Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB200437 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 16.03.2023 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte schwere Körperverletzung etc. |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Massnahme; Beschuldigten; Behandlung; Ambulant; Ambulante; Stationär; Stationäre; Gutachten; Freiheit; Sinne; Privatkläger; Urteil; Gericht; Freiheitsstrafe; Schwere; Berufung; Recht; Amtlich; Ambulanten; Anordnung; Kokain; Amtliche; Erscheint; Delikt; Verteidigung; Anzuordnen; Therapeutische; Gutachter |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ; Art. 122 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 144 StGB ; Art. 186 StGB ; Art. 19 StGB ; Art. 2 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 295 StGB ; Art. 342 StPO ; Art. 369 StGB ; Art. 424 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 56 StGB ; Art. 56a StGB ; Art. 59 StGB ; Art. 60 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 63b StGB ; Art. 64 StGB ; Art. 9 BV ; Art. 96 SVG ; |
Referenz BGE: | 121 IV 49; 124 IV 1; 128 IV 241; 134 IV 246; 134 IV 97; 136 IV 55; 137 IV 201; 138 IV 120; 141 IV 305; 141 IV 369; 141 IV 61; 142 IV 105; 142 IV 265; 142 IV 49; 144 IV 176; 144 IV 217; 144 IV 313; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB200437-O/U/jv (Schuldinterlokut, Teil II)
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, lic. iur. B. Amacker und Oberrichterin lic. iur. S. Fuchs sowie die Gerichtsschreiberin MLaw A. Donatsch
(Schuldinterlokut i.S.v. Art. 342 Abs. 1 StPO, Teil II)
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
vertreten durch Beiständin B. ,
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. ,
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend versuchte schwere Körperverletzung etc.
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich vom
30. September 2019 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. D1/21).
(Urk. 92 S. 40 ff.)
des mehrfachen Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB,
der Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch im Sinne von Art. 94 Abs. 1 lit. a SVG,
des mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG,
der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG.
Es wird die Verwahrung des Beschuldigten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB angeordnet.
Es wird vorgemerkt, dass der Beschuldigte die Schadenersatzforderung des Privat- klägers C._ im Umfang von Fr. 2'760.–, zzgl. Zins zu 5% seit 1. Januar 2019, sowie dessen Genugtuungsforderung im Umfang von Fr. 7'500.–, zzgl. Zins zu 5% seit 17. September 2018, anerkannt hat.
Es wird vorgemerkt, dass der Beschuldigte die Schadenersatzforderung der Privat- klägerin D. AG im Umfang von Fr. 3'929.– anerkannt hat.
Die Privatkläger E. und F. AG werden mit ihren Schadenersatzforde- rungen auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Die Genugtuungsforderungen der Privatkläger E. abgewiesen.
und F.
AG werden
Auf die Zivilklage der Privatklägerin G. wird nicht eingetreten.
wird für seine Bemühungen als amtlicher
Verteidiger mit Fr. 20'600.– (pauschal, inkl. Barauslagen und MwSt) aus der Ge- richtskasse entschädigt.
Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:
Fr. 6'000.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 9'000.00 Gebühr für das Vorverfahren
Fr. 19'401.50 Auslagen Untersuchung (Gutachten)
Fr. 3'220.00 Auslagen Untersuchung (Polizei) Fr. 550.00 Entschädigung Zeuge
Fr. 2'375.00 Auslagen Ergänzungsgutachten Fr. 20'600.00 amtliche Verteidigung
Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen.
Vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger C. für das gesamte Ver- fahren eine Prozessentschädigung von Fr. 4'847.15 zu bezahlen.
(Teil II; Prot. II S. 30 f.)
Der Verteidigung der Beschuldigten: (Urk. 159 S. 1)
sei mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von höchstens 30
Monaten sowie mit einer Busse von Fr. 500.00 zu bestrafen.
Es sei eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 1 StGB anzuordnen.
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 165 S. 1)
Der Vertretung des Privatklägers C. : (Urk. 124 S. 1 f.; schriftlich)
Es sei festzustellen, dass A. die Schadenersatzforderung des Privatklägers C.
im Umfang von Fr. 2'760.– zzgl. Zins zu 5%
seit 1. Januar 2019, sowie dessen Genugtuungsforderung im Umfang von Fr. 7'500.– zzgl. Zins zu 5% seit 17. September 2018 vor erster Instanz rechtsgültig anerkannt hat und das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom
29. Juni 2020 insoweit in Rechtskraft erwachsen ist.
sei zu verurteilen, C.
die Interventionskosten vor erster Instanz von Fr. 4'847.15 zu bezahlen.
A. sei zu verurteilen, C. die Interventionskosten von zweiter In- stanz von pauschal Fr. 1'500.– (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.
A. sei zur Bezahlung der auf den Zivilpunkt fallenden Verfahrenskos- ten zu verurteilen.
Mit jenem Entscheid wurde beschlossen, ein neues psychiatrisches Gut- achten über den Beschuldigten einzuholen (Urk. 144 S. 26). In der Folge wurde Prof. Dr. med. H. als Gutachter bestellt und ihm der Gutachtensauftrag er- teilt (Urk. 141; Urk. 146).
Mit Eingabe vom 28. April 2022 erstatte der gerichtlich bestellte Gutachter
Prof. Dr. med. H.
das psychiatrische Gutachten über den Beschuldigten
(Urk. 150). Dieses wurde dem Beschuldigten sowie der Staatsanwaltschaft mit Präsidialverfügung vom 3. Mai 2022 zugestellt. Gleichzeitig wurde dem Beschul- digten Frist angesetzt, zum Gutachten sowie zu den Sanktions- und Nebenfolgen Stellung zu nehmen (Urk. 151). Mit Eingabe vom 4. Juli 2022 reichte die amtliche Verteidigung ihre Stellungnahme ein (Urk. 159). In der Folge wurde der Staatsanwaltschaft mit Präsidialverfügung vom 7. Juli 2022 Frist angesetzt, um sich zum Gutachten, zur Stellungnahme der amtlichen Verteidigung sowie zu den Sanktions- und Nebenfolgen vernehmen zu lassen (Urk. 161). Die Staatsanwalt- schaft nahm mit Vernehmlassung vom 22. Juli 2022 dazu Stellung (Urk. 165).
men hierzu gingen am 19. bzw. 22. August 2022 ein (Urk. 175; Urk. 177). Mit Präsidialverfügung vom 31. August 2022 wurde der Beschuldigte in Sicherheits- haft versetzt (Urk. 179).
Mit Teilurteil (Schuldinterlokut i.S.v. Art. 342 Abs. 1 StPO) wurde über die Teil- rechtskraft des vorinstanzlichen Urteils sowie den Schuldpunkt befunden, worauf verwiesen werden kann (Urk. 144). In diesem zweiten Teilurteil ist folglich noch über die Strafe, die Frage der Anordnung einer Massnahme sowie die Nebenfol- gen zu befinden.
Strafrahmen / Strafzumessungsregeln / Methodisches Vorgehen
E. 6.1.2; je mit Hinweisen). Darauf sowie auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 92 S. 19 f.) kann verwiesen werden.
Wie noch zu zeigen ist, ist für die strafbaren Verhaltensweisen des Beschuldigten – mit Ausnahme der Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes, wofür eine Busse auszufällen ist (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) – je eine Freiheitsstrafe auszufällen (Ziff. III 4.3), weshalb die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe vorliegend gegeben sind.
S. 20; BGE 136 IV 55 E. 5.8 mit Hinweisen).
E. 4.2 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll nach kon- stanter Rechtsprechung bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 138 IV 120 E. 5.2; Urteil 6B_125/2018 vom 14. Juni 2018 E. 1.3.2; je mit
Hinweis).
Die Geldstrafe stellt die Hauptsanktion dar (BGE 134 IV 97 E. 4.2.2
S. 101). Sie wiegt als Vermögenssanktion prinzipiell weniger schwer als ein Ein- griff in die persönliche Freiheit (BGE 138 IV 120 E. 5.2; BGE 134 IV 97 E. 4.2.2
S. 101). Am Vorrang der Geldstrafe hat der Gesetzgeber im Rahmen der erneu- ten Revision des Sanktionenrechts entgegen der ursprünglichen Stossrichtung festgehalten (BGE 144 IV 217 E. 3.6 S. 237 f. mit Hinweisen).
Dass für die versuchte schwere Körperverletzung eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Des Weiteren erscheint angesichts der gesamten Umstände, insbesondere der Biografie des Beschuldigten bzw. seiner kriminellen Vergangenheit mit diversen Vorstrafen (darunter einschlägige Verurteilungen wegen Diebstahls, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und SVG-Delikten; vgl. Urk. 95), auch für die weiteren zu sanktionierenden Delikte nur eine Freiheitsstrafe als zweckmässig.
Einsatzstrafe für die versuchte schwere Körperverletzung
hätten ohne Weiteres Verletzungen lebenswichtiger Strukturen und Funktionen, wie insbesondere des Gehirns, erfolgen können. Diese Verletzungen hätten lebensgefährlich sein und/oder zu schweren bleibenden Beeinträchtigungen füh- ren können, was der Beschuldigte in Kauf nahm. Die tatsächlichen Verletzungen,
welche der Privatkläger C.
davontrug, waren die folgenden: zwei chirurgisch versorgte Quetsch-Riss-Wunden an der linken Schläfe, eine versorgte Quetsch-Riss-Wunde an der Stirn, ein gering ins Schädelinnere verschobener, ca.
2.5 x 0.8 cm messender Knochenbruch im Bereich des linken Schläfenbeines mit Verlagerung weniger Knochenfragmente in das Schädelinnere, eine kleine Blu- tung ausserhalb der harten Hirnhaut im Bereich des linken Schläfenhirnlappens sowie eine kleine Blutansammlung der Kopfschwarte im Bereich der linken Schlä- fe (vgl. Urk. D1/6/2 [provisorischer Austrittsbericht des Universitätsspitals Zürich vom 19. September 2018], Urk. D1/6/10 [Aktengutachten des IRM vom
5. Juli 2019]). Diese lassen Rückschlüsse auf die Heftigkeit der Schläge des Beschuldigten zu. Mit seinem brutalen, impulsiven und hemmungslosen Vorgehen liess der Beschuldigte jede Rücksichtnahme auf die körperliche Integrität eines ihm völlig unbekannten Menschen vermissen. Diese an den Tag gelegte Gering- schätzung menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit sowie die ohne Anlass verursachte Eskalation eines Konflikts erscheint alarmierend. Die voran- gehende, vom Beschuldigten initiierte verbale – äusserst merkwürdige – Ausei- nandersetzung stand in keiner Relation zu seiner unvermittelten Gewaltanwen- dung. Unter Annahme eines tatbestandsmässigen Erfolgs der schweren Körper- verletzung ist das objektive Verschulden als erheblich zu qualifizieren und die hy- pothetische Einsatzstrafe im Bereich von 5 1/2 Jahren Freiheitsstrafe festzuset- zen.
Bei der subjektiven Tatschwere ist die vom Gutachter Prof. Dr. med.
H.
beim Beschuldigten im Tatzeitpunkt diagnostizierte verminderte
Schuldfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen. Der Sachverständige führt in seinen Gutachten aus, es gebe Akteninhalte, welche auf eine starke Bedeutung des Kokainkonsums für die zu beurteilende Tat hinweisen würden. Im Deliktszeitraum sei ein mittelstarker bis starker Konsum von Kokain nachgewiesen. Auch die Angaben des damaligen und aktuellen Behandlers,
welcher ebenfalls den Kokainkonsum für die zunehmenden Auffälligkeiten und die Unzuverlässigkeit vor und im Deliktszeitraum verantwortlich mache sowie einen körperlichen Abbau des Beschuldigten feststellt habe, würden dafür sprechen. Zu erwähnen sei auch, dass insbesondere das Delikt vom 17. September 2018 und damit das schwerste Delikt deutlich zum bisherigen Deliktspektrum des Beschuldigten kontrastiere, zumal es nicht um Eigentumsdelikte und auch nicht um Gewalt im sozialen Nahraum gehe. Dabei würden sowohl die Angaben des Beschuldigten als auch diejenigen des Privatklägers dafür sprechen, dass die Motivlage des Beschuldigten durch Auswirkungen einer Kokainintoxikation beeinflusst gewesen sein dürfte. Schliesslich ergäben sich aus der Einvernahme nach seiner Verhaftung im September 2018 weitere Anhaltspunkte dafür. Seine Angaben sowie sein Verhalten würden für eine psychosenahe Verfassung mit deutlichen Leistungseinbussen sprechen. Es zeige sich ein Ausprägungsgrad, welcher nicht mit der schon damals bestehenden ADHS bzw. Persönlichkeitsproblematik vereinbar sei bzw. nicht auf diese zurückgeführt werden könne. In einer Gesamtschau sei daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte im Jahr 2018 bzw. spätestens im Jahr 2018 eine Kokainabhängigkeit [WHO 2004] aufgewiesen habe. Es sei festzuhalten, dass die psychische Verfassung des Beschuldigten im Deliktszeitraum stark durch einen abhängigen Kokainkonsum mit auch paranoid anmutenden Denkinhalten geprägt gewesen sei (Urk. 150 S. 91 ff.). Infolge der Kokainintoxikation gehe er davon aus, dass eine so starke Verzerrung der Realitätswahrnehmung vorgelegen habe, dass in der Interaktion mit dem, die Tatsituation ebenfalls nicht adäquat wahrnehmenden Privatkläger von einer forensisch relevanten Minderung der Steuerungsfähigkeit gesprochen werden könne (Urk. 150 S. 97). Eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit liege hingegen nicht vor (Urk. 150 S. 97 f., 113). Bei der Entscheidung, ob die tatzeitaktuellen Einbussen der Steuerungsfähigkeit eine mittelgradige oder eine schwere Minderung der Schuldfähigkeit rechtfertigen würde, sei zu berücksichtigen, inwiefern das Verhalten des Privatklägers Anlass gegeben habe, davon auszugehen, dass er Teil der Machenschaften der Verfolger des Beschuldigten und insbesondere auch der von Letzterem vermuteten Entführung seiner Partnerin gewesen sei (Urk. 150 S. 98).
kann der vollendete Versuch strafmindernd berücksichtigt werden, wobei das Mass der zulässigen Reduktion der Strafe unter anderem von der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolgs und den tatsächlichen Folgen der Tat abhängt (Ur- teil 6B_249/2021 vom 13. September 2021 E. 5.3; BGE 121 IV 49 E. 1.b). Dass der Geschädigte C. keine schwere Verletzung erlitten hat, ist als glückliche Fügung zu bezeichnen. Bereits ein geringfügig anderer Verlauf hätte deutlich gra- vierendere Konsequenzen haben können. So hält denn auch das IRM-Gutachten fest, das Gehirn als nächstgelegene, lebenswichtige Struktur liege hinter einem nur wenigen Millimeter dicken Schädelknochen, welcher gemäss Angaben des Universitätsspitals Zürich eröffnet gewesen sei (Urk. D1/6/10 S. 5). Entsprechend spricht das Kriterium der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges für eine eher kleine Reduktion. Zudem sind die tatsächlichen Folgen der Tat zu berücksichti-
gen. Der Privatkläger C.
erlitt neben mehreren Rissquetschwunden und
kleineren inneren Blutungen eine dislozierte Schädelimpressionsfraktur. Insbe- sondere letztere gravierende Kopfverletzung ist keinesfalls zu bagatellisieren. Ei- ne Reduktion von rund 6 Monaten erscheint angemessen.
Subjektiv handelte der Beschuldigte vorsätzlich und aus rein egoistischen Motiven. Wie den schlüssigen Ausführungen des Gutachtens entnommen werden kann, war der Beschuldigte auch zum Zeitpunkt dieses Delikts wegen seiner starken Kokainabhängigkeit in einer forensisch relevanten Weise im Hemmungs- vermögen beeinträchtigt. Diese vorliegenden Einbussen rechtfertigen aus psy-
chiatrischer Sicht die Feststellung einer leichtgradig verminderten Schuldfähigkeit (Urk. 150 S. 113).
Das Tatverschulden ist als leicht zu bezeichnen und die Einzelstrafe auf
2.5 Monate festzusetzen. Eine Erhöhung der Einsatzstrafe für den Diebstahl unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips um 1.5 Monat erscheint angemessen.
Tatkomponente Sachbeschädigung
Insgesamt ist aufgrund des leichten Tatverschuldens die Einzelstrafe bei
1.5 Monaten zu bemessen. Eine Erhöhung der Einsatzstrafe für die Sachbeschä- digung unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips um 20 Tage erscheint als gerechtfertigt.
Tatkomponente Hausfriedensbruch
Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch
Der Beschuldigte begab sich auf das Firmengelände der I. AG und wurde auf das parkierte, unverschlossene, zwecks Reparatur dort deponierte Fahrzeug der Marke BMW A, X3 aufmerksam. Er setzte sich in das Fahrzeug und fuhr mit dem in der Mittelkonsole deponierten Fahrzeugschlüssel los. Mit demselben Fahrzeug fuhr er sodann in den Folgetagen an verschiedene Orte (J. ,
K.
bis fast an die deutsche Grenze im Norden). Wiederum handelte er
vorsätzlich und aus egoistischen Motiven. Der Gutachter hielt hierzu fest, dass nach Angaben des Beschuldigten auch paranoide Deliktinhalte eine Rolle gespielt hätten. Dabei würden sich aber die bereits laufenden und die vom Beschuldigten befürchteten polizeilichen Ermittlungen mit dem paranoiden Erleben des Beschuldigten vermischen. Wenn man eine paranoide Motivlage als handlungsleitend ansehe bzw. den paranoiden Denkinhalten tatsächlich entscheidende Bedeutung für sein deliktisches Verhalten zukomme, sei von deutlichen Einbussen der Steuerungsfähigkeit auszugehen, die eine mittelgradige Minderung der Schuldfähigkeit rechtfertigen könnten (Urk. 150 S. 97, 113). In Bezug auf die Entwendung des Fahrzeugs führte der Beschuldigte in der Untersuchung aus, er habe das Auto entwendet, um von den Leuten weg zu kommen, die ihn bedrohten (Urk. D1/2/6 S. 2). In der gleichen Einvernahme gab der Beschuldigte an, er habe zunächst mal einfach weg aus Zürich gewollt. Weg von den Leuten, die immer um ihn gewesen seien. Er sei nur ein, zwei Tage mit dem Fahrzeug herumgefahren. Dann sei er auf den Parkplatz in L. gefahren und habe das Fahrzeug abgestellt (Urk. D1/2/6 S. 2 f.). Anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung gab der Beschuldigte zu Protokoll, er habe nach den Bedrohungssituationen einfach nur weg gewollt. Er habe es wegen des Cracks kaum mehr ausgehalten. Deshalb habe er das Fahrzeug genommen. Er habe von den Problemen und von den Leuten weggewollt (Prot. S. 33 ff.). Während gewisse Aussagen durchaus nahelegen, dass paranoide Deliktinhalte eine Rolle spielen, erscheint bei Betrachtung seiner Darstellung, lediglich ein bis zwei Tage von allem weg gewollt zu haben, diesen Inhalten keine übermässige
und damit entscheidende Bedeutung zugekommen zu sein bzw. sind diese nicht als handlungsleitend zu bezeichnen. Wegen der im Zeitpunkt gegebenen starken Kokainabhängigkeit des Beschuldigten und der damit einhergehenden – aus forensischer Sicht – relevanten Beeinträchtigung im Hemmvermögen erscheint aber auch hier immerhin die Annahme einer leichtgradig verminderten Schuldfähigkeit gerechtfertigt. Das Verschulden wiegt insgesamt nicht mehr leicht.
der Haftanstalt. In seiner Freizeit mache er gerne Sport und spiele Fussball. Er pflege einen intensiven Kontakt mit seiner Schwester. Auch mit seinem besten Freund habe er noch Kontakt. Zu seinen beiden Kindern bestehe kein Kontakt, das soll sich aber ändern (Urk. 125 S. 1 ff.). Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten sind strafzumessungsneutral zu werten.
Anhaltspunkte für eine erhöhte Strafempfindlichkeit sind nicht ersichtlich.
hältnissen angemessen. Unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius) ist die von der Vorinstanz ausgefällte Freiheitsstrafe von 46 Monaten zu bestätigen.
29. November 2018 ein zweites Mal verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt (Urk. D1/14/9; Urk. D1/14/17). Am 25. Februar 2019 erfolgte der Übertritt in den vorzeitigen Strafvollzug (Urk. D1/14/20; Urk. D1/14/21). Mit Präsidialverfügung vom 31. August 2022 wurde der Beschuldigte ab dem 26. September 2022 – nachdem er die Freiheitsstrafe von 46 Monaten verbüsst hatte (vgl. Urk. 171) – in Sicherheitshaft versetzt (Urk. 179).
Die ausgefällte Freiheitsstrafe ist durch die Haftdauer vollständig erstanden.
Urteil 6B_382/2018 vom 19. September 2018 E 2.2; je mit Hinweisen; HEIMGARTNER in: DONATSCH/ HEIMGARTNER/ISENRING/WEDER, StGB-Kommentar,
12. Aufl. 2022, Art. 63b N 9). Entsprechende Feststellungen lassen sich erst nach Aufhebung bzw. Beendigung und unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen ambulanten Massnahme treffen. Die Frage der Entschädigung einer allfälligen Überhaft wird entsprechend erst in einem
selbständigen nachträglichen Verfahren zu klären sein (Urteil 6B_375/2018 vom 12. August 2019 E. 2.9).
Die Vorinstanz hat – insbesondere gestützt auf das forensisch- psychiatrische Gutachten vom 26. Februar 2019 von Dr. med. M. (Urk. D1/15/13/9) – die Verwahrung angeordnet (Urk. 92 S. 27 ff.).
von Prof. Dr. med. H.
halte zur Frage der Anordnung einer Massnahme
fest, dass grundsätzlich sowohl eine ambulante als auch eine stationäre Behandlung geeignet wären. Es halte überdies klar fest, dass sich aus der alleinigen Anordnung einer stationären Massnahme gegenüber einer ambulanten Massnahme aktuell kein Vorteil ergebe. Unter anderem werde dies mit der vehementen Weigerung des Beschuldigten, an einer stationären Massnahme mitzuwirken – welche nach wie vor bestehe –, begründet. Die Konzeption des Gutachters, gleichzeitig eine Massnahme nach Art. 63 StGB sowie eine Massnahme nach Art. 59 StGB anzuordnen und zunächst die weniger einschneidende Massnahme durchzuführen, sei zwar nachvollziehbar, indes gesetzlich nicht vorgesehen. Vielmehr seien im Falle des Scheiterns der ambulanten Massnahme diese aufzuheben und bei Bedarf nach Art. 63b Abs. 5 StGB eine stationäre Massnahme anzuordnen. Die Sicherstellung der vom Gutachter empfohlenen besonders engen Betreuung des Beschuldigten während der Durchführung der ambulanten Massnahme könne mit Bewährungshilfe nach Art. 63 Abs. 2 StGB sowie einer zweimonatigen stationären Einleitung der ambulanten Behandlung im Sinne von Art. 63 Abs. 3 StGB Rechnung getragen werden. Diese Zeitspanne genüge, um die vom Gutachter als notwendig
erachtete enge Abstimmung der mit der Betreuung des Beschuldigten beauftragten Personen vorzunehmen, ein tragfähiges Helfernetz zu knüpfen und mit Hilfe des Beistands und der Bewährungshilfe ein geeignetes Wohnumfeld sicherzustellen, seine finanziellen Belange zu regeln und die psychiatrische und suchtspezifische Behandlung aufzugleisen sowie die medikamentöse Einstellung vorzunehmen (Urk. 159 S. 3 f.).
oder 64 erfüllt sind (lit. c). Dabei darf der verbundene Eingriff in die Persönlich- keitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weite- rer Straftaten nicht unverhältnismässig sein (Art. 56 Abs. 2 StGB). Mithin ist bei der Anordnung einer Massnahme der Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu wahren. Insbesondere sind daher die Massnahmebedürftigkeit, die Massnahmefähigkeit und die Massnahmewilligkeit des Beschuldigten sowie die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn zu prüfen. Überdies muss sich das Gericht bei seinem Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung stützen. Das Gutachten hat sich über sämtliche tatsächliche Voraussetzungen der Massnahme, d.h. zur Notwendigkeit und den Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters (lit. a), zur Art und Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten (lit. b) und zu den Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme (lit. c) zu äussern (Art. 56 Abs. 3 StGB). Das Gericht beurteilt die Schlüssigkeit eines Gutachtens frei (Art. 10 Abs. 2 StPO) und ist nicht an den Befund oder die Stellungnahme des Sachverständigen gebunden. Es hat vielmehr zu prüfen, ob sich aufgrund der üb- rigen Beweise und der Parteivorbringen ernsthafte Einwände gegen die Schlüs- sigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Auch wenn das gerichtlich eingeholte Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt, darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und muss Abweichungen begründen. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung verstossen (Art. 9 BV; BGE 142 IV 49 E. 2.1.3; BGE 141 IV 305 E. 6.6.1; BGE 141 IV 369 E. 3.2; je mit Hinweisen; Urteil
6B_257/2020 vom 24. Juni 2021 E. 4.2.3).
rung in Zusammenhang stehenden Taten begegnen (Art. 59 Abs. 1 StGB). Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung o- der einer Massnahmevollzugseinrichtung (Art. 59 Abs. 2 StGB).
Das forensisch-psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. med. H. beantwortet die im Gutachtensauftrag vom 13. September 2021 gestellten Fragen, weist keine formalen Fehler auf und ist nachvollziehbar und schlüssig. Das Gutachten erscheint überdies hinreichend aktuell (vgl. BGE 134 IV 246 E. 4.3; BGE 128 IV 241 E. 3.4; Urteil 6B_32/2019 vom 28. Februar 2019 E. 2.6.3; Urteil 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.3.2, nicht publ. in BGE 144 IV 176). Es ist für den Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf die sachverständige Begutachtung von Prof. Dr. med. H. abzustützen.
Besonderer psychischer Zustand / schwere psychische Störung
Betroffenen schwer sei. Der Beschuldigte sei insbesondere hinsichtlich ADHS und Persönlichkeitsproblematik einer Gruppe mit starken Symptomausprägung zu- zuordnen. Diese beiden Störungen seien als anhaltend einzuordnen. Bezüglich des Kokainkonsums bestehe aktuell unter allerdings schützenden Bedingungen bzw. unter Haftbedingungen eine Substanzabstinenz. Es sei jedoch von einer lang andauernden Vulnerabilität gegenüber verschiedenen Abhängigkeitserkran- kungen auszugehen; die Besserung aufgrund der Haftbedingungen sei noch nicht als belastungsstabil einzuordnen (Urk. 150 S. 86, 93 ff., 111 f.). Mithin sind diese Massnahmevoraussetzungen klar erfüllt.
Anlass für das Gutachten ist der angeklagte Vorfall vom 17. September 2018. Der Beschuldigte hatte sich damals, um ca. 05.00 Uhr morgens, in den Wald bei
N.
begeben und traf dort beim Jugendhaus O.
auf den
(meditierenden) Privatkläger. Der Beschuldigte kam auf den Privatkläger zu, begann eine verbale Auseinandersetzung und attackierte ihn in der Folge ohne erkennbaren Grund mit der behändigten Eisenstange, wobei er mehrmals zuschlug und dabei zumindest auf den Kopfbereich des Privatklägers einwirkte. Dass die durch ihn ausgeführten Schläge mit Wucht erfolgten, zeigt sich insbesondere anhand des Ausmasses der Verletzungen (Urk. 144 S. 14 f.). Der Beschuldigte wurde für sein diesbezügliches Verhalten mit Teilurteil vom
8. Juni 2021 der versuchten schweren Köperverletzung, mithin eines Verbrechens, schuldig gesprochen (Urk. 144 S. 15 ff., 23). Dass die Anlasstat im Versuchsstadium stecken geblieben ist, hindert die Anordnung einer Massnahme nicht (HEER in: NIGGLI/WIPRÄCHTIGER, BSK StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 59 N 43a).
Dabei war – wie den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des
Gutachters Prof. Dr. med. H.
entnommen werden kann – die psychische
Verfassung des Beschuldigten im Deliktszeitraum stark durch seinen abhängigen Kokainkonsum mit auch paranoid anmutenden Denkinhalten geprägt. Dies alles vor dem Hintergrund einer schon vorab reduzierten Leistungsfähigkeit infolge der (schon in den Vorgutachten beschriebenen) ADHS und dissozialen Persönlichkeitsstörung, wobei die genannten Störbilder geeignet sind, sich
wechselseitig ungünstig zu beeinflussen (Urk. 150 S. 91 ff.). Mithin bestand ein enger Zusammenhang zwischen den schweren psychischen Störungen des Beschuldigten sowie der (tatzeitrelevanten) Kokainabhängigkeit mit dem Tat- vorwurf bzw. der Anlasstat (Urk. 150 S. 112).
bzw. im Kontext des Substanzkonsums bzw. der 2018 bestehenden Kokainabhängigkeit aufgetreten. Zusätzlich sei die Anlasstat mit bei Kokainintoxikation auftretenden paranoiden Vorstellungen verknüpft gewesen (Urk. 150 S. 100 f., 114).
Behandlungs- / Massnahmebedürftigkeit
Prof. Dr. med. H. hält in seinem Gutachten folgendes fest: Eine Strafe eigne sich nicht, der Gefahr weiterer Straftaten des Beschuldigten zu begegnen bzw. die vom Beschuldigten ausgehenden Risiken zu reduzieren (Urk. 150 S. 114, 118). Die ADHS-Problematik sei medikamentös behandlungsbedürftig, wobei die Behandlung langfristig erfolgen sollte. Weiterhin bestehe auch hinsichtlich der Kokainabhängigkeit und der dissozialen Persönlichkeitsstörung ein Behandlungs- bedarf (Urk. 150 S. 114 f.). Dabei weist Prof. Dr. med. H. darauf hin, wenn die ADHS-Symptomatik nicht effektiv behandelt werde, würden die erforderlichen psychotherapeutischen Behandlungsschritte hinsichtlich Abhängigkeit und Per- sönlichkeit unter freiheitlichen Bedingungen nicht umsetzbar sein (Urk. 150
S. 115). Zusammengefasst ist eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung der Störungen des Beschuldigten indiziert.
Massnahmefähigkeit und Therapieerfolg / Eignung der Massnahme
Das Gutachten hält fest, es sei zu erwarten, dass sich durch die empfohle- nen Behandlungsmassnahmen (vgl. Ziff. IV 10) die Gefahr weiterer Straftaten reduzieren lasse (Urk. 150 S. 117).
onsmöglichkeiten bei Unzuverlässigkeiten – erfolgreich sein (Urk. 150 S. 116, 119).
E. 4.2.3; Urteil 6B_487/2011 vom 30. Januar 2012 E. 3.7.3; Urteil 6B_373/2010 vom 13. Juli 2010 E. 5.5; je mit Hinweisen). Dass die Motivation für eine Be- handlung beim Betroffenen nicht von Anfang an klar vorhanden ist, spricht nicht gegen ihre Anordnung. Es genügt, wenn jener wenigstens motivierbar ist. Von der Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme ist nach der Recht- sprechung nicht bereits deshalb abzusehen, weil der Betroffene diese kategorisch ablehnt. Ob eine und gegebenenfalls welche Massnahme anzuordnen ist, ent- scheidet sich nach objektiven Gesichtspunkten. Auf die subjektive Meinung der betroffenen Person kommt es grundsätzlich ebenso wenig an wie auf deren persönliche Empfindung. Entscheidend ist, ob beim Betroffenen eine minimale Motivierbarkeit für eine therapeutische Behandlung erkennbar ist (Urteil 6B_463/2016 vom 12. September 2016 E. 1.3.3; Urteil 6B_543/2015 vom
Dezember 2015 E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Bezieht sich eine negative
Einstellung des Betroffenen weniger auf die Behandlung als solche als vielmehr auf den Umstand, dass diese mit einem Freiheitsentzug verbunden ist, spricht dies allein noch nicht gegen die Anordnung der Massnahme (Urteil 6B_835/2017 vom 22. März 2018 E. 5.3.4; Urteil 6B_493/2017 vom 5. Oktober 2017 E. 2.4.2;
Urteil 6B_681/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 4.3)
Der Beschuldigte lehnt eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB ka- tegorisch ab (Urk. 150 S. 117). Der Sachverständige Prof. Dr. med. H. hält hierzu fest, es sei weiterhin nicht zu erwarten, dass der Beschuldigte sich innerhalb nützlicher Frist auf eine solche Behandlung einlassen könne bzw. wer- de. Vielmehr müsse mit massiv therapiestörendem und damit auch für Mitpatien- ten therapieschädigendem Verhalten gerechnet werden. Die Anordnung gegen seinen ausdrücklichen und nun schon über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg geäusserten Willen werde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur die indi- viduelle Kriminalprognose nicht verbessern, sondern auch das therapeutische Mi- lieu der mit ihm befassten Einrichtung in einer Weise stören, die auch die Krimi- nalprognose der anderen dort untergebrachten Personen belasten werde. Inso- fern sei die Massnahme nach Art. 59 StGB zwar aus psychiatrischer Sicht hin- sichtlich der vorliegenden Störungen und insbesondere des Schweregrads der Persönlichkeitsproblematik indiziert, letztlich sei aber nicht zu erwarten, dass die Massnahme erfolgversprechend umsetzbar sei (Urk. 150 S. 105).
Variante aufgrund der langanhaltenden konsequenten Weigerungshaltung des Beschuldigten sowie seines bisher gezeigten Verhaltensmusters nicht unbegrün- dete Zweifel bestehen, dass er diese weiterhin konsequent torpediert.
Eignung und Ausgestaltung der Massnahme
Zur Art der Massnahme bzw. Behandlung führt das Gutachten von Prof. Dr. med. H. aus, eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB sei in einer spezialisierten und geschlossenen Einrichtung des Strafvollzugs zur Behandlung der Grunderkrankung des Beschuldigten geeignet (Urk. 150 S. 115). Eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB erscheine ebenfalls geeignet (Urk. 150 S. 115). Aufgrund der grossen Bedeutung der Abhängigkeits- problematik für die Anlassdelikte komme auch eine Massnahme nach Art. 60 StGB in Betracht, allerdings würden sich wegen der deutlich vorhandenen Persönlichkeitsproblematik hinsichtlich der Umsetzbarkeit dieser Massnahme in einer stationären Einrichtung der Suchthilfe keine realistischen Erfolgsaussichten ergeben (Urk. 150 S. 104). Zusammengefasst kann mit einer Behandlung der Störungen des Beschuldigten (ambulant oder stationär) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine deutliche Verringerung der Gefahr weiterer Straftaten erreicht werden.
der ADHS sei relevant für die psychotherapeutische Erreichbarkeit des Beschuldigten bzw. seine Fähigkeit, eine Therapie insbesondere unter freiheitlichen Bedingungen für sich zu nutzen. Ohne eine adäquate Behandlung der ADHS werde der Beschuldigte in die frühere unorganisiert-desintegrierte Lebensführung zurückfallen. Dann sei nicht zu erwarten, dass er die Behandlungstermine regelmässig nutzen könne und werde. Somit stelle die medikamentöse Behandlung der ADHS die Basis weiterer Therapieschritte dar. Weiterhin sollten sodann Kontrollen hinsichtlich der Substanzabstinenz durch- geführt werden (Urk. 150 S. 116). Nach der Haftentlassung sei überdies zwingend Bewährungshilfe anzuordnen. Sodann solle dem Beschuldigten die Weisung erteilt werden, den Anweisungen der Behandler Folge zu leisten und sich für regelmässige Kontrollen hinsichtlich der Substanzabstinenz und der Medikamentencompliance zur Verfügung zu stellen (Urk. 150 S. 116). Prof.
Dr. med. H.
betont dabei mehrfach, wie bedeutsam es sei, dass ein
engmaschiges Helfernetz etabliert werde. Hierbei seien der Beistand und die Bewährungshilfe wichtig, um beispielsweise ein geeignetes Wohnumfeld sicherzustellen und die finanziellen Belange des Beschuldigten zu regeln (Urk. 150 S. 116).
Die anzuordnende Massnahme muss wie erwähnt verhältnismässig sein.
Prof. Dr. med. H. begründet in seinem Gutachten schlüssig, weshalb bei Anordnung einer stationären Massnahme in casu angesichts der konsequenten Weigerungshaltung des Beschuldigten langfristig gewisse Zweifel betreffend deren Erfolgsaussichten bestehen bleiben müssen. Er stellt sich auf den Standpunkt, eine ambulante Massnahme sei ebenfalls erfolgsversprechend. Es ist entsprechend dem Aspekt der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung zu tragen. Mit anderen Worten hat die stationäre Massnahme zu unterbleiben, da die
ambulante Massnahme als ebenfalls geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreicht und entsprechend eine stationäre Massnahme nicht notwendig erscheint. Unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips ist entsprechend eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB anzuordnen (Art. 56a Abs. 1 StGB). Diese erscheint – wie bereits ausgeführt – erforderlich, um die Gefahr weiterer Straftaten zu reduzieren.
22. März 2018 E. 5.2.2 mit Hinweisen [nicht publ. in BGE 144 IV 176]).
Eine ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB ist im Unterschied zu Strafen zeitlich relativ unbestimmt. Ihre Dauer hängt vom Behandlungsbedürfnis des Massnahmeunterworfenen und den Erfolgsaussichten der Massnahme, letzt- lich also von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten, ab. Die Massnahme dauert aber grundsätzlich so lange an, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich eine Zweckerreichung als aussichtslos erweist (HEER in: NIGGLI/ WIPRÄCHTIGER, BSK StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 63b N 83 ff.; BGE 145 IV
65 E. 2.3.3 mit Hinweisen). Dabei tangiert die vorliegend anzuordnende ambulante medikamentöse und therapeutische Behandlung – verknüpft mit Be- währungshilfe und Weisungen – die persönliche Freiheit des Beschuldigten in e- her untergeordneter Weise.
Gestützt auf die gutachterliche Einschätzung von Prof. Dr. med H. liegt sodann eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass der Beschuldigte weitere Straftaten begeht, wenn die diagnostizierten Störungen unbehandelt bleiben. Insbesondere sind Eigentumsdelikte, Betäubungsmitteldelikte, Verkehrsdelikte, Drohungen und Sachbeschädigungen zu erwarten. Es muss
aber auch mit impulsiven Gewalthandlungen im Kontext von Konflikten, insbesondere im psychosozialen Nahbereich (häusliche Gewalt), gerechnet werden. Bei Wiederaufnahme und Intensivierung des Substanz-, insbesondere des Kokainkonsums, ist überdies von schweren Gewalttaten auszugehen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer ambulanten Massnahme sind vorliegend erfüllt. Entsprechend ist angesichts des subsidiären Charakters der Verwahrung diese nicht mehr zu prüfen (HEER/HABERMEYER in: NIGGLI/WIPRÄCHTIGER, BSK StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 64 N 8). Es ist eine
ambulante therapeutische Massnahme verbunden mit einer antipsychotischen Medikation im Sinne von Art. 63 StGB (Behandlung von psychischen Störungen, kombiniert mit einer Suchtbehandlung) anzuordnen. Dabei ist bei deren Ausgestaltung den Empfehlungen des Gutachters in Bezug auf die engmaschige Kontrolle und Koordination besonders Rechnung zu tragen. Der Gutachter erachtet es hierbei – wie schon ausgeführt – als zentral, für die Dauer der ambulanten Behandlung eine Bewährungshilfe anzuordnen und den Beistand einzusetzen, besonders auch im Hinblick auf die Sicherstellung eines geeigneten Wohnumfelds und die Regelung der finanziellen Belange des Beschuldigten. Auch ist gemäss Gutachter insbesondere zur Sicherstellung der Substanzabstinenz und Medikamentencompliance von der Möglichkeit, dem Beschuldigten Weisungen zu erteilen, Gebrauch zu machen (Urk. 150 S. 116).
Als Beitrag zur Eignung resp. Zweckmässigkeit der Massnahme sind nach dem Gesagten eine entsprechende Bewährungshilfe für die Dauer der Behandlung anzuordnen und dem Massnahmeunterworfenen die Weisungen zu erteilen, den Anweisungen des Behandlers Folge zu leisten und sich für regelmässige Kontrollen hinsichtlich Substanzabstinenz und Medikamentencompliance zur Verfügung zu stellen. Der Beschuldigte ist auf Art. 295 StGB hinzuweisen, wonach mit Busse bestraft wird, wer sich der vom Gericht oder den Vollzugsbehörden angeordneten Bewährungshilfe entzieht oder die vom Gericht oder den Vollzugsbehörden erteilten Weisungen missachtet.
Sollte die ambulante Massnahme tatsächlich scheitern, ist darauf hinzu- weisen, dass gemäss gesetzlicher Konzeption ein selbständiges nachträgliches Verfahren betreffend Anordnung einer stationären Massnahme durchzuführen ist (vgl. Art. 63b Abs. 5 StGB; HEER in: NIGGLI/WIPRÄCHTIGER, BSK StGB, 4. Aufl. 2019, Art. 63b N 16 ff.).
Kosten- und Entschädigungsfolgen im erstinstanzlichen Verfahren
Die Vorinstanz verpflichtete den Beschuldigten, dem Privatkläger C. für die Untersuchung sowie das erstinstanzliche Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 4'847.15 zu bezahlen (Urk. 92 S. 39). Diese erscheint an- gemessen und ist ausgangsgemäss zu bestätigen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen im Berufungsverfahren
Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massga- be ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend oder unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Beschwerdeinstanz bzw. Berufungsgericht ge- stellten Anträge gutgeheissen werden (DOMEISEN in: BKS StPO II, 2. Aufl. 2014, Art. 428 N 6; GRIESSER in: DONATSCH/LIEBER/SUMMER/WOHLERS, StPOKommentar, 3. Aufl. 2020, Art. 428 N 1).
Barauslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt (vgl. Urk. 118 und Urk. 118a).
Der neue amtliche Verteidiger, Rechtsanwalt lic. iur. X1. , welcher mit Wirkung ab 29. März 2021 als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten bestellt wurde (vgl. Urk. 115), reichte mit Eingabe vom 3. Juni 2021 eine Zwischenrech- nung ins Recht und macht für das Berufungsverfahren bis 3. Juni 2021 einen Aufwand sowie Barauslagen in der Höhe von Fr. 11'787.– (inkl. MwSt.) geltend (Urk. 135). Mit Eingabe vom 15. März 2023 reiche er sodann eine Honorarnote für die Aufwendungen vom 3. Juni 2021 an ins Recht und macht einen weiteren Auf- wand sowie Barauslagen in der Höhe von Fr. 7'114.10 (inkl. MwSt.) geltend (Urk. 189). Der geltend gemachte Aufwand erscheint ausgewiesen. Die Entschä- digung für die neue amtliche Verteidigung des Beschuldigten für das Berufungs- verfahren ist insgesamt auf Fr. 18'901.10 (inkl. Barauslagen und MwSt.) festzu- setzen. Es ist darauf hinzuweisen, dass am 4. Juni 2021 eine Akontozahlung von Fr. 11'787.– bereits erfolgt ist (Urk. 133A).
Das erstinstanzliche Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Ziff. 15-17) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 6'000.00 ; die weiteren Kosten betragen:
1'851.25 vormalige amtliche Verteidigung RA Dr. iur. X2. (bereits entschädigt)
Fr. 18'901.10 amtliche Verteidigung RA lic. iur. X1.
(Fr. 11'787.– bereits akonto ausbezahlt)
Fr. 34'310.00 Gutachten
Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger C.
für das Berufungsverfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 500.– zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Vertretung des Privatklägers C. , Rechtsanwalt MLaw Y. , im Doppel für sich und die Privatklägerschaft
den Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste
je unter Beilage des Teilurteils und Beschlusses vom 8. Juni 2021 (Schuld- interlokut i.S.v. Art. 342 Abs. 1 StPO; Urk. 144)
Gegen diesen Entscheid sowie den Teilentscheid vom 8. Juni 2021 kann
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundes- gerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.
Zürich, 16. März 2023
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Der Präsident: lic. iur. Ch. Prinz
Die Gerichtsschreiberin: MLaw A. Donatsch
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