Zusammenfassung des Urteils SB190287: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte A. wurde vom Vorwurf des rechtswidrigen Aufenthalts freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Dem Beschuldigten wird eine Genugtuung von Fr. 400.- für die erlittene Haft zugesprochen. Das Urteil des Bezirksgerichtes Horgen bezüglich der Kostenfestsetzung ist rechtskräftig. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr entfällt. Der Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich ist Oberrichter Dr. Bussmann. Die Gerichtskosten betragen insgesamt Fr. 3'110.-.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB190287 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 15.11.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Widerhandlung gegen das Ausländergesetz |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Verfahren; Beschuldigten; Aufenthalt; Berufung; Urteil; Rekurs; Entscheid; Verfahrens; Duldung; Aufenthalts; Migration; Verteidigung; Verfahren; Duldungserklärung; Recht; Gericht; Erteilung; Sicherheitsdirektion; Schweiz; Eheschliessung; Kantons; Staatsanwaltschaft; Gesuch; Ehevorbereitungsverfahren; Migrationsamt; Identität; Reisepass |
Rechtsnorm: | Art. 115 AIG ;Art. 126 AIG ;Art. 135 StPO ;Art. 252 StGB ;Art. 337 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 431 StPO ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 136 I 229; 139 I 37; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB190287-O/U/cs
Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Stiefel, der Ersatzoberrichter lic. iur. Castrovilli sowie der Gerichtsschreiber MLaw Andres
Urteil vom 15. November 2019
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen
Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend Widerhandlung gegen das Ausländergesetz
Anklage:
Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 20. November 2018 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 7).
Urteil der Vorinstanz:
Der Beschuldigte ist schuldig des rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, wovon 2 Tage durch Haft erstanden sind.
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'800.-; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'400.- Gebühr für das Vorverfahren Fr. 2'095.- Kosten amtliche Verteidigung
Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.
Der amtliche Verteidiger wird für seine Bemühungen und Barauslagen mit Fr. 2'095.- (inkl. MWST) aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausser diejenigen der amtlichen Verteidigung und der Übersetzung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Berufungsanträge:
Der amtlichen Verteidigung: (Urk. 35 schriftlich; Urk. 46 S. 2)
1. Es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und der Beschuldigte/ Berufungskläger vom Vorwurf des rechtswidrigen Aufenthaltes im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG vollumfänglich freizusprechen.
Aufzuheben sind mithin Ziff. 1, 2 und 3 des Urteilsdispositivs sowie Ziff. 6, insofern die Kosten der Untersuchung des gerichtlichen Verfahrens dem Beschuldigten / Berufungskläger auferlegt wurden und hinsichtlich der Kosten der amtlichen Verteidigung eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO vorbehalten wurde.
Ferner wird beantragt, im Berufungsverfahren die in der nachfolgenden Begründung bezeichneten Beweismittel zu berücksichtigen.
Unter Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin.
Der Vertreterin der Staatsanwaltschaft: (Urk. 39 schriftlich, sinngemäss)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils;
Verzicht auf Beweisanträge;
Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung.
Erwägungen:
Verfahrensgang
Hinsichtlich des Prozessverlaufs bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kann auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid des Einzelgerichts in Strafsachen am Bezirksgericht Horgen verwiesen werden. Mit dem vorstehend wiedergegebenen Urteil vom 26. Februar 2019 sprach die Vorinstanz den
Beschuldigten anklagegemäss des rechtswidrigen Aufenthalts schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 4 Monaten, unter Anrechnung von 2 Tagen erstandener Haft (Urk. 33).
Gegen das mündlich eröffnete Urteil (Prot. I S. 19) meldete die Verteidigung mit Eingabe vom 1. März 2019 rechtzeitig Berufung an (Urk. 29). Am 14. Mai 2019 versandte die Vorinstanz das begründete Urteil an die Parteien (Urk. 32/1-3) und übermittelte die Anmeldung der Berufung zusammen mit den Akten dem Obergericht. Nach Erhalt des begründeten Urteils reichte die Verteidigung am
6. Juni 2019 fristgerecht die Berufungserklärung unter Beilage diverser Unterlagen ein (Urk. 35; Urk. 36/1-10).
Mit Präsidialverfügung vom 7. Juni 2019 wurde der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis die Berufungserklärung des Beschuldigten zugestellt und Frist für eine Anschlussberufung einen Nichteintretensantrag angesetzt (Urk. 37). Mit Eingabe vom 3. Juli 2019 beantragte die Staatsanwaltschaft die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 44).
