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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB210249
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210249 vom 08.11.2023 (ZH)
Datum:08.11.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_160/2024
Leitsatz/Stichwort:Mehrfaches Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Richt; Beschuldigten; Kokain; Verteidigung; Urteil; Ungar; Bungsmittel; Verfahren; Vorinstanz; Betäubungsmittel; Bundesgericht; Gespräch; Zeuge; Bundesgerichts; Gramm; Beruf; Schweiz; Berufung; Zeugen; Privat; Akten; Recht; Prot; Beweis; Privatklägerin; Sinne; Landes
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 100 StPO ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 177 StGB ; Art. 180 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 29 StPO ; Art. 30 StPO ; Art. 307 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 391 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 41 StGB ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 43 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 51 StGB ; Art. 66a StGB ; Art. 8 BV ; Art. 8 EMRK ; Art. 82 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:107 IV 62; 116 IV 300; 118 IV 342; 118 IV 348; 118 IV 349; 121 IV 193; 121 IV 202; 121 IV 206; 122 IV 299; 124 IV 86; 127 I 54; 129 I 85; 130 II 176; 134 IV 82; 134 IV 97; 135 II 377; 138 IV 120; 138 IV 214; 138 IV 29; 140 IV 172; 141 I 124; 142 I 86; 143 I 21; 143 IV 453; 144 II 1; 144 IV 168; 144 IV 217; 144 IV 332; 145 IV 364; 145 IV 55; 146 IV 105;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210249-O/U/hb

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Ersatzoberrichterinnen lic. iur. Tschudi und Dr. Schoder sowie Gerichtsschreiberin MLaw Lazareva

Urteil vom 8. November 2023

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1.

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend mehrfaches Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und Widerruf

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung, vom 8. Februar 2021 (DG200124)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 9. Juni 2020 (Urk. D1/14) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 52 S. 79 ff.)

  1. Das Verfahren betreffend Anklagepunkt B) wird bezüglich des Vorwurfs der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB eingestellt.

  2. Der Beschuldigte ist schuldig

  3. Vom Vorwurf des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG bezüglich Anklagevorwürfe A) 1.2., 1.3., 1.4., 1.6., 1.8. und 3. wird der Beschuldigte freigesprochen.

  4. Der Beschuldigte wird bestraft mit 4 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe (wovon 168 Tage durch Haft erstanden sind) sowie mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 10.–.

  5. Die Freiheits- und Geldstrafe sind zu vollziehen.

  6. Der Beschuldigte wird gestützt auf Art. 66a StGB für 7 Jahre des Landes verwiesen.

  7. Der mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 28. November 2019 be- schlagnahmte Sack mit diversen zusammengefalteten Papierchen mit Koka- inrückständen (A011'256'012 / B00417-2018) wird eingezogen und der La- gerbehörde zur Vernichtung überlassen.

  8. Die von der Kantonspolizei Zürich gemäss Sicherstellungsliste vom

    23. Februar 2018 und Asservat-Liste vom 21. November 2019 sichergestell- te Tragtasche mit Inhalt (A011'262'310) wird beschlagnahmt und der Lager- behörde zur Vernichtung überlassen.

  9. Die nachfolgenden von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom

    28. November 2019 beschlagnahmten oder von der Kantonspolizei Zürich gemäss Sicherstellungsliste vom 20./23. Februar 2018 und Asservat-Liste vom 21. November 2019 sichergestellten Gegenstände werden dem Beschuldigten innert 30 Tagen seit Rechtskraft dieses Urteils auf erstes Ver- langen herausgegeben:

    Nach unbenutztem Fristablauf werden diese Gegenstände der Lagerbehör- de zur Vernichtung überlassen.

  10. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 7'500.–; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 3'000.– Gebühr Anklagebehörde

    Fr. 50.– Auslagen Untersuchung (Datensicherung KAPO ZH) Fr. 13'074.15 ehemalige amtliche Verteidigung (RAin X2. ) Fr. 29'439.75 amtliche Verteidigung

  11. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausge- nommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten

    im Umfang von zwei Dritteln auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen.

  12. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse ge- nommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von zwei Dritteln.

  13. Die amtliche Verteidigung wird mit Fr. 29'439.75 aus der Gerichtskasse ent- schädigt.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 73 S. 1 f.)

    1. Ziff. 2, Ziff. 4, Ziff. 5, Ziff. 6 und Ziff. 11 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 8. Februar 2021 seien aufzuheben;

    2. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des mehrfachen Verbrechens gegen das BetmG im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g i.V.m. Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG freizusprechen;

    3. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf des Vergehens gegen das BetmG im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d i.V.m. lit. g freizusprechen;

    4. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 StGB freizusprechen;

    5. Der Beschuldigte sei der Beschimpfung betreffend Dossier 4 schuldig zu sprechen;

    6. Der Beschuldigte sei mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 10.– zu bestrafen;

    7. Die Strafe sei bedingt auszusprechen und unter Ansetzung einer Pro- bezeit von zwei Jahren aufzuschieben;

    8. Von der Anordnung einer Landesverweisung sei in jedem Fall abzuse- hen;

    9. Dem Beschuldigten sei eine Genugtuung in Höhe von Fr. 33'600.– zu- zusprechen;

    10. Es sei das vom Beschuldigten erstellte DNA-Profil zu löschen und das zuständige Bundesamt (AFIS-DNA-Services) betreffend die Löschung des DNA-Profils zu informieren;

    11. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung (inkl. 7.7% MwSt.) seien ausgangsgemäss und gemäss bereits eingereichter Honorarnote auf die Staatskasse zu nehmen.

  2. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich: (Urk. 58, schriftlich)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

Erwägungen:

  1. Verfahrensverlauf

    1. Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermei- dung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 52 S. 4).

    2. Der Beschuldigte wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung, vom 8. Februar 2021 im Sinne des eingangs wiedergegebenen Dispositivs schul- dig gesprochen und bestraft (Urk. 52). Das Urteil wurde am 15. März 2021 münd- lich sowie schriftlich im Dispositiv eröffnet (Urk. 44; Prot. I S. 31 ff.). Der Beschul- digte liess gleichentags Berufung anmelden (Prot. I S. 35 und Urk. 46; Art. 399 Abs. 1 StPO). Das begründete Urteil (Urk. 49 bzw. Urk. 52) wurde den Parteien am 26. bzw. 27. April 2021 zugestellt (Urk. 51/1-3), woraufhin der Beschuldigte mit Eingabe vom 5. Mai 2021 innert Frist die Berufungserklärung beim hiesigen Gericht einreichen liess (Urk. 54; Art. 399 Abs. 3 StPO).

    3. Innert der angesetzten Frist gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO (Urk. 56) wurde keine Anschlussberufung erhoben. Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Eingabe vom 10. Mai 2021 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und er- suchte um Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung

      (Urk. 58). Das Dispensationsgesuch wurde am 22. März 2023 gutgeheissen (Stempel auf Urk. 58). Die Privatklägerin liess sich nicht vernehmen.

    4. Am 27. Oktober 2022 wurde zur Berufungsverhandlung auf den 23., 24. Mai und 1. Juni 2023 vorgeladen (Urk. 60), wobei das vorliegende Verfahren aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam mit dem Strafverfahren gegen B. (nachfolgend: B. ; SB210287) hätte verhandelt werden sollen (vgl. Urk. 69). Da gleichzeitig ein Sachzusammenhang zwischen dem Verfahren gegen B. und demjenigen gegen C. (SB210328) vorlag, sollte auch letzteres am glei- chen Tag verhandelt werden. Da das Berufungsverfahren betreffend B. in- folge Rückzugs der Berufung in der Zwischenzeit jedoch abgeschrieben wurde,

      wurde den Parteien vorgeschlagen, die beiden noch hängigen Verfahren nunmehr getrennt voneinander zu verhandeln (vgl. Urk. 70/1). Die jeweiligen Parteivertreter erklärten sich mit diesem Vorgehen einverstanden (Urk. 70/2-3).

    5. Mit Eingabe vom 21. April 2023 beantragte der Beschuldigte, es seien

      B. und D. (nachfolgend: D. ) in seiner Anwesenheit und unter Gewährung seines Konfrontationsanspruchs als Auskunftspersonen zu befragen (Urk. 63). Mit Präsidialverfügung vom 28. April 2023 wurden diese Beweisanträge einstweilen abgewiesen (Urk. 64).

    6. Die Berufungsverhandlung fand am 23. Mai 2023 in Anwesenheit des Beschuldigten und dessen amtlichen Verteidigung statt (Prot. II S. 4 ff.). Anlässlich derselben beantragte die Verteidigung vorfrageweise die Rückweisung des Ver- fahrens an die Vorinstanz (Prot. II S. 6). Nach einer internen Beratung zu den Vorfragen wurde der Antrag der Verteidigung abgewiesen und der Entscheid kurz mündlich erläutert (Prot. II S. 7). Der Beschuldigte liess in der Folge die eingangs aufgeführten Berufungsanträge stellen (Urk. 73 S. 1 f.). Zudem wiederholte die Verteidigung die mit Eingabe vom 24. April 2023 gestellten Beweisanträge auf Einvernahme von B. und D. und ergänzte sie um den Beweisantrag auf Einvernahme von E. (Prot. II S. 22 f.). Mit Beschluss vom 26. Mai 2023 wurden die Beweisanträge auf Einvernahme von D. und E. abgewie- sen, der Beweisantrag auf Einvernahme von B. als Zeuge hingegen gutge- heissen (Urk. 76).

    7. Am 14. Juni 2023 wurde zur Fortsetzung der Berufungsverhandlung und zur Zeugeneinvernahme von B. auf den 13. September 2023 vorgeladen

    (Urk. 78). B. wurde hierfür polizeilich aus dem Strafvollzug zugeführt (Prot. II S. 26). Kurz vor Beginn der Verhandlung reichte die Verteidigung ein Arztzeugnis des Beschuldigten ein, welches dessen Verhandlungsunfähigkeit für

    den 13. September 2023 bescheinigte (Prot. II S. 26; Urk. 82). Anlässlich der Ver- handlung stellte sie sodann ein Verschiebungsgesuch (Prot. II S. 27). Nach einer internen Beratung wurde entschieden, die Zeugeneinvernahme trotz Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen und im Nachgang dazu der Verteidigung das ausgefertigte Protokoll zuzustellen mit der Bitte um Bekanntgabe, ob weiterhin eine Konfrontation mit dem Zeugen gewünscht werde (Prot. II S. 28-34). Dement- sprechend wurde das Protokoll der Verteidigung am 15. September 2023 zuge- stellt (Urk. 84). Mit Eingabe vom 18. September 2023 stellte sie den Antrag auf Wiederholung der Zeugeneinvernahme (Urk. 85). Nachdem Abklärungen zum ak- tuellen Aufenthalt des Zeugen B. ergeben hatten, dass dieser am

    16. September 2023 aus dem Strafvollzug entlassen, dem Migrationsamt zwecks Ausschaffung zugeführt und noch gleichentags nach Montenegro ausgeschafft wurde (Urk. 86; Urk. 87/1-2), wurde dem Beschuldigten mit Präsidialverfügung vom 21. September 2023 Frist angesetzt, um sich zur Frage der Durchführbarkeit der beantragten Zeugeneinvernahme zu äussern (Urk. 88). Mit Eingabe vom

    26. September 2023 teilte die Verteidigung mit, dass der Beschuldigte am Antrag auf Befragung des Zeugen B. weiterhin festhalte (Urk. 90). Mit Präsidialver- fügung vom 2. Oktober 2023 wurde diese Eingabe der Staatsanwaltschaft zuge- stellt zur freigestellten Stellungnahme (Urk. 91). Diese verzichtete indes darauf (Urk. 93). Mit Eingabe vom 18. Oktober 2023 teilte die Verteidigung mit, dass sie nicht auf eine Ergänzung des Plädoyers zu den Aussagen des Zeugen B. vom 13. September 2023 verzichte, sollte eine erneute Befragung des Zeugen nicht mehr stattfinden (Urk. 95; vgl. auch Urk. 94/2). Mit Präsidialverfügung vom

    19. Oktober 2023 wurden die Parteien darüber in Kenntnis gesetzt, dass dem- nächst über den Antrag des Beschuldigten auf Wiederholung der Zeugeneinver- nahme beraten werde und im Falle der Abweisung dieses Antrags, unter dem Vorbehalt, dass sich der Fall als spruchreif erweist, den Endentscheid beraten werde. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um zur Einvernah- me des Zeugen B. vom 13. September 2023 Stellung zu nehmen (Urk. 97). Diese Stellungnahme ging am 2. November 2023 ein (Urk. 99). Mit Präsidialver- fügung vom 2. November 2023 wurde diese der Staatsanwaltschaft zur freigestell- ten Vernehmlassung zugestellt (Urk. 101). Die Staatsanwaltschaft verzichtete wiederum darauf (Urk. 103). Der Fall erweist sich als spruchreif.

  2. Prozessuales

  1. Rechtskraft

    1. In der Berufungsschrift ist anzugeben, welche Abänderungen des erstin- stanzlichen Urteils verlangt werden (Art. 399 Abs. 3 lit. b StPO). Die Verteidigung ficht die Dispositivziffern 2 (mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen Beschimp- fung), 4, 5, 6, 11 und 12 des vorinstanzlichen Urteils an (vgl. Urk. 54 S. 1 f.;

      Urk. 73 S. 1 f.).

    2. Nicht angefochten sind somit die Dispositivziffern 1 (Einstellung des Verfah- rens betreffend Beschimpfung gemäss Anklagepunkt B), 2 Lemma 4 (Schuld- spruch wegen Beschimpfung), 3 (Freispruch betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz bezüglich der Anklagepunkte A 1.2., 1.3., 1.4., 1.6., 1.8.

      und 3.), 7-9 (Einziehung, Beschlagnahme, Herausgaben), 10 (Kostenfestsetzung) und 13 (Entschädigung der amtlichen Verteidigung). Entsprechend ist vorab mit- tels Beschluss festzustellen, dass das vorinstanzliche Urteil diesbezüglich in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Prozessuale Einwendungen der Verteidigung

    Die Verteidigung macht im Rahmen des Berufungsverfahrens, wie bereits vor Vorinstanz, diverse Verfahrensfehler geltend und beantragt, dass der Beschluss vom 2. Oktober 2020 sowie das Urteil vom 8. Februar 2021 der Vorinstanz aufzu- heben seien und die Sache an die Staatsanwaltschaft bzw. eventualiter an die Vorinstanz zurückzuweisen sei (Urk. 72 S. 2 f.).

    1. Verfahrensvereinigung infolge Mittäterschaft

      Zunächst macht die Verteidigung geltend, dass mit dem Verzicht der Untersu- chungsbehörde auf formelle Vereinigung der Verfahren gegen den Beschuldigten und gegen dessen Mittäter B. der Grundsatz der Verfahrenseinheit gemäss Art. 29 StPO verletzt sei (Urk. 26 S. 6 und S. 8 f.; Urk. 36 S. 1 f.). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte sie zu diesem Einwand aus, dass eine Vereinigung dieser Verfahren aufgrund des Berufungsrückzugs von B. zwar nicht mehr

      nachgeholt werden könne. Das Vorgehen der Vorinstanz leide aber dennoch an einem schweren Mangel. Die Nichtvereinigung der Verfahren habe bewirkt, dass den Beschuldigten keine gegenseitigen Teilnahmerechte zugekommen seien und auch die Einsicht in die Akten des anderen Verfahrens verwehrt geblieben sei. Die durch eine fehlende Vereinigung verursachte Verletzung der Verteidigungs- rechte dürfe sich daher nicht zum Nachteil des Beschuldigten auswirken (Urk. 72

      S. 4 ff.).

      Die Vorinstanz hat sich einlässlich mit diesem Einwand der Verteidigung ausei- nandergesetzt, worauf zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen voll- umfänglich verwiesen werden kann (Urk. 50 S. 10 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Ergänzungen bzw. punktuelle Hervorhebungen:

      Gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO werden Straftaten gemeinsam verfolgt und be- urteilt, wenn Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. Gestützt auf Art. 30 StPO können die Staatsanwaltschaft und die Gerichte aus sachlichen Gründen Strafver- fahren trennen oder vereinen. Der in Art. 29 StPO verankerte Grundsatz der Ver- fahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile, sei dies bei der Sachverhaltsfeststellung, der rechtlichen Würdigung oder der Strafzumes- sung. Er gewährleistet somit das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV). Überdies dient er der Prozessökonomie. Eine Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Getrennte Verfahren sollen vor al- lem der Verfahrensbeschleunigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung ver- meiden helfen. Als sachlicher Trennungsgrund gilt etwa die grosse Zahl von Mittä- tern, die länger dauernde Unerreichbarkeit einzelner mitbeschuldigter Personen oder die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten. Alle Beispiele beziehen sich auf Charakteristika des Verfahrens, des Täters oder der Tat, nicht aber auf organisatorische Aspekte auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden (BGE 138 IV 214 E. 3.2). Ein sachlicher Grund gemäss Art. 30 StPO, der eine Verfahrensver- einigung erforderlich macht, kann überdies namentlich vorliegen, wenn Beteiligte sich wechselseitig Straftaten vorwerfen, die sie im Rahmen des gleichen untersuchten Sachverhaltskomplexes begangen haben sollen. Der blosse Umstand, dass sich zwei gegen dieselbe Person gerichtete Straftaten am selben Ort und in derselben Nacht ereigneten, reicht dafür nicht (BGE 138 IV 29 E. 5.5 mit Hinwei- sen; Urteil des Bundesgerichts 1B_524/2020 vom 28. Dezember 2020 E. 2.4).

      Die Vorinstanz hielt zutreffend fest, dass sich zumindest in Bezug auf den Vorwurf des Anstaltentreffens zur Einfuhr von Kokain aus Südamerika die Mittäterschaft aus dem Anklagesachverhalt ergibt (Urk. 52 S. 11). Allerdings ist der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren grundsätzlich getrennt führte und den Beschuldigten und B. je einzeln anklagte, vor dem Hintergrund der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung nicht zu beanstanden, zumal gegen B. zahl- reiche und insbesondere über diejenigen gegen den Beschuldigten hinausgehen- de Anklagevorwürfe erhoben wurden. Wie sich aus dem Polizeirapport vom

      16. Januar 2018 ergibt, ermittelte die Kantonspolizei Zürich seit geraumer Zeit un- ter dem Aktionsnamen F. gegen eine balkanstämmige Gruppierung we- gen Drogenhandels (Urk. D1/1/1); erste Ermittlungen gehen auf das Jahr 2014 zurück (vgl. beigezogene Akten aus dem Verfahren gegen B. , Urk. 6/1.1). In diesem Zusammenhang wurde also lange bevor der Tatverdacht auf den Beschuldigten fiel gegen B. und weitere Personen ermittelt. Aufgrund der Überwachungsmassnahmen wurde der Beschuldigte im Jahr 2018 verdächtigt, ein Marihuana-/Haschisch-/Kokainabnehmer von B. zu sein (Urk. D1/1/1). Würde man nun der Argumentation der Verteidigung folgen, müssten nicht nur die Verfahren gegen B. und den Beschuldigten vereinigt werden, sondern – bei Vorliegen einer geringen Übereinstimmung von Teilsachverhalten – jegliche wei- tere im Rahmen der Aktion F. ermittelten Tatbeteiligten, darunter insbe- sondere jeden einzelnen Abnehmer von B. . Dies würde zu einer irrwitzigen Vereinigung etlicher Verfahren und schliesslich zu einem regelrechten Monster- prozess führen, was verfahrenstechnisch für die Justiz unter Berücksichtigung der übrigen Geschäftslast kaum zu bewältigen wäre. Letztlich würde dies dazu führen, dass das Verfahren kaum beendet werden könnte, was nicht Sinn der Sa- che sein kann. Die Trennung der Verfahren dient vorliegend daher im Besonderen auch der Verfahrensbeschleunigung. Zu berücksichtigen ist dabei, dass B. die gegen ihn mittlerweile rechtskräftig ausgesprochene Freiheitsstrafe bereits

      verbüsst und darauf in seine Heimat ausgeschafft wurde (vgl. Urk. 86; Urk. 87/1- 2). Ausserdem liegt vorliegend keine Konstellation vor, bei welcher der Umfang und die Art der Beteiligung wechselseitig bestritten wären. Infolgedessen hielt sich die Gefahr sich materiell widersprechender Entscheide von vornherein in engen Grenzen. Dementsprechend wäre es unzweckmässig gewesen, sämtliche Ein- vernahmen gemeinsam durchzuführen. Vor Vorinstanz wurde zudem die Durch- führung der Hauptverhandlungen der beiden Verfahren am selben Tag vorge- nommen und damit die Gefahr widersprüchlicher Urteile vermieden. Wie eingangs erwähnt, wäre dies auch im Hinblick auf die Berufungsverhandlung beabsichtigt gewesen, infolge des Berufungsrückzugs von B. jedoch verunmöglicht wor- den. Damit liegen diverse sachliche Gründe für eine Trennung der Verfahren vor und der Grundsatz der Verfahrenseinheit gemäss Art. 29 StPO ist entgegen der Ansicht der Verteidigung nicht verletzt.

    2. Rechtliches Gehör betreffend Aktenbeizug

      Weiter rügte die Verteidigung, dass durch den Aktenbeizug der Überwachungs- massnahmen aus dem Verfahren gegen B. kurz vor der vorinstanzlichen Hauptverhandlung das rechtliche Gehör des Beschuldigten verletzt worden sei. Eine Einsicht in die entsprechenden Akten vor der Verhandlung sei faktisch nicht möglich gewesen und auch durch die Möglichkeit zur Stellungnahme im Nach- gang zur Verhandlung sei dem rechtlichen Gehör nicht Genüge getan (Urk. 26 S. 5 f. und S. 7 f.; Urk. 36; Urk. 72 S. 27 ff.).

