Zusammenfassung des Urteils SB170424: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, hat am 15. März 2018 in einem Fall der groben Verletzung der Verkehrsregeln entschieden. Die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis war die Anklägerin und Berufungsklägerin, während A. der beschuldigte und Berufungsbeklagte war. A. wurde schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 180.- sowie einer Busse von CHF 500.- bestraft. Die Kosten des Verfahrens wurden A. auferlegt. Der Richter war lic. iur. R. Naef, die Gerichtsschreiberin lic. iur. N. Anner.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB170424 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 15.03.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Grobe Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Verkehr; Verkehrs; Beschuldigten; Berufung; Licht; Lichtsignal; Verkehrsregel; Urteil; Recht; Geldstrafe; Täter; Busse; Rotlicht; Staatsanwalt; Verletzung; Kreuzung; Staatsanwaltschaft; Albis; Sinne; Gefährdung; Bundesgericht; Limmattal; Verkehrsregeln; Sekunden; Verschulden; Tagessätze; Vorinstanz; Verteidigung |
Rechtsnorm: | Art. 106 StGB ;Art. 16b SVG ;Art. 16c SVG ;Art. 2 StGB ;Art. 27 SVG ;Art. 34 StGB ;Art. 399 StPO ;Art. 40 StGB ;Art. 404 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 44 StGB ;Art. 45 StGB ;Art. 47 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 118 IV 285; 123 IV 88; 130 IV 32; 131 IV 133; 134 IV 1; 134 IV 60; 135 II 138; 142 IV 93; |
Kommentar: | Donatsch, Heim, Weder, Heimgartner, Isenring, 20. Aufl., Zürich, Art. 2 StGB, 2018 Keller, Basler Kommentar Strafrecht I, Art. 1; Art. 47 StGB, 2013 Philippe Weissenberger, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, Art. 90 OBG SVG, 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB170424-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. B. Gut und Oberrichterin lic. iur. R. Affolter sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. N. Anner
Urteil vom 15. März 2018
in Sachen
vertreten durch Stv. Leitenden Staatsanwalt lic. iur. R. Michel,
Anklägerin und Berufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und Berufungsbeklagter verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. X.
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 21. März 2017 (Urk. 18) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz :
(Urk. 38 S. 14 f.)
Das Einzelgericht erkennt
Der Beschuldigte A. ist schuldig der einfac hen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 100 Ziff. 1 SVG und Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 1bis SSV.
Der Beschuldigte A. wird bestraft mit einer Busse von Fr. 7'000.-.
Die Busse ist zu bezahlen.
Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'500.- ; die weiteren Kosten betragen:
W ird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, ermäs sigt sich die Entscheidgebühr auf zwei Drittel.
Die Kosten gemäss vorstehender Ziffer 5 werden dem Beschuldigten auferlegt.
(Mitteilungen)
(Rechtsmittel).
Berufungsanträge:
(Prot. II S. 4 f.)
Der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis (Urk. 50 S. 1):
Der Beschuldigte sei der groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 und Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 68 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1 bis SSV schuldig zu sprechen.
Der Beschuldigte sei mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu CHF 180.- (entsprechend CHF 1'800.-) sowie einer Busse von CHF 500.zu bestrafen.
Es sei dem Beschuldigten der bedingte Vollzug der Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von 3 Jahren zu gewähren.
Es sei dem Beschuldigten eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse anzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Der Verteidigung des Beschuldigten (Urk. 51 S. 1):
Die Berufung sei abzuweisen und das erstinstanzliche Urteil vom
30. Mai 2017, Ziffer 1 des Dispositivs, sei zu bestätigen.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.
Erwägungen:
Prozessgeschichte
Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 38 S. 2 f.).
Mit dem eingangs im Dispositiv wiedergegebenen Urteil des Bezirksgerichts
Affoltern vom 30. Mai 2017 wurde der Beschuldigte A.
der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 SVG und Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 68 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1bis der Signalisationsverordnung (SSV) schuldig gesprochen. Das Gericht bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 7'000.- (Urk. 38 S. 14).
Gegen dieses Urteil meldete die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis mit Eingabe vom 6. Juni 2017 rechtzeitig Berufung an (Urk. 30-31). Das begründete Urteil (Urk. 35) wurde der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung des Beschuldigten je am 18. Oktober 2017 zugestellt (Urk. 36-37).
Die Berufungserklärung der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom
31. Oktober 2017 ging ebenfalls innert gesetzlicher Frist ein (Art. 399 Abs.1 StPO; Urk. 40). Darin beantragte die Berufungsklägerin im Wesentlichen einen Schuldspruch wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln. Sodann sei der Beschuldigte mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 330.sowie mit einer Busse von Fr. 800.zu bestrafen (Urk. 40 S. 3).
Mit Präsidialverfügung vom 1. November 2017 wurde dem Beschuldigten eine Kopie der Berufungserklärung zugestellt und Frist angesetzt, um zu erklären, ob Anschlussberufung erhoben werde, um ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschuldigten aufgegeben, das ihm zugestellte Datenerfassungsblatt auszufüllen und verschiedene Unterlagen betreffend seine finanziellen Verhältnisse einzureichen (Urk. 42). Innert Frist liess
der Beschuldigte mit Eingabe vom 23. November 2017 mitteilen, er verzichte auf die Erhebung von Anschlussberufung (Urk. 44). Ausserdem reichte er das Datenerfassungsblatt samt Beilagen zu seinen finanziellen Verhältnissen ein (Urk. 46/1-5). Bereits am 26. Oktober 2017 war überdies ein aktueller Strafregisterauszug über den Beschuldigten eingeholt worden (Urk. 39), welcher mit den bereits bei den Akten liegenden (Urk. 5/4; Urk. 14/1) inhaltlich übereinstimmt.
