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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB200384: Obergericht des Kantons Zürich

In dem Strafverfahren wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand wurde die Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Die Kosten- und Entschädigungsregelung wurde als rechtmässig erachtet, weshalb die Beschwerde als unbegründet abgelehnt wurde. Der Beschwerdeführer, ein Fahrzeuglenker, wurde verpflichtet, die Verfahrenskosten zu tragen, da er durch seinen Cannabiskonsum und das Führen eines Fahrzeugs in einem möglicherweise fahrunfähigen Zustand die Untersuchungen verursacht hatte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von CHF 1'000 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB200384

Kanton:ZH
Fallnummer:SB200384
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB200384 vom 25.05.2021 (ZH)
Datum:25.05.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einfache Körperverletzung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Berufung; Staatsanwaltschaft; Vorinstanz; Urteil; Privatklägers; Verteidigung; Anklage; Gericht; Schlag; Bundes; Gerichtskasse; Entscheid; Gesicht; Aussage; Zürich-Sihl; Aussagen; Faust; Verletzungen; Abteilung; Zivilklage; Entschädigung; Polizist; Dispositiv; Anklageschrift; Genugtuung; Sinne
Rechtsnorm:Art. 10 StPO ;Art. 381 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 82 StPO ;
Referenz BGE:133 I 270; 138 I 232;
Kommentar:
Keller, Donatsch, Lieber, Zürcher Kommentar-StPO, Art. 381 StPO, 2020

Entscheid des Kantongerichts SB200384

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB200384-O/ad

Mitwirkend: die Oberrichterin lic. iur. Bertschi, Präsidentin, die Ersatzoberrichter lic. iur. Gmünder und lic. iur. Amsler sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Meier

Urteil vom 25. Mai 2021

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

vertreten durch Staatsanwältin lic. iur. Weber Dobruna,

Anklägerin und Berufungsklägerin

gegen

A. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter amtlich verteidigt durch Fürsprecher Y.

betreffend einfache Körperverletzung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 26. Mai 2020 (GG200037)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 18. Februar 2020 (Urk. 24) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Zivilklage wird auf den Zivilweg verwiesen.

  3. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz; die übrigen Kosten inklusive dieje- nigen der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Die Aufwendungen der amtlichen Verteidigung werden nach Vorlage der entsprechenden Honorarnote mit separater Verfügung entschädigt.

  5. Dem Beschuldigten werden Fr. 300.als Genugtuung für unrechtmässig erstandene Haft aus der Gerichtskasse zugesprochen.

Berufungsanträge:

  1. Der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 57 S. 1)

    1. Der Beschuldigte sei der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB und der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB schuldig zu sprechen.

    2. Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, unter Anrechnung von 2 Tagen erstandener Haft, zu bestrafen.

    3. Es sei der bedingte Vollzug der Freiheitsstrafe, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren, zu gewähren.

    4. Es sei über die Zivilansprüche der Privatklägerschaft zu entscheiden.

    5. Dem Beschuldigten seien die Kosten aufzuerlegen.

  2. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 58 S. 1)

    1. Die Berufung der Staatsanwaltschaft sei abzuweisen.

    2. Der Berufungsbeklagte sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

    3. Die Zivilforderungen der Privatklägerschaft seien auf den Weg des or- dentlichen Zivilprozesses zu verweisen.

    4. Dem Berufungsbeklagten seien Fr. 300.als Genugtuung für unrechtmässig erstandene Haft aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

    5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang

1. Gegen das eingangs wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,

10. Abteilung - Einzelgericht, vom 26. Mai 2020 meldete die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl mit Eingabe vom 29. Mai 2020 innert Frist Berufung an (Urk. 36). Das vollständig begründete Urteil (Urk. 40 = Urk. 43) wurde der Staatsanwaltschaft am

3. September 2020 zugestellt (Urk. 42/1). Mit Eingabe vom 9. September 2020 reichte diese fristgerecht die Berufungserklärung ein (Urk. 44).