      Das vorinstanzliche Vorgehen ist entgegen der Ansicht der Verteidigung nicht zu beanstanden. Ihr wurde im Nachgang zur Hauptverhandlung vom 2. Oktober 2020 – wie es ihr bereits anlässlich dieser in Aussicht gestellt wurde (Prot. I S. 10 und S. 26 f.) – mit Verfügung vom 6. Oktober 2020 das Recht zur schriftlichen Stellungnahme zu den beigezogenen Akten eingeräumt (Urk. 32). Die hierfür an- gesetzte Frist wurde antragsgemäss bis zum 26. Oktober 2020 erstreckt

      (Urk. 34). Mit Eingabe vom 22. Oktober 2020 machte die Verteidigung von dem ihr eingeräumten Recht Gebrauch und reichte eine Stellungnahme ein (Urk. 36). Darin erhob sie zunächst – einmal mehr – den Einwand, dass die Verfahren des Beschuldigten und von B. hätten vereinigt werden müssen. Ferner beschwerte sie sich bereits im damaligen Zeitpunkt, dass ihr die Akteneinsicht vor Durchführung der Hauptverhandlung verwehrt worden sei und stellte sich auf den Standpunkt, dass dies nicht nachträglich im Rahmen einer Stellungnahme im Nachgang zur Hauptverhandlung geheilt werden könne. In diesem Zusammen- hang machte sie – wie auch im Rahmen des Berufungsverfahrens (Urk. 72

      S. 29 f.) – pauschal geltend, dass auf diese Weise keine Ergänzungsfragen an den Beschuldigten oder an B. hätten gestellt werden können, ohne jedoch konkret darzulegen, welche Ergänzungsfragen sie deswegen nicht stellen konnte. Auf eine eigentliche Stellungnahme zu den beigezogenen Akten verzichtete sie zudem gänzlich. Zu berücksichtigen ist ausserdem mit der Vorinstanz, dass die beigezogenen Akten lediglich im Wesentlichen formelle Genehmigungen zu den Überwachungsmassnahmen betreffen, deren Genehmigung als Zufallsfund be- reits vor dem Beizug bei den Verfahrensakten lag (Urk. D1/5/2). Die relevanten Ergebnisse dieser genehmigten Überwachungen wurden dem Beschuldigten in der Untersuchung vorgehalten und er konnte sich dazu äussern. In Bezug auf den Einwand der Verteidigung, in den beigezogenen Akten befänden sich zahlreiche weitere TK-Protokolle und Polizeirapporte, welche für den vorliegenden Sachver- halt relevant seien (Urk. 72 S. 30), wird im Rahmen der Sachverhaltserstellung aufgezeigt, dass dem nicht gefolgt werden kann.

      Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, dass dem Beschuldigten durch die Art der Verfahrensführung der Vorinstanz ein konkreter Nachteil erwachsen wäre. Es liegt somit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.

    3. Mangelhaftigkeit der Akten

      1. Unklarheiten und Mangelhaftigkeiten betreffend die Produktion der TK- Protokolle

        Wie vor Vorinstanz rügt die Verteidigung, das Zustandekommen der TK- Protokolle sei nicht hinreichend nachvollziehbar. Aus den Akten gehe nicht genü- gend hervor, wie bei der Produktion der TK-Protokolle vorgegangen worden sei und ob die Dolmetschenden in Bezug auf die Erstellung der Protokolle instruiert

        worden seien. Die TK-Protokolle seien deshalb nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar (Urk. 72 S. 7 ff.).

        Betreffend die Transkription von Telefonüberwachungen hielt das Bundesgericht fest, übersetzte Abhörprotokolle dürften nicht zu Lasten des Beschuldigten ver- wertet werden, soweit den Strafakten nicht zu entnehmen ist, wer sie wie produ- ziert hat und ob die Dolmetscher auf die Straffolgen von Art. 307 StGB hingewie- sen wurden (BGE 129 I 85 E. 4.1 f.; Urteile des Bundesgerichts 6B_1395/2021 vom 9. Dezember 2022 E. 10.3 und 6B_682/2023 vom 18. Oktober 2023 E. 1.1; je mit Hinweisen). Aktenkundig ist eine Dokumentation der in der Aktion

        F. , insbesondere gegen den Beschuldigten, eingesetzten Dolmetscher mit Vor- und Nachnamen und ihrem Kürzel. Zudem befinden sich auch die Erklärun- gen dieser Dolmetscher, dass sie auf die Straffolgen von Art. 307 StGB hingewie- sen worden sind, bei den Akten (Urk. D1/12/7; Urk. D1/12/12). Sodann ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Staatsanwaltschaft – wie von der Verteidigung gel- tend gemacht – den Dolmetschern im Voraus, ohne überhaupt Kenntnis über das Übersetzungsergebnis zu haben, inhaltliche Instruktionen hätte geben können. Es erscheint naheliegend, dass sich die Dolmetscher bei der Übersetzung auf dieje- nigen Inhalte fokussierten, welche offensichtlich mit kriminellen Vorgängen zu tun haben. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass keine Hinweise auf darüber hinaus- gehende inhaltliche Instruktionen vorliegen und auch keine Anzeichen dafür be- stehen, dass die Interpretationshinweise der Übersetzer gestützt auf Instruktionen der Untersuchungsbehörden erfolgt sind (Urk. 52 S. 6). Weiter hat der Beschul- digte ohnehin keinen Anspruch auf das Erstellen eines Wortprotokolls sämtlicher Gespräche. Anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung führte die Staats- anwaltschaft zu den TK-Protokollen aus, dass diese für die Vornahme einer Tria- ge zuerst zusammengefasst übersetzt würden. Anschliessend würden die Proto- kolle nochmals überarbeitet und wortwörtlich übersetzt, bevor sie dem Beschul- digten vorgehalten würden (Prot. I S. 12). Diese Vorgehensweise ist nicht zu be- anstanden, da der untersuchenden Anklagebehörde bei der Aktenführung ein ge- wisses Ermessen zugestanden wird (vgl. dazu nachfolgend Ziff. 2.3.2.). Gerade bei einem umfangreichen und komplizierten Verfahren wie dem vorliegenden er- scheint die Vornahme einer Triage unumgänglich, weshalb es zulässig erscheint,

        offensichtlich irrelevantes Material nicht in die Akten aufzunehmen. Letztlich ist entscheidend, was der Bewältigung des Prozessstoffes und damit einer nachprüf- baren und nachvollziehbaren Beurteilung dient. Somit kann der Argumentation der Verteidigung nicht gefolgt werden.

      2. Dokumentationspflicht / Unvollständigkeit der Akten

Wie bereits vor Vorinstanz beanstandet die Verteidigung im Rahmen des Beru- fungsverfahrens hinsichtlich der Aktenführung der Staatsanwaltschaft, dass diese ihrer Dokumentationspflicht im Sinne von Art. 100 StPO nicht hinreichend nach- gekommen sei und die Untersuchungsakten unvollständig seien. Das Verfahren sei zur Gewährung des Rechts auf Akteneinsicht und des rechtlichen Gehörs an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und dem Beschuldigten sei insbesondere ein ausführliches Aktenverzeichnis betreffend die Überwachungsmassnahmen zuzustellen (Urk. 26 S. 10 ff.; Urk. 72 S. 21 ff.).

Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 Ziff. 3 EMRK verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör, welcher einen wichtigen und deshalb eigens aufgeführten Teil- aspekt des allgemeineren Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK darstellt, ergibt sich für die beschuldigte Person das grundsätzlich uneingeschränkte Recht, in alle für das Verfahren wesentlichen Ak- ten Einsicht zu nehmen (vgl. zudem Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO) und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumin- dest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 142 I 86 E 2.2 S. 89; Urteil des Bundesgerichts 6B_376/2018 vom 25. September 2018 E. 5.1; je mit Hinweisen). Das Akteneinsichtsrecht soll sicherstellen, dass die beschuldigte Person als Verfahrenspartei von den Ent- scheidgrundlagen Kenntnis nehmen und sich wirksam und sachbezogen verteidi- gen kann. Die effektive Wahrnehmung dieses Anspruchs setzt notwendigerweise voraus, dass die Akten vollständig sind. In einem Strafverfahren bedeutet dies, dass die Beweismittel, jedenfalls soweit sie nicht unmittelbar an der gerichtlichen Hauptverhandlung erhoben werden, in den Untersuchungsakten vorhanden sein müssen und dass aktenmässig belegt sein muss, wie sie produziert wurden, da- mit die beschuldigte Person in der Lage ist zu prüfen, ob sie inhaltliche oder formelle Mängel aufweisen und gegebenenfalls Einwände gegen deren Verwertbar- keit erheben kann. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sie ihre Verteidigungsrech- te überhaupt wahrnehmen kann, wie dies Art. 32 Abs. 2 BV verlangt (BGE 129 I 85 E. 4.1 S. 88 f.; Urteile des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019

E. 2.3.1; 6B_376/2018 vom 25. September 2018 E. 5.1; 6B_1368/2017 vom

14. Juni 2018 E. 2.3; jeweils mit Hinweisen). Die Anklagebehörde muss dem Ge- richt sämtliches Material zuleiten, das mit der Tat als Gegenstand eines gegen ei- ne bestimmte Person erhobenen Vorwurfs in thematischem Zusammenhang steht. Sie muss dem Gericht und dem Beschuldigten respektive der Verteidigung sämtliche Spurenvorgänge zur Kenntnis bringen, die im Verfahren – und sei es auch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit – Bedeutung erlangen können. Die Er- mittlungs- und Untersuchungsbehörden dürfen grundsätzlich kein von ihnen erho- benes oder ihnen zugekommenes Material zurückbehalten, das einen Bezug zur Sache hat. Die Dokumentationspflicht gilt auf allen Verfahrensstufen, also auch bereits im polizeilichen Ermittlungsverfahren (Urteile des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.3.1; 6B_1368/2017 vom 14. Juni 2018

E. 2.3; jeweils mit Hinweisen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch ergebnis- lose oder unergiebige Ermittlungen in ihrem negativen Ausgang einen für die Ur- teilsfällung relevanten Gehalt aufweisen können. Auf eine Einverleibung der uner- giebigen Aufzeichnungen in die Akten kann allerdings verzichtet werden, wenn die Tatsache der erfolglosen Überwachung in den Akten vermerkt ist. Wichtig ist, dass sich aus der Hauptakte der Bestand der verhandlungsrelevanten Beiakten jederzeit feststellen lässt und die richterliche Verfahrensgestaltung ebenso wie die Gewährung von Akteneinsicht diese zusätzlichen Materialien einbezieht (Urteile des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.3.1; 6B_1368/2017 vom 14. Juni 2018 E. 2.3; jeweils mit Hinweisen). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst es jedoch nicht gegen die Aktenführungs- oder Doku- mentationspflicht, wenn Daten, die im Rahmen einer Überwachung oder einer nachträglichen Auswertung gesichtet werden und die in keinem Zusammenhang mit der Sache stehen, nicht ins Dossier übernommen werden, weil sie in diesem Fall auch keine entlastende Funktion haben können (Urteile des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.3.2; 6B_627/2011 vom 30. Januar 2012

E. 3.2; jeweils mit Hinweisen). Das Bundesgericht hielt weiter fest, dass die Straf- verfolgungsbehörden nicht verpflichtet seien, bei der Überwachung des Fernmel- deverkehrs selbst irrelevante Gespräche zu den Akten zu nehmen bzw. diese in einer detaillierten, lückenlosen und chronologischen Übersicht aller stattgefunde- nen Überwachungsmassnahmen im Sinne eines sog. Logbuchs zu erfassen (Ur- teil des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.4).

Entgegen der Ansicht der Verteidigung verstösst es demzufolge nicht gegen die Aktenführungs- oder Dokumentationspflicht, wenn Daten, die im Rahmen einer Überwachung oder einer nachträglichen Auswertung gesichtet werden und die in keinem Zusammenhang mit der Sache stehen, nicht ins Dossier übernommen werden, weil sie in diesem Fall auch keine entlastende Funktion haben können (Urteile des Bundesgerichts 6B_627/2011 vom 30. Januar 2012 E. 3.2 und 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.3.2). Die relevanten Untersuchungser- gebnisse befinden sich bei den Akten. Die Untersuchungsbehörden waren zudem nicht verpflichtet, ein Logbuch zu führen (Urteil des Bundesgerichts 6B_403/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.4). Es kann ergänzend auf die ausführliche Begrün- dung der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 13 f.).

  1. Beweisanträge der Verteidigung

    1. Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Mai 2023 wiederholte die Ver- teidigung ihre mit Eingabe vom 24. April 2023 gestellten Beweisanträge, es seien B. und D. in Anwesenheit des Beschuldigten und unter Gewährung seines Konfrontationsanspruchs zu befragen (Urk. 63) und ergänzte sie um den Beweisantrag auf Einvernahme von E. . Sie begründete dies im Wesentli- chen damit, dass im Rahmen der Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten ei- ne grosse Anzahl an Gesprächen zwischen diesen Herren abgehört worden sei. Für die Verwertbarkeit allfälliger den Beschuldigten belastenden TK-Protokolle müsse der Beschuldigte mindestens einmal die Möglichkeit haben, diesen Perso- nen Ergänzungsfragen zu stellen (Prot. II S. 22).

    2. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Beschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf

      ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal wäh- rend des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen (BGE 140 IV 172 E. 1.3 S. 176 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich der Anspruch auf Konfrontation auch auf Personen, de- ren Gespräche abgehört wurden, beziehen, sodass belastende Zeugenaussa- gen im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK auch im Rahmen einer geheimen Tele- fonabhörung erfolgen bzw. in den entsprechenden schriftlichen Abhörprotokollen enthalten sein können (Urteil des Bundesgerichts 6B_1395/2021 vom

      9. Dezember 2022 E. 11.3.1 mit Verweis auf das Urteil des EMGR i.S. Lüdi gegen Schweiz vom 15. Juni 1992, Nr. 12433/86, § 46). Dem Konfrontationsanspruch gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK kommt grundsätzlich absoluter Charakter zu. Er erfährt in der Praxis aber eine gewisse Relativierung. Von einer direkten Konfron- tation der beschuldigten Person mit dem Belastungszeugen oder auf dessen er- gänzende Befragung kann nur unter besonderen Umständen abgesehen werden, wenn eine persönliche Konfrontation nicht möglich oder eine Beschränkung des Konfrontationsrechts dringend notwendig ist. Die ausgebliebene Konfrontation mit Belastungszeugen verletzt die Garantie nicht, wenn diese berechtigterweise das Zeugnis verweigern oder die erneute Befragung nicht möglich ist, weil sie trotz angemessener Nachforschungen unauffindbar bleiben, dauernd oder für lange Zeit zur Einvernahme unfähig werden oder in der Zwischenzeit verstorben sind. Die Verwertbarkeit der ursprünglichen Aussage erfordert allerdings, dass die be- schuldigte Person zu den belastenden Erklärungen hinreichend Stellung nehmen konnte, diese sorgfältig geprüft wurden und ein Schuldspruch sich nicht allein da- rauf abstützt. Ausserdem darf der Umstand, dass die beschuldigte Person ihre Rechte nicht (rechtzeitig) wahrnehmen konnte, nicht in der Verantwortung der Behörde liegen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1454/2022 vom 20. März 2023

      E. 2.3.4 m.w.H.).

    3. Mit Beschluss vom 26. Mai 2023 wurden die Beweisanträge des Beschuldig- ten auf Einvernahme von E. und D. abgewiesen. Wie nachfolgend noch aufgezeigt wird, wird für die vorliegende Sachverhaltserstellung – wie bereits

      die Vorinstanz (vgl. Urk. 52 S. 50) – auf keine (den Beschuldigten belastenden) Aussagen von E. abgestellt. Damit kann auf eine Konfrontation von

      E. mit dem Beschuldigten verzichtet werden. In Bezug auf D. haben Abklärungen ergeben, dass er nach wie vor flüchtig und seit November 2017 zur Fahndung ausgeschrieben ist (vgl. Urk. 75), weshalb sich eine Konfrontation mit dem Beschuldigten im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als unmög- lich erweist. Der Beweisantrag auf Einvernahme von B. als Zeuge wurde indes mit vorerwähntem Beschluss gutgeheissen (Urk. 76) und es wurde in der Folge auf den 13. September 2023 zur Zeugeneinvernahme vorgeladen (Urk. 78). Nachdem der Beschuldigte aufgrund von Verhandlungsunfähigkeit an dieser nicht teilnehmen konnte, stellte die Verteidigung ein Verschiebungsgesuch mit der Be- gründung, dass der Beschuldigte einen Konfrontationsanspruch und insbesonde- re einen Anspruch auf persönliche Teilnahme an der Zeugenbefragung habe (Prot. II S. 27). Dieses wurde abgewiesen und die Zeugeneinvernahme am

      13. September 2023 durchgeführt (Prot. II S. 28 ff.). Am 15. September 2023 wurde der Verteidigung das ausgefertigte Protokoll zur Zeugenbefragung zuge- stellt und Gelegenheit eingeräumt, bekanntzugeben, ob weiterhin eine Konfronta- tion mit dem Zeugen gewünscht werde (Urk. 83 f.). Mit Eingabe vom

      18. September 2023 beantragte die Verteidigung sodann die Wiederholung der Zeugeneinvernahme mit der Begründung, dass das Teilnahme- und Konfrontati- onsrecht des Beschuldigten mit der Verhandlung vom 13. September 2023 nicht gewahrt worden sei, da dieser unverschuldet nicht am Termin habe teilnehmen können. Des Weiteren begründete sie diesen Antrag damit, dass die Zeugenbe- fragung ohne Dolmetscher stattgefunden habe. Die erneute Befragung des Zeu- gen sei mittels Dolmetschers auf Serbisch durchzuführen (Urk. 85).

    4. Versteht eine am Verfahren beteiligte Person die Verfahrenssprache nicht oder kann sie sich darin nicht genügend ausdrücken, so zieht die Verfahrenslei- tung eine Übersetzerin oder einen Übersetzer bei (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Verfahrensleitung prüft, ob beim betroffenen Verfahrensbeteiligten die Kennt- nisse der Verfahrenssprache bezogen auf den Gegenstand des konkreten Straf- verfahrens und dessen allfällige Komplexität genügend sind (JOSITSCH/SCHMID,

      Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2023, Art. 68

      N 5).

      Zu Beginn der Zeugenbefragung wurden die Anwesenden darauf hingewiesen, dass das Gericht keinen Dolmetscher aufgeboten habe. B. gab darauf auf entsprechende Nachfrage des Präsidenten an, in der Lage zu sein, die Einver- nahme auf Deutsch zu führen und keinen Übersetzer zu benötigen. Da er zudem angab, Hochdeutsch besser zu verstehen, wurde die Zeugeneinvernahme in der Folge auf Hochdeutsch geführt (Prot. II S. 26). Auch auf den späteren Einwand der Verteidigung, dass der Zeuge akustisch schlecht zu verstehen sei und des- halb die Gefahr von Missverständnissen bestehe, erwiderte B. ausdrück- lich, dass er die Fragen des Präsidenten verstehe (Prot. II S. 31). Ebenso gab es aus Sicht des Gerichts keine Verständigungsprobleme mit dem Zeugen. Dass seine Antworten leicht von einem Akzent geprägt waren, ändert daran nichts. Ent- sprechend konnte im Anschluss an die Befragung auch das Protokoll zur Zeu- geneinvernahme problemlos ausgefertigt und der Verteidigung zugestellt werden (Urk. 83). Nebst der schriftlichen Protokollierung wurde von der Zeugeneinver- nahme eine Tonbandaufzeichnung gemacht. Diese wurde von der Verteidigung jedoch nicht herausverlangt. Weder wurde von ihr eine Protokollberichtigung be- antragt noch gab sie im Ansatz an, an welchen Stellen das Protokoll aus ihrer Sicht fehlerhaft sein soll. In ihrer Stellungnahme vom 1. November 2023 war es ihr denn auch möglich, bestimmte Aussagen des Zeugen B. zu zitieren (vgl. Urk. 99). In Bezug auf den Einwand der Verteidigung, dass B. bei seinen Befragungen im Rahmen der Voruntersuchung stets auf Serbisch mit einem Dol- metscher befragt worden sei (Urk. 85 S. 1; Urk. 90 S. 4), ist zu berücksichtigen, dass seit diesen Befragungen mehrere Jahre vergangen sind und sich seine deutschen Sprachkenntnisse seither durchaus verbessert haben können. Ausser- dem ist zu berücksichtigen, dass die Aussagen des Zeugen B. sich zu- sammengefasst darauf beschränkten, zunächst pauschal auszusagen, dass der Beschuldigte nichts mit seinen Drogengeschäften zu tun gehabt habe, sowie wie- derholt deutlich zu machen, dass er sich an keine Details mehr erinnere bzw. sich nicht mehr daran erinnern wolle, da er mit dem Ganzen abgeschlossen habe (Prot. II S. 31 ff.). Wie es bei diesen rudimentären Aussagen zu Missverständnissen hätte kommen sollen, erschliesst sich nicht. Nach dem Gesagten drängt sich aufgrund des Umstandes, dass die Befragung von B. ohne Dolmetscher durchgeführt wurde, keine Wiederholung der Zeugeneinvernahme auf.