Zur heutigen Berufungsverhandlung erschienen der stellvertretende Leitende Staatsanwalt, lic. iur. R. Michel, als Vertreter der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis sowie der Beschuldigte in Begleitung seiner erbetenen Verteidigerin,
Rechtsanwältin lic. iur. X.
(Prot. II S. 4). Die Berufungsklägerin passte ihre
Anträge dahingehend an, dass sie die Tagessatzhöhe auf Fr. 180.- und die Busse auf Fr. 500.herabsetzte (Urk. 50 S. 1). Von der Verteidigung wurde die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt (Urk. 51 S. 1). Beweisanträge wurden im Berufungsverfahren nicht gestellt (Urk. 40; Prot. II S. 5 f.).
Umfang der Berufung
Gemäss Berufungserklärung der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom
31. Oktober 2017 wurde die Berufung nicht beschränkt (Urk. 40 S. 1). Demnach ist das vorinstanzliche Urteil im Berufungsverfahren vollumfänglich angefochten und in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen (vgl. Art. 404 StPO; Prot. II S. 5).
1. In der Anklageschrift wird dem Beschuldigten vorgeworfen, er sei am
27. April 2016 um ca. 05.15 Uhr als Lenker des Personenwagens der Marke Porsche Cayenne (Kontrollschilder ZH ) auf der Muristrasse in Obfelden in Richtung Mettmenstetten gefahren. Bei der Kreuzung mit der Autobahnausfahrt Affoltern am Albis der A1 [recte: A4] (Fahrbahn Richtung Zürich (Koordinaten 267 005 I 123 590) habe er aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit das für ihn seit 4,6 Sekunden auf Rot stehende Lichtsignal missachtet. Durch diese Rotlicht-
missachtung habe A.
eine Gefahr geschaffen für die anderen, korrekt die
Kreuzung passierenden Verkehrsteilnehmer, welche auf das in ihrer Fahrtrichtung Grün anzeigende Lichtsignal vertrauen durften und nicht mit einem das Rotlicht passierenden Verkehrsteilnehmer rechnen mussten. Vorliegend habe sich die Gefährdung konkretisiert, indem A.
in der Folge mit dem auf der Muristrasse
von der Autobahn herkommenden und korrekt bei Grün die Kreuzung überfahrenden Personenwagen der Marke Hyundai (Kontrollschilder AG ), von B. , kollidiert sei. Hätte der Beschuldigte das seit 4,6 Sekunden auf Rot stehende Lichtsignal beachtet und hätte er die nötige Aufmerksamkeit walten lassen, wie es als auf eine Lichtsignalanlage zufahrender Autolenker seine Pflicht gewesen wäre, so hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindern können, dass es zur Kollision mit dem von B.
gelenkten Fahrzeug
gekommen wäre. Dabei sei es für den Beschuldigten voraussehbar gewesen, dass das Missachten des auf Rot stehenden Lichtsignals zu einer Kollision führen könne (Urk. 18 S. 2 f.).
Der Beschuldigte hat den Sachverhalt gemäss Anklageschrift vom 21. März 2017 bereits in der Untersuchung (Urk. 2 S. 1 f.; Urk. 9 S. 8) und vor Vorinstanz (Urk. 27 S. 6) sowie auch heute wieder (Urk. 49 S. 7 ff.) vollständig anerkannt.
Der Sachverhalt ist vorliegend unbestritten. Entsprechend ist für die rechtliche Würdigung vom Sachverhalt gemäss Anklageschrift auszugehen.
Die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis qualifiziert das Verhalten des Beschuldigten als grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG, währenddem die Vorinstanz in Übereinstimmung mit der Verteidigung von einer leichten Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG ausgeht. Die Verteidigung sieht in der Rotlichtmissachtung des Beschuldigten eine mittelschwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16b SVG (Urk. 28 S. 1 ff.).
Die einfache Verkehrsregelverletzung wird als Übertretung mit Busse bestraft (Art. 90 Abs. 1 SVG). Wer dagegen durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf
nimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft (Art. 90 Abs. 2 SVG). Der Grenzverlauf zwischen Abs. 1 und Abs. 2 von Art. 90 SVG ergibt sich insbesondere aus den Voraussetzungen für eine Qualifikation einer Verkehrsregelverletzung als grob (Philippe Weissenberger, Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2014 Art. 90 N 54). Leichte und mittelschwere Widerhandlungen gemäss Art. 16a und 16b SVG werden von Art. 90 Abs. 1 SVG als einfache Verkehrsregelverletzungen erfasst (BGE 135 II 138 E 2.4). Demgegenüber kommt die schwere Widerhandlung gemäss Art. 16c SVG einer groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG gleich. Eine mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b SVG ist gegeben, wenn das Verschulden gross, die Gefährdung aber gering umgekehrt das Verschulden gering und die Gefährdung gross ist (Botschaft vom
31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 1999 4489; BGE 135 II 138 E. 2.2.3). Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug (Art. 16a-c SVG) und die strafrechtlichen Sanktionen (Art. 90 SVG) stimmen allerdings trotz Parallelen nicht vollständig überein. Während die Strafnorm von Art. 90 SVG das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers legt und eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt verlangt, stellen die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG stärker gar ausschliesslich auf die objektive Gefährdung des Verkehrs ab. (Weissenberger, a.a.O., Art. 90 N 56).