  1. Mit Präsidialverfügung vom 21. September 2020 wurde, unter Hinweis auf die Berufungserklärung der Staatsanwaltschaft, den übrigen Parteien Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung bzw. zum Antrag auf Nichteintreten auf die Berufung angesetzt. Zudem wurde dem Beschuldigten Frist zur Einreichung aktueller Unterlagen zu seinen finanziellen Verhältnissen angesetzt (Urk. 46). Mit Eingabe vom 8. Oktober 2020 teilte der amtliche Verteidiger mit, dass seitens des Beschuldigten auf eine Anschlussberufung verzichtet und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt werde (Urk. 48). Zugleich liess der Beschuldigte aktuelle Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen einreichen (Urk. 49). Der Privatkläger liess sich nicht vernehmen.

    Am 9. November 2020 wurden die Parteien zur heutigen Berufungsverhandlung vorgeladen (Urk. 51). Der Beschuldigte liess mit Eingabe vom 25. Mai 2021 ein Dispensationsgesuch aufgrund wichtiger Gründe (Vorliegen von Covid 19- Symptomen) stellen. Dem wurde entsprochen, zumal der Beschuldigte bereits vor Vorinstanz und in der Untersuchung einlässlich befragt wurde (Urk. 55).

  2. An der heutigen Berufungsverhandlung nahmen Staatsanwältin lic. iur. Weber Dobruna und der amtlicher Verteidiger des Beschuldigten, Fürsprecher

  1. , teil. Sie stellten die eingangs wiedergegebenen Anträge (Prot. II S. 3 f.). Es waren weder Vorfragen noch Beweisanträge zu behandeln. Das Verfahren ist spruchreif.

    1. Prozessuales
        1. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der Berufungsanträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSK StPO-Eugster, Art. 402 N 1 f.).

        2. Die Staatsanwaltschaft ficht das vorinstanzliche Urteil mit ihrer Berufungserklärung grundsätzlich vollumfänglich an. Sie verlangt eine Verurteilung des Beschuldigten im Sinne der Anklage, dessen Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, unter Anrechnung von zwei Tagen erstandener Haft und Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren,

          sowie einen Entscheid über die Zivilansprüche des Privatklägers, dies alles unter Kostenfolge zu Lasten des Beschuldigten (Urk. 44 S. 2; Urk. 57 S. 1, Prot. II S. 5).

          Zur Anfechtung der vorinstanzlichen Verweisung der Zivilklage des Privatklägers auf den Zivilweg (Dispositivziffer 2) ist die Staatsanwaltschaft nicht befugt, zumal der Privatkläger selbst weder Berufung noch Anschlussberufung gegen das vorinstanzliche Urteil erhoben hat (vgl. dazu Lieber, in: Donatsch et al. (Hrsg.), Zürcher Kommentar-StPO, 3. Aufl., Zürich 2020, N 5 zu Art. 381 StPO, m.H., sowie Ziegler/Keller, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 3 zu Art. 381 StPO). Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft ist deshalb insoweit nicht einzutreten.

          Unangefochten liess die Staatsanwaltschaft den Entscheid der Vorinstanz betreffend Entschädigung der amtlichen Verteidigung mit separater Verfügung (Dispositivziffer 4).

        3. Die Dispositivziffern 2 (Zivilklage) und 4 (Entschädigung amtliche Verteidigung) des vorinstanzlichen Urteils sind daher in Rechtskraft erwachsen, was vorweg mittels Beschluss festzustellen ist.

      Im Übrigen ist das angefochtene Urteil grundsätzlich umfassend zu überprüfen.

      2. Auf die Argumente der Parteien ist im Rahmen der nachstehenden Erwägungen einzugehen. Dabei muss sich das Gericht nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen; vielmehr kann es sich auf die für die Entscheidfindung wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 138 I 232, E. 5.1, und BGE 133 I 270, E. 3.1, je mit Hinweisen, sowie Urteile des Bundesgerichtes 6B_89/2014 vom 1. Mai 2014, E. 2.2, 6B_526/2009 vom 2. September 2009, E. 3.2, und 6B_678/2009 vom 3. November 2009, E. 5.2). Ferner kann das Gericht zur Begründung im Folgenden auf Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verweisen, soweit es diese als zutreffend erachtet (Art. 82 Abs. 4 StPO; vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichtes 6B_570/2019 vom 23. September 2019, E. 4.2, m.w.H.).

    2. Schuldpunkt

      1. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten mit einlässlicher Begründung von den Anklagevorwürfen vollumfänglich frei (Urk. 43 S. 6-20). Die Staatsanwaltschaft beanstandet am Urteil der Vorinstanz insbesondere, dass darin die Aussagen des Beschuldigten als glaubhaft eingestuft wurden. Diese seien nicht plausibel und reine Ausflüchte. Zudem bringt sie vor, der Privatkläger habe bereits anlässlich seiner ersten Befragung unmissverständlich ausgesagt, gesehen zu haben, wie der Beschuldigte mit seinem rechten Arm ausgeholt habe, wie wenn er ihn habe wegschlagen wollen, dass er den Arm die Faust aufgezogen habe und dass er davon ausgehe, dass der Beschuldigte seinen Ellenbogen seine Faust absichtlich gegen seinen Kopf geschlagen habe. Der Privatkläger habe vor der Staatsanwaltschaft damit keine neue, mit zusätzlichen Belastungen angereicherte Version vorgebracht, sondern an dem festgehalten, was er bereits unmittelbar nach dem Ereignis geschildert habe (Urk. 57 S. 4 ff.).

        1. Die Vorinstanz hat zutreffende Ausführungen zum Vorliegen des notwendigen Strafantrags gemacht (act. 43 S. 5) und auch den gegen den Beschuldigten erhobenen Anklagevorwurf richtig zusammengefasst (Urk. 43 S. 6 f.). Darauf kann verwiesen werden.

        2. Die Vorinstanz hat weiter die allgemeinen Grundsätze der Sachverhaltserstellung und der Beweiswürdigung im Strafverfahren zutreffend dargelegt (Urk. 43

          S. 8 ff.). Darauf kann ebenfalls verwiesen werden.

        3. Die Vorinstanz machte ebenso zutreffende Ausführungen zur allgemeinen Glaubwürdigkeit des Beschuldigten und des Privatklägers (Urk. 43 S. 10 f.).

        4. Die Vorinstanz hat ferner die Beweislage, insbesondere die Aussagen der Beteiligten, im Wesentlichen korrekt wiedergegeben (Urk. 43 S. 11 bis S. 16 oben). Auch darauf kann vorab verwiesen werden.

          Mit den ärztlichen Berichten und dem Aktengutachten des Instituts für Rechtsme- dizin über die Verletzungen des Privatklägers (Urk. 9/4; 10/2; 10/5; 10/11; 10/13) setzte sich die Vorinstanz indes nicht näher auseinander. Sie hielt einzig fest, die

          Verletzungen des Privatklägers seien von Seiten des Beschuldigten nie bestritten worden und könnten aufgrund der Arztakten über den Privatkläger als erstellt erachtet werden (Urk. 43 S. 7). Dies ist insofern zu korrigieren, als dem Beschuldigten in der Anklageschrift u.a. auch vorgeworfen wird, dem Privatkläger eine Gehirnerschütterung (lat. commotio cerebris) zugefügt zu haben. Eine solche wurde beim Privatkläger bei richtiger Betrachtungsweise jedoch gar nie diagnostiziert. So berichtete das den Privatkläger erstversorgende Stadtspital Waid lediglich über eine contusio capitis (=Kopfprellung), ohne Commotio-Zeichen (Urk. 10/2 und 10/11) bzw. laut Diagnosen einen Kopfanprall (Urk. 10/5). Der Bericht des B. Zürich (Urk. 10/13) enthält keine medizinischen Diagnosen. Einzig im Aktengutachten des Instituts für Rechtsmedizin (Urk. 9/4) findet sich die Diagnose einer Gehirnerschütterung, welche indessen auf einem offensichtlichen Versehen bzw. auf einem Übersetzungsfehler beruht. So wird im Gutachten ausgeführt, beim Privatkläger sei vom Stadtspital Waid eine Contusio capitis [Gehirnerschütterung] ( ) diagnostiziert worden. (Urk. 9/4 S. 2 unten). Im Folgenden ist dann nur noch (auf Deutsch) von einer bzw. der Gehirnerschütterung die Rede

          (Urk. 9/4 S. 2 ff.), welche schliesslich auch Eingang in die Anklageschrift fand. Tatsächlich erlitt der Privatkläger jedoch lediglich eine Kopfprellung. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist dementsprechend zu korrigieren. Im Übrigen ist mit der Vorinstanz unbestritten und erstellt, dass der Privatkläger beim Zusammenprall mit dem Beschuldigten bzw. dem gemeinsamen Sturz auf den Boden die in der Anklageschrift aufgeführten weiteren Verletzungen (Verrenkung des rechten Knies mit leichter Schwellung und Bluterguss; Prellung am rechten Vorderarm; Kopf- und Nackenschmerzen) erlitt (Urk. 43 S. 7). Mit der Verteidigung ist sodann festzuhalten, dass dem Aktengutachten des Instituts für Rechtsmedizin zwar keine konkrete Hinweise auf einen Schlag gegen die linke Gesichtshälfte des Privatklägers zu entnehmen sind (Urk. 58 S. 2). Ein solcher Schlag kann jedoch nicht bereits deshalb ausgeschlossen werden. Eine Kopfprellung ist begrifflich weit gefasst und lässt damit offen, welcher Bereich des Kopfes betroffen ist.

        5. Die Vorinstanz gelangte sodann in sorgfältiger und überzeugender Würdigung der vorhandenen Beweismittel zum Schluss, dass sich der dem Beschuldigten vorgeworfene Vorsatz weder hinsichtlich des Tatbestandes der einfachen Körperverletzung noch der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte rechtsgenügend erstellen lasse (Urk. 43 S. 11-20). Auch auf diese zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz kann verwiesen werden. Die nachfolgenden Ausführungen dienen vorab deren Ergänzung bzw. der nochmaligen Hervorhebung der entscheidwesentlichen Gesichtspunkte:

          Unbestritten ist, dass der Privatkläger in seiner Funktion als Polizist sich dem auf dem Trottoir am Limmatquai auf ihn zu rennenden Beschuldigten in den Weg stellte, in der Absicht, diesen zu stoppen (vgl. zur Situation: Urk. 7/2). Dass der Beschuldigte jedoch gemäss Anklagesachverhalt beim sich Nähern seinen rechten Arm erhoben und diesen mit der Hand gegen den Kopf des Privatklägers geknallt habe, lässt sich angesichts der insofern uneinheitlichen Aussagen des Privatklägers nicht erstellen. Unmittelbar nach dem Vorfall gab der Privatkläger gegenüber einem anderen Polizeibeamten an, der Beschuldigte habe ihn gezielt und kraftvoll mit seinem Ellenbogen seiner Faust gegen den Kopf geschlagen und durch den Schlag an den Kopf habe er starke Kopfschmerzen (Urk. 1

          S. 3). In der Anamnese beim Stadtspital Waid gab er demgegenüber an, er sei von einem Täter angerannt worden und mit ihm zusammen auf den Hinterkopf gestürzt, wonach der Täter ihn dann zusätzlich am Hinterkopf geschlagen habe (Urk. 10/2; 10/11). In der nachfolgenden Konsultation bei der B. _ Zürich gab der Privatkläger an, er habe einen Schlag auf den Hals/Kopf bekommen und sei dann zusammen mit dem Täter umgefallen mit Hinterkopf Anprall (Urk. 10/13). In seiner polizeilichen Einvernahme schilderte der Privatkläger wiederum, er habe gesehen, wie der Beschuldigte mit seinem rechten Arm ausgeholt habe, wie wenn er mich wegschlagen wollte. Um diesem Schlag auszuweichen, habe sich der Privatkläger geduckt, worauf der Beschuldigte trotzdem ungebremst in ihn hineingerannt sei. Der Privatkläger habe dabei einen Schlag im Gesicht wahrge- nommen, welcher vermutlich von der Hüfte dem Bauch des Beschuldigten gewesen sei. Praktisch gleichzeitig habe er einen zweiten Schlag im Nackenbereich/Hinterkopf wahrgenommen, wobei er vermute, dass der Beschuldigte ihn mit seinem Ellenbogen seiner Hand geschlagen habe. Am Boden liegend habe der Beschuldigte dann noch um sich geschlagen und den Privatkläger diverse

          Male am Kopf getroffen (Urk. 7/1 S. 2 f.). In seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme gab der Privatkläger schliesslich an, der Beschuldigte habe seinen Arm erhoben und sei mit der Faust gegen mein Gesicht geknallt und mit dem Körper auch (Urk. 7/7 S. 3). Kurz darauf relativierte der Privatkläger seine Aussagen je- doch dahingehend, dass er nicht mehr wisse, ob die Hand des Beschuldigten zu einer Faust geballt gewesen sei. Die Hand des Beschuldigten habe ihn im Bereich seiner linken Gesichtshälfte getroffen und dann während dem Aufprall gegen den Nacken nach hinten. (Urk. 7/7 S. 5). Auf Vorhalt seiner anderslautenden früheren Aussagen bei der polizeilichen Einvernahme erklärte der Privatkläger schliesslich, der Schlag gegen den Kopf sei zuerst gewesen, nachher sei der Privatkläger tiefer gegangen und mit dem Bauch der Hüfte des Beschuldigten zusammengeprallt (Urk. 7/7 S. 9). Gemeinsam seien sie dann zu Boden gestürzt

          (Urk. 7/7 S. 3). Der Beschuldigte habe am Boden auch um sich geschlagen, was aber nicht ein Schlagen im Sinne von verletzen, sondern eher ein wegkommen gewesen sei. Der Privatkläger sei von diesen Schlägen des Beschuldigten im Bereich der Schultern getroffen worden (Urk. 7/7 S. 3 und 6). Einen Aufprall der Hand des Beschuldigten gegen den Kopf des Privatklägers habe es nur ganz am Anfang gegeben (Urk. 7/7 S. 9).

          Auch wenn die Beschreibung des hier in Frage stehenden dynamischen und nur wenige Sekunden dauernden Vorgangs im Nachhinein naturgemäss Mühe bereiten muss zumal der Privatkläger kein neutraler Beobachter des Vorfalls war, sondern infolgedessen selbst zu Boden stürzte und Verletzungen erlitt -, ist zu konstatieren, dass die diversen Angaben des Privatklägers hinsichtlich des (anklagegegenständlichen) Verhaltens des Beschuldigten doch teilweise erheblich voneinander abweichen. So ist von gezielten, kraftvollen Schlägen des Beschul- digten mit der Faust gegen den Kopf des Privatklägers ebenso die Rede, wie auch davon, dass der Privatkläger dem Schlag des Beschuldigten ausgewichen und stattdessen mit dessen Unterleib kollidiert sei, wie auch davon, dass der Beschuldigte den Privatkläger mit der Hand im Gesicht und Nacken gestreift habe der Schlag auf den Kopf beim Sturz auf den Boden passiert sei und/oder der Beschuldigte den Privatkläger auch am Boden gegen den Kopf geschlagen habe. Insgesamt vermögen deshalb die Aussagen des Privatklägers den strittigen Anklagesachverhalt, wonach der Beschuldigte gezielt bzw. vorsätzlich gegen den Privatkläger vorgegangen sei, nicht mit der notwendigen Gewissheit zu beweisen.

        6. Wie die Vorinstanz bereits ausführte, erscheint die Darstellung des Beschul- digten, wonach er panikartig vor der Schlägerei bei der C. -Brücke (vgl.

          Urk. 14 und 30) davon gerannt sei und den Privatkläger infolge Tunnelblick bis zum Zusammenprall gar nicht wahrgenommen habe, anhand der konkreten Umstände durchaus plausibel (Urk. 43 S. 14 f. und S. 17 f.). Dies, auch wenn man entgegen der Vorinstanz (in Urk. 43 S. 15) in Betracht ziehen muss, dass zumindest einige der vom IRM beim Beschuldigten festgestellten Verletzungen (vgl. Urk. 11/2) wohl nicht von der Schlägerei, sondern vom Zusammenstoss des Beschuldigten mit dem Privatkläger und der anschliessenden Verhaftung des Beschuldigten stammen dürften. Ergänzend zu den Ausführungen der Vorinstanz kann noch festgehalten werden, dass das dem Beschuldigten vorgeworfene Vorgehen (versuchtes 'Umrennen' des Privatklägers auf der Flucht) auch deshalb wenig Sinn macht, weil der Beschuldigte offenbar kleiner (und damit wohl auch leichter) war als der Privatkläger (vgl. Urk. 7/7 S. 9; Urk. 11/2 S. 3) und sich der Privatkläger zudem noch in Polizeimontur befand (vgl. Urk. 7/7 S. 4 unten). Hätte der Beschuldigte wirklich die Situation realisiert, in der er sich befand, nämlich dass sich ihm ein Polizist in den Weg stellt, der neben einem Streifenwagen steht, aus dem gerade zwei weitere Polizisten aussteigen, hätte er sich kaum ausgerechnet dazu entschlossen, in den vor ihm stehenden Polizisten hineinzurennen und damit seine Flucht zu einem (wie die Verteidigung in Urk. 31 S. 4 zutreffend bemerkte) sicheren und schmerzhaften Ende zu bringen. Entgegen der Staatsanwaltschaft (Urk. 57 S. 5) lässt sich die Darstellung des Beschuldigten, wonach er die Situation nicht wahrnahm, mit seiner Aussage, den Arm aus Reflex gehoben zu haben, durchaus in Einklang bringen. Es ist plausibel, dass auf das plötzliche und unerwartete Auftauchen eines Hindernisses eine unwillkürliche Reaktion erfolgt. Geht man zudem von der konstanten (vgl. bereits Urk. 7/1 S. 5) und aufgrund der Umstände auch plausiblen Darstellung des Beschuldigten aus, dass er vor einer Schlägerei floh, bei der er selber Verletzungen erlitten hatte, erscheint es umso unwahrscheinlicher, dass er ausgerechnet in diesem Moment eine weitere physische Konfrontation mit einem (bekanntermassen im Nahkampf ausgebildeten) Polizisten suchte. Im Übrigen ist die von der Staatsanwaltschaft vorgebrachte Variante, wonach sich der Beschuldigte durch Umrennen des Privatklägers eines polizeilichen Zugriffs entziehen wollte, so in der Anklage nicht enthalten. Zwar erweist sich diese Hypothese grundsätzlich ebenfalls als plausibel, da der Beschuldigte unbestrittenermassen zuvor in eine Schlägerei verwickelt war. Sich dem polizeilichen Zugriff durch körperliche Konfrontation zu entziehen, stellt durchaus eine Möglichkeit dar, wie sich der Vorfall zugetragen haben könnte. Diese ist mithin nicht naheliegender überzeugender als die vom Beschuldigten konstant und widerspruchsfrei geschilderte Version. Insgesamt lässt sich die Darstellung des Beschuldigten zumindest nicht schlüssig widerlegen als blosse Schutzbehauptung abtun.

        7. Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Beschuldigte in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (Art. 10 Abs. 3 StPO) von den Anklagevorwürfen vollumfänglich freizusprechen ist.

    3. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 3) zu bestätigen und sind die Kosten der Untersuchung sowie des gerichtlichen Verfahrens beider Instanzen auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 426 Abs. 1 und Art. 428 Abs. 1 StPO). Fürsprecher X. ist für seine Bemühungen im Berufungsverfahren mit Fr. 2'190.aus der Gerichtskasse zu entschädigen.

  2. Ferner ist die dem Beschuldigten für zwei Tage erstandener Haft zugesprochene Genugtuung von Fr. 300.- unter Verweis auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 43 S. 21 f.) zu bestätigen.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird, soweit sich diese auf die Zivilklage des Privatklägers bezieht, nicht eingetreten.

  2. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung - Einzelgericht, vom 26. Mai 2020 bezüglich Dispositivziffern 2 (Zivilklage) sowie 4 (Entschädigung amtliche Verteidigung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  3. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

  4. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    wird vollumfänglich freigesprochen.

  2. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 3) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 2'190.amtliche Verteidigung.

  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Dem Beschuldigten werden Fr. 300.als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  6. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

    • den Privatkläger

    • das Bundesamt für Polizei, Bundeskriminalpolizei

    • den Nachrichtendienst des Bundes

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG).

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 25. Mai 2021

Die Präsidentin:

Oberrichterin lic. iur. Bertschi

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Meier

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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