    5. B. wurde am 13. September 2023 für die Zeugeneinvernahme polizei- lich aus dem Strafvollzug zugeführt. Am Schluss der Zeugeneinvernahme teilte er mit, dass seine bedingte Entlassung in 3 bis 4 Tagen bevorstehe. Da gegen ihn eine Landesverweisung angeordnet worden sei, werde er danach nach Mon- tenegro ausgeschafft (Prot. II S. 34). Nachdem die Verteidigung mit Eingabe vom

      18. September 2023 den Antrag auf Wiederholung der Zeugeneinvernahme stell- te (Urk. 85), nahm das Gericht unverzüglich Abklärungen zum aktuellen Aufent- haltsort von B. vor, welche ergaben, dass dieser am 16. September 2023 aus dem Strafvollzug entlassen und dem Migrationsamt zwecks Ausschaffung zugeführt sowie noch gleichentags nach Montenegro ausgeschafft wurde (Urk. 86 und Urk. 87/1-2). Dieser neu eingetretene Umstand war für das Gericht unvorher- sehbar und kann ihm auch nicht zugeschrieben werden. Infolgedessen ist eine Wiederholung der Zeugeneinvernahme bzw. eine persönliche Konfrontation von B. mit dem Beschuldigten im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtspre- chung nicht mehr möglich. Ohnehin ist bei Berücksichtigung der Tatsache, dass der Zeuge B. den Beschuldigten mit seiner pauschalen Aussage, dieser habe mit seinen Drogengeschäften nichts zu tun gehabt, entlastet hat, sowie der sonstigen von diesem auf Vorhalt der einzelnen Vorfälle geltend gemachten Erin- nerungslücken fraglich, mit welchen Ergänzungsfragen der Beschuldigte diesen noch konfrontieren will. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass die von der Verteidigung im Rahmen ihres Plädoyers zur Sache beispielhaft aufgezählten Ergänzungsfragen (namentlich was in den abgehörten Gesprächen gemeint ge- wesen sei und vom wem jeweils gesprochen worden sei; Urk. 73 N 11) dem Zeu- gen B. durch das Gericht am 13. September 2023 gestellt wurden. Aller- dings konnte dieser darauf keine konkreten Antworten geben und machte viel- mehr wiederum geltend, dass er es vergessen oder bereits hinter sich habe

      (Prot. II S. 31 ff.). Bei einer erneuten Befragung von B. wäre nichts anderes zu erwarten, zumal der Zeuge am 13. September 2023 unter Wahrheitspflicht und dem Hinweis auf die Strafandrohung bei wissentlicher Falschaussage ausgesagt

      hat und kein Interesse daran haben dürfte, anders auszusagen. Unter Berücksich- tigung dieses Umstandes erweist sich auch eine im Rechtshilfeverfahren durchzu- führende Befragung von B. als unverhältnismässig. Aus diesen Gründen ist der Antrag der Verteidigung auf Wiederholung der Einvernahme von B. als Zeuge abzuweisen.

    6. Im Übrigen ist auf das Urteil des Bundesgerichts 6B_682/20230 vom

      18. Oktober 2023 hinzuweisen, in welchem dieses die Rüge des Beschwerdefüh- rers, wonach keine Konfrontation mit den Personen stattgefunden habe, die ihn in den aufgezeichneten Telefonaten belastet hätten, als unbegründet beurteilte mit der Begründung, dass dieser – wie im vorliegenden Fall – mit den belastenden Aussagen in den Telefongesprächen konfrontiert und ihm die Gelegenheit gege- ben worden sei, sich dazu zu äussern resp. diese Aussagen in kontradiktorischer Weise infrage zu stellen. Damit sah es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren als gewahrt an (insbesondere E. 2.4).

    7. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die in der Zeugenbefragung vom

13. September 2023 durch B. gemachten Aussagen im Ergebnis für den Beschuldigten entlastend ausfielen – so etwa wenn er angab, dass der Beschul- digte nichts mit seinen Kokain- und Marihuana-Geschäften zu tun gehabt habe (Prot. II S. 30). Diese Aussagen sind nachfolgend nebst den weiteren vorliegen- den Beweismitteln einer Würdigung zu unterziehen (vgl. dazu E. III.2.1.).

III. Sachverhalt / Rechtliche Würdigung

  1. Vorbemerkungen

    1. Die Vorinstanz hat sich korrekt mit den Grundsätzen der Beweiswürdigung und den vorliegend zur Verfügung stehenden Beweismitteln – insbesondere auch mit deren Verwertbarkeit – befasst, so dass darauf vollumfänglich verwiesen wer- den kann (Urk. 52 S. 16 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Sie ist dabei ausführlich auf die durch die Verteidigung geltend gemachten Unverwertbarkeiten von verschiede- nen Beweismitteln eingegangen und hat bei gewissen Beweismitteln auch richtig- erweise festgehalten, dass diese nicht zulasten des Beschuldigten verwendet

      werden dürfen, so betreffend die nicht unterzeichneten Übersetzungen, die akus- tische Überwachung des PW Skoda Octavia ZH 1 aus den beigezogenen Akten des Verfahrens gegen B. (hier findet sich lediglich eine Genehmigung einer Verlängerung in den Akten) sowie mangels Konfrontation auch dessen Aussagen (Urk. 52 S. 4 ff.). In der Folge hielt die Vorinstanz bei den jeweiligen Sachver- haltsabschnitten fest, dass die Beweismittel unverwertbar sind und es kam zu entsprechenden Freisprüchen. Ausser den genannten unverwertbaren Untersu- chungsergebnissen können alle Beweismittel auch zu Lasten des Beschuldigten verwendet werden. Es kann zur Begründung – um unnötige Wiederholungen zu vermeiden – auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 4 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO), zumal von der Verteidigung im Berufungs- verfahren keine davon abweichende Rügen vorgebracht wurden.

    2. Zur Beweiswürdigung ist anzumerken, dass auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes in dubio pro reo eine absolute Gewissheit nicht verlangt wer- den kann. Vielmehr müssen erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel an der Schuld des Beschuldigten bestehen, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen. Dabei ist es Aufgabe des Richters, seinem Gewissen verpflichtet in objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses zu prüfen, ob er von ei- nem bestimmten Sachverhalt überzeugt ist und an sich mögliche Zweifel an des- sen Richtigkeit zu überwinden vermag (Art. 10 StPO; BGE 124 IV 86 E. 2a). Es liegt in der Natur der Sache, dass mit menschlichen Erkenntnismitteln keine abso- lute Sicherheit in der Beweisführung erreicht werden kann; daher muss es genü- gen, dass das Beweisergebnis über jeden vernünftigen Zweifel erhaben ist. Lässt sich ein Sachverhalt nicht mit letzter Gewissheit feststellen, was schon im Wesen menschlichen Erkenntnisvermögens liegt, so hindert dies den Richter nicht, will- kürfrei subjektiv mit Gewissheit davon überzeugt zu sein (vgl. Urteil des Bundes- gerichts 6B_172/2009 vom 29. Oktober 2009 E. 1.6 am Ende unter Hinweis auf BGE 127 I 54 E. 2b).

  2. Verbrechen und Vergehen gegen das BetmG (Dossier 1)

    1. Einleitung

      Die Verteidigung macht zu den BetmG-Delikten zusammengefasst geltend, dass die von der Anklägerin gemachten Vorwürfe rein spekulativ seien und sich durch keinerlei Beweismittel stützen liessen. Es liege kein einziger Beweis gegen den Beschuldigten vor, sondern es handle sich um einen reinen Indizienprozess. Der Beschuldigte stehe aufgrund seines Vorlebens unter Generalverdacht. In keinem der abgehörten Gespräche werde der Beschuldigte namentlich erwähnt, ebenso wenig das Wort Kokain. Auch sei kein einziges Mal eine eigentliche Übergabe von Drogen beobachtet worden. Beim Beschuldigten sei anlässlich der Verhaf- tung und der Hausdurchsuchung weder Marihuana, noch Kokain, noch Bargeld gefunden worden. Zudem sei nicht nachgewiesen, dass es sich beim Ungaren, welcher in den Aufzeichnungen erwähnt worden sei, um den Beschuldigten hand- le. Es sei zwischen B. und D. von mehreren Ungarn gesprochen worden. Auch wenn im Rahmen der Strafuntersuchung keine Kenntnis von einem anderen Ungaren erlangt worden sei, so bedeute dies nicht, dass keine weiteren Ungarn existieren würden. B. und der Beschuldigte hätten zu Beginn an zugegeben, dass sie sich schon seit längerer Zeit kennen würden und dass sie miteinander lediglich Sportwetten abgeschlossen sowie Darlehensgeschäfte ge- macht hätten. Es sei daher davon auszugehen, dass sich die Kontakte zwischen dem Beschuldigten sowie B. und D. auf Sportwetten und Darlehen beschränkt habe bzw. sie sich rein freundschaftlich getroffen hätten. In dubio pro reo sei der Beschuldigte daher vom Vorwurf der BetmG-Delikte freizusprechen (Urk. 30 S. 4 f. und S. 39 ff.; Urk. 73 S. 10 ff.).

      Zur Beweiswürdigung der abgehörten Gespräche ist darauf hinzuweisen, dass notorischerweise die Beteiligten im Betäubungsmittelhandel strengstens darauf achten, dass die ausgetauschten Informationen für Aussenstehende möglichst unverständlich bleiben und weder Personen, Ortschaften, Geldbeträge noch Sa- chen beim (wahren) Namen genannt werden. Es wird insbesondere darauf Wert gelegt, weder am Telefon noch in Fahrzeugen Klartext zu sprechen, da die Be- teiligten sich bewusst sind, dass die Polizei auf diese Weise Gespräche abhört.

      Die Verschleierung von Gesprächen ist daher eine übliche Massnahme zur Ab- wicklung von Drogengeschäften. Bei der Würdigung der vorliegenden Protokolle der abgehörten Gespräche fällt auf, dass diesen Grundsätzen minutiös gefolgt wurde. So werden Unterhaltungen geführt, welche offensichtlich keinen legalen Hintergrund haben und in welchen weder Personen noch die Waren (Drogen) namentlich genannt werden. Die Gespräche weisen denn auch oft keine klare Satzstruktur auf, sondern es wird mittels Codewörtern kommuniziert. In den vor- liegenden Protokollen sind dies u.a. Grass (Gespräch vom 18. März 2016, 14:19 Uhr, beigeheftet an Urk. D1/2/3 und Urk. D1/2/11), Köpfe (Gespräch vom

      29. Januar 2017 13:39 Uhr, beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11) sowie der Ungare (vgl. u.a. Gespräch vom 24. Januar 2017 um 15:45 Uhr, beigeheftet an Urk. D1/2/5) und es werden Abkürzungen für Zahlen verwendet, wie z.B. Er braucht 3 für am 29-en (Gespräch vom 8. Januar 2017, 14:44 Uhr, beigeheftet an Urk. D1/2/11). Aus dem gesamten Kontext der verklausulierten Sprache, den weiteren Umständen von Treffen etc. sowie der notorischen Tatsache, dass es sich bei Grass und Kopf um übliche Bezeichnungen für Marihuana und

      100 Gramm Kokain handelt, bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die- se Bedeutung auch den vorliegenden Protokollen zu Grunde liegt. Den Beteiligten war zudem bewusst, dass sie abgehört werden könnten, vgl. U: Ja, aber im Auto soll man nicht reden. N: Ok, im Auto nicht # komm. (Gespräch vom 2. Februar 2017, 12:26 Uhr, zwischen dem Beschuldigten (U) und B. (N), beigeheftet an Urk. D1/2/5) und N: Sprechen wir nicht im Auto. (Gespräch vom 22. März 2016, 09:27 Uhr, zwischen dem Beschuldigten (U) und B. (N), beigeheftet an Urk. D1/2/3 und Urk. D1/2/11). Diese Vorsicht würde keinen Sinn machen, wenn es nicht um etwas Illegales, mithin vorliegend konkret um den Handel mit Betäubungsmitteln gehen würde.

      Weiter bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich beim erwähnten Ungarn um den Beschuldigten handelt, welcher ungarischer Staatsbürger ist (vgl. u.a. die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer 2.3.). B. führte an- lässlich seiner Zeugeneinvernahme vom 13. September 2023 im Wesentlichen aus, dass der Beschuldigte nichts mit seinen Kokain- und Marihuana-Geschäften zu tun gehabt habe. Sie hätten sich nicht wegen Drogen getroffen. Der Beschuldigte habe viele Sportwetten gespielt und oft verloren. Er habe immer finanzielle Probleme gehabt und er, B. , habe ihm ein paar Mal Geld gegeben als Dar- lehen, deshalb habe er ihn getroffen (Prot. II S. 30). Damit entlastete B. den Beschuldigten zwar. Angesprochen auf die einzelnen abgehörten Telefongesprä- che konnte der Zeuge jedoch keine konkreten Angaben machen. Er machte ledig- lich geltend, dies vergessen zu haben bzw. sich nicht mehr zu erinnern (Prot. II

      S. 31-33). Damit vermag er den Sachverhalt nicht weiter zu erhellen. Ausserdem stehen seine Aussagen, wonach es lediglich um Sportwetten gegangen sei, mas- siv im Widerspruch zu den abgehörten Telefongesprächen. Wie aufgezeigt, sind die abgehörten Gespräche klar illegalen Inhalts. Dass es dabei lediglich um Sportwetten gegangen sei, kann somit ausgeschlossen werden. Im Ergebnis sind die Aussagen von B. daher als unglaubhaft zu werten, und es ist im Fol- genden auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung abzustellen.

    2. Anklageziffer 1.1.: Kauf von einem Kilogramm Marihuana am 18. März 2016 (Anklageschrift S. 2)

      Die Vorinstanz erstellte ausgehend vom Anklagevorwurf folgenden Sachverhalt: Der Beschuldigte habe an einem nicht weiter bekannten Datum im März 2016 bei B. eine unbekannte Menge Marihuana bestellt. Dass es sich um ein Kilo- gramm gehandelt habe und dass eine Übergabe stattfand – wie in der Anklage- schrift vorgeworfen – lasse sich indes nicht erstellen (Urk. 52 S. 18 ff.).

      Der Beschuldigte bestreitet diesen Vorwurf (Urk. D1/2/3 S. 3; Urk. D1/2/11 S. 5) und die Verteidigung macht geltend, dass es sich dabei um eine reine Spekulation handle und der Vorwurf komplett unbewiesen sei. Bei den abgehörten Gesprä- chen sei es nicht um Drogen gegangen (Urk. 30 S. 5 ff.). Aus dem Gespräch vom

      18. März 2016, 14:19 Uhr, auf welches sich die Vorinstanz stütze, könnten keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden. Einerseits weise dieses Gespräch ge- mäss TK-Protokoll zu viele unverständliche Textstellen auf. Andererseits ergebe der erste Teil des Gesprächs vom 18. März 2016 keinen Sinn. Daraus gehe zu- dem nicht klar hervor, was und ob überhaupt etwas bestellt worden sei. Dieses Gespräch habe damit keinerlei Aussagekraft (Urk. 73 S. 23 ff.).

      Nachdem durch die Vorinstanz weder eine bestimme Menge noch die Übergabe als erstellt erachtet wurde, bleibt zu überprüfen, ob der Sachverhalt betreffend die Bestellung einer unbekannten Menge Marihuana im März 2016 erstellt werden kann. Relevant ist dabei das am 18. März 2016, 14:19 Uhr, zwischen B. (N) und D. (K) geführte Gespräch (beigeheftet an Urk. D1/2/3 und

      Urk. D1/2/11):

      N: Sag ihm, ich kann nicht drei. K: Was?

      N: Es holen.

      K: Vier. Der Ungare? N: Ja.

      ... (unv.)

      N: Er will nicht .. (unv.) Will er sicher Grass. K: Ja.

      N: .. (unv.) es hat nie, nicht einmal eine Franken gefehlt. Egal ob ich ihm 50 oder Grass gegeben habe.

      Aus diesem Gespräch zwischen D. und B. geht hervor, dass der Beschuldigte (der Ungare, vgl. hierzu nachfolgend Ziff. 2.3.) Marihuana (Grass) wollte, d.h. bestellte. Und wenn B. erwähnt, dass noch nie ein Franken ge- fehlt habe, egal ob man ihm 50 oder Marihuana (Grass) gegeben habe, so lässt sich daraus ableiten, dass der Beschuldigte bei B. schon früher Be- täubungsmittel bezogen hat und somit auch klar war, wer mit dem Ungarn ge- meint war, was er will sowie dass er die Ware auch bezahlt. Mit der Vorinstanz (Urk. 52 S. 20) ist daher erstellt, dass der Beschuldigte bei B. eine unbe- kannte Menge Marihuana bestellt hat.

    3. Anklageziffer 1.5.: Vermittlung des Verkaufs von einem Kilogramm Kokain am 24. Juni 2016 (Anklageschrift S. 3 f.)

      Die Vorinstanz erstellte den Sachverhalt, wie er dem Beschuldigten gemäss An- klageschrift vorgeworfen wird (Urk. 52 S. 24 ff.): Der Beschuldigte habe B. Mitte Juni 2016 mitgeteilt, dass er ihm einen Abnehmer vermitteln könne, welcher ein Kilogramm Kokain für Fr. 43'500.– beziehen werde. Der Beschuldigte habe

      B. sodann erneut kontaktiert und erklärt, er brauche das Kilogramm Kokain am 24. Juni 2016. Das Kilogramm Kokain hätten B. und D. dem unbekannten Abnehmer, der sich mit dem Beschuldigten dorthin begeben habe, am

      24. Juni 2016 um 12:12 Uhr in der Tiefgarage G. für Fr. 43'500.– überge- ben. Der Beschuldigte habe sich um 12:50 Uhr im Restaurant H. mit

      B. und D. getroffen, wo er einen nicht genauer bekannten Geldbetrag (vermutlich Fr. 1'500.–) für die Vermittlung des Abnehmers erhalten habe.

      Der Beschuldigte macht geltend, dass es sich bei dem im Gespräch vom 17. Juni 2016 erwähnten Ungaren nicht um ihn handle (Urk. D1/2/11 S. 9). Zum durch die Polizei beobachteten Treffen vom 24. Juni 2016 führte er aus, dass er

      B. und D. ab und zu auf einen Sprung getroffen habe. Bei dem Tref- fen sei es darum gegangen, einen Kreditnehmer zu treffen, der Fr. 10'000.– auf- genommen habe. Er, der Beschuldigte, sei mit den Krediten im Rückstand gewe- sen. Er wolle den Namen dieser Person nicht nennen, da er diese nicht in einen Betäubungsmittelfall involvieren wolle. Und im H. hätten sie sich wegen Sportwetten getroffen (Urk. D1/2/4 S. 8 und Urk. D1/2/11 S. 8). Zudem erläuterte der Beschuldigte mit Schreiben vom 29. Mai 2018, dass er sich mit B. zweimal in der Tiefgarage des I. in J. (und einmal in der Tiefgarage des I. in K. ) getroffen habe wegen der Rückzahlung von Zinsen. Es sei abgemacht gewesen, dass er fünf Minuten später in die Garage hinterher lau- fen solle, nachdem er gesehen habe, wie B. in die Garage hineinfahre, und er ihn dort treffen werde. Dort habe er gesehen, wie B. sich von einem Mann verabschiedet habe, welchen ihm B. bei einer früheren Gelegenheit als Madjar, also Ungar, vorgestellt habe. Dieser Mann habe zwar sehr gut unga- risch gesprochen, sei aber ein Serbe, der aus L. , einer Stadt in einer ehe- maligen Provinz Grossungarns, stamme. Dieser habe ihm von einer Indoor- Anlage in M. erzählt, welche er mit zwei Gärtnern betreibe (Urk. D1/2/7).

      Die Verteidigung führt zu diesem Sachverhalt aus, dass im abgehörten Gespräch vom 17. Juni 2016 weder der Beschuldigte noch Kokain erwähnt würde. Vielmehr werde von einem Ungaren gesprochen, welcher es für 43.5 erledigen könne. Es gebe keinen Kontext, über was oder wen gesprochen werde. Auch aus dem Ge- spräch vom 22. Juni 2016 könne nicht abgeleitet werden, dass der Beschuldigte 1 Kilogramm Kokain für Fr. 42'000.– vermittelt hätte und seinen Lohn erst später

      erhalte. Daran ändere auch die Observation des Treffens vom 24. Juni 2016 nichts, habe doch kein Bildmaterial erstellt werden können. Dass das Treffen stattgefunden habe, werde nicht bestritten, indes sei es dabei um ein Treffen mit einem Kreditnehmer gegangen. Es würde zudem keinen Sinn machen, dass der Beschuldigte für die Vermittlung von einem Kilogramm Kokain lediglich Fr. 1'500.– erhalten würde. Bei diesem Vorwurf handle es sich um eine reine Spekulation sei- tens der Anklägerin. Auch die Vorinstanz habe viel gemutmasst und spekuliert, wenn sie diesen Sachverhaltspunkt als erstellt betrachtet habe (Urk. 30 S. 12 ff.; Urk. 73 S. 24 ff.).

      Die Anklage stützt sich zunächst auf das am 17. Juni 2016, um 15:41 Uhr, im Au- to von B. abgehörte Gespräch zwischen B. (N) und D. (K) (bei- geheftet an Urk. D1/2/3 und Urk. D1/2/11):

      N: Der Ungare hat mir gesagt, falls er mich nicht anlügt, dass er 43,5 Erledigen kann, weisst du, diese .. für

      43.5 kann er es erledigen, er erledigt 43.5, wenn er jemanden hat, der das nimmt, er 1, um es zu erledigen und 1 würde ich lassen für die Zeit wenn ich in die Ferien gehe, weisst du?

      K: Ja, ja, ja.

      N: Du kannst das machen .. 2 (Ieise gesprochen).

      K: Will ich machen, es macht nicht, du kannst auch 3 nehmen, wir werden sehen.

      N: Ich werde es schauen, wie und was# der Ungare sagt, dass er einen hat, der 1,5, ich hoffe, dass er nicht lügt, Bruder ich kann ihm nicht so glauben.

      K: Ja gut, das macht nicht, das geht auf der Weg ..

      N: 43.5 ..

      K: Pro Tag .. .

      N: Pro Tag .... er müsste 3 verkaufen#. Auch so, auf Kommission

      Zudem wurde fünf Tage später, am Mittwoch, dem 22. Juni 2016, um 13:31 Uhr im Auto von B. (N) folgendes Gespräch zwischen ihm (N) und D. (K) abgehört (beigeheftet an Urk. D1/2/3 und Urk. D1/2/11):

      K: Was ist mit dem Ungaren? N: Ich habe ihn gesehen.

      K: Was sagt er?

      N: Er braucht 1 bis am Freitag. K: Bis am Freitag?

      N: Ja.