Am 31. Juli 2019 wurde zur Berufungsverhandlung auf den 15. November 2019 vorgeladen (Urk. 50). Nachdem der Staatsanwaltschaft das Erscheinen gestützt auf Art. 337 StPO freigestellt worden war (Urk. 43/6/1) und diese bereits vorweg auf eine Teilnahme an der Verhandlung verzichtet hatte (Urk. 39), der amtliche Verteidiger für sich und den Beschuldigten am 8. November 2019 ein Dispensationsgesuch gestellt hatte (Urk. 44), welches am 11. November 2019 bewilligt worden war (Urk. 44 S. 2), und der amtliche Verteidiger mit Eingabe vom
13. November 2019 seine Plädoyernotizen samt Beilagen eingereicht hatte (Urk. 46; Urk. 47/1-4), fand am 15. November 2019 die Beratung des Urteils statt (Prot. II S. 3 ff.).
Prozessuales
Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der Berufungsanträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (BSK STPO II-EUGSTER, Art. 402 N 2). Die Berufung des Beschuldigten zielt auf einen Freispruch vom Anklagevorwurf des rechtswidrigen Aufenthalts ab (Urk. 39). Demgemäss steht im Rahmen des Berufungsverfahrens grundsätzlich der gesamte erstinstanzliche Entscheid zur Disposition. Nicht angefochten und damit in Rechtskraft erwachsen ist das vorinstanzliche Urteil nur hinsichtlich Dispositivziffer 4 betreffend Kostenfestsetzung sowie hinsichtlich Dispositivziffer 5 betreffend Bemessung der Entschädigung der amtlichen Verteidigung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Prozesses, was vorab festzuhalten ist.
In formeller Hinsicht ist ferner anzumerken, dass sich der Beschuldigte im Verlaufe des Strafverfahrens auf den Standpunkt gestellt hat, dass sein bis anhin registrierter Vorname A'. nicht korrekt sei; richtigerweise laute sein Vorname A. (Prot. I S. 6 und S. 12). Diese Behauptung deckt sich mit den nunmehr gesicherten Personalien gemäss dem von ihm vorgelegten algerischen Reisepass (vgl. Urk. 36/3). Entsprechend wurde der Vorname des Beschuldigten im Rubrum des vorliegenden Entscheids auf A. angepasst.
Im Berufungsverfahren reichte die Verteidigung sodann zusätzliche Unterlagen als Beweismittel ein, welche antragsgemäss zu den Akten genommen wurden (Urk. 36/1-10; Urk. 47/1-4). Im Übrigen wurden von keiner Seite Beweisanträge gestellt. Folglich erweist sich das Verfahren als spruchreif, wobei bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen ist, dass sich das urteilende Gericht nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 136 I 229 E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts Nr. 6B_1130/2014 vom 8. Juni 2015, E. 4). Die Berufungsinstanz kann sich somit im Folgenden auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Sachverhalt und rechtliche Würdigung
Gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 20. November 2018, der vorliegend als Anklageschrift gilt, soll sich der Beschuldigte der Widerhandlung gegen Art. 115 Abs. 1 lit. b AuG schuldig gemacht haben, indem
er sich trotz Kenntnis seines fehlenden Bleiberechts im Zeitraum vom
21. September 2018 bis am 19. November 2018 wissentlich und willentlich in der Schweiz aufgehalten habe (Urk. 7 S. 2).
Zu beachten ist, dass am 1. Januar 2019 das Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) in Kraft getreten ist, dessen Strafbestimmung zum rechtswidrigen Aufenthalt (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG) indessen identisch ist mit derjenigen, die zum Zeitpunkt des anklagerelevanten Sachverhalts galt (Art. 115 Abs. 1 lit. b AuG). Damit erscheint das heutige Recht nicht als das mildere, weshalb es bei der Anwendung des AuG bleibt (vgl. Art. 126 Abs. 4 AIG).
Angesichts der mit Blick auf die Beurteilung der Strafbarkeit zu klärenden ausländerrechtlichen Vorfragen rechtfertigt es sich im Folgenden, vorab einen Abriss über den Gang der verschiedenen verwaltungsrechtlichen Verfahren zu geben, welche teilweise parallel zum vorliegenden Strafprozess ihren Lauf nahmen. Zugleich ist diesbezüglich allerdings darauf hinzuweisen, dass keine vollständigen Verwaltungsverfahrensdossiers vorliegen, sodass sich die entsprechenden Vorgänge nicht lückenlos rekonstruieren lassen, was sich strafprozessual allerdings nicht zu Ungunsten des Beschuldigten auswirken darf.
Beim Beschuldigten handelt es sich um einen algerischen Staatsangehörigen, der am 16. August 2009 in die Schweiz eingereist und auf dessen Asylgesuch - nach einem ersten ablehnenden Entscheid vom 26. März 2010 (vgl.