Objektiver Tatbestand
In objektiver Hinsicht setzt die Annahme einer schweren Widerhandlung bzw. einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG voraus, dass eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und dadurch die Verkehrssicherheit ernsthaft gefährdet wurde. Dabei genügt eine erhöhte abstrakte Gefährdung. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung. Die allgemeine Möglichkeit der Verwirklichung einer Gefahr genügt demnach nur zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 90 Abs. 2 SVG, wenn in Anbetracht der Umstände der Eintritt einer konkreten Gefährdung gar einer Verletzung naheliegt
(BGE 142 IV 93 E. 3.1; BGE 131 IV 133 E. 3.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_127/2017 vom 23. Juni 2017 E. 3.2; je mit Hinweisen).
Gemäss Art. 27 Abs. 1 SVG sind Signale und Markierungen sowie Weisungen der Polizei zu beachten. Nach Art. 68 Abs. 1 SSV gehen Lichtsignale den allgemeinen Vortrittsregeln, den Vortrittssignalen und Markierungen vor. Rotes
Licht bedeutet Halt (Art. 68 Abs. 1bis SSV). Nach Art. 100 Ziff. 1 SVG ist auch die
fahrlässige Handlung strafbar, sofern es nicht ausdrücklich anders bestimmt ist.
Vorliegend ist unbestritten, dass der Beschuldigte diese für die Gewährleistung der Sicherheit im Strassenverkehr elementaren Bestimmungen verletzt hat (Urk. 28 S. 3 Abs. 1; Urk. 51 S. 2). Die durch die Missachtung des Rotlichts geschaffene Gefahr konkretisierte sich zudem auch in einer Kollision mit dem Fahrzeug von B. , wobei nicht unerheblicher Sachschaden an beiden Fahrzeugen entstand (Urk. 1 S. 1 f.). Es kann sodann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 38 S. 4 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der objektive Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG ist vorliegend klar erfüllt.
Subjektiver Tatbestand
Zu prüfen ist, wie das Verhalten des Beschuldigten in subjektiver Hinsicht einzustufen ist. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG ein rücksichtsloses sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden, bei fahrlässiger Begehung mindestens grobe Fahrlässigkeit (BGE 131 IV 133 E. 3.2; BGE 123 IV 88 E. 2a und 4a; BGE 118 IV 285 E. 4;
je mit Hinweisen).
Die Vorinstanz hat sowohl die Argumentation der Verteidigung als auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Rotlichtmissachtung ausführlich dargelegt (Urk. 38 S. 5 f.; Art. 82 Abs. 4 StPO). In ihrer Würdigung kam sie zusammengefasst zum Schluss, dass der Beschuldigte das Rotlichtsignal schlicht übersehen und damit unbewusst fahrlässig gehandelt habe. Die Unaufmerksamkeit des Beschuldigten wiege angesichts der verhältnismässig ruhigen Verkehrslage aber auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht besonders schwer und
müsse als momentan bezeichnet werden. Es würden sich vorliegend keine Hinweise finden lassen, die darauf schliessen liessen, dass der Beschuldigte aufgrund eines besonders rücksichtslosen Verhaltens bzw. besonderer Gleichgültigkeit das Lichtsignal missachtet hätte (Urk. 38 S. 9 f.).
Die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis bringt dagegen vor, die pflichtwidrige Unaufmerksamkeit des Beschuldigten wiege sehr wohl schwer und sei damit als grobfahrlässig zu beurteilen. Wer mit seinem Fahrzeug eine mit einer Lichtsignalanlage gesicherte Kreuzung passiere, habe seine Aufmerksamkeit ungeachtet der Tageszeit stets voll auf die Lichtsignalanlage und das Verkehrsgeschehen zu richten, was für den Beschuldigten umso mehr gelte, als die fragliche Kreuzung auch gemäss Vorinstanz eher unübersichtlich sei (Urk. 40 S. 2; Urk. 50 S. 3 f.).
Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt (Urk. 38 S. 6 f.), ist grobfahrlässiges Verhalten immer dann zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt. In solchen Fällen bedarf jedoch die Annahme grober Fahrlässigkeit einer sorgfältigen Prüfung (BGE 130 IV 32 E. 5.1; BGE 123 IV 88 E. 4a). Sie wird nur zu bejahen sein, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ebenfalls auf Rücksichtslosigkeit beruht und daher besonders vorwerfbar ist (BGE 131 IV 133 E. 3.2; BGE 118 IV 285 E. 4). Mit dem Begriff der Rücksichtslosigkeit wird ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern umschrieben, das nicht nur im bewussten Sich-hinwegsetzen, sondern auch im blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen liegen kann (BGE 131 IV 133 E. 3.2; Urteil des Bundesgerichts 6S.100/2004 vom
29. Juli 2004, E. 3.1). Die Annahme von Rücksichtslosigkeit im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG ist restriktiv zu handhaben, weshalb nicht unbesehen von einer objektiven auf eine subjektiv schwere Verkehrsregelverletzung geschlossen werden darf. Nicht jede Unaufmerksamkeit, die wegen der Schwere des Erfolgs objektiv
als gravierende Verletzung der Vorsichtspflicht zu betrachten ist, wiegt auch subjektiv schwer (BGE 142 IV 93 E. 3.1).