      K: Also, dann werde ich es dir diese geben. N: Ja. Ich werde es dann geben.

      K: Unverständlich

      N: Ich werde es schauen, ich werde es geben, ich werde diese dann auf die Seite legen, alles, diese 42000.#werde ich auf die Seite legen, verstehst du, er soll aber nicht warten, dass ich ihm das Geld gebe, verstehst du?

      K: Nicht das er auf uns warten muss, ich will es ihm nur sagen. #.

      Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich beim genannten Un- garn um den Beschuldigten handelt, kam es doch in der Folge am genannten Freitag zu dem abgemachten Treffen, worauf anschliessend eingegangen wird. Aufgrund der gesamten Umstände kommt keine andere Person, auf welche die Bezeichnung Ungare zutreffen könnte, in Frage als der Beschuldigte. Der Beschuldigte ist ungarischer Staatsbürger, womit die Bezeichnung als Ungare na- heliegend ist und es war der Beschuldigte und nicht ein anderer Ungare, wel- chen man am vereinbarten Tag (am besagten Freitag) traf. Aufgrund dessen, dass bei Drogengeschäften mit Verklausulierungen kommuniziert wird, erhellt von selbst, dass der Beschuldigte nicht mit Namen genannt wird. Dies gilt auch für das Kilogramm Kokain, welches vorliegend mit 1 umschrieben wird. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen der Zahl 1 und den genannten Geldbeträgen von Fr. 43'500.– (43.5) und Fr. 42'000.– (diese 42'000) lässt sich ohne ver- nünftige Zweifel der Schluss ableiten, dass es dabei um ein Kilogramm Kokain geht; der Preis von Fr. 42'000.– entspricht just dieser Menge. Aus dem Ge- spächskontext – sowie dem anschliessend beobachteten Treffen – lässt sich mit- hin erstellen, dass der Beschuldigte, nämlich der Ungare, einen Abnehmer für ein Kilogramm Kokain zu einem Preis von Fr. 43'500.– hatte und B. und

      D. dieses Kokain liefern würden. Dass es sich dabei um einen Kredit han- deln sollte – wie dies der Beschuldigte geltend macht – kann nur schon aufgrund der verklausulierten Sprache ausgeschlossen werden. Denn in diesem Falle hätte das – legale – Geschäft beim Namen genannt werden können. Zudem würde in diesem Zusammenhang der Satz Er baucht 1 bis Freitag keinen Sinn ergeben.

      Wie schon erwähnt, kam es in der Folge am Freitag, dem 24. Juni 2016, zum be- sprochenen Treffen, welches observiert werden konnte. Dabei trafen sich der Beschuldigte, D. , B. sowie eine unbekannte Person (Urk. D1/1/2

      S. 3 ff.). Zusammengefasst war der Ablauf im Wesentlichen der Folgende: Um 12:27 Uhr fuhr zunächst D. mit dem VW Golf und um 12:28 Uhr B.

      mit dem Audi A4 in die Tiefgarage des I. G. . Zu diesem Zeitpunkt sassen der Beschuldigte und ein unbekannter Mann im Aussenbereich des

      N. unmittelbar neben der Einfahrt in die Tiefgarage des I. G. . Nachdem die beiden Fahrzeuge in die Tiefgarage gefahren sind, nämlich um 12:32 Uhr, begaben sich der Beschuldigte und der Unbekannte ebenfalls in die Tiefgarage des I. G. . Um 12:36 Uhr fuhren B. und D. je in ihren Autos aus der Tiefgarage und begaben sich an den Wohnort von

      B. , wo D. sein Fahrzeug parkierte und als Beifahrer bei B. ein- stieg. Der Beschuldigte – nun nicht mehr in Begleitung des Unbekannten – fuhr um 12:37 Uhr aus der Tiefgarage des I. G. und lenkte seinen Wagen zum Restaurant H. an der O. -Strasse … in Zürich, wo er um

      12:45 Uhr parkierte und sich ins Restaurant begab. Um 12:46 Uhr fuhren B. und D. ebenfalls dorthin und betraten das Restaurant um 12:50 Uhr. Um 13:02 Uhr verliess der Beschuldigte das Restaurant H. bereits wieder;

      B. und D. um 13:49 Uhr (Urk. D1/1/2 S. 3 ff.).

      Aufgrund der beobachteten Bewegungen der Beteiligten lässt sich ohne vernünf- tige Zweifel der Schluss ableiten, dass es dabei um die Übergaben des bestellten Kokains und von Geld ging. Daran ändert auch die Einwendung der Verteidigung, dass die Übergaben selbst nicht beobachtet werden konnten, nichts, fanden diese doch in der Tiefgarage bzw. im Restaurant statt und konnten daher nicht beo- bachtet, fotografiert bzw. gefilmt werden. Völlig unglaubhaft ist die Behauptung, dass in der Tiefgarage die Rückzahlung von Zinsen hätte erfolgen sollen, denn erstens hätten dafür nicht vier Personen anwesend sein müssen und zweitens müsste solch eine Übergabe auch nicht in einer Tiefgarage – also im Geheimen – stattfinden. Dies umso mehr, als der Beschuldigte und der Unbekannte zuvor im Aussenbereich des N. sassen. Man hätte sich – wenn es denn um legale Geschäfte gegangen wäre – dort treffen, die Kreditgeschichte regeln und dann noch über Sportwetten plaudern können. Doch dies geschah gerade nicht. Statt- dessen fuhren die Beteiligten weg und der Beschuldigte traf sich kurz darauf mit B. und D. an einem anderen Ort, nämlich im H. . Da dieses Treffen lediglich 10 Minuten dauerte, ist die Behauptung, man habe sich dort we- gen Sportwetten getroffen, von Vornherein unglaubhaft, würde in einem solchem

      Fall doch für solch ein kurzes Gespräch nicht eine zusätzliche Fahrt getätigt wer- den. Der ganze Ablauf macht vielmehr nur dann Sinn, wenn in der Tiefgarage die Übergabe des Kokains und des Verkaufspreises für dieses – nämlich die

      Fr. 43'500.– – stattfand und das anschliessende Treffen im H. dazu diente, dem Beschuldigten die Provision für die Vermittlung – nämlich wohl die

      Fr. 1'500.– – zu übergeben. Dabei handelte es sich um 3.5% des Kaufpreises, was keine geringe Summe für die blosse Vermittlung darstellt. Da der Beschuldig- te das Kokain nicht selber übergab und damit auch zu keiner Zeit auf sich trug, war das Risiko, dabei erwischt zu werden, in Anbetracht des Verdienstes eher ge- ring. Ob sich der Beschuldigte bewusst war, dass er auch mit der Vermittlung eine bedeutende Freiheitsstrafe riskiert (vgl. den Einwand der Verteidigung in Urk. 30

      S. 15 f.), kann offen bleiben. Aufgrund seiner früheren Verurteilung musste ihm auf jeden Fall bekannt sein, dass der Handel mit harten Drogen wie Kokain auch bei geringeren Mengen deutliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Ausserdem kann der Argumentation der Verteidigung, wonach sich die Ermittler, welche das Treffen damals observiert hätten, offenbar nicht sicher gewesen sei- en, ob sich vor ihren Augen ein Riesendeal über den Verkauf von einem Kilo Ko- kain abgewickelt habe oder nicht, ansonsten sie in das Geschehen eingegriffen hätten (Urk. 73 S. 27 f.), nicht gefolgt werden. Wie eingangs erwähnt, fand die Observation im Rahmen der weitreichenden Aktion F. , welche sich gegen eine Vielzahl von Verdächtigen richtete, statt, sodass keineswegs zu erwarten gewesen wäre, dass die Ermittler bei jedem beobachteten Deal zuschlagen wür- den. Es bestehen aufgrund der gesamten Umständen keine vernünftigen Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt wie angeklagt zugetragen hat.

    4. Anklageziffer 1.7.: Kauf von 100 bzw. 300 Gramm Kokaingemisch an zwei Treffen zwischen dem 20. und 29. Januar 2017 (Anklageschrift S. 4 f.)

      Die Vorinstanz erstellte den Sachverhalt leicht abweichend von der Anklageschrift

      – welche dem Beschuldigten die Bestellung und Übernahme von 400 Gramm Ko- kaingemisch vorwirft – wie folgt (Urk. 52 S. 33 ff.): Der Beschuldigte habe im Ja- nuar 2017 bei B. (total) 300 Gramm Kokain bestellt. Am 24. Januar 2017 habe er 100 Gramm Kokaingemisch übernommen und dafür am 1. Februar 2017

      Fr. 4'500.– bezahlt. Am 2. Februar 2017 habe er 200 Gramm Kokaingemisch übernommen, wobei er mindestens Fr. 4'400.– von den dafür geschuldeten Fr. 9'000.– gleichentags bezahlt habe.

      Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf. Es habe sich beim übergebenen Betrag um die Rückzahlung eines Darlehens oder um Sportwetten gehandelt

      (Urk. D1/2/1 F/A 56, Urk. D1/2/5 S. 5 f., F/A 30; Urk. D1/2/8 S. 6; Urk. D1/2/11 S. 12 f.).

      Die Verteidigung macht geltend, dass weder der Beschuldigte noch Kokain in den Gesprächen erwähnt würden. Es sei um das Zurückzahlen eines Kredites bzw. Privatschulden des Beschuldigten gegangen. Es gebe keine handfesten Beweise wie Observationen etc., weshalb der Sachverhalt nicht erstellt sei (Urk. 30

      S. 21 ff.; Urk. 73 S. 29 ff.).

      Für die Sachverhaltserstellung ist zunächst das Gespräch vom 20. Januar 2017, 20:22 Uhr, relevant, welches im Auto von B. zwischen ihm (N) und D.

      (K) geführt wurde (beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11):

      N: Ich meine Bruder dass ich für 20 Verkauf habe. K: Wieso nicht? Du verteilst das in 2 Tagen.

      N: P. hat verlangt, Q. , Kids, Ungare hat 3 verlang. Der Alte Italiener wird nehmen. Ich schau mit

      R. .

      Daraus lässt sich erstellen, dass der Beschuldigte (Ungare) 300 Gramm Kokain (3) bestellt (verlangt) hat. Diese Interpretation lässt sich nicht nur aus der Art des geführten Gesprächs, sondern auch aus demjenigen vom 29. Januar 2017, 13:39 Uhr, zwischen B. (N) und D. (K) herleiten, wo ebenfalls

      300 Gramm Kokain (3 Köpfe) und der Beschuldigte (der Ungare) erwähnt wer- den (beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11):

      N: Freitag ..... (unv.) der Ungare.

      K. Was hat er jetzt gesagt, 3 Köpfe?

      Die Bezeichnung Kopf ist, wie bereits erwähnt wurde, eine übliche codierte Be- zeichnung für 100 Gramm Kokain (vgl. auch u.a. Urk. D1/2/5, angeheftetes Ge- spräch vom 4. Februar 2017, 21:24 Uhr). Eine andere Interpretation macht keinen Sinn – insbesondere nicht, wenn man von der Darstellung des Beschuldigten ausgeht, wonach sich sein Kontakt zu B. und D. auf Darlehen und Sportwetten beschränkt habe.

      Am 24. Januar 2017 um 15:45 Uhr teilte B. (N) D. (K) in seinem Auto folgendes mit (beigeheftet an Urk. D1/2/5):

      N: 50 - (unv). Geben wir dem Ungaren 50 ich und 50 du.

      K: Gut, wie du willst […]

      Zwei Minuten später sagt B. zu D. , dass er dem Ungaren Lacoste gegeben habe (beigeheftet an Urk. D1/2/5).

      Es ist damit erstellt, dass B. und D. dem Beschuldigten am

      24. Januar 2017 100 Gramm einer Substanz Lacoste übergeben haben. Dass es sich dabei um Kokain handelt, lässt sich einerseits aus der Menge und ander- seits aus dem Gespräch zwischen B. (N) und D. (K) vom 29. Januar 2017 um 13:49 Uhr, wo sie das Wort Lacoste eindeutig im Zusammenhang mit dem Kokain (Köpfe) verwenden (beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11), sowie demjenigen vom 1. Februar 2017, 23:19 Uhr, herleiten (beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11), in welchem sie untereinander abrechnen und aus- führen, dass der Beschuldigte dafür einen Betrag von Fr. 4'500.– bezahlte (N: […] 4,5 vom Ungar; und N: [… ] Weil es waren 4,5 vom Ungar). Die Fr. 4'500.– entsprechen 100 Gramm Kokaingemisch.

      Dass es zu der Übergabe von 200 Gramm Kokaingemisch zum Preis von Fr. 9'000.– kam, lässt sich aus den folgenden Gesprächen herleiten: Am

      2. Februar 2017 erwähnt B. um 09:03 Uhr gegenüber D. , dass der

      Beschuldigte heute Fr. 9'000.– bringen werde (Ungar wird heute 9'000 geben.; beigeheftet an Urk. D1/2/5). Und um 11:34 Uhr sagt D. zu B. , dass für den Beschuldigten 200 Gramm bestimmt sind (Für den Ungar …(unv.)… 2 Köpfe… (unv.); beigeheftet an Urk. D1/2/5). Kurz darauf kam es denn auch zu einem Treffen zwischen B. (N) und D. (K) sowie später dem Beschul- digten (U). Dabei konnte ab 12:26 Uhr folgendes Gespräch im Auto von B. aufgenommen werden (beigeheftet an Urk. D1/2/5):

      N: Der anderer ist nicht zu ihm gekommen Bruder .... (unv.) Es hat keine Parkmöglichkeit hier. Er ist nicht angekommen.

      K: Hier links.

      N: Er ist nirgendswohin gegangen. Schau was der Schwizko ... (unv.). Wohin ist der Dumme gegangen? Ist er nicht zum Pizzeria, Restaurant gegangen?

      K: ... (unv.)

      N: Oder ist er hier im Cafe.

      K: Oder er hat es selber erledigt. N: Meinst du?

      K: Ja. 100%:

      N: Auto ist hier. Gehst du schauen ob er es genommen hat. K: Ob er es genommen hat?

      N: Du wirst es vom Oben sehen.

      K: Ja, ja. N: He?

      K: Ja, ja.

      12:30:43, S. steigt aus. 12:30:49, S. steigt ein. N: Was?

      K: Er hat es genommen. N: Hat er es genommen?

      K: Ja.

      N: He?

      K: Aha.

      N: Aber was macht er jetzt mit ihn?

      K: Ich weiss es nicht. Hat jemand das von hier gestohlen? N: Was? Nein Bruder, wer könnte es stehlen!

      K: Vielleicht hat mich jemand gesehen als ich hinein gegangen bin.

      N: Es hat niemand gesehen .... (unv.) Bruder, warte bis ich das Auto geparkt habe. K: Diese Frau war hinter uns. Im diesen Audi.

      N: Nein Bruder.

      K: Nein, nein. Er sitzt dort und trinkt Kaffee mit ihm. N: Warte hier auf mich.

      12:31 :21, T. steigt aus.

      12:32:52, T. steigt ein

      N: Du kennst seine Philosophie, sie sitzen und trinken Kaffee. K: Hat er dir das Geld gegeben?

      N: Nein er wird es am Abend bringen. Er muss Bruder zuerst seine abziehen. K: Ja.

      N. Er kann es nicht vor ihm machen. #(unv.) Ich sagte ihm: #Ich warte schon 10 Minuten auf dich ....

      K: Warten wir beim Auto Bruder, nicht dass wir uns beim Slowenen verspäten. N: Gut Bruder, in Ordnung.

      K: Mach eine Runde ... (unv.) Ende: 12:33:25

      Beginn: 12:34:00

      K: Halte dort geradeaus an. Hier, kommt er.

      N: (zum Ungar) Nein, nein, komm setz dich im Auto, wir haben es pressant. U: Ja, aber im Auto sollte man nicht reden.

      N: Ok, im Auto nicht# komm.

      U: Machst du eine Runde in dem fall. K: ... (Englisch)

      N: Freund ich werde Parken. Ich kann nicht eine Runde machen. Ich muss gehen. Um ein Uhr muss ich#

      U: Ok.

      N. Ok. Das ist meines, oder?

      ... (Englisch)

      N: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, #30, 31, 32, #44. Ok.

      U: Stimmt?

      N: Ja, es stimmt. […]

      N: Ciao. Ich rufe dich an.

      U: Ok.

      N: Ciao.

      12:36:54 Ungar steigt aus.

      N: Wie viel hat er abgezogen? K. 4000.

      N: Schwöre.

      K: Ja.

      N: Hast du es gesehen Bruder? K: Ja.

      N: Es ist das was ich dir erzähle. Du glaubst mir nicht.

      K: 2 Welse. Ich glaube dir. Aber es ist mir unglaubhaft. Ich glaube dir alles. Ich dachte, komm egal.

      N: Ich gebe ihm nicht mehr Bruder .... (unv.) Bruder wir alle haben nicht 3000 verdient. Er 4000. Mit 4000 kann jeder leben.

      K: Ja, es ist eine Hölle.

      N: Hast du es gesehen?

      K: Ja, ich habe es gesehen Bruder. N: He?

      K: Ich habe es gesehen Bruder. 2 Welse und das Rest alles in 2 Köpfe Noten.

      N: Bruder ich werde es dir sagen. Er hat es ihm zu 75 verkauft, das heisst 3'000. Ja, genau 4000, zu 65. Er hat es ihm von 75 auf 65 herabgesetzt.

      K: Er hat ihm ein dienst gemacht.

      N: Bruder, hast du das gesehen? He, was erzähle ich dir? Er wird es nie mehr zu 45 bekommen. He, he, he, was erzähle ich dir.

      B: Es ist tödlich.

      Aus diesem Gespräch – wobei vom Beschuldigten anerkannt ist, dass es sich bei der Person U um ihn handelt (Urk. D1/2/1 S. 9 F/A 56) – lässt sich die Übergabe des Kokaingemischs, welches der Beschuldigte unverzüglich weiterveräusserte, nachweisen. So hat gemäss der Beobachtung von D. der Beschuldigte das

      Kokain aus dem Versteck behändigt (Er hat es genommen) und sass danach mit einer anderen Person, dem weiteren Abnehmer, in einem Café (Er sitzt dort und trinkt Kaffee mit ihm). Dann steigt der Beschuldigte ins Auto ein und übergibt B. mindestens Fr. 4'400.– (N: […] #44. Ok. U: Stimmt? N: Ja es stimmt.). Auch der Beschuldigte räumte ein, dass hier Geld gezählt wird. Seine Behaup- tung, dass es sich dabei um die Rückzahlung eines Darlehens handle

      (Urk. D1/2/1 S. 9 F/A 56), kann aufgrund des gesamten Ablaufs sowie der Art und dem Inhalt der geführten Konversation – so sagte der Beschuldigte selber aus, dass man im Auto nicht reden sollte (U: Ja, aber im Auto sollte man nicht re- den.) – ausgeschlossen werden. Aus der anschliessenden Berechnung von

      1. , welcher den Gewinn des Beschuldigten – nachdem dieser das Auto ver- lassen hatte – ausrechnet, lässt sich ohne vernünftigen Zweifel nachvollziehen, dass Übergaben von 100 und 200 Gramm Kokaingemisch stattgefunden haben. Gemäss dieser Berechnung übernahm der Beschuldigte das Kokain zu Fr. 45.– pro Gramm und verkaufte die 100 Gramm zu Fr. 75.– pro Gramm weiter, wobei er einen Gewinn von Fr. 3'000.– erzielte (100 Gramm x Fr. 30.–). Die 200 Gramm veräusserte er direkt nach der Übernahme zu Fr. 65.– pro Gramm und erzielte damit einen Gewinn von Fr. 4'000.– (200 Gramm x Fr. 20.–).

        Mit der Vorinstanz (Urk. 52 S. 40) ist somit ohne vernünftige Zweifel erstellt, dass der Beschuldigte im Januar 2017 300 Gramm Kokaingemisch bestellte. Er über- nahm am 24. Januar 2017 100 Gramm Kokaingemisch, für welches er am

        1. Februar 2017 Fr. 4'500.– bezahlte und am 2. Februar 2017 200 Gramm Koka- ingemisch, wobei er mindestens Fr. 4'400.– von den dafür geschuldeten

      Fr. 9'000.– gleichentags bezahlte.

    5. Anklageziffer 1.9.: Kauf von 100 Gramm Kokain am 7. Februar 2017 (Ankla- geschrift S. 5 f.)

      Die Vorinstanz erstellte den Sachverhalt, wie er dem Beschuldigten in der Ankla- geschrift vorgeworfen wird (Urk. 52 S. 43 ff.): Der Beschuldigte habe sich am

      4. Februar 2017 um 14:08 Uhr in der Nähe des Universitätsspitals Zürich mit

      B. und D. getroffen und mindestens 100 Gramm Kokain bestellt, was B. später, um 21:24 Uhr, gegenüber D. erwähnt habe. Der Beschuldigte habe B. am 7. Februar 2017, 10:23 Uhr, von einer Telefonkabine aus kontaktiert. Die beiden hätten vereinbart, sich um 15:45 Uhr beim …-Parkplatz U. zu treffen. B. habe D. um 14:27 Uhr über das Treffen mit dem Beschuldigten informiert. Später habe sich der Beschuldigte um 15:39 Uhr beim …-Parkplatz U. mit B. und D. getroffen. Dort habe der Beschuldigte die 100 Gramm Kokaingemisch zwecks Weiterverkaufs übernom- men, welche er zuvor bei B. bestellt gehabt habe.

      Der Beschuldigte bestreitet diesen Sachverhaltsabschnitt. Er habe B. ge- troffen, weil einer der Kreditnehmer mit den Zinsen in Verzug gewesen sei. Dafür seien sie ins Kaffee gegangen. Die Sache mit dem Plastiksack, welcher bei der Observation gesehen worden sei und das Kokain enthalten habe, stimme über- haupt nicht (Urk. D1/2/5 S. 8 f.; Urk. D1/2/11 S. 15).