Urk. 16/2/5) am 14. Februar 2013 rechtskräftig nicht eingetreten wurde (Urk. 4/1; Urk. 4/2). Dessen ungeachtet reiste er nicht aus; vielmehr lässt sich
dem Strafregisterauszug entnehmen, dass er in den Jahren 2013 und 2014 mehrere strafrechtliche Verurteilungen erwirkte (vgl. Urk. 34). Als Folge davon befand er sich während mehreren Monaten im ordentlichen Strafvollzug und in ausländerrechtlicher Ausschaffungshaft. Sodann scheiterten in den Jahren 2014 und 2015 mehrere Versuche, ihn in sein Heimatland zurückzuschaffen, an seiner Verweigerungshaltung (Urk. 10/3).
Des Weiteren ergibt sich aus den Akten, dass der Beschuldigte am 4. November 2016 bei den Zivilstandsbehörden zwecks Heirat mit der Schweizer
Staatsbürgerin B. ein Gesuch um Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens eingeleitet hat (vgl. Urk. 16/12 S. 2). In diesem Zusammenhang liess er am 9. Februar 2017 bei der kantonalen Migrationsstelle ein Begehren um Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung bzw. Duldung seines Aufenthalts während der Dauer des Eheschliessungsverfahrens stellen, welches jedoch - nach einem negativen Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 27. März 2017
(Urk. 16/2/8) erst mit Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 25. Januar 2018 bewilligt wurde (Urk. 16/5).
In der Folge nahm das Zivilstandsamt C. das Ehevorbereitungsverfahren wieder auf, verweigerte aber mit Verfügung vom 27. März 2018 dessen Durchführung mit der Begründung, dass der Beschuldigte nach dem behaupteten Verlust seiner algerischen Identitätskarte einen neu ausgestellten Ausweis vorgelegt habe, der sich als Totalfälschung erwiesen habe (Urk. 20/2). Dieser Entscheid wurde vom Beschuldigten umgehend angefochten (Urk. 20/3). Parallel dazu ersuchte der Beschuldigte bei der Ausländerbehörde um Verlängerung seiner Duldung des Aufenthalts bis zur Klärung der Sachlage im Zivilstandsverfahren, welches Begehren jedoch vom kantonalen Migrationsamt mit Verfügung vom
30. Mai 2018 wiederum erstinstanzlich abgewiesen wurde (Urk. 4/7). Auch in diesem Fall wandte sich der Beschuldigte mit Rekurs an die Sicherheitsdirektion, welche am 24. Juli 2018 die ihr unterstellte Behörde anwies, während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens sämtliche Vollzugshandlungen betreffend Wegweisung des Beschuldigten zu unterlassen. Zugleich stellte sie in Aussicht, den Rekurs als gegenstandslos abzuschreiben, sollte bis am 11. September 2018 noch kein Sachentscheid im zivilstandsamtlichen Verfahren ergangen sein (Urk. 26/4). In Ermangelung eines solchen schrieb die Sicherheitsdirektion ihr Rekursverfahren ankündigungsgemäss am 20. September 2018 infolge Gegenstandslosigkeit ab (Urk. 4/8 = Urk. 20/6).
In der Annahme, dass bis zum Termin, der von der ausländerrechtlichen Rekursbehörde vorgeschrieben war, kein materieller Entscheid im zivilstandsamtlichen Verfahren zu erwarten war, hatte der Beschuldigte bereits am 7. September 2018 beim kantonalen Migrationsamt ein erneutes Begehren um Ausstellung
einer weiteren Duldungserklärung bis zur definitiven Bewilligung der Eheschliessung deponiert. Darin brachte der Beschuldigte vor, dass es ihm zwischenzeitlich gelungen sei, sich eine Kopie seiner abhanden gekommenen algerischen Identitätskarte zu beschaffen und dass das Generalkonsulat von Algerien ihn nunmehr als eigenen Staatsangehörigen anerkenne sowie die Ausstellung eines Reisepasses einzig davon abhängig mache, dass er einen gültigen schweizerischen Aufenthaltstitel vorlege (Urk. 20/1). Die angerufene Migrationsbehörde wies den Antrag des Beschuldigten allerdings am 9. November 2018 wiederum formell ab, wobei zur Begründung diesmal erwogen wurde, dass die Sicherheitsdirektion zum Zeitpunkt des Erlasses des Rekursentscheids am 20. September 2018 von der Eingabe vom 7. September 2018 nachweislich Kenntnis gehabt habe, weshalb davon auszugehen sei, dass die darin aufgeführten Umstände bereits im Rekursverfahren mitberücksichtigt worden seien (Urk. 4/10 = Urk. 20/8). Auch dagegen kündigte der Beschuldigte die Erhebung eines Rekurses an (Urk. 3/1 = Urk. 20/9).
Anhand der vorhandenen Akten lässt sich sodann für den weiteren Verlauf lediglich noch bruchstückhaft rekonstruieren, dass die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verweigerung der Eheschliessung durch die Zivilstandsbehör- den zwar erfolglos blieb, dass er aber kurz darauf die Ausstellung eines Reisepasses seitens des algerischen Generalkonsulats erwirken konnte (vgl. Urk. 35
S. 2 f.). Daraufhin beantragte der Beschuldigte beim Zivilstandsamt C. umgehend die Wiederaufnahme des Ehevorbereitungsverfahrens, in dessen Verlauf das Forensische Institut Zürich jedoch am 4. Februar 2019 den Befund aussprach, beim vorgelegten Pass handle es sich um ein gefälschtes Dokument (Urk. 36/4). Entsprechend lehnte das Zivilstandsamt die Wiederaufnahme des Eheschliessungsverfahrens zunächst ab (Urk. 36/9). Zudem wurde im Anschluss daran von der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten betreffend Fälschung von Ausweisen im Sinne von Art. 252 StGB eröffnet. Die diesbezüglich vorgenommenen Abklärungen widerlegten indessen die Beurteilung des Forensischen Instituts und ergaben, dass der vom Beschuldigten vorgelegte Reisepass echt ist, weshalb das Strafverfahren am
21. März 2019 eingestellt wurde (Urk 36/7). Aufgrund dieses Ergebnisses nahm die Zivilstandsbehörde am 7. Mai 2019 das Ehevorbereitungsverfahren wieder auf
(Urk. 36/10). Parallel dazu stellte das Migrationsamt für den Beschuldigten am
Mai 2019 erneut eine Duldungserklärung zwecks Vorbereitung der Eheschliessung aus (Urk. 36/8).
Gestützt auf die am 13. November 2019 eingereichten Unterlagen ergibt sich schliesslich, dass der Beschuldigte am 5. Juli 2019 die Ehe mit vorgenannter B. geschlossen hat (Urk. 47/2) und ihm in der Folge am 10. September 2019 eine Aufenthaltsbewilligung (B) erteilt wurde (Urk. 47/3). Ferner ist der Beschuldigte seit 16. September 2019 im Bereich Umzug und Reinigung stundenweise auf Abruf erwerbstätig (Urk. 47/4).
Gemäss Anklage soll sich der Beschuldigte ab dem Tag nach dem Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 20. September 2018 (Urk. 4/8 = Urk. 20/6) bis am 19. November 2018, als er im Rahmen einer Ausreisekontrolle in Haft genommen wurde (Urk. 5/1), illegal in der Schweiz aufgehalten haben (Urk. 7). Der Beschuldigte hat nie in Abrede gestellt, dass er während des eingeklagten Zeitraums im Land geblieben ist (vgl. Urk. 2/1 S. 1 ff.; Urk. 2/4 S. 2; Prot. I S. 10 ff.). Zu seiner Verteidigung beruft er sich indessen darauf, dass er bereits im November 2016 bei den Zivilstandsbehörden ein Verfahren zur Vorbereitung der Ehe mit B. eingeleitet habe. Als Folge davon habe ihm die Sicherheitsdirektion schon am 25. Januar 2018 eine befristete Aufenthaltsbewilligung zur Durchführung der Eheschliessung erteilt. Als er vor Ablauf der Gültigkeitsdauer ein neuerliches Gesuch um Duldung des Aufenthalts eingereicht habe, welches das kantonale Migrationsamt abgelehnt habe, habe er wiederum die Sicherheitsdirektion angerufen, welche ihn am 24. Juli 2018 schriftlich darüber informiert habe, dass während der Dauer des Rekursverfahrens sämtliche Vollzugshandlungen betreffend seine Wegweisung zu unterlassen seien. Noch vor Abschluss des Rekursverfahrens habe er am 7. September 2018 beim zuständigen Migrationsamt ein erneutes Gesuch um Erteilung einer Duldungserklärung gestellt. Dieses habe das Begehren erst am 9. November 2018 formell abgewiesen, wobei gegen diesen Entscheid abermals ein Rekurs offen gestanden habe. Demnach sei sein Gesuch vom 7. September 2018 um nochmalige Erteilung einer Duldungserklärung bis zum Ende des eingeklagten Zeitraums am 19. November 2018 noch
nicht rechtskräftig beurteilt gewesen. Angesichts dessen, dass das Verfahren betreffend Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldungserklärung bis zu diesem Zeitpunkt pendent gewesen sei, könne sein Aufenthalt in der Schweiz also nicht rechtswidrig gewesen sein. Die Behörden wären damals gestützt auf Art. 17
Abs. 2 AuG und die entsprechende bundesgerichtliche Rechtsprechung verpflichtet gewesen, ihm mit Blick auf die bevorstehende Eheschliessung für den fraglichen Zeitraum einen provisorischen Aufenthaltstitel bzw. eine Duldungserklärung auszustellen. Überdies sei der Beschuldigte stets bemüht gewesen, den Zivilstandsbehörden die notwendigen Identitätsdokumente vorzulegen, welche von ihm zur Bewilligung der Eheschliessung angefordert wurden. Entsprechend sei ihm auch in subjektiver Hinsicht ohnehin nicht bewusst gewesen, dass er sich während des Ehevorbereitungsverfahrens illegal im Land aufgehalten haben soll (Prot. I S. 14 ff.; Urk. 35 S. 2 ff.; Urk. 46 S. 4 ff.).
