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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB170509: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 6. April 2018 ein Urteil in einem Verfahren gegen A. gefällt, der des Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig befunden wurde. A. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten verurteilt, von der bereits 140 Tage durch Haft verbüsst wurden. Zudem wurde A. für 7 Jahre aus der Schweiz verwiesen. Die Gerichtskosten wurden auf Fr. 4'000.00 festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens wurden A. auferlegt, mit Ausnahme der Kosten für die amtliche Verteidigung. Die Kosten der amtlichen Verteidigung wurden auf die Gerichtskasse genommen. Das Urteil wurde von Oberrichter Dr. Bussmann gefällt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB170509

Kanton:ZH
Fallnummer:SB170509
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB170509 vom 06.04.2018 (ZH)
Datum:06.04.2018
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_378/2018
Leitsatz/Stichwort:Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Schlagwörter : Asservat; Beschuldigte; Recht; Beschuldigten; Landesverweisung; Berufung; Schweiz; Urteil; Verteidigung; Kantons; Rechtskraft; Betäubungsmittel; Eintritt; DNA-Spur; Wattetupfer; Härte; Staatsanwaltschaft; Vorinstanz; Gericht; Härtefall; Bundesgericht; Schubert-Praxis; Zürich-Sihl; Abteilung; Frist; Lagerbehörde; Ausländer; Anklage
Rechtsnorm:Art. 121a BV ;Art. 135 StPO ;Art. 139 BV ;Art. 190 BV ;Art. 193 BV ;Art. 194 BV ;Art. 399 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 66a StGB ;Art. 90 StPO ;
Referenz BGE:129 II 215; 130 II 176; 133 V 367; 136 II 5; 139 II 121; 142 II 35; 99 Ib 39;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB170509

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB170509-O/U/hb

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Stiefel, Oberrichterin lic. iur. Schärer sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Höchli

Urteil vom 6. April 2018

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 2. Abteilung, vom 11. Oktober 2017 (DG170209)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 15. August 2017 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des Verbrechens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, lit. d und lit. g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG).

  2. Vom Teilrückzug der Anklage vom 25. September 2017 durch die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl betreffend Anklageziffer 2 (Körperverletzung) mit dem Vorbehalt der Wiedereinbringung wird Vormerk genommen.

  3. Der Beschuldigte wird bestraft mit 19 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 140 Tage durch Haft und vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind.

  4. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  5. Der Beschuldigte wird in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für die Dauer von 7 Jahren aus dem Gebiet der Schweiz verwiesen.

  6. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 15. August 2017 beschlagnahmte Barschaft von Fr. 2'107.50 wird zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten verwendet.

  7. Die folgenden sichergestellten und bei der Kantonspolizei Zürich lagernden Gegenstände werden verwertet und der Erlös wird zur teilweisen Deckung der Verfahrenskosten verwendet:

    • Navigationsinstrument (Asservat Nr. A010'447'957)

    • Computer PC (Asservat Nr. A010'436'494)

    • Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'437'317)

    • Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'436'449)

    • Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'436'472)

  8. Die folgenden sichergestellten und im Forensischen Institut Zürich unter der Referenznummer K150718-014 / 64111406 lagernden Gegenstände werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft vernichtet:

    • Tatort-Fotografie (Asservat Nr. A008'381'724)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'381'871)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'381'906)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'381'917)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'001)

    • Mikrospuren - Klebbandasservat (Asservat Nr. A008'381'882)

    • Bekleidungszubehör (Asservat Nr. A008'382'012)

    • Werkstoff, übrige (Asservat Nr. A008'382'023)

    • Zigaretten (Asservat Nr. A008'382'034)

    • Fotografie (Asservat Nr. A008'381'859)

    • Vergleichs-WSA (Asservat Nr. A008'382'410)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'421)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'432)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'523)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'534)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'545)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'556)

    • DNA-Spur - Wattetupfer (Asservat Nr. A008'382'567)

    • Fotografie (Asservat Nr. A008'381'848)

  9. Die sichergestellte und im Forensischen Institut Zürich unter der Referenznummer K150718-014 / 64111406 lagernde Bettwäsche (Asservat

    Nr. A008'382'443) wird dem Privatkläger B. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.

  10. Die folgenden sichergestellten und im Forensischen Institut Zürich unter der Referenznummer K150718-014 / 64111406 lagernden Gegenstände werden

    dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet:

    • Herrenhemd (Asservat Nr. A008'382'578)

    • Herrenhose (Asservat Nr. A008'382'589)

  11. Die folgenden sichergestellten und bei der Kantonspolizei Zürich lagernden Gegenstände werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft vernichtet:

    • Latexhandschuh (Asservat Nr. A010'436'109)

    • Latexhandschuh (Asservat Nr. A010'436'654)

    • Latexhandschuh (Asservat Nr. A010'436'665)

    • SIM-Karte (Asservat Nr. A010'436'381)

    • SIM-Karte (Asservat Nr. A010'436'392)

    • SIM-Karte (Asservat Nr. A010'436'814)

    • 1 Ampulle Testosterone Enenthate (Asservat Nr. A010'436'905)

    • Betäubungsmittel - Fingernagelränder (Asservat Nr. A010'437'533)

    • Betäubungsmittel - Fingernagelränder (Asservat Nr. A010'437'544)

    • Betäubungsmittel - Fingernagelränder (Asservat Nr. A010'437'566)

    • Betäubungsmittel - Fingernagelränder (Asservat Nr. A010'437'577)

    • Betäubungsmittel - Fingernagelränder (Asservat Nr. A010'437'588)

  12. Das Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'436'949) sowie die Bankauszüge und Briefe (Asservat Nr. A010'436'950) werden C. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.

  13. Das Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'437'066) wird D. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.

  14. Das Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'437'157) wird E. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.

  15. Das Mobiltelefon (Asservat Nr. A010'437'657) wird F. nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet.

  16. Die folgenden sichergestellten und bei der Kantonspolizei Zürich unter der BM Lager-Nummer B01909-2017 lagernden Betäubungsmittel werden eingezogen und nach Eintritt der Rechtskraft vernichtet:

    • Kokain 48g (Asservat Nr. A010'436'029)

    • Kokain 204g (Asservat Nr. A010'436'030)

    • Kokain 382g (Asservat Nr. A010'436'041)

    • Kokain 63g (Asservat Nr. A010'436'063)

    • BM Waage (Asservat Nr. A010'436'085)

    • Streckmittel, Milchzucker (Asservat Nr. A010'436'096)

    • 0.2g Netto (Asservat Nr. A010'437'033)

  17. Die folgenden sichergestellten und bei der Kantonspolizei Zürich unter der Referenznummer K150718-014 / 64111406 lagernden Gegenstände werden dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen herausgegeben nach unbenutztem Ablauf einer dreimonatigen Frist von der Lagerbehörde vernichtet:

    • Schlüssel (Asservat Nr. A010'436'121)

    • Schlüssel (Asservat Nr. A010'436'687)

    • Chip-Karte, eventuell für die Waschmaschine (Asservat Nr. A010'436'438)

    • Rucksack (Asservat Nr. A010'437'908)

    • Reiseunterlagen (Asservat Nr. A010'436'701)

    • Verpackungen (Asservat Nr. A010'436'712)

    • Verschiedene Abrechnungen, Quittungen, Briefe (Asservat Nr. A010'436'767)

    • USB Stick (Asservat Nr. A010'436'869)

    • Lieferschein (Asservat Nr. A010'436'881)

    • Gepäcklabel (Asservat Nr. A010'436'994)

    • Notizzettel (Asservat Nr. A010'448'018)

  18. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 4'000.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 4'000.00 Gebühr Strafuntersuchung Fr. 1'596.00 Auslagen (Gutachten)

    Fr. 1'707.00 Auslagen (Gutachten)

    Fr. 557.35 amtliche Verteidigung RAin X2. Fr. 11'398.00 amtliche Verteidigung RA Dr. iur. X1.

    Fr. 5'854.50 unentgeltlicher Rechtsbeistand RA Dr. iur. Y.

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  19. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Verbeiständung des Privatklägers, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung sowie der unentgeltlichen Verbeiständung des Privatklägers werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO und Art. 426 Abs. 4 StPO.

  20. Mündliche Eröffnung, Begründung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben);

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (übergeben);

    • Rechtsanwalt Dr. iur. Y. im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers B. (versandt gegen Empfangsschein);

    • das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste (versandt gegen Empfangsschein);

    • dem Migrationsamt des Kantons Zürich, vorab per Fax (Fax-Nr. 043 259 88 13);

      und hernach als vollständig schriftlich begründetes Urteil an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten;

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl;

    • Rechtsanwalt Dr. iur. Y. im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers B. ;

    • das Bundesamt für Polizei, fedpol;

      und nach Eintritt der Rechtskraft an

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A, und unter Beilage der Formulare Löschung des DNA-Profils und ED-Materials;

    • das Forensische Institut Zürich, Referenznummer K150718-014 / 64111406 und K170531-087 / 69868468 (gem. Disp. Ziff. 7-15 und 17);

    • die Kantonspolizei Zürich, TEU AssTri (gem. Disp. Ziff. 16);

    • die Bezirksgerichtskasse (gem. Disp. Ziff. 7 zur Kenntnisnahme);

    • den Vertreter des Privatklägers B. (gem. Disp. Ziff. 9) bezüglich Herausgabefrist;

    • C. , [Adresse] (gem. Disp. Ziff. 12) bezüglich Herausgabefrist;

    • D. , [Adresse] (gem. Disp. Ziff. 13) bezüglich Herausgabefrist;

    • den amtlichen Verteidiger von E. , Fürsprecher Z1. , [Adresse] (gem. Disp. Ziff. 14) bezüglich Herausgabefrist;

    • den amtlichen Verteidiger von F. , Rechtsanwalt lic. iur.

      Z2. , [Adresse] (gem. Disp. Ziff. 15) bezüglich Herausgabefrist;

    • die amtliche Verteidigung des Beschuldigten (gem. Disp. Ziff. 10 und

      17) bezüglich Herausgabefrist;

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich, Berninastrasse 45, Postfach, 8090 Zürich.

  21. Gegen dieses Urteil kann innert 10 Tagen von der Eröffnung an beim Bezirksgericht Zürich, 2. Abteilung, Badenerstrasse 90, Postfach, 8036 Zürich, mündlich schriftlich Berufung angemeldet werden.

Mit der Berufung kann das Urteil in allen Punkten umfassend angefochten werden. Mit der Berufung können gerügt werden:

Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige und unrichtige Feststellung des Sachverhaltes Unangemessenheit.

Die Berufung erhebende Partei hat binnen 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Entscheids dem Obergericht des Kantons Zürich, Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich, eine schriftliche Berufungserklärung einzureichen. Sie hat darin anzugeben, ob sie das Urteil vollumfänglich nur in Teilen anficht, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils sie verlangt. Werden nur Teile des Urteils angefochten, ist verbindlich anzugeben, auf welche sich die Berufung beschränkt.

Bei offensichtlich verspäteten Berufungsanmeldungen Berufungserklärungen wird auf die Berufung ohne Weiterungen nicht eingetreten.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 69 S. 1)

    1. Es sei Ziff. 5 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichts Zürich,

    2. Abteilung, vom 11. Oktober 2017, aufzuheben und es sei von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen;

      1. Eventualiter sei der Beschuldigte für die Dauer von 5 Jahren aus dem Gebiet der Schweiz zu verweisen;

      2. Die Kosten des Berufungsverfahrens inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung und der Übersetzung seien auf die Staatskasse zu nehmen.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl: (Urk. 65, schriftlich)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.

Erwägungen:

I.

    1. Mit Urteil vom 11. Oktober 2017 sprach das Bezirksgericht Zürich, 2. Abteilung, den Beschuldigten des Verbrechens im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c, lit. d und lit. g in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a des Betäubungsmittelgesetzes

      schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 19 Monaten. Ferner verwies es ihn für die Dauer von sieben Jahren aus dem Gebiet der Schweiz, entschied über die Verwendung beschlagnahmten Bargeldes sowie beschlagnahmter Gegenstände und Betäubungsmittel und regelte die Kostenfolgen des Verfahrens (Urk. 60 S. 26 ff.).

    2. Gegen das mündlich eröffnete Urteil (Prot. I S. 16) liess der Beschuldigte rechtzeitig Berufung anmelden (Urk. 55; Art. 399 Abs. 1 StPO). Am 12. Dezember 2017 versandte die Vorinstanz das begründete Urteil an die Parteien (vgl. Urk. 58) und übermittelte in der Folge die Anmeldung der Berufung zusammen mit den Akten dem Obergericht.

  1. Am 29. Dezember 2017 (Datum des Poststempels) reichte der Beschuldigte der erkennenden Kammer rechtzeitig die schriftliche Berufungserklärung ein (Urk. 61; Urk. 58/2; Art. 399 Abs. 3 i.V.m. Art. 90 StPO). Die Staatsanwaltschaft beantragte unter dem 16. Januar 2018 die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 65). Der Privatkläger äusserte sich innert der ihm mit Präsidialverfü-

    gung vom 9. Januar 2018 (Urk. 63; Urk. 64/1) angesetzten Frist nicht und verzichtete damit auf eine Anschlussberufung.

  2. Die Berufungsverhandlung fand heute in Anwesenheit des Beschuldigten statt. Die mit Verfügung vom 25. Januar 2018 dispensierte Anklägerin (Urk. 65) verzichtete auf eine Teilnahme an der Berufungsverhandlung (Prot. II S. 3 ff.).

II.

1. Die Berufung des Beschuldigten richtet sich gegen die Anordnung der Landesverweisung (Dispositiv-Ziffer 5; Urk. 61). Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen ist der vorinstanzliche Entscheid damit hinsichtlich der Dispositivziffern 1 (Schuldspruch), 2 (Teilrückzug der Anklage), 3 und 4 (Strafe und Strafvollzug), 6 bis 17 (Verwendung beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte) sowie 18 und 19 (Kostendispositiv), was vorab festzustellen ist.

2.1 Gemäss Art. 66a lit. o StGB verweist das Gericht einen Ausländer, der wegen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 BetmG verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für fünf bis fünfzehn Jahre aus der Schweiz. Ein Verzicht auf eine Landesverweisung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB). Ein schwerer persönlicher Härtefall ist dann anzunehmen, wenn die Summe aller mit der Landesverweisung verbundenen Schwierigkeiten den Betroffenen derart hart trifft, dass ein Verlassen der Schweiz bei objektiver Betrachtung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in seine Daseinsbedingungen führt (Busslinger/ Übersax, Härtefallklausel und migrationsrechtliche Auswirkungen der Landesverweisung, plädoyer 5/16 S. 101). Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sind alle potentiell härtefallbegründenden Aspekte zu bewerten. Relevant sind dabei die persönliche Situation des Beschuldigten in der Schweiz und die Bedingungen im Heimatstaat (Busslinger/Übersax, a.a.O., S. 101; Fiolka/Vetterli, Die Landesverweisung nach Art. 66a StGB, plädoyer 5/16 S. 85) sowie die Tatschuld (Fiolka/ Vetterli, a.a.O., S. 87). Ein Härtefall ist jedoch nicht leichthin anzunehmen, da der Strafrichter bei Katalogtaten gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB nur ausnahmsweise von der Landesverweisung absehen darf (Busslinger/Übersax, a.a.O., S. 97). Steht fest, dass die Landesverweisung zu einer schweren persönlichen Härte führen würde, sind sodann die privaten Interessen des Beschuldigten an einem Verbleib in der Schweiz den öffentlichen Interessen an der Landesverweisung, deren Gewicht wesentlich von der Art und Schwere der begangenen Delikte und der Legalprognose abhängt, gegenüberzustellen. Überwiegen die öffentlichen Interessen, muss die Landesverweisung ausgesprochen werden (Busslinger/Übersax,

a.a.O S. 102 ff.).

      1. Der Beschuldigte hat sich der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht und ist Ausländer (Urk. 45 S. 1 f.). Die Voraussetzungen für eine Landesverweisung sind damit grundsätzlich erfüllt. Die Vorinstanz verweist sodann zu Recht darauf, dass der heute 25-jährige Beschuldigte seine Kindheit und Jugend in der Dominikanischen Republik verbrachte bis

        er im Alter von 16 17 Jahren zu seiner Mutter nach Spanien zog. Dort arbeitete er bis zu seinem Wegzug in die Schweiz während zwei Jahren als Kellner. In die Schweiz kam er erst gegen Ende 2014 (Urk. 6/1 S. 2; Urk. 45 S. 2 f.; Prot. II

        S. 6 ff.). Er ist zwar beruflich insofern integriert, als er bis zu seiner Verhaftung als selbständiger Coiffeur in einem Salon in Zürich arbeitete (Urk. 6/1 S. 9;

        Urk. 20.6 S. 2; act. 45 S. 5 f.) und heute sowohl als angestellter Hilfsarbeiter als auch nebenbei als selbständiger Coiffeur einer regelmässigen Arbeit nachgeht (Prot. II S. 12 f.). Mit seinem derzeitigen Einkommen von durchschnittlich zwischen Fr. 5'000.- und Fr. 6'000.ist er dabei wirtschaftlich unabhängig (Prot. II

        S. 13). Eigentliche Wurzeln hat er in der Schweiz bis heute jedoch nicht geschlagen. Er selber bezeichnet als einzige Bindung zur Schweiz seine Freundin, mit welcher er sich verlobt habe (Urk. 45 S. 8; Prot. II S. 10, 14), wobei die Beziehung gemäss dem Beschuldigten erst seit etwas über zwei Jahren bestehe (Prot. II

        S. 10) und seine Freundin zwar hier erwerbstätig, aber ebenfalls dominikanische Staatsbürgerin und gemäss vorliegendem Ausweis erst seit Ende August 2016 in der Schweiz ist (Urk. 45 S. 4, 8; Urk. 19/2/10). Seine Verwandten leben entweder in der Dominikanischen Republik in Spanien (Urk. 20/6 S. 3; Urk. 45 S. 3 ff.; Urk. 47 S. 5; Prot. II S. 7, 9). Auch sein einjähriger Sohn lebt mit dessen Mutter in

        [Stadt in der Dominikanischen Republik] (Prot. II S. 11). Ferner spricht er keine Landessprache. Zwar gab er im Rahmen der Berufungsverhandlung an, sich in deutscher Sprache verständigen zu können, der Besuch eines Sprachkurses steht jedoch noch aus (Prot. II S. 12) und anlässlich der Berufungsverhandlung machte er nicht den Eindruck, auch nur ein Wort in Deutsch (wie z.B. die Frage nach seinem Namen) zu verstehen. Der Beschuldigte verfügt folglich nicht über nennenswerte Bindungen zur Schweiz, während er in Spanien (und der Dominikanischen Republik) kulturell und sozial integriert ist. Die Vergangenheit zeigt zudem, dass der Aufbau einer beruflichen Existenz dem Beschuldigten auch in Spanien möglich ist. Dass er bei einer Reintegration in seinem Heimatland, das er erst vor nicht einmal vier Jahren verlassen hat, auf unüberwindbare Hindernisse stossen wird, ist folglich nicht anzunehmen. Die mit der Ausweisung aus der Schweiz für den Beschuldigten verbundenen Nachteile halten sich damit in engen bzw. zumutbaren Grenzen. Ein grobes Missverhältnis zwischen den mit der Ausweisung für den Beschuldigten verbundenen Nachteilen und seiner Tatschuld besteht ebenfalls nicht. Zwar sind beim Beschuldigten angesichts des bestehenden unbefristeten Anstellungsverhältnisses, der Heiratspläne sowie des Vorhabens, Sprachkurse zu besuchen, wovon er im Rahmen der Berufungsverhandlung berichtete (Prot. II S. 10, 15 f.), durchaus Integrationsabsichten zu erkennen. Eine Landesverweisung bewirkt für ihn vor diesem Hintergrund dennoch keinen schweren persönlichen Härtefall. Eine Abwägung der privaten Interessen des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz und der öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung erübrigt sich. Es besteht von vornherein kein Raum, um in Anwendung der Kannvorschrift von Art. 66a Abs. 2 StGB von einer Landesverweisung abzusehen.

      2. Dass die Voraussetzungen gemäss Art. 66a StGB für eine Landesverweisung im konkreten Fall gegeben sind, stellt denn auch die Verteidigung nicht in Frage (Urk. 69 S. 2 ff.). Sie macht aber geltend, dass sich der Beschuldigte als spanischer Staatsangehöriger und selbständiger Coiffeur bzw. als angestellter auf das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der Europäischen Union (EU) berufen könne, welches eine Landesverweisung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulasse. Das FZA gehe dem Landesrecht vor. Die Vorinstanz wende die vom Bundesgericht statuierte Gegenausnahme zur Schubert-Praxis zu Unrecht nicht an. Da das FZA zur Anwendung gelange, fielen die Voraussetzungen von Art. 66a StGB ausser Betracht. Insbesondere sei nicht zu prüfen, ob ein Härtefall nach Abs. 2 der genannten Bestimmung vorliege. Zu prüfen sei dagegen, ob die Voraussetzungen von Art. 5 Anhang I FZA gegeben seien. Lediglich bei Erfüllung dieser Voraussetzungen dürfte eine Landesverweisung angeordnet werden. Gemäss dieser Bestimmung dürfe die Freizügigkeit nur eingeschränkt werden, wenn die öffentliche Ordnung, die Sicherheit die Gesundheit konkret und anhaltend schwer gefährdet seien, wobei eine Einzelfallprüfung zu erfolgen habe. Die Vorinstanz stelle dem Beschuldigten eine günstige Legalprognose. Der Beschuldigte weise zudem keine Vorstrafen auf und aus dem zurückgezogenen Anklagesachverhalt dürfe nichts zu dessen Ungunsten abgeleitet werden. Im vorliegenden Fall sei eine Landesverweisung daher nicht mit Art. 5 Anhang I FZA vereinbar (Urk. 61; Urk. 69 S. 2 ff.).

    1. Das FZA (SR 0.142.112.681) berechtigt den als selbständiger Coiffeur bzw. als angestellter tätigen Beschuldigten als Bürger eines Mitgliedstaates der EU (Spanien) grundsätzlich zum Aufenthalt und zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz (Art. 1 lit. a und Art. 4 FZA, Art. 12 ff. Anh. I FZA). Gemäss Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA dürfen diese Rechte nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden. Weitere Präzisierungen finden sich vor allem in der Richtlinie 64/221/EWG. Durch den Vorbehalt soll den Vertragsstaaten erlaubt werden, zum Schutz anerkannter Rechtsgüter Massnahmen gegenüber Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten zu treffen, die sie bei ihren eigenen Staatsangehörigen nicht anwenden können, da sie nicht befugt sind, diese aus dem nationalen Hoheitsgebiet zu entfernen ihnen die Einreise dorthin zu untersagen (BGE 130 II 176 E. 3.1). Eine Landesverweisung stellt eine solche Massnahme dar.

    2. Ob eine Beschränkung des freizügigkeitsrechtlichen Aufenthaltsanspruchs zulässig ist, bestimmt sich gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 5 Anhang I FZA, welche im Grundsatz derjenigen des EuGH folgt (BGE 136 II 5 E. 3.4), wesentlich nach einer Prognose künftigen Wohlverhaltens. Verlangt ist eine nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die ausländische Person künftig die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird, wobei u.a. Drogenhandel als schwerwiegende Rechtsgutverletzung gilt (BGE 2C_831/2016 E. 3.2.1; BGE 2C.406/2014 E. 2.3 und 4.2; BGE 139 II 121 E. 6.3; BGE 2C_238/2012 E. 2.3;

BGE 2A.749/2004 E. 4.1; BGE 130 II 176 E. 3.4.1; BGE 129 II 215 E. 7.4). Die

Vorinstanz bringt mit der unangefochtenen Gewährung des bedingten Vollzugs der Freiheitsstrafe zum Ausdruck, dass sich der Beschuldigte aller Voraussicht nach bewähren wird (Urk. 60 S. 14 ff.). In Anbetracht dessen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten in der Zwischenzeit eher noch weiter stabilisiert haben, ist diese Prognose nicht in Zweifel zu ziehen. Die Verteidigung weist vor diesem Hintergrund zu Recht daraufhin, dass die dem Beschuldigten von der Vorinstanz zutreffend gestellte günstige Legalprognose einer Ausweisung gemäss FZA entgegensteht.

4.1 Das Ergebnis des Verfahrens hängt damit von der Klärung der Frage des Verhältnisses von Art. 66a StGB und dem FZA ab, zumal eine Koordination mittels völkerrechtskonformer Handhabung des Landesverweisungsrechts ausser Betracht fällt. Zwar wäre es grundsätzlich denkbar, die Härtefallprüfung so auszugestalten, dass die vom FZA geforderte Betonung der von der straffälligen Person ausgehenden künftigen Gefährdung für Beschuldigte, die gemäss FZA in der Schweiz leben und arbeiten dürfen, Berücksichtigung finden könnte. Dies würde jedoch der Grundidee von Art. 66a StGB zuwider laufen. Die Bestimmung postuliert beim Vorliegen einer Katalogtat die Erforderlichkeit einer Landesverweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit für alle Ausländer ohne weiteres und lässt nur eine beschränkte Prüfung der Verhältnismässigkeit unter Berücksichtigung tatsächlicher enger Bindungen zur Schweiz zu.

      1. Das Verhältnis von Art. 66a StGB und dem FZA wurde von der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts noch nicht geklärt. Ob die Erwägungen der

        II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts zum Vorrang des FZA in BGE 142 II 35 mehr als ein obiter dictum darstellen, ist umstritten (Burri/Priuli, Landesverweisung und Freizügigkeitsabkommen, AJP 2017 S. 886, S. 891 mit Hinweisen; vgl. auch Robert Baumann, Die Tragweite der Schubert-Praxis, AJP 2010 S. 1009, S. 1010 ff.).

      2. Gemäss der mit BGE 99 Ib 39 begründeten Schubert-Praxis geht das Völkerrecht Bundesgesetzen im Konfliktfall vor, seien diese jünger älter. Hat sich aber die Bundesversammlung mit den völkerrechtswidrigen Auswirkungen eines Bundesgesetzes auseinandergesetzt, ist dieses für das Bundesgericht aufgrund von Art. 190 BV verbindlich. Es hat das Bundesgesetz anzuwenden. Die Schubert-Praxis wurde vom Bundesgericht bis heute nicht aufgegeben. Sie wurde in der Doktrin unterschiedlich aufgenommen. Während sie bei einem Teil der Lehre auf Kritik stiess, erfuhr sie von anderer Seite im Grundsatz Zustimmung. Zugunsten der Schubert-Praxis wurde einerseits argumentiert, das Völkerrecht schreibe zwar vor, dass die Staaten die sie bindenden völkerrechtlichen Verträge nicht verletzten dürften, dies aber unter Inkaufnahme der entsprechenden Konsequenzen tun könnten zur Weiterentwicklung der völkerrechtlichen Beziehun-

        gen u. U. gar tun müssten. Andererseits wurde die «Schubert-Praxis» als Ausfluss des Gewaltenteilungsgrundsatzes im Sinne einer Political-Question-Doktrin befürwortet, wonach das Bundesgericht seine Kognition bei Fragen von vorwiegend politischem Charakter zurückzunehmen habe (Schindler/ Tschumi, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Auflage, 2014, Art. 5 N. 80 mit Hinweisen; vgl. auch Robert Baumann, Die Tragweite der Schubert-Praxis, AJP 2010 S. 1009,

        S. 1016; Astrid Epiney, Auslegung und Verhältnis des Freizügigkeitsabkommens zum nationalen Recht, in: Jusletter 14. März 2016, S. 14). Der Lehre, welche der Schubert-Praxis zustimmt, ist zu folgen.

      3. Die Gesetzgebung zur Landesverweisung ist das Ergebnis heftiger politischer Auseinandersetzungen im Rahmen des Abstimmungskampfes über die Ausschaffungsinitiative und des darauf folgenden Gesetzgebungsprozesses, die sich von Beginn an wesentlich um die Einbettung von Normen über die Ausschaffung krimineller Ausländer in das verfassungsrechtliche Gesamtgefüge einschliesslich des Verhältnisses zu bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen drehten. Der Bundesrat wies schon in seiner Botschaft zur Volksinitiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative) vom 24. Juni 2009 darauf hin, dass das Volksbegehren welches allerdings noch keine Härtefallklausel enthielt insbesondere mit dem FZA nicht vereinbar sei (BBl 2009 5112). Nachdem Volk und Stände die Initiative angenommen hatten, monierte der Bundesrat dies in der Botschaft zur Umsetzung der Initiative erneut (BBl 2013 6059). Im Parlament blieb sowohl ein Vorbehalt zugunsten internationaler Verpflichtungen betreffend Personenfreizügigkeit als auch ein solcher zugunsten innerstaatlichen Rechts chancenlos. Die Härtefallklausel sollte stattdessen dem in der Bundesverfassung verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip zum Durchbruch verhelfen bzw. gröbste Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien des Völkerrechts und stossende Entscheide in Ausnahmefällen verhindern (vgl. Protokoll der Ratsdebatten). Dass auch mit der Härtefallklausel die Verpflichtungen gemäss FZA nicht in jedem Fall würden eingehalten werden können, war dabei stets ein offenes Geheimnis. Mit den nun geltenden Bestimmungen über die Landesverweisung nahm der Gesetzgeber (Volk und Stände/Bundesversammlung) somit einen

        allfällig resultierenden Konflikt mit dem FZA bzw. die Verletzung der daraus resultierenden Ansprüchen von EU-Ausländern im Einzelfall bewusst in Kauf. Der Schubert-Praxis folgend gehen sie dem FZA daher vor.

      4. In BGE 142 II 35 stellte das Bundesgericht unter Hinweis auf BGE 133 V 367 in Aussicht, dass es dem FZA im Fall eines durch die Ausführungsgesetzgebung zu Art. 121a BV bewirkten tatsächlichen Normenkonflikts Vorrang vor innerstaatlichen Regelungen geben werde. Es argumentiert, dass das FZA durch Annahme in einer Volksabstimmung demokratisch legitimiert sei, dieses den unter das Abkommen fallenden Personen gerichtlichen Rechtsschutz garantiere, was toter Buchstabe bliebe, wenn die Gerichte abweichendes nationales Recht anwenden müssten, und schliesslich, dass die Vertragsstaaten der EU einerseits verpflichtet seien, dem Abkommen den Vorrang gegenüber ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht zu geben. Beim FZA gehe es über die Realisierung der teilweise übernommenen Grundfreiheiten um eine Angleichung der Rechtsordnung, welche für die EU-Mitgliedstaaten ihrerseits direkt anwendbar sei und für welche kraft Unionsrecht der Vorrang der Rechtsordnung ebenfalls Geltung habe (BGE 142 II 35 E. 3.2). Das ist alles richtig. Ausserdem haben die Bilateralen Abkommen für die Schweiz eine grosse wirtschaftliche Bedeutung. Das hebt das FZA aber (auch wertungsmässig) nicht auf die Ebene zwingenden Völkerrechts, dessen unbedingte Geltung sich auch aus der Bundesverfassung ergibt (Art. 139 Abs. 3 BV; Art. 193 Abs. 4 BV; Art. 194 Abs. 2 BV), und der Menschenrechtsgarantien der EMRK, denen als zentrale Grundwerte der Rechtsordnung auch gegen den Willen des Gesetzgebers zum Durchbruch verholfen werden muss.

4.3 Der Schubert-Praxis folgend bleibt es im konkreten Fall folglich bei der Anwendung von Art. 66a StGB.

5. Was die Dauer der Landesverweisung betrifft, ist mit der Vorinstanz zu berücksichtigen, dass das Verschulden des Beschuldigten im Rahmen der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zwar nicht besonders schwer wiegt, es sich aber auch nicht im untersten Bereich bewegt. Bei dieser Ausgangslage erscheint die von der Vorinstanz auf sieben Jahre angesetzte Verweisung vom Gebiet der Schweiz als angemessen.

III.

  1. Ausgangsgemäss sind die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren dem Beschuldigten aufzuerlegen. Von der Pflicht zur Kostentragung ausgenommen sind die Kosten für die amtliche Verteidigung, welche unter Vorbehalt der Rückzahlungspflicht des Beschuldigten auf die Gerichtskasse zu nehmen sind

    (Art. 426 Abs. 1 StPO; Art. 135 Abs. 4 StPO).

  2. Der amtliche Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt Dr. iur. X1. , ist für seine Bemühungen im Berufungsverfahren mit Fr. 2'600.- (inkl. MwSt.) aus der Gerichtskasse zu entschädigen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 2. Abteilung, vom 11. Oktober 2017 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Schuldspruch),

    2 (Teilrückzug der Anklage), 3 und 4 (Strafe und Strafvollzug), 6 bis 17 (Verwendung beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte) sowie 18 und 19 (Kostendispositiv) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte wird im Sinne von Art. 66a StGB für die Dauer von 7 Jahren aus dem Gebiet der Schweiz verwiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 2'000.- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 2'600.amtliche Verteidigung

  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der

    amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt vorbehalten.

  4. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (versandt)

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich (versandt, vorab per Fax) sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz (mit dem Ersuchen um Vornahme der der notwendigen Mitteilungen an die Lagerbehörden sowie an die Herausgabeberechtigten betreffend Beschlussdispositivziffer 1)

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Löschung des DNA-Profils

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.

  5. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 6. April 2018

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw Höchli

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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