      Die Verteidigung führt hierzu aus, dass die Observation vom 4. Februar 2017 kei- ne direkten Beweise erbracht habe. Daher müsse die Anklägerin auf das später geführte Telefonat zurückgreifen, wobei es sich auch hier beim genannten Unga- ren nicht um den Beschuldigten handle. Es würde auch keinen Sinn machen, wenn B. D. erzählt, was der Ungare bestellt habe, da sich ja alle drei am selben Tag getroffen hätten. Das Treffen am 7. Februar 2017 sei unbe- stritten, indes habe trotz der Observation keine Kokainübergabe dokumentiert werden können. Beim Anklagesachverhalt handle es sich daher um eine reine Spekulation. Man dürfe wohl davon ausgehen, dass der Beschuldigte nicht am helllichten Tag mitten in Zürich mit 100 Gramm Kokain in den Händen herumlau- fe. Beim beobachteten hellen Gegenstand habe es sich daher um etwas anderes als Kokain gehandelt (Urk. 30 S. 29 f.; Urk. 73 S. 38 ff.).

      Für die Sachverhaltserstellung stehen diverse Beweismittel zur Verfügung. Ge- mäss dem Observationsbericht vom 4. Februar 2017 ist erstellt, dass der Beschuldigte am 4. Februar 2017 um 14:08 Uhr B. und D. in der Nähe des Universitätsspitals traf. Das Treffen fand auf dem Trottoir statt und dauerte 5 Minuten (Urk. D1/1/4 S. 7 f.). Am Abend des 4. Februar 2020 um 21:24 Uhr führ- ten B. (N) und D. (K) im Auto ein Gespräch, wobei sie die Kokainab- gaben und die dafür benötigen Mengen besprachen, und insgesamt eine Menge

      von 500 Gramm resultierte. Dabei sind für den Beschuldigten (Ungarn) 100 Gramm (100) eingeplant. Dass es dabei um Kokain geht, erhellt einerseits aus dem verwendeten codierten Wort Köpfchen sowie der Art der verklausulierten Gesprächsführung und andererseits den besprochenen Mengen, welche für Ko- kain sprechen. Das Gespräch hat folgenden Wortlaut (beigeheftet an Urk. D1/2/5 und Urk. D1/2/11):

      K. Nimm ein Köpfchen Bruder.

      N: Ja, ein Köpfchen damit es 500 wird. K: Ja.

      N: Es ist genau. Oder?

      K: Ja, stimmt.

      N: Ja, ja genau, 200 heute, Ungar 100 das macht 300. Ungar 400, ... dieser, dieser Araber 400 und diese Köpfchen das macht 500. Ist es so?

      Der Einwendung der Verteidigung, dass es keinen Sinn ergeben würde, die Bestellung des Beschuldigten einzurechnen, kann nicht gefolgt werden, denn nur wenn dieser etwas bestellte, ist die an ihn vorzunehmende Abgabe einzuberech- nen. B. macht dies und kommt zum Schluss, dass alles zusammen 500 ergibt. Die Bestellung von 100 Gramm Kokain ist damit ohne vernünftige Zweifel nachgewiesen.

      Mit Telefonat vom 7. Februar 2017, 10:22 Uhr, zwischen B. (N) und dem Beschuldigten (U) vereinbarten die beiden, sich am selben Tag um 15:45 Uhr (N: OK, wir sind viertel vor vier dort) beim …-Parkplatz U. (N: Dieser Bussta- tion am Hauptbahnhof) zu treffen. Der Beschuldigte telefonierte dabei von einer Telefonkabine aus (U: […] Ich habe keine Münzen. Ich muss schnell Münze rein- tun; beigeheftet an Urk. D1/2/5). Und um 14:27 Uhr teilte B. (N) D.

      (K) in seinem Auto mit, den Beschuldigten (A'. ) zu diesem Zeitpunkt zu treffen (beigeheftet an Urk. D1/2/5):

      K: Wann ist der A'. , um 3?

      N: Um 15 vor 4 Bruder. Gut, wir werden rechtzeitig dort sein. Wir fahren um halb vier ab wir sind in 15 Minu- ten unten. Wir müssen nicht mehr zurückkommen. Weisst du?

      K: Aha.

      Dieses Treffen fand in der Folge am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit statt. Es wurde durch die Polizei observiert (Urk. D1/1/3 S. 7 f.). Gemäss dem Wahrnehmungsbericht der Observation waren die drei Beteiligten zunächst für 12 Minuten im V. , danach stieg D. in einen Car und der Beschuldigte und B. spazierten zusammen zur Ecke W. -Strasse/AA. -Gasse, wo sie stehen blieben und diskutierten (Urk. D1/1/3 S. 7). Zwei Minuten später spazierten sie wieder zurück zu ihren Fahrzeugen, wo die beiden jeweils in ihre

      Autos stiegen, wobei der Beschuldigte beim Einstieg in seinen Wagen etwas Hel- les in seinen Händen hielt (Urk. D1/1/3 S. 8).

      Vorliegend bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass bei diesem Treffen die Übergabe der bestellten 100 Gramm Kokain stattfand. Eine andere Erklärung lässt sich vernünftigerweise aus den gesamten Umständen nicht ableiten. Wenn es sich um ein harmloses Treffen gehandelt hätte, dann wäre die vorgängige Konversation mit Sicherheit anders – insbesondere nicht verklausuliert – verlau- fen. Aufgrund der genauen Ort- und Zeitangabe ist zudem erstellt, dass es sich bei dem von D. erwähnten A'. um den Beschuldigten handelte. Ein deutliches Indiz für die Betäubungsmittelübergabe ist weiter, dass B. und der Beschuldigte sich vor ihrer Verabschiedung kurz an die Ecke W. - Strasse/AA. -Gasse begaben – wo sie ungestört waren – und der Beschul- digte beim Einstieg in sein Auto etwas Helles in der Hand hielt. Dabei ist ohne vernünftige Zweifel davon auszugehen, dass es sich dabei um die bestellten 100 Gramm Kokain handelte. Da keine Gewerbsmässigkeit angeklagt ist, kann mit der Vorinstanz offen bleiben, zu welchem Kaufpreis der Beschuldigte das Kokain je- weils weiterverkaufte. Der Beschuldigte kannte das Gefährdungspotential von Ko- kain, wusste er doch als regelmässiger Kokainkonsument um dessen Wirkung (vgl. auch die Vorinstanz in Urk. 52 S. 45).

    6. Anklageziffer 2.: Vorbereitung zu Kokaineinfuhr zwischen März und Ju- ni 2016 (Anklageschrift S. 6 f.)

      Gemäss dem durch die Vorinstanz erstellten Sachverhalt (Urk. 52 S. 46 ff.) habe sich der Beschuldigte im Mai/Juni 2016 an Verhandlungen über den Ablauf einer Einfuhr einer unbekannten Menge von Kokain, welche zumindest im Mehrkilobereich gelegen habe, mit Lieferanten aus Brasilien beteiligt und beabsichtigt, zu de- ren Verlad an den Verladeort zu reisen, wobei es in der Folge aber nicht zu einer Lieferung gekommen sei.

      Der Beschuldigte bestreitet diesen Vorwurf (D1/2/11 S. 17) und die Verteidigung führt hierzu aus, dass zu diesem Vorgang keine direkten Beweise vorliegen wür- den. Es handle sich um Spekulationen, da aus den Untersuchungen nichts Kon- kretes hervorgegangen sei. Beim genannten Ungarn handle es sich nicht um den Beschuldigten (Urk. 30 S. 32 ff.; Urk. 73 S. 43 ff.).

      Die Vorinstanz hat sich mit den relevanten Beweismitteln ausführlich beschäftigt, worauf – um unnötige Wiederholungen zu vermeiden – vollumfänglich verwiesen werden kann (Urk. 52 S. 46 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Da die Vorinstanz in der Fol- ge zum Schluss kam, dass sich nur aus dem abgehörten Gespräch vom 4. Juni 2016 zwischen B. (N) und D. (K) mit genügender Sicherheit eine Be- teiligung des Beschuldigten erstellen lasse und sie den Sachverhalt gestützt auf dieses Gespräch als erstellt erachtete, wird nachfolgend ebenfalls nur auf dieses Gespräch eingegangen. Hinsichtlich der übrigen Beweismittel und den entspre- chenden Würdigungen kann auf die ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 46 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der Wortlaut dieses Gesprächs vom 4. Juni 2016 ist der Folgende (beigeheftet an Urk. D1/2/3 und Urk. D1/2/11):

      N: Der Ungare hat sie überredet, dass ihr Mann hier beim Geld bleibt. Er wird zusammen mit einen unseren man in der Wohnung mit dem Geld bleiben. Bei ihm. Hier. Sie werden die Ware ohne Geld aufladen. Ver- stehst du? Wenn die Ware ausgebaut wird, wird das Geld ihren Mann übergeben.

      K: Und wenn die Ware beschlagnahmt wird?

      N: Wenn die Ware beschlagnahmt wird dann haben wir das Geld nicht mehr. K: Sie werden es ausrichten wann es genau gesendet wird.

      N: Ja, alles. Wann es gesendet wird, hin und her. Der Ungare wird dorthin gehen wenn die Ware aufgeladen wird.

      K: Das muss man mit ihm schauen wann die Container gesendet werden.

      N: Er wird ihnen eine Liste schicken und fragen ob es dann gehen wird. Sie werden dann ihm sagen wann sie es können. Welche Company, welcher Nummer.

      K: Warum prüft er es nicht wenn er so was hat? N: Warum er es nicht prüft?

      K: Ja, warum prüft es er nicht Bruder?

      N. Weisst du warum Bruder? Sie haben zuerst das Geld verlangt. Als er jetzt zurückgekommen ist, hat er mir gesagt dass das Geld nicht mehr nötig ist. Er hat sie überredet dass es nicht nötig ist, das Geld im Voraus dorthin zu schicken.

      K: Aber wie ist die Ware Bruder? Nicht dass es ein Dreck ist.

      N. Ich bin der Meinung sie müssen nicht Dreck schicken. Sie schicken auch eigene. Wir müssen auch ihre verkaufen.

      K: Ja, ja.

      N: Verstehst du? Sie sind nicht blöd. K: Wieviel schicken sie dir insgesamt?

      N: Ich weiss nicht. Für uns 50 und für sich selber 50. Wenn der Kroate 20, 30 aufladen würde, der Ungare

      würde 10, ich werde auch. Jeder von uns soll etwas geben. Jeder soll 2, 3 aufladen. K: Wie teuer ist es? Pro Stück.

      N: Ich bin der Meinung Dollar 7500. Er hat bezahlt, er hat bezahlt. Er hat es aus Bolivien zu 3500 bezogen. K: Bolivien ist Gut.

      N Bolivianerin 3500. 1000 bezahlen sie für den Transport von Bolivien nach Brasil, das macht 4500.

      AB. hat was gesagt, wir sollen nach Las Palmas.

      Bei der Würdigung dieses verklausuliert geführten Gesprächs ergibt sich, dass B. und D. über eine Ware sprechen, welche in Containern aus Brasi- lien geliefert werden sollte. Um was es sich dabei handelt, wird tunlichst nicht ge- nannt. Dabei handelt es sich auf jeden Fall um illegale Ware, machen sich die beiden doch Gedanken darüber, was passiert, wenn diese beschlagnahmt wird, nämlich dass sie dieses Risiko tragen (N: Wenn die Ware beschlagnahmt wird

      dann haben wir das Geld nicht mehr.). Dass es um Betäubungsmittel geht, erhellt nicht nur aus der verklausulierten Konversation, sondern auch aus der Formulie- rung, wie die beiden über die Qualität der Ware sprechen (K: Aber wie ist die Ware Bruder? Nicht dass es ein Dreck ist). Die Verwendung des Begriffes Dreck bedeutet im Betäubungsmittelhandel notorischerweise Ware von schlech- ter Qualität bzw. mangelhafter Reinheit. Aus dem Gespräch lässt sich aufgrund dieser Umständen sowie der genannten Preise weiter ohne vernünftige Zweifel erstellen, dass es sich bei der Ware um Kokain handelt, sollte die Ware doch pro Stück USD 7'500 kosten (K: Wie teuer ist es? Pro Stück. N: Ich bin der Meinung Dollar 7500), was dem Importpreis von einem Kilogramm Kokain entspricht. Hin- gegen wäre der Preis für ein Kilogramm Marihuana viel zu hoch, vor allem im Vergleich zu den Preisen, die in der Schweiz mit weniger Risiko und Aufwand be- zahlt werden müssten.

      Aus dem Gespräch geht weiter hervor, dass der Beschuldigte (Ungare) mit den Lieferanten über den Ablauf der Lieferung verhandelt hat. So hat er sie überredet,

      dass sie das Kokain liefern und das Geld erst nach Erhalt der Ware übergeben werden (Er hat sie überredet, dass es nicht nötig ist, das Geld im Voraus dorthin zu schicken; und: Sie werden die Ware ohne Geld aufladen). Dies obwohl die Lieferanten zuvor auf die vorgängige Bezahlung gedrängt hatten (Sie haben zu- erst das Geld verlangt). Dabei sollte einer der Männer der Lieferanten und ein Mann der Besteller beim Geld bleiben und erst wenn die Ware auf dem Schiff ist, würde die Ware bezahlt (Wenn die Ware ausgebaut wird, wird das Geld ihrem Mann übergeben). Die Lieferanten würden mitteilen, wann die Ware gesendet wird und der Beschuldigte sollte an den Verladeort reisen (Der Ungare wird dort- hin gehen wenn die Ware aufgeladen wird). Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass es sich beim Ungaren um den Beschuldigten handelt, es kann hierzu auf die Erwägungen unter Ziffer 2.3. vorstehend verwiesen werden. Daran ändert die Einwendung der Verteidigung nichts, dass der Beschuldigte im relevanten Zeitraum nicht in Bolivien gewesen sei (Urk. 30 S. 35). Hieraus kann indes nichts abgeleitet werden, geht aus dem Gespräch doch nicht hervor, wer mit er gemeint ist, wenn B. davon spricht, dass er es aus Bolivien zu 3500 bezogen habe, zumal in der Folge noch eine Person namens AB. erwähnt wird. Die Verteidigung führte zudem selber aus, dass B. den Beschuldigten als Ungaren bezeichnet habe, wobei dies nie im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln der Fall gewesen sei. Wenn es um Betäubungsmittel gegan- gen sei, habe es sich um einen anderen Ungaren gehandelt, dessen Namen er indes nicht nennen wollte (Urk. 30 S. 40).

      Es ist somit mit der Vorinstanz festzuhalten, dass keine vernünftigen Zweifel da- ran bestehen, dass der Beschuldigte sich an Verhandlungen über den Ablauf ei- ner Einfuhr von Kokain mit südamerikanischen Lieferanten beteiligte und er beab- sichtigte, zu deren Verlad an den Verladeort zu reisen. Um welche Menge es ge- nau ging, kann nicht abschliessend erstellt werden, es muss sich indes um eine Menge im Bereich von mehreren Kilogramm handeln. So fragt D. B. , welche Menge geschickt werde und B. antwortet, dass er dies nicht genau wisse, es seien 50 für sie und 50 für die Lieferanten. Und er überlegt Folgen- des: Wenn der Kroate 20, 30 aufladen würde, der Ungare würde 10 und ich werde auch. Zu Gunsten des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass

      B. überlegte, wer welche Menge dieser Lieferung übernehmen könnte und nicht dass der Beschuldigte bereits zugesagt hatte, zehn Kilogramm zu beziehen. Der Beschuldigte beteiligte sich mithin an Verhandlungen über den Ablauf einer Einfuhr einer unbekannten Menge von Kokain, welche zumindest im Mehrkilobe- reich lag, wobei es in der Folge nicht zu einer Lieferung kam.

    7. Reinheitsgehalt

      Da im vorliegenden Verfahren keine Betäubungsmittel sichergestellt wurden, ist eine direkte Bestimmung der reinen Drogenmenge nicht möglich. Zur Ermittlung des Reinheitsgrades ist daher auf Erfahrungswerte abzustellen, soweit diese re- präsentativ und aussagekräftig sind (Urteil des Bundesgerichts 6B_1081/2018 vom 10. September 2019 E. 3.1 mit Hinweisen). Gemäss der Betäubungsmittel- statistik 2016 der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin betrug der Durchschnittsreinheitsgrad bei einer Menge von 100 bis 1000 Gramm Kokain 69%. Von diesem ist vorliegend auszugehen.

    8. Fazit Sachverhalt

      Erstellt ist, dass der Beschuldigte zwischen Januar und Februar 2017 insgesamt 400 Gramm Kokain von B. und D. gekauft sowie B. im Juni 2016 einen Abnehmer für ein Kilogramm Kokain vermittelt hat. Er bestellte zudem im März 2016 bei B. eine unbekannte Menge Marihuana. Ausserdem betei- ligte sich der Beschuldigte an Verhandlungen über die Einfuhr einer unbekannten Menge Kokain aus Brasilien, welche zumindest im Mehrkilobereich lag.

      Bei der relevanten Betäubungsmittelmenge handelt es sich somit um eine unbe- kannte Menge Marihuana und eine Menge von 966 Gramm reinem Kokain (69% von 1.400 Gramm Kokaingemisch). Zudem ist mit Bezug auf die Beteiligung an einer Einfuhr von einer unbekannten Menge Kokain im Mehrkilobereich auszuge- hen.

    9. Rechtliche Würdigung

      Die rechtliche Würdigung der erstellten Sachverhalte durch die Staatsanwalt- schaft und die Vorinstanz trifft zu und wird durch die Verteidigung auch nicht in Frage gestellt (Urk. 30 S. 1 ff.; Urk. 73 S. 1 ff.). Der Beschuldigte hat sich mithin – Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründe liegen keine vor – durch den Ko- kainhandel der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäu- bungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, d und g BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig gemacht. Indem er bei B. eine un- bekannte Menge Marihuana bestellte, hat er sich zudem des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit lit. g BetmG strafbar gemacht. Es kann ergänzend auf die ausführlichen Erwä- gungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 56 ff.; Art. 82 Abs. 4 StPO).

  3. Drohung zum Nachteil von AC.

    (Dossier 2)

    1. Erstellt (Urk. 52 S. 58 ff.) und unbestritten (Urk. 30 S. 44) ist, dass der Beschuldigte seiner ehemaligen Lebenspartnerin, der Privatklägerin, mit der er zwei minderjährige Kinder hat und bis zur Trennung am 4. Juli 2018 einen gemeinsa- men Haushalt geführt hat, am 19. September 2018 an seinem Wohnort mit sei- nem Mobiltelefon eine Textnachricht mit folgendem Inhalt schickte: (…) Aber du musst Gott danken du verlogenes Stück Dreck das du die letzten 1 ½ Jahre nicht unter der Erde gelandet bist! Nur weil ich die Kinder nicht an eine Pflegefamilie überlassen wollte! 10 Jahre für mich für so eine miese Hure wie Dich im Gefäng- nis wäre kein Problem nur wegen die Kinder bist du noch da!!!.

      Die Vorinstanz sah es zudem als erstellt an, dass die Privatklägerin sich aufgrund dieser Nachricht davor gefürchtet habe, dass der Beschuldigte sie töten könnte. Der Beschuldigte habe gewusst, dass diese Textnachricht geeignet gewesen sei, die Privatklägerin in Angst und Schrecken zu versetzen und ihr Sicherheitsgefühl erheblich zu beeinträchtigen, was er auch gewollt habe.

      Der Beschuldigte bestreitet nicht, diese Textnachricht verfasst zu haben. Er stellt sich indes auf den Standpunkt, dass es sich dabei nicht um eine (Todes)-Drohung

      handle. Die Privatklägerin sei von ihrem Freund angewiesen worden, häusliche Gewalt zu erfinden, damit das Migrationsamt bewillige, dass sie hier bleiben kön- ne (Urk. D1/2/10 S. 2; Urk. 28 S. 10 f.).

      Die Verteidigung macht geltend, dass in der Textnachricht – wenn auch auf subti- le Art und Weise – gesagt werde, dass der Beschuldigte die Privatklägerin gerade nicht umbringen werde. Die Privatklägerin habe sich denn auch nicht bedroht ge- fühlt und auch keine Angst vor dem Beschuldigten gehabt. Ausserdem sei auch kein Vorsatz gegeben. Aus dem Gesamtkontext der Nachricht gehe hervor, dass es dem Beschuldigten mit der Nachricht einzig darum gegangen sei, die Privat- klägerin zu beleidigen und herabzusetzen, und nicht ihr zu drohen (Urk. 30

      S. 44 f.; Urk. 73 S. 49 f.).

    2. Hinsichtlich der theoretischen Ausführungen zu den Tatbestandsvorausset- zungen einer Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB kann zunächst auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 59 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Nach Art. 180 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt. Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass der Drohende seinem Opfer ein künftiges Übel ankündigt oder in Aussicht stellt. Erforderlich ist ein Verhalten, das geeignet ist, die geschädigte Person in Schrecken oder Angst zu versetzen. Dabei ist grundsätzlich ein objekti- ver Massstab anzulegen, wobei in der Regel auf das Empfinden eines vernünfti- gen Menschen mit einigermassen normaler psychischer Belastbarkeit abzustellen ist. Zudem ist erforderlich, dass die betroffene Person durch das Verhalten des Täters tatsächlich in Schrecken oder Angst versetzt wird (SJZ 63 [1967] Nr. 180; PK StGB-TRECHSEL/MONA, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018 Art. 180 N 3). Der sub- jektive Tatbestand verlangt Vorsatz, mindestens Eventualvorsatz. Nicht erforder- lich ist, dass der Täter das Opfer mit dem Tode bedroht oder das in Aussicht ge- stellte Übel genau beschreibt (Urteile des Bundesgerichts 6B_1338/2015 vom

      11. Oktober 2016 E. 2.3 mit Hinweisen und 6B_758/2018 vom 24. Oktober 2019

      E. 3.1).

    3. Mit der verwendeten Formulierung droht der Beschuldigte der Privatklägerin in objektiver Hinsicht Nachteile an. So sind die Formulierung, dass sie Gott danken könne, dass sie nicht unter der Erde gelandet sei sowie der Hinweis, dass 10 Jahre Gefängnis kein Problem wären, wenn sie dafür tot wäre, ohne Weiteres geeignet, einen vernünftigen Menschen zu beunruhigen. Entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 30 S. 44) ist der Hinweis, dass die Privatklägerin nur dank

      den Kindern noch leben würde, nicht in dem Sinne aufzufassen, dass daraus her- vorgehen würde, dass er sie gerade nicht umbringen würde. Indes ist der Vertei- digung darin zuzustimmen, dass der Beschuldigte gegenüber der Privatklägerin keine direkte Drohung ausspricht.