Anzufügen ist, dass das Bundesgericht in verschiedenen Entscheiden festhielt, dass aufgrund der gesamten Umstände zu ermitteln sei, ob das Übersehen eines Signals auf Rücksichtslosigkeit beruhe nicht. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiege, desto eher sei Rücksichtslosigkeit zu bejahen, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen würden (BGE 142 IV 93 E. 3.1, mit Hinweisen).
Der Beschuldigte war frühmorgens mit seinem Fahrzeug auf dem Weg zur Arbeit. Er fuhr von Zürich herkommend auf der Autobahn A4 in Richtung Zug/Luzern und verliess um ca. 05.15 Uhr die Autobahn bei der Ausfahrt Affoltern am Albis, wobei er am ersten Lichtsignal nach der Ausfahrt anhielt, weil es auf Rot stand. Nachdem es auf Grün gewechselt hatte, bog er links in Richtung Mettmenstetten auf die Muristrasse ein und fuhr gemäss eigenen Aussagen mit einer Geschwindigkeit von rund 50 km/h weiter. Als er etwa unter dem nächsten Lichtsignal angekommen war, realisierte er, dass es auf Rot stand und leitete eine Bremsung ein. Gleichzeitig sah er, dass von rechts, d.h. von der Autobahnausfahrt aus der Richtung Zug/Luzern ein Auto kam. Trotz der vom Beschuldigten eingeleiteten Bremsung kam es zur Kollision mit diesem Fahrzeug (Urk. 2 S. 2; Urk. 9 S. 2; Urk. 27 S. 4 f.; Urk. 49 S. 7 ff.). Der Beschuldigte erklärte, dass er diese Kreuzung relativ häufig, d.h. zweibis dreimal pro Woche befahre (Urk. 27
S. 5; Urk. 49 S. 10). Während des Tages sei das Verkehrsaufkommen relativ hoch, so früh am Morgen habe es wenig Verkehr gehabt (Urk. 9 S. 3 f.).
An der Unfallstelle wird die Muristrasse in Richtung Mettmenstetten doppelspurig (eine Spur geradeaus und eine zum Autobahn-Zubringer Richtung Zürich) und in Richtung Obfelden sogar dreispurig (zwei Spuren geradeaus und eine zum Autobahn-Zubringer Richtung Zürich) geführt. Von der Fahrtrichtung des Beschuldigten aus gesehen, münden zudem rechts je eine Abzweigespur von der Autobahn aus Zug/Luzern in beide Fahrtrichtungen der Muristrasse ein (Urk. 10/2 Anhang 2). Sodann hat es an der Muristrasse nicht nur eine Lichtsignalanlage am Unfallort, sondern mehrere (mindestens eine davor und eine danach) bei den wei-
teren, aufeinander folgenden Kreuzungen (Urk. 4 S. 1). Die konkrete Kreuzungsund Verkehrssituation, eine offensichtlich auch ausserhalb der Stosszeiten bzw. bei spärlichem Verkehrsaufkommen in Randstunden - durch eine geschaltete Lichtsignalanlage geregelte Kreuzung, hätte eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit des Beschuldigten verlangt. Der Beschuldigte beschrieb die Kreuzung selbst als durch die beidseitigen hohen Mauern unübersichtlich. Je nachdem wo man sich auf der Brücke, welche in Richtung Mettmenstetten eine kleine Rechtskurve beinhalte, befinde, sehe man bis zu acht Ampeln bzw. fast einen LichtsignalWald (Urk. 9 S. 3; Urk. 49 S. 10).
Beim Beschuldigten handelt es sich um einen erfahrenen, ortskundigen Autofahrer. Die Kreuzung ist ihm bestens bekannt, es handelt sich um seinen normalen Arbeitsweg. Er legt die Strecke zweibis dreimal pro Woche zurück (Urk. 9
S. 3; Urk. 27 S. 5; Urk. 49 S. 10). Am Unfalltag fuhr er mit rund 50 km/h auf die Kreuzung zu. Seine Geschwindigkeit war entsprechend nicht übersetzt. Vorliegend dauerte die Rotlichtphase bereits 4,6 Sekunden, als der Beschuldigte sich auf Höhe des Lichtsignals befand und das Rotlicht bemerkte (Urk. 10/2 S. 2 und Anhang 1). Das bedeutet, dass er 50 bis 60 Meter vom Lichtsignal entfernt war, als es auf Rot umschaltete, wobei er auf der ganzen Fahrstrecke bis zum Lichtsignal nicht realisierte, dass dieses auf Rot stand. Das spricht für grössere Unaufmerksamkeit. Der Rotphase von 4,6 Sekunden ging sodann eine Gelbphase von weiteren 4 Sekunden voraus (Urk. 10/2 S. 2). Der Beschuldigte bog allerdings erst etwas mehr als 70 Meter vor dem Lichtsignal auf die Muristrasse ein (vgl. Anhang 2 zu Urk. 10/2), so dass es ihm noch früher gar nicht möglich gewesen wäre, das Lichtsignal zu sehen. Der Beschuldigte hätte jedoch zweifelsohne während genügend langer Zeit die Gelegenheit gehabt, das Rotlicht wahrzunehmen. Er bemerkte es jedoch erst in dem Moment, als er bereits unmittelbar davor war (Urk. 27 S. 4; Urk. 49 S. 9). Dies zeigt deutlich, dass der Beschuldigte über eine im Strassenverkehr gefährlich lange Zeit von mehreren Sekunden unaufmerksam gewesen sein musste, ansonsten er das Rotlicht bemerkt hätte.
