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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB180497
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB180497 vom 22.02.2019 (ZH)
Datum:22.02.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Versuchte vorsätzliche Tötung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Habe; Messer; Einvernahme; Aussage; Privatklägers; Aussagen; Verletzung; Zeuge; Habe; Erklärte; Staatsanwalt; Verletzungen; Staatsanwaltschaft; Vorfall; Schlagen; Zeugen; Person; Polizei; Streit; Recht; Darstellung; Verteidigung; Verletzt; Geschlagen; Amtlich; Ausserdem
Rechtsnorm: Art. 111 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 147 StPO ; Art. 148 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 402 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 448 StPO ; Art. 454 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:131 I 476;
Kommentar zugewiesen:
WOHLERS, Kommentar StPO, 2014
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB180497-O/U/cs-ad

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. WasserKeller und Oberrichterin lic. iur. Bertschi sowie Gerichtsschreiberin MLaw Höchli

Urteil vom 22. Februar 2019

in Sachen

  1. ,

    Beschuldigter und Erstberufungskläger

    amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. X1.

    gegen

    Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. Knauss,

    Anklägerin und Zweitberufungsklägerin

    sowie

  2. ,

Privatkläger

betreffend versuchte vorsätzliche Tötung

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom 8. Mai 2018 (DG170025)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 18. August 2017 (Urk. 33) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.

    Einer weiteren strafbaren Handlung ist der Beschuldigte nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 Jahren Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 518 Tage durch Untersuchungsund Sicherheitshaft erstanden sind.

  3. Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.

  4. Der Privatkläger B. wird mit seinen Zivilansprüchen auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  5. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 3'000.00 Gebühr Vorverfahren

    Fr. 2'929.80 Auslagen Vorverfahren Fr. 340.00 Entschädigung Zeugen

    Fr. 150.00 Dolmetscher (Übersetzung belgischer Strafregisterauszug) Fr. 14'658.05 Entschädigung frühere amtliche Verteidigung

    Fr. 1'000.00 Gerichtsgebühr OG ZH v. 30. März 2017 (UB170036-O) Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  6. Rechtsanwalt MLaw X2. wird für seine Aufwendungen als amtlicher Verteidiger aus der Gerichtskasse mit Fr. 23'491.55 (inkl. Barauslagen und 8 % resp. 7.7 % MwSt.) entschädigt.

  7. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt.

  8. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden im Umfang von Fr. 22'820.20 auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO in diesem Umfang.

  9. Dem Übersetzer C. werden die Kosten der amtlichen Verteidigung im Umfang von Fr. 671.35 auferlegt.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 165 S. 3)

    1. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB von

      Schuld und Strafe freizusprechen und auf freien Fuss zu setzen. Demgemäss seien die Dispositiv Ziffern 1 Abs. 1, 2, 3, 7 sowie 8, 2. Teilsatz, des Urteils des Bezirksgerichts Dietikon vom 8. Mai 2018 aufzuheben.

    2. Es sei dem Beschuldigten eine Genugtuung in der Höhe von

      Fr. 121'050.- sowie eine Entschädigung aufgrund des Verdienstausfalls in der Höhe von EUR 59'400.- bzw. Fr. 67'302.- zuzusprechen.

    3. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich: (Urk. 164 S. 1)

    1. Es sei der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren zu bestrafen.

    2. Es sei die Berufung des Beschuldigten abzuweisen.

    3. Es seien dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensverlauf
        1. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom 8. Mai 2018 wurde der Beschuldigte der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und mit einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren bestraft. Von den Vorwürfen der Hehlerei im Sinne von

          Art. 160 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 al. 3 bzw. 5 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a aBetmG wurde er freigesprochen. Ferner wurden die Zivilforderungen des Privatklägers auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen und die Kostenund Entschä- digungsfolgen geregelt.

        2. Gegen dieses Urteil haben der Beschuldigte mit Eingabe vom 15. Mai 2018 sowie die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 18. Mai 2018 innert Frist Berufung angemeldet (Urk. 84; Urk. 88). Nachdem das begründete Urteil der Staatsanwaltschaft am 5. November 2018 und dem Beschuldigten am 6. November 2018 zugestellt wurde (Urk. 114/1; Urk. 114/2), haben diese mit Eingaben vom

        1. November 2018 bzw. vom 14. November 2018 fristgerecht jeweils ihre Berufungserklärungen eingereicht (Urk. 119; Urk. 120). Innert der mit Präsidialverfü- gung vom 29. November 2018 angesetzten Frist gingen sodann keine Anschlussberufungen ein (Urk. 129).

          1. Mit seiner Berufungserklärung vom 14. November 2018 liess der Beschuldigte gleichzeitig den Beweisantrag stellen, es sei D. vom Gericht als Zeugen zu befragen (Urk. 120 S. 2). Dieser Beweisantrag wurde in der Folge mit Präsidialverfügung vom 31. Januar 2019 einstweilen abgewiesen (Urk. 161).

          2. Da die Vorinstanz die Sicherheitshaft des Beschuldigten mit Beschluss vom 7. September 2018 bis zum 7. Dezember 2018 befristete, wurde der Staatsanwaltschaft sowie der amtlichen Verteidigung mit Präsidialverfügung vom

        29. November 2018 Frist angesetzt, um sich zur Frage der Fortsetzung der Sicherheitshaft zu äussern (Urk. 129). Nachdem auf eine Stellungnahme allseits verzichtet worden ist (Urk. 132; Urk. 134), wurde am 5. Dezember 2018 verfügt, dass der Beschuldigte in Sicherheitshaft verbleibt (Urk. 135). In der Folge stellte der Beschuldigte am 18. Dezember 2018 ein Haftentlassungsgesuch (Urk. 141). Nach Eingang der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zum Haftentlassungsgesuch (Urk. 142; Urk. 145; Urk. 151) wurde dieses mit Prä- sidialverfügung vom 24. Dezember 2018 abgewiesen (Urk. 153). Gegen diesen Entscheid erhob der Beschuldigte Beschwerde an das Bundesgericht (Urk. 156), auf welche das Bundesgericht in der Folge mit Entscheid vom 16. Januar 2019 jedoch nicht eintrat (Urk. 160).

        5. Zur Berufungsverhandlung vom 22. Februar 2019 ist der Beschuldigte unentschuldigt nicht erschienen. Er weigerte sich unmittelbar vor der Verhandlung, sich zuführen zu lassen. Die Berufungsverhandlung fand in der Folge zwar in seiner Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit seiner amtlichen Verteidigerin, durch welche er sich vertreten liess, sowie der Staatsanwaltschaft statt (Prot. II S. 9).

      2. Prozessuales
  1. Gegenstand des Berufungsverfahrens

    Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Während sich die Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Erhöhung des Strafmasses auf

    8 Jahre Freiheitsstrafe beschränkt (Urk. 119), verlangt der Beschuldigte mit seiner Berufung einen vollumfänglichen Freispruch von Schuld und Strafe (Urk. 120

    S. 1 f.). Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen ist der vorinstanzliche Entscheid damit hinsichtlich der Dispositivziffern 1 teilweise (Freispruch von den Vorwürfen der Hehlerei und des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz), 4 (Zivilforderungen des Privatklägers), 5 (Kostenfestsetzung), 6 (Festsetzung der Entschädigung des vormaligen amtlichen Verteidigers) und 9 (Kostenauflage zulasten eines Übersetzers), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.

  2. Anwendbares Prozessrecht

Seit dem 1. Januar 2011 steht die Schweizerische Strafprozessordnung vom

  1. Oktober 2007 (StPO) in Kraft. Vorliegend ist ein Delikt aus dem Jahre 2005 zu beurteilen, wobei der vorinstanzliche Entscheid am 8. Mai 2018 erging. Damit stellt sich die Frage nach dem anwendbaren Prozessrecht. Art. 448 der StPO bestimmt, dass Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes hängig sind, grundsätzlich nach neuem Recht fortgeführt werden, wobei Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten der StPO angeordnet oder durchgeführt worden sind, ihre Gültigkeit behalten (vgl. Art. 448 Abs. 1 und 2 StPO). Weiter regelt Art. 454 StPO, dass für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten der StPO gefällt werden, neues Recht gilt. Im vorliegenden Verfahren ist damit das neue Prozessrecht (StPO) anwendbar, wobei für Fragen nach der Gültigkeit von Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten der StPO vorgenommen wurden, das alte kantonale Prozessrecht, namentlich die bis Ende 2010 gültige Fassung der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO ZH) massgebend ist.

    1. Verwertbarkeit der Aussagen des Privatklägers sowie des Zeugen E.

      1. Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Werden Beweise in Verletzung dieser Bestimmung erhoben, dürfen sie gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war. In Anbetracht dessen, dass in diesem Strafverfahren keine Konfrontationseinvernahmen mit dem Beschuldigten und dem Privatkläger sowie dem Zeugen E. durchgeführt wurden und der Beschuldigte diesen somit nie persönlich gegenüberstand, stellt sich grundsätzlich die Frage der Verwertbarkeit derer Aussagen zulasten des Beschuldigten.

      2. Vorweg ist dabei zu berücksichtigen, dass sich der Beschuldigte unmittelbar nach dem in Frage stehenden Vorfall vom 28. Januar 2005 vom Tatort entfernte und anschliessend zur Verhaftung ausgeschrieben wurde (Urk. 1 S. 10 f.; Urk. 13/1). Erst im Jahre 2016 wurde er am 7. Dezember in Brig bei seiner Einreise aus Italien in die Schweiz festgenommen (Urk. 28/1). Bereits am 16. Februar 2005 und mithin in jener Zeit, als er den Schweizerischen Strafverfolgungsbehör- den noch nicht zur Verfügung stand, wurde dem Beschuldigten Rechtsanwalt

        lic. iur. X3. als amtlicher Verteidiger bestellt (Urk. 12/2).

      3. Der Zeuge E. wurde am 28. Januar 2005 polizeilich und am

14. März 2005 bei der Staatsanwaltschaft einvernommen. Während der Beschuldigte an keiner dieser Einvernahmen teilgenommen hatte, fand die staatsanwaltschaftliche Einvernahme in Anwesenheit seines damaligen amtlichen Verteidigers statt (Urk. 3/2; Urk. 3/5). Unmittelbar nach der Verhaftung des Beschuldigten am

7. Dezember 2016 erkundigte sich die Staatsanwaltschaft beim Migrationsamt des Kantons Zürich nach dem Verbleib des Zeugen E. . Am 12. Dezember 2016 teilte dieses sodann mit, dass dieser die Schweiz freiwillig verlassen habe und am 3. August 2005 in den Irak zurückgereist sei (Urk. 20/2).

      1. Da die beiden Einvernahmen mit dem Zeugen E. noch vor Inkrafttreten der heute geltenden Eidgenössischen Strafprozessordnung durchgeführt wurden, stellt sich hinsichtlich der Beurteilung derer Verwertbarkeit zulasten des Beschuldigten wiederum die Frage des anwendbaren Prozessrechts. Zwar gilt die Übergangsbestimmung gemäss Art. 448 Abs. 2 StPO betreffend das anwendbare Prozessrecht, wonach Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt worden sind, ihre Gültigkeit behalten, insbesondere auch für Beweisabnahmen, die nunmehr nach Art. 147 StPO, nicht aber nach früherem kantonalen Recht parteiöffentlich durchgeführt werden müssten. Voraussetzung für die Verwertbarkeit solcher Beweise zulasten einer beschuldigten Person ist jedoch, dass sie auch im Einklang mit der EMRK und der Bundesverfassung erhoben wurden (SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2018, N 4 zu Art. 448). Zwar richtet sich die Beurteilung der Frage, ob die Einvernahmen von E. aus dem Jahre 2005 auch ohne Konfrontationsmöglichkeit des Beschuldigten zu seinen Lasten verwertbar sind, somit grundsätzlich nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Zürcherischen Strafprozessordnung. Zusätzlich ist jedoch zu prüfen, ob die in Frage stehenden Aussagen auch in Nachachtung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK erhoben wurden, welche Bestimmung vorsieht, dass der beschuldigten Person die Möglichkeit zu gewäh- ren ist, im Laufe des gesamten Verfahrens mindestens einmal Belastungszeugen zu konfrontieren (WOHLERS, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar StPO, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, N 12 f. zu Art. 147).

      2. Von einer Konfrontation des Beschuldigten mit dem Belastungszeugen oder von dessen ergänzenden Befragung kann sodann nur unter besonderen Umständen abgesehen werden. Dies gilt auch, wenn das streitige Zeugnis nicht

        den einzigen oder einen wesentlichen Beweis darstellt. Nach der Rechtsprechung verletzt die fehlende Befragung des Belastungszeugen diese Verfahrensgarantie dann nicht, wenn der Zeuge berechtigterweise das Zeugnis verweigert, wenn er trotz angemessener Nachforschungen unauffindbar bleibt, dauernd oder für lange Zeit einvernahmeunfähig wird oder wenn er verstorben ist. Die Verwertbarkeit der Aussage erfordert dann allerdings, dass der Beschuldigte zu den belastenden Aussagen hinreichend Stellung nehmen konnte, die Aussagen sorgfältig geprüft wurden und ein Schuldspruch sich nicht allein darauf abstützt. Ausserdem darf der Umstand, dass der Angeschuldigte seine Rechte nicht (rechtzeitig) wahrnehmen konnte, nicht in der Verantwortung der Behörde liegen (BGE 131 I 476 E. 2.2 und 2.3.4; Urteil des Bundesgerichtes 6B_961/2016 vom 10. April 2017 E. 3.3). Ob diese Voraussetzungen, von einer Konfrontation des Beschuldigten mit dem Zeugen E. absehen zu können, vorliegend erfüllt sind, ist demnach zu prü- fen.

      3. ie bereits die Vorinstanz zutreffend erwog, ist davon auszugehen, dass weitere Nachforschungen nach dem Zeugen E. aussichtslos gewesen wären (Urk. 118 S. 8). Dass die Staatsanwaltschaft keine weiteren Suchbemü- hungen unternahm, nachdem sie sich beim Migrationsamt nach dem Verbleib des Zeugen E. erkundigt und so herausgefunden hatte, dass er im August 2005 in den Irak ausreiste (Urk. 20/2), ist daher nicht zu beanstanden. Der Zeuge

        1. blieb mithin trotz angemessener Nachforschungen der Untersuchungsbehörde unauffindbar.

      4. eiter ist zu prüfen, ob der Beschuldigte zu den Aussagen des Zeugen E. hinreichend Stellung nehmen konnte. Die Staatsanwaltschaft vertritt in Übereinstimmung mit der vormaligen sowie der derzeitigen Verteidigung des Beschuldigten die Auffassung, dass die Aussagen von E. nicht zulasten des Beschuldigten verwertbar seien (Urk. 76 S. 2; Urk. 79 S. 30; Urk. 165 S. 5). Aufgrund dieser Auffassung der Staatsanwaltschaft wurden dem Beschuldigten die Aussagen von E. in den Einvernahmen im Laufe des Vorverfahrens denn auch nicht konkret vorgehalten. Anlässlich der Einvernahme im Rahmen der vorinstanzlichen Hauptverhandlung wurde der Beschuldigte dann aber zumindest

        auszugsweise mit dessen Aussagen konfrontiert und er konnte zu diesen Stellung nehmen (Prot. I S. 21 S. 21 ff.). Abgesehen davon, dass der vormalige amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt lic. iur. X3. , bereits im Jahre 2005 in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme von E. zugegen war und er bereits damals Akteneinsicht hatte, wurden diesem die Akten auch kurz nach der Verhaftung des Beschuldigten im Dezember 2016 erneut zur Einsicht zur Verfügung gestellt (Urk. 12/3; Urk. 27/4). Demnach konnte auch der Beschuldigte Einsicht in die Einvernahmeprotokolle von E. nehmen, womit für ihn auch die Möglichkeit bestanden hat, jederzeit zu dessen Aussagen Stellung zu nehmen. Ausserdem bestand sowohl vor Vorinstanz als auch im Rahmen der Berufungsverhandlung für die jeweiligen Verteidiger die Möglichkeit, sich zu den Aussagen von E. zu äussern. Sowohl vor Vorinstanz als auch in der Berufungsverhandlung wurde denn auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (Urk. 79 S. 30 ff.; Urk. 165 S. 25 ff.). In Anbetracht dessen, dass die Vorinstanz zum Schluss gelangte, dass die Aussagen von E. zumindest als Hilfsbeweismittel auch zu Lasten des Beschuldigten verwertbar seien (Urk. 118 S. 8), war es nun zudem sowohl für den Beschuldigten als auch für die Verteidigung nicht mehr unvorhersehbar, dass diese Aussagen auch entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft als verwertbar erachtet werden könnten. Die Möglichkeit, zu diesen Aussagen Stellung zu nehmen, bestand für den Beschuldigten somit ausreichend.

      5. Dass der Beschuldigte an den Einvernahmen des Zeugen E. im Jahre 2005 nicht zugegen war, lag daran, dass er sich unmittelbar nach dem Vorfall vom 28. Januar 2005 vom Tatort entfernte und untertauchte. Dass er damals nicht anwesend sein konnte, wurde somit weder durch die Polizei noch die Staatsanwaltschaft verschuldet. Wie bereits erwogen, unternahm die Staatsanwaltschaft sodann nach der Verhaftung des Beschuldigten die zumutbaren Schritte, um doch noch eine Konfrontation mit dem Zeugen E. zu ermöglichen. Dass der Beschuldigte sein Konfrontationsrecht im Ergebnis doch nicht wahrnehmen konnte, liegt somit nicht in der Verantwortung der Behörde. Wie zu zeigen sein wird, stützt sich der zu ergehende Urteilsspruch auch nicht alleine auf die Aussagen des Zeugen E. . Somit sind die gemäss der bundesgerichtli-

chen Rechtsprechung geforderten Kriterien, die ausnahmsweise trotz fehlender Konfrontation zur Verwertbarkeit von belastenden Zeugenaussagen führen, erfüllt. Die Aussagen von E. sind daher trotz einer fehlenden Konfrontation auch zulasten des Beschuldigten als verwertbar zu erachten.

3.4 Der Privatkläger wurde noch im Jahre 2005 je einmal durch die Polizei und durch die Staatsanwaltschaft einvernommen. Während der Beschuldigte weder anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 28. Januar 2005 noch im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 14. März 2005 zugegen war, fand letztere in Anwesenheit seines damaligen amtlichen Verteidigers statt

(Urk. 3/3; Urk. 3/4). Nachdem der Beschuldigte verhaftet worden war, wurde der Staatsanwaltschaft auf deren Nachfrage durch das Migrationsamt am

12. Dezember 2016 mitgeteilt, dass der Privatkläger am 11. Juni 2014 aufgrund des Dubliner Übereinkommens nach Düsseldorf, Deutschland, zurückgeführt worden sei (Urk. 20/2). Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 ersuchte die Staatsanwaltschaft die Kantonspolizei Zürich in der Folge, zu veranlassen, den genauen Aufenthaltsort des Privatklägers über Interpol zu ermitteln (Urk. 20/3). Seitens der Kantonspolizei Zürich wurde sodann am 9. Januar 2017 zurückgemeldet, dass der Privatkläger nach wie vor in Düsseldorf gemeldet sei, ihm jedoch eine Einreisesperre in die Schweiz auferlegt worden sei (Urk. 20/4). Anschliessend richtete die Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft Düs- seldorf und der Privatkläger wurde schliesslich am 2. Februar 2017 rechtshilfeweise einvernommen (Urk. 22/4; Urk. 22/11). Dabei wurde der damaligen amtlichen Verteidigung sowohl vorgängig als auch im Nachgang zu jener Einvernahme die Möglichkeit eingeräumt, schriftlich Ergänzungsfragen zu stellen (Urk. 22/1; Urk. 22/12).

      1. emäss Art. 148 Abs. 1 StPO sind die Teilnahmerechte der Parteien bei im Rahmen eines Rechtshilfegesuchs im Ausland erhobenen Beweisen gewahrt, wenn diese zuhanden der ersuchten ausländischen Behörde Fragen formulieren können, nach Eingang des erledigten Rechtshilfegesuches Einsicht in das Protokoll erhalten und schriftliche Ergänzungsfragen stellen können.

      2. as die Einräumung der Möglichkeit, schriftliche Ergänzungsfragen zu stellen betrifft, machte die derzeitige amtliche Verteidigerin im Rahmen der Berufungsverhandlung Einwände geltend, wonach diese Möglichkeit dem Beschuldigten nur unzureichend gewährt worden sei. Zunächst brachte sie vor, dass darin, dass der damalige Verteidiger am gleichen Tag, an dem er die Fristansetzung der Staatsanwaltschaft vom 10. Januar 2017 zur vorgängigen schriftlichen Einreichung von Ergänzungsfragen an den Privatkläger erhalten habe, noch auf das Stellen von Ergänzungsfragen verzichtet habe, ein eklatanter Verstoss gegen allgemein anerkannte Verteidigerpflichten zu sehen sei, zumal dieser Verzicht ohne Rücksprache mit dem Beschuldigten erfolgt sei (Urk. 165 S. 5 f.). Dem ist zu entgegnen, dass Art. 148 Abs. 1 StPO gerade die Möglichkeit vorsieht, auch nach der erfolgten rechtshilfeweise Einvernahme erneut schriftliche Ergänzungsfragen stellen zu können. Der durch den damaligen Verteidiger am 11. Februar 2017 erklärte Verzicht (Urk. 22/2) hatte für den Beschuldigten demnach nicht die gänzliche Unmöglichkeit, Ergänzungsfragen an den Privatkläger zu stellen, zur Folge. Entsprechend ist in diesem Handeln auch keine Verletzung von Verteidigerpflichten zu sehen. Weiter brachte die Verteidigerin vor, dass sich in den Akten kein unterzeichneter Empfangsschein des damaligen Verteidigers befinde, welcher den Empfang der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 20. Februar 2017 - mit welcher dem Beschuldigten im Nachgang zur rechtshilfeweisen Einvernahme eine Frist von 20 Tagen angesetzt wurde, um schriftliche Ergänzungsfragen an den Privatkläger einzureichen (Urk. 22/12) - bestätigen würde. Aus diesem Grund müsse davon ausgegangen werden, dass dieser die Verfügung und mithin die Fristansetzung gar nie erhalten habe (Urk. 165 S. 6). Wie seitens der Staatsanwaltschaft in der Folge zurecht vorgebracht wurde (Prot. II S. 13 f.), bestätigte der Beschuldigte im Rahmen der Einvernahme vom 5. Mai 2017 auf entsprechende Frage ausdrücklich, dass er von der rechtshilfeweisen Einvernahme des Privatklägers Kenntnis erhalten und diese mit seinem Verteidiger besprochen habe (Urk. 21/4 S. 2). Aus diesem Grund zeigt sich, dass dem Beschuldigten bzw. seinem Verteidiger die in Frage stehende Postsendung - unabhängig davon, dass sich kein unterzeichneter Empfangsschein bei den Akten befindet - zuging. In jener Einvernahme vom 5. Mai 2017 erklärte der Beschuldigte sodann auf weitere

        Nachfrage auch ausdrücklich, auf das Stellen von Ergänzungsfragen an den Privatkläger zu verzichten (Urk. 21/4 S. 8).

      3. ie bereits die Vorinstanz zurecht erwog (Urk. 118 S. 7), ist angesichts des Einreiseverbots des Privatklägers nicht zu beanstanden, dass dieser nicht zu einer Einvernahme in der Schweiz vorgeladen, sondern rechtshilfeweise in Deutschland befragt wurde. Zudem erfolgte diese rechtshilfeweise Einvernahme - ebenfalls entsprechend den zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen (Urk. 118 S. 7 f.) sowie insbesondere aufgrund des eben erwähnten ausdrücklichen Verzichts des Beschuldigten, Ergänzungsfragen an den Privatkläger stellen zu wollen (Urk. 21/4 S. 8) - in Einhaltung der obgenannten Voraussetzungen von Art. 148 Abs. 1 StPO. Daran vermag auch der weitere Einwand der Verteidigung, wonach dem damaligen Verteidiger gemäss dessen Aufforderung seitens der Staatsanwaltschaft zusätzlich hätte die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, an der rechtshilfeweise Einvernahme teilnehmen zu können (Urk. 165 S. 6 ff.), nichts zu ändern. Die in Art. 148 Abs. 1 StPO vorgesehenen Mindestanforderungen an die Teilnahmerechte in rechtshilfeweise geführten Einvernahmen beinhalten weder die persönliche Teilnahme der beschuldigten Person an jener Einvernahme noch die persönliche Anwesenheit der Verteidigung. Der Umstand, dass sich die Staatsanwaltschaft vor diesem Hintergrund nicht darum bemühte, der Verteidigung eine entsprechende Teilnahme zu ermöglichen, ist daher nicht zu beanstanden und führt dementsprechend auch nicht zur Unverwertbarkeit der Aussagen des Privatklägers. Seine Aussagen erweisen sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen im Gegenteil auch als zulasten des Beschuldigten verwertbar.

III. Sachverhalt
  1. Anklagesachverhalt

    Gemäss der Anklageschrift vom 18. August 2017 kam es am 28. Januar 2005 um ca. 16.18 Uhr vor der Asylbewerberunterkunft an der strasse in

    1. zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger. Dabei wird dem Beschuldigten vorgeworfen, im Rahmen dieser

    Auseinandersetzung mit einem zuvor in der Asylbewerberunterkunft behändigten Fleischerbeil (Klinge 15 x 7 cm, Griff 12 cm) mehrfach gegen den Privatkläger geschlagen zu haben. Konkret soll der Beschuldigte diesen mit dem Fleischerbeil zweimal gezielt und danach mehrfach unkontrolliert von seitlich rechts oben herab gegen den Kopf und Hals sowie einmal gegen den linken Oberschenkel des Privatklägers geschlagen haben. Dabei habe der Privatkläger nach den ersten beiden Schlägen mit seinen beiden nach oben gestreckten Händen die weiteren Schläge gegen den Kopf und den Hals abgewehrt. Durch die ersten beiden Schläge soll der Privatkläger zwei Schnittverletzungen am Kopf seitlich links, oberhalb der linken Schläfe sowie oberhalb des linken Ohrs erlitten haben. Die weiteren Schläge sollen bei diesem sodann zu mehreren Schnittverletzungen an Daumen, Mittelund Ringfinger rechts und seitlich am linken Oberschenkel sowie zu einer tiefen Wunde am Handrand links, seitlich, geführt haben. In subjektiver Hinsicht wird dem Beschuldigten schliesslich zur Last gelegt, dass er den Privatkläger habe töten wollen, indem er diesem tödliche Verletzungen, namentlich durch Eröffnen des Schädels und Verletzung des Gehirns oder Eröffnen der Halsschlagadern, habe zufügen wollen, welche unweigerlich zu einem schweren Schädelhirntrauma mit Todesfolge bzw. zu einem raschen Verbluten des Geschädigten und zu dessen Tod geführt hätten. Zumindest soll der Beschuldigte diese Folge aber bewusst und billigend in Kauf genommen haben.

  2. Standpunkt des Beschuldigten

    Der Anklagesachverhalt gründet massgeblich auf den Angaben des Privatklägers. Der Beschuldigte bestreitet diese Darstellung jedoch. Er macht im Wesentlichen geltend, es sei vielmehr der Zeuge E. gewesen, der ihn angegriffen habe. So habe ihn dieser zunächst mit einem Cutter am linken Oberarm verletzt und anschliessend habe er ihn mit dem in der Anklage umschriebenen Fleischermesser angreifen wollen. Bei diesem Angriff sei der Privatkläger jedoch dazwischen gegangen und habe den Zeugen E. von einem Messereinsatz abhalten wollen. Der Beschuldigte stellt sodann in den Raum, dass sich der Privatkläger die in der Anklage umschriebenen Verletzungen denn auch in diesem

    Rahmen zugezogen haben soll (Urk. 21/2 S. 2 ff.; Urk. 21/4 S. 2 ff.; Urk. 21/11

    S. 3; Prot. I S. 13 ff.).

  3. Beweismittel

    1. Neben den Aussagen des Beschuldigten liegen als Beweismittel im Wesentlichen die Aussagen des Privatklägers, diejenigen der Zeugen E. ,

      D. und G. , ein Gutachten des IRM zum Verletzungsbild des Beschuldigten sowie Fotografien und ärztliche Berichte zu den Verletzungen des Privatklägers bei den Akten.

    2. Zwar wurden durch die Polizei am Tatort unmittelbar nach dem in Frage stehenden Vorfall vom 28. Januar 2005 zahlreiche Gegenstände, wie beispielsweise das mutmassliche Tatmesser, sowie DNA-Spuren sichergesellt (Urk. 6/1). Wie aus einer Aktennotiz der Staatsanwaltschaft vom 9. Dezember 2016 hervorgeht, wurden diese sichergestellten Gegenstände jedoch im Jahre 2011 durch die Lagerbehörde, das Forensische Institut Zürich, versehentlich vernichtet. Weiter ist der Aktennotiz zu entnehmen, dass die Sistierungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 14. Juni 2005, mit welcher eigentlich die Verlängerung der Lagerfrist bis 2020 angeordnet worden wäre (Urk. 19 S. 2), die Lagerbehörde mutmasslich nicht erreicht habe (Urk. 20/1).

    3. Eine Auswertung dieser sichergestellten DNA-Spuren wurde bis zur Sistierung des Verfahrens am 14. Juni 2005 noch nicht vorgenommen. Die Vernichtung der Gegenstände sowie der DNA-Spuren hat daher unweigerlich zur Folge, dass es nicht mehr möglich ist, aufgrund von Erkenntnissen, die eine Spurenauswertung hätte bringen können, Rückschlüsse auf den Ablauf der Tat zu ziehen. Entgegen der Auffassung der vormaligen Verteidigung ist eine Verurteilung des Beschuldigten alleine aufgrund des Fehlens dieser Möglichkeit jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen (Urk. 79 S. 5 ff.). Vielmehr ist zu prüfen, ob sich der Anklagesachverhalt aufgrund der übrigen noch vorhandenen und zulasten des Beschuldigten verwertbaren Beweismitteln erstellen lässt oder ob nach Würdigung dieser Beweismittel unüberwindliche Zweifel daran bestehen, dass sich der

      Sachverhalt anklagegemäss zugetragen hat und der Beschuldigte entsprechend seinem Vorbringen freizusprechen ist.

  4. Objektive Beweismittel

    1. Verletzungen des Privatklägers

      1. as die Verletzungen des Privatklägers betrifft, welche er nach dem Vorfall vom 28. Januar 2005 aufwies, liegen einerseits Fotografien bei den Akten, welche diese dokumentieren, wobei die Verletzungen darauf nur teilweise sichtbar sind. So war beispielsweise die linke Hand des Privatklägers, welche ebenfalls verletzt wurde, zum Zeitpunkt der Erstellung der Fotografie bereits eingebunden (Urk. 8 S. 12). Andererseits liegen eine von Dr. H. und Dr. med. I. des Spitals Limmattal am 28. Januar 2005 erstattete ambulante Krankengeschichte sowie ein ärztlicher Bericht von Dr. J. vom 21. April 2005 vor. Diesen Berichten ist zu entnehmen, dass der Privatkläger mehrere Schnittverletzungen (oberflächlich) am Kopf seitlich links, an Daumen, Mittelund Ringfinger rechts im unteren Bereich des Oberschenkels seitlich sowie eine tiefe Schnittverletzung am ulnaren Handrand links aufgewiesen habe. Ausserdem geht daraus hervor, dass er am rechten Unterarm eine Prellung erlitten habe (Urk. 4/1; Urk. 4/4).

      2. as das Verletzungsbild des Privatklägers betrifft, wendet die amtliche Verteidigung ein, dass dieses nicht den Schädigungen entspreche, welche nach einem Angriff mit dem Fleischerbeil, welches auf den Fotos in den Akten abgebildet sei, eigentlich zu erwarten wären. So wäre anstelle der Verletzungen von vergleichsweise geringer Intensität vielmehr damit zu rechnen gewesen, dass ein gezieltes Einschlagen auf den Kopf des Privatklägers zu dessen Tod oder zumindest zu schweren Verletzungen hätte führen müssen (Urk. 145 S. 2 f.; Urk. 165

S. 17 ff.). Im Rahmen der Berufungsverhandlung stellte sie diesbezüglich in den Raum, dass das Verletzungsbild des Privatklägers vielmehr darauf hindeute, dass dieser mit einem sehr scharfen Messer mit einer dünnen Klinge wie beispielsweise einem Cutter bzw. einem Teppichmesser verletzt worden sei (Urk. 165

S. 20 ff.). In dieser Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Gutachten zur Frage, ob die Verletzungen des Privatklägers hätten mittels des durch die Polizei fotografisch festgehaltenen und anschliessend sichergestellten Fleischerbeils herbeigeführt werden können, nicht vorliegt. Auch gemäss den Schilderungen des Beschuldigten wurde der Privatkläger jedoch mit jenem Fleischerbeil - und nicht etwa mit einem Cutter - verletzt (Urk. 21/2 S. 2; Urk. 21/4 S. 6). Die Möglichkeit, dass die Verletzungen des Privatklägers mit jenem Messer herbeigeführt worden sein könnten, wurde somit durch den Beschuldigten selbst nicht in Frage gestellt. Dass kräftig geführte Schläge mit dem fraglichen Hackmesser gegen den Körper eines Menschen geeignet sind, Schnittverletzungen (auch tiefe) wie die dem Privatkläger zugefügten zu verursachen, entspricht denn auch der allgemeinen Lebenserfahrung.

Der Beschuldigte machte hingegen geltend, dass der Privatkläger diese Schnittverletzungen erlitten habe, als er beim Angriff von E. gegen ihn (den Beschuldigten) dazwischen gegangen sei. Bezüglich der Entstehung der Schnittverletzungen am Kopf des Privatklägers ist für jede einzelne Verletzung grundsätzlich sowohl die Variante denkbar, dass der Privatkläger dazwischenging wäh- rend E. den Beschuldigten angriff als auch diejenige, dass der Privatkläger den Angriff des Beschuldigten mit dem Hackmesser gegen seinen Kopf mit den Händen teilweise abwehren konnte. Zu beachten ist aber, dass der Privatkläger neben zwei Verletzungen am Kopf auch an den Händen und am Oberschenkel Schnittverletzungen erlitten hat. Es kann ausgeschlossen werden, dass E. den Privatkläger, zu welchem er in einem guten Verhältnis stand, mit dem Hackmesser an mehreren Körperstellen verletzt haben soll als dieser dazwischenging. Dies würde nicht nur einen, sondern mehrere Schläge voraussetzen und es ist nicht davon auszugehen, dass E. in dieser Situation mehrere Schläge ausführte, bei denen die unmittelbare Gefahr bestand, den Privatkläger zu treffen. Aus allen diesen Gründen erübrigt sich auch die Einholung eines Gutachtens zur Frage, welche der beiden Varianten wahrscheinlicher ist.

Unabhängig von der Frage, ob das Hackmesser überhaupt geeignet war, die Verletzungen des Privatklägers herbeizuführen, stellt sich sodann die auch von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob sich denn das Verletzungsbild des Privatklägers auch mit dem in der Anklageschrift umschriebenen Sachverhalt in Einklang bringen lässt, wonach der Beschuldigte zweimal ohne Gegenwehr mit dem Fleischerbeil gegen den Kopf des Privatklägers geschlagen habe (vgl. Urk. 165

S. 2). Während sich das Verletzungsbild des Privatklägers ohne Weiteres als damit vereinbar erweist, dass der Privatkläger gegen ihn mit einem Hackbeil ausgeführte Schläge mit seinen Händen und Armen abzuwehren versuchte, erscheint es tatsächlich fraglich, ob nicht gravierendere Kopfverletzungen entstanden wä- ren, wenn sich der Privatkläger dem Anklagesachverhalt entsprechend tatsächlich erst nach zwei gezielten Schlägen gegen seinen Kopf zu wehren begonnen hätte. Das Verletzungsbild des Privatklägers alleine vermag daher nicht nachzuweisen, dass sich der Sachverhalt wie in der Anklageschrift umschrieben verwirklicht hat.

    1. Verletzungen des Beschuldigten

      Nachdem der Beschuldigte im Rahmen seiner Einvernahme vom 5. Januar 2017 geltend gemacht hatte, er selbst sei am 28. Januar 2005 von E. angegriffen und dabei mit einem Cutter am linken Oberarm verletzt worden

      (Urk. 21/2 S. 2 ff.), wurde er noch am Tag jener Einvernahme durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich untersucht (Urk. 24/3 S. 1). Aus dem anschliessend am 7. April 2017 erstatteten Gutachten geht hervor, dass der Beschuldigte zahlreiche, zum Teil streifige und zum Teil breite, bereits abgeheilte, äl- tere Hautnarben aufwies. Solche hätten sich unter anderem an der linken schulternahen Oberarmaussenseite, an der linken Oberarmbeugeseite schulternah, mittig und der Oberarmaussenseite angrenzend, am Übergang zwischen der linken Oberarmaussenund streckseite und an der linken Oberarminnenseite ellenbeugennah gezeigt (Urk. 24/3 S. 4). Was die mögliche Entstehung der Verletzungen des Beschuldigten anbelangt, gelangten die Gutachter zum Schluss, dass die Hautnarben aufgrund ihrer Morphologie grundsätzlich als Folge einer stattgehabten scharfen Gewalteinwirkung interpretiert werden könnten. Ausserdem wiesen sie darauf hin, dass für seine Hautnarben am linken Oberarm eine Entstehung durch einen Cutter bzw. ein Teppichmesser grundsätzlich in Frage komme. Die weitere Frage, ob hinsichtlich der Verletzungen eine Selbstbeibringung möglich sei, beantworteten die Gutachter damit, dass alle Hautnarben, mit Ausnahme einer Operationsnarbe an der linken Unterarmbeugeseite und eine Narbe am

      Scheitel links, aufgrund ihrer Morphologie und Lokalisation die Kriterien einer Selbstbeibringung erfüllen würden. So sei das Aussparen empfindlicher Körperstellen (beispielsweise der Brustwarzen), die Symmetrie sowie die Gruppierung der Verletzungen mit parallelen Verläufen, welche sich an gut erreichbaren Kör- perstellen befinden würden und das vollständige Fehlen gleichartiger Verletzungen an schwer erreichbaren Körperstellen (z.B. Rücken) auf eine Selbstbeibringung hinweisend. Weiter geht ausdrücklich aus dem Gutachten hervor, dass auch die Narben des Beschuldigten am linken Oberarm, welche durch Schnitte mit einem Cutter entstanden sein könnten, die Kriterien einer Selbstbeibringung aufweisen würden. So liege eine Gruppierung der Verletzungen mit parallelen Verläufen und eine Lokalisation an gut erreichbaren Körperpartien vor. Sodann wird darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte angegeben habe, Linkshänder zu sein, und eine Selbstbeibringung auf der Seite der Arbeitshand zwar eher untypisch sei, dieser Umstand jedoch nicht beweisend für eine Fremdbeibringung sei (Urk. 24/3 S. 5). Schliesslich wurde durch die Gutachter zusammenfassend festgehalten, dass sie bei allen Hautnarben des Beschuldigten von einer Selbstbeibringung ausgehen würden (Urk. 24/3 S. 6).

    2. Auflistung sichergestellter Gegenstände

      Der Vorbericht des Wissenschaftlichen Diensts der Stadtpolizei Zürich vom

      1. Februar 2005 enthält eine Auflistung der am 28. Januar 2005 ab dem Tatort sichergestellten Gegenstände. In jener Auflistung finden sich neben der mutmasslichen Tatwaffe, einem Fleischerbeil mit drei Ausbrüchen an der Klinge und diversen Blutanhaftungen, unter anderem auch drei Kleidungsstücke des Beschuldigten (Unterleibchen, Langarmleibchen und Trainerjacke) sowie diverse Kleidungsstücke des Privatklägers und von E. , welche mit Ausnahme der Socken des Privatklägers alle ebenfalls Blutanhaftungen aufwiesen (Urk. 6/1 S. 3 f.). Hinsichtlich der ebenfalls sichergestellten Lederjacke des Privatklägers wurde zudem vermerkt, dass diese sowohl vorne rechts unterhalb des Kragens, am Ärmel links sowie am Rücken durchgehend je eine Stich-/Schnittverletzung aufgewiesen habe (Urk. 6/1 S. 3). Die mutmassliche Tatwaffe wurde zudem fotografisch dokumentiert. Auf jener Fotografie sind die beschriebenen drei Ausbrüche an der Klinge ohne Weiteres erkennbar (Urk. 8 S. 9).

    3. Fotodokumentation

Von der Kantonspolizei Zürich wurden am 28. Januar 2005 rund um den Tatort diverse Fotografien sowohl ausserhalb als auch innerhalb der Asylunterkunft erstellt (Urk. 8). In jener Fotodokumentation findet sich unter anderem auch eine Abbildung der Türe zum Aufenthaltsraum der Asylunterkunft. Auf dieser ist zu erkennen, dass die in die Türe eingebaute Glasscheibe zu Bruch gegangen war. In Anbetracht dessen, dass die Glasscherben noch auf dem Boden verteilt waren, macht es zudem den Anschein, dass die Scheibe erst kurz vor der Erstellung der Fotografie zu Bruch gegangen war. Auf dem Boden sowohl im Flur vor der Türe als auch im Eingangsbereich des Aufenthaltsraums hinter der Türe sind zudem dunkelrote Tropfspuren zu erkennen (Urk. 8 S. 3).

    1. Subjektive Beweismittel

      1. Aussagen des Privatklägers

        1. Der Privatkläger wurde, nachdem er im Spital Limmattal ärztlich versorgt worden war, noch am 28. Januar 2005 erstmals durch die Polizei einvernommen (Urk. 1 S. 2; Urk. 3/3). Damals wurde er zunächst in allgemeiner Hinsicht dazu befragt, woher er den Beschuldigten kenne. Diesbezüglich gab er an, diesen ca. zwei bis drei Monate zuvor kennen gelernt zu haben, als sie zur selben Zeit nach F. gekommen seien. Ihnen sei dasselbe Zimmer zugeteilt worden. Da der Beschuldigte aber viel getrunken und auch gekifft habe, hätte er nach einer Weile mit dem Asylantenbetreuer darüber gesprochen, dass er eigentlich nicht mit dem Beschuldigten habe das Zimmer teilen wollen. Man habe ihm dann aber kein anderes Zimmer gegeben (Urk. 3/3 S. 1). Auf entsprechende Nachfrage schilderte der Privatkläger den in Frage stehenden Vorfall dann so, dass er zunächst bei der Gemeinde gewesen sei, da sie an jenem Tag ihr Geld hätten holen können. Als er da gewartet habe, sei der Beschuldigte ins Zimmer gekommen und er habe zu ihm aufgeschaut. Daraufhin habe der Beschuldigte gefragt, weshalb er ihn so anschaue und ihn mit Arschloch beschimpft. Anschliessend habe der Beschuldigte ihn aufgefordert, mit ihm auf die Strasse zu kommen. Er selber habe eingewilligt, zuvor aber noch sein Geld geholt. Auf der Strasse habe ihn der Beschuldigte dann mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er habe dabei nichts gesagt, den Beschuldigten dann aber am Pullover gefasst und versucht, ihn von sich wegzuhalten. Plötzlich sei dann ein Polizist gekommen, der sie voneinander getrennt habe. Er habe mit ihnen gesprochen und ihre Ausweise kopiert. Weiter erklärte der Privatkläger, dass er dann mit E. nach Hause gegangen sei. Dort sei der Beschuldigte draussen vor der Haustüre gestanden und habe ihn ohne ein Wort mit einem Fleischermesser geschlagen. Er habe das Messer am Griff gehalten und ihn mit der Klinge, mit der Seite, die schneide, geschlagen. Getroffen habe er ihn auf der linken Seite am Kopf, oberhalb des Ohres. Er habe geblutet und der Beschuldigte habe trotzdem weiter mit dem Messer auf ihn eingeschlagen. Der Beschuldigte habe ihn auch fast überall getroffen. Er habe dann versucht, den Beschuldigten wegzustossen, wobei dieser auch seine Hand getroffen habe. E. habe dann versucht, sie zu trennen, was jedoch nicht viel genutzt habe. Er habe dem Beschuldigten gesagt, dass er die Polizei rufen werde, woraufhin dieser habe wegrennen wollen. Er habe ihn daher an den Kleidern festhalten wollen. Daraufhin habe der Beschuldigte die Kleider ausgezogen. Mit nacktem Oberkörper sei er dann auf die Strasse gerannt und habe ein Auto angehalten, in welches er dann auch eingestiegen sei (Urk. 3/3 S. 1 f.). Auf die Frage, weshalb sie Streit gehabt hätten, gab der Privatkläger an, dass er sich dies auch nicht erklären könne. Er habe das Zimmer verlassen, da der Beschuldigte immer bis spät in die Nacht Lärm gemacht habe. Er selbst gehe jeden Tag in die Schule und müsse daher um 07.00 Uhr aufstehen. Seit ca. zwei Wochen vor dem Vorfall habe er aus diesem Grund bei E. auf dem Boden geschlafen. Weshalb der Beschuldigte an jenem Tag auf ihn losgegangen sei, könne er sich aber nicht erklären. Den Vorhalt, dass er gemäss E. an jenem Tag gesagt habe, der Beschuldigte sei schwul, und sie deshalb Probleme gehabt hätten, bestritt der Privatkläger. Er gab an, dass im Gegenteil der Beschuldigte an jenem Tag zu ihm gesagt habe, er sei schwul. Das habe dieser aber einfach gesagt, als Schimpfwort. Auf weiteres Nachfragen bejahte der Privatkläger sodann noch, dass er einen Stein genommen und diesen nach dem Beschuldigten geworfen habe. Dabei habe sich der Beschuldigte jedoch bücken können. Ausserdem bejahte er, dass er Angst gehabt habe, der Beschuldigte könnte ihn töten. Er habe denn auch den Kopf eingezogen, da er sicher tot gewesen wäre, wenn der Beschuldigte ihn getroffen hätte (Urk. 3/3 S. 2). Schliesslich gab er auf die Frage, ob der Beschuldigte bewusst oder wahllos geschlagen habe, an, dass er glaube, er habe einfach zugeschlagen. Er habe immer von oben nach unten geschlagen (Urk. 3/3 S. 2 f.).

        2. Am 14. März 2005 wurde der Privatkläger in Anwesenheit des damaligen amtlichen Verteidigers des Beschuldigten durch die Staatsanwaltschaft befragt. Im Rahmen jener Einvernahme schilderte er die Vorkommnisse vom

          28. Januar 2005 zunächst bei der Gemeinde und dann vor dem Asylbewerberheim grundsätzlich mit seinen zuvor gemachten Angaben übereinstimmend. Eine Abweichung zeigt sich darin, dass er nun nicht mehr erklärte, der Beschuldigte habe ihn dann ohne ein Wort mit dem Fleischermesser geschlagen (Urk. 3/3

          S. 1), sondern angab, der Beschuldigte habe vor der Asylbewerberunterkunft, kurz bevor er das Messer genommen habe, noch gesagt: Ich bumse deine Mutter und deine Schwester, warum hast du mich angeschaut (Urk. 3/4 S. 2). Im Übrigen waren seine Angaben jedoch deckungsgleich. Insbesondere wiederholte er, dass der Beschuldigte ihn bei der Gemeinde gefragt habe, weshalb er ihn so ansehe (Urk. 3/4 S. 2 f.), dass es eigentlich gar keinen Grund für die Auseinandersetzungen gegeben habe und er dem Chef im Asylbewerberheim aber bereits einmal gesagt habe, dass er aufgrund des Verhaltens des Beschuldigten nicht mit ihm im selben Zimmer schlafen könne, weil er selbst jeweils am Morgen habe zur Schule gehen müssen (Urk. 3/4 S. 3). Die Schläge des Beschuldigten beschrieb er zudem erneut so, dass dieser mehrmals auf seinen Kopf geschlagen und dabei nicht nur diesen, sondern auch seine Hand getroffen habe, da er diese gehoben habe (Urk. 3/4 S. 2 ff.).

        3. ehr als 12 Jahre nach dem Vorfall, nachdem der Beschuldigte verhaftet worden war, wurde der Privatkläger am 2. Februar 2017 rechtshilfeweise in Düsseldorf einvernommen. Dabei gab er zunächst an, dass er sich gut an den Tag des Vorfalles erinnern könne (Urk. 22/11 S. 2). Anschliessend schilderte er

zunächst erneut die erste Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Beschuldigten bei der Gemeinde. Dabei gab er an, dass er nur noch wisse, dass der Beschuldigte damals etwas zu ihm gesagt habe, was es gewesen sei, wisse er jedoch nicht mehr (Urk. 22/11 S. 2 f.). Sodann gab er den Vorfall vor dem Asylbewerberheim erneut grundsätzlich deckungsgleich mit seinen bisherigen Angaben wieder. Wie in seiner ersten Einvernahme gab er jedoch wiederum an, dass der Beschuldigte bei seinem Eintreffen sofort zugeschlagen habe. Zwar habe er gedacht, der Beschuldigte wolle mit ihm sprechen, er habe dann aber weder etwas gesagt noch gewartet, sondern sofort geschlagen. Wie bereits bei der Staatsanwaltschaft erklärte er zudem, dass er zunächst gar nicht gesehen habe, womit der Beschuldigte geschlagen habe. Erst nach dem ersten Schlag habe er gesehen, dass er etwas in der Hand gehabt habe (Urk. 3/4 S. 2; Urk. 22/11 S. 3). Die Schläge sowie die Versuche, diese mit den Händen abzuwehren, gab er wiederum in derselben Weise wie in seinen bisherigen Einvernahmen wieder

(Urk. 22/11 S. 3 f.). Ausserdem gab er ausdrücklich an, dass der Beschuldigte ihn einmal auch auf den linken Oberschenkel geschlagen habe (Urk. 22/11 S. 4). Auf den Vorhalt, dass der Beschuldigte nun geltend mache, es sei E. gewesen, der den Privatkläger verletzt habe, als dieser E. davon abzuhalten versucht habe, ihn (den Beschuldigten) anzugreifen, erklärte der Privatkläger, dass dies gelogen sei. Er verneinte, dass E. ihn geschlagen oder angegriffen habe. Dieser sei mit ihm zunächst bei der Gemeinde das Geld holen gegangen und sei mit ihm dann zurückgekommen. Als der Beschuldigte ihn dann mit dem Messer angegriffen habe, sei E. dazwischen gegangen und habe ihm das Messer weggenommen. Zudem glaube er, dass dieser das Messer danach weggeworfen habe. Selbst habe er dies aber nicht gesehen (Urk. 22/11 S. 5).

    1. Aussagen des Beschuldigten

      1. Als der Beschuldigte am 9. Dezember 2016 im Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Hafteinvernahme erstmals zum Vorfall vom 28. Januar 2005 befragt wurde, machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er erklärte, dass er erst dann Angaben machen werde, wenn sein Verteidiger zugegen sei (Urk. 21/1 S. 2 f.).

      2. Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 5. Januar 2017 dementierte der Beschuldigte sodann zunächst, dass er mit dem Privatklä- ger Streit gehabt habe. Vielmehr habe es eigentlich Streit zwischen ihm und

        E. gegeben. Der Privatkläger sei dann dazwischen gegangen und habe schlichten wollen. E. habe das Messer in der Hand gehabt, was gemäss dem Beschuldigten auch nachgewiesen werden könnte, wenn man die Fingerabdrücke darauf untersuchen würde. Auf konkrete Nachfrage bestätigte er denn auch, dass er damit geltend mache, dass nicht er, sondern E. den Privatkläger verletzt habe. Er präzisierte jedoch, dass dieser den Privatkläger nicht eigentlich habe schlagen wollen, der Privatkläger aber versucht habe, ihm das Messer wegzunehmen. Deshalb sei er verletzt worden, zumal E. das Messer nicht habe loslassen wollen (Urk. 21/2 S. 2). Weiter erklärte der Beschuldigte, dass E. zuerst noch einen Cutter in der Hand gehabt habe, mit welchem er ihn gegen seinen Oberarm geschlagen habe. Zweimal habe er auf ihn eingeschlagen. Weitere Schläge seien dann nicht mehr möglich gewesen, da es irgendwie gebrochen oder kaputt gegangen sei. Daraufhin sei dann der Privatklä- ger gekommen und habe gefragt, was los sei. Er selbst habe schliesslich bemerkt, dass sein Körper kalt geworden sei, weshalb er sich hingesetzt habe. In dieser Zeit sei der Privatkläger zu E. gegangen, habe diesem Vorwürfe gemacht wegen seiner Schläge gegen ihn und ihn beschimpft. E. sei sodann hineingegangen und habe dieses Hackmesser geholt. Der Privatkläger habe ihn dann aber aufgefordert, wegzugehen und er habe versucht, ihm dieses Ding wegzunehmen. Der Beschuldigte gab weiter an, zu glauben, dass der Privatkläger diesem das Hackmesser schliesslich auch habe wegnehmen und wegwerfen können. Dann sei er selbst langsam aufgestanden und auf die Strasse gerannt. Dort habe er ein Auto angehalten, worauf E. ihm aber nachgerannt sei und auf ihn eingeschlagen habe. Dieses Mal habe er aber einfach mit der Hand geschlagen. Er sei daraufhin zu Boden gestürzt. Der Privatkläger habe E. von hinten gezogen. Er selbst sei dann wiederum aufgestanden und gerannt. Er sei kraftlos und in der Hoffnung dagestanden, dass ein Auto vorbeifahren würde. Ein Auto habe angehalten und er sei eingestiegen. Den Autofahrer habe er zunächst gebeten, ihn ins Spital zu fahren, da er viel Blut verloren habe. Der Fahrer habe

        ihm von hinten dann auch ein paar Taschentücher gegeben, welche er selbst um die Verletzung gewickelt habe. Nach drei bis vier Minuten im Auto habe ihn

        E. angerufen und gesagt, dass er weder zur Polizei noch ins Spital gehen solle. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass sowohl er (der Beschuldigte) als auch der Privatkläger verletzt worden seien und eine Behandlung im Spital zu einer Befragung durch die Polizei und weiteren Ermittlungen führen würde. Weiter fügte der Beschuldigte an, dass E. viel über ihn und seine Familie gewusst habe, da er ihm diese Sachen selbst erzählt habe. E. habe daher dann damit gedroht, dass er diese Geheimnisse verraten würde und seine Familie, seine Mutter und seine Schwester, die in [Stadt im Irak] leben, festgenommen würden. Dies erklärte er damit, dass sein Vater unter dem Regime von Saddam Hussein ein hohes Mitglied der -Partei gewesen sei. Aus diesem Grund habe er es schliesslich nicht gewagt, ins Spital zu gehen. Stattdessen habe er einen Kollegen angerufen und sei zu diesem in eine andere Stadt gegangen (Urk. 21/2 S. 2 f.). Auf weiteres Nachfragen erklärte er diesbezüglich, dass er mit dem Zug zu diesem nach K. [Stadt] gegangen sei. Zunächst habe ihn der Autofahrer aber in das Asylheim in [Ortschaft] gefahren, wo er zuvor gewohnt habe. Dort habe er Kleider bekommen und sich umgezogen. Ausserdem habe er sich das Gesicht gewaschen, in welchem er auch ein paar leichte Verletzungen gehabt habe, und es sei sein Arm verbunden worden (Urk. 21/2 S. 3 f.). Auf die weitere Nachfrage, was für Kleider er noch im Auto getragen habe, gab er an, zu glauben, dass er nur Hosen getragen habe, weil alle anderen Kleider beim Streit zerrissen worden seien (Urk. 21/2 S. 4).

        Dem Beschuldigten wurde in jener Einvernahme zudem vorgehalten, dass am 28. Januar 2005 in seinem Ablagekasten Nr. in der Asylbewerberunterkunft 110,2 Gramm Heroin sichergestellt worden seien. Dazu gab er an, dass es wegen dieser Sache zum Streit zwischen ihm und E. gekommen sei. Er selbst habe das Heroin dort nicht gelagert. Das habe alles E. gehört. Dieser habe die Drogen denn auch als Mittel gebraucht, um ihm zu drohen. So habe er ihm gesagt, dass die Drogen auch ihm zur Last gelegt werden könnten, wenn er eine Anzeige gegen E. erstatten würde wegen des Streits und den Verletzungen (Urk. 21/2 S. 5). Weiter erklärte der Beschuldigte, dass er die Schweiz eigentlich

        schon einen Tag vor dem Streit habe verlassen wollen, weil er die Nase voll gehabt habe von E. . Dieser habe ihn immer ausgenutzt. In diesem Zusammenhang holte er aus, dass er den Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Jahre 2003 verlassen habe und er nach Italien gegangen sei. Er sei in Rom gewesen und dort am Bahnhof nicht damit zurecht gekommen, ein Billet zu lösen. Bei jener Gelegenheit sei er E. und zwei weiteren Personen begegnet, die kurdisch gesprochen hätten und welche er dann gebeten habe, ihm zu helfen. E. habe ihm nicht nur dort geholfen, sondern habe ihn auch mit in die Schweiz gebracht. Aus diesem Grund habe dieser dann aber auch eine Gegenleistung erwartet. So habe ihn E. dann beispielsweise unter Druck setzen wollen, für ihn Drogen zu transportieren (Urk. 21/2 S. 5 f.).

      3. der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 5. Mai 2017 hielt der Beschuldigte daran fest, dass nicht zutreffe, was der Privatkläger gesagt habe. Ausserdem brachte er zu Beginn jener Einvernahme vor, dass insbesondere nicht zutreffe, dass der Privatkläger selbst nach der Auseinandersetzung die Polizei angerufen habe. Vielmehr denke er, dass dieser sowie E. von der durch den Nachbarn D. herbeigerufenen Polizei überrascht worden seien, und sie ihre Geschichte dann improvisiert hätten (Urk. 21/4 S. 2). Er machte zudem Ausführungen dazu, wie es überhaupt zu den Streitigkeiten habe kommen können. So habe der Privatkläger ihn eines Tages gefragt, weshalb er und E. keinen Kontakt mehr hätten. Auf diese Frage hin habe er dem Privatkläger einige Dinge erzählt, die ihm auf dem Herzen gelegen hätten und die gleichzeitig Grund dafür gewesen seien, dass er keinen Kontakt zu E. mehr gehabt habe. Danach habe er bemerkt, dass der Privatkläger immer wieder zu E. gegangen und nicht mehr in das gemeinsame Zimmer gekommen sei. In diesem Zusammenhang fügte der Beschuldigte an, dass es eigentlich nichts Schlimmes gewesen sei, das er gesagt habe, dass es aber so sei, dass E. Geld gehabt habe. Jedenfalls habe er dem Privatkläger auch erzählt, dass er am Anfang des Monats an jenen Ort gehen werde, um das Geld zu holen und dass er die Schweiz dann verlassen wolle (Urk. 21/4 S. 3). Zu einem späteren Zeitpunkt in jener Einvernahme machte er in diesem Zusammenhang auch geltend, dass sich der Privatkläger

        in diesem Strafverfahren nur aus Profit auf die Seite von E. gestellt habe (Urk. 21/4 S. 8).

        Weiter schilderte er in jener Einvernahme erneut die Ereignisse vom

        28. Januar 2005. So seien der Privatkläger und E. auch dort gewesen, als er das Geld habe holen wollen. E. habe ihn zu sich gerufen und ihm vorgeworfen, dass er hinter seinem Rücken über ihn erzählt habe. Anschliessend sei der Privatkläger dazu gekommen und habe seine Sicht der Dinge erklärt. Er habe dem Privatkläger dann aber gesagt, dass er sich nicht einmischen solle, worauf ihn der Privatkläger deswegen angegriffen habe (Urk. 21/4 S. 3). In der Folge seien dann Leute gekommen, um sie auseinander zu bringen. Sie seien dann auch in ein Zimmer gebracht und befragt worden. Er sei dann als erstes zurück in die Asylbewerberunterkunft und die beiden anderen seien nachgekommen. E. sei dann sofort auf ihn losgegangen (Urk. 21/4 S. 3). Dieser habe ihm vorgeworfen, dass er seine Gefälligkeiten nicht anerkennen würde, so habe er ihm Geld gegeben und ihm geholfen, aber der Beschuldigte habe dies nicht gesehen. Weiter habe er ihm gesagt, dass er sich an ihm rächen werde und er ihn nicht einfach so gehen lasse, bevor er die Rache bei ihm ausgeübt hätte. Die Auseinandersetzung sei dann so abgelaufen, dass ihn E. von vorne angegriffen habe. Er habe auch Sachen zu ihm gesagt. Danach habe er gemerkt, dass sein Arm warm gewesen sei. Noch bevor er ihn mit dem Cutter getroffen habe, sei es aber so gewesen, dass sie sich immer wieder gestritten hätten, er sich habe wehren wollen und E. ihn immer wieder gepackt habe. Dabei habe er seine Jacke verloren. Er habe auch immer wieder versucht, wegzugehen, E. sei aber immer wieder auf ihn zugekommen. Gerade, weil er ihm so viele Gefälligkeiten gemacht habe, habe er E. nicht angreifen wollen. Im Nachhinein müsse er aber sagen, dass dieser ihn ja zum Drogenverkauf gezwungen habe. Nachdem er die Jacke verloren habe, sei es dann jedenfalls dazu gekommen, dass E. ihn mit dem Cutter getroffen habe. Was die Wunde betrifft, erklärte er weiter, dass er damals einen Pullover getragen habe, den er ausgezogen habe, um die Wunde zu bedecken. Danach sei er oben nicht mehr bekleidet gewesen. Daraufhin sei der Privatkläger gekommen. Dieser habe versucht, den Streit zu schlichten, nachdem er gemerkt habe, dass er Teil des Grundes für den Streit gewesen sei.

        Da die Klinge des Cutters abgebrochen sei, habe E. in dessen Zimmer das Messer geholt. Als er selbst dieses Ding gesehen habe, sei er aufgestanden und habe sofort loslaufen wollen. Sein ganzer Körper sei aber kalt gewesen und er habe nur sehr wenig Kraft gehabt. Als er habe hinausgehen wollen, hätten sie ihn mit etwas am Hinterkopf getroffen. Er sei dann daher auf der Strasse auf den Boden gefallen. E. sei dann wieder auf ihn zugekommen, wobei der Privatklä- ger ebenfalls wieder dazwischengekommen sei. Er selbst sei dann weggelaufen und der Strasse entlanggelaufen. In jenem Moment sei der Privatkläger mit

        E. beschäftigt gewesen, da er ihm das Messer habe abnehmen wollen. Jene Möglichkeit habe er wahrgenommen, indem er ein Auto angehalten und den Fahrer gebeten habe, ihn ins Spital zu fahren (Urk. 21/4 S. 4). Ausserdem wiederholte er, dass dieser Fahrer ihm dann Taschentücher angeboten habe, welche er dann so gehalten habe, dass das Blut nicht aus dem Pullover habe tropfen können (Urk. 21/4 S. 5).

        Als der Beschuldigte in der Folge angehalten wurde, gewisse Details seiner Schilderung des Vorfalles zu wiederholen, gab er neu an, dass es, noch bevor er das Auto angehalten habe, dazu gekommen sei, dass der Privatkläger E. festgehalten und ihn wieder zum Heim gezogen habe. Vor dem Eingang habe

        E. dann zu ihm geschaut und Drohungen geschrien, beispielsweise dass er ihn töten werde und andere solche Dinge. Anschliessend habe der Privatkläger dann immer wieder versucht, E. das Messer wegzunehmen. Er sei dann eben aufgestanden und der Strasse entlanggelaufen (Urk. 21/4 S. 5 f.). Die Frage, wie es dann zu den Verletzungen des Privatklägers gekommen sei, beantwortete der Beschuldigte damit, dass er denke, dies sei passiert, als der Privatkläger E. das Messer habe abnehmen wollen. Sie hätten um das Messer gerungen. Auf die weitere Nachfrage, ob er denn gesehen habe, wie der Privatkläger verletzt worden sei, wiederholte der Beschuldigte, dass er eben am Boden gesessen sei, E. hinein gegangen sei, um das Messer zu holen und sich dieser und der Privatkläger dann schon getroffen hätten und der Privatkläger dann schon das Messer habe abnehmen wollen. Schliesslich wurde der Beschuldigte erneut gefragt, ob er gesehen habe, wie der Privatkläger verletzt worden sei, was er verneinte. Er fügte an, dass er sehr schwach gewesen sei und er einfach gesehen

        habe, wie der Privatkläger E. das Messer habe abnehmen wollen (Urk. 21/4 S. 6).

      4. Bei den Akten liegt zudem ein übersetztes Schreiben des Beschuldigten, welches dieser seinem damaligen amtlichen Verteidiger übergeben hatte und welches letzterer wiederum der Staatsanwaltschaft am 27. April 2017 einreichte (Urk. 21/10). In jenem Schreiben machte er sowohl Angaben zu seiner Lebensgeschichte, dazu, wie er E. kennengelernt habe, als auch zu den Vorfällen vom 28. Januar 2005. Diese Ereignisse schilderte er so, dass er damals Geld vom Sozialamt habe holen wollen und es dort zu einer Auseinandersetzung mit E. gekommen sei. Der Privatkläger habe sich dann eingemischt. Als er diesem gesagt habe, dass er sich aus diesem Problem raushalten solle, sei dieser wütend geworden und habe ihn angegriffen. Die Polizei sei dann gekommen und habe sie auseinandergebracht (Urk. 21/10 S. 6). Anschliessend schilderte er die Auseinandersetzung vor der Asylbewerberunterkunft wiederum so, dass E. ihn zunächst mit einem Cutter angegriffen habe und dieser anschliessend ein Hackmesser geholt habe, mit welchem er ihn wiederum anzugreifen versucht habe (Urk. 21/10 S. 7).

      5. Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Schlusseinvernahme vom

        1. ai 2017 blieb der Beschuldigte dabei, die Darstellung der Ereignisse durch den Privatkläger zu bestreiten. Er wiederholte, dass die Verletzungen des Privatklägers nicht von ihm, sondern von E. stammen würden (Urk. 21/11 S. 3).

      6. Anlässlich der Einvernahme vor Vorinstanz wurde der Beschuldigte erneut aufgefordert, die Ereignisse aus seiner Sicht zu schildern. Er begann damit, die Situation zwischen dem Privatkläger, E. und ihm zu beschreiben. So habe ihn der Privatkläger, mit welchem er bis zu jenem Zeitpunkt das Zimmer geteilt habe, eines Tages gefragt, weshalb er keinen Kontakt mehr zu E. gehabt habe. Dann wiederholte der Beschuldigte, dass er dem Privatkläger davon erzählt habe, dass sich E. mit blöden Sachen beschäftigt habe. Weiter gab er wie schon zuvor an, dass der Privatkläger all das dann E. weitererzählt habe. Anschliessend habe der Privatkläger das gemeinsame Zimmer verlassen. So sei dieser nachts oft bei E. gewesen und habe auch bei ihm im Zimmer

übernachtet, nachdem er diesem die Sachen weitererzählt gehabt habe. Ausserdem fügte er an, dass E. dann oft zu ihm gekommen sei und ihn beschuldigt habe, er (der Beschuldigte) hätte ihn vor dem Privatkläger schlecht gemacht (Prot. I S. 14).

Auf den Hinweis des Vorsitzenden, dass er sich zum Anklagevorwurf äussern solle, erwähnte er wiederum, dass er am Tag des in Frage stehenden Vorfalls habe sein Geld holen wollen. Er habe E. dann gesagt, er wolle die Schweiz verlassen, damit es keine Probleme mehr gebe. Dann sei er von beiden angegriffen worden, worauf die Polizei gekommen sei. Als er dann wieder zu Hause gewesen sei, habe er seinen Koffer und seine Sachen bereit machen wollen, um zu gehen. E. habe sich ihm in den Weg gestellt, ihm Sachen gesagt und ihn mit einem Cutter angegriffen. Neu erklärte der Beschuldigte sodann, dass er E. einen Schubs gegeben habe, woraufhin dieser wegen des rutschigen Bodens gestürzt sei. Bei diesem Sturz sei die Klinge des Cutters kaputt gegangen. E. sei in sein Zimmer gegangen und er selbst habe versucht, seine Wunde zu verbinden. Der Privatkläger sei dann dazu gekommen und habe gefragt, was passiert sei (Prot. I S. 14). E. sei dann mit einem grossen Messer in der Hand nach draussen gekommen. Als der Privatkläger dies gesehen habe, sei er zu E. gegangen und habe zu verhindern versucht, dass er etwas mache. Er selbst sei beim Anblick des Messers weggegangen. Dann habe er von hinten etwas gespürt, das auf seinen Kopf geschlagen habe. Er sei dann zur Mitte der Strasse gelaufen und sei dort fast ihn Ohnmacht gefallen und zu Boden gestürzt. E. sei dann wieder zu ihm gekommen und habe ihm Fusstritte und Faustschläge verpasst. Der Privatkläger wiederum habe ihn von hinten gepackt und ihn so daran gehindert, weiter zu schlagen. Daraufhin habe der Privatkläger E. wieder reingebracht. Er selbst habe dann aufstehen und weiterlaufen können, bis er ein Fahrzeug gesehen habe, mit welchem er habe mitfahren kön- nen. Wiederum erwähnte er dann die Taschentücher, die ihm der Lenker angeboten habe, und die Drohung von E. , welche ihn während der Fahrt im Auto per Telefon erreicht habe (Prot. I S. 15).

Nach dieser freien Schilderung der Ereignisse wurde er unter anderem gefragt, wie er sich erklären könne, dass der Privatkläger am Ende unter anderem am Kopf verletzt gewesen sei. Darauf antwortete der Beschuldigte, dass er dies nicht wisse. Sodann stellte er in den Raum, dass diese Verletzung vielleicht auch nicht vor dem Asylzentrum passiert sei. So lange er da gewesen sei, habe er beim Privatkläger jedenfalls keine Verletzungen festgestellt (Prot. I S. 19). Ausserdem wiederholte er in der Folge, dass er eigentlich zunächst mit E. befreundet gewesen sei, bis er diese Sachen in Zusammenhang mit den Drogen und anderem festgestellt habe. Er erwähnte auch, dass E. nicht habe ertragen können, dass er seine Freundschaft zu ihm Schritt für Schritt beendet habe. Schliesslich wiederholte er, dass E. immer vorgebracht habe, ihm geholfen zu haben. Dabei sei aber nicht zu vergessen, dass E. ihn zum Sklaven gemacht habe und dieser immer gewollt habe, dass er sich nach seiner Lust und Laune bewege (Prot. I S. 19 f.).

Auf den Vorhalt, dass er am Schluss seine Jacke, seinen Pullover und sein T-Shirt ausgezogen habe und mit nacktem Oberkörper auf die Strasse gerannt sei, gab der Beschuldigte an, dass die Jacke ganz am Anfang während des Gerangels ausgezogen worden sei. Und als er dann verletzt worden sei, habe er den Pullover ausgezogen, um seinen Arm zu verbinden (Prot. I S. 23).

Weiter wurde der Beschuldigte gefragt, weshalb ihn der Privatkläger, der ihm zunächst noch zu Hilfe gekommen sei, anschliessend hätte zu Unrecht belasten sollen. Dazu erklärte er, dass die Wahrscheinlichkeit gross sei, dass dieser von E. benutzt worden sei. Dieser habe ihm vielleicht Geld oder Drogen versprochen. Ausserdem stellte er in den Raum, dass sich diese beiden abgesprochen haben könnten, bevor sie befragt worden seien. Überdies machte er geltend, dass die Aussagen der beiden widersprüchlich seien und er sich auch nicht erklären könne, weshalb in der Asylunterkunft überall Blut gewesen sei und weshalb die auf den Fotos der Polizei abgebildeten Scheiben kaputt gegangen seien (Prot. I S. 25 f.).

    1. Aussagen des Zeugen E.

      1. Nur wenige Stunden nach dem Vorfall und mithin noch am 28. Januar 2005 wurde E. polizeilich zur Sache befragt. Anlässlich jener Einvernahme wurde er zunächst aufgefordert, den Vorfall aus seiner Sicht darzulegen. Dabei erklärte er, dass er an jenem Tag bei der Gemeindeverwaltung in M. gewesen sei, um sein Geld für den Monat Februar zu holen. Als er die Gemeindeverwaltung verlassen habe, habe er gesehen, wie der Beschuldigte und der Privatkläger mit Fäusten aufeinander eingeschlagen hätten. Es sei dann der Gemeindepolizist, Herr G. , dazu gekommen, welcher die Streitenden habe beruhigen können. Auch er habe mit den beiden Streitenden sprechen können, worauf sich die Lage entspannt habe. Anschliessend seien der Privatkläger und er gemeinsam nach Hause bzw. zur Asylunterkunft gegangen. Als sie dort angekommen seien, sei der Beschuldigte vor der Eingangstüre gestanden und habe auf den Privatkläger gewartet. Der Beschuldigte habe den Privatkläger beschuldigt, dass dieser ihn zuvor in M. geschlagen habe. Daraufhin habe der Privatklä- ger den Beschuldigten gefragt, was dies solle. Ohne etwas weiteres zu sagen, habe der Beschuldigte dann ein Messer aus der Innenseite seiner Jacke gezogen und sei auf den Privatkläger losgegangen. Dabei habe er das Messer über den Kopf des Privatklägers gehoben und dieses schräg nach unten über den Kopf des Privatklägers gezogen. Der Privatkläger habe zur Abwehr seinen Arm gehoben, wobei er nicht mehr wisse, welcher Arm es gewesen sei, um das Messer abzuwehren. Dabei habe der Privatkläger einen Schnitt an der Hand erlitten. Anschliessend habe er die Klinge des Messers fassen können. Der Beschuldigte habe das Messer wieder losreissen wollen, was aber nicht gelungen sei. Beide hätten um das Messer gekämpft und er sei dann dazwischen gegangen und habe ebenfalls versucht, das Messer zu entreissen. Nach einem kurzen Kampf sei ihm dies dann gelungen. Aus Wut habe der Beschuldigte dann seine Jacke und den Pulli samt T-Shirt ausgezogen und sei mit blossem Oberkörper auf die Strasse gerannt. Dort habe er dann einen Personenwagen angehalten und sei eingestiegen (Urk. 3/2 S. 1). Die vom Beschuldigten weggeworfene Kleidung habe er dann dem Privatkläger geben wollen wegen der Blutung. Dieser habe die Kleidung aber nicht nehmen wollen. Er habe die Kleider dann an sich genommen und sei mit dem Privatkläger in die Küche gegangen. Dort habe er das Messer in den Küchenabfall geworfen. Anschliessend habe er seinen Chef, Herrn N. , verständigt. Dieser habe ihm geraten, die Polizei via Notruf zu verständigen. Er sei dann zum Telefonapparat der Asylunterkunft gegangen und habe die Notnummer der Polizei gerufen (Urk. 3/2 S. 1 f.). Auf die Frage, weshalb er das Messer nicht sofort der Polizei übergeben habe, erklärte E. , er habe Angst gehabt, dass die Polizei dann festgestellt hätte, dass seine Fingerabdrücke auf dem Messer seien, da er dieses dem Beschuldigten habe entreissen können. Daher habe er sich entschieden, das Messer in den Abfallkübel in der Küche zu werfen. Als er dann mit seinem Chef, Herrn N. , gesprochen habe, habe ihm dieser erklärt, dass er der Polizei sagen solle, wo er das Messer hingetan habe. Daraufhin erwähnte E. noch, dass er das Messer mit der Jacke des Beschuldigten abgewischt habe, bevor er dieses in den Abfallkübel geworfen habe. Dies habe er getan, um seine Fingerabdrücke auf dem Messer zu beseitigen (Urk. 3/2 S. 2).

        Weiter wurde E. gefragt, wie lange er schon in der Asylunterkunft in F. gewohnt habe. Dazu erklärte er, dass er seit ungefähr sechs Monaten dort gewohnt habe. Zum Beschuldigten und dem Privatkläger gab er an, dass diese am selben Tag zusammen dort eingezogen seien und dies ungefähr drei

        Monate her gewesen sei. Sie beide hätten dann auch im selben Zimmer gewohnt. Sie seien auch befreundet gewesen. Seit ungefähr zehn oder zwölf Tagen vor dem Vorfall habe der Privatkläger aber nicht mehr beim Beschuldigten, sondern bei ihm im Zimmer geschlafen, da die anderen beiden seither Streit gehabt hät- ten. Zu den Gründen, weshalb es zu diesem Streit gekommen sei, erklärte

        E. , dass der Privatkläger den Beschuldigten beschuldigt habe, dass dieser schwul sei. Da er dies öffentlich gesagt habe, sei es zum Streit gekommen und der Beschuldigte habe daher Rache am Privatkläger nehmen wollen. Aus diesem Grund sei es in M. und dann vor dem Asylheim zum Streit gekommen und aus diesem Grund habe der Beschuldigte dann auch das Messer dabei gehabt. E. wurde sodann aufgefordert, erneut zu schildern, wie der Beschuldigte genau mit dem Messer auf den Privatkläger losgegangen sei. Dazu erklärte

        E. , dass der Beschuldigte auf ihn und den Privatkläger zugekommen sei, als sie zum Asylantenheim gekommen seien. Als er ungefähr fünf Meter vor ihnen gewesen sei, habe er mit der rechten Hand unter seine Jacke gegriffen und ein

        hinter dem Leibgurt eingestecktes Messer hervorgenommen. Dabei habe er das Messer hoch über seinen Kopf angehoben und dann quer nach unten mit dem Messer nach dem Privatkläger geschlagen. Dabei habe er den Privatkläger mit der Klinge am Kopf und an der Hand, welche der Privatkläger zur Abwehr nach oben gehoben habe, getroffen (Urk. 3/2 S. 3). Auf weitere Nachfrage erklärte er sodann, den Angriff so gewertet zu haben, dass der Beschuldigte dem Privatklä- ger einfach eine Lektion habe erteilen wollen. Er habe nicht das Gefühl gehabt, dass der Beschuldigte den Privatkläger hätte töten wollen. Weiter wies E. darauf hin, dass er noch etwas ergänzen möchte. So erklärte er, dass der Privatkläger noch einen Stein genommen habe, mit welchem er auf den Beschuldigten losgegangen sei. Das habe sich ereignet, nachdem er (E. ) dem Beschuldigten das Messer habe entreissen können. Der Privatkläger habe den Beschuldigten in seiner Wut dann mit dem Stein auf den Rücken geschlagen. Der Beschuldigte sei dann auf die Strasse gelaufen und habe einen Personenwagen angehalten. Auf die Frage, weshalb er nicht schon zuvor von dem Stein berichtet habe, gab E. sodann an, dass er nicht danach gefragt worden sei (Urk. 3/2 S. 4).

      2. Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 14. März 2005 gab E._ den in Frage stehenden Vorfall grundsätzlich in derselben Weise wieder wie in der polizeilichen Einvernahme vom 28. Januar 2005 (Urk. 3/5

S. 2 ff.). Neu erwähnte er, den Beschuldigten seit seiner Ankunft in Chiasso zu kennen. Der Beschuldigte sei damals ebenfalls dort gewesen. In M. hätten sie sich dann wiedergesehen (Urk. 3/5 S. 1). Wie die (vormalige) Verteidigung zurecht einwendete, gab E. in dieser Einvernahme wie der Privatkläger in seiner zweiten Einvernahme nun an, dass der Beschuldigte zu diesem gesagt habe Jetzt bumse ich deine Mutter und deine Schwester. Warum hast du das gemacht, bevor er ihn mit dem Messer angegriffen habe (Urk. 3 5 S. 3). Ausserdem nannte er nun auch denselben Grund für die ursprüngliche Auseinandersetzung beim Gemeindehaus wie ihn der Privatkläger geltend gemacht hatte. So gab er an, dass der Beschuldigte damals den Privatkläger gefragt habe, weshalb er ihn so anschaue (Urk. 3/5 S. 3). Dass er mit dem Privatkläger über die Einvernahme gesprochen habe, räumte er auf entsprechende Nachfrage denn auch ein (Urk. 3/5 S. 2). In jener Einvernahme fügte er zudem neu an, dass der Privatkläger zu seiner Verteidigung auch noch eine Stange von einer Lampe geholt und mit dieser herumgefuchtelt habe (Urk. 3/5 S. 3, 6). Im Unterschied zu seiner polizeilichen Einvernahme gab er zudem auch an, dass es der Beschuldigte gewesen sei, der zum Privatkläger gesagt habe, dieser sei schwul und nicht umgekehrt (Urk. 3/5 S. 7). Auch erklärte er, dass er beim ersten Schlag des Beschuldigten erschrocken sei und Angst gehabt habe, weil er so stark geschlagen habe

(Urk. 3/5 S. 4). Er habe sehr viel Angst gehabt, dass der Privatkläger dabei sterben würde (Urk. 3/5 S. 6). Und wie bereits die Verteidigung richtigerweise darauf hinwies, erklärte er in jener Einvernahme auch, dass er während der Auseinandersetzung mit dem Messer teilweise zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger gewesen sei und dabei manchmal den Privatkläger und manchmal den Beschuldigten gehalten habe, um sie auseinander zu bringen (Urk. 3/5 S. 6).

    1. Aussagen des Zeugen D.

      1. Der Zeuge D. rief am 28. Januar 2005 um 16.19 Uhr die Notrufzentrale der Polizei an und meldete den in Frage stehenden Vorfall (Urk. 1 S. 6). Um 17.00 Uhr am selben Tag wurde er sodann durch den rapportierenden Polizeibeamten O. mündlich zum Vorfall befragt. Dieser hielt die Aussagen des Zeugen D. sinngemäss im Polizeirapport fest. Aus jener Zusammenfassung geht hervor, dass der Zeuge D. , welcher in der Umgebung der Asylbewerberunterkunft wohnt, gesehen habe, wie drei Personen vor dieser Unterkunft auf der Strasse Streit gehabt hätten. Sie hätten sich mit Fäusten und Fusstritten geschlagen. Die vorbeifahrenden Fahrzeuglenker hätten ihre Geschwindigkeit gar verringern müssen. Einer der Streithähne habe einen entblössten Oberkörper gehabt. Dieselbe Person habe dann plötzlich ein Fahrzeug angehalten und sich kurz mit dem Lenker unterhalten. Bei jenem Fahrzeug habe es sich um ein graufarbenes Mercedes-Benz Cabriolet mit schwarzem Verdeck gehandelt. Die Kontrollschilder habe er sich aber nicht merken können. Jedenfalls habe es sich aber um ein zürcherisches Kontrollschild gehandelt. Die Person sei schliesslich in das Fahrzeug eingestiegen und sie seien davon gefahren. Ausserdem erwähnte der Zeuge D. , dass die anderen Beteiligten dann die Kleider jener Person mitgenommen hätten (Urk. 1 S. 9).

      2. Zu Beginn der Zeugeneinvernahme vom 8. Februar 2017, welche in Anwesenheit des Beschuldigten stattfand, gab D. an, dass er sich nur schwach an den Vorfall vom 28. Januar 2005 erinnere, da es wirklich schon lange her sei (Urk. 23/1 S. 2). Anschliessend erklärte er, dass er ca. 120 bis 150 Meter von der Asylunterkunft entfernt wohne und freie Sicht darauf habe. Sein Büro habe er in der Ecke des Hauses im ersten Stock. Damals habe er sodann riesigen Lärm gehört, weshalb er zum Fenster gegangen sei, um nachzusehen. Er habe dann gesehen, wie jemand mit einem Messer oder einem Beil herumgerannt sei. Was es gewesen sei, habe er nicht genau gesehen, da es aus einer gewissen Distanz gewesen sei. Was er aber gesehen habe, sei der Schnee, der teilweise rot gewesen sei. Anschliessend habe er den Notruf gewählt. Danach sei der mutmassliche Täter über die Strasse gerannt und sei in einen Personenwagen gestiegen, der zuvor in einer Kolonne herangefahren sei und kurz angehalten habe. Schliesslich fügte er an, dass er nicht wisse, ob das organisiert gewesen sei oder nicht (Urk. 23/1 S. 3). Später in der Einvernahme präzisierte er zudem, dass diejenige Person, die in das Auto gestiegen sei, dieselbe gewesen sei, die zuvor das Messer in der Hand gehalten habe und dass diese Person auch einen nackten Oberkörper gehabt habe (Urk. 23/1 S. 3 f.). Auf die konkrete Nachfrage, ob er noch wisse, wie diejenige Person, die mit dem Messer herumgerannt sei, gekleidet gewesen sei, antwortete er zunächst, dass er dies nicht wisse. Anschliessend ergänzte er, noch zu wissen, dass diese Person vermutlich helle Hosen getragen habe. Auf weitere Nachfrage bestätigte er, dass damals drei Personen anwesend gewesen seien, wobei eine davon verletzt gewesen sei. Weiter wurde er gefragt, was die Person mit dem Messer damit gemacht habe. Diesbezüglich gab er an, dass das vermutlich schon vorbei gewesen sei, als er den Lärm gehört habe (Urk. 23/1 S. 3).

    1. Aussagen des Zeugen G.

      1. G. , der zum Tatzeitpunkt bei der Gemeindepolizei M. arbeitete, verfasste am 2. Februar 2005 einen Wahrnehmungsbericht zu einem Vorfall, welcher sich ebenfalls am 28. Januar 2005 ereignete. Er hielt dabei fest, dass er an jenem Tag um 15.15 Uhr von seinem Büro aus festgestellt habe, dass sich

        vor dem Gemeindehaus in M. zwei jüngere Männer heftig gestritten hätten. Sie hätten sich in ihrer Muttersprache heftig beschimpft. Als Beteiligte dieses Streits führte er den Beschuldigten sowie den Privatkläger auf. Ausserdem wurde E. als Zeuge aufgeführt (Urk. 3/1 S. 1). G. beschrieb weiter, dass er sich dann sofort an den Ort des Geschehens begeben habe, als sie sich auch noch gegenseitig angegriffen hätten. Durch sein Einschreiten habe er die beiden Streitenden trennen und vorerst beruhigen können. Anschliessend habe er den Beschuldigten, den Privatkläger und E. auf dem Polizeiposten einer Personenkontrolle unterzogen. Bei einer ebenfalls durchgeführten Befragung hätten sie gesagt, es habe eine verbale Auseinandersetzung gegeben, in welche sich die Polizei aber nicht einmischen müsse. Dazu fügte G. an, dass es sich dabei eher um eine Schutzbehauptung gehandelt habe, da sich vor allem der Beschuldigte sehr auffällig benommen habe. Er sei sehr aggressiv, vorerst uneinsichtig und kaum zu beruhigen gewesen. Ausserdem merkte er an, dass es nicht auszuschliessen sei, dass er unter dem Einfluss von Drogen gestanden sei. Gemäss seinen Angaben habe sich niemand verletzt. Der Privatkläger habe auf der rechten Wange und am Hals aber ganz kleine Kratzer von Fingernägeln aufgewiesen. Der Beschuldigte habe den Posten der Gemeindepolizei dann jedenfalls um 15.35 Uhr in Richtung F. verlassen. Der Privatkläger und E. seien noch zur Gemeindekasse gegangen, um ihre Auszahlung abzuholen (Urk. 3/1 S. 2).

      2. Am 8. Februar 2017 wurde G. in Anwesenheit des Beschuldigten staatsanwaltschaftlich einvernommen (Urk 23/2 S. 1 ff.). Dabei gab er zunächst an, dass er sich mit jedem Wort, das er höre, immer mehr daran erinnere. Er bestätigte dabei seine Angaben aus dem Wahrnehmungsbericht, indem er erklärte, vor dem Gemeindehaus einen Streit beobachtet, und bei den drei beteiligten Personen anschliessend eine Personenkontrolle durchgeführt zu haben. Ausserdem erklärte er erneut, dass die beiden Streithähne, der Beschuldigte und der Privatkläger, bei ihm im Büro gewesen seien. Auch dass der Beschuldigte damals aggressiv und sehr aufgebracht gewesen sei, sowie dass der Privatkläger Kratzspuren am Hals aufgewiesen habe, wiederholte er (Urk. 23/2 S. 3 ff.).

    1. Beweiswürdigung

      1. Glaubwürdigkeit des Privatklägers und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen

        1. Bereits die Vorinstanz wies zurecht darauf hin, dass die Aussagen des Privatklägers mit einer gewissen Vorsicht zu würdigen seien (Urk. 118 S. 8). So machte der Privatkläger in diesem Verfahren nicht nur finanzielle Ansprüche gegen den Beschuldigten geltend (Urk. 9; Urk. 22/11 S. 6), sondern gab auch von sich aus an, dass er schon vor diesem Vorfall darum bemüht gewesen sei, nicht mehr mit dem Beschuldigten das Zimmer teilen zu müssen (Urk. 3/3 S. 1). Die finanziellen Interessen und der Umstand, dass er dem Beschuldigten somit zumindest nicht ausnahmslos wohlgesinnt war, begründen nicht per se Zweifel hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit, jedoch sind diese Umstände bei der Beweiswürdigung einzubeziehen

        2. as die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Privatklägers betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass er den in Frage stehenden Vorfall sowie die diesem vorausgehende Auseinandersetzung beim Gemeindehaus im Rahmen seiner insgesamt drei Einvernahmen grundsätzlich konstant und weitgehend widerspruchsfrei schilderte. Seine Aussagen weisen zudem insofern eine gewisse Differenziertheit auf, als er beispielsweise darauf hinwies, dass er zunächst gar nicht gesehen habe, was der Beschuldigte in der Hand gehabt habe und ihm erst nach dem ersten Schlag bewusst geworden sei, dass es sich dabei um ein Messer gehandelt habe (Urk. 3/4 S. 2; Urk. 22/11 S. 3 f.). Auffällig ist, dass der Privatkläger in der tatzeitnäheren Einvernahme vom 14. März 2005 aussagte, er wisse nicht, in welcher Hand der Beschuldigte das Hackmesser hielt (Urk.3/4 S.3), dagegen in der rechtshilfeweisen Einvernahme in Deutschland erklärte, er sei sicher, dass der Beschuldigte das Messer in der rechten Hand gehalten habe (Urk. 22/11

S. 4). Zu erwarten wäre eigentlich, dass er mit frischer Erinnerung genauere Angaben hätte machen können als 12 Jahre nach dem Vorfall. Eine weitere Abweichung in seiner Darstellung der Ereignisse zeigt sich in seinen Angaben dazu, was sich unmittelbar vor dem Angriff durch den Beschuldigten abgespielt habe. Während er sowohl in seiner polizeilichen Einvernahme vom 28. Januar 2005 als auch in der rechtshilfeweise durchgeführten Einvernahme vom 2. Februar 2017 angab, der Beschuldigte habe vor dem Asylbewerberheim ohne ein Wort zu sagen, auf ihn eingeschlagen (Urk. 3/3 S. 1; Urk. 22/11 S. 3), führte er im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 14. März 2005 aus, der Beschuldigte habe unmittelbar vor dem Angriff noch geschimpft und etwas zu ihm gesagt (Urk. 3/4 S. 2). Zwar betrifft dieser Widerspruch den Kern des Tatgeschehens. Daran, dass der Privatkläger das Verhalten des Beschuldigten stets als überraschenden und unvermittelten Angriff beschrieb, ändert die Frage, ob er dabei noch etwas gesagt hat oder ob dieser wortlos erfolgte, aber nichts. Seine Aussagen werden durch den Umstand gestützt, dass sich die Verletzungen am Kopf, seinen Händen und dem linken Oberschenkel, welche er nach diesem Vorfall aufwies, mit dem durch ihn beschriebenen Tathergang und insbesondere mit seinen Versuchen, die Schläge mit seinen Händen abzuwehren, ohne Weiteres vereinbaren lassen. Gerade der Umstand, dass er die Schläge abzuwehren versucht habe, würde auch erklären, weshalb er trotz der Schläge von oben mit einem Fleischerbeil nicht gravierendere Kopfverletzungen erlitt. Zwar weisen seine Angaben aus der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 14. März 2005, wonach er seine Hand erst gehoben habe, nachdem er Blut gesehen habe (Urk. 3/4

S. 4), sowie aus der rechtshilfeweisen Einvernahme, wonach zunächst zwei Schläge direkt auf den Kopf erfolgt seien und er dann versucht habe, das mit seinen Armen abzuwehren (Urk. 22/11 S. 4), grundsätzlich darauf hin, dass er sich nicht von Beginn an wehrte und daher grundsätzlich schwerwiegendere Verletzungen zu erwarten gewesen wären. In seiner ersten Einvernahme erklärte er jedoch, dass er damals den Kopf eingezogen habe und er sonst sicher tot gewesen wäre, wenn er ihn am Hals getroffen hätte (Urk. 3/3 S. 2). Da er somit auch andere Abwehrmethoden als die Verteidigung mit seinen Händen schilderte, ändert der Umstand, dass er sich nicht von Beginn an mit seinen Händen gegen die Schläge wehrte, nichts an der grundsätzlichen Vereinbarkeit des Verletzungsbildes mit seinen Angaben. Weiter wurden seine Angaben dazu, dass der Beschuldigte und er bereits beim Gemeindehaus aneinandergeraten seien, durch den Polizeibeamten G. , welcher sie damals einer Personenkontrolle unterzog, bestätigt (Urk. 3/1; Urk. 23/2 S. 3 f.). Auch dieser erklärte, dass der Beschuldigte bereits zu jenem Zeitpunkt aggressiv und kaum zu beruhigen gewesen sei (Urk. 3/1 S. 2).

Festzuhalten ist jedoch auch, dass die Aussagen des Privatklägers insgesamt sehr knapp und pauschal ausgefallen sind. Sie lassen Realitätskriterien wie Schilderung erlebter Gefühle oder Detailreichtum vermissen. Seine Angaben beschränken sich im Wesentlichen auf die Beschreibung eines an sich einfachen Handlungsablaufs. Diesen legte er so dar, dass der Beschuldigte vor dem Asylheim auf ihn gewartet habe, um dann auf ihn zuzukommen und mehrmals mit einem Messer auf ihn einzuschlagen. Angaben dazu, wie er sich im Moment des Angriffs fühlte oder zu Assoziationen, welche er damals gehabt hätte, oder andere Details, welche darauf hinweisen würden, dass er das Geschilderte tatsächlich erlebte, schilderte er kaum. Zwar gab er im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 14. März 2005 an, dass er es damals nicht habe glauben kön- nen, dass der Beschuldigte ihn schlage. Und er umschrieb die Schläge des Beschuldigten mit der Assoziation, dass diese erfolgt seien, wie wenn er aus einem Tier Stücke mache (Urk. 3/4 S. 2 f., 4). Auch machte er in jener Einvernahme geltend, dass der Beschuldigte ganz bewusst auf ihn eingeschlagen habe, um ihn umzubringen (Urk. 3/4 S. 3). Noch in der ersten polizeilichen Einvernahme unmittelbar nach der Tat liess er solche Umschreibungen jedoch ganz weg. Auch erwähnte er nichts davon, dass er befürchtet hätte, der Beschuldigte habe ihn mit diesen Schlägen gezielt umbringen wollen. Zudem schilderte er damals nicht nur den Ablauf der Ereignisse sehr sachlich und ohne Hinweise auf sein eigenes damaliges Empfinden, sondern beschrieb auch sein eigenes Verhalten zum Zeitpunkt der Tat als sehr sachlich. So gab er beispielsweise an, dass er dem Beschuldigten, noch während der Angriff im Gange gewesen sei, gesagt habe, dass er die Polizei rufen werde (Urk. 3/3 S. 2). Angesichts dieses Unterschieds seiner Angaben aus der polizeilichen Einvernahmen zu jenen aus der staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen zeigt sich hinsichtlich jener Angaben, welche der Privatkläger im Laufe des Strafverfahrens zu seinem Empfinden machte, eine gewisse Steigerungstendenz. Zudem ist seinen Aussagen keine plausible Erklärung für den Angriff durch den Beschuldigten zu entnehmen. Der Privatkläger erklärte, der Beschuldigte habe vor dem Gemeindehaus zu ihm gesagt, was er ihn so anschaue und habe ihn als Arschloch bezeichnet, den angeklagten Angriff vor dem Heim habe der Beschuldigte unvermittelt ausgeführt, ohne ein Wort zu sagen,

bzw. nur mit der Bemerkung eingeleitet, weshalb er ihn angeschaut habe, er werde seine Mutter und seine Schwester bumsen (Urk. 3/3 S. 1). In der rechtshilfeweisen Einvernahme sagte der Privatkläger dann in Abweichung von den früheren Aussagen aus, bei der Auseinandersetzung vor dem Gemeindehaus habe der Beschuldigte in einem bösen Ton zu ihm gesprochen und gefragt, was er da gesagt habe und ob er das zu dem gesagt habe (Urk. 22/11 S. 3). Unklar bleibt in dieser Einvernahme, wem der Privatkläger etwas gesagt haben soll. Jedoch fällt auf, dass die Ausführungen des Privatklägers in dieser letzten Einvernahme sich mit den Ausführungen des Beschuldigten in Übereinstimmung bringen lassen, wonach E. ihm vorgeworfen habe, er (Beschuldigter) habe gegenüber dem Privatkläger schlecht über ihn (E. ) gesprochen. Die in bösem Ton formulierte Frage des Beschuldigten könnte sich auf diesen Kontext beziehen. Diese Schilderung des Privatklägers in seiner letzten Einvernahme steht in klarem Widerspruch zu den beiden früheren Einvernahmen, in welchen nur die Rede davon war, dass der Beschuldigte ihn vor dem Gemeindehaus gefragt habe, weshalb er ihn so anschaue. Dieser Widerspruch in den kargen Aussagen des Privatklägers stellt die Glaubhaftigkeit seiner Darstellung in Frage.

Aus der Schilderung des Privatklägers ergibt sich ausserdem kein Motiv für das angeklagte massive Vorgehen des Beschuldigten. Er sagte denn auch selber aus, er könne sich nicht erklären, weshalb der Beschuldigte ihn angegriffen habe (Urk. 3/3 S. 2), es gebe keinen Grund für die Auseinandersetzung (Urk. 3/4 S. 3). In diesem Zusammenhang ist auf die glaubhafte Aussage des Zeugen G. zu verweisen, wonach beim Gespräch in seinem Büro nach der von ihm beobachteten Auseinandersetzung weder der Beschuldigte noch der Privatkläger etwas von einem Streit habe wissen wollen. Er habe den Eindruck gehabt, dass die beiden nicht zum Grund des Streites stehen wollten (Urk. 23/2 S. 3). Genau dieser Eindruck entsteht auch bei der Prüfung der Aussagen des Privatklägers. Der wahre Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Beschuldigten bleibt im Dunkeln.

Etwas merkwürdig erscheint auch die Aussage des Privatklägers, er habe den Beschuldigten am Wegrennen hindern wollen nachdem ihn dieser verletzt

habe und habe ihn an den Kleidern festgehalten, worauf dieser die Kleider ausgezogen habe (Urk. 3/3 S. 2). Nach dem Vorfall wurden die Jacke des Beschuldigten, ein Langarmleibchen und ein Unterleibchen sichergestellt (Urk. 1 S. 5). Es stellt sich die Frage, wie der Beschuldigte seine ganze Oberbekleidung inklusive Unterleibchen ausziehen konnte und weshalb es dem Privatkläger mit der Unterstützung von E. nicht gelungen sein soll, den Beschuldigten in dieser Zeit an der Flucht zu hindern. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Erklä- rung des Beschuldigten dafür, wie es dazu kam, dass er mit nacktem Oberkörper flüchtete, auch nicht gleichbleibend ist. In der Einvernahme vom 5. Januar 2017 erklärte er, er glaube, seine Kleidung sei beim Streit zerrissen worden (Urk. 21/2

S. 4). In der Einvernahme vom 5. Mai 2017 dagegen führte er aus, die Jacke habe er verloren, als es zur Auseinandersetzung mit E. vor dem Heim gekommen sei, bei welcher E. ihn gepackt habe und ihm dabei die Jacke ausgezogen worden sei (Urk. 21/4 S. 6; Prot. I S. 23). Nachdem er die Jacke verloren habe, habe E. ihn mit dem Cutter getroffen (Urk. 21/4 S. 4). Er habe den Pullover ausgezogen, um seine Wunde damit zu bedecken und habe oben nichts mehr angehabt (Urk. 21/4 S. 4; Prot. I S. 23). Betreffend die Kleider des Beschuldigten sind weder die Darstellung des Privatklägers noch diejenigen des Beschuldigten glaubhaft.

Von zentraler Bedeutung ist, dass die Angaben des Privatklägers durch das Verletzungsbild gestützt werden. Es ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die von ihm erlittenen Verletzungen durch unkontrollierte Schläge mit dem sichergestellten Hackmesser entstanden sind, dass insbesondere vom Täter Schläge gegen den Kopf des Opfers ausgeführt wurden und dieses sich mit den Händen gegen die Schläge gewehrt hat. Das Verletzungsbild spricht gegen die Darstellung des Beschuldigten, wonach der Privatkläger sich die Verletzungen zugezogen haben soll, als er eingegriffen habe, um den Angriff von E. gegen den Beschuldigten abzuwehren. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht glaubhaft erscheint, dass E. , der in einem guten Verhältnis zum Privatklä- ger stand, mit dem Hackmesser weiter geschlagen haben soll, während der Privatkläger dazwischen ging. Eine Schnittverletzung am Kopf des Privatklägers und an seinen Händen kann zwar von einem Schlag und Abwehrbewegungen mit den

Händen stammen. Der Privatkläger hat aber zwei Schnittverletzungen am Kopf und auch eine Verletzung am Bein erlitten, weshalb davon auszugehen ist, dass mehrere Schläge ausgeführt wurden.

    1. Glaubwürdigkeit des Beschuldigten und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen

      1. ie bereits die Vorinstanz zutreffend erwog, hat der Beschuldigte als direkt durch das Verfahren Betroffener ein legitimes Interesse an einem für ihn günstigen Ausgang des Verfahrens (Urk. 118 S. 10 f.). Insofern sind seine Aussagen mit einer gewissen kritischen Zurückhaltung zu würdigen. Dennoch ist seine Glaubwürdigkeit aber nicht von vornherein zweifelhaft.

      2. as die Glaubhaftigkeit seiner Angaben betrifft, ist zunächst zu bemerken, dass seine Darstellung der Vorfälle meist sehr detailliert ausfiel und nicht von vornherein undenkbar erscheint. So vermag er gewisse seiner Handlungen und Vorbringen durchaus schlüssig und nachvollziehbar zu erklären. Vorausgesetzt, seine Angaben würden alle der Wahrheit entsprechen und er wäre insbesondere von E. bedroht worden, so wäre beispielsweise durchaus verständlich, dass der Beschuldigte auf eine ärztliche Behandlung verzichtete und die Flucht ergriff. Ausserdem wäre auch der Groll von E. auf den Beschuldigten gewissermassen nachvollziehbar, wenn er dem Beschuldigten tatsächlich viel geholfen hätte und dieser ihm dann den Rücken hätte kehren wollen und gegenüber dem Privatkläger schlechte Dinge über ihn erzählt hätte. Der Beschuldigte machte geltend, E. habe ihm geholfen als er ihm in Rom begegnet sei und habe ihn in die Schweiz gebracht. Diese Hilfestellung habe E. ihm vorgehalten und von ihm eine Gegenleistung in Form von Drogentransporten verlangt (Urk. 21/2

S. 6). Zwei bis drei Tage vor dem angeklagten Ereignis sei E. mit einer Plastiktüte mit Drogen zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, ihm zu helfen. Er habe sich geweigert (Urk. 21/2 S. 6). Die im Ablagefach in der Küche sichergestellten Drogen hätten E. gehört. Dieser habe ihm gedroht, falls er eine Anzeige gegen ihn erstatte, habe er etwas gegen ihn in der Hand (Urk. 21/2 S. 5). Diese Darstellung des Beschuldigten wird insoweit durch die Zeugenaussage von P. gestützt als sie bestätigte, bezüglich des fraglichen Ablagefaches nach dem Vorfall einen Tipp bekommen zu haben. Sie konnte sich nicht mehr erinnern,

wer dies war, sagte aber aus, der Tippgeber sei nicht der Privatkläger gewesen, möglicherweise sei es E. gewesen (Urk. 23/3 S. 5/6).

Widersprüchliche Aussagen machte der Beschuldigte zur Frage, wie es dazu kam, dass er mit nacktem Oberkörper die Flucht im Auto antrat. Es kann diesbezüglich auf die Gegenüberstellung der Aussagen im Rahmen der Würdigung der Aussagen des Privatklägers verwiesen werden.

Die Aussagen des Beschuldigten weisen weitere Ungereimtheiten und Widersprüche auf. Diese sind nachfolgend darzulegen.

        1. Bereits seine Darstellung der Auseinandersetzung beim Gemeindehaus, welche dem eigentlichen Tatvorfall vorausging, erfolgte nicht gleichbleibend. So schilderte er noch in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom

          5. Mai 2017 lediglich einen Angriff durch den Privatkläger (Urk. 21/4 S. 3). In seinem Schreiben sowie vor Vorinstanz gab er dann aber an, dass ihn damals sowohl der Privatkläger als auch E. angegriffen hätten (Urk. 21/10 S. 6; Prot. I

          S. 14). Abgesehen davon, dass diese späteren Angaben von seiner ersten diesbezüglichen Aussagen abweichen, stimmt auch nur seine erste Angabe mit der Darstellung des Zeugen G. überein. Dieser beschrieb lediglich eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und dem Privatkläger. E. führte dieser als Zeuge auf (Urk. 3/1 S. 2). Weiter vermögen auch nicht sämtliche Erklärungen des Beschuldigten für die Feindseligkeiten zwischen ihm, dem Privatkläger und E. , welche überhaupt zu den in Frage stehenden Auseinandersetzungen geführt haben sollen, einzuleuchten. Zwar sind seine Angaben dazu, dass er und E. ursprünglich befreundet gewesen seien, dieser ihm geholfen und dann aber auch Gegenleistungen verlangt habe, die er nicht mehr bereit gewesen sei zu erbringen, grundsätzlich in sich schlüssig und an sich nachvollziehbar. Jedoch erhellt nicht, weshalb der Privatkläger zusätzliche Unruhe in diese Konstellation hätte bringen sollen. Der Beschuldigte machte diesbezüglich geltend, dass er dem Privatkläger jene Dinge über E. erzählt habe, die ihn selbst dazu bewogen hätten, Abstand von diesem zu nehmen, und dass E. über diese Offenbarungen gegenüber dem Privatkläger nicht erfreut gewesen sei. Dass E. vor diesem Hintergrund einen gewissen Unmut gegenüber dem

          Beschuldigten gehegt hätte, wäre wiederum ohne Weiteres nachvollziehbar. Jedoch führte dieses durch den Beschuldigten geschilderte Anschwärzen gemäss seinen eigenen Angaben offenbar gerade dazu, dass der Privatkläger aus dem Zimmer des Beschuldigten auszog und umso mehr den Kontakt zum eigentlich angeschwärzten E. suchte (Prot. I S. 14). Auf der anderen Seite erfährt die Darstellung des Beschuldigten jedoch eine Stütze in der Aussage des Privatklä- gers in seiner rechtshilfeweisen Einvernahme, in welcher er im Widerspruch zu seinen früheren Aussagen erklärte, der Beschuldigte habe ihn beim Gemeindehaus in bösem Ton gefragt, was er da gesagt habe und ob er das zu dem gesagt habe (Urk. 22/11 S. 3). Bereits im Rahmen der Würdigung der Aussagen des Privatklägers wurde darauf hingewiesen, dass diese Äusserung mit der Darstellung des Beschuldigten vereinbar ist, wonach er dem Privatkläger vorgeworfen hat,

          E. berichtet zu haben, was er dem Privatkläger über E. erzählt habe.

        2. Ungereimtheiten zeigen sich sodann auch in den Angaben des Beschuldigten im Zusammenhang damit, dass er von E. mit einem Cutter angegriffen worden sei. Zwar kann gemäss Gutachten eine Fremdbeibringung nicht ausgeschlossen werden. Das IRM gelangte bei einer Begutachtung der Verletzungen, welche gemäss dem Beschuldigten auf jenen Angriff mit dem Cutter zurückzuführen seien, nachvollziehbar zum Schluss, dass die Entstehung der Narben am linken Oberarm durch mehre Schnitte mit einem Cutter/Teppichmesser möglich sei, die Gruppierung der Verletzungen mit parallelen Verläufen und die Lokalisation an gut erreichbaren Körperpartien würden die Kriterien einer Selbstbeibringung erfüllen. Das Gutachten hält aber auch fest, die Verletzungen würden sich auf der Seite der Arbeitshand des Beschuldigten befinden. Eine Selbstbeibringung auf der Seite der Arbeitshand sei eher untypisch aber nicht beweisend für eine Fremdbeibringung (Urk. 24/3 S. 5). Gemäss Gutachten kann eine Fremdbeibringung somit nicht bewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Die Schlussfolgerungen des Gutachters sprechen nicht für die Darstellung des Beschuldigten, vermögen sie aber auch nicht mit rechtsgenüglicher Sicherheit zu widerlegen.

          Zweifel daran, dass sich jener Angriff tatsächlich so zugetragen hatte, wie der Beschuldigte ihn darlegte, zeigen sich sodann auch aufgrund seiner uneinheitlichen Schilderung desselben. Während er es beispielsweise noch in den Einvernahmen vom 5. Januar 2017 und vom 5. Mai 2017 dabei beliess, dass der Cutter von E. dann irgendwie gebrochen oder kaputt gegangen sei

          (Urk. 21/2 S. 2; Urk. 21/4 S. 4), nannte er vor Vorinstanz erstmals den genauen Grund, weshalb die Klinge des Cutters abgebrochen sei. So habe er selbst

          E. zur Abwehr geschubst. Daraufhin sei dieser aufgrund des rutschigen Bodens gestürzt und dabei sei die Klinge des Cutters kaputt gegangen (Prot. I

          S. 14). Zwar schliessen seine früheren Angaben nicht aus, dass sich der durch ihn bereits damals beschriebene Bruch der Klinge bei einem vom Beschuldigten verursachten Sturz herbeigeführt wurde. Zumal er sich offenbar noch daran erinnern konnte, wäre hingegen zu erwarten gewesen, dass der Beschuldigte diesen Schubs und den darauffolgenden Sturz bereits in seinen früheren Schilderungen dieses Vorfalles erwähnt hätte, und er es nicht dabei belassen hätte, zu sagen, dass die Klinge irgendwie gebrochen sei. Da er den Sturz nun erst vor Vorinstanz erwähnte, entsteht der Eindruck, dass er eine seiner früheren Angaben im Nachhinein zu erklären versuchte, um diese plausibler erscheinen zu lassen. Einen ähnlichen Eindruck erweckt auch der Umstand, dass der Beschuldigte im Rahmen seiner zweiten Schilderungen der Ereignisse am 5. Mai 2017 erklärte, er habe seinen Pullover um seinen Arm gebunden, um die durch den Cutter herbeigeführten Verletzungen abzudecken (Urk. 21/4 S. 4). Noch in der Einvernahme vom 5. Januar 2017, als er den Vorfall erstmals ausführlich schilderte, erwähnte er nichts davon, dass er den Pullover um seine Wunde gebunden hätte. Vielmehr gab er zu jenem Zeitpunkt nur an, dass er die Wunde dann mit den Taschentü- chern umwickelt habe, die ihm der Autofahrer gegeben habe (Urk. 21/2 S. 3). Dass sein Pullover um den Arm gewickelt gewesen sei, erwähnte er damals auch dann nicht, als er explizit gefragt wurde, welche Kleidung er getragen habe, als er in das Auto gestiegen sei. Auf diese Frage gab er gar an, ausser einer Hose keine Kleidung getragen zu haben, da alle seine Kleider beim Streit zerrissen worden seien (Urk. 21/2 S. 4). Dass er auch bei dieser Gelegenheit noch nichts von seinem Pullover erwähnte, lässt sein diesbezügliches späteres Vorbringen wiederum

          als nachgeschobenen Erklärungsversuch erscheinen, um plausibler wirken zu lassen, dass ihn E. tatsächlich verletzt hatte. Darauf, dass der Beschuldigte seinen Pullover nicht bei sich hatte, als er in das Auto stieg, und er seine Kleidung mit Ausnahme der Hose vielmehr entsprechend seinen Angaben in der Einvernahme vom 5. Januar 2017 zurückliess, weist sodann auch der Umstand hin, dass am Tatort drei Kleidungsstücke von ihm sichergestellt wurden. Gemäss dem Vorbericht des wissenschaftlichen Diensts der Stadtpolizei Zürich vom 7. Februar 2005 wurden ein Unterleibchen, ein Langarmleibchen sowie eine Trainerjacke des Beschuldigten sichergestellt, welche alle Blutanhaftungen aufgewiesen hätten (Urk. 6/1 S. 4). Zwar ist nicht von vornherein auszuschliessen, dass der Beschuldigte damals neben diesen drei sichergestellten Kleidungsstücken zusätzlich einen Pullover trug. Allerdings erwähnte der Beschuldigte auch im Rahmen seiner Schilderung im Zusammenhang mit der Verwendung des Pullovers als Verband keine weiteren Kleidungsstücke. Vielmehr erklärte er gar, dass er, nachdem er die Jacke beim Streit verloren und den Pullover wegen der Wunde ausgezogen hätte, keine weitere Oberbekleidung mehr getragen habe (Urk. 21/4 S. 4). Im Übrigen stellt der Umstand, dass seine sichergestellten Kleider Blutanhaftungen aufwiesen, entgegen der Auffassung der (vormaligen) Verteidigung keinen Beweis dafür dar, dass er die geltend gemachten Verletzungen tatsächlich erlitten hat (Urk. 79

          S. 11). Mangels Analyse der Blutanhaftungen an den Kleidern des Beschuldigten besteht sowohl die Möglichkeit, dass es sich um Blut des Beschuldigten handelte, welches aufgrund seiner erlittenen Verletzung auf die Kleidung gelangte, als auch, dass es sich um Blut des Privatklägers handelte, dessen Blut bei den Abwehrhandlungen oder bei dessen Festhalten an die Kleidung des Beschuldigten gelangte oder beim Verbringen der Kleidung in die Asylbewerberunterkunft.

        3. Nicht gleichbleibend schilderte der Beschuldigte sodann auch den Handlungsabschnitt ab dem Zeitpunkt, als E. mit dem Messer auf ihn habe loskommen wollen bis zu seiner gelungenen Flucht mit dem Auto. So bildeten zwar beispielsweise stets die Versuche des Privatklägers, E. von einem Angriff abzuhalten, sowie ein Sturz zu Boden von ihm selbst Teil seiner diesbezüglichen Beschreibung. Die zeitliche Abfolge der einzelnen Angriffsversuche von E. und seinem Sturz bzw. der Phase, in welcher er am Boden gesessen

          sei, variiert in seinen Schilderungen jedoch. Dass der Beschuldigte nicht in der Lage war, diesen Vorgang immer in genau derselben Weise wiederzugeben, ist grundsätzlich sowohl angesichts der seit jenem Ereignis verstrichenen sehr langen Zeit als auch in Anbetracht dessen, dass es sich dabei um ein dynamisches und schnell ablaufendes Geschehen handelte, ohne Weiteres nachvollziehbar. Hingegen fällt auf, dass er gewisse Elemente, die sich aus seiner Sicht in jener Episode hätten abgespielt haben sollen, nur einmal und nicht bereits in seiner ersten ausführlichen Schilderung der Ereignisse erwähnte. So erklärte er ausschliesslich in der Einvernahme vom 5. Mai 2017, dass der Privatkläger E. zu einem Zeitpunkt, als dieser das Messer noch gehabt habe, wieder zum Heim gezogen habe, worauf E. dann zu ihm (dem Beschuldigten) geschaut habe und Drohungen geschrien habe. Unter andrem habe er gesagt, dass er ihn töten werde (Urk. 21/4 S. 5). Dass er von E. auf diese Weise bedroht worden sei, machte er sonst zu keinem Zeitpunkt geltend. Ausserdem brachte er erst vor Vorinstanz vor, dass ihm E. , nachdem er zu Boden gestürzt gewesen sei, auch noch Fusstritte und Faustschläge verpasst habe (Prot. I S. 15). Nicht nur da er diese Sachverhaltselemente nicht konstant erwähnte, sondern insbesondere, da es sich dabei um zusätzliche Belastungen gegenüber E. handelt, entsteht der Eindruck, dass der Beschuldigte auf diese Weise versuchte, E. in ein noch schlechteres Licht zu rücken.

        4. Schliesslich sind insbesondere die Angaben des Beschuldigten zur Frage, wer dem Privatkläger die Schnittverletzungen zugefügt haben soll, in sich nicht schlüssig. So fällt auf, dass seine zeitlich ersten Angaben dazu, dass der Privatkläger verletzt worden sei, als er E. das Messer habe wegnehmen wollen (Urk. 21/2 S. 2), den Anschein machen, als hätte er den entsprechenden Vorgang selbst beobachtet. Erst in der Einvernahme vom 5. Mai 2017 gab er dann auf konkrete Nachfrage an, dass er gar nicht gesehen habe, wie der Privatkläger verletzt worden sei und er einfach denke, dass dies passiert sei, als er

E. das Messer habe abnehmen wollen und es dabei zu einem hin und her gekommen sei (Urk. 21/4 S. 6). Dass er fortan ausdrücklich erklärte, dass er eigentlich nicht gesehen habe, wie der Privatkläger verletzt worden sei, weist zwar grundsätzlich auf eine gewisse Differenziertheit seiner Angaben hin. Gerade der

Umstand, dass er E. als Verursacher der Verletzungen des Privatklägers bezeichnete, ohne einen entsprechenden Vorgang überhaupt gesehen zu haben, zeigt aber wiederum, wie bemüht der Beschuldigte ist, E. in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Es entsteht daher der Eindruck, dass der Beschuldigte durch diese massive Belastung von E. versuchte, sich selbst zu entlasten. Überdies ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Privatkläger noch hätte mit E. um das Messer ringen sollen, um den Beschuldigten zu beschützen, wenn sich dieser doch gemäss seinen eigenen Angaben zum Zeitpunkt dieses

Ringens gar nicht mehr in dessen unmittelbaren Nähe und mithin auch nicht mehr in eigentlicher Gefahr befunden hatte. Gerade der Umstand, dass der Beschuldigte erklärte, nicht gesehen zu haben, wie der Privatkläger verletzt worden sei, weist darauf hin, dass er sich nicht inmitten dieses durch ihn beschriebenen Hin und Her um das Messer befunden hatte. Daher ist nicht ersichtlich, weshalb sich der Privatkläger auf einen entsprechenden Kampf um das Messer hätte einlassen und sich so der Gefahr aussetzen sollen, selbst verletzt zu werden, wenn dem Beschuldigten kein unmittelbarer Angriff mehr drohte. Unabhängig davon, dass bereits Zweifel daran bestehen, dass das beschriebene Ringen um das Messer überhaupt stattgefunden hat, wäre - wie bereist erwähnt - zumindest zu erwarten gewesen, dass E. bereits nach der ersten Verletzung des Privatklägers zurückgeschreckt wäre und weitere Verletzungen zu vermeiden versucht hätte. So beschrieb der Beschuldigte zumindest keine Differenzen zwischen dem Privatklä- ger und E. , welche letzteren dazu hätten bewegen können, den Privatkläger entsprechend zu verletzen. Seine Angaben dazu, dass sich der Privatkläger beim Versuch, E. das Messer wegzunehmen, verletzt haben soll, vermögen daher ebenfalls nicht zu überzeugen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass es nicht einleuchtet, dass der Privatkläger sich zugunsten des Beschuldigten in die Auseinandersetzung eingemischt haben soll und diesen dann im Verfahren falsch habe belasten sollen. Aufgrund dieser zahlreichen Ungereimtheiten in seinen Angaben erweisen sich diese insgesamt als unglaubhaft.

gen

    1. Glaubwürdigkeit des Zeugen E. und Glaubhaftigkeit seiner Aussa-

      1. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen E. ist zu beachten, dass dieser sowohl den Beschuldigten als auch den Privatkläger kannte. Wäh- rend von keiner Seite geltend gemacht wurde, dass Feindseligkeiten zwischen ihm und dem Privatkläger bestanden hätten, brachte der Beschuldigte vor, dass E. ihm gegenüber feindselig gestimmt gewesen sei und er ihn gar angegriffen habe, da er nichts mehr mit diesem habe zu tun haben wollen und er insbesondere seinen Forderungen, sich mit ihm am Drogenhandel zu beteiligen, nicht nachgekommen sei. Einerseits aufgrund der möglichen Differenzen zwischen ihm und dem Beschuldigten sowie auch angesichts der Freundschaft zum Privatkläger ist bei der Würdigung der Aussagen von E. daher Vorsicht geboten.

      2. Seitens der Verteidigung wurde sowohl vor Vorinstanz als auch im Berufungsverfahren vorgebracht, dass E. nach der Tat das Verhalten eines Täters gezeigt habe. So weise insbesondere der Umstand, dass er das Tatmesser zugegebenermassen abgewischt und dann im Abfalleimer versteckt habe, darauf hin, dass er reflexartig etwas habe vertuschen wollen. Ausserdem mache es den Eindruck, dass es sich dabei, dass er der Polizei anschliessend den Tipp betreffend das Versteck des Messers, der Drogen und des Laptops gegeben habe, um einen Versuch gehandelt habe, den Verdacht weiter von sich abzuwenden (Urk. 79 S. 14 f.; Urk. 165 S. 26 f.). Ausserdem wurde geltend gemacht, dass der Umstand, dass sowohl der Privatkläger als auch E. bei ihrer staatsanwaltschaftlichen Zeugeneinvernahme neu vorgebracht hätten, der Beschuldigte habe noch vor dem Angriff zum Privatkläger etwas gesagt und sie dabei denselben Satz genannt hätten, auf eine Absprache zwischen ihnen hinweise (Urk. 165

        S. 27 f.; Prot. I S. 39). Weiter könne der Anklagesachverhalt auch aufgrund des Umstands, dass E. dann bei der Staatsanwaltschaft noch gänzlich neue Elemente des Ablaufs hinzugefügt habe, wie beispielsweise die Behändigung einer Stange und eines Steins durch den Privatkläger, nicht als erstellt erachtet werden (Urk. 79 S. 34; Prot. I S. 39 f.). Schliesslich könne es sich ausgehend von den Angaben von E. auch nicht um eine derart einseitige Auseinandersetzung gehandelt haben, wie sie vom Privatkläger beschrieben worden sei, zumal es dem Privatkläger noch möglich gewesen sein soll, sich vom Streit zu entfernen und eine Stange zu behändigen. Ausserdem hätte E. dann auch nicht dazwischen gehen und manchmal den Beschuldigten und manchmal den Privatklä- ger halten können (Urk. 79 S. 35). Darauf, dass der Angriff des Beschuldigten nicht von einer solchen Intensität gewesen sein könne, wie er in der Anklageschrift umschrieben worden sei, weise sodann auch die Aussage von E. hin, wonach er den Eindruck gehabt habe, der Beschuldigte habe dem Privatklä- ger einfach eine Lektion erteilen wollen und er nicht das Gefühl gehabt habe, er hätte diesen töten wollen (Urk. 165 S. 25).

      3. Dass E. das gemäss seinen Angaben vom Beschuldigten zur Begehung der Tat verwendete Messer an dessen Jacke abputze und es anschliessend in den Küchenabfall warf, anstatt es offen für die spätere Sicherstellung durch die Polizei liegen zu lassen, mutet in der Tat seltsam an, und lässt ihn auf den ersten Blick verdächtig erscheinen. E. erklärte sein diesbezügliches Verhalten damit, dass durch das Entreissen des Messers auch seine Fingerabdrücke darauf gelangt seien und er diese aus Angst, dass die Polizei diese darauf finden und ihm die Tat zum Vorwurf machen könnte, habe beseitigen wollen

        (Urk. 3/2 S. 2; Urk. 3/5 S. 8). Angesichts des Umstandes, dass er davon ausgehen konnte, dass der Privatkläger als Opfer der Tat seine Darstellung der Ereignisse bestätigen würde, erscheint das Verhalten von E. als verdächtig. Dafür, dass es sich bei E. trotz dieses Verhaltens nicht um den eigentlichen Täter handeln muss, spricht wiederum der Umstand, dass er die Polizei dann doch auf das Versteck des Messers und darauf, dass er zuvor Spuren weggewischt habe, hinwies. Dass es jenes Messer war, welches beim fraglichen Vorfall zum Einsatz kam, wurde im Übrigen auch durch den Beschuldigten nicht bestritten. Um Verdächtigungen zumindest vorerst zu entgehen, hätte er das Messer im Küchenabfall unerwähnt lassen können. Er musste aber damit rechnen, dass die Polizei den Tatort untersuchen und Spuren sichern würde. Bei dieser Untersuchung wäre das Messer gefunden worden, zumal es nicht gerade gut versteckt war. Der Umstand, dass E. das Tatmesser abgewischt und weggeworfen hat, macht ihn somit zwar verdächtig, ist jedoch nicht geeignet, eindeutige Rückschlüsse auf seine Täterschaft zu ziehen.

        Dass er mit dem Privatkläger über die ihnen beiden bevorstehenden staatsanwaltschaftlichen Einvernahmen gesprochen habe, räumte E. sodann ein (Urk. 3/5 S. 2). Auch in Anbetracht dessen, dass sie am selben Ort wohnten, ist anzunehmen, dass der Vorfall vom 28. Januar 2005 auch in der Zwischenzeit seit jenem Tag und ihrer nächsten Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft mehrmals Thema zwischen ihnen war. Dass sowohl ihre übereinstimmende neue Angabe bei der Staatsanwaltschaft dazu, was der Beschuldigte noch vor dem Messerangriff zum Privatkläger gesagt habe, als auch der Umstand, dass E. bei der Staatsanwaltschaft neu ebenfalls erklärte, der Beschuldigte habe den Privatkläger bei der Gemeinde gefragt, weshalb er ihn so anschaue, von ihren gemeinsamen Gesprächen über den Vorfall herrühren, ist naheliegend. Der Umstand, dass diese Angaben durch einen gemeinsamen Gesprächsaustausch entstanden sind, bedeutet jedoch noch nicht, dass es sich um eine gezielte Absprache handelte. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich nach gemeinsamen Gesprächen Elemente, die sie im Zeitpunkt, zu welchen sich diese ereigneten, selbst wahrgenommen hatten, mit Dingen, die der jeweils andere aus seiner Sicht erzählte, vermischten und es so zu den angeglichenen Angaben kam. Da sich durch diese Angleichungen der durch sie beide in ihren ersten Einvernahmen geschilderte Ablauf des Geschehens jedoch im Wesentlichen nicht veränderte, beschlägt dieser Umstand auch nicht die grundsätzliche Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Jedoch kann der Umstand, dass der Privatkläger und E. auch nach dem Ereignis stets in Kontakt waren und sich über diese Vorfälle unterhielten, bei der Würdigung ihrer Aussagen nicht ausser Acht gelassen werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass sie gemäss ihren übereinstimmenden Aussagen auch bereits auf derselben Seite der durch sie geschilderten Auseinandersetzung standen, sind auch ihre späteren Aussagen gewissermassen als Einheit zu betrachten. Dies führt dazu, dass ihre Aussagen kaum unabhängig voneinander beurteilt werden können. So kommt den Aussagen des Privatklägers und von E. isoliert betrachtet denn auch weniger Gewicht zu, als denjenigen von zwei unabhängigen Belastungszeugen. Dazu, dass sie ihre Darstellung der Ereignisse bereits vor ihrer jeweils ersten Einvernahme am 28. Januar 2005 und mithin unmittelbar nach der Tat abgesprochen hätten, liegen überdies keine Anzeichen vor. Auch die Angaben von E.

        stimmen jedoch nicht nur im Wesentlichen mit denjenigen des Privatklägers überein, sondern auch mit dessen Verletzungsbild sowie beispielsweise mit den anschliessend sichergestellten Kleidungsstücken des Beschuldigten (Urk. 6/1 S. 4). So zählte E. genau auch ein T-Shirt, einen Pulli und eine Jacke als Kleidungsstücke auf, welche der Beschuldigte ausgezogen habe, bevor er sich vom Tatort wegbegeben habe (Urk. 3/2 S. 1). Allerdings ist seine Erklärung, der Beschuldigte habe aus Wut seine Kleidungsstücke ausgezogen, nicht nachvollziehbar. Seine Darstellung ist bezüglich dieser Kleidungsstücke ebenso unglaubhaft wie diejenige des Privatklägers und des Beschuldigten. Neben dem Umstand, dass E. das Tatmesser abgewischt und im Abfalleimer entsorgt hat, sind auch gewisse Ungereimtheiten in seinen Aussagen geeignet, Zweifel an seiner Darstellung aufkommen zu lassen und Verdacht zu schöpfen.

        So machte E. beispielsweise noch in seiner polizeilichen Einvernahme geltend, dass der Privatkläger zum Beschuldigten gesagt habe, er sei schwul (Urk. 3/2 S. 3). In seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme gab er dann an, dass es umgekehrt gewesen sei und der Beschuldigte zum Privatkläger gesagt habe, dieser sei schwul (Urk. 3/5 S. 7). Ausserdem zeigen sich auch in seinen Angaben dazu, wie er den Angriff des Beschuldigten eingeschätzt habe, gewisse Abweichungen. Während er in der polizeilichen Einvernahme noch erklärte, nicht das Gefühl gehabt zu haben, der Beschuldigte hätte den Privatkläger töten wollen, sondern dass er ihm einfach eine Lektion habe erteilen wollen (Urk. 3/2 S. 4), gab er dann in der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme an, dass er viel Angst gehabt habe, der Privatkläger würde beim Angriff des Beschuldigten sterben

        (Urk. 3/5 S. 6). Entsprechend der wiedergegebenen Einschätzung in der ersten Einvernahme, dass es dem Beschuldigten lediglich darum gegangen sei, dem Privatkläger eine Lektion zu erteilen, gab er damals auch noch ohne Vorbehalt an, dass er während des Angriffs mit dem Fleischermesser dazwischen gegangen sei und versucht habe, das Messer zu entreissen (Urk. 3/2 S. 1). In der späteren staatsanwaltschaftlichen Einvernahme gab er dann nicht nur an, dass er beim ersten Schlag erschrocken sei und Angst gehabt habe, weil der Beschuldigte so stark geschlagen habe (Urk. 3/5 S. 4) und er gedacht habe, wenn er hier treffe, sterbe der Privatkläger (Urk. 3/5 S. 5), sondern erklärte dann auch neu, dass er

        nicht viel Mut gehabt habe, dazwischen zu gehen, da er viel gehört habe, dass Leute beim Auseinanderbringen umgebracht worden seien (Urk. 3/5 S. 3). Auch diese Steigerung in seiner Schilderung der Intensität des Angriffs lässt daher am Wahrheitsgehalt seiner diesbezüglichen Aussagen Zweifel aufkommen.

        Hinzu kommt, dass P. bestätigte, dass sie einen Tipp betreffend den Ablagekasten Nr. (vom Beschuldigten mindestens mitbenutzt) erhalten habe, in welchem Drogen und ein gestohlener Laptop sichergestellt werden konnten. Gemäss Polizeirapport vom 24. Februar 2005 (Urk. ND 1/1 S. 4) hat der Privatkläger anlässlich der Tatbestandsaufnahme der anwesenden Asylbeauftragten, Frau

        P. , den Tipp für den Ablagekasten gegeben. In der Zeugeneinvernahme erklärte sie dann, der Privatkläger sei nicht der Tippgeber gewesen, dies sei

        E. gewesen (Urk. 23/3 S. 5 f.). Auch dieser Umstand lässt aufhorchen. Er deutet darauf hin, dass der Privatkläger und E. von den Drogen im erwähnten Ablagefach wussten und stützt die Darstellung des Beschuldigten, wonach

        E. ein paar Tage vor dem Vorfall von ihm verlangt habe, dass er Drogen transportiere sowie dass E. ihm gedroht habe, wenn er ihn anzeige, habe er etwas gegen ihn in der Hand.

        gen

    2. Glaubwürdigkeit des Zeugen D. und Glaubhaftigkeit seiner Aussa-

      1. as die Glaubwürdigkeit des Zeugen D. anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass dieser weder den Beschuldigten noch den Privatkläger persön- lich kannte (Urk. 23/1 S. 2). Gründe, welche von vornherein an seiner Glaubwür- digkeit Zweifel aufkommen lassen würden, sind daher keine ersichtlich.

      2. Dass der Zeuge D. gesehen habe, dass derjenige Mann, welcher nach der Auseinandersetzung vor der Asylbewerberunterkunft vom

28. Januar 2005 in ein Auto gestiegen sei, zuvor ein Messer in der Hand gehabt habe, ist erst im Zusammenhang mit seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 8. Februar 2017 dokumentiert (Urk. 23/1 S. 3). Dass er gegenüber der Polizei bereits am Tag des Vorfalls eine entsprechende Angabe gemacht hätte, geht aus dem Rapport der Kantonspolizei vom 28. Januar 2005, in welchem seine

damals gemachten Beobachtungen zusammengefasst wurden, nicht hervor (Urk. 1 S. 9). Damals führte er aus, drei Personen hätten vor der Asylunterkunft auf der Strasse Streit gehabt. Sie hätten sich mit Fäusten und Fusstritten geschlagen (Urk. 1 S. 9). In der Zeugeneinvernahme 12 Jahre später erwähnte er, er habe gesehen, wie jemand mit einem Messer oder einem Beil herumgerannt sei, der Schnee sei teilweise rot gewesen. Auf die Frage, ob die Person mit dem Messer oder Beil etwas gemacht habe, erklärte er, als er den Lärm gehört habe,

sei es vermutlich schon vorbei gewesen. Es sei derjenige gewesen mit dem Messer oder Beil, der ins Auto gestiegen sei (Urk. 1 S. 3). Diese zu Protokoll gegebenen Beobachtungen des Zeugen D. wirken sich für den Beschuldigten weder belastend noch entlastend aus, zumal sie sowohl auf die durch den Beschuldigten geschilderte Version des Vorfalls zutreffen als auch auf jene des Privatklä- gers. Der Zeuge D. legte in schlüssiger und überzeugender Weise dar, dass er erst zum Fenster gegangen sei, nachdem er Lärm gehört habe und mithin erst, als es bereits vorbei gewesen sei. In diesem Zeitpunkt als es vorbei war und angesichts des roten Schnees jemand Verletzungen erlitten haben muss, sah der Zeuge eine Person mit einem Messer oder Beil. Er bestätigte ausdrücklich, nicht gesehen zu haben, dass die Person mit dem Messer gestochen oder damit etwas gemacht habe (Urk.23/1 S. 4). Weiter sagte er aus, er glaube nicht, dass die Person das Messer noch in der Hand gehalten habe, als sie das Auto bestiegen habe. Was mit dem Messer geschah, lässt sich seinen Aussagen nicht entnehmen. Ausserdem konnte der Zeuge nicht mit hinreichender Sicherheit bestätigen, dass der Mann, der ins Auto stieg, einen nackten Oberkörper hatte. Auf entsprechende Frage erklärte er, das könne sein, denn es sei noch kalt gewesen (Urk. 23/1 S. 4). Abgesehen davon, dass diese Erklärung nicht schlüssig ist, wirft sie die Frage auf, ob der Zeuge das Messer wirklich in der Hand der Person gesehen hat, die ins Auto einstieg, zumal der Beschuldigte unbestrittenermassen das Auto mit nacktem Oberkörper bestieg. Der Zeuge hat nicht gesehen, dass die Person, welche das Messer in der Hand hatte, etwas damit machte, insbesondere gegen eine Person schlug. Er hat den Vorfall erst beobachtet, als bereits jemand verletzt wurde und seine Identifikation der Person, welche das Messer in der Hand hatte, ist nicht eindeutig. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nach

Darstellung des Privatklägers in der letzten Phase des Geschehens E. das Messer in der Hand hielt, nachdem es ihm gelang, dieses dem Beschuldigten zu entwinden. Aus all diesen Gründen lässt sich gestützt auf die Aussagen von

D. nicht mit rechtsgenüglicher Sicherheit erstellen, dass der Beschuldigte das Messer in der Hand hatte und damit den Privatkläger verletzte. Es ist auch nicht zu erwarten, dass D. in einer erneuten Befragung weitere zwei Jahre nach seiner ersten Zeugeneinvernahme detailliertere Angaben machen kann. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine erneute Befragung des Zeugen D. . Der entsprechende Beweisantrag des Beschuldigten (Urk. 120 S. 2), ist daher abzuweisen.

    1. Glaubwürdigkeit des Zeugen G. und Glaubhaftigkeit seiner Aussagen

      1. as die Glaubwürdigkeit des Zeugen G. anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass dieser weder den Beschuldigten noch den Privatkläger vor dem 28. Januar 2005 persönlich kannte (Urk. 23/2 S. 2). Gründe, welche von vornherein an seiner Glaubwürdigkeit Zweifel aufkommen lassen würden, sind daher keine ersichtlich.

      2. Zwar erwähnte G. in seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme nur noch ein Wortgefecht und nicht mehr ausdrücklich einen gegenseitigen Angriff wie noch in seinem Wahrnehmungsbericht (Urk. 3/1 S. 2; Urk. 23/2

S. 3), im Übrigen legte er seine Beobachtungen vom 28. Januar 2005 jedoch widerspruchsfrei dar. Er merkte zudem in seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme rund 12 Jahre nach dem Vorfall auch an, wenn er sich an etwas nicht mehr genau zu erinnern vermochte. Insbesondere da er aber auch Details wiederholte, wie beispielsweise dass der Privatkläger Kratzspuren am Hals aufgewiesen habe, erweisen sich seine Angaben als glaubhaft. Gestützt auf seine Aussagen ist erstellt, dass die beiden Streitbeteiligten in seiner Gegenwart nichts von einem Streit wissen wollten und er die Vermutung hatte, dass sie nicht zum Grund ihres Streites stehen wollten und nicht wollten, dass sich die Polizei einmischt. Ferner ist erstellt, dass der Beschuldigte sehr aggressiv und aufgebracht war, wogegen E. sich ruhig verhielt und unauffällig war. Auch der Privatkläger

wurde vom Zeugen als relativ ruhig beschrieben (Urk.23/2 S. 3 f.). Zu beachten ist, dass die Feststellungen über den Gemütszustand der drei beteiligten Personen nach der Auseinandersetzung beim Gemeindehaus keine direkten Rückschlüsse auf die nachfolgenden Geschehnisse zulassen. Sie sind insbesondere auch mit der Darstellung des Beschuldigten vereinbar, wonach E. ihm vorgeworfen habe, dass er dem Privatkläger Schlechtes über ihn erzählt habe und der Privatkläger sich dann in den Streit eingemischt habe. Immerhin ist festzuhalten, dass sie ein gewisses Indiz dafür darstellen, dass der Beschuldigte eher der Aggressor im nachfolgenden Geschehen war.

6.6 Fazit

Von zentraler Bedeutung für die Beweiswürdigung ist das Verletzungsbild beim Privatkläger. Er wies zwei Schnittverletzungen am Kopf, Schnittverletzungen an beiden Händen und am Oberschenkel auf. Dieses Verletzungsbild lässt sich ohne Weiteres mit dem von ihm geschilderten Vorgehen des Beschuldigten gegen ihn mit dem Hackmesser und seiner Gegenwehr mit den Händen in Übereinstimmung bringen. Die Darstellung des Beschuldigten, wonach die Verletzungen des Privatklägers entstanden seien, als dieser dazwischen gegangen sei, wäh- rend E. ihn mit dem Hackmesser angegriffen habe, lässt sich nicht mit dem Verletzungsbild vereinbaren, da die Verletzungen an verschiedenen Körperteilen auf verschiedene Schläge mit dem Hackmesser zurückzuführen sind und angesichts der guten Beziehung zwischen E. und dem Privatkläger ausgeschlossen werden kann, dass E. weitere Schläge ausführte, als die Gefahr bestand, den Privatkläger zu treffen.

Die Narben am linken Oberarm des Beschuldigten können gemäss Gutachten durch einen Cutter/ein Teppichmesser verursacht worden sein. Eine Fremdbeibringung kann gemäss Gutachten nicht ausgeschlossen werden, insbesondere ist eine Selbstbeibringung auf der Seite der Arbeitshand untypisch. Aufgrund der parallelen Verläufe der Narben und der Lokalisation an gut erreichbaren Körperpartien bei Fehlen gleichartiger Verletzungen an schwer erreichbaren Körperstellen geht das Gutachten jedoch von einer Selbstbeibringung aus.

Die Aussagen des Privatklägers sind insgesamt karg und pauschal. Ausserdem weisen sie in Kernpunkten (insbesondere betreffend die Frage, was der Beschuldigte vor dem Angriff gesagt haben soll) Widersprüche auf. Dass der Beschuldigte einzig gesagt haben soll, er solle ihn nicht so anschauen, erscheint nicht als plausibles Motiv für das geltend gemachte massive Vorgehen des Beschuldigten. Überhaupt ist kein Motiv für das Vorgehen des Beschuldigten erkennbar. Andererseits ist mit der Darstellung des Beschuldigten nicht vereinbar, dass der Privatkläger dazwischen gegangen sein soll, während der Beschuldigte von E. angegriffen worden sei, um diesen anschliessend falsch zu belasten.

Der Zeuge D. wurde auf das Geschehen erst aufmerksam, als bereits jemand verletzt war und sah eine Person mit einem Messer/Beil herumrennen. Der Zeuge hat nicht gesehen, wie jemand mit diesem Messer geschlagen/gestochen hat. Er sagte aus, die Person, welche das Messer in der Hand gehalten habe, sei ins Auto gestiegen und habe das Messer nicht mehr in der Hand gehabt. Wo das Messer hingekommen ist, lässt sich seinen Aussagen nicht entnehmen. Feststeht, dass der Beschuldigte mit nacktem Oberkörper ins Auto eingestiegen ist. Der Vorfall ereignete sich im Winter, es lag Schnee und war kalt. Der Zeuge konnte sich nicht von sich aus erinnern, dass der Mann, der das Messer vorher in der Hand hatte und nachher ins Auto stieg einen nackten Oberkör- per aufwies, was bei den geschilderten Witterungsverhältnissen auffällig war. Eine Verwechslung der Person, welche das Messer in den Händen hielt mit derjenigen, welche ins Auto stieg, kann nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt kann aufgrund der Zeugenaussage nicht erstellt werden, dass der Beschuldigte das Messer in der Hand hatte.

E. beseitigte seine Fingerabdrücke auf dem Tatmesser indem er dieses an der Jacke des Beschuldigten abwischte und warf das Messer anschliessend in den Abfalleimer in der Küche. Dies begründet einen Verdacht gegen ihn. Wäre er tatsächlich nur dazwischen gegangen, hätte er sich der entsprechenden Entlastung durch die Aussagen des Privatklägers sicher sein können, zu dessen Gunsten er eingegriffen hätte und zu dem er in einem guten Verhältnis stand.

Hinzu kommt, dass er mit dem Abwischen des Messers auch die Fingerabdrücke des Beschuldigten entfernte, die zu seiner Entlastung gedient hätten.

Der Zeuge G. beschrieb den Beschuldigten als sehr aggressiv und aufgebracht nach dem Vorfall vor dem Gemeindehaus, während der Privatkläger und E. ruhig gewesen seien. Daraus lässt sich kein sicherer Rückschluss auf die spätere Täterschaft ziehen. Insbesondere ist dieser Umstand auch mit der Darstellung des Beschuldigten vereinbar.

  1. erhielt einen Tipp betreffend das Ablagefach des Beschuldigten und des Privatklägers in der Küche, in welchem Drogen und ein gestohlener Laptop gefunden wurden, wobei unklar blieb, ob sie diesen Tipp vom Privatkläger o- der von E. erhalten hatte. Dies stützt die Darstellung des Beschuldigten, wonach E. ein bis zwei Tage vor dem Vorfall einen Plastiksack mit Drogen zu ihm gebracht habe. Aufgrund der Tatsache, dass P. einen Tipp betreffend dieses Ablagefach erhalten hat seitens des Privatklägers bzw. E. , erscheint es naheliegend, dass diese von den Drogen im Ablagefach Kenntnis hatten.

    Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass insbesondere die Darstellung des Beschuldigten, wonach die Verletzungen entstanden seien als der Privatkläger interveniert habe, als E. den Beschuldigten mit dem Hackbeil habe schlagen wollen, nicht plausibel erscheint. Zwar konnte eine Fremdeinwirkung hinsichtlich seiner Narben am linken Oberarm nicht ausgeschlossen werden, da diese gemäss dem Gutachten des IRM jedoch auf eine Selbstbeibringung hinweisen, vermögen aber auch diese die Darstellung des Beschuldigten nicht zu stüt- zen. Demgegenüber bestehen jedoch auch an der Glaubhaftigkeit der Darstellung der Ereignisse des Privatklägers Zweifel. So fielen seine Aussagen, auf welche sich der Anklagesachverhalt stützt, über weite Teile sehr pauschal aus und weisen in wesentlichen Punkten Widersprüche auf. Ausserdem lässt sich seiner Darstellung kein Motiv des Beschuldigten für ein derart massives Vorgehen entnehmen. Zur Klärung der offenen Fragen hinsichtlich der Umstände, wie es zu den Verletzungen des Privatklägers kommen konnte, vermögen auch die Aussagen von E. nichts beizutragen. Zwar finden diese eine Übereinstimmung in den

    Angaben des Privatklägers. Wie erwogen kommt seinen Angaben jedoch angesichts der Nähe zum Privatkläger nicht das Gewicht der Aussagen eines weiteren unabhängigen Belastungszeugen zu. Ausserdem wiesen seine Angaben in sich ebenfalls Unstimmigkeiten auf. Auch die weiteren persönlichen Beweismittel ergeben kein stimmiges Ganzes. Sie sind auch in ihrem Zusammenspiel nicht geeignet, den rechtsgenüglichen Beweis der Täterschaft des Beschuldigten zu erbringen. Zwar beschreibt der Zeuge G. den Beschuldigten als sehr aufgebracht und aggressiv, E. und den Privatkläger als ruhig. Dies kann aber auch von einer Provokation des Beschuldigten durch die beiden Kontrahenten herrühren. P. konnte nichts zum Vorfall selber aussagen. Ihre Aussage ergibt eher noch Indizien zugunsten des Beschuldigten. Von zentraler Bedeutung ist, dass der Zeuge D. nicht mit der anklagegenügenden Klarheit den Beschuldigten als diejenige Person identifiziert hat, die das Messer in der Hand hielt. Schliesslich erscheint insbesondere in Anbetracht dessen, dass weder der Beschuldigte noch der Privatkläger oder E. Handlungen beschrieben, welche zum Bruch der Scheibe im Asylheim und zum Schnitt entlang der Rückseite der Lederjacke des Privatklägers geführt haben könnten, nicht ausgeschlossen, dass sich die Ereignisse gänzlich von der Darstellung des Beschuldigten und des Privatklägers abweichend zugetragen haben.

    Insgesamt verbleiben rechtserhebliche Zweifel an der Verwirklichung des Anklagesachverhaltes, welche dem Grundsatz in dubio pro reo folgend zu einem Freispruch führen.

    VI. Kostenund Entschädigungsfolgen
    1. Ausgangsgemäss sind die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen. In Ergänzung des erstinstanzlichen Entscheids betreffend die Kostenauflage sind nicht nur die Kosten des damals aktuellen amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt MLaw X2. , im Umfang von Fr. 22'820.20, sondern auch der diesem nachträglich mit Verfügung der Vorinstanz vom

    2. November 2018 ausbezahlte Betrag von Fr. 533.15 (Urk. 111) sowie die Kosten des vormaligen amtlichen Verteidigers, Rechtsanwalt lic. iur. X3. , auf die Gerichtskasse zu nehmen.

      1. Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Unterliegt die Untersuchungsbehörde, trägt der verfahrensführende Kanton die Kosten (SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, N 3 zu Art. 428 StPO).

        1. Wie zu zeigen sein wird, ist die Schadenersatzforderung des Beschuldigten zwar abzuweisen. Da er mit seiner Berufung im Übrigen jedoch vollumfänglich obsiegt und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung unterliegt, sind die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen.

        2. Das Obergericht des Kantons Zürich hat mit Beschluss vom 4. Juni 2018 die vom Beschuldigten gegen den Beschluss der Vorinstanz vom 8. Mai 2018 betreffend Verlängerung der Sicherheitshaft geführte Beschwerde abgewiesen

          (Urk. 93). Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wurde auf Fr. 800.- festgesetzt und die Regelung der Kostenauflage und allfälliger Entschädigungen dem Endentscheid vorbehalten (Urk. 93 S. 7). Beim vorliegenden Verfahrensausgang sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens UH180193 von Fr. 800.- auf die Gerichtskasse zu nehmen.

      2. Der Beschuldigte liess eine Genugtuung für die zu Unrecht erlittene Haft von Fr. 121'050.- bzw. von Fr. 150.- pro Tag sowie Schadenersatz für seinen Verdienstausfall in der Höhe von EUR 59'400.- bzw. von Fr. 67'302.- (bei einem Umrechnungskurs von 1 Euro = Fr. 1,13) beantragen (Urk. 165 S. 3, 36 f.).

        1. Wird die beschuldigte Person freigesprochen, hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO Anspruch auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Festlegung der Genugtuungssumme beruht sodann auf richterlichem Ermessen, wobei bei

          der Ausübung dieses Ermessens den Besonderheiten des Einzelfalles entscheidendes Gewicht zukommt. Sofern nicht aussergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine höhere oder eine geringere Entschädigung rechtfertigen, erachtet das Bundesgericht bei kürzeren Freiheitsentzügen Fr. 200.- pro Tag als angemessene Genugtuung. Bei längerer Untersuchungshaft (von mehreren Monaten Dauer) ist der Tagessatz in der Regel zu senken, da die erste Haftzeit besonders erschwerend ins Gewicht fällt (Urteil des Bundesgerichtes 6B_111/2012 vom

          15. Mai 2012 E. 4.2; Urteil des Bundesgerichtes 6B_196/2014 vom 5. Juni 2014

          E. 1.2). Der Beschuldigte befand sich vom 7. Dezember 2016 bis am 22. Februar 2019 und mithin 808 Tage in Untersuchungsund Sicherheitshaft. Angesichts dieser längeren Dauer des Freiheitsentzuges, rechtfertigt es sich in Nachachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, von der Basisgenugtuung von Fr. 200.- pro Hafttag abzuweichen und eine tiefere Entschädigung pro Tag festzusetzen. Dennoch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Freiheitsentzug den Beschuldigten besonders empfindlich traf, da er während der gesamten Haftdauer seine Familie und insbesondere seinen Sohn nicht sehen konnte. Es erscheint daher angemessen, die Genugtuung für die zu Unrecht erlittene Haft auf rund

          Fr. 120.- pro Tag festzusetzen. Dem Beschuldigten sind daher insgesamt

          Fr. 97'000.- als Genugtuung aus der Gerichtskasse zuzusprechen. Im Mehrbetrag ist das Genugtuungsbegehren abzuweisen.

        2. Was das Schadenersatzbegehren betreffend den geltend gemachten Lohnausfall aufgrund der Inhaftierung betrifft, beliess es der Beschuldigte bei der unsubstantiierten Behauptung, ihm sei ein Verdienst von jeweils rund EUR 2'200 pro Monat entgangen (Urk. 165 S. 36 f.). Seine Schadenersatzforderung ist daher abzuweisen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Dietikon vom

    8. Mai 2018 bezüglich der Dispositivziffern 1 teilweise (Freispruch von den

    Vorwürfen der Hehlerei und des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz), 4 (Zivilforderungen des Privatklägers), 5 (Kostenfestsetzung),

    6 (Entschädigung des vormaligen amtlichen Verteidigers) und 9 (Kostenauflage zulasten eines Übersetzers) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne

    von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB nicht schuldig und wird auch diesbezüglich freigesprochen.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz. Das Honorar von Rechtsanwältin lic. iur. X1. für amtliche Verteidigung wird auf

    Fr. 18'500.- festgesetzt.

  3. Die Kosten der Untersuchung und der gerichtlichen Verfahren beider Instanzen, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung (Rechtsanwalt MLaw X2. : Fr. 22'820.20 und Fr. 533.15; Rechtsanwalt lic. iur.

    X3. im Umfang: Fr. 14'658.05; Rechtsanwältin lic. iur. X1. :

    Fr. 18'500.-), sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens UH180193 von Fr. 800.- werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Dem Beschuldigten werden Fr. 97'000.- als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen. Im Mehrbetrag wird der Genugtuungsanspruch abgewiesen.

  5. Die Schadenersatzforderung des Beschuldigten wird abgewiesen.

  6. Schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (vorab per Fax)

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (vorab per Fax)

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste (vorab per Fax)

    • den Privatkläger

      (Eine begründete Urteilsausfertigung - und nur hinsichtlich seiner eigenen Anträge (Art. 84 Abs. 4 StPO) - wird dem Privatkläger nur zugestellt, sofern er dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangt.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich

    • den Privatkläger (falls verlangt)

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

    • die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 126.

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 22. Februar 2019

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Höchli

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