      Nicht erstellen lässt sich entgegen den Ausführungen der Vorinstanz, dass die Privatklägerin sich durch diese Textnachricht tatsächlich bedroht fühlte und in Angst und Schrecken versetzt wurde. So suchte sie zwar am Tag nach Erhalt der Mitteilung die Polizei auf, wollte indes nicht an jenem Tag befragt werden, wes- halb die Einvernahme auf den 27. September 2018 verschoben wurde

      (Urk. ND 2/1 S. 3 und ND 2/4 S. 2). Wäre die Privatklägerin tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt worden, so ist davon auszugehen, dass sie gleich Aussa- gen bei der Polizei gemacht hätte. Zudem schilderte sie anlässlich der polizeili- chen Einvernahme vom 27. September 2018 zunächst von sich aus auf die Fra- ge, was sie dem Beschuldigten vorwerfe, dass er ihr an dem Tag, als sie ihn ver- lassen habe, beim Bahnhof AD. ins Gesicht geschlagen habe. Erst auf die Nachfrage ergänzte sie, dass er ihr viele SMS mit schlechten Wörtern und Sätzen geschrieben habe, sie wisse aber nicht genau…. Sie wolle nichts mehr von ihm hören und mit ihm Schluss machen (Urk. ND 2/4 S. 2). Bei einer eingetretenen Angst oder einem Schrecken werden notorischerweise die auslösende Tat und die ausgelösten Gefühle zuerst angesprochen, da diese ja das Sicherheitsgefühl der betroffenen Person beeinträchtigen. Dies war gerade nicht der Fall, hatte die Privatklägerin doch den Schlag ins Gesicht, welcher zudem nicht stark gewesen sei und daher erfolgt sei, weil die Privatklägerin nicht mit dem Beschuldigten re- den wollte (Urk. ND 2/4 S. 4), von sich aus und als erstes genannt. Erst nach län- ger dauernder Einvernahme und auf ausdrückliche Nachfrage hin zeigte sie dann die fragliche Textnachricht. Weiter sagte die Privatklägerin zwar, dass sie Angst gehabt habe, als sie die Nachricht erhalten habe. Auf die Frage, wovor sie Angst gehabt habe, antwortete sie aber, sie habe Angst, dass er zu ihr komme, weil sie

      die Nachricht nicht beantwortet habe. Damit schilderte sie ausdrücklich keine Angst um ihre Gesundheit oder ihr Leben, zudem wäre ein Nichtbeantworten ei- ner Nachricht objektiv auch kein Grund, deswegen einen ernsthaften Nachteil be- fürchten zu müssen. Erst auf erneutes Nachfragen führte sie aus, dass sie zwar nicht genau wisse, was sie vom Beschuldigten zu befürchten habe, aber viel- leicht bringe er sie um. Als sie dann konkret gefragt wurde, ob sie Angst um ihr Leben habe, antwortete sie mit ja. Diese Aussage erfolgte somit nicht von sich aus. Es besteht daher der Eindruck, dass die Privatklägerin aufgrund der erhalte- nen Textnachricht nicht in Angst und Schrecken versetzt wurde und die entspre- chenden Aussagen ausschliesslich aus dem Grund machte, weil sie wiederholt und nachdrücklich danach gefragt wurde. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Ant- wort auf die Frage, was sie denn von der Polizei erwarte, auf welche sie deponier- te, dass ein wichtiger Punkt sei, dass der Beschuldigte aufhören solle, bei ihr vor- bei zu kommen und zu klingeln (Urk. ND 2/4 S. 5). Wenn sie tatsächlich Angst vor dem Beschuldigten gehabt hätte, wäre die Frage nach einem eigenen Schutz durch die Polizei oder eine Überwachung des Beschuldigten die naheliegendere Antwort gewesen. Später in der Befragung wurde sie noch einmal gefragt, wes- halb sie Angst gehabt habe und dann führte sie aus, dass sie eigentlich keine Angst gehabt habe, aber sie habe nichts mehr von den Problemen des Beschul- digten hören wollen. Eigentlich habe der Beschuldigte sie nicht bedroht, sie möch- te einfach bei der Polizei Meldung erstatten. Wenn später etwas passieren sollte, habe die Polizei Kenntnis davon (Urk. ND 2/4 S. 6). Der einvernehmende Beamte machte zudem im Rapport die Anmerkung, dass die Privatklägerin ihm gegenüber nicht den Eindruck gemacht habe, durch irgendetwas verängstigt zu sein (Urk. ND 2/1 S. 4). Aus diesen gesamten Umständen und den gemachten Aussagen lässt sich somit kein in Angst und Schrecken versetzen der Privatklägerin erstellen.

      Auch aus der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 27. November 2019 lässt sich nichts anderes ableiten. So erklärte die Privatklägerin zu Beginn der Einvernahme, dass sie wolle, dass der Beschuldigte aus dieser Sache etwas lerne (Urk. D1/3/5 S. 3). Eine solche Aussage erscheint doch sehr ungewöhnlich in einem Fall, wo es darum geht, dass man in Angst und Schrecken versetzt wor- den sein soll. Von sich aus schilderte sie denn auch keine Drohung. Sie wurde

      nämlich zu Beginn gefragt, ob sie mit eigenen Worten schildern könne, was in der Nachricht stehe, worauf sie ausführte, dass sie mehrheitlich das meiste verges- sen habe. Sie sei beleidigt worden, u.a. als verdammte Hure. Sie habe es so verstanden, dass sie eine unsaubere, ungepflegte Person und eine schlechte Mutter sei. Auf Nachfrage führte sie zudem aus, dass sie ein schlechtes Gefühl bekommen habe. Der Beschuldigte habe geschrieben, als ob sie kein Mensch sei und er habe ihr keinen Respekt entgegen gebracht (Urk. D1/3/5 S. 4). Auf den konkreten Vorhalt hin, ob sie aufgrund dieser Nachricht Angst bekommen habe oder erschrocken sei, führte sie aus, dass sie grosse Angst bekommen habe. Und auf die Frage, wovor sie Angst gehabt habe, erläuterte sie, sie habe grosse Angst gehabt, dass sie keinen Kontakt mehr zu den Kindern haben könne. Erst nach- dem mit ihr die relevanten Passagen aus der Textnachricht angeschaut wurden, führte die Privatklägerin aus, dass sie Angst gehabt habe, dass der Beschuldigte sie begräbt oder tötet und sie dies ernst genommen habe. Relativierend ergänzte sie dann aber, dass sie – so wie sie den Beschuldigten kenne – nicht davon aus- gehe, dass er so etwas tun würde, auch aufgrund der Kinder (Urk. D1/3/5 S. 4 f.). Es fällt somit auf, dass die Privatklägerin nicht von sich aus Drohungen erwähnt oder dass sie davon in Angst und Schrecken versetzt worden sein soll, sondern erst auf konkretes Nachfragen hin. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Beleidigung als Hure und dem mangelnden Respekt ihr gegenüber.

    4. Insgesamt verbleiben somit nicht überwindbare Zweifel daran, dass die Pri- vatklägerin durch die Mitteilung vom 19. September 2018 tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt wurde. Da auch der Inhalt dieser Nachricht keine direkte Dro- hung enthält und der Beschuldigte konstant bestritt, der Privatklägerin damit ge- droht haben zu wollen – mithin auch kein Versuch nachgewiesen werden kann – ist der Beschuldigte vom Vorwurf der Drohung im Sinne vom Art. 180 StGB frei- zusprechen.

IV. Strafzumessung

  1. Vorbemerkungen

    1. Die Vorinstanz fällte für die Betäubungsmitteldelikte eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus sowie hinsichtlich der Beschimpfung eine Geldstrafe aus. Wie hoch sie letztere im Sinne einer (hypothetischen) Einsatzstrafe ansetzte, lässt sich der Begründung nicht entnehmen, asperiert zur Drohung erachtete die Vorinstanz eine Strafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 10.– als angemessen (Urk. 52

      S. 69 f.). Da einzig der Beschuldigte Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil erhoben hat, fällt aufgrund des Verschlechterungsverbotes eine strengere Bestra- fung von vornherein ausser Betracht (Verbot der reformatio in peius; Art. 391 Abs. 2 StPO). Die Vorinstanz hat die Grundsätze, nach welchen eine Strafe zu- zumessen ist sowie die entsprechenden Strafrahmen, innerhalb welcher die Stra- fen festzulegen sind, richtig dargestellt sowie zutreffend festgehalten, dass vorlie- gend für die Betäubungsmitteldelikte das vor dem Inkrafttreten des neuen Sankti- onenrechts per 1. Januar 2018 geltende Recht zur Anwendung gelangt, wobei die Frage im vorliegenden Fall ohne praktische Relevanz ist. Bei der Beschimpfung kommt, da die Tat nach dem 1. Januar 2018 begangen wurde, das neue Sanktio- nenrecht zur Anwendung (Urk. 52 S. 62 ff.).

    2. Im Rahmen der Strafzumessung ist gemäss der bundesgerichtlichen Recht- sprechung zunächst für jedes Delikt innerhalb seines jeweiligen Strafrahmens ei- ne Einzelstrafe (zumindest anhand der jeweiligen Tatkomponenten) festzulegen. Diese Einzelstrafen sind dann – soweit sie gleichartig ausfallen – erst in einem zweiten Schritt gegebenenfalls zu (einer oder mehreren) Gesamtstrafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Bei der Gesamtstrafenbildung ist sodann jeweils von der für die schwerste Tat (pro Strafart) festgelegten Einzel- strafe als Einsatzstrafe auszugehen und diese ist dann für die übrigen Einzelstra- fen (derselben Strafart) unter Beachtung des Asperationsprinzips angemessen zu erhöhen, so dass die Gesamtstrafe höher ausfällt als die Einsatzstrafe, aber tiefer als die Summe der verwirkten Einzelstrafen. Zudem darf die Gesamtstrafe nicht tiefer ausfallen als die höchste gesetzliche Mindeststrafe aller daran beteiligten Strafrahmen (vgl. BGE 144 IV 217 E. 3.5.1 ff. und E. 4).

    3. Bei Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz reicht der Strafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann (Art. 19 Abs. 2 BetmG). Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 19 Abs. 1 BetmG). Bei der Beschimpfung ist die Sanktion Geldstrafe bis 90 Tagessätze (Art. 177 StGB).

    4. Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässig- keit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein sozia- les Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen. Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Frei- heit der Betroffenen eingreift bzw. die sie am wenigsten hart trifft (BGE 138 IV 120

      E. 5.2; BGE 134 IV 97 E. 4.2.2; BGE 134 IV 82 E. 4.1). In Bezug auf Delikte, die

      bei entsprechender Verschuldensbewertung die Bestrafung mit einer Geldstrafe zulassen, regelt Art. 41 StGB, unter welchen Voraussetzungen dennoch (bedingte und unbedingte) Freiheitsstrafen in Betracht kommen (HEIMGARTNER, in: Do- natsch/Heimgartner/Isenring/Weder [Hrsg.], Kommentar zum StGB, 20. Aufl. 2018, Art. 41 N 1), nämlich namentlich dann, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Diese Voraussetzung ist vorliegend mit Bezug auf das Vergehen gegen das Be- täubungsmittelgesetz erfüllt. Der Beschuldigte ist diesbezüglich einschlägig vor- bestraft (Urk. 53). Er hat sich von der ausgefällten bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten von der weiteren Delinquenz nicht abhalten lassen. Die Ausfällung einer Geldstrafe für das Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz kommt da- her aus spezialpräventiven Gründen auch dann nicht mehr in Frage, wenn dies aufgrund der Verschuldensbewertung im Einzelfall theoretisch noch möglich wäre.

    5. Aussergewöhnliche Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen, den or- dentlichen Strafrahmen zu verlassen, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_475/2011 vom 30. Januar 2012 E. 1.4.4). Insbesondere liegt beim Beschuldigten auch keine die Schuldfähigkeit vermindernde Betäu- bungsmittelabhängigkeit vor. Strafschärfungsgründe sind innerhalb des ordentlichen Strafrahmens straferhöhend und Strafmilderungsgründe strafmindernd zu berücksichtigen (BGE 116 IV 300 E. 2a). Es ist folglich für die Betäubungsmittel- delikte eine Gesamtfreiheitsstrafe im Rahmen des ordentlichen Strafrahmens von nicht unter einem bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe zu bemessen. Für die Beschimpfung ist von Gesetzes wegen eine Geldstrafe auszufällen.

    6. Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es be- rücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf dessen Leben (Art. 47 Abs. 1 StGB). Der Begriff des Verschuldens muss sich auf den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat beziehen. Zu unterscheiden ist zwischen Tat- und Täterkomponente. Als Grad- messer für die objektive Tatschwere dient das Mass der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts. Es lässt sich am Ausmass des verschulde- ten Erfolges hinsichtlich Deliktsbetrag, Gefährdung, Sachschaden etc. sowie an- hand der Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolges, der Willensrichtung, mit der der Täter gehandelt hat, und dessen Beweggründe bemessen. Weiter be- deutsam sind das Mass der Entscheidungsfreiheit beim Täter und die Intensität seines deliktischen Willens. Je leichter es für den Täter gewesen wäre, die ver- letzte Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen diese (HEIMGARTNER, in: Donatsch/Heimgartner/Isenring/Weder, Kommentar StGB,

      20. Aufl. 2018, Art. 47 N 6 ff.; WIPRÄCHTIGER/KELLER, in: Basler Kommentar StGB,

      4. Aufl. 2019, Art. 47 N 85; TRECHSEL/THOMMEN, in: Trechsel/Pieth, Schweizeri-

      sches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 47 N 17 ff.).

    7. Im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts darf der Drogenmenge und der daraus resultierenden Gefährdung bei der Bemessung der Strafe keine vorrangi- ge Rolle zukommen (BGE 118 IV 342 ff.; BGE 121 IV 202 E. 2d/cc; Urteil des Bundesgerichts 6B_558/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3.2). Es wäre ver- fehlt, im Sinne eines Tarifs überwiegend oder gar allein auf dieses Kriterium ab- zustellen. Falsch wäre aber auch die Annahme, diesem Strafzumessungselement komme eine völlig untergeordnete oder gar keine Bedeutung zu. Es ist nicht ne- bensächlich, ob jemand mit 20 oder 200 Gramm einer gefährlichen Droge han- delt. Der Reinheitsgrad der Betäubungsmittel kann für das Verschulden von Bedeutung sein. Handelt der Täter wissentlich mit ausgesprochen reinen Drogen, ist das Verschulden schwerer, handelt er wissentlich mit besonders stark gestreckten Drogen, ist es leichter (BGE 122 IV 299). Steht indes nicht fest, dass der Beschuldigte ein ausgesprochen reines oder besonders stark gestrecktes Betäu- bungsmittel liefern wollte, spielt der genaue Reinheitsgrad für die Gewichtung des Verschuldens und bei der Strafzumessung keine Rolle. Die genaue Betäubungs- mittelmenge und gegebenenfalls ihr Reinheitsgrad verlieren zudem an Bedeu- tung, wenn mehrere Qualifikationsgründe gemäss Art. 19 Ziff. 2 BetmG gegeben sind, und sie werden umso weniger wichtig, je deutlicher der Grenzwert im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG überschritten ist (BGE 121 IV 193). Die objektive Tatschwere bestimmt sich bei Drogendelikten neben der erwähnten Drogenmen- ge (BGE 121 IV 202) und der daraus folgenden Gesundheitsgefährdung nament- lich auch nach der Art und Weise der Tatbegehung, seiner Funktion im Betäu- bungsmittelhandel, der Willensrichtung, mit welcher der Täter gehandelt hat, und den Beweggründen (BGE 118 IV 348). Massgebend sind dabei unter anderem die Häufigkeit und Dauer der deliktischen Handlungen, die aufgewendete persönliche Energie, das gezeigte kriminelle Engagement, die hierarchische Stellung sowie die Grösse der erzielten oder angestrebten Gewinne. Daneben kommt es darauf an, wie der Täter mit der Droge in Kontakt gekommen ist und was er mit dieser gemacht hat (HUG-BEELI, Betäubungsmitteldelikte 1983-1991, Zürich 1992,

      S. 429 f., 436 und 438). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts trifft bei- spielsweise den Transporteur einer bestimmten Drogenmenge grundsätzlich ein geringeres Verschulden als denjenigen, der diese Betäubungsmittelmenge ver- kauft oder zum Zwecke des Weiterverkaufs erwirbt (WIPRÄCHTIGER/KELLER, in: Basler Kommentar StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 47 N 93 f.; BGE 121 IV 206). Weiter beachtlich ist auch eine allfällige Drogenabhängigkeit des Täters, ob er aus- schliesslich des Geldes wegen handelte, ohne sich in einer finanziellen Notlage zu befinden, oder ob er es ablehnt zu arbeiten, obwohl es ihm möglich wäre, und er es vorzieht, durch den Drogenhandel seinen Lebensunterhalt zu verdienen (BGE 107 IV 62 f.; BGE 118 IV 349). Daraus ergibt sich, dass nicht einem einzel- nen, der aufgeführten Kriterien für die Beurteilung des Verschuldens eine über- wiegende Bedeutung zukommt. Der Einbezug all dieser Kriterien und deren Gesamtwürdigung führt schliesslich zur Gewichtung der Tatschwere und des Ver- schuldens.

  2. Verbrechen und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz

    1. Bei der objektiven Tatschwere hinsichtlich des Verbrechens gegen das Be- täubungsmittelgesetz ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte insgesamt mit einer Drogenmenge von 966 Gramm reinem Kokain handelte bzw. dieses vermit- telte. Damit ist die Grenze für einen schweren Fall (18 Gramm Kokainhydrochlo- rid) um ein Vielfaches überschritten. Zudem ist dem Umstand, dass der Beschul- digte mit Kokain, mithin einer harten Droge mit unbestritten stark gesundheitsge- fährdender und abhängigkeitserzeugender Wirkung und damit einem hohen Ge- fährdungspotential, gehandelt bzw. dieses vermittelt hat, verschuldenserhöhend Rechnung zu tragen. Konkret hat der Beschuldigte einmal ein Kilogramm Kokain vermittelt und zu drei Zeitpunkten insgesamt 400 Gramm Kokain zum Weiterver- kauf erworben. Beim Erwerb handelte es sich jeweils mindestens um 100 Gramm und damit je für sich um eine Menge, welche die Grenze für einen schweren Fall massiv überschreitet. Der für sämtliches Kokain angenommene Reinheitsgehalt von 69% ist als üblich zu werten. Bei der Hierarchiestufe ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte das Kokain bezog und direkt weiterveräusserte. Zudem vermittelte er direkt einen Kokainkauf bzw. -verkauf. Er war nicht von Weisungen abhängig und verfügte über eine grosse Entscheidungsfreiheit. Weiter war er auf eigene Rechnung tätig, musste mithin nicht über seine Gewinne Rechenschaft ablegen. Damit ist seine Funktion auf der mittleren Hierarchiestufe anzusiedeln. Dem Beschuldigten konnten insgesamt vier Kokaingeschäfte nachgewiesen wer- den, womit vom einem gelegentlichen Handeln auszugehen ist. Angesichts der erheblichen Mengen ist indes dieses vereinzelte Handeln nicht verschuldensmin- dernd zu werten, setzte der Beschuldigte doch mit wenigen Handlungen sehr grosse Mengen Kokain um und erzielte dabei äusserst hohe Gewinne. Zudem zeigte er ein sehr professionelles Vorgehen, wurden die Treffen bzw. Übergaben doch sorgfältig geplant. Der Beschuldigte wusste und achtete zudem darauf, dass im Auto keine verfängliche Kommunikation geführt wurde und verwendete – statt des einfach zu überwachenden Mobiltelefons – eine Telefonkabine. Dennoch ist

      zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte den Betäubungsmittelhandel – soweit ihm dieser nachgewiesen wurde – nicht intensiv betrieb. Eine Gewerbsmässigkeit wird ihm denn auch zu Recht nicht vorgeworfen. Angesichts der insgesamt sehr hohen Menge ist auch mit Blick auf die wenigen Vorgänge mit der Vorinstanz (Urk. 52 S. 67) von einem nicht mehr leichten Verschulden auszugehen. Beim subjektiven Verschulden fällt das Handeln ausschliesslich aus rein finanziellen und egoistischen Gründen ins Gewicht. Der Beschuldigte ist selber nicht süchtig und damit nicht in dem Sinne auf den Verdienst angewiesen, als dass er sich quasi seine eigene Sucht hätte finanzieren müssen. Es wäre ihm angesichts sei- ner Ausbildung ohne weiteres möglich gewesen, auf legalem Wege finanzielle Mittel zu erwirtschaften. Insgesamt vermag das subjektive Verschulden das objek- tive Verschulden somit nicht zu relativieren. Wenn die Vorinstanz die Einsatzstrafe auf 3 Jahre und 3 Monate ansetzte, so ist dies angesichts der Drogenmenge und der Hierarchiestufe als zu milde zu werten. Es kann hierzu auf FINGER- HUTH/SCHLEGEL/JUCKER verwiesen werden, welche bei dieser Kokainmenge eine Strafe von ca. 42 Monaten und selbst bei einer unteren/mittleren Hierarchiestufe eine Strafe von 3-5 Jahren vorsehen (BetmG Kommentar- FINGERHUTH/SCHLEGEL/JUCKER, 3. Aufl. 2016, Art. 47 StGB N 32 und N 45). Auch

      wenn – wie eingangs erwähnt – die Betäubungsmittelmenge nicht das alleinige Kriterium darstellt, so ist diese sowie die Hierarchiestufe doch angemessen zu gewichten. Angesichts sämtlicher Umstände rechtfertigt sich eine höhere (hypo- thetische) Einsatzstrafe von mindestens 3 ½ Jahren.