Mit seiner Argumentation wirft der Beschuldigte die Frage des Anspruchs auf prozeduralen Aufenthalt aufgrund der geplanten Heirat auf. In der Tat setzt die Strafbarkeit nach Art. 115 Abs. 1 lit. b AuG voraus, dass sich die beschuldigte Person rechtswidrig in der Schweiz aufhält. Umgekehrt ist der Aufenthalt rechtmässig, wenn er individuell bewilligt ist wenn eine gesetzliche Vorschrift die Anwesenheit erlaubt. Gemäss der gesetzlichen Regelung von Art. 17 Abs. 1 AuG muss zwar, wer nachträglich um eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt ersucht, den Entscheid grundsätzlich im Ausland abwarten. Die Behörde kann jedoch dem Ausländer nach Art. 17 Abs. 2 AuG den Aufenthalt während des betreffenden Bewilligungsverfahrens gestatten, so etwa wenn die Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 32 AuG die Ausstellung einer Duldungserklärung zur Vorbereitung eines Eheschlusses verlangt wird. Der Zweck dieses prozeduralen Aufenthalts besteht darin, die Ausreisepflicht gemäss Art. 17 Abs. 1 AuG zu mildern, wenn sie keinen Sinn macht, weil vermutlich die Bewilligung letztlich zu erteilen sein wird (BGE 139 I 37 E. 3.4.4). Als Ausfluss des allgemeinen Verhältnismässigkeitsprinzips werden solche Kurzaufenthaltsbewilligungen Duldungserklärungen jeweils im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens der Ausländerbehörde auf Zusehen hin erteilt. Das verfassungskonform auszuübende Ermessen kann sich unter Umständen aber durchaus zu einem Anspruch verdichten (Urteil des Bundesgerichts Nr. 2C_72/2018 vom 15. Juni 2018,
E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts Nr. 2C_253 vom 30. Mai 2017, E. 4.2). Diese Praxis findet auch auf abgewiesene - und damit an sich illegal anwesende - Asylbewerber Anwendung, welche erst mittels Heirat eine ausländerrechtliche Daueraufenthaltsbewilligung beanspruchen, weil ihnen bei einer ernstlich gewollten Ehe und offensichtlich erfüllten Bewilligungserfordernissen nicht zugemutet werden kann, in ihre Heimat zurückzukehren und von dort aus um eine Einreisebewilligung zwecks Heirat zu ersuchen (BGE 139 I 37 E. 3.5.2). In der Lehre wird deshalb allgemein die Auffassung vertreten, dass der Aufenthalt eines Ausländers in der Schweiz nicht strafbar sein kann, solange ein Verfahren um Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung einer Duldungserklärung läuft und noch kein rechtskräftiger Entscheid darüber vorliegt (OFK StGB-MAURER, Art. 115 AIG N 19; OFK Migrationsrecht-ZÜND, Art. 115 AuG N 7; CARONI/SCHREBER/PREISIG/ZOETEWEIJ, Migrationsrecht, Bern 2018, S. 319; SHK-VETTERLI/D'ADDARIO DI PAOLO,
Art. 115 AuG N 21).
Vorliegend trifft es zwar zu, dass die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich das bei ihr pendente Rekursverfahren betreffend Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung für den Beschuldigten am 20. September 2018 infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben hat, womit gleichzeitig auch die Anordnung, während der Dauer des Rekursverfahrens sämtliche Wegweisungshandlungen zu unterlassen, hinfällig wurde. Indessen hatte der Beschuldigte bereits mit Eingabe vom 7. September 2018 beim Migrationsamt des Kantons Zürich ein neues Verfahren auf Erteilung einer Duldungserklärung eingeleitet. Darin präsentierte er eine neue Sachlage, die im Wesentlichen darin bestand, dass es ihm zwischenzeitlich gelungen war, eine Kopie seiner algerischen Identitätskarte erhältlich zu machen und vom algerischen Generalkonsulat die Bestätigung erhalten zu haben, dass man ihm einen Reisepass ausstellt. Mit überzeugender Begründung hat schon die Vorinstanz diesbezüglich festgehalten, dass diese neuen Umstände entgegen der Auffassung des Migrationsamts keineswegs im Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion mitberücksichtigt wurden, sondern dass der Beschuldigte richtig vorgegangen ist, indem er gestützt auf die von ihm neu geltend gemachten Vorbringen bei der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde, d.h. beim Migrationsamt, ein erneutes Gesuch um Ausstellung einer Duldungserklärung gestellt hat (Urk. 33
S. 12 f.). Auf die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz kann hier deshalb zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen vollumfänglich verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO). In der Folge fällte das Migrationsamt zwar formell am 9. November 2018 einen negativen Entscheid, wobei aus den vorhandenen Akten nur hervorgeht, dass der Beschuldigte einen Rekurs dagegen angekündigt hat, nicht aber, ob ein solcher tatsächlich angehoben wurde und wie das allfällige Rekursverfahren ausgegangen ist. Unabhängig davon muss jedoch festgehalten werden, dass die 30-tägige Rekursfrist gegen den migrationsamtlichen Entscheid noch lief, als der Beschuldigte am 19. November 2018 im Rahmen der Ausreisekontrolle inhaftiert wurde. Daraus muss geschlossen werden, dass sein Gesuch um Ausstellung einer neuerlichen Duldungserklärung noch in der Schwebe war und dass darüber bis zum Ende des eingeklagten Zeitraums noch nicht rechtskräftig entschieden war.
Nach dem Gesagten verfügte der Beschuldigte demnach für die Zeit nach dem Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 20. September 2018 an sich über keinen behördlich erlassenen Aufenthaltstitel mehr. Aufgrund der Regelung des prozeduralen Aufenthalts im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG kann sich der Beschuldigte indessen auf ein gesetzliches Anwesenheitsrecht berufen, sofern er infolge seiner damals geplanten Heirat mit der Schweizerin
B. und gestützt auf sein hängiges Gesuch vom 7. September 2018 einen offensichtlich schützenswerten Anspruch auf Erteilung einer auch nur temporären Aufenthaltsbewilligung hatte. Auch wenn die Frage der Ausstellung einer auslän- derrechtlichen Duldungserklärung selbstredend nicht Gegenstand des vorliegenden Strafprozesses bildet, erscheint es deshalb wie dies bereits im angefochtenen Entscheid geschehen ist als unumgänglich, nachstehend zu prüfen, ob während des eingeklagten Zeitraums hinsichtlich des Gesuchs des Beschuldigten vom 7. September 2018 klare Erfolgsaussichten vorlagen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Migrationsbehörden nach der massgeblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung gehalten sind, eine Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Ehe zu erteilen, sofern keine Hinweise bestehen, dass die ausländische Person mit ihrem Vorhaben eine Scheinehe einzugehen beabsichtigt die Vorschriften über den Familiennachzug umgehen will, und wenn feststeht, dass sie nach der Heirat die Zulassungsvorschriften in der Schweiz offensichtlich erfüllt, indem die heiratswillige ausländische Person in Zukunft mit dem hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügenden Ehegatten rechtmässig wird leben dürfen. Darüber hinaus soll die Kurzaufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung des Eheschlusses nur erteilt werden, wenn mit der Beschaffung der dafür zivilrechtlich erforderlichen Papiere und Bestätigungen in absehbarer Zeit zu rechnen ist (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts Nr. 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018, E. 4.2 und E. 4.3 m.w.H.).