Über die Sichtverhältnisse im Unfallzeitpunkt ist wenig bekannt. Gemäss Polizeirapport war die Witterung bedeckt, es lag keine Beeinträchtigung der Sicht
vor und zu den Lichtverhältnissen wurde Dämmerung vermerkt (Urk. 1 S. 5). Der Beschuldigte erklärte, die Fahrbahn sei leicht feucht gewesen, es habe aber nicht geregnet (Urk. 27 S. 5), allenfalls aber leicht genieselt (Urk. 49 S. 8). Es liegen somit keine Anhaltspunkte vor und wurde auch nicht vorgebracht, dass die Sicht aufgrund von Regen Nebel eingeschränkt gewesen wäre. Indes war es noch etwas dunkel (Urk. 49 S. 10), was allerdings die Sichtbarkeit eines Rotlichts gerade nicht vermindert, sondern eher verstärkt.
Die vom Beschuldigten befahrene rechte Fahrbahn Spur 12 ist zudem mit zwei Ampeln versehen: Einer oberhalb der Fahrbahn und einer auf der rechten Seite (Urk. 4 S. 1). Diese beiden Lichtsignale waren von weitem sichtbar und zeigten seit über vier Sekunden Rot. Zudem standen die beiden Lichtsignale der linken Fahrbahn Linksabbiegespur 18 ebenfalls auf Rot, als der Beschuldigte auf die Kreuzung zufuhr (vgl. Urk. 10/2 S. 2). Damit leuchteten dem Beschuldigten insgesamt vier auf Rot stehende Lichtsignale entgegen. Es ist von jedem Autolenker zu erwarten, dass er in der Lage ist, Lichtsignale zu beachten, indem er seine Aufmerksamkeit auf das unmittelbar vor ihm liegende Verkehrsgeschehen richtet. Die Tatsache, dass der Beschuldigte die aus mehreren Dutzend Metern gut wahrnehmbaren, Rot anzeigenden Ampeln aber gar nicht bemerkte, zeugt von einem besonderen Mass an Unaufmerksamkeit (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6B_331/2008 E. 3.3 vom 10. Oktober 2008).
Besondere Umstände, welche die Rotlichtmissachtung in einem milderen Licht erscheinen lassen (Urteil des Bundesgerichts 6B_661/2016 vom 23. Februar 2017 E. 1.2.1), liegen nicht vor. Insbesondere vermag der Umstand, dass der Beschuldigte umgehend eine Bremsung einleitete, sein vorgängiges Fehlverhalten nicht zu relativieren, denn ein sofortiges Bremsen stellt lediglich die natürliche Reaktion dar, die von jedem Automobilisten erwartet werden darf. In der Einsprache gegen den Strafbefehl (Urk. 8 S. 2) resp. der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme (Urk. 9 S. 5) und auch heute wieder (Urk. 49 S. 10) brachte der Beschuldigte vor, normalerweise habe man auf dieser Strecke eine Grüne Welle. Er konnte jedoch nicht erklären, wieso dies an jenem Morgen anders gewesen sein sollte. Auch aus diesem Vorbringen vermag der Beschuldigte nichts zu sei-
nen Gunsten abzuleiten, denn es ändert nichts am Ausmass seiner Unaufmerksamkeit. Der Beschuldigte selbst kann sich nicht erklären, weshalb er das Rotlicht nicht bemerkte. Er habe sich fit gefühlt und sei weder abgelenkt gewesen, noch habe er am Handy am Radio hantiert (Urk. 27 S. 6; Urk. 49 S. 10). Die Verteidigung brachte anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung vor, es könne nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte eine kurze plötzliche Bewusstseinsstörung, eine sogenannte Synkope, gehabt habe. Wäre dies der Fall gewesen, so würde der Beschuldigte gar keine Schuld tragen. Sie räumte jedoch gleich selbst ein, dass die Vollbremsung des Beschuldigten eine echte Synkope wahrscheinlich ausschliesse (Urk. 51 S. 4). Für eine kurze Bewusstlosigkeit des Beschuldigten bestehen vorliegend keinerlei Anzeichen: Er fuhr korrekt über die Brücke mit der leichten Rechtskurve, ordnete das Fahrzeug in die richtige Fahrspur ein und leitete eine Vollbremsung ein, nachdem er schliesslich das Rotlicht bemerkt hatte. Der Grund seiner Unaufmerksamkeit ist nicht belegbar, doch spielt das vorliegend keine Rolle. Entscheidend ist, dass der Beschuldigte über eine gefährlich lange Zeit von mehreren Sekunden unaufmerksam war.
Bei einer gesamthaften Würdigung der vorerwähnten Umstände kann somit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte bloss einer momentanen Unaufmerksamkeit erlag, wie sie jedem passieren könnte. Eine Unaufmerksamkeit von einigen Sekunden ist im Strassenverkehr bei einer wenig übersichtlichen, fast allseits mit Verkehrsampeln versehenen, nicht geradlinigen Kreuzung und teilweise mehreren Fahrspuren wie hier nicht als mittelschwer, sondern als schwer und damit schwere Widerhandlung zu werten und kann keinesfalls mehr als kurzfristig bzw. als „Augenblicksversagen bezeichnet werden (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichtes 6B_331/2008 E. 2.2 und 3.3 vom
10. Oktober 2008, in welchem die Ampel seit 1-2 Sekunden auf Rot stand, als der
Beschuldigte den Haltebalken überquerte). Das gilt umso mehr, als der Beschuldigte eine ihm vertraute Strecke befuhr. Dass frühmorgens um ca. 05.15 Uhr bloss ein geringes Verkehrsaufkommen herrschte, er nicht mit übersetzter Geschwindigkeit unterwegs war und unverzüglich ein Bremsmanöver einleitete, kann den Beschuldigten nicht entlasten. Vielmehr hat er die im konkreten Fall gebotene erhöhte Aufmerksamkeit nicht erkennen lassen und damit rücksichtslos bzw.
grobfahrlässig im Sinne der vorne zitierten, konstanten einschlägigen Praxis des Bundesgerichts gehandelt, weshalb auch der subjektive Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG erfüllt ist. An der auch subjektiv gravierenden Verletzung der Vorsichtspflicht ändert der Umstand nichts, dass vorliegend von unbewusster Fahrlässigkeit auszugehen ist (BGE 131 IV 133 E. 3.2).
5. Fazit
Der Beschuldigte ist folglich der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 SVG und Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 68 Abs. 1 SSV in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1 bis SSV schuldig zu sprechen.
Strafrahmen
Am 1. Januar 2018 sind die neuen Bestimmungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (Änderungen des Sanktionenrechts) gemäss der Änderung vom 19. Juni 2015 in Kraft getreten (AS 2016 1249). Demnach beträgt eine Geldstrafe neu mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze und ein Tagessatz beträgt in der Regel mindestens Fr. 30.-, wobei eine Senkung auf Fr. 10.möglich ist, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten (Art. 34 Abs. 1 und 2 nStGB). Weiter wurde die Mindestdauer der Freiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt (Art. 40 Abs. 1 nStGB). Der Beschuldigte hat die zu beurteilende Straftat vor dem Inkrafttreten des geänderten Rechts ver- übt. Nach Art. 2 Abs. 1 StGB wird nach den geänderten Bestimmungen nur beurteilt, wer nach dem Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen ein Verbrechen ein Vergehen verübt hat. Nach Art. 2 Abs. 2 StGB ist indes das geänderte Recht auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten verübt worden sind, wenn das geänderte Recht für den Täter milder ist. Ob das geänderte Recht das mildere Recht ist, hat das Gericht nach der konkreten Methode zu ermitteln (Donatsch, in: Donatsch/Heimgartner/Isenring/Weder [Hrsg.], OFK/StGB Kommentar, 20. Aufl., Zürich 2018, Art. 2 N 10).
Die grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG stellt ein Vergehen dar, das mit Freiheitsstrafe bis drei Jahren Geldstrafe bestraft wird.
Insbesondere weil eine Geldstrafe, wie sie vorliegend auszusprechen ist, gegen- über einer kurzen Freiheitsstrafe die mildere Sanktion ist (BGE 134 IV 82
E. 7.2.2), erweist sich das neue Recht für vor dem 1. Januar 2018 begangene
Straftaten, für die eine Strafe von unter 180 Tageseinheiten adäquat erscheint, nicht als milder (Heimgartner, in: OFK/StGB Kommentar, a.a.O., Art. 34 N 7), weshalb vorliegend für die Strafzumessung das alte Recht anwendbar bleibt.
Von Seiten der Staatsanwaltschaft wird eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 180.sowie eine Busse von Fr. 500.beantragt (Urk. 50 S. 1). Die Verteidigung hat im Berufungsverfahren keinen Eventualantrag zum Strafmass für den Fall einer Schuldigsprechung wegen grober Verkehrsregelverletzung gestellt (Urk. 51 S. 1).
Es liegen weder Strafschärfungsnoch Strafmilderungsgründe vor. Im Ergebnis bleibt es demnach beim ordentlichen Strafrahmen.
Strafzumessung skriterie n
Innerhalb des abstrakten Strafrahmens bemisst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters (Art. 47 StGB). Das Verschulden wird einerseits nach objektiven Kriterien (sog. „objektive Tatschwere“), nämlich nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes und nach der Verwerflichkeit des Handelns, und andererseits nach subjektiven Kriterien (sog. „subjektive Tatschwere“), nämlich nach den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Verletzung Gefährdung zu vermeiden. Neben dem Verschulden berücksichtigt das Gericht bei der Strafzumessung das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters (sog. „Täterkomponente“) sowie die Wirkung der Strafe auf sein Leben (Wiprächtiger/Keller, Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1-110 StGB, 3. Auflage, Basel 2013, Art. 47, N 11 ff.).
Für die Beurteilung des Tatverschuldens ist bei Fahrlässigkeitsdelikten in erster Linie massgebend, wie krass der Täter gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verstossen hat: Gleichgültiges, leichtfertiges rücksichtsloses Verhalten wiegt offenkundig schwerer als blosse Unachtsamkeit eine Fehlreaktion, wie sie jedermann gelegentlich unterläuft. Der Grad des Sorgfaltsverstosses hängt dabei, wie die Fahrlässigkeit überhaupt (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 StGB), nicht nur von den äusseren Umständen, sondern auch von den persönlichen Fähigkeiten des Täters ab. Das Verschulden ist umso grösser, je leichter es für ihn gewesen wäre, die Rechtsgutsverletzung zu vermeiden, und umgekehrt (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 6 N 28).
Konkrete Strafzumessung
Tatkomponente
Auch wenn der Beschuldigte das Rotlicht nicht absichtlich missachtete, betrifft sein Tun eine sehr wichtige Verkehrsregel, auf deren jederzeitige Beachtung die anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen dürfen. Die übrigen Verkehrsteilnehmer wurden nicht nur abstrakt erheblich gefährdet, sondern die Gefährdung hat sich durch die Kollision konkretisiert und es ist zu erheblichem Sachschaden an beiden Fahrzeugen gekommen. Zugunsten des Beschuldigten wirkt sich das geringe Verkehrsaufkommen aus, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Kollision nicht besonders hoch war. Bei einer angemessenen Geschwindigkeit von rund 50 km/h achtete der Beschuldigte offenbar über mehrere Dutzend Meter bis hin zur un- übersichtlichen Kreuzung auf keine der beiden für seine Fahrspur angebrachten, gut sichtbaren Ampeln, welche seit 4,6 Sekunden auf Rot standen. Seine Unaufmerksamkeit in einer Situation, bei der eine besondere Aufmerksamkeit gefordert gewesen wäre, war mithin erheblich. Objektiv wiegt das Verschulden des Beschuldigten für die hier zu beurteilende Rotlichtmissachtung infolge mangelnder Aufmerksamkeit innerhalb des Tatbestandes der groben Verletzung der Verkehrsregeln indessen noch als leicht.
Hinsichtlich der subjektiven Tatschwere ist dem Beschuldigten zugute zu halten, dass er lediglich unbewusst fahrlässig handelte. Allerdings wäre es dem Beschuldigten wie jedem anderen Verkehrsteilnehmer ein Leichtes gewesen, die Signalisation zu beachten und sich nach dieser zu richten. Die subjektive Tatschwere vermag die objektive Tatschwere dennoch zu relativieren.
Die Einsatzstrafe ist nach dem Gesagten im untersten Bereich des weiten Strafrahmens auf 12 Tagessätze Geldstrafe festzusetzen.
Täterkomponente
Zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten kann auf die Befragungen zur Person anlässlich der Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft, vor Vorinstanz und an der Berufungsverhandlung sowie auf das Datenerfassungsblatt vom 11. November 2017 und die Beilagen verwiesen werden (Urk. 9 S. 8 ff.; Urk. 27 S. 1 ff.; Urk. 46/1-5; Urk. 49 S. 1 ff.). Daraus ergibt sich, dass der Beschuldigte geschieden ist und zwei Töchter im Alter von 17 und 15 Jahren hat. Beruflich hat er nach einer Lehre als Elektromechaniker einen Bachelor in Elektrotechnik und einen Master in Betriebswirtschaft abgeschlossen.
Seit Februar 2015 ist er bei der Firma C.
AG angestellt, arbeitet jedoch
100% als Projektleiter für die ARGE D. in [Ort]. Er verdient monatlich ca. Fr. 9'600.- netto zuzüglich 13. Monatslohn sowie einem Leistungsund Erfolgsbonus in der Höhe von max. Fr. 10'000.pro Jahr. Sein Vermögen beläuft sich auf ca. Fr. 500'000.-. Gemäss Scheidungsurteil ist er verpflichtet, monatliche Unterhaltszahlungen an seine Ex-Frau sowie die beiden Kinder in der Höhe von insgesamt Fr. 4'700.zu leisten. Der Mietzins seiner Wohnung beträgt Fr. 1'834.-.
Aus dem Werdegang des Beschuldigten und seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich keine strafzumessungsrelevanten Faktoren.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte (Urk. 38 S. 12 Ziff. 3.5.) ist die einschlägige Vorstrafe des Beschuldigten aufgrund Fahrens in fahrunfähigem Zustand und Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs aus dem Jahre 2011 straferhöhend zu berücksichtigen (vgl. Urk. 14/1). Der Beschuldigte hat sich seit diesem Vorfall zwar wohl verhalten, was gemäss Bundesgericht in der Regel aber nicht
als besondere Leistung zu erachten ist (BGer 6B_570/2010, Urteil vom
24. Oktober 2010, E. 2.5; BGer 6B_572/2010, Urteil vom 18. November 2010,
E. 4.4). Hierzu ist zu bemerken, dass die Verfehlung aus dem Jahre 2011 gravierend war, der Beschuldigte jedoch glaubhaft darlegen konnte, dass diese in engem Zusammenhang mit seiner damaligen schwierigen Lebenssituation stand. Zudem handelt es sich beim heute zu beurteilenden Vorfall um kein ähnlich gelagertes Delikt, weshalb die Vorstrafe nicht allzu stark straferhöhend zu werten ist.
Strafmindernd ist das sofortige Geständnis des Beschuldigten, sein kooperatives Verhalten sowie die Einsicht für sein Fehlverhalten zu veranschlagen (Urk. 9 S. 6; Urk. 27 S. 6; Urk. 49 S. 11).
Die Täterkomponente wirkt sich im Ergebnis strafzumessungsneutral aus.
Zwische nfazit
Angesichts des vorerwähnten Strafrahmens, unter Würdigung der genannten Strafzumessungsgründe und gestützt auf die obgenannten Eckwerte erscheint eine Geldstrafe von 12 Tagessätzen als dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen.
Tagessatzhöhe
Wird eine Geldstrafe ausgefällt, bemisst sich die Zahl der Tagessätze entsprechend nach dem Verschulden des Täters (Art. 34 Abs. 1 StGB). Die Höhe des Tagessatzes ist hingegen nach den persönlichen und finanziellen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und soweit er davon lebt - nach seinem Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familienund Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum zu bestimmen. Ein Tagessatz beträgt dabei höchstens Fr. 3'000.- (Art. 34 Abs. 2 StGB). Ausgangspunkt für die Bemessung des Tagessatzes bildet das strafrechtlich relevante Nettoeinkommen, das dem Täter durchschnittlich an einem Tag zufliesst, ganz gleich, aus welcher Quelle die Einkünfte stammen. Abzuziehen ist, was gesetzlich geschuldet ist dem Täter wirtschaftlich nicht zufliesst, so etwa die laufenden Steuern und die obligatorischen Versicherungsbeiträge. Ausserdem ist das Nettoeinkommen um die Unterhaltsund Unterstützungsbeiträge zu reduzieren, soweit der Verurteilte ihnen tatsächlich nachkommt. Nicht zu berücksichtigen sind Schulden und nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in der Regel auch die Wohnkosten (BGE 134 IV 60 E. 6.1.).
Die Nettoeinkünfte des Beschuldigten belaufen sich wie erwähnt auf rund Fr. 11'200.pro Monat. Davon abzuziehen sind die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge in der Höhe von Fr. 4'700.-, die Krankenkassenprämien von Fr. 350.- und die Steuern von Fr. 650.pro Monat, total Fr. 5'700.- (Urk. 46/2
S. 2). So berechnet verbleibt ein Betrag von rund Fr. 5'500.-. Damit resultiert ein
Tagessatz in der Höhe von gerundet Fr. 180.-.
Vollzug, Verbindungsbusse und Ersatzfreiheitsstrafe
Die objektive Voraussetzung zur Gewährung des bedingten Vollzugs der Geldstrafe ist gegeben (Art. 42 Abs. 1 StGB). In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Vollzug nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Dabei wird eine günstige Prognose in dieser Beziehung vermutet (Heimgartner, in: OFK/StGB Kommentar, a.a.O., Art. 42 N 6). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte geständig ist und einsieht, dass er einen Fehler gemacht hat. Anzumerken ist jedoch, dass der Beschuldigte im Strassenverkehr bereits negativ aufgefallen ist, was zur Vorstrafe vom 29. Juli 2011 und zwei Führerausweisentzügen und Auflagen führte (Urk. 5/2; Urk. 39). Allerdings sind diese früheren Vorgänge situationsbedingt zu werten (Urk. 49 S. 6) und nicht mit der heute zu beurteilenden Rotlichtmissachtung vergleichbar. Gestützt auf den erstellten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte fahrlässig handelte und sich entsprechend nicht bewusst über die Vorstrafe hinweggesetzt hat. In persönlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschuldigte seit mehreren Jahren in einer stabilen Arbeitsund Lebenssituation befindet (Urk. 49 S. 3 ff.). Entsprechend lassen es weder die persönlichen Umstände des Beschuldigten noch jene der zu beurteilenden Tat als notwendig erscheinen, heute eine unbedingte Strafe auszusprechen. Aufgrund seiner Vorstrafe ist indes die Probezeit in Anwendung von Art. 44 Abs. 1 StGB auf 3 Jahre festzusetzen.
Gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB kann eine bedingte Strafe mit einer Busse nach Art. 106 StGB kombiniert werden. Diese darf jedoch nicht zu einer Straferhöhung einer zusätzlichen Sanktion führen, sondern soll innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine tat- und täterangemessene Sanktion ermöglichen (BGE 134 IV 1 E 4.5.2; Trechsel/Pieth, a.a.O., Art. 42 N 19).
Im vorliegenden Fall ist die bedingt zu vollziehende Geldstrafe mit einer Busse von Fr. 500.zu kombinieren. Infolgedessen ist die an sich schuldangemessene Gesamtzahl von 12 Tagessätzen auf 10 Tagessätze zu reduzieren. Die Busse ist zu bezahlen. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen festzusetzen.
Fazit
Der Beschuldigte ist mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 180.sowie mit einer Busse von Fr. 500.zu bestrafen.
Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Die Kosten des Berufungsverfahrens sind den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Das erstinstanzliche Kostendispositiv ist bei diesem Verfahrensausgang zu bestätigen.
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'000.festzusetzen. Im Berufungsverfahren unterliegt der Beschuldigte vollumfänglich mit seinen Anträgen. Ausgangsgemäss sind ihm daher sämtliche Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig der fahrlässigen groben Verletzung
der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 100 Ziff. 1 SVG und Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 68 Abs. 1 SSV in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1bis SSV.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 180.sowie mit einer Busse von Fr. 500.-.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
Die Busse ist zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 5 und 6) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.-.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis (übergeben) sowie in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, 8090 Zürich, (PIN-Nr. )
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Zürich, 15. März 2018
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. N. Anner
Zur Beac htung:
Der Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:
Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.
Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),
wenn der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,
wenn der Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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