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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB170407
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB170407 vom 12.03.2018 (ZH)
Datum:12.03.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Versuchter Betrug etc.
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Verteidigung; Anklage; Berufung; Beweis; Polizei; Urteil; Aussagen; Amtlich; Recht; Amtliche; Verfahren; Schmuck; Staat; Staatsanwalt; Untersuchung; Vorinstanz; Gericht; Verfahren; Einbruch; Wohnung; Recht; Staatsanwaltschaft; Versicherung; Bericht; Prot; Sachverhalt
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 131 StPO ; Art. 145 StPO ; Art. 146 StGB ; Art. 182 StPO ; Art. 184 StPO ; Art. 195 StPO ; Art. 22 StGB ; Art. 32 BV ; Art. 389 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 6 StPO ; Art. 82 StPO ; Art. 9 StPO ;
Referenz BGE:120 1a 31; 124 IV 86; 127 I 38;
Kommentar zugewiesen:
SCHMID, JOSITSCH, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich, 2018
OHLERS, Kommentar StPO, 2014
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB170407-O/U/cwo

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Ch. Prinz, Präsident, Oberrichterin lic. iur.

L. Chitvanni, Ersatzoberrichterin lic. iur. N. Klausner sowie die Gerichtsschreiberin MLaw M. Konrad

Urteil vom 12. März 2018

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis, vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. M. Keller,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend

versuchter Betrug etc.
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Horgen, Einzelgericht, vom 13. Juli 2017 (GG170019)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 23. Mai 2017 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 12).

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 23 S. 26 f.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig des versuchten Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs.1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 6 Monaten Freiheitsstrafe.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit wird auf 4 Jahre festgesetzt.

  4. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 1'800.00; die weiteren Kosten betragen: Fr. 280.00 Kosten Kantonspolizei

    F r. 1'100.00 Gebühr Anklagebehörde Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  5. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.

  6. (Mitteilungen)

  7. (Rechtsmittel.)

Berufungsanträge:

  1. Der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 46 S. 2)

    1. Das vorinstanzliche Urteil sei vollumfänglich aufzuheben.

    2. Der Beschuldigte sei freizusprechen.

    3. Die Kosten des Vorverfahrens sowie des erstund zweitinstanzlichen Gerichtsverfahrens seien auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    (Verzicht auf Beweisanträge.)

  2. Der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis: (Urk. 36 schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. (Verzicht auf Beweisanträge.)

    Erwägungen:

    1. Verfahrensgang und Umfang der Berufung
  1. Verfahrensgang

    1. Zum Verfahrensgang bis zum vorinstanzlichen Urteil kann zwecks Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 23 S. 3; Art. 82 Abs. 4 StPO).

    2. Mit Urteil vom 13. Juli 2017 sprach das Einzelgericht des Bezirksgerichts Horgen den Beschuldigten des versuchten Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, wobei es die Probezeit auf vier Jah-

      re festsetzte (Dispositiv-Ziffern 1 - 3). Weiter auferlegte es ihm die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens (Dispositiv-Ziffern 4 - 5).

    3. Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte unmittelbar im Anschluss an die Urteilseröffnung mündlich Berufung an (Prot. I S. 16). In der Berufungserklärung vom 26. Oktober 2017 verlangte er einen Freispruch unter Anpassung der Kostenregelung (Urk. 28 S. 1). Gleichzeitig ersuchte er um Bestellung von Rechtanwältin lic. iur. X. zu seiner amtlichen Verteidigerin (Urk. 28 S. 2).

    4. Mit Präsidialverfügung vom 8. November 2017 wurde Rechtanwältin lic. iur. X. als amtliche Verteidigerin des Beschuldigten eingesetzt (Urk. 31). Innert der hierfür gleichentags angesetzten Frist teilte sie mit Eingabe vom 16. November 2017 mit, auf Stellung eines Antrags auf Rückweisung zufolge unterbliebener Verteidigung im erstinstanzlichen Verfahren zu verzichten (Urk. 33).

    5. Die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis erklärte mit Eingabe vom

      20. November 2017, die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils zu beantragen

      (Urk. 36). Die Privatklägerin, die B.

      AG [Versicherung], stellte im Beru-

      fungsverfahren keine Anträge. Beweisanträge wurden im Berufungsverfahren von keiner Seite gestellt.

    6. Die Berufungsverhandlung fand am 12. März 2018 statt, zu welcher der Beschuldigte in Begleitung seiner amtlichen Verteidigerin erschienen ist (Prot. II

      S. 4). Das vorliegende Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 6 ff.).

  2. Umfang der Berufung

Aufgrund der Berufungserklärung des Beschuldigten sind die Dispositiv-Ziffern 1 bis 5 des Urteils vom 13. Juli 2017 angefochten und daher im Rahmen der Berufung zu überprüfen (Art. 404 StPO).

II. Ausgangslage und Anklagevorwurf
  1. Ausgangslage

    1. Am 2. September 2016, 19:30 Uhr, zeigte der Beschuldigte telefonisch bei der Einsatzzentrale der Kantonspolizei einen gleichentags zwischen ca. 13:30 Uhr und ca. 19:15 Uhr in seiner Mietwohnung an der strasse in C. erfolgten Einbruch an. Er meldete diverse Gegenstände, vor allem Uhren und Schmuckstücke, aber auch einen Computer, Bargeld und seinen Reisepass etc., im Gesamtwert von rund Fr. 24'700.- als gestohlen.

    2. Die ausgerückten Polizeibeamten stellten aufgrund der Beschädigungen am Schlosszylinder der Wohnungstür Ungereimtheiten hinsichtlich des angeblichen Eindringens der Einbrecher in die Wohnung fest. Ferner fiel die Menge sowie der Wert der gestohlenen Schmuckstücke und Uhren im Verhältnis zur finanziellen Situation des Beschuldigten auf (Urk. 1). Nach weiteren Ermittlungen und nachdem ein Kurzbericht des Forensischen Instituts Zürich (nachfolgend FOR) ergeben hatte, dass sich der Schlosszylinder mit der hier angewandten Methode und der erfolgten Beschädigung nicht habe gewaltsam überwinden lassen, rapportierte die Polizei gegen den Beschuldigten wegen Betrugs und Irreführung der Rechtspflege (Urk. 5), worauf das Strafverfahren gegen ihn in Gang kam (Urk. 8).

  2. Anklagevorwurf

Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis schloss das wie beschrieben in die Wege geleitete Vorverfahren mit Erhebung einer Anklage ab. In der Anklageschrift vom

23. Mai 2017 wird dem Beschuldigten zusammengefasst vorgeworfen, bei der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich am 2. September 2016 einen Einbruchdiebstahl im Wissen, dass ein solcher nie stattgefunden habe, angezeigt zu ha-

ben. In der Folge habe er bei der B.

AG mittels Schadensformular vom

19. September 2016 Versicherungsleistungen in Höhe von Fr. 24'681.- geltend gemacht. Dabei sei der Beschuldigte davon ausgegangen, dass die Versicherung unter den gegebenen Umständen keine weitere Überprüfung der Sachlage vornehmen und ihm die Versicherungsleistung auszahlen werde, wodurch er entsprechend bereichert gewesen wäre, ohne dass er Anspruch auf die Versicherungsleistung gehabt hätte (vgl. Urk. 12 S. 2 f.).

III. Prozessuales / Verwertbarkeit der Beweismittel
  1. Verletzung des Anklageprinzips

    1. An der Berufungsverhandlung rügte die Verteidigung die Verletzung des Anklageprinzips und machte geltend, die in der Anklageschrift aufgeführte Schadensumme stimme nicht mit derjenigen des Schadensformulars, welches der Beschuldigte seiner Versicherung am 19. September 2016 zugestellt habe, überein (Urk. 47 S. 3 f.).

    2. Nach dem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 StPO festgeschriebenen Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO bezeichnet die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGer Urteil 6B_149/2017 vom 16. Februar 2018 E. 4.3 m.w.H.).

    3. Mit der Verteidigung ist zutreffend, dass die Schadenssumme in der Anklageschrift (Fr. 24'681.-, vgl. Urk. 12 S. 2) nicht mit dem Total der im Schadensformular der B. Versicherung aufgeführten Schadenspositionen übereinstimmt (Fr. 26'230.-, vgl. Urk. 6/2). Diese Darstellung in der Anklage ist zwar nicht nachvollziehbar, im weiteren jedoch nicht relevant. Denn aus dem vorliegenden Anklagesachverhalt geht klar hervor, durch welches Verhalten der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Delikte jeweils erfüllt haben soll. Folglich war es dem Beschuldigten bzw. seiner Verteidigung trotz dieser Diskrepanz betreffend die Schadenssumme möglich gewesen, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes liegt nicht vor.

  2. Aussagen des Beschuldigten

    1. Der Beschuldigte wurde bereits in seiner ersten Befragung als polizeiliche Auskunftsperson vom 9. Januar 2017, welche noch erfolgte, bevor formell eine Straftat gegen ihn rapportiert worden war, auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen und gefragt, ob er einen Anwalt benötige (Urk. 4 S. 1). In den weiteren Befragungen im Vorverfahren wurde er im Sinne der Strafprozessordnung auf sein Recht, Aussagen und seine Mitwirkung zu verweigern, eine Verteidigung zu bestellen bzw. einen amtlichen Verteidiger zu beantragen, belehrt (Urk. 7 S. 1; Urk. 9 S. 1). Der Staatsanwalt erklärte dem Beschuldigten überdies, dass von ihm gemachte Aussagen als Beweismittel verwertet werden können (Urk. 9 S. 1).

    2. Im zweitinstanzlichen Verfahren wurde dem Beschuldigten mit Verfügung vom 8. November 2017 gestützt auf Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO eine amtliche Verteidigerin bestellt, weil aufgrund der erstinstanzlich erfolgten Ausfällung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten die Grenze zum Bagatellfall gemäss Art. 132 Abs. 2 und Abs. 3 StPO überschritten war und der Straffall, vor allem aufgrund der Anklage des versuchten Betrugs, rechtliche Schwierigkeiten biete (Urk. 31). Ferner wurde in dieser Verfügung darauf hingewiesen, dass der Beschuldigte angesichts der von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafe bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte verteidigt sein müssen (Urk. 31 S. 2), worauf die Verteidigung auf entsprechende Fristansetzung mit Eingabe vom 16. November 2017 ausdrücklich erklärte, auf einen Antrag auf eine Rückweisung des Verfahrens zu verzichten (Urk. 33).

    3. Die beschuldigte Person kann auf eine amtliche Verteidigung verzichten (L IEBER, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar StPO, 2. Auflage,

      Zürich et. al. 2014, Art. 132 N 23). Selbst im Falle einer notwendigen Verteidigung kann auf die Wiederholung von Beweiserhebungen, die ohne Mitwirkung der Verteidigung stattfanden, verzichtet werden (Art. 131 Abs. 3 StPO). Da die Verteidigung des Beschuldigten auf entsprechende Fristansetzung hin explizit von einem Antrag auf Rückweisung absah, sind die erstinstanzlich erfolgten Beweiserhebungen, insbesondere die Befragung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung trotz der nicht erfolgten amtlichen Verteidigung als verwertbar zu betrachten.

    4. Was die Verwertbarkeit der in der Untersuchung mit dem Beschuldigten durchgeführten Einvernahmen anbelangt, ist mit Blick auf die fehlende Verteidigung zu sagen, dass die letzte Einvernahme des Beschuldigten am 11. Mai 2017 durch die Staatsanwaltschaft stattfand (Urk. 9). Damals lag dessen Strafregisterauszug bereits vor. Hingegen erfolgte der Beizug der Vorakten erst anschliessend (Urk. 11/5-6). Diese Akten dürften den Ausschlag für den vergleichsweise recht hohen Antrag der Anklagebehörde betreffend Bestrafung gegeben haben. Mithin war ein Anspruch des Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers bis zu seiner letzten Befragung im Vorverfahren noch nicht erkennbar. Nachdem der Beschuldigte in seiner ersten polizeilichen Einvernahme als beschuldigte Person vom 9. Januar 2017 sowie in der darauffolgenden Befragung durch den Staatsanwalt auf das Recht, einen Verteidiger beizuziehen sowie auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden war, wovon er keinen Gebrauch machen wollte (Urk. 7 S. 1; Urk. 9 S. 1), spricht nichts gegen eine Verwertung dieser Aussagen (analog Art. 131 Abs. 3 StPO). Nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertbar sind hingegen seine anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme deponierten Aussagen, da er in der Rolle als quasi-Beschuldigter befragt, aber nicht explizit über sein Recht, einen Verteidiger beizuziehen belehrt worden war (vgl. Urk. 4 S. 1).

  3. Kurzbericht des Forensischen Instituts

    1. Der Sachbearbeiter der Kantonspolizei, D. , ersuchte das FOR am

      13. September 2016, den der Tür zur Wohnung des Beschuldigten entnommenen Schliesszylinder betreffend Manipulationen zu untersuchen. Das FOR erstattete

      daraufhin am 5. Oktober 2016 einen Kurzbericht, wobei es festhielt, dass es sich dabei nicht um ein Gutachten im Sinne von Art. 184 StPO handle (Urk. 3).

    2. Die Verteidigung wendete diesbezüglich an der Berufungsverhandlung ein, für die Beurteilung der Manipulation des Schliesszylinders hätte es unzweifelhaft Fachwissen bedurft und gehe über eine Feststellung hinaus, die auch ein sachkundiger Laie hätte treffen können. Deshalb hätte ein Gutachten im Sinne von Art. 182 ff. StPO eingeholt werden müssen. Vorliegend fehle aber ein schriftlicher Gutachtensauftrag mit einem Fragenkatalog, wobei dem Beschuldigten auch keine Gelegenheit geboten worden sei, vor Erteilung des Auftrags Fragen und eigene Anträge zu stellen. Auch sei ihm keine Frist zur Stellungnahme zum erstatteten Bericht angesetzt worden, weshalb der Bericht des FOR unverwertbar sei (Urk. 47 S. 4 f.).

    3. Die Einholung amtlicher Berichte durch Strafbehörden über Vorgänge, die im Strafverfahren bedeutsam sein können, ist in Art. 195 Abs. 1 StPO - welcher einen Sonderfall von Art. 145 StPO regelt - ausdrücklich vorgesehen. Von Gutachten unterscheiden sich amtliche Berichte dadurch, dass zum einen für deren Erstellung nicht die besonderen Voraussetzungen gemäss Art. 183 ff. StPO einzuhalten sind und dass diese zum anderen in der Regel nicht besondere Fachkenntnisse erfordern bzw. dass diese Fachkenntnisse zur Erstellung eines Berichts oder Zeugnisses nur in geringem Umfang eingesetzt werden müssen. Als amtliche Berichte gelten etwa schriftliche Feststellungen der Polizei über den technischen Zustand eines Fahrzeuges, polizeiliche Berechnungen von Geschwindigkeiten aufgrund von standardspezifischen Schablonen, polizeiliche Auswertungen von Fahrtenschreibern, Berichte betreffend die Eichung eines Messgeräts etc. (vgl. D ONATSCH, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar StPO, 2. Auflage, Zürich et. al. 2014, Art. 195 N 5 und N 11 f.). Die als Beweismittel vorgesehenen Amtsberichte stellen auch einen verfahrensökonomischen Ersatz für eine Einvernahme eines Beamten oder Behördenmitglieds als Zeugen dar; da sich die befragten Personen ohnehin regelmässig auf ihre Unterlagen stützen müssen, dürften solche Amtsberichte häufig prozessökonomischer

      und sachdienlicher als Zeugeneinvernahmen sein (vgl. SCHMID/JOSITSCH, StPO Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2018, Art. 195 N 1).

    4. Problematisch ist bei einer derartigen Beweiserhebung, dass Teilnahmerechte, namentlich dem Recht des Beschuldigten auf Stellung von Ergänzungsfragen nicht genügend Rechnung getragen wird, es sei denn, dieses Recht wird nachträglich noch gewährt. Werden die Teilnahmerechte nicht hinreichend gewahrt, dürfen schriftliche Berichte nicht zu Lasten der betroffenen Partei verwertet werden (H ÄRING, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK StPO I, 2. Auflage, Basel 2014, Art. 145 N 11).

    5. Gemäss dem Protokoll der Einvernahme des Beschuldigten vom 11. Mai 2017 wurde ihm der Kurzbericht des FOR zwar vorgehalten. Ausdrücklich gefragt, ob er Ergänzungsfragen dazu stellen wolle, wurde er indessen nicht. Aufgrund der nicht beachteten Teilnahmeund Fragerechte des Beschuldigten darf der Kurzbericht des FOR demnach nur zu Gunsten des Beschuldigten verwertet werden. Mit der Verteidigung stellt sich jedoch ohnehin die Frage, ob für die technische Überprüfung des Türschlosses vorliegend nicht ein Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Staatsanwaltschaft und Gerichte ziehen eine oder mehrere sachverstände Personen bei, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts erforderlich sind (Art. 182 StPO). Die Abklärungen des FOR bezüglich des Tür- schlosses stellen eine überwiegend technische Überprüfung dar, welche Fachkenntnisse erfordert, was für die Notwendigkeit eines Gutachtens spricht. Letztlich kann diese Frage - mit Verweis auf nachfolgende Erwägungen - aber offen gelassen werden.

IV. Sachverhalt
  1. Standpunkt des Beschuldigten

    1. Der Beschuldigte bestritt während der Untersuchung und vor Vorinstanz den ihm in der Anklage vorgeworfenen Sachverhalt (Urk. 7 S. 2 und S. 4; Urk. 9

      S. 6; Prot. I S. 10 ff.). Dies tat er auch anlässlich der Berufungsverhandlung (Urk. 45 S. 1 ff.; Urk. 47 S. 1 ff.).

    2. Er stellte durchwegs in Abrede, einen Einbruch in seine Wohnung vorgetäuscht zu haben (vgl. etwa Urk. 7 S. 4; Prot. I S. 14 f.) und hielt daran fest, dass am 2. September 2016 Unbekannte in seine Wohnung eingedrungen seien und Wertsachen in Form von Schmuck und Uhren im Wert von ca. Fr. 24'700.-, welche er bei sich zu Hause gehabt habe, gestohlen hätten. Die gestohlenen Gegenstände habe er sich ungeachtet seiner tiefen Einkünfte und seiner finanziellen Verpflichtungen seit einem letzten Einbruch in seine Wohnung am 28. Juli 2011 angeschafft gehabt (Urk. 7 S. 3). Wie es dazu gekommen sei, dass die Wohnungstür bei seiner Rückkehr offen gewesen sei, sei nicht seine Sache; sie sei offen gewesen, und er habe nie unsachgemäss dran herumhantiert (Urk. 7 S. 2 und

      S. 5; vgl. auch Urk. 9 S. 3). Auch an der Befragung im Rahmen der Berufungsverhandlung hielt der Beschuldigte an diesen Aussagen fest (Urk. 45 S. 11 ff.).

  2. Grundsätze der Beweiswürdigung

    1. Angesichts der Bestreitungen des Beschuldigten ist zu prüfen, ob der Anklagesachverhalt aufgrund der Untersuchungsakten und der vorgebrachten Argumente nach den Beweisregeln erstellt und ihm dieser mit rechtsgenügender Sicherheit nachgewiesen werden kann (vgl. Urk. 23 S. 3 f.).

    2. Mit den Grundsätzen der Beweiswürdigung, insbesondere mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung und der Aussagewürdigung, hat sich die Vorinstanz grundsätzlich korrekt befasst, sodass vorab darauf zu verweisen ist (vgl. Urk. 23 S. 3 f.).

    3. Anzufügen ist, dass gemäss der aus Art. 8 und 32 Abs. 1 BV fliessenden und in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Maxime in dubio pro reo bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld eines Angeklagten zu vermuten ist, dass dieser einer strafbaren Handlung unschuldig ist (Art. 10 Abs. 1 StPO). Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich das Strafgericht nicht von der Existenz eines für den Beschuldigten ungünstigen Sachverhaltes überzeugt erklären darf, wenn

      bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat (BGer Urteil 6B_344/2011 vom 16. September 2011 E. 2 m.w.H.). Die Überzeugung des Gerichts muss auf einem verstandesgemäss einleuchtenden Schluss beruhen und für den unbefangenen Beobachter nachvollziehbar sein. Wenn erhebliche resp. nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so abgespielt hat, wie er eingeklagt ist, ist der Beschuldigte nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen.

    4. Soweit ein direkter Beweis nicht möglich ist, ist der Nachweis der Tat mit Indizien zu führen, wobei die Gesamtheit der einzelnen Indizien, deren Mosaik zu würdigen ist (BGer Urteile 6B_46/2014 vom 9. Oktober 2014 E. 2.2; 1P.333/2002 vom 12. Februar 2003 E. 1.4; 1P.87/2002 vom 17. Juni 2002 E. 3.4).

      Aufgabe des Gerichts ist es, seinem Gewissen verpflichtet, in objektiver Würdigung des gesamten Beweisergebnisses zu prüfen, ob es von einem bestimmten Sachverhalt überzeugt ist und an sich mögliche Zweifel an dessen Richtigkeit zu überwinden vermag (Art. 10 Abs. 2 StPO; BGE 127 I 38 E. 2a; BGE 124 IV 86 E. 2a; BGE 120 1a 31 E. 2c).

    5. Angesichts der Unschuldsvermutung besteht sodann Beweisbedürftigkeit,

d.h. der verfolgende Staat hat dem Beschuldigten alle objektiven und subjektiven Tatbestandselemente nachzuweisen und nicht der Beschuldigte seine Unschuld (BGer Urteile 1P_437/2004 vom 1. Dezember 2004 E. 4.3; 6S_154/2004 vom

30. November 2005 E. 4; BGE 127 I 38 E. 2a).

  1. Beweiswürdigung im konkreten Fall

    1. Zur Sachverhaltserstellung stehen, wie bereits erwähnt, die Aussagen des Beschuldigten (vgl. Urk. 7; Urk. 9; Prot. I S. 10 ff.; Urk. 45), aber auch die Polizeirapporte (Urk. 1; Urk. 2; Urk. 5), der Kurzbericht des FOR (Urk. 3) und die Unterlagen der B. AG (Urk. 6) zur Verfügung.

    2. Weitere in den Akten erwähnte Unterlagen waren nicht auffindbar bzw. nicht Bestandteil der eingegangenen Akten. So ist dem Polizeirapport vom

      28. September 2016 zu entnehmen, dass vom vermeintlichen Einbruchstatort, also der Wohnung des Beschuldigten, Fotoaufnahmen mit der Bezeichnung angefertigt worden und dem Rapport eigentlich elektronisch beigefügt gewesen sein müssten (Urk. 1 S. 3 oben und unten). Dass diese Fotoaufnahmen keinen Eingang in die Akten gefunden hatten, ist offenkundig weder der Anklagebehörde, noch der Vorinstanz aufgefallen, was doch bemerkenswert ist. Auf entsprechende Anfrage wurden sie nachträglich vom damals ermittelnden Polizeibeamten noch zugestellt (vgl. Urk. 42).

    3. Ferner wurde im Polizeirapport vom 28. September 2016 festgehalten, dass der Beschuldigte dem polizeilichen Sachbearbeiter einige Tage nach dem angeblichen Einbruchdiebstahl zwei Fotodokumente mit sieben Kaufbelegen betreffend Schmuckstücke zugesandt habe, welche mehrheitlich durch die Bijouterie E. GmbH ausgestellt worden seien (Urk. 1 S. 2). Im weiteren Rapport vom

      6. März 2017 wurde diesbezüglich festgehalten, dass diese Quittungen lediglich die Art der erworbenen Artikel beschreiben, darin aber keine näheren Angaben gemacht würden, sondern lediglich Bezeichnungen wie z.B. Gold-Armband oder Gold-Kette enthielten (Urk. 5 S. 3). Diese Quittungen bzw. Fotodokumente waren ebenfalls nicht Bestandteil der eingegangenen Akten - was ebenfalls weder die Anklagebehörde noch die Vorinstanz bemerkte - und wurden nachträglich zugestellt (Urk. 43).

    4. Bereits diese unvollständigen Akten geben einen ersten Hinweis darauf, wie die Strafuntersuchung vorliegend geführt wurde. Gemäss dem in Art. 6 StPO normierten Untersuchungsgrundsatz klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Abs. 1). Dabei sind die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu untersuchen (Abs. 2). Die ausdrückliche Regelung in Abs. 2 soll unterstreichen, dass die das Vorverfahren leitende Staatsanwaltschaft keine Partei im klassischen Sinne ist, sondern ein der Ermittlung der materiellen Wahrheit verpflichtetes Organ der Strafrechtspflege (vgl. W OHLERS, in: Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar StPO, 2. Auflage, Zürich et. al. 2014, Art. 6 N 7; RIEDO/FIOLKA, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK StPO I, 2. Auflage,

      Basel 2014, Art. 6 N 47). Diesen Anforderungen vermag die vorliegende Strafuntersuchung nicht zu genügen.

    5. Der Polizeirapport vom 28. September 2016 hält fest, eine unbekannte Tä- terschaft sei durch die offene Haustüre in den Gang des Mehrfamilienhauses gelangt und habe mit einem unbekannten spitzen Gegenstand den Schlosszylinder der Wohnung geöffnet. Daraufhin habe die Täterschaft die ganze Wohnung durchsucht, habe eine Unordnung hinterlassen und diverses Deliktsgut entwendet, bevor sie den Tatort auf unbekanntem Weg verlassen habe. Angesichts dieser Ausgangslage wurde gemäss Rapport auf eine weitere Spurensicherung verzichtet (Urk. 1 S. 2 unten). Auch die nachfolgenden Rapporte äussern sich nicht dazu, ob es eine andere Einstiegsmöglichkeit für die unbekannte Täterschaft als die Tür gab und ob dazu weiteren Ermittlungen angestellt wurden (vgl. Urk. 2; Urk. 5). Auch den nachträglich eingereichten Fotos, die allenfalls entsprechende Schlüsse zulassen würden, lässt sich dazu nichts entnehmen (Urk. 43). Es erfolgten insbesondere keine entlastenden Abklärungen dazu, ob die unbekannte Tä- terschaft allenfalls auch über den Balkon bzw. das Balkonfenster in die Wohnung hätte gelangen können. Jedenfalls wurden derartige Abklärungen und entsprechende Resultate nicht aktenkundig gemacht. So wurde beispielsweise nicht untersucht, ob sich allenfalls Einbruchsspuren an der Balkontüre fanden und es wurden dazu weder Fingerabdrücke noch sonstige Spuren gesichert. Auch wurden keine weiteren Abklärungen dazu vorgenommen, was der Beschuldigte am Tattag gemacht hat, was namentlich durch die Einvernahme der Mutter des Beschuldigten (als Zeugin) hätte abgeklärt werden können. Auch auf eine Zeugeneinvernahme des Nachbarn des Beschuldigten wurde verzichtet, nachdem im Polizeirapport gestützt auf dessen Aussagen aber immerhin insinuiert wurde, der Beschuldigte selbst habe das Türschloss am Abend vor dem Einbruch manipuliert (Urk. 1 S. 3).

    6. Die Polizei beschränkte sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens darauf, aufgrund des Spurenbildes bzw. der Beschädigungen am Schlosszylinder diesen sicherzustellen und dem FOR zuzustellen (vgl. Urk. 1). Im ersten Polizeirapport vom 28. September 2016 wird diesbezüglich noch festgehalten, dass im Schloss-

      zylinder ein unbekannter Metallgegenstand zurückgeblieben sei, wobei dieser beim Eindrücken des Schlosszylinders vom Werkzeug abgebrochen sein könnte (Urk. 1 S. 3). Dem daraufhin erstatteten und im Recht liegenden Bericht des FOR lässt sich bezüglich des Metallgegenstands nichts mehr entnehmen. Weder die Polizeirapporte noch der genannte Bericht enthalten Angaben dazu, wie und durch wen der Zylinder ausbebaut bzw. gesichert wurde, weshalb man streng genommen gar nicht weiss, ob der gleiche Zylinder untersucht wurde. Das FOR stellte im Rahmen seiner Untersuchungen sodann mechanische Beschädigungen auf der einen Schliessseite des Zylinderkanals fest, die zwar auf eine Manipulation mit einem unbekannten Werkzeug, evtl. einem kