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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB210242
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB210242 vom 10.06.2022 (ZH)
Datum:10.06.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Diebstahl etc. und Widerruf
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Digten; Beschuldigten; Urteil; Schweiz; Dossier; Verschulden; Landes; Freiheits; Landesverweisung; Delikt; Sinne; Freiheitsstrafe; Bundesgericht; Recht; Recht; Vorinstanz; Objektiv; Positiv; Berufung; Einsatzstrafe; Objektive; Tochter; Staatsanwalt; Probezeit; Erscheint; Subjektiv; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft
Rechtsnorm: Art. 10 SVG ; Art. 105 StGB ; Art. 106 StGB ; Art. 121 BV ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 139 StGB ; Art. 144 StGB ; Art. 186 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 27 SVG ; Art. 400 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 45 StGB ; Art. 46 StGB ; Art. 49 StGB ; Art. 5 BV ; Art. 63 SVG ; Art. 66a StGB ; Art. 8 EMRK ; Art. 84 StPO ; Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:116 IV 300; 118 IV 167; 134 IV 140; 138 IV 120; 144 II 1; 144 IV 217; 144 IV 277; 145 I 227; 145 IV 364; 145 IV 404; 146 IV 105;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB210242-O/U/hb

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Stiefel, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Bertschi und Ersatzoberrichterin lic. iur. Jeker sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Meier

Urteil vom 10. Juni 2022

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. Moder,

Anklägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte

gegen

A. ,

Beschuldigte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. X1. , betreffend Diebstahl etc. und Widerruf

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung, vom 28. Januar 2021 (DG200148)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 14. Juli 2020 (Urk. 50) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 78 S. 42ff)

  1. Die Beschuldigte ist schuldig

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, wo- von 162 Tage durch Untersuchungshaft bereits erstanden sind, sowie einer Busse von Fr. 300.–.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben. Die Probezeit wird auf 5 Jahre festgesetzt.

  4. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt die Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

  5. Der mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 27. September 2016 bedingt ausgesprochene Teil der Freiheitsstrafe von 8 Monaten (gesamt 14 Monate Freiheitsstrafe) wird nicht widerrufen. Die Probezeit wird um eineinhalb Jah- re verlängert.

  6. Der Beschuldigten wird die Weisung erteilt, die freiwillig begonnene Thera- pie im B. (inkl. vorgesehene Nachbetreuung) sowie die ambulante Psychotherapie bei Prof. Dr. phil. C. fortzusetzen.

  7. Von der Anordnung einer Landesverweisung wird abgesehen.

  8. Die Privatklägerin D.

    wird mit ihrem Schadenersatzbegehren auf den

    Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  9. Der Privatkläger E.

    wird mit seinem Schadenersatzbegehren auf den

    Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  10. Der folgende sichergestellte Gegenstand wird F.

    nach Eintritt der

    Rechtskraft dieses Urteils auf erstes Verlangen herausgegeben:

  11. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 4'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 2'500.00 Gebühr für das Vorverfahren Fr. 346.90 Auslagen

    Fr. 1'500.00 OGZ Entscheid vom 04.01.2019 (UB180175-0)

    Fr. 17'546.05 Entschädigung amtliche Verteidigung (RAin X1. )

    Fr. 7'408.85 Entschädigung amtliche Verteidigung (RA X2. )

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorenthalten.

  12. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausge- nommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden der Beschuldigten auferlegt.

  13. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse ge- nommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.

Berufungsanträge:

  1. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 102 S. 1 f.)

    1. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 28. Januar 2021 gegen A. sei mit Ausnahme der folgenden Anträge zu bestätigen.

    2. Der gemäss Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 27. September 2016 bedingt ausgesprochene Teil der Freiheitsstrafe von 8 Monaten (ge- samt 14 Monate Freiheitsstrafe) sei bei A. für vollziehbar zu er- klären.

    3. Die Beschuldigte A. sei mit einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft zu bestrafen.

    4. Die Strafe sei für vollziehbar zu erklären.

    5. Die Beschuldigte A. sei für 5 Jahre des Landes zu verweisen.

  2. Der Verteidigung: (Urk. 103 S. 2)

    1. Die Dispositivziffer 2 des Urteils des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abtei- lung, vom 28. Januar 2021 (DG200148), sei aufzuheben und die Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 8 ½ Monaten, wovon 162 Tage durch Untersuchungshaft bereits erstanden sind, sowie einer Busse von Fr. 300.– zu bestrafen.

      Des Weiteren sei das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 28. Januar 2021 zu bestätigen.

    2. Die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung seien definitiv auf die Gerichtskasse zu neh- men.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang

        1. Gegen das eingangs im Dispositiv wiedergegebene, schriftlich mitgeteilte Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung, vom 28. Januar 2021 meldete die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 2. Februar 2021 Berufung an (Urk. 72). Nach Zustellung des begründeten Entscheides am 16. April 2021 (Urk. 77/1) liess sie mit Eingabe vom 16. April 2021 fristgerecht die Berufungserklärung folgen

          (Urk. 79).

        2. Mit Präsidialverfügung vom 3. Mai 2021 (Urk. 82) wurde die Berufungserklä- rung in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO sowie Art. 401 StPO den Privatklägern und der Beschuldigten zugestellt, um gegebenenfalls Anschluss- berufung zu erheben oder ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Die Beschuldigte erhob in der Folge Anschlussberufung mit den oben zitierten Anträ- gen (Urk. 84). Die Privatkläger liessen sich nicht verlauten.

        3. Mit Präsidialverfügung vom 25. Juni 2021 wurde der Staatsanwaltschaft eine Kopie der Anschlussberufungserklärung zugestellt (Urk. 85). Für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden die Video-Aufnahmen der Polizei betreffend Dossier 4 beigezogen (Urk. 88) und sowohl der Verteidigung als auch der Staats- anwaltschaft zur Verfügung gestellt (Urk. 94; Urk. 95/1-2). Sodann wurden bei der Verteidigung Berichte zur aktuellen Lebenssituation der Beschuldigten angefragt (Urk. 90). In der Folge wurden mit Eingaben vom 30. und 31. Mai 2022 zwei Be- richte zu den Akten gereicht (Urk. 95-98) und der Staatsanwaltschaft in Kopie zu- gestellt (Urk. 99). Mit Eingabe vom 8. Juni 2022 liess die Beschuldigte ihre An- schlussberufung teilweise zurückziehen und weitere Unterlagen einreichen, wo- von die Staatsanwaltschaft ebenfalls in Kenntnis gesetzt wurde (Urk. 101A).

        4. Am 20. Oktober 2021 wurde zur Berufungsverhandlung auf den 10. Juni 2022 vorgeladen. Anlässlich derselben stellten die Parteien die eingangs aufge- führten Anträge (Prot. II. S. 4 ff; Urk. 102 S. 1; Urk. 103 S. 2).

      2. Prozessuales

  1. Umfang der Berufung

    1. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Berufung, die Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 20 Monate unter Anrechnung der erstandenen Untersu- chungshaft zu bestrafen, wobei die Strafe zu vollziehen sei. Der mit Urteil des Be- zirksgerichtes Zürich vom 27. September 2016 bedingt ausgesprochene Teil von 8 Monaten der grundsätzlich teilbedingt ausgesprochenen Strafe von 14 Monaten sei zu widerrufen. Weiter sei eine Landesverweisung von 5 Jahren anzuordnen (Urk. 79 S. 7).

      Die Beschuldigte beantragte mit ihrer Anschlussberufung einen Freispruch in Be- zug auf die ihr in Dossier 4 vorgeworfenen Delikte. Weiter brachte sie vor, dass die Strafe im Gegensatz zum vorinstanzlichen Urteil auf 6 Monate, unter Anrech- nung von 162 Tagen Untersuchungshaft, zu reduzieren und der Vollzug bedingt, mit einer Probezeit von 3 Jahren, auszusprechen sei. Die Busse von Fr. 300.– sei zu bestätigen. Die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens sowie die Kos- ten der amtlichen Verteidigung seien auf die Gerichtskasse zu nehmen (Urk. 84

      S. 2). Mit Eingabe vom 8. Juni 2022 liess sie ihre Anschlussberufung betreffend den Schuldpunkt in Dossier 4 zurückziehen, jedoch an der Anschlussberufung in Bezug auf das Strafmass festhalten (Urk. 100 S. 2).

    2. Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Es ist damit fest- zustellen, dass folgende Dispositivziffern in Rechtskraft erwachsen sind:

      • Dispositivziffer 1 (Schuldspruch)

      • Dispositivziffer 6 (Weisung betreffend Therapie)

      • Dispositivziffern 8 und 9 (Zivilansprüche)

      • Dispositivziffer 10 (Herausgabe)

      • Dispositivziffer 11 und 13 (Kostendispositiv)

        Im Übrigen steht der angefochtene Entscheid zur Disposition.

  2. Strafanträge

In Bezug auf die Vorbringen der Verteidigung vor Vorinstanz, wonach betreffend den Hausfriedensbruch kein korrekter Strafantrag vorliege (Urk. 66 S. 5 f.), kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 78 S. 6 f.). Selbst wenn sämtliche Parkplätze der in Frage stehenden Tiefgarage vermie- tet gewesen sein sollten, handelt es sich bei dieser nicht um einen für jeden Mie- ter in sich abgeschlossenen Bereich. Vielmehr liegt bei der Tiefgarage ein von mehreren Personen (Mietern) gemeinsam genutzter Raum vor. Entgegen der An- sicht der Verteidigung besteht damit nicht ein eigenes Hausrecht der Mieter und muss daher ein Strafantrag nicht von den Mietern gestellt werden. Wie die Vo- rinstanz mit Verweis auf das Handelsregister zutreffend festhielt, beinhaltet der Zweck der G. -Genossenschaft H. (der Eigentümerin der in Frage stehenden Parkgarage) die Verwaltung und den Unterhalt der gemeinsam bean- spruchten Anlagen. Sie ist damit auch zur Stellung eines Strafantrages berechtigt, wenn dort Personen eindringen, welche dazu nicht berechtigt sind. Gemäss der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichts 6B/295_2020 vom

22. Juli 2020 E. 1.4; BGE 118 IV 167 E 1b; Urteil des Bundesgerichts 6B_972/2009 vom 16. Februar 2010, E. 3.4.1), ist ein Generalbevollmächtigter ei- ner juristischen Person zum Schutz des Gesellschaftsvermögens zur Stellung ei- nes Strafantrages im Namen der Gesellschaft befugt. Als Präsident der Verwal- tung der Genossenschaft ist I. beauftragt, die in Frage stehenden Interes- sen der Genossenschaft zu wahren. Dazu gehört auch das Stellen eines Strafan- trages bei erfolgter Verletzung des Hausrechts. Die Stellung des Strafantrages durch I. erfolge damit formrichtig, womit in Bezug auf den angeklagten Hausfriedensbruch in Dossier 4 die Voraussetzung des gültigen Strafantrages er- füllt ist.

III. Strafzumessung

  1. Standpunkt der Parteien

    1. Die Vorinstanz verurteilte die Beschuldigte mit einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 14 Monaten und einer Busse von Fr. 300.–. Weiter verzichtete sie auf den Widerruf des mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom

      27. September 2016 bedingt ausgesprochenen Teils einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten (gesamte Strafe 14 Monate Freiheitsstrafe).

    2. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Berufung den Widerruf des mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 27. September 2016 bedingt ausgespro- chenen Strafteils von 8 Monaten. Es sei eine Gesamtstrafe von 20 Monaten an- gemessen (Urk. 79; Urk. 102).

    3. Die Beschuldigte beantragt mit ihrer Anschlussberufung die Herabsetzung der von der Vorinstanz ausgesprochenen Strafe auf 6 Monate, wobei 162 Tage bereits durch Untersuchungshaft erstanden seien. Die Busse sei zu bestätigen (Urk. 84 und Urk. 103).

  2. Allgemeine Strafzumessungsregeln / Strafart / Strafrahmen

    1. Ist der Täter wegen mehrfach begangenen Taten zu bestrafen, hat das Ge- richt basierend auf der Tatkomponente zunächst die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt zu bestimmen. In einem weiteren Schritt sind die übrigen Delikte

      • wiederum basierend auf der Tatkomponente - zu beurteilen, und es ist dafür un- ter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände die hypothetische Strafe zu ermit- teln. Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung liess es bei der Bildung der Gesamtstrafe unter gewissen Konstellationen ausnahmsweise zu, nicht für je- des Delikt eine Einsatzstrafe festzusetzen (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichtes 6B_499/2013 vom 22. Oktober 2013 E. 1.8 und 6B_1011/2014 vom 16. März 2015 E. 4.4). Die aktuelle bundesgerichtliche Rechtsprechung fordert aber aus- nahmslos die Bildung von hypothetischen Einzelstrafen (BGE 144 IV 217 E. 3.5.4; Urteil des Bundesgerichtes 6B_409/2018 vom 7. Juni 2019 E. 2.3), wobei aus dem Urteil hervorzugehen hat, welche Einzelstrafen für die verschiedenen Strafta-

      ten festgesetzt werden (Urteil des Bundesgerichtes 6B_1071/2019 vom 5. No- vember 2019 E. 3.3.2), die lediglich gedankliche Bildung von Einzelstrafen also nicht (mehr) genügt. Eine (scheinbare) Relativierung erfährt das Prinzip bei Delik- ten, die Züge eines Dauerdelikts aufweisen, namentlich wenn die Anzahl der ein- schlägigen Handlungen nicht bestimmbar ist und die Einzelhandlungen (deshalb) zu einer Verurteilung zusammengefasst werden. Eine mehrfache Verurteilung muss sich in der Strafzumessungsmethodik allerdings weiterhin immer spiegeln (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_432/2020 vom 30. September 2021 E. 1.4). Sodann ist bei gleichartigen Strafen unter Berücksichtigung des Asperationsprin- zips die hypothetische Gesamtstrafe für sämtliche dieser Delikte festzulegen

      (Art. 49 Abs. 1 StGB; Urteil des Bundesgerichtes 6B_808/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 2.1.1; BGE 138 IV 120 E. 5.2). Nach der Festlegung der hypothetischen Gesamtstrafe für sämtliche Delikte sind schliesslich die Täterkomponente und weitere tatunabhängige Zumessungsfaktoren zu berücksichtigen (Urteile des Bundesgerichtes 6B_865/2009 vom 25. März 2010 E. 1.6.1 und 6B_496/2011 vom 19. November 2012 E. 2 und E. 4.2).

    2. Aussergewöhnliche Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen, den or- dentlichen Strafrahmen zu unterschreiten, sind vorliegend nicht ersichtlich (vgl. Art. 48, Art. 48a, Art. 49 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2, Art. 22 Abs. 1 StGB; BGE 136 IV

      55 E. 5.8 S. 63; Urteil des Bundesgerichts 6B_475/2011 vom 30. Januar 2012

      E. 1.4.4). Strafschärfungsgründe sind innerhalb des ordentlichen Strafrahmens straferhöhend und Strafmilderungsgründe strafmindernd zu berücksichtigen (BGE 116 IV 300 E. 2.a).

    3. In Bezug auf die Wahl der Strafart ist mit der Vorinstanz (Urk. 78 S. 20) fest- zuhalten, dass es sich bei der Beschuldigten um eine Wiederholungstäterin han- delt, bei der davon ausgegangen werden muss, dass sie sich (wie die sechs Ver- urteilungen in der Vergangenheit zeigen) mit einer reinen Geldstrafe nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen wird. Die jeweils bedingt, teilbe- dingt und unbedingt ausgesprochenen Freiheits- und Geldstrafen vermochten sie bisher nicht von weiterer Delinquenz abzuhalten. Die Ausfällung einer Geldstrafe kommt daher aus spezialpräventiven Gründen auch dann nicht mehr in Frage,

      wenn dies aufgrund der Verschuldensbewertung im Einzelfall theoretisch noch möglich wäre. Als weiteres Argument ist anzuführen, dass aufgrund der prekären finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten davon auszugehen ist, dass eine Geldstrafe nicht vollzogen werden könnte. Es ist daher für sämtliche von ihr be- gangenen Taten, mit Ausnahme der Übertretungen, eine Freiheitsstrafe auszufäl- len.

    4. Die Vorinstanz hat die im Rahmen der Dossiers 4, 3 und 5 sowie 6 erfüllten Straftatbestände aufgrund ihres direkten Zusammenhanges als je eine Delikts- gruppe zusammengefasst und pro Dossier eine einzige Strafe ausgefällt (Urk. 78

      S. 20 f.). Wie bereits festgehalten wurde, hat das Bundesgericht jedoch festgehal- ten, dass eine Gesamtbetrachtung aller Taten oder die Bildung von Deliktsgrup- pen zur Strafartbestimmung im Ergebnis auf eine (selektive) Aufgabe der Ge- samtstrafe nach dem Asperationsprinzip zugunsten der gesetzlich nicht vorgese- henen Einheitsstrafe hinauslaufe. Auch im Rahmen von Einbruchdiebstählen führte das Bundesgericht aus, dass es sich um eigenständige, in echter Geset- zeskonkurrenz stehende Straftatbestände mit spezifischen Strafandrohungen handle (Urteil des Bundesgerichts 6B_523/2018 vom 23. August 2018 E. 1.4.2). Damit ist auch in diesen Dossiers eine Einzelbeurteilung der erfüllten Straftaten vorzunehmen.

      Zutreffend ist das Vorgehen der Vorinstanz, den Diebstahl in Dossier 4 als schwerstes Delikt zu würdigen (Urk. 78).

  3. Strafzumessung in concreto betreffend Vergehen und Verbrechen

    1. Tatkomponente

      1. Dossier 4

        1. Diebstahl

          Die Beschuldigte beging den in Frage stehenden Diebstahl spontan und schein- bar ohne vorangehende Planung. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgehal- ten hat (Urk. 78 S. 21), ist in Bezug auf die objektive Tatschwere zu berücksichtigen, dass der Deliktsbetrag mit Fr. 300.– an der Grenze zur Geringfügigkeit liegt. Auch die Tatausführung zeigt kein professionelles, sondern spontanes, nicht wirk- lich zielgerichtetes Vorgehen. Das objektive Tatverschulden erscheint damit als sehr leicht.

          In Bezug auf das subjektive Tatverschulden ist festzuhalten, dass die Beschuldig- te vorsätzlich und aus eigennützigen, monetären Beweggründen handelte. Die kriminelle Energie ist indessen im Rahmen des vorliegend Möglichen als gering zu bezeichnen. Sodann ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sie im Tat- zeitpunkt fast täglich Crystal Meth konsumierte. In subjektiver Hinsicht wiegt das Verschulden damit ebenfalls sehr leicht.

          Aufgrund der Tatkomponenten erscheint eine hypothetische Einsatzstrafe von 3 Monaten als angezeigt.

        2. Hausfriedensbruch

          Die Beschuldigte fuhr mit J. ungehindert in die grundsätzlich frei zugängli- che Tiefgarage. Wohl war diese mit einem Schild als privat gekennzeichnet; es mussten aber keine besonderen Hindernisse überwunden werden, um dorthin zu gelangen. Zu ihren Gunsten ist weiter anzuführen, dass es sich bei der Tiefgarage nicht um Privaträumlichkeiten (mithin eine Wohnung oder ein Haus) handelt und sie damit nicht in die eigentliche Privatsphäre der Betroffenen eindrang. Im Rah- men des Denkbaren wiegt die objektive Tatschwere in Bezug auf den Hausfrie- densbruch sehr leicht.

          Auch im Hinblick auf den Hausfriedensbruch handelte die Beschuldigte mit direk- tem Vorsatz, wobei das Motiv nicht im eigentlichen Eindringen in einen fremden Raum lag, sondern eine Nebenerscheinung des im Zentrum stehenden Dieb- stahls darstellte. Daher ist in Bezug auf den Hausfriedensbruch lediglich von einer geringen kriminellen Energie auszugehen. Durch ihren Crystal Meth Konsum be- stand sodann eine zusätzlich zu berücksichtigende Einschränkung. Auch das sub- jektive Verschulden wiegt damit sehr leicht.

          Es erscheint eine hypothetische Einsatzstrafe von 15 Tagen Freiheitsstrafe als angemessen, was nach Asperation eine anrechenbare Strafe von 10 Tagen ergibt.

        3. Sachbeschädigung

        Auch die Sachbeschädigung stellt vorliegend eine Begleiterscheinung des Dieb- stahls der Motorradbestandteile dar. Der Sachschaden von insgesamt Fr. 400.– fällt sodann sehr gering aus und bewegt sind an der Grenze zur Geringfügigkeit. Auch in Bezug auf die Sachbeschädigung wiegt daher das objektive Verschulden sehr leicht.

        In subjektiver Hinsicht ist zwar von direktvorsätzlichem Handeln in Bezug auf die Sachbeschädigung auszugehen, das Motiv stellt indessen hauptsächlich die Be- gehung eines Diebstahls dar. Sodann ist die damals bestehende Betäubungsmit- telabhängigkeit der Beschuldigten zu ihren Gunsten zu würdigen.

        Insgesamt ist im Rahmen der möglichen Arten der Begehung dieses Tatbestan- des von einem sehr leichten Verschulden auszugehen und eine hypothetische Einsatzstrafe von 1 Monat Freiheitsstrafe einzusetzen, was asperiert eine anre- chenbare Strafe von 20 Tagen ergibt.

      2. Dossier 6 Diebstahl

        Die Beschuldigte entwendete aus einem fremden Briefkasten den Inhalt eines Pakets. Dabei musste sie keine grossen Hindernisse überwinden oder Risiken eingehen, da der Briefkasten frei zugänglich war. Sodann war der Wert der Kame- ra, welche sich in dem gestohlenen Paket befand, mit Fr. 190.– verhältnismässig tief. Die objektive Tatschwere erscheint daher leicht.

        Die Beschuldigte wusste gemäss anerkanntem Sachverhalt, dass sich eine Ka- mera im Paket befand und nahm diese an sich, ohne sich darum zu kümmern, welchen Wert diese Kamera haben könnte. Bezüglich des Deliktsbetrages ist da- her von einem Eventualvorsatz auszugehen. Weiter ist zugunsten der Beschuldigten mit der Vorinstanz (Urk. 78 S. 22) zu würdigen, dass es sich um einen Fall von Beschaffungskriminalität handelt und bei der Beschuldigten eine Abhängigkeit von Crystal Meth bestand. Das subjektive Verschulden vermag damit das objekti- ve leicht zu relativieren.

        Insgesamt ist im Rahmen des in diesem Tatbestand Möglichen von einem sehr leichten Verschulden auszugehen, womit eine Einsatzstrafe von 2 Monaten als angemessen erscheint. Asperiert ergibt sich damit eine anrechenbare Strafe von 40 Tagen.

      3. Dossiers 3 und 5

        Die Vorinstanz hat in den Dossiers 3 und 5 sämtliche Gesetzesverstösse der Beschuldigten im Rahmen einer Gesamtbeurteilung gewürdigt und eine einzige Stra- fe festgesetzt. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in welcher die Beschuldigte mit einer Fahrt gegen zahlreiche Bestimmungen verstiess, erscheint die Vorgehensweise der Vorinstanz, eine Deliktsgruppe für die Vergehen zu bil- den und diese gesamthaft zu beurteilen, dem effektiven Verschulden der Beschuldigten grundsätzlich gerecht zu werden. Die Delikte schützen indessen ver- schiedene Rechtsgüter, weshalb aufgrund der in den letzten Jahren diesbezüglich deutlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtes (vgl. Erw. IV.2.3.) für jedes De- likt eine eigene Beurteilung vorgenommen werden muss. Ob dies dem vorliegen- den Fall angemessener erscheint als das Vorgehen der Vorinstanz bleibt dabei dahin gestellt.

        In Bezug auf die von der Beschuldigten in den Dossiers 3 und 5 erfüllten Straftat- bestände, verfügen das Fahren in fahrunfähigem Zustand, das Führen eines ent- wendeten Fahrzeuges, das Führen eines Motorfahrzeuges ohne Fahrausweis, das Fahren ohne Haftpflichtversicherung und die missbräuchliche Verwendung von Ausweisen und/oder Kontrollschildern über einen objektiven Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

        1. Fahren in fahrunfähigem Zustand

          Die Beschuldigte hatte gemäss eigenen Angaben drei Stunden, bevor sie die Fahrt mit dem Motorrad antrat, eine unbekannte Menge an Crystal Meth konsu- miert. Es handelt sich dabei um eine harte Droge, welche die Reaktionsfähigkeit massgeblich heruntersetzt und eine Fahrt im Strassenverkehr als äusserst gefähr- lich erscheinen lässt. Sie war sodann im Feierabendverkehr in der Innenstadt, welche zu dieser Zeit ein sehr hohes Verkehrsaufkommen aufweist, unterwegs und gefährdete damit eine Vielzahl von Personen. Die Strecken (K. -strasse 1 an die L. -gasse 2 und dann zum M. -platz, vgl. Urk. D5/1 S. 6), die die Beschuldigte zurücklegte, waren dagegen eher kurz und es konnte auf diesen auch keine hohe Geschwindigkeit, welche zusätzlich gefährdend gewirkt hätte, gefahren werden. Das objektive Verschulden erscheint damit insgesamt als noch leicht.

          In subjektiver Hinsicht unternahm die Beschuldigte die Fahrt direktvorsätzlich un- ter Betäubungsmitteleinfluss. Ihre damalige Abhängigkeit von Crystal Meth ist da- bei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, vermag aber das subjektive Verschul- den nur minim zu relativieren.

          Insgesamt erscheint einer hypothetischen Einsatzstrafe von 3 Monaten als dem Verschulden angemessen. Asperiert ergibt dies eine anrechenbare Strafe von 60 Tagen.

        2. Fahren ohne Berechtigung

          Die Beschuldigte verfügte gemäss eigenen Angaben noch nie über einen Führer- ausweis. Aufgrund der kurzen Fahrtstrecke erscheint das objektive Verschulden im Rahmen des unter diesem Tatbestand Möglichen als sehr leicht, wobei das subjektive Verschulden dieses nicht zu relativieren vermag.

          Der Umstand, dass die Beschuldigte aus ihrer Sicht dringend zu einer Woh- nungsbesichtigung musste und ohne das Motorrad zu spät gekommen wäre, vermag ihr Verhalten dabei nicht zu entschuldigen. Vielmehr wäre es an ihr gele- gen, sich rechtzeitig in anderer Weise zu diesem Termin zu begeben. Sie handelte somit direktvorsätzlich und aus rein egoistischen Motiven. Zu ihren Gunsten ist indessen ihre Betäubungsmittelabhängigkeit zu berücksichtigen.

          Insgesamt ergibt sich ein sehr leichtes Verschulden und eine Einsatzstrafe von 1,5 Monaten, nach Asperation erscheint eine Anrechnung von 1 Monat als ange- zeigt.

        3. Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges

          Das von der Beschuldigten gelenkte Motorrad war gestohlen, wobei der Diebstahl nicht von ihr selbst begangen wurde. Sodann steht lediglich eine Fahrt der Beschuldigten mit diesem Motorrad in Frage. Es ist daher im Rahmen der objektiven Tatschwere von einem sehr leichten Verschulden auszugehen. Die Würdigung des subjektiven Verschuldens vermag das objektive sodann trotz der zu Gunsten der Beschuldigten zu würdigenden Betäubungsmittelabhängigkeit in keine Rich- tung zu relativieren, handelte die Beschuldigte doch direktvorsätzlich.

          Eine Einsatzstrafe von 1 Monat ist damit angemessen, was asperiert eine An- rechnung von 20 Tagen ergibt.

        4. Fahren ohne Haftpflichtversicherung

          Da die Beschuldigte weder über einen Fahrausweis verfügt, noch das gelenkte Motorrad ihr gehört, erstaunt es nicht, dass sie auch nicht über eine Haftpflicht- versicherung verfügte. Die Erfüllung dieses Delikts ist damit eine direkte Begleit- erscheinung des Fahrens an sich. Das objektive Verschulden bezüglich dieses Tatbestandes ist daher als sehr leicht zu würdigen. In subjektiver Hinsicht hat le- diglich ein Eventualvorsatz vorgelegen und ist sodann die Abhängigkeit von Crystal Meth zu berücksichtigen, weshalb es insgesamt bei einem sehr leichten Verschulden zu bleiben hat.

          Die Einsatzstrafe ist auf 15 Tage festzulegen, wobei nach Asperation 10 Tage als Anrechnung an die hypothetische Einsatzstrafe verbleiben.

        5. Missbrauch von Ausweisen und Schildern

        Am entwendeten Motorrad, welches von der Beschuldigten geführt wurde, waren (ebenfalls) gestohlene Verkehrsschilder angebracht. Zugunsten der Beschuldig- ten zu würdigen ist, dass diese nicht von ihr entwendet und am geführten Motor- rad montiert worden waren und ihr vorliegend auch nur eine kurze Fahrt vorge- worfen wird. Ihr objektives Verschulden wiegt damit auch in diesem Delikt sehr leicht. In subjektiver Hinsicht ist mit der Vorinstanz (Urk. 78 S. 23) lediglich von Eventualvorsatz auszugehen und die Betäubungsmittelabhängigkeit leicht ver- schuldensrelativierend anzurechnen, weshalb das Verschulden gesamthaft als sehr leicht zu werten ist.

        Die Einsatzstrafe für dieses Delikt ist auf 15 Tage festzulegen, asperiert ergeben sich damit 10 Tage.

      4. Dossier 9

        1. Fahren ohne Berechtigung

          Die Beschuldigte verfügte auch bei dieser Fahrt über keinen Führerausweis. Sie fuhr von der N. -strasse 3 über die O. -strasse wiederum zur N. - strasse und von dort via P. -platz und N. -platz an die Q. strasse. Dabei handelt es sich um eine sehr befahrene Strecke, auf welcher zur Tatzeit am früheren Montagnachmittag sodann gerichtsnotorisch reger Verkehr herrscht. Aufgrund der verhältnismässig kurzen Fahrtstrecke erscheint das objek- tive Verschulden dennoch als leicht, wobei das subjektive Verschulden trotz Be- rücksichtigung der Betäubungsmittelabhängigkeit dieses nicht zu relativieren ver- mag.

          Insgesamt ergibt sich eine Einsatzstrafe von 1,5 Monaten. Nach Asperation ver- bleibt ein anrechenbarer Anteil von 30 Tagen.

        2. Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges

          Das von der Beschuldigten gelenkte Motorrad war gestohlen. Die Beschuldigte hatte auch diesen Diebstahl zwar nicht selbst begangen, ging aber davon aus, dass ihr Kollege einen solchen begangen hatte, womit zumindest Eventualvorsatz vorlag. Es steht sodann lediglich eine Fahrt der Beschuldigten mit diesem Roller in Frage. Insgesamt ist von einem sehr leichten objektiven Verschulden auszuge- hen. In subjektiver Hinsicht ist von einem Eventualvorsatz auszugehen und ihre Abhängigkeit von Crystal Meth zu ihren Gunsten zu würdigen. Somit bleibt es bei einem sehr leichten Verschulden.

          Es ist damit eine Einsatzstrafe von 1 Monat angemessen, womit die hypotheti- sche Einsatzstrafe nach Berücksichtigung der Asperation um 20 Tage zu erhöhen ist.

        3. Fahren ohne Haftpflichtversicherung

          Auch diese Fahrt unternahm die Beschuldigte, ohne über eine Haftpflichtversiche- rung zu verfügen. Die Erfüllung dieses Delikts ist indessen eine direkte Begleiter- scheinung des Fahrens an sich. Das objektive Verschulden bezüglich dieses Tat- bestandes ist daher als sehr leicht zu würdigen. In subjektiver Hinsicht scheint le- diglich ein Eventualvorsatz vorgelegen zu haben, weshalb es insgesamt bei ei- nem sehr leichten Verschulden zu bleiben hat.

          Die Strafe ist auf 15 Tage festzulegen. Die hypothetische Einsatzstrafe ist damit asperiert insgesamt um 10 Tage zu erhöhen.

        4. Missbräuchliche Verwendung von Ausweisen und Schildern

        Am entwendeten Motorrad, welches von der Beschuldigten geführt wurde, waren (ebenfalls) gestohlene Verkehrsschilder angebracht. Es ist aufgrund des erstellten Sachverhaltes nicht davon auszugehen, dass diese von ihr entwendet worden waren. Ihr objektives Verschulden wiegt damit auch in diesem Delikt sehr leicht. In subjektiver Hinsicht ist von Eventualvorsatz auszugehen, da die Beschuldigte le- diglich in Kauf nahm, dass der Roller und damit die Kontrollschilder gestohlen wa- ren. Das Verschulden ist damit gesamthaft als sehr leicht zu werten.

        Die Einsatzstrafe für dieses Delikt ist auf 15 Tage festzulegen, was asperiert eine Erhöhung der hypothetischen Einsatzstrafe um 10 Tage ergibt.

      5. Dossier 10

        Die Vorinstanz würdigte den in Dossier 10 erfüllten Sachverhalt entgegen der An- klage als unberechtigtes Verwenden eines Motorfahrzeuges (Urk. 78 S. 17 f.) und verurteilte die Beschuldigte dementsprechend. Nachdem gegen diesen Schuld- spruch keine (Anschluss-)Berufung erfolgte, ist von der Erfüllung dieses Tatbe- standes auszugehen und lediglich die entsprechende Strafzumessung zu über- prüfen.

        Die Beschuldigte verwendete den Roller im Wissen darum, dass dieser gestohlen ist. Aufgrund des erstellten Sachverhaltes ist indessen wiederum nur von einer Fahrt auszugehen. Das objektive und subjektive Verschulden wiegen insgesamt sehr leicht.

        Als Einsatzstrafe erscheint damit 1 Monat als angemessen, was nach Asperation mit 20 Tagen an die hypothetische Einsatzstrafe anzurechnen ist.

      6. Dossier 1

        Die Beschuldigte fuhr mehrmals mit J. mit dem von diesem entwendeten Motorrad mit. Vor dem Hintergrund, dass sie lediglich Mitfahrerin war und das Mo- torrad zudem nicht selbst entwendet hatte, ist das objektive Verschulden als sehr leicht zu würdigen. Der Beschuldigten musste aufgrund der gesamten Umstände bewusst sein, dass das Motorrad nicht J. gehört, weshalb sie mit direktem Vorsatz handelte. Ihre Abhängigkeit von Crystal Meth ist zu ihren Gunsten anzu- rechnen. Das subjektive Verschulden wiegt ebenfalls lediglich sehr leicht.

        Für Dossier 1 erscheint eine Einsatzstrafe von 10 Tagen als angemessen, aspi- riert sind damit 7 Tage anzurechnen.

      7. Fazit

Nach Würdigung der jeweiligen Tatkomponenten ergibt sich folgende Strafe: Einsatzstrafe:

Dossier 1

Diebstahl 90 Tage (3 Monate)

Asperation:

Dossier 1

Hausfriedensbruch 10 Tage

Sachbeschädigung 20 Tage

Dossier 6

Diebstahl 40 Tage

Dossier 3 und 5

Fahren in fahrunfähigem Zustand 60 Tage Führen Motorfahrzeug ohne Fahrausweis 30 Tage Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges 20 Tage

Fahren ohne Haftpflichtversicherung 10 Tage Missbrauch von Ausweisen und Schildern 10 Tage

Dossier 9

Führen Motorfahrzeug ohne Fahrausweis 30 Tage Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges 20 Tage Fahren ohne Haftpflichtversicherung 10 Tage Missbrauch von Ausweisen und Schildern 10 Tage

Dossier 10

Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges 20 Tage

Dossier 1

Führen eines entwendeten Motorfahrzeuges 7 Tage

Zusammenfassung: 387 Tage (= 13 Monate)

    1. Täterkomponente

      1. Persönliche Verhältnisse

        Die Beschuldigte wurde am tt. Juli 1993 in R. geboren und lebte dort zu- nächst bei ihrer Grossmutter, bis sie im März 2001 von ihrer Mutter in die Schweiz geholt wurde. Ihre Mutter hatte wieder geheiratet und die Beschuldigte wuchs in der Folge im Haushalt mit ihrer Mutter, dem Stiefvater und drei Stiefgeschwistern auf. Nach der obligatorischen Schulzeit und einem 10. Schuljahr arbeitete sie als Pflegeassistentin in einem Altersheim, machte aber keinen Lehrabschluss. Da- nach habe sie auch in Bars und Restaurants gearbeitet. 2016 sei sie für ein Jahr im Gefängnis gewesen und habe danach nur noch unregelmässig, auf Abruf, bei ihrem Stiefvater im Restaurant oder via den 2. Arbeitsmarkt gearbeitet. Schliess- lich habe sie sich beim Sozialamt angemeldet. Am 3. Dezember 2018 sei sie wie- der verhaftet worden und bis im Mai 2019 im Gefängnis gewesen. Am tt.mm.2020 wurde sie Mutter einer Tochter mit Namen S. . Da die Beschuldigte während der Schwangerschaft Crystal Meth konsumiert hatte, wurde von der KESB ein Abklärung in Auftrag gegeben und das Kind mit Einverständnis der Mutter im

        T. untergebracht. Am 13. März 2020 trat die Beschuldigte für eine Therapie in den B. ein, nachdem sie zunächst in der PUK war. Die Tochter befand sich seit dem 19. März 2020 bei ihr im B. . Während dieser Zeit kam sie mit ihrem neuen Lebenspartner, den sie während der Konsumzeit kennenlernte, zu- sammen. Am 20. März 2021 trat sie mit ihrer Tochter aus dem B. aus und lebt seither (wie auch ihr Lebenspartner) drogenfrei. Derzeit wohnt sie mit ihrer Tochter zusammen in einer 4 -Zimmerwohnung in U. im V. . Ihre Tochter besucht dort die Kindertagesstätte während drei Tagen pro Woche. Seit dem 23. Mai 2022 arbeitet sie nachts in der Konditorei W. als Mitarbeiterin Konditorin im Stundenlohn (Fr. 26.–/h zzgl. Nachtzuschlag) etwa in einem 50%- Pensum. Zuvor war sie im Rahmen einer Arbeitsintegration in einer Gärtnerei tä- tig. Nach Ablauf der derzeit noch laufenden Probezeit hat sie ein konkretes Ange- bot einer Vollanstellung mit richtigem Pensum bei ihrem heutigen Arbeitgeber. Ihre Arbeitszeit ist derzeit fünfmal pro Woche von 02.00 bis 06.00 Uhr. Geplant ist jedoch eine Ausdehnung der Arbeitszeit, d.h. von 00.00 Uhr bis 06.00 Uhr. Ihr Lohn beträgt brutto Fr. 1'700.–. Einen 13. Monatslohn erhält sie nicht. Daneben wird sie von der Sozialhilfe unterstützt. Aktuell beträgt ihre Miete Fr. 1'300.–. Die Kosten dafür sowie für die Kindertagesstätte der Tochter (Fr. 1'500.– monatlich) sowie Krankenkassenprämien und öV-Billett werden vom Sozialamt übernom- men. Für die Lebenshaltungskosten (inkl. Nebenkosten und Serafe) erhält sie monatlich Fr. 1'538.–. An der Berufungsverhandlung gab sie sodann an, Schulden zwischen Fr. 3'000.– und Fr. 5'000.– zu haben, die sie derzeit abbezahle. Vermö- gen hat sie keines (vgl. zum Ganzen Urk. 1/40/4; Urk. 1/40/8; Urk. 66; Urk. 67/3; Urk. 98; Urk. 101/3-11; Prot. II S. 7 ff.).

        Aus den persönlichen Verhältnissen der Beschuldigten lassen sich keine strafzu- messungsrelevanten Faktoren ableiten.

      2. Strafminderungsgründe

        1. Der Umstand, dass es sich bei der Beschuldigten um eine alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes handelt, begründet vorliegend keine erhöhte Strafemp- findlichkeit (MATHYS, Leitfaden Strafzumessung, 2. Auflage, Basel 2019, N 352 f.). Die Rechtsprechung betonte wiederholt, dass eine erhöhte Strafempfindlichkeit

          nur bei aussergewöhnlichen Umständen zu bejahen ist, da die Verbüssung einer Freiheitsstrafe für jede arbeitstätige und in ein familiäres Umfeld eingebettete Person mit einer gewissen Härte verbunden ist (vgl. etwa Urteile 6B_1159/2014 vom 1. Juni 2015 E. 4.4; 6B_375/2014 vom 28. August 2014 E. 2.6; 6B_605/2013

          vom 13. Januar 2014 E. 2.4.3; 6B_740/2011 vom 3. April 2012 E. 3.4; je mit Hin- weisen). Bei den von der Beschuldigten angeführten Gründen handelt es sich nicht um aussergewöhnliche Umstände, da familiäre Gründe grundsätzlich nicht zu einer erhöhten Strafempfindlichkeit führen (Urteile des Bundesgerichts 6B_738/2014 vom 25. Februar 2015, E. 3.4; 6B_1036/2018 vom 28. November

          2018, E. 3.6; 6B_312/2016 vom 23. Juni 2016, E. 1.5.3). Die Tochter der Beschuldigten ist in einem Alter, in welchem Mutter und Kind während eines allfälli- gen Strafvollzuges nicht unbedingt getrennt werden müssten und es ist nicht von einer Straflänge auszugehen, welche bis zu Beginn deren Eintritt in die Schul- pflicht andauern wird.

        2. Die Beschuldigte ist betreffend den Straftaten in den Dossiers 1, 3 und 5, 6, 8 und 10 vollumfänglich und betreffend Dossier 4 betreffend den objektiven Sach- verhalt geständig. Die Geständnisse erfolgten indessen allesamt auf einer klaren, erdrückenden Beweislage und gingen auch nicht über das heraus, was mit objek- tiven Beweisen bereits erstellt war. Dennoch führten sie dazu, dass die Strafun- tersuchung, wenn auch nur in minimem Ausmass, erleichtert wurde. Die Ge- ständnisse sind daher lediglich sehr leicht strafmindernd zu berücksichtigen.

      3. Straferhöhungsgründe

        1. Die Beschuldigte verfügt über 6 Vorstrafen (Urk. 88), was massgeblich straf- erhöhend zu berücksichtigen ist. Von diesen sind 4 in Bezug auf Diebstahl und 5 in Bezug auf Hausfriedensbruch einschlägig, was zusätzlich straferhöhend zu werten ist. Obwohl die Beschuldigte 6 Monate der mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung, vom 27. September 2016 teilbedingt ausgesprochene Strafe im Strafvollzug verbüssen musste, zeigte sie sich unbelehrbar und uneinsichtig und wurde nur 2 Jahre danach erneut, teilweise einschlägig, straffällig.

        2. Ebenfalls straferhöhend ins Gewicht fällt, dass die Beschuldigte innerhalb der 3-jährigen Probezeit für den mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abtei- lung, vom 27. September 2016 bedingt festgelegten Teil der teilbedingten Strafe, erneut straffällig wurde. Die Probezeit scheint dabei ebenfalls keine abschrecken- de Wirkung gehabt zu haben.

        3. Die Straftaten von Dossier 9 und 10 erfolgten sodann, nachdem sich die Beschuldigte bereits wieder wegen der Delikte aus den anderen Dossiers vom

        1. Dezember 2018 bis am 13. Mai 2019 während rund 4,5 Monaten in Untersu- chungshaft befunden hatte und damit während laufender Strafuntersuchung. Auch dies ist straferhöhend zu berücksichtigen.

    2. Fazit

Die Straferhöhungsgründe überwiegen vorliegend die Strafmilderungsgründe klar. Es erscheint damit als angezeigt, die Einsatzstrafe um rund einen Viertel zu erhö- hen. Die Beschuldigte ist daher mit einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten zu be- strafen.

  1. Strafzumessung in concreto betreffend Übertretungen

    1. Nebst den behandelten Verbrechen und Vergehen hat sich die Beschuldigte auch der vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 18 Abs. 1 SSV sowie der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 2 BetmG in Verbindung mit Art. 19a BetmG strafbar gemacht. Zum einen konsumierte sie Crystal Meth (Dossier 3 und 5) und zum anderen lenkte sie ein Motorrad durch ein Fahrverbot (Dossier 3 und 5). Diese beiden Übertretungen sind mit Busse zu bestrafen.

      1. Bei Crystal Meth handelt es sich um eine harte Droge, welche schwere Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Angeklagt ist indessen in Dossier 3 und 5 lediglich ein einmaliger Konsum. Dies, obwohl bei der Beschuldigten offensichtlich eine Suchtproblematik vorliegt/vorlag und sie anlässlich der Befragung durch die Polizei am 29. Mai 2018 einräumte, seit 8 Jahren jeden Morgen nach dem Aufstehen Crystal Meth zu rauchen (vgl. Urk. 5/1 S. 5). Sowohl das objektive als auch das subjektive Verschulden sind daher als sehr leicht zu werten. Bei den prekären finanziellen Verhältnissen der alleinerziehenden Beschuldigten (vgl. oben Erwägungen IV.3.3.1.) erscheint eine Busse von Fr. 200.– als angemessen.

      2. In Bezug auf die Übertretung der Verkehrsregeln ist ebenfalls von einem objektiv und subjektiv sehr leichten Verschulden auszugehen. Die Gefahr des Nichtbeachtens eines Fahrverbotes ist zwar nicht gering zu schätzen, die Ver- werflichkeit des Verhaltens der Beschuldigten bewegt sich aber im untersten Be- reich des in diesem Tatbestand Möglichen. Unter Berücksichtigung der Asperati- on ist damit die Einsatzstrafe um Fr. 100.– zu erhöhen.

4.3. Für die beiden Übertretungen ist damit eine Busse von insgesamt Fr. 300.– festzulegen.

IV. Vollzug der Strafe

  1. Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Materiell ist das Fehlen einer un- günstigen Prognose – also das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Wiederho- lungsgefahr – vorausgesetzt; die günstige Prognose wird damit gewissermassen vermutet. Zur Prognose ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei insbesondere das Vorleben des Täters und die Tatumstände einzubezie- hen sind. Die vermutete Wirkung der Strafe kann mitberücksichtigt werden (TRECHSEL/PIETH, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., Zürich 2021, Art. 42 N 7 ff.).

  2. Es sind mehrere Taten der Beschuldigten zu beurteilen, welche sie im Zeit- raum von rund 1,5 Jahren begangen hat. Dies während laufender Probezeit und teilweise während laufender Strafuntersuchung. Sodann verfügt die Beschuldigte über sechs Vorstrafen aus den Jahren 2012 bis 2016, welche teilweise auch ein- schlägig sind. Sie wurde sodann innerhalb der letzten fünf Jahre vor den vorliegend zu beurteilenden Taten zu einer (teilbedingt ausgesprochenen) Freiheits- strafe von 14 Monaten verurteilt, wovon 6 Monate vollzogen wurden, weshalb gemäss Art. 42 Abs. 2 StGB eine besonders günstige Prognose gegeben sein müsste, um den Vollzug der vorliegend auszufällenden Strafe oder eines Teils der Strafe (erneut) aufschieben zu können.

    1. Betreffend die subjektiven Voraussetzungen zur Gewährung des bedingten Vollzuges ist festzuhalten, dass seit dem letzten zu beurteilenden Vorfall vom

      4. Januar 2020 im Vergleich zum vorinstanzlichen Urteilszeitpunkt noch mehr Zeit verstrichen ist. Soweit bekannt, hat sich die Beschuldigte im Zeitpunkt der heuti- gen Verhandlung seit rund 2,5 Jahren nichts mehr zu Schulden kommen lassen, was auch aus ihrem aktuellen Strafregisterauszug ersichtlich ist (Urk. 88). Was die von der Staatsanwaltschaft angesprochene neue Strafuntersuchung anbe- langt (vgl. aktueller Strafregisterauszug; Urk. 89), wirkt sich diese aufgrund der geltenden Unschuldsvermutung nicht auf die Strafzumessung aus. Im Übrigen brachte die Verteidigung in dieser Hinsicht vor, gemäss Auskunft des zuständigen Staatsanwalts werde das Strafverfahren betreffend die Beschuldigte in den nächsten Monaten eingestellt (Prot. II S. 37). Die Beschuldigte scheint es damit seit der Geburt ihrer Tochter geschafft zu haben, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Sie lebt drogenfrei (was durch wiederholte negative Urinproben belegt ist; vgl. Urk. 101/8-11), nachdem sie freiwillig mehr als ein Jahr lang einen thera- peutisch begleiteten Drogenentzug im B. gemacht hatte. Sodann hat sie sich von ihrem früheren Milieu-Umfeld distanziert und lebt heute mit ihrer Tochter in U. im V. . Mit Hilfe der sozialen Institutionen konnte sie sich im pri- mären Arbeitsmarkt integrieren und ist heute in einem Teilzeitpensum in einer Konditorei tätig. Sodann nimmt sie als Unterstützung bei der Erziehungsarbeit ei- ne Familienbegleitung in Anspruch, von welcher ihr ein durchwegs gutes Zeugnis ausgestellt wird. Die therapeutische Arbeit mit Dr. phil. C. , deren Weiterfüh- rung von der Vorinstanz angeordnet worden war, hat sie auch nach dem Austritt aus dem B. weitergeführt. Dr. phil. C. schreibt in seinem Bericht, die Beschuldigte sei seit dem 15. Dezember 2020 in niederfrequenter Psychothera- pie, wobei die letzte Sitzung am 13. Januar 2022 stattgefunden habe. Aus seiner Sicht habe sich in verschiedener Hinsicht eine Stabilisierung bezüglich der Tochter, der Beziehung zum Freund, der Wohnsituation, der Arbeitssuche und der Drogenabstinenz ergeben, sodass die Sitzungsfrequenz habe vermindert werden können). Eine Weiterführung der Therapie ist seiner Einschätzung nach nicht mehr notwendig (Urk. 96/2). Auch die Familienbegleitung schildert die Entwick- lung der Beschuldigten sehr positiv. Es scheint ihr gelungen zu sein, sie nach ih- rem Austritt aus dem B. weiter zu stabilisieren und mit ihrem neuen Partner und der Tochter eine tragfähige Beziehung, welche auch im Alltag Bestand hat, aufzubauen. Die Zusammenarbeit mit dem Helfersystem (Familienbegleitung, Beiständin, Kanu Beratungsstelle) sei gut und verbindlich (Urk. 98). Dies wird auch im Schlussbericht der vormaligen Beiständin der Tochter der Beschuldigten bestätigt (Urk. 101/4; vgl. auch Urk. 101/5). Aufgrund der positiven Entwicklung der Beschuldigten konnte die Familienbegleitung abgeschlossen werden

      (Urk. 101/4 S. 5). Der Beschuldigten gelang es zudem, nach ihrer Tätigkeit in ei- nem Arbeitsintegration, eine Arbeitsstelle im primären Arbeitsmarkt zu finden. Diese hat sie Ende Mai 2022 angetreten. Nach Ablauf der dreimonatigen Probe- zeit kann sie gemäss ihren Angaben in einem festen Pensum arbeiten (aktuell ist sie im Stundenlohn tätig (Prot. II S. 11; Urk. 101/7). Die neutralen Berichte konsta- tieren der Beschuldigten in Bezug auf ihre Tochter ein grosses Verantwortungs- bewusstsein. Sie zeigen auch, dass sie bei Bedarf auf ihr Helfersystem zurück- greift. Auch hat sie ein soziales Netz, auf welches sie sich stützen kann. So be- sucht sie zweimal wöchentlich ihre Mutter in AA. und die Mutter ihres Le- benspartners, mit der sie in sehr gutem Kontakt steht, wie auch der Lebens- partner selbst, der sie bei der Kinderbetreuung unterstützt, leben in der direkten Nachbarschaft (Prot. II S. 13, S. 16 ff.). Dass sie ihren Lebenspartner beim Dro- genkonsum kennenlernte und dieser Vorstrafen aufweist, wie die Staatsanwalt- schaft anmerkte (Urk. 102 S. 7), bestätigte die Beschuldigte. Es finden sich indes- sen in den Berichten der Behörden klare Anhaltspunkte, dass diese schwierige Zeit für die Beschuldigte und ihren heutigen Partner abgeschlossen ist. Sodann bestehen keine Hinweise dafür, dass diese Umstände sich heute noch negativ auf die Beschuldigte und ihre Tochter auswirken.

    2. Die Fortschritte der Beschuldigten in ein sucht- und deliktsfreies Leben sind sehr erfreulich und erscheinen für eine Person mit der Suchtproblematik, die nach

      ihren Angaben seit 2013 bestand (Prot. II S. 12), sowie der deliktischen Vergan- genheit, wie sie im Falle der Beschuldigten vorliegt, keinesfalls selbstverständlich. Die positive Entwicklung, welche sich schon im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Hauptverhandlung abgezeichnet hatte, hat sich bis heute - wenn auch in kleinen Schritten, so doch beständig - weitergezogen, trotz des laufenden Strafverfah- rens. Für eine Person mit einer langjährigen Suchtproblematik ist eine derartige Entwicklung und Stabilisierung ohne eine stationäre Massnahme aussergewöhn- lich und zeugt von einem grossen Sondereffort, den die Beschuldigte leistete und immer noch leistet. Die positive Prognose der Vorinstanz hat sich damit bestätigt und die Beschuldigte hat damit grossen Durchhaltewillen bewiesen, ihr Leben po- sitiv zu verändern. Wenngleich gewisse Umstände, wie die Arbeit in der Nacht und die Beziehung zu ihrem Lebenspartner noch auf wackligen Füssen erschei- nen, besteht aufgrund der aktuellen Aktenlage berechtigte Hoffnung, dass sich die positive Entwicklung weiterziehen wird. Dies hat die Beschuldigte sodann selbst überzeugend dargetan (Prot. II S. 14 ff.).

    3. Mit der Vorinstanz ist daher festzuhalten (Urk. 78 S. 29 f.), dass der Beschuldigten eine besonders günstige Prognose gestellt werden kann. Aus spezial- und generalpräventiven Überlegungen ist sodann zu befürchten, dass ein unbe- dingter Freiheitsentzug im vorliegenden Fall die positive Entwicklung und die auf- bauenden Massnahmen, um die Beschuldigte zu einem drogen- und deliktsfreien Leben zu führen, stark gefährden bzw. sich gar kontraproduktiv auswirken wür- den. Die Befragung der Beschuldigten anlässlich der Berufungsverhandlung hat sodann gezeigt, dass ihr bewusst ist, was ein Freiheitsentzug für sie und ihre Tochter bedeuten würde (Prot. II S. 7 ff., S. 39). Dies auch, nachdem sie vor der Geburt der Tochter insgesamt bereits rund ein Jahr im Gefängnis verbracht hat.

    4. Der Beschuldigten ist daher der bedingte Strafvollzug zu gewähren und auch von einem teilbedingten Vollzug ist aus den gleichen Gründen abzusehen. Am Rande ist festzuhalten, dass der bedingte Vollzug im überschneidenden Be- reich zum teilbedingten Vollzug die Regel darstellt. Ein teilbedingter Vollzug ist dann auszusprechen, wenn der Aufschub aus spezialpräventiver Sicht erfordert,

      dass wenigstens ein Teil der Strafe unbedingt ausgesprochen wird (vgl. BGE 144 IV 277 E. 3.1.1). Dies erscheint bei der Beschuldigten nicht der Fall zu sein.

  3. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Vorstrafen und um den verbleibenden Bedenken Rechnung zu tragen, erscheint es als angezeigt, eine Probezeit deut- lich über dem gesetzlichen Minimum, mithin auf 5 Jahre, festzulegen.

  4. Die Busse ist in jedem Fall zu bezahlen (Art. 105 Abs. 1 StGB). Bei schuldhafter Nichtbezahlung tritt anstelle der Busse eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen (Art. 106 Abs. 2 StGB).

V. Widerruf

  1. Gemäss Art. 46 Abs. 1 StGB widerruft das Gericht eine bedingt ausgefällte Strafe, wenn der Beschuldigte während der Probezeit ein Verbrechen oder Ver- gehen begeht und deshalb zu erwarten ist, dass er weitere Straftaten verüben wird. Ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen führt nicht zwingend zum Widerruf des bedingten Strafaufschubs. Dieser soll nur erfol- gen, wenn wegen der Begehung des neuen Delikts zu erwarten ist, dass der Beschuldigte weitere Straftaten verüben wird. Dabei wird keine günstige Prognose verlangt, sondern das Fehlen einer ungünstigen Prognose. Somit ist eine bedingt ausgefällte Strafe nur zu widerrufen, wenn von einer negativen Einschätzung der Bewährungsaussichten auszugehen ist, d.h. aufgrund der erneuten Straftat eine eigentliche Schlechtprognose besteht. Die Prüfung der Bewährungsaussichten ist anhand einer Gesamtwürdigung aller wesentlicher Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorle- ben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Beschuldigten und seine Aussichten auf Bewährung zulassen. Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiogra- phie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeit- punkt des Entscheides einzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen. In die Beurteilung der Bewährungsaussichten

    ist im Rahmen der Gesamtwürdigung auch miteinzubeziehen, ob die neue Strafe bedingt oder unbedingt ausgesprochen wird (BGE 134 IV 140 E. 4).

  2. Die Beschuldigte hat einen Teil der vorliegend zu beurteilenden Taten in der Probezeit gemäss Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung, vom 27. Sep- tember 2016 begangen, weshalb ein Widerruf zu prüfen ist. Mit diesem Urteil wurde sie zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten (Teilzusatzstrafe zum Strafbe- fehl der Staatsanwaltschaft Limmat/Albis vom 2. Januar 2016, welche wiederum eine Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 2. Januar 2016 dargestellt hatte) verurteilt. Der Vollzug wurde teilbedingt ausgesprochen, wobei der zu vollziehende Teil auf 6 Monate festgelegt wurde und im Zeitpunkt des Urteils des Bezirksgerichts Zürich, 1. Abteilung, vom

27. September 2016 bereits mit der Untersuchungshaft sowie dem vorzeitigen Strafvollzug erstanden war. Die Probezeit für den bedingt ausgesprochenen Straf- teil wurde auf 3 Jahre festgelegt. Die Beschuldigte wurde innerhalb der Probezeit erneut (mehrfach) straffällig.

3. Wie bereits unter Ziffer IV. ausgeführt wurde, ist der Beschuldigten trotz ihrer schwierigen Vergangenheit für die Zukunft eine klar positive Legalprognose zu stellen. Aus den gleichen Gründen, wie auf einen Vollzug der mit vorliegendem Entscheid auszufällenden Freiheitsstrafe zu verzichten und stattdessen eine be- dingte Strafe auszusprechen ist, ist auch auf den Widerruf des im Urteil vom 27. September 2016 bedingt ausgesprochenen Strafrestes zu verzichten. Um den Restbedenken zu entsprechen, ist jedoch die Probezeit gemäss Art. 46 Abs. 2 StGB um 1½ Jahre zu verlängern.

VII. Landesverweisung

  1. Rechtliche Grundlagen

    1. Die Vorinstanz hat die Theorie zur Anordnung einer Landesverweisung aus- führlich und zutreffend dargelegt (Urk. 61 S. 73f). Auf diese Erwägungen kann verwiesen werden. In teilweiser Wiederholung, aber auch in Ergänzung dazu – insbesondere zwecks vertiefter Darstellung der neueren Rechtsprechung des

      Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nach- folgend: EGMR) – sei Folgendes angemerkt: Die obligatorische Landesverwei- sung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätz- lich unabhängig von der konkreten Tatschwere. Sie muss zudem unabhängig da- von ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1, m.H.). Von der Landesverweisung kann gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sie kumulativ [1] einen schweren persönlichen Härte- fall bewirken würde und [2] die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Diese sog. Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV

      332 [Pra 2019 Nr. 7] E. 3.1.2; je m.H.). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV

      332 [Pra 2019 Nr. 7] E. 3.3.1). Dabei ist anhand der gängigen Integrationskriterien eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1024/2019 vom tt.mm.2020 E. 1.3.2 und E. 1.3.6, m.H.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a

      Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Härtefall in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranzie- hen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirt- schaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen. Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen (anstelle vieler: Urteil des Bundesgerichts 6B_166/2021 vom 8. September 2021

      E. 3.3.2, m.H.). Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts 6B_348/2020 vom 14. August 2020 E. 1.2.1). Der besonderen Situation von in der Schweiz ge- borenen oder aufgewachsenen Ausländern wird im Sinne von Art. 66a Abs. 2 Satz 2 Rechnung getragen, indem eine längere Aufenthaltsdauer, zusammen mit einer guten Integration – beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs in der Schweiz –, in aller Regel als starke Indizien für ein gewichtiges Interesse an einem Verbleib in der Schweiz und damit für das Vorliegen eines Härtefalls zu wer- ten sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4).

    2. Unter dem Titel des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Sinne

      von Art. 8 EMRK genügen selbst eine lange Anwesenheit und die damit verbun- dene normale Integration nicht; erforderlich sind besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesell- schaftlicher Natur (BGE 144 II 1 E. 6.1). Es ist auch nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz anzunehmen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4). Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der In- teressenabwägung im Rahmen von Art. 8 EMRK insbesondere Art sowie Schwe- re der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat ver- strichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Hei- matstaat zu berücksichtigen (Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021, Nr. 77220/16, Ziff. 34; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020, Nr. 59006/18, Ziff. 49-51). Jedoch verlangt der EGMR bei im Aufnahmestaat gebore- nen ausländischen Personen sehr solide Argumente für die Begründung der Lan- desverweisung (Urteile des EGMR E.V. gegen Schweiz vom 18. Mai 2021,

      Nr. 77220/16, Ziff. 38; M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020,

      Nr. 59006/18, Ziff. 52, 57 und 69). Die Wegweisung von Ausländern, die im Auf- nahmeland geboren oder aufgewachsen sind, ist grundsätzlich nur bei schweren, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung tangierenden Straftaten zulässig (Urteil des EGMR M.M. gegen Schweiz vom 8. Dezember 2020, Nr. 59006/18, Ziff. 29 und 58 mit Hinweis auf die Empfehlung 1504 [2001] der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates; vgl. auch Urteil 6B_1178/2019 vom 10. März 2021 E. 3.2.5., m.H.).

    3. Das durch Art. 13 BV bzw. Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens ist berührt, wenn die von der staatlichen Massnahme betroffene Person in ihrem Familienleben, – verstanden als die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern –, beeinträchtigt wird; ausnahmsweise fallen aber auch andere familiäre Verhältnisse in den Schutzbereich, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht (vgl. dazu im Einzel- nen BGE 145 I 227 [Pra 2020 Nr. 11] E. 5.3; 144 I 266 E. 3.3; 144 II 1 E. 6.1).

    4. Ist eine Landesverweisung nach Schweizer Recht anzuordnen, stellt sich in einem zweiten Schritt gegebenenfalls die weitere Frage, ob ein völkerrechtlicher Vertrag wie das FZA einen Hinderungsgrund für die Landesverweisung bildet (Ur- teil des Bundesgerichts 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019, E. 2.1.). Als … Staats- angehörige [Staatsangehörige von R. ] steht die Beschuldigte grundsätzlich unter dem Schutz des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossen- schaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (SR 0.142.112.681; nach- folgend FZA). Das FZA gibt Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU und der Schweiz u.a. das Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien (Art. 1 lit. a). Nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dürfen die im Abkommen einge- räumten Rechte nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ord- nung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden. Die Landesverweisung nach Art. 66a ff. StGB ist als Institut des Strafrechts und nach der Intention des Verfassungs- und Gesetzgebers primär als sichernde Mass- nahme zu verstehen (Urteil des Bundesgerichts 6B_75/2020 vom 19. Januar 2021, E. 2.5.1 m.H.). Ob die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch einen Täter (weiterhin) gefährdet ist, folgt aus einer Prognose des künftigen Wohlverhaltens. Es ist nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzie- ren: Je schwerer die Gefährdung, desto niedriger die Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr. Ein geringes, aber tatsächlich vorhandenes Rückfallrisiko kann für eine aufenthaltsbeendende Massnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA genügen, sofern dieses Risiko eine schwere Verletzung hoher Rechtsgüter wie z.B. die körperliche Unversehrtheit beschlägt (BGE 145 IV 364 E. 3.5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_75/2020 vom 19. Januar 2021, E.

      2.5.1).

  2. Parteistandpunkte

    1. Die Vorinstanz hatte in ihrem Entscheid das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls bejaht und erachtete die privaten Interesse der Beschul-

      digten am Verbleib in der Schweiz im Vergleich zum öffentlichen Interesse an der Landesverweisung als überwiegend, weshalb sie von einer Landesverweisung absah (Urk. 78 S. 38).

    2. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Anschlussberufung die Anord- nung einer Landesverweisung von 5 Jahren sowie die Ausschreibung der Beschuldigten im Schengener Informationssystem (Urk. 79 S. 6; Urk. 102 S. 9 f.).

    3. Die Beschuldigte führte vor Vorinstanz aus, dass keine Katalogtat vorliege, weshalb auch die Anordnung einer Landesverweisung nicht in Frage komme. Für den Fall, dass das Gericht dennoch von einer Katalogtat ausgehen, sei von einer Landesverweisung abzusehen, da ein Härtefall vorliege. Die Beschuldigte habe ihre prägenden Jahre in der Schweiz verbracht. Die R. habe sie erst ca. dreimal besucht und die Sprache spreche sie nur schlecht. Nachdem ihre Gross- mutter gestorben sei, habe sie dort sodann niemanden mehr, zu dem sie eine Be- ziehung habe. Sie habe dort kaum eine Chance auf Arbeit, kein soziales Umfeld und kenne die Kultur nicht (zum Ganzen: Urk. 66 S. 15 f.). Anlässlich der Beru- fungsverhandlung stellte sie sich zudem auf den Standpunkt, dass die Vorausset- zungen für eine Landesverweisung gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen nicht erfüllt seien und sie deshalb von vornherein nicht des Landes verwiesen werden dürfte (Urk. 103 S. 8 ff.).

  3. Beurteilung

    1. Der Deliktskatalog gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB stellt die Konkretisierung von Art. 121 Abs. 3 und 4 BV dar und ist abschliessend (BERTOSSA, in Trech- sel/Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbruch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, N 9 zu Art. 66a StGB). Vorliegend hat sich die Beschuldigte, indem sie mit ihrem Mit- täter in eine private Tiefgarage gefahren ist und dort Motorradbestandteile ent- wendet hat, sowohl des Diebstahls als auch des Hausfriedensbruchs, schuldig gemacht, womit sich die Frage stellt, ob von einem Einbruchdiebstahl im Sinne einer Katalogtat nach Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB ausgegangen werden muss.

    2. Die in der Verfassung verwendete Bezeichnung eines Einbruchsdelikts ist kein Begriff des schweizerischen Strafrechts und wurde mit Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB umgesetzt. Gemäss Botschaft ist darunter folgender Sachverhalt zu verste- hen: Um einen Diebstahl zu begehen, dringt der Täter in ein Haus, eine Wohnung oder einen Geschäftsraum ein, der fremdem Hausrecht unter-steht. Neben dem Einbruchdiebstahl wird auch der sog. Einschleichdiebstahl erfasst, bei dem der Täter sich in einem fremden Raum einschleicht, ohne dass Schlösser, Türen, Fenster oder Ähnliches zerstört werden (Botschaft zur Änderung des Strafgesetz- buchs und des Militärstrafgesetzes vom 26. Juni 2013, BBl 2013 5975 ff., S. 6022). Das Bundesgericht setzte sich im Zusammenhang mit einem Ladendieb- stahl mit Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB auseinander. Es hielt fest, bei der Verfas- sungsauslegung sei vom Wortlaut der Norm auszugehen; dem Verhältnismässig- keitsgrundsatz komme dabei besondere Bedeutung zu. Das Wort Einbruch sei die Substantivierung des Verbs einbrechen, das primär bedeute: gewaltsam in ein Gebäude, in einen Raum o.Ä. eindringen (um etwas zu stehlen). Der über die Ausschaffungsinitiative in die Verfassung eingeführte politisierte kriminologische Begriff des Einbruchsdelikts sei (wie jener des Drogenhandels) ohne straf- rechtlich bestimmten Inhalt, aber von medial eingängiger Bildhaftigkeit. Das dürf- te auch die landläufig gewöhnliche Bedeutung des Worts Einbruchsdelikt in der Schweiz wiedergeben. Ein eigentlicher Gewaltakt sei nach der Umsetzungsnorm von Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB nicht erforderlich, da bereits der Einschleichdieb- stahl erfasst werde. Auch das Unrecht des Hausfriedensbruchs liege im Eindrin- gen in einen Raum durch die unerwünschte Person. Bereits ein Betreten entge- gen dem Willen des Hausherrn sei objektiv tatbestandsmässig. Dieses Eindringen als solches sei kein Einbruchsdelikt. Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip sei nicht anzunehmen, dass ein Ladendiebstahl unter schlichter Verletzung eines (hier soweit ersichtlich privatrechtlichen) Hausverbots in einem dem Publikum of- fenstehenden Verkaufsgeschäft zu einer obligatorischen Landesverweisung führe. Massgebend sei der Wortlaut der Bundesverfassung. Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB sei im Sinne der Bundesverfassung tatsächlich als Einschleich- oder Einbruch- diebstahl auszulegen. Der gemeinübliche Ladendiebstahl in Verbindung mit Haus- friedensbruch (der bei Verletzung eines Hausverbots in einem Kaufhaus vorliege)

      sei nicht unter Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB zu subsumieren (BGE 145 IV 404 E. 1.5.2; vgl. dazu auch BRUN/FABBRI, Die Landesverweisung – neue Aufgaben und Herausforderungen für die Strafjustiz, in: recht 4/2017, S. 236 f.).

    3. Auch wenn sich die Beschuldigte im Sinne von Art. 186 StGB des Haus- friedensbruchs schuldig machte, ist fraglich, ob das Eindringen in die grundsätz- lich schrankenlos zugängliche Garage genügt, um ein Einbrechen im Sinne ei- ner Katalogtat nach Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB zu begründen. Wie in Literatur und Rechtsprechung indessen festgehalten wird, ist für die Erfüllung eines Einbruch- diebstahls im Sinne einer Katalogtat keine Sachbeschädigung, mithin das gewalt- same Überwinden eines Hindernisses, erforderlich. Vielmehr erfüllt auch ein Ein- schleichdiebstahl die Norm von Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB. Vorliegend bestanden zwar keine physischen Schranken, welche die Beschuldigte von der Einfahrt in die Garage abgehalten hätten, dennoch ist für jedermann klar ersichtlich, und wird auch mit einem entsprechenden Schild bezeichnet, dass es sich um eine private Garage handelt, in welcher fremde Personen grundsätzlich keinen Zutritt haben. Anders als in der Konstellation, welche dem Urteil des Bundesgerichts 145 IV 404 zugrunde lag, ist der Beschuldigten anzulasten, in eine dem Publikum grundsätz- lich nicht zugängliche Örtlichkeit eingedrungen zu sein. Die Mieter der entspre- chenden Garagenplätze müssen vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass ihre Fahrzeuge und persönlichen Gegenstände dort in Sicherheit sind. Gerade die Verletzung dieses Vertrauens in die Unantastbarkeit des privaten Raumes sollte mit dem Umstand, dass ein Einbruchdiebstahl als Katalogtat für eine Landesver- weisung im Gesetz aufgenommen wurde, auch geschützt werden. Auch unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips erscheint es damit als angemessen, das Verhalten der Beschuldigten unter die Katalogtat von Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB zu subsumieren. Es ist indessen bereits hier festzuhalten, dass sich die Schwere der Katalogtat vorliegend am untersten Rand des Möglichen befindet.

      Die R. e Beschuldigte hat sich in einem Fall des Einbruchdiebstahls im Sin- ne von Art. 139 StGB in Verbindung mit Art. 186 StGB schuldig gemacht (Dossier

      4) und damit eine Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB begangen.

      Damit ist sie gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. d StGB grundsätzlich des Landes zu ver- weisen, da ein Fall der obligatorischen Landesverweisung vorliegt.

    4. Es liegt jedoch ein schwerer persönlicher Härtefall vor. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen, wo die persönlichen Verhältnisse der Beschul- digten dargestellt und die damit in Zusammenhang stehenden privaten Interessen gewürdigt werden. Aus den Akten und den Befragungen der inzwischen 28- jährigen Beschuldigten … Staatsangehörigkeit [Staatsangehörige des Staates

  1. ] ergeben sich zusammengefasst die bei der Täterkomponente bereits dargelegten persönlichen Verhältnisse (vgl. E. III.3.2.1.).

        1. Was die Aufenthaltsdauer in der Schweiz anbelangt, so ist zu bemerken, dass die Beschuldigte am tt. Juli 1993 in der R. geboren wurde und die ers- ten 9 Lebensjahre dort bei ihrer Grossmutter aufwuchs, bevor ihre Mutter sie 2001 zu sich in die Schweiz holte, wo sie in der Folge die Schulen besuchte (Urk. 40/4

  2. 1 f.). Es liegt damit offensichtlich eine lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz vor. Die Beschuldigte verfügt sodann in der Schweiz über eine Niederlassungsbewilligung C

      1. Zur familiären Situation ist festzuhalten, dass die Beschuldigte mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren drei Halbgeschwistern aufwuchs (eine Schwes- ter, zwei Brüder). Ihren leiblichen Vater kenne sie nicht. Ihr Stiefvater sei

        AB. Staatsangehöriger. Sie spreche wohl etwas R. , aber nicht gut. Wohl habe sie noch Tanten in R. , zu diesen habe sie aber keinerlei Kon- takt, ihre Grossmutter sei gestorben (vgl. Urk. 40/4; Urk. 62; Prot. II S. 12, S. 16,

        S. 19). Am tt.mm.2020 wurde die Beschuldigte Mutter einer Tochter. Die beiden leben heute zusammen mit dem neuen Partner der Beschuldigten in U. im Zürcher Oberland (Urk. 98; Prot. II S. 8 f., S. 11). Da sie derzeit keinen Kontakt mehr zum Vater der Tochter hat und dieser in die Erziehung nicht involviert zu sein scheint, ist davon auszugehen, dass sie die Hauptbezugsperson der Tochter ist. Die Regelung der Kontakte zum Kindsvater konnte bis anhin noch nicht vor- genommen werden (Prot. II S. 9). Die Tochter ist indessen heute noch nicht schulpflichtig und wohl vor allem auf ihre Kernfamilie fokussiert, weshalb sie in der Schweiz auch noch nicht eng verwurzelt scheint. Die Beschuldigte selbst verfügt

        gemäss ihren eigenen Angaben über eine enge, gelebte Beziehungen zu ihrer Kernfamilie in der Schweiz im Sinne von Art. 13 BV und Art. 8 EMRK.

      2. Zur beruflichen Integration ist zu bemerken, dass die Beschuldigte über keine abgeschlossene Ausbildung verfügt. Nach der Oberstufe habe sie ein

        10. Schuljahr absolviert und danach als Pflegeassistentin gearbeitet. In der Folge habe sie im Restaurant ihres Stiefvaters gearbeitet. 2017 habe sie sich beim So- zialamt angemeldet und nur noch teilweise als Aushilfe gearbeitet. Von Juni bis November 2017 habe sie mit Unterstützung des Sozialamtes im 2. Arbeitsmarkt gearbeitet (Urk. 40/4 S. 2). Danach scheint die Beschuldigte aufgrund ihrer Dro- gensucht in eine Abwärtsspirale geraten und nicht mehr erwerbstätig gewesen zu sein. Es sticht ins Auge, dass die Beschuldigte in den letzten Jahren nur unregel- mässig und oft gar nicht erwerbstätig gewesen ist. Der Grund dürfte in ihrer schlechten Qualifikation und insbesondere ihrer Drogensucht liegen, war doch die Wirtschaftslage in der Schweiz in den letzten zehn Jahren grundsätzlich gut und die Arbeitslosenquote niedrig (vgl. dazu die Information auf der Website des Bun- desamts für Statistik; https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.html; zuletzt abgeru- fen am 5. Mai 2022). Aktuell ist die Beschuldigte drogenfrei und nach einer kurzen Arbeitsintegration fest bei einer Konditorei in einem Teilzeitpensum angestellt (vgl. vorstehend E. III.3.2.1). Insgesamt ist die Beschuldigte über den gesamten Zeit- raum ihres Aufenthalts in der Schweiz zwar keineswegs gut in den Schweizer Ar- beitsmarkt integriert: Sie verfügte nie über eine längerfristige Arbeitsstelle. Re- gelmässig hat sie längere Zeit nicht gearbeitet, dies ist zu einem hohen Grad selbstverschuldet. Es zeigt sich diesbezüglich jedoch eine positive Entwicklung. Zusammenfassend ist die berufliche Integration im Vergleich zu anderen in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Ausländern als unterdurchschnittlich zu bezeichnen.

      3. Die Beschuldigte lebt derzeit teilweise von der finanziellen Unterstützung des Staates, da sie ihren Lebensbedarf und derjenigen ihrer Tochter mit ihrem ak- tuellen Einkommen noch nicht vollständig selbst decken kann. Anlässlich der vo- rinstanzlichen Hauptverhandlung hatte sie ausgeführt, vom Sozialamt monatlich Fr. 450.– zu erhalten, wobei sie sich damals noch im B. aufhielt. Sie machte

        damals geltend, mit Fr. 15'000.– verschuldet zu sein, wobei sie jeden Monat Fr. 20.– abbezahle. Auch in dieser Hinsicht ist eine positive Entwicklung sichtbar, da sie gemäss ihren Angaben ihre Schulden reduzierte und stetig abbaut (vgl. E. III.3.2.1.). Die Beschuldigte kann vor diesem Hintergrund noch nicht als erfolg- reich finanziell integriert gelten, wenngleich sie entsprechende Bemühungen zeigt (vgl. zu diesem Begriff Urteil des Bundesgerichts 6B_994/2020 vom 11. Ja- nuar 2021 E. 2.2.2.).

      4. Was die Möglichkeiten einer beruflichen und gesellschaftliche Integration im Herkunftsland anbelangt, so erklärte die Beschuldigte, dass ihre Muttersprache wohl R. sei, sie aber mit ihrer Familie in der Schweiz Deutsch spreche. In der R. habe sie nur noch Tanten, zu welchen sie aber keinerlei Kontakt ha- be. Sie sei erst ca. dreimal in der R. gewesen, seit ihre Mutter sie in die Schweiz geholt habe. Daraus ergibt sich, dass ihr die soziale Integration einer- seits nicht leicht fallen dürfte, scheinen doch sämtliche ihrer Familienmitglieder, zu welchen sie eine Beziehung hat, in der Schweiz zu leben. Andererseits spricht sie die Sprache doch zumindest in den Grundzügen, weshalb die berufliche Integrati- on in der R. als möglich erscheint. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beschuldigte – insbesondere aufgrund der verschiedenen in der Vergangenheit ausgeübten Jobs – in der Lage wäre, in ihrem Heimatland in diversen Funktionen zu arbeiten. Nach dem Gesagten wäre es ihr, wenn auch mit gewissen Schwie- rigkeiten, möglich, sich in ihrem Heimatland beruflich und gesellschaftlich zu in- tegrieren

      5. Was die soziale Integration in der Schweiz anbelangt, so ist anhand der Ak- ten und Aussagen der Beschuldigten nicht erkennbar, dass sie unter diesem Aspekt hierzulande besonders verwurzelt ist. Sie pflegt Kontakt zu ihren Mitarbei- tern und anderen Müttern aus der Kita bzw. der Kirche (Prot. II S. 16), verbringt ihre Zeit darüber hinaus aber ausschliesslich mit ihrem familiären Umfeld, d.h. ih- rer Mutter, ihrem Lebenspartner sowie dessen Mutter. In dieser Hinsicht kann sie allerdings auf gefestigte und starke Beziehungen zurückgreifen.

      6. Ihre Bemühungen, mit der sie eine positive Entwicklung und Stabilisierung ihrer Lebensumstände erreichte, machen deutlich, dass ihre bisherige, teilweise

nur mangelhafte Integration (wie auch ihre Delinquenz) auf ihre Suchtproblematik zurückzuführen ist. Ihr Lebensmittelpunkt befindet sich in der Schweiz, wo sie auf ein stabiles familiäres und soziales Netz zurückgreifen kann. Zu berücksichtigen ist zudem in diesem Zusammenhang, dass es sich bei ihr um eine behandlungs- bedürftige Drogenabhängige handelt, die hier in der Schweiz in ein gut funktionie- rendes behördliches und soziales Helfersystem integriert ist, was in ihrem Heimat- land nicht der Fall ist. Gerade in Bezug auf ihre Tochter ist dies von grosser Be- deutung und fällt entsprechend ins Gewicht.

3.5. Aufgrund der dargelegten Gesamtbetrachtung ist ein schwerer persönlicher Härtefall im Falle einer Landesverweisung in Übereinstimmung mit der Vorinstanz insbesondere aufgrund des Umstandes zu bejahen (Urk. 78 S. 38), dass die Beschuldigte Mutter einer Tochter in der Schweiz ist und diese Rolle aktiv auszu- üben scheint. Die Summe aller Schwierigkeiten einer Umsiedlung in die R. würden die Beschuldigte insgesamt derart hart treffen, so dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrachtung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in ihre Persönlichkeit führen würde.

  1. Das Ziel der Landesverweisung ist die Verhinderung weiterer Straftaten in der Schweiz. Bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses spielen daher die folgenden Aspekte eine Rolle: Die ausgefällte Strafe, die Art der begangenen De- likte, eine grosse Rückfallgefahr, eine wiederholte Straffälligkeit, eine erneute Straffälligkeit nach einer verbüssten Freiheitsstrafe, eine Straffälligkeit nach einer migrationsrechtlichen Verwarnung. Das gesamte öffentliche Interesse ist dem ge- samten privaten Interesse gegenüberzustellen. Resultiert dabei ein überwiegen- des öffentliches Interesse, ist die Landesverweisung auszusprechen (BUSSLINGER/ UEBERSAX, a.a.O., S. 103).

    1. Bei der Bewertung des öffentlichen Interesses fällt ins Gewicht, dass die Beschuldigte laut aktuellem Auszug aus dem Schweizerischen Strafregister vom

      27. Mai 2022 (Urk. 88) über sechs Vorstrafen verfügt und einen Teil derselbigen im Gefängnis verbüssen musste.

    2. Der Beschuldigte wurde/wird sodann im vorliegenden Verfahren wegen di- verser Delikten schuldig gesprochen und mit 16 Monaten Freiheitsstrafe (bedingt) sowie einer Busse von Fr. 300.– bestraft. Seit den vorliegend zu beurteilenden Taten ist die Beschuldigte jedoch nicht mehr straffällig geworden, sondern hat sich vielmehr von ihrer Drogenvergangenheit lösen können. Ihre Taten gegen di- verse Rechtsgüter sind sodann angesichts deren beachtlichen Bandbreite und dem nicht unerheblichen Deliktszeitraum zwar nicht mehr als Bagatellen, aber bei fast allen Delikten im Bereich der kleineren Kriminalität einzustufen. Bei der in Frage stehenden Katalogtat des Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ist sodann mit der Vorinstanz festzuhalten, dass kein üb- licher Fall eines Einbruchdiebstahls vorliegt (Urk. 78 S. 37 f.). Die Art und Weise, wie der Hausfriedensbruch in die frei zugängliche, nicht abgeschlossene oder ab- getrennte Garage geschah ist, kaum vergleichbar mit demjenigen in eine Woh- nung oder ein Haus. Die Schwelle zum Kriterium der Katalogtat wurde daher mehr zufällig erreicht und die Tat liegt im Vergleich zu den in Art. 66a StGB festgehaltenen Katalogtaten im untersten Bereich des möglichen Tatverschul- dens. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von der Beschuldigten ausgeht, ist daher lediglich als sehr leicht einzustufen.

  2. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände überwiegt das private Interesse der Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz die öffentlichen Interessen an ihrer Landesverweisung. Es liegt ein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von

    Art. 66a Abs. 2 StGB vor. Dieser lässt es angesichts der Taten der Beschuldigt- en, der von ihr nach wie vor ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie vor dem Hintergrund, dass ihr eine besonders günstige Prog- nose und kaum vorhandenes Rückfallrisiko attestiert werden kann, als gerecht- fertigt erscheinen, ausnahmsweise von einer Landesverweisung abzusehen. Na- mentlich lassen die Bemühungen der Beschuldigten und ihre positive Entwicklung das Interesse an ihrer Wegweisung in den Hintergrund treten. Die Beschuldigte ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bei weiterer Delinquenz die öffentlichen Interes- sen ihre privaten Interessen überwiegen und zu einer Landesverweisung führen könnten.

  3. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Prüfung der Vereinbarkeit mit dem FZA, und es entfällt auch die Grundlage für den von der Staatsanwaltschaft bean- tragen Eintrag im Schengener Informationssystem.

VII. Kosten- und Entschädigungsfolge

  1. Die im angefochtenen Entscheid getroffenen Kosten- und Entschädigungs- folgen (Urk. 78) erweisen sich ausgangsgemäss nach wie vor als zutreffend.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ih- res Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft unterliegt mit der von ihr beantragten Anordnung der Landesverweisung, dringt indessen mit ihrem Antrag auf ein höheres Strafmass teilweise durch. Die Beschuldigte unterliegt mit ihrem Antrag auf Reduktion des Strafmasses. Ihr Rück- zug in Bezug auf ihren Antrag auf Freispruch betreffend Dossier 4 stellt ebenfalls ein Unterliegen im Sinne von Art. 428 Abs. 1 StPO dar.

    Es rechtfertigt sich daher, die Kosten des Berufungsverfahrens der Beschuldigten zu einem Viertel aufzuerlegen.

  3. Die amtliche Verteidigung ist für ihre Aufwendungen im Berufungsverfahren gemäss ihrer Honorarnote (Urk. 101/12) und unter Berücksichtigung der effekti- ven Dauer der Berufungsverhandlung mit Fr. 5'200.– (inkl. Auslagen und MwSt.) zu entschädigen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind unter Vorbehalt des Rückforderungsrechts des Staates zu einem Viertel vorerst auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 135 Abs. 4 StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 8. Abteilung, vom 28. Januar 2021 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Schuldspruch), 6

    (Weisung betreffend Therapie), 8 und 9 (Zivilansprüche), 10 (Herausgabe) und 11-13 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A. wird bestraft mit 16 Monaten Freiheitsstrafe, wo- von 162 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind, sowie mit einer Busse von Fr. 300.–.

  2. Auf den Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 1. Abteilung, vom 27. September 2016 ausgefällten bedingten Strafe von 8 Monaten wird verzichtet. Die Probezeit wird mit Wirkung ab heute um 1 ½ Jahre verlän- gert.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 5 Jahre festgesetzt.

  4. Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt die Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.

  5. Von der Anordnung einer Landesverweisung wird abgesehen.

  6. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.– ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 5'200.– amtliche Verteidigung.

  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden der Beschuldigten zu einem Viertel auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungs- pflicht im Umfang von einem Viertel der Kosten bleibt gemäss Art. 135

Abs. 4 StPO vorbehalten.

  1. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

  2. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesge- richtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 10. Juni 2022

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Stiefel

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Meier

Zur Beachtung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vor- erst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

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