    2. Beim Anstaltentreffen zu einer Kokaineinfuhr ist zum objektiven Tatverschul- den auszuführen, dass zwar die im Mehrkilobereich liegenden Menge straferhö- hend, indes das Anstaltentreffen verschuldensmindernd zu werten ist, kam es doch nicht zu einer entsprechenden Kokaineinfuhr. Zudem handelt es sich um ei- nen Einzelfall. Insgesamt ist das Verschulden als nicht mehr leicht zu werten und die (hypothetische) Einsatzstrafe auf 9 Monate bzw. 270 Tagessätze Geldstrafe festzulegen, wobei aus spezialpräventiven Gründen – wie schon ausgeführt – ausschliesslich die Ausfällung einer Freiheitsstrafe in Betracht kommt. Diese Er- wägungen erfahren auch von subjektiver Seite her keine Relativierung, handelte der Beschuldigte doch auch hier aus rein egoistischen und finanziellen Motiven.

      Zudem bestellte der Beschuldigte einmalig bei B. eine unbekannte Menge Marihuana, wobei eine Übergabe nicht nachgewiesen wurde. Zu diesem Vorgang kann festgehalten werden, dass diese Bestellung im Vergleich zu den übrigen De- likten nur unwesentlich ins Gewicht fällt und daher bei der Strafzumessung ausser Acht gelassen werden kann.

      Zum Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz besteht ein enger sachli- cher, persönlicher sowie zeitlicher Zusammenhang. Es rechtfertigt sich somit eine Asperation um 3 Monate, womit die Einsatzstrafe um 6 Monate zu erhöhen ist.

  3. Beschimpfung

    Betreffend die Beschimpfung hat die Vorinstanz sowohl das objektive als auch das subjektive Verschulden als leicht gewertet (Urk. 52 S. 69). Dem kann in ob- jektiver Hinsicht nicht gefolgt werden, sind die Bezeichnungen dreckige Ratten- hure, du dreckiger verdorbener Abfall von einer Zigeunerhure, du stinkige kambodschanische lausige Hure, du stinkende Schwanzlutscherin sowie du verdorbener stinkender Abfall, dreckige stinkige Hure, du massiv entwürdigend. Sie werten die Privatklägerin als Frau ab, indem sie sie als Prostituierte der un- tersten Stufe bezeichnen; diese Abwertung wird durch die weiteren verwendeten Worte wie dreckig, Ratte und stinkend noch verstärkt. Der Privatklägerin wird zudem die Würde als Mensch abgesprochen, indem sie als Abfall, verdorben etc. bezeichnet wird. Dass es sich dabei um eine Textnachricht und nicht um gespro- chene Worte handelt, verstärkt den Effekt, bleiben geschriebene und gesendete Worte doch für längere Zeit bestehen. Zudem wurde der Beschuldigte zu diesen Äusserungen nicht provoziert. In subjektiver Hinsicht ist keine Relativierung vor- zunehmen, da der Beschuldigte zwar wohl aus Eifersucht, Wut und aufgrund von verletzter Männlichkeit gehandelt hat, solch eine Wortwahl indes durch diese Ge- fühle keine Rechtfertigung erfährt. Das Verschulden ist daher als sicher nicht mehr leicht zu werten. Es rechtfertigt sich hier eine (hypothetische) Einsatzstrafe von 40 Tagessätzen.

  4. Täterkomponente

    1. Persönliche Verhältnisse

      In Bezug auf die persönlichen Verhältnisse wiederholte der Beschuldigte an der Berufungsverhandlung im Wesentlichen seine bereits vor Vorinstanz deponierten Aussagen (Prot. II S. 7 ff.). Zum Vorleben und zu den persönlichen Verhältnissen kann daher ergänzend auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 52 S. 68 f.). Der Beschuldigte kam im Jahr 1980 mit seinen Eltern und sei- ner Schwester in die Schweiz. Später besuchte er in Deutschland das Gymnasi- um und schloss im Jahr 1987 eine Lehre als Heizungsplaner ab. Danach arbeitete er auf diesem Beruf und machte sich in der Folge selbständig, u.a. war er auch im Buchhaltungs- und Treuhandwesen sowie zuletzt im Neubaufinanzierungsseg- ment tätig. Er habe einen Provisionsvertrag mit einem Family Office, wobei er bis- her nichts verdient habe und vom Sozialamt unterstützt wurde. Er verfügt weder über Einkommen noch Vermögen (Urk. D1/11/2), indes über Schulden (vgl. den Betreibungsregisterauszug aus dem Jahr 2018, beigeheftet an Urk. D1/11/3). Gemäss seinen Aussagen anlässlich der Berufungsverhandlung arbeite er nach wie vor auf Provisionsbasis im Bereich der Vermittlung von Finanzierungen für Neubauten. Er verdiene durchschnittlich Fr. 1'000.– und werde zu 50% von der Sozialhilfe unterstützt (Prot. II S. 10). Der Beschuldigte ist ledig und Vater von zwei Kindern im Alter von 14 und 17 Jahren. Von der Mutter der Kinder, der Pri- vatklägerin, habe er sich getrennt und erziehe nun die Kinder alleine, wobei er mit der KESB, der Beiständin etc. in Abklärungen stehe. Die Privatklägerin bezahle keine Alimente (Urk. D1/2/11 S. 29 f.; Urk. 28 S. 2 ff.). Im Berufungsverfahren reichte er die Verfügungen der KESB der Stadt Zürich vom 21. Dezember 2021 ein, womit die Kinder unter die alleinige elterliche Sorge des Beschuldigten ge- stellt wurden (Urk. 74/3). Zu den Kindern führte er aus, die Tochter sei aktuell im Zukunftsjahr, also im 10. Schuljahr. Seit 3 Jahren werde sie von einer Psycholo- gin betreut. Sie habe Defizite in der Entwicklung ihres Sozialverhaltens. Deshalb seien sie etwas mit dem Jugendamt und der IV am aufgleisen. Der Sohn sei am Anfang seiner Pubertät und gesund. Er sei derzeit in der 2. Sekundarstufe (Prot. II

      S. 13). Weiter führte er zu seinen Eltern aus, dass sie schwer pflegebedürftig seien. Sein Vater habe kurz nach seiner Verhaftung einen Hirnschlag erlitten und sei schwer dement. Seine Mutter habe aufgrund von Osteoporose einen Wirbelbruch erlitten, weshalb sie vor Kurzem habe operiert werden müssen (Prot. II S. 12).

      Anhaltspunkte für eine erhöhte Strafempfindlichkeit sind – entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 73 S. 52 ff.) – keine ersichtlich. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass die Verbüssung einer Freiheitsstrafe für jeden in ein familiäres Umfeld eingebetteten Täter mit einer gewissen Härte verbunden ist. Ei- ne erhöhte Strafempfindlichkeit ist daher nur bei aussergewöhnlichen Umständen zu bejahen ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_18/2022 vom 23. Juni 2022 E. 2.6.1 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_301/2019 vom

      17. September 2019 E. 1.4.1). Aussergewöhnliche Umstände, die das durch- schnittliche Mass übersteigen, sind beim Beschuldigten nicht gegeben. Daran än- dert auch die Trennung von seinen Kindern und Eltern aufgrund des Gefängnis- aufenthalts nichts. Dies ist eine zwangsläufige, unmittelbare gesetzmässige Folge des Vollzugs einer Freiheitsstrafe. Der Beschuldigte hätte sich den Konsequen- zen der Freiheitsstrafe auf seine familiären Verpflichtungen bereits im Zeitpunkt seiner Tat bewusst sein müssen. Die persönlichen Verhältnisse und das Vorleben des Beschuldigten bleiben somit insgesamt zumessungsneutral.

    2. Vorstrafe

      Die Beschuldigte wurde mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom

      28. Januar 2014 wegen Verbrechens gegen das Bundesgesetz über die Betäu- bungsmittel sowie wegen mehrfacher Übertretung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten mit einer Probezeit von 4 Jahren verurteilt (Urk. 53). Die Vorstrafe ist mit Bezug auf die Be- täubungsmitteldelikte einschlägig, wobei sich der Beschuldigte weder von der Hö- he der Strafe noch von dem ihm gewährten bedingten Vollzug vom weiteren De- linquieren abhalten liess. Er delinquierte zudem während laufender Probezeit. Es rechtfertigt sich daher – mit der Vorinstanz (Urk. 52 S. 68) – hinsichtlich dieser Delikte eine deutliche Straferhöhung um 9 Monate Freiheitsstrafe. Mit Bezug auf die Beschimpfung ist die Vorstrafe nicht einschlägig und daher nicht straferhö- hend zu berücksichtigen.

    3. Nachtatverhalten

      Der Beschuldigte ist bezüglich der Betäubungsmitteldelikte nicht geständig, wes- halb eine Strafminderung ausser Betracht fällt. Er sieht sich bis heute keiner Schuld bewusst (Urk. 28 S. 4; Prot. II S. 15 ff.). Mit Bezug auf die Beschimpfung liegt ein vollumfängliches Geständnis vor, indes wäre angesichts der Beweislage ein Bestreiten auch sinnlos gewesen. Es rechtfertigt sich somit eine Reduktion um 10 Tagessätze, womit eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen resultiert.

    4. Auszufällende Strafe

Aufgrund des Verschlechterungsverbotes (Verbot der reformatio in peius; Art. 391 Abs. 2 StPO) bleibt es bei der durch die Vorinstanz festgesetzten Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren. An die Freiheitsstrafe sind die erstandenen 168 Tage Haft anzu- rechnen (Art. 51 StGB).

Zudem ist der Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu bestra- fen. Die Vorinstanz hat unter Berücksichtigung der schlechten finanziellen Ver- hältnisse des Beschuldigten den Tagessatz ausnahmeweise auf Fr. 10.– festge- setzt (Urk. 52 S. 70), was zu bestätigen ist.

  1. Vollzug

    1. Bei einer ausgefällten Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren kommt die Gewährung des bedingten oder teilbedingten Vollzugs nicht in Frage (Art. 42 Abs. 1 und

      Art. 43 Abs. 1 StGB e contrario). Hingegen wäre bei der ausgefällten Geldstrafe in objektiver Hinsicht der bedingte Strafvollzug grundsätzlich möglich. Denn das Ge- richt schiebt den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Ver- brechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Die ungünstige Prog- nose wird vermutet, wenn der Täter innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten verurteilt worden ist (vgl. Art. 42 Abs. 2 StGB).

    2. Vorliegend kann dem Beschuldigten in subjektiver Hinsicht keine günstige Legalprognose gestellt werden. So wurde er im Jahr 2014 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Er hat sich weder durch diese Verurtei- lung noch durch die in jenem Verfahren erstandene Untersuchungshaft vom wei- teren Delinquieren abhalten lassen. Er delinquierte zudem während der laufenden Probezeit. Daher kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte aus dem aktuellen Strafverfahren und seiner Verurteilung die nötigen Lehren ziehen wird.

    3. Sowohl die Freiheitsstrafe als auch die Geldstrafe sind daher zu vollziehen.

  2. Landesverweisung

    1. Die Vorinstanz verwies den Beschuldigten für 7 Jahre aus dem Gebiet der Schweiz (Urk. 52 S. 71 ff.).

    2. Die amtliche Verteidigung macht zusammengefasst geltend, der Beschuldig- te lebe seit seiner Kindheit – mithin seit rund 40 Jahren – in der Schweiz. Im Alter von 15 Jahren sei er in die Schweiz gekommen und habe den Grossteil seines Lebens hier verbracht. Er sei hier bestens integriert und spreche die Sprache per- fekt. Aufgrund seiner langen Anwesenheitsdauer sei seine Situation mit derjeni- gen eines Ausländers, der hierzulande geboren und aufgewachsen sei, nahezu identisch. Zu seinem Heimatland Ungarn habe er keinen Bezug mehr. Seine Fa- milienangehörigen würden – abgesehen von einem Cousin, zu welchem er jedoch kaum Kontakt habe, und einer Cousine – ausserhalb von Ungarn leben. Er reise auch nicht regelmässig nach Ungarn. Insofern wäre es für ihn schwierig, sich in Ungarn zu integrieren und dort Fuss zu fassen. Ausserdem seien seine beiden Kinder hier aufgewachsen und er sei deren einzige Bezugs- und Betreuungsper- son. Die Privatklägerin und Mutter der Kinder sei nicht in der Lage, sich um diese zu kümmern. Bei einem Landesverweis wären die Kinder auf sich alleine gestellt, was ihnen nicht zugemutet werden könne. Auch seien die Eltern des Beschuldig- ten in hohem Masse von ihm abhängig und es bestünde keine alternative Lösung für deren Unterstützung (Urk. 30 S. 47; Urk. 73 S. 55 f.).

    3. Gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB verweist das Gericht einen Ausländer, der wegen einem in lit. a bis o genannten Delikte verurteilt wird (Katalogtaten), un- abhängig von der Höhe der Strafe für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz. Die Lan- desverweisung greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 144 IV 332 E. 3.1.3). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1 und Urteil des Bundesgerichts 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.2.1). Es kann nach Art. 66a Abs. 2 StGB ausnahmsweise von der Landesverweisung abgesehen werden, wenn die- se für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten In- teressen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind. Erst wenn ein schwerer persönlicher Härtefall festgestellt wird, ist in einem nächsten Schritt das private Interesse des Beschul- digten am Verbleib in der Schweiz dem öffentlichen Interesse an der Landesver- weisung gegenüberzustellen (BUSSLINGER/UEBERSAX, Härtefallklausel und migra- tionsrechtliche Auswirkungen der Landesverweisung, Plädoyer 5/16, S. 102; sie- he auch Urteil des Bundesgerichts 6B_659/2018 vom 20. September 2018

      E. 3.3). Ob ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, beurteilt sich anhand von Kriterien wie bspw. die Anwesenheitsdauer, die familiären Verhältnisse, die Arbeits- und Ausbildungssituation, die Persönlich- keitsentwicklung, der Grad der Integration und die Resozialisierungschancen. Bei sämtlichen Aspekten ist der Fokus einerseits auf die Situation in der Schweiz und andererseits auf die Situation im Heimatland zu legen. Ein schwerer persönlicher Härtefall ist dann anzunehmen, wenn die Summe aller Schwierigkeiten den Be- troffenen derart hart trifft, dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrach- tung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Daseinsbedingungen führt. Ob ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtbetrach- tung zu eruieren. Dabei sind sämtliche härtefallbegründenden Aspekte zu berück- sichtigen und zu bewerten (BUSSLINGER/UEBERSAX, a.a.O., S. 101 f.). Es ist her- vorzuheben, dass die härtefallbegründenden Aspekte grundsätzlich den Betroffenen selbst treffen müssen. Bei Dritten auftretend sind sie nur zu berücksichtigen, wenn sie sich zumindest indirekt auch auf den Betroffenen auswirken (Urteil des Bundesgerichts 6B_1286/2017 vom 11. April 2018 E. 1.2 und E. 1.3.1). Ein Beschuldigter muss nachweisen, dass seine sozialen und beruflichen Bande zur Schweiz speziell intensiv sind, was deutlich über den Rahmen einer gewöhnlichen Integration hinausgeht (Urteil des Bundesgerichts 6B_598/2019 vom 5. Juli 2019

      E. 4.3.2). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann bei einer Härtefall- prüfung nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz angenommen werden. Die Anwendung von starren Altersvorgaben sowie die automatische Annahme eines Härtefalls ab einer bestimmten Anwe- senheitsdauer findet keine Stütze im Gesetz (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4 m.w.H.). Bereits bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder mehr (Zweijahresregel) bedarf es ausserordentlicher Umstände, damit das private In- teresse des Betroffenen an einem Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interes- se an einer Ausweisung überwiegt. Dies gilt grundsätzlich selbst bei bestehender Ehe mit einer Schweizerin und gemeinsamen Kindern (Reneja-Praxis, BGE 135 II 377 E. 4.4; Urteil des Bundesgerichts 2C_1062/2018 vom 27. Mai 2019 E. 2 ff.). Mit der am 1. Oktober 2016 in Kraft gesetzten Gesetzgebung zur strafrechtlichen Landesverweisung wurde diese bisherige ausländerrechtliche Ausschaffungspra- xis verschärft (BGE 145 IV 55 E. 4.3).

      Ein Härtefall lässt sich bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den An- spruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK gewährleistete Privat- und Familienleben annehmen. Unter dem Titel der Achtung des Privatle- bens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK genügen selbst eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration nicht. Erforderlich sind besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen be- ruflicher oder gesellschaftlicher Natur (BGE 144 II 1 E. 6.1; Urteile des Bundesge- richts 6B_186/2020 vom 6. Mai 2020 E. 2.3.2; 6B_1314/2019 vom 9. März 2020

      E. 2.3.6; 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.5.2). Das durch Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen. Intakte fa- miliäre Beziehungen zu in der Schweiz niedergelassenen Familienmitgliedern sind grundsätzlich als erhebliches privates Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz zu gewichten (Urteil des Bundesgerichts 6B_1299/2019 vom

      28. Januar 2020 E. 3.4.3; 2C_253/2015 vom 9. September 2015 E. 3.3.3). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemein- schaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. Andere familiäre Verhält- nisse fallen in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht. Hinweise für solche Beziehun- gen sind das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt, eine finanzielle Abhängigkeit, speziell enge familiäre Bindungen, regelmässige Kontakte oder die Übernahme von Verantwortung für eine andere Person (Urteil des Bundesgerichts 6B_177/2020 vom 2. Juli 2020 E. 2.4.3 mit Hinweisen). Eine normale familiäre emotionale Beziehung reicht nicht aus, um einen Aufenthaltsanspruch zu begrün- den (BGE 144 II 1 E. 6.6). Minderjährige Kinder teilen schon aus familienrechtli- chen Gründen regelmässig das ausländerrechtliche Schicksal der Eltern und ha- ben das Land gegebenenfalls mit diesen zu verlassen; für Kinder im anpassungs- fähigen Alter ist der Umzug in das Heimatland zumutbar (BGE 143 I 21 E. 5.4; Ur- teile des Bundesgerichts 6B_1299/2019 vom 28. Januar 2020 E. 3.4.5; 2C_234/2019 vom 14. Oktober 2019 E. 4.3.2). Ist bspw. die Ehefrau Schweizerin, sodass es den Kindern freisteht, in der Schweiz zu verbleiben, kann der Kontakt zum Betroffenen durch Kommunikationsmittel oder Besuche aufrecht erhalten werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_1299/2019 vom 28. Januar 2020 E. 3.4.5 f. m.w.H.). Allerdings ist dem Kindeswohl bei jeder Entscheidung Rechnung zu tra- gen (BGE 143 I 21 E. 5.5.1; Urteil des Bundesgerichts 2C_221/2019 vom 25. Juli 2019 E. 3.4), insbesondere wenn eine enge Eltern-Kind-Beziehung wegen der Distanz zwischen der Schweiz und dem Heimatstaat praktisch nicht aufrecht er- halten werden könnte (BGE 143 I 21 E. 5.2). Dieser Umstand lässt eine auslän- derrechtliche Wegweisung jedoch nicht bereits als unverhältnismässig erscheinen (BGE 143 I 21 E. 6.3.6). Das gilt umso mehr bei der als strafrechtliche Massnahme ausgestalteten Landesverweisung (dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.2).

      Insbesondere bei Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz zeigt sich das Bundesgericht hinsichtlich der Ausweisung zwecks Verhinderung neuer Straftaten zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit stets besonders streng. Auch ge- mäss der Praxis des EGMR, in welcher der Drogenhandel als Ausbreitung dieser Geissel der Menschheit bezeichnet wird, überwiegt bei Betäubungsmitteldelikten regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts, wenn keine besonderen persönlichen oder familiären Bindungen im Aufenthaltsstaat bestehen. Weder eine lange Aufenthaltsdauer und die damit verbundene normale Integration noch eine normale familiäre und emotionale Bindung reichen deshalb in der Regel aus, um eine besondere Härte und damit einen Aufenthaltsanspruch zu begründen (Urteile des Bundesgerichts 6B_34/2019 vom 5. September 2019 E. 2.4.3 f. m.w.H.; 6B_994/2020 vom 11. Januar 2021 E. 2.1.1).

    4. Bei der Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 BetmG handelt es sich um eine Katalogtat (Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB), womit der Beschuldigte als Staatsangehö- riger von Ungarn grundsätzlich obligatorisch des Landes zu verweisen ist.

    5. Der inzwischen 58-jährige Beschuldigte ist in AE. [Ort in Ungarn] ge- boren und wuchs dort zusammen mit seiner Schwester bei den Eltern auf. Er be- suchte sowohl die Primarschule als auch teilweise das Gymnasium in Ungarn. Erst 1980 flüchtete er (im Alter von 15 Jahren) mit seiner Familie in die Schweiz. Dann besuchte er das Gymnasium in AF. (Deutschland), wurde dort aber aus disziplinarischen Gründen von der Schule verwiesen (Prot. II S. 8; vgl. auch Urk. D1/11/3 Lebenslauf beigeheftet). Damit verbrachte er die prägenden Jahre seines Lebens, nämlich seine Kindheit und zumindest einen Grossteil seiner Ju- gend, in Ungarn. Entgegen der Ansicht der Verteidigung (Urk. 73 S. 55) ist seine Situation daher auch nicht nahezu mit derjenigen eines Ausländers, der hierzu- lande geboren und aufgewachsen ist, identisch. Von 1983 bis 1987 absolvierte er eine Lehre als Heizungszeichner in der Schweiz und arbeitete anschliessend auf dem erlernten Beruf. Zwischendurch war er auch als Aussendienstverkäufer eines Grosshandelsunternehmens tätig. Von 1997 bis 2002 arbeitete er als Leiter im

    Einkauf bei einer Firma in AE. . Anschliessend war er 2 bis 3 Jahre lang selbständig als Lederwarenimporteur tätig und danach nochmals 2 Jahre lang als Aussendienstverkäufer. Schliesslich war er noch Geschäftsführer bei der Immobi- lienfirma AG. AG, bis diese 2010 Konkurs ging. In der Folge war er eine Zeit lang arbeitslos und von der Sozialhilfe abhängig. Nach erfolgloser Stellensu- che entschloss er sich, sich wieder selbständig zu machen im Bereich Buchhal- tung und gründete hierfür die Einzelfirma AH. . Gemäss seinen Angaben in der polizeilichen Einvernahmen vom 20. Februar 2018 habe seine selbständige Tätigkeit im Januar 2018 geendet (Urk. D1/2/1 S. 2). Den bei den Akten liegenden Steuerunterlagen ist jedoch zu entnehmen, dass er von 2014 bis 2018 kein Ein- kommen erwirtschaftet hat (Urk. D1/11/2). Seinen Angaben zufolge sei er zwar seit Februar 2020 auf Provisionsbasis im Bereich der Vermittlung von Finanzie- rungen für Neubauten tätig. Damit verdiene er aktuell aber durchschnittlich ledig- lich Fr. 1'000.–. Im Übrigen müsse er vom Sozialamt unterstützt werden (Prot. II

    S. 10). Auf diese finanzielle Unterstützung ist er nun schon seit 2018 angewiesen (vgl. Urk. D1/2/1 S. 2 und Urk. D1/11/3 S. 1). Somit fällt auf, dass der Beschuldig- te nachgewiesenermassen zumindest in der jüngsten Vergangenheit massiv von der Sozialhilfe unterstützt werden musste. Weiter hat er gemäss seinem Betrei- bungsregisterauszug vom 15. Mai 2018 Verlustscheine von über Fr. 117'000.– (beigeheftet an Urk. D1/11/3). Anlässlich der Berufungsverhandlung gab er an, Schulden in der Höhe von ca. Fr. 140'000.– zu haben (Prot. II S. 11). Von einer beruflichen und wirtschaftlichen Integration in der Schweiz kann somit keine Rede sein.

    Nebst seiner langjährigen Sozialhilfeabhängigkeit ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte einige Zeit seiner langen Aufenthaltsdauer in der Schweiz im Ge- fängnis verbracht hat: Erstmals wurde er hier im Januar 1994 verhaftet und be- fand sich hernach über ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Sodann war er von August 1996 bis Februar 1997 erneut inhaftiert. Weiter verbrachte er die Zeit von Juli 2003 bis September 2005 im Strafvollzug. Bemerkenswert ist in diesem Zu- sammenhang, dass dieser Strafvollzug erst deshalb so spät erfolgte, weil der Beschuldigte bis 2003 auf der Flucht war und aufgrund dessen im August 1999 zur Verhaftung ausgeschrieben werden musste (vgl. beigezogene Migrationsakten

    S. 238 und S. 284 ff.). Ausserdem befand er sich in Zusammenhang mit der Vor- strafe vom 28. Januar 2014 (dazu nachfolgend) ca. 2 ½ Monate sowie im Rah- men des vorliegenden Strafverfahrens bereits fast ein halbes Jahr in Haft. Noch- mals hervorzuheben ist zudem, dass der Beschuldigte mit Blick auf die Betäu- bungsmitteldelikte einschlägig vorbestraft ist. So wurde er bereits mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Januar 2014 wegen Verbrechens ge- gen das Betäubungsmittelgesetz sowie wegen mehrfacher Übertretung des Be- täubungsmittelgesetzes zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten mit ei- ner Probezeit von 4 Jahren verurteilt (Urk. 53). Zu berücksichtigen ist weiter, dass sich der Beschuldigte weder von der Höhe der Strafe noch von dem ihm gewähr- ten bedingten Vollzug vom weiteren Delinquieren abhalten liess, delinquierte er doch während laufender Probezeit. Zudem ergeben sich aus den beigezogenen Akten des Migrationsamtes des Kantons Zürich zahlreiche (im Strafregister nicht eingetragene) Verurteilungen des Beschuldigten. Diese dürfen zwar im Zusam- menhang mit der Strafzumessung nicht mehr berücksichtigt werden. Die Landes- verweisung ist indessen eine eigenständige strafrechtliche Massnahme, wobei auch ausländerrechtliche Kriterien, insbesondere die gängigen Integrationskrite- rien, herangezogen werden. Gelöschte Straftaten dürfen daher zur Beurteilung der Integration und insbesondere des Sozialverhaltens berücksichtigt werden (Ur- teile des Bundesgerichts 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.6; 6B_188/2021 vom 23. Juni 2021 E. 2.2.1; 6B_932/2021 vom 7. September 2022

    E. 1.6). Die sich aus den Migrationsakten ergebenden Vorstrafen des Beschuldig- ten liegen zwar länger zurück, indes ist hervorzuheben, dass er bereits mehrere Male wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ver- urteilt wurde. Auch wenn die erste Vorstrafe bereits mehr als 20 Jahre zurück liegt, deutet seine Delinquenz im Betäubungsmittelbereich über die gesamte Zeit- dauer hinweg auf eine gewisse Unbelehrbarkeit hin. Ausserdem ist den beigezo- genen Migrationsakten zu entnehmen, dass dem Beschuldigten bereits mehrfach die Ausweisung aus der Schweiz angedroht wurde. Zuletzt veranlasste das Migra- tionsamt des Kantons Zürich die Prüfung von Entfernungs- und Fernhaltemass- nahmen gegen den Beschuldigten infolge seiner Verurteilung wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz durch das Obergericht des Kantons Zürich am

    28. Januar 2014. Im Oktober 2014 verfügte es den Widerruf der Niederlassungs- bewilligung und die Wegweisung des Beschuldigten aus der Schweiz. Der Beschuldigte legte gegen diesen Entscheid in der Folge jedoch erfolgreich Rekurs ein (vgl. beigezogene Migrationsakten S. 233 ff.), wobei er mit der ausgesproche- nen Verwarnung gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ihm eine letzte Chance eingeräumt werde, sich dahingehend zu ändern und die hiesige Gesetzgebung in Zukunft zu respektieren. Zudem wurde er auf die damals bevor- stehende Gesetzesrevision hingewiesen, mithin dass er künftig bei einer weiteren Verfehlung mit einer langfristigen, obligatorischen Landesverweisung zu rechnen hätte (a.a.O. S. 293). Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich der Beschuldigte weder durch Verurteilungen noch durch die angesetzten Probezeiten und die aus- länderrechtliche Verwarnung beeindrucken liess, sondern weiter delinquierte.

    Aus den dargelegten Gründen kann der Beschuldigte – selbst wenn er sich seit 43 Jahren in der Schweiz aufhält und die Landessprache Deutsch beherrscht – hierzulande keineswegs als bestens integriert bezeichnet werden. Des Weiteren ist nicht zutreffend, dass der Beschuldigte – wie von der Verteidigung vorgebracht (Urk. 73 S. 55) – zu seinem Heimatland keinen Bezug habe. Immerhin spricht er ungarisch und hat früher sogar 5 Jahre lang für eine ungarische Firma gearbeitet. Während dieser Zeit war er offenbar auch, obschon mit Unterbrüchen, in Ungarn wohnhaft (Prot. II S. 9; vgl. vgl. auch Urk. D1/11/3 Lebenslauf beigeheftet). Zudem hat er in Ungarn einen Cousin sowie eine Cousine und seine Eltern verfügen dort über ein Ferienhaus (Urk. 28 S. 3 und S. 7; Prot. II S. 11). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er sich relativ schnell in Ungarn einleben würde und dort arbeiten könnte. Seine Ausbildung als Heizungsplaner ist auch in Ungarn ein Berufszweig, mit welchem die wirtschaftliche Integration möglich wäre und er spricht neben Deutsch und Ungarisch auch noch Spanisch und Englisch (Urk. 28

    S. 3), was seine Berufschancen ebenfalls erhöhen würde.

    Der Beschuldigte ist das alleinerziehende Elternteil seiner zwei Kinder im Alter von 14 und 17 Jahren (AI. , geb. tt.mm.2008 und AJ. , geb. tt.mm.2006), die aus der früheren Beziehung zur Privatklägerin hervorgingen. Mit Verfügungen der KESB der Stadt Zürich vom 21. Dezember 2021 wurden die

    Kinder unter die alleinige elterliche Sorge des Beschuldigten gestellt (Urk. 74/3). Sie leben bei ihm und erhalten gemäss seiner Darstellung auch keine finanzielle Unterstützung von der Mutter (Urk. 28 S. 4 f.). Die Kinder sind mithin auf ihn an- gewiesen, wobei hier relativierend anzumerken ist, dass diese während der

    168 Tage dauernden Inhaftierung des Beschuldigten jeweils von seiner Mutter und der Kindsmutter betreut wurden (Prot. II S. 14). Zudem hat der Beschuldigte, obwohl er gesundheitlich und aufgrund seiner Ausbildung in der Lage wäre, sei- nen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Kinder auf legale Art und Weise zu sichern, nicht davor zurückgeschreckt, in massivem Umfang mit einer harten Dro- ge zu handeln, dies im Wissen darum, dass ihm damit eine lange Haftstrafe sowie eine Landesverweisung droht. So sagte er vor Vorinstanz selber aus, dass er schon im Jahr 2014 einen Kampf gegen die Landesverweisung geführt habe. Damals sei ihm gesagt worden, dass beim nächsten Mal kein Härtefall mehr an- genommen werde (Urk. 28 S. 12) – was sich ebenso, wie bereits dargelegt, aus den Migrationsakten ergibt (vgl. beigezogene Migrationsakten S. 293). Er wusste mithin klar um die Konsequenzen seines Handelns. Weder die Familienverhält- nisse noch die ausländerrechtliche Verwarnung hielten ihn also davon ab, erneut zu delinquieren. Mit seinem Verhalten hat er den Fortbestand seines Familienle- bens in der Schweiz selbstverschuldet und mutwillig aufs Spiel gesetzt sowie den Verlust des intensiven Kontaktes zu seinen Kindern wissentlich in Kauf genom- men. Das Familienleben des Beschuldigten wird zudem in der Schweiz durch die zu erstehende längere Freiheitsstrafe massiv beeinträchtigt sein. In diesem Zu- sammenhang hielt bereits die Vorinstanz zutreffend fest, dass für diese Zeit für die Kinder ohnehin eine Betreuungslösung organisiert werden muss (Urk. 52

    S. 72). Dasselbe gilt auch in Bezug auf seine pflegebedürftigen Eltern, welche gemäss seiner Darstellung auf ihn angewiesen seien. Im Falle der auf den Straf- vollzug folgenden Landesverweisung könnte der Beschuldigte sodann sein Fami- lienleben auch in Ungarn leben, da ihm einerseits die Kinder in ihrem dannzuma- ligen Alter (beide aller Voraussicht nach als Erwachsene) nach Ungarn folgen könnten – sie haben die ungarische Staatsbürgerschaft (Urk. D1/2/11 S. 30) – oder im Falle, dass eine Betreuung hier in der Schweiz stattfinden würde, könnten sie ihn besuchen und auch mittels der elektronischen Medien täglich in Kontakt

    sein. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es dem Beschuldigten als EU-Bürger freisteht, sich trotz Landesverweisung im grenznahen Ausland, insbesondere auch im deutschsprachigen Raum, niederzulassen und er nicht nach Ungarn zu- rückkehren muss. Eine Eltern-Kind-Beziehung sowie auch die Beziehung zu sei- nen Eltern könnten damit aufrechterhalten werden. Die Härtefallklausel ist zudem restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.1.2; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2), sie ist als Ausnahme konzipiert ist und darf nicht zur Regel werden (Urteil des Bun- desgerichts 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.8). Vorliegend ist aufgrund sämtlicher Umstände ein schwerer persönlicher Härtefall zu vereinen.

    6. Doch selbst wenn von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen wäre, würde das private Interesse des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung nicht überwiegen. Bei der Landesverweisung handelt es sich nach der Intention des Gesetzgebers primär um eine Sicherungsmassnahme (Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2018 vom

    22. März 2019 E. 1.3.2). Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad errei- chen, so dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit not- wendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vor- nehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öf- fentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteil des Bundes- gerichts 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.6.2).

    Bei einer qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz beste- hen regelmässig erhebliche öffentliche Interessen an einer Wegweisung. Das Bundesgericht zeigt sich besonders streng, wenn in diesem Zusammenhang neue Straftaten verhindert werden sollen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1424/2019 vom 15. September 2020 E. 3.4.10). Der Beschuldigte weist eine einschlägige Vorstrafe auf. Mit heutigem Urteil wird er u.a. wegen der qualifizierten Widerhand- lung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer erheblichen Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren verurteilt. Es ist aufgrund des bisherigen Verhaltens, der einschlägi- gen Vorstrafe und der massiven Delinquenz von einer ungünstigen Rückfallprognose hinsichtlich neuerlicher BetmG-Delikte auszugehen. Der Beschuldigte weist ein in hohem Mass sozialschädliches Verhalten auf und ist eine Gefahr für die öf- fentliche Sicherheit und Ordnung. Durch sein Verhalten in der Vergangenheit hat er gezeigt, dass er grosse Mühe hat, sich an die hiesige Rechtsordnung zu hal- ten, so dass ein grosses öffentliches Interesse an seiner Fernhaltung besteht. Nicht einmal seine Kinder und das Bewusstsein, dass ihm eine Landesverwei- sung droht, haben ihn vom Delinquieren abgehalten. Somit besteht ein erhebli- ches öffentliches Interesse an einer Landesverweisung des Beschuldigten aus der Schweiz, welches das private Interesse des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz überwiegt. Der Beschuldigte ist daher aus dem Gebiet der Schweiz zu verweisen.

    7. Der Beschuldigte ist ungarischer Staatsangehöriger, weshalb zu prüfen ist, ob das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der Europäischen Union vom

    21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) einer Landesverweisung entgegensteht. Das FZA berechtigt den Beschuldigten grundsätzlich zum Verbleib in der Schweiz (Art. 1 lit. a FZA sowie Art. 4 Anhang I FZA). Die aufgrund dieses Abkommens eingeräumten Rechte dürfen nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffent- lichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden (Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA).

    Zum Einfluss des FZA auf die Härtefallprüfung bei Angehörigen eines EU-Staates hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA eine spezifische Prüfung unter dem Blickwinkel der dem Schutz der öffentlichen Ordnung innewohnenden Interessen verlangt wird

    (BGE 130 II 176 E. 3.4.1). Das Bundesgericht verfolgt eine ausserordentlich rest- riktive Interpretation beim Aufenthaltsrecht bzw. der Ausnahmeklausel nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA. Wesentliches Kriterium ist die Intensität der Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Qualifizierter Betäubungsmittelhandel stellt eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dar. Mit dem Erfordernis der gegenwärtigen Gefährdung ist gerade nicht gemeint, dass weitere Straftaten mit Gewissheit zu erwarten wären oder umgekehrt solche

    mit Sicherheit auszuschliessen sein müssten (vgl. BGE 145 IV 364 E. 3.5.2 ff. und E. 4.4).

    Aus diesen Erwägungen erhellt, dass der Beschuldigte, welcher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und konkret der Gesundheit vieler Menschen darstellt, nicht unter den Schutz des FZA fällt. Die Grenze zum schweren Fall wurde mit der erstellten Kokainmenge um ein Vielfaches überschritten und es wurde mit heutigem Urteil eine massive Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren ausgefällt. Der Beschuldigte ist zudem einschlägig vorbestraft und hat sich weder durch diese Vor- strafe, noch durch seine Kinder oder durch die ihm drohende Landesverweisung von einer erneuten Delinquenz abhalten lassen. Weitere, auch erhebliche Strafta- ten des Beschuldigten insbesondere im Betäubungsmittelbereich können damit nicht ausgeschlossen werden. Das FZA steht somit vorliegend einer Landesver- weisung nicht entgegen.

    8. Gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB ist die obligatorische Landesverweisung für eine Dauer von 5 bis 15 Jahre auszusprechen. Die Bemessung der Dauer liegt im Ermessen des Gerichts und hat anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände zu erfolgen. Dabei hat sich das anordnende Gericht insbesondere am Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu orientieren (Botschaft vom 26. Juni 2013 zur Ände- rung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafrechts, Umsetzung von Art. 121 Abs. 3 bis 6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2013 S. 5975 ff., S. 6021).

    Die Vorinstanz erachtete angesichts der Schwere der Tat eine Dauer von

    7 Jahren als angemessen (Urk. 52 S. 75). Eine geringere Dauer kommt aufgrund der gesamten Umstände von Vornherein nicht in Betracht, insbesondere muss dem Beschuldigten neben der Vorstrafe und der Schwere der Anlasstat eine grosse Uneinsichtigkeit vorgeworfen werden. Infolge des Verschlechterungsver- bots kommt auch keine höhere Dauer in Betracht (Art. 391 Abs. 2 StPO). Die Dauer von 7 Jahren ist daher zu bestätigen.

  3. Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Im Berufungsverfahren bleibt es mit Ausnahme des Freispruchs betreffend Drohung beim vorinstanzlichen Schuldspruch. Da dieser Vorwurf im Vergleich zu den Betäubungsmitteldelikten von untergeordneter Bedeutung ist und auch im vorinstanzlichen Verfahren Freisprüche zu berücksichtigen waren (vgl. Urk. 52

    S. 78), bleibt es im Rahmen einer Gesamtwürdigung bei der vorinstanzlichen Kos- tenauflage von zwei Dritteln zu Lasten des Beschuldigten, ausgenommen hiervon sind die Kosten der amtlichen Verteidigung unter Vorbehalt der Rückzahlungs- pflicht gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von zwei Dritteln. Die erstinstanz- liche Kostenauflage (Dispositivziffern 11 und 12) ist daher zu bestätigen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 6'000.– zu veran- schlagen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Mass- gabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Vorliegend unter- liegt der Beschuldigte mit seiner Berufung mit Ausnahme des Freispruchs betref- fend Drohung vollumfänglich. Diesem Dossier kommt – wie schon ausgeführt – im Gegensatz zu den Betäubungsmitteldelikten eine untergeordnete Bedeutung zu. Es rechtfertigt sich daher, die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, dem Beschuldigten zu neun Zehnteln auf- zuerlegen und zu einem Zehntel auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Rückzah- lungspflicht des Beschuldigten in Bezug auf die Kosten der amtlichen Verteidi- gung bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von neun Zehnteln vorbehal- ten.

  3. Mit Honorarnote vom 1. November 2023 machte Rechtsanwalt Dr. iur. X1. für das Berufungsverfahren eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 17'778.75 (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer) geltend (Urk. 100).

Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung richtet sich im Strafverfahren ins- besondere nach den §§ 1, 17 und 18 der Anwaltsgebührenverordnung (Anw- GebV). Gemäss § 1 Abs. 2 AnwGebV setzt sich die Entschädigung aus der Gebühr und den notwendigen Auslagen zusammen. Die Grundgebühr ist dabei nach den besonderen Umständen, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen und Schwierigkeiten des Falles, zu bemessen (§ 2 Abs. 1 AnwGebV). Entschädigungspflichtig sind all jene Aufwendungen, die in einem kausalen Zu- sammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen, notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse aufzuerlegen (BGE 141 I 124 E. 3.1 mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwalts- honorar Pauschalen vorzusehen. Honorarpauschalen dienen dabei der gleich- mässigen Behandlung und begünstigen eine effiziente Mandatsführung. Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühun- gen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmen- tarifen erweisen sich aber als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Ver- hältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen (BGE 143 IV 453 E. 2.5.1; BGE 141 I 124 E. 4.3 mit Hinweis).

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verteidigung im Berufungsver- fahren im Wesentlichen dieselben formellen und materiellen Einwände wie schon vor Vorinstanz vorgebracht hat und dass sie bereits über entsprechende Akten- kenntnisse verfügte, erweist sich die von Rechtsanwalt Dr. iur. X1. bean- tragte Entschädigung als unverhältnismässig. Eine pauschale Entschädigung für das Berufungsverfahren in der Höhe Fr. 15'000.– (inkl. Barauslagen und Mehr- wertsteuer) erscheint im Hinblick auf den benötigten Zeitaufwand und die Schwie- rigkeit des Falles als angemessen und ist entsprechend festzusetzen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,

    8. Abteilung, vom 8. Februar 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Einstellung des Verfahrens betreffend Beschimpfung gemäss Ankla- gepunkt B), 2 Lemma 4 (Schuldspruch wegen Beschimpfung), 3 (Freispruch betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz bezüglich der Anklagepunkte A 1.2., 1.3., 1.4., 1.6., 1.8. und 3.), 7-9 (Einziehung, Beschlagnahme, Herausgaben), 10 (Kostenfestsetzung) und 13 (Entschädi- gung der amtlichen Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist ausserdem schuldig

  2. Der Beschuldigte wird freigesprochen vom Vorwurf der Drohung im Sinne von Art. 180 StGB.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit 4 ½ Jahren Freiheitsstrafe, wovon 168 Tage durch Haft erstanden sind, und mit 30 Tagessätzen zu Fr. 10.– Geldstrafe.

  4. Die Freiheits- und die Geldstrafe werden vollzogen.

  5. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für 7 Jahre des Landes verwiesen.

  6. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 11 und 12) wird bestätigt.

  7. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 6'000.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 15'000.– amtliche Verteidigung

  8. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtli- chen Verteidigung, werden zu neun Zehnteln dem Beschuldigten auferlegt und zu einem Zehntel auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der

    amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt im Umfang von neun Zehnteln vorbehalten.

  9. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  10. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsa- chen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei den Strafrechtlichen Abteilun- gen des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundes- gerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 8. November 2023

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Lazareva

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