Im angefochtenen Entscheid ist die Vorinstanz zum Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldungserklärung zwecks Durchführung des Ehevorbereitungsverfahrens beim Beschuldigten nicht offensichtlich erfüllt waren. Denn obschon die Eheschliessung seit November 2016 beantragt gewesen sei, sei es dem Beschuldigten nicht gelungen, seine Identität gegenüber den Zivilstandsbehörden rechtsgenüglich nachzuweisen. Zudem habe der Beschuldigte gefälschte Ausweise eingereicht. Die daraus resultierende zeitliche Verzögerung bei der Abwicklung des zivilstandsamtlichen Verfahrens sei daher hauptsächlich selbstverschuldet und auf das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Beschuldigten zurückzuführen. Unter diesen Umstän- den habe man davon ausgehen dürfen, dass das Ehevorbereitungsverfahren kaum in absehbarer Zeit abgeschlossen werden könne, weshalb es im pflichtgemässen Ermessen der Migrationsbehörden gestanden habe, das Gesuch des Beschuldigten vom 7. September 2018 um Duldung des weiteren Verbleibs in der Schweiz abzulehnen (Urk. 33 S. 13 f.). Diese vorinstanzliche Auffassung erscheint zwar aufgrund des damaligen Erkenntnisstands als nachvollziehbar. Gleichwohl kann ihr im Lichte der heutigen Faktenlage nicht gefolgt werden. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass das Zivilstandsamt C. offenbar noch im Januar 2018 davon ausging, dass die vom Beschuldigten eingereichten Dokumente für eine Trauung ausreichen würden und dass man das Ehevorbereitungsverfahren durchführen werde, sobald dessen Aufenthaltsstatus geregelt sei (vgl. Urk. 16/5 S. 12). Erst als der Beschuldigte in der Folge dem Zivilstandsamt anstelle seines ursprünglichen, anscheinend verloren gegangenen Ausweises ei-
ne neu ausgestellte algerische Identitätskarte einreichte, die als Fälschung beurteilt wurde, wurde das Eheschliessungsverfahren am 27. März 2018 abgebrochen. Fortan bekundete der Beschuldigte grosse Mühe, ein Identitätsdokument beizubringen, welches von den Zivilstandsbehörden als gültig angesehen wird. So wurde auch der Reisepass, den ihm das algerische Generalkonsulat im Januar 2019 ausgestellt hat, vom Zivilstandsamt dem Forensischen Institut Zürich zur Echtheitsüberprüfung unterbreitet und dort am 4. Februar 2019 für eine Fälschung gehalten. Dieser Befund musste jedoch im Nachhinein umgestossen werden, nachdem sich die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis eingeschaltet hatte, die vom algerischen Generalkonsulat die Bestätigung erhielt, dass der Pass rechtmässig ausgestellt worden sei. Zwar gilt diese Verifizierung der Echtheit streng genommen nur für den Reisepass, den der Beschuldigte im Januar 2019 und damit erst nach dem hier relevanten Anklagezeitraum erhältlich machen konnte, wohingegen in Bezug auf die ursprüngliche Identitätskarte, welche Gegenstand der negativen zivilstandsund migrationsamtlichen Entscheide aus dem Jahr 2018 bildete, keine entsprechenden Abklärungen aktenkundig sind. Mangels Angaben lässt sich jedoch zum einen nicht überprüfen, auf welcher Grundlage die Behör- den das damals eingereichte Dokument als Fälschung einstuften. Zum anderen kann nach der Widerlegung des Befunds des Forensischen Instituts hinsichtlich des Reisepasses auch nicht ausgeschlossen werden, dass in Bezug auf die Echtheit der seinerzeit vorgelegten Identitätskarte ebenfalls eine Falschbeurteilung vorgenommen wurde. Dies zumal bei den Akten eine Kopie der betreffenden Identitätskarte liegt (vgl. Anhang zu Urk. 20/1), welche exakt dieselben Personalien aufweist wie der unzweifelhaft gültige Reisepass (vgl. Urk. 36/3) und auch die schliesslich am 10. September 2019 ausgestellte Aufenthaltsbewilligung
(Urk. 47/3). Entsprechend lässt sich aufgrund der heutigen Beweislage dem Beschuldigten nicht rechtsgenügend nachweisen, dass er im Ehevorbereitungsverfahren gefälschte Dokumente eingereicht hat. Infolgedessen ist unter Berücksichtigung dieser neuen Umstände festzuhalten, dass die lange Dauer des Eheschliessungsverfahrens bis anhin eher auf die unklare Situation hinsichtlich der Echtheit der vorgelegten Ausweise denn auf die Untätigkeit des Beschuldigten bei der Papierbeschaffung zurückzuführen ist. Kommt hinzu, dass das Verfahren sich
nicht zuletzt auch deshalb in die Länge zog, weil der Beschuldigte im ausländerrechtlichen Bereich mehrmals ein Rechtsmittel ergreifen musste, um negative Entscheide der vorgelagerten Migrationsbehörde umzustossen. Insofern kann dem Beschuldigten nicht angelastet werden, für die Verzögerungen im Ehevorbereitungsverfahren hauptsächlich selber verantwortlich gewesen zu sein. Schliesslich ist beizufügen, dass bereits die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich in ihrem ersten Rekursentscheid vom 25. Januar 2018 ausführlich begründet hat, dass im Falle des Beschuldigten auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, welche der Erteilung einer Kurzaufenthaltsbewilligung entgegen stehen. In Würdigung aller aufgeführten Umstände ist deshalb rückblickend zugunsten des Beschuldigten anzunehmen, dass die Erfordernisse an die Erteilung einer Duldungserklärung auch im Zeitraum nach dem zweiten Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 20. September 2018 bis zur Verhaftung vom 19. November 2018 als offensichtlich erfüllt zu betrachten sind.
Schlussfolgernd ergibt sich mithin, dass der Beschuldigte nach der Regelung des prozeduralen Aufenthalts gemäss Art. 17 Abs. 2 AuG ein gesetzliches Anwesenheitsrecht für sich in Anspruch nehmen kann, den er mit seinem Gesuch vom 7. September 2018 um Ausstellung einer erneuten Duldungserklärung fristgerecht geltend gemacht hatte. Damit entfällt hinsichtlich des gesamten eingeklagten Zeitraums die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts, was eine objektive Tatbestandsvoraussetzung von Art. 115 Abs. 1 lit. b AuG darstellt. Überdies kann bei dieser Sachlage auch nicht gesagt werden, dass der Beschuldigte seinerzeit beabsichtigt auch nur in Kauf genommen hätte, sich illegal in der Schweiz aufzuhalten, sodass auch der subjektive Tatbestand der Strafnorm nicht erfüllt ist. Demgemäss ist der Beschuldigte vom Anklagevorwurf freizusprechen.
Kostenund Entschädigungsfolgen
In Anbetracht dessen, dass der Beschuldigte mit seinen Berufungsbegehren vollumfänglich durchdringt und heute ein Freispruch vom Anklagevorwurf zu ergehen hat, sind die Kosten des Vorverfahrens, des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und des Berufungsverfahrens auf die Gerichtskasse zu nehmen. Dasselbe gilt mit Bezug auf die Kosten der amtlichen Verteidigung für beide Instanzen. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz (Art. 426 Abs. 1 und 2 StPO sowie Art. 428 Abs. 1 StPO).
Die amtliche Verteidigung macht für ihre Aufwendungen und Barauslagen im Berufungsverfahren Fr. 4'207.60 geltend (Urk. 48). Der geltend gemachte Aufwand erscheint angemessen. Demgegenüber erweist sich der veranschlagte Stundenansatz von Fr. 300.als überhöht. Gemäss Art. 3 AnwGebV ist ein Ansatz von Fr. 220.zu gewähren. Mithin ist der amtliche Verteidiger mit einem Honorar von gerundet Fr. 3'110.- (inkl. Auslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse zu entschädigen.
Darüber hinaus ist dem freizusprechenden Beschuldigten eine Genugtuung für den erlittenen Freiheitsentzug zuzusprechen (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO in Verbindung mit Art. 431 Abs. 2 StPO). Die Strafbehörden haben diesen Anspruch von Amtes wegen zu prüfen (Art. 429 Abs. 2 StPO). Bei kürzeren Freiheitsentzügen ist die Genugtuung praxisgemäss auf Fr. 200.pro Tag festzulegen, sofern nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine höhere eine geringere Entschädigung rechtfertigen (Urteil des Bundesgerichts Nr. 6B_196/2014 vom
5. Juni 2014, E. 1.2). Vorliegend befand sich der Beschuldigte vom 19. November
2018, 08.00 Uhr (Urk. 5/1), bis 20. November 2018, 16.10 Uhr (Urk. 5/5), in Haft, was einer Dauer von rund 2 Tagen gleichkommt. Besondere Umstände, welche ein Abweichen vom vorstehend zitierten Regeltagesansatz nahelegen würden, wurden von keiner Seite vorgebracht und sind im Übrigen auch aufgrund der Akten nicht ersichtlich. Folgerichtig ist dem Beschuldigten eine Genugtuung von
Fr. 400.aus der Gerichtskasse zuzusprechen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Horgen, Einzelgericht, vom 26. Februar 2019 bezüglich Dispositivziffer 4 (Kostenfestsetzung) sowie Dispositivziffer 5 (Bemessung der Entschädigung der amtlichen Ver-
teidigung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird vom Vorwurf des rechtswidrigen Aufenthalts
vollumfänglich freigesprochen.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:
Fr. 3'110.amtliche Verteidigung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für 2 Tage erstandene Haft eine Genugtuung von Fr. 400.aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten;
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis;
das Staatssekretariat für Migration, Postfach, 3003 Bern;
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz;
das Migrationsamt des Kantons Zürich;
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG);
die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED Materials zwecks Löschung des DNA-Profils;
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA-V mittels Kopie von Urk. 45.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 15. November 2019
Der Präsident:
Oberrichter Dr. Bussmann
Der Gerichtsschreiber:
MLaw Andres
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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