haben, ich habe das System dann einfach übernommen und weiterlaufen lassen. I. und seine Verwandten haben das eigerichtet.; S. 12 F: Wie funktioniert das mit dem Masteraccount und dem Mobiltelefon? A: Das weiss ich nicht, Mit dem J. Handy habe ich nichts zu tun. Das Konto war K. , Passwort: '1234' auf B. .com. Ich habe das an einem dieser bereitgestellten Computer jeweils gemacht. Von diesem Konto aus habe ich das Geld dann an die Kunden überwiesen.). Dafür spricht auch, dass der Beschuldigte mehrfach die Hilfe des auch von der Berufungsklägerin erwähnten F. bei technischen bzw. administrativen Fragen in Anspruch nehmen musste (vgl. dazu die vorinstanzlichen Erwägungen Urk. 66 S. 12). Ferner ergibt sich aus den Aussagen, dass der Beschuldigte selber keinen eigenen Masteraccount eröffnet hatte, sondern ihm selbst dieser samt Passwort vorgegeben bzw. zur Verfügung gestellt und das Guthaben darauf jeweils von Dritten aufgeladen wurde.
Schliesslich weist die Vorinstanz zur Recht darauf hin, dass der Beschuldigte mehrfach in Streitereien mit den Hintermännern des im …-lokal zur Verfügung gestellten Zugangs zu den Sportwetten bzw. mit dem Vorbesitzer I. , welcher ihm das Lokal zunächst zur Untermiete überlassen hatte, verwickelt war. Auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz kann an dieser Stelle verwiesen werden (Urk. 66 S. 14). Zwar stehen Unstimmigkeiten zwischen Bandenmitgliedern der Bandenmässigkeit noch nicht per se entgegen. Ähnlich verhält es sich auch, wenn ein Täter nur widerwillig in einer Bande mitwirkt, lässt dies doch für sich den subjektiven Tatbestand noch nicht entfallen. Die Unstimmigkeiten sind in casu jedoch – mit der Vorinstanz – als weiteres Indiz dafür zu werten, dass dem Beschuldigten im Kreis der Betreiber des Wettangebots kein Mitspracherecht zukam, sondern er vielmehr von diesen benutzt worden war, um das bereits vor der Zeit des Beschuldigten etablierte System unverändert weiterlaufen zu lassen.
Anhand der dargelegten Indizien bestehen sowohl mit Blick auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand massgebliche Zweifel daran, dass der Beschuldigte hinsichtlich der angebotenen Zugänge zu unbewilligten Sportwetten als Mitglied einer Bande agierte und den Willen aufwies, gemeinsam im Rahmen eines stabilen Teams künftig eine Mehrzahl von weiteren gleichgelagerten Delikten zu begehen. Zwar ist durchaus denkbar bzw. gibt es gar gewisse Hinweise darauf, dass nicht genau eruierte Dritte, welche insbesondere auch den Erlös aus den Wetteinsätzen einzogen, als Bande organisiert gewesen sein dürften. Diese wäre jedoch – wie es bereits die Staatsanwaltschaft in ihrer Aktennotiz vom 11. Januar 2021 zutreffend formulierte (Urk. 28/7 S. 2) – auf einer anderen Handlungsebene tätig und auf einer weitaus höheren Hierarchiestufe anzusiedeln als der Beschuldigte. Aufgrund der vorherrschenden Zweifel ist mit der Vorinstanz zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass dessen Handlungen und Absichten den qualifizierten Tatbestand der Bandenmässigkeit im Sinne Art. 130 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 2 BGS nicht erfüllten.
Im Ergebnis ist mithin festzuhalten, dass der Beschuldigte selbst dann nicht wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Geldspielgesetz schuldig zu sprechen wäre, wenn in der Anklageschrift ein solcher Vorwurf genügend umschrieben wäre. Entsprechend ist – um eine unnötige Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden – auch darauf zu verzichten, die Staatsanwaltschaft im Sinne von Art. 333 Abs. 1 StPO zur Ergänzung der Anklage einzuladen. Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt mithin einzig den Grundtatbestand des Vergehens gegen das Geldspielgesetz im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS.
Infolge Antrags der Berufungsklägerin ist schliesslich noch auf die Frage einzugehen, ob der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS mehrfach erfüllt hat.
Die Berufungsklägerin stellt sich diesbezüglich auf den Standpunkt, der Beschuldigte habe bei jeder mit Hilfe der besagten Dritten an einen weiteren Gast angebotenen Wettmöglichkeit einen neuen Tatentschluss gefasst und den Tatbestand damit immer wieder aufs Neue erfüllt. Auch der Umstand, dass er im von ihm betriebenen Lokal drei PCs bzw. Wettstationen zur Verfügung gestellt habe, spreche für eine mehrfache Tatbegehung (Urk. 68 S. 7 ff.).
Die Vorinstanz erwog, dass in Anbetracht des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Handlungen des Beschuldigten im besagten Zeitraum, in welchem er die Sportwetten für seine Gäste ohne Unterbrechung angeboten habe, von einem Dauerdelikt (und nicht von mehrfacher Tatbegehung) auszugehen sei, würden sich in den Akten doch keine Hinweise darauf finden lassen, dass der Beschuldigte hinsichtlich des Zurverfügungstellens von Sportwetten immer wieder einen neuen Tatentschluss gefasst habe (Urk. 66 S. 13).
Abgesehen davon, dass offen bleiben kann, ob eine Verurteilung wegen mehrfacher Tatbegehung zu einem unzulässigen zusätzlichen Schuldspruch unter Verletzung des Verschlechterungsverbots führen würde (vgl. BGE 148 IV 124 E. 2.6.2 f.; 147 IV 167 E. 1.5.2; 142 IV 129 E. 4.5 m.H.), sprechen die Umstände des vorliegenden Falls tatsächlich gegen eine Mehrfachbegehung. Wie bereits dargelegt, ist davon auszugehen, dass das Angebot des Zugangs zu Sportwetten im Lokal C. bereits etabliert war, bevor der Beschuldigte das Lokal zur Bewirtung übernahm. Man teilte ihm mit, dass er als Betreiber auch das Wettangebot weiter aufrechterhalten müsse, andernfalls er als Pächter nicht in Frage kommen würde und sich ohne dieses Angebot das Lokal ohnehin nicht rentabel betreiben lasse. Sowohl die Infrastruktur wie auch die Abläufe (3 PCs; Masteraccount, der regelmässig von Hintermännern aufgeladen wird, Abholen des kompletten Wetterlöses durch G. ) waren bereits vorhanden bzw. etabliert. Entsprechend übernahm der Beschuldigte das Angebot für die Gäste des C. s unverändert von seinem Vorbesitzer bzw. er hat dieses – wie er es selber ausdrückt – einfach weiterlaufen lassen (Urk. 8/2 S. 8). Das Zurverfügungstellen der Zugänge zu den Sportwetten gehört somit in diesem Lokal praktisch zum Inventar und wurde – soweit sich den Akten entnehmen lässt – ohne Unterbruch angeboten. In Anbetracht dieser Umstände ist zu Gunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass er sich zu Beginn, als er die Bewirtschaftung des Lokals übernahm, wenn auch eher widerwillig dazu entschlossen hat, den Zugang zu den Sportwetten aufrechtzuerhalten bzw. diesen weiterhin anzubieten, immer wenn er das Lokal für seine Gäste öffnen würde. Genauso, wie er sich nicht jeden Morgen, wenn er das Lokal für seine Gäste aufschloss einen Gast bewirtete, aufs Neue entscheiden musste, ohne Bewilligung ein Gastrolokal zu betreiben, genauso musste er sich auch nicht jedes Mal, als er die drei PCs startete Wetteinsätze entgegennahm bzw. auf B. .com freischaltete, aus Neue dazu entschliessen, die mit dem Gastrobetrieb einhergehenden Zugänge zu den Sportwetten zur Verfügung zu stellen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass sämtliche Handlungen, welche der Beschuldigte über den angeklagten Zeitraum vornahm, um den Zugang zu den Sportwetten zwecks erhöhter Frequentierung seines Gastrobetriebs aufrecht zu erhalten, von einem Gesamtvorsatz gedeckt waren, womit der unrechtmässige Zustand im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS über mehrere Monate unverändert aufrechterhalten wurde.
Nach dem Gesagten liegt mithin keine Mehrfachbegehung vor. Der Umstand, dass der unrechtmässige Zustand innerhalb dieses einfachen Delikts über eine längere Zeitspanne aufrechterhalten wurde, ist allerdings für die Strafzumessung relevant, was die Vorinstanz bei der Festsetzung der Strafe zur Recht miteinfliessen liess (vgl. Urk. 66 S. 17).
Der vorinstanzliche Schuldspruch ist damit vollumfänglich zu bestätigen, womit – wie eingangs dargelegt – auch keine Neubeurteilung der von der Vorinstanz dafür ausgesprochene Strafe sowie deren Vollzugs zu erfolgen hat. Im Ergebnis ist der Beschuldigte somit des vorsätzlichen Vergehens gegen das Geldspielgesetz im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS schuldig zu sprechen, wofür er mit 100 Tagessätzen Geldstrafe zu Fr. 30.– zu bestrafen ist, welche bei einer Probezeit von 2 Jahren bedingt aufzuschieben ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind an der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsregelung (Dispositivziffern 5 und 6) keine Änderungen vorzu- nehmen. Sie ist zu bestätigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Berufungsklägerin unterliegt mit ihrem Antrag vollumfänglich. Nachdem es sich bei der Gespa um eine interkantonale Behörde handelt und die Strafprozessordung keine gesetzliche Grundlage enthält, um kostenverursachenden (interkantonalen) Behörden Amtsstellen Verfahrenskosten aufzuerlegen (S CHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2018, N 2 zu Art. 423 StPO sowie N 4 zu Art. 417 StPO), haben die Gerichtskosten ausser Ansatz zu fallen (vgl. Art. 423 StPO).
Der amtliche Verteidiger ist aus der Gerichtskasse zu entschädigen (Art. 135 Abs. 1 StPO). Rechtsanwalt lic. iur. X. macht mit Kostennote vom 21. März 2022 (Urk. 91) unter Einrechnung der geschätzten Nachbearbeitungszeit (1.5 h) inklusive Auslagen und MwSt. einen Aufwand von Fr. 5'169.15 geltend. Dieser
Aufwand erscheint als angemessen. Rechtsanwalt lic. iur. X.
ist für seine
Tätigkeit als amtlicher Verteidiger im Berufungsverfahren (inkl. Auslagen und MwSt.) entsprechend mit aufgerundet Fr. 5'170.– zu entschädigen. Eine Rückerstattungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO besteht ausgangsgemäss nicht.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Bülach, Einzelgericht, vom 20. April 2021 bezüglich Dispositivziffern 1 teilweise (Schuldspruch Übertretung Gastgewerbegesetz), 2 teilweise (Busse Fr. 1'000.–), 3 teilweise (Vollzug betreffend Busse) und 4 (Ersatzfreiheitsstrafe) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist ferner schuldig des vorsätzlichen Vergehens gegen das Geldspielgesetz (BGS) im Sinne von Art. 130 Abs. 1 lit. a BGS.
Der Beschuldigte wird – zusätzlich zur rechtskräftigen Busse von Fr. 1'000.– (Beschluss Ziffer 1 hiervor) – bestraft mit einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.–, wovon 2 Tagessätze als durch Haft geleistet gelten.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziffern 5 und 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen Fr. 5'170.– für die amtliche Verteidigung und werden auf die Gerichtskasse genommen. Eine Rückerstattungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO besteht nicht.
Schriftliche Mitteilung im vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
die Interkantonale Geldspielaufsicht Gespa
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung
des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 31. Oktober 2022
Der Präsident:
Oberrichter Dr. Bussmann
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Andres
Zur Beachtung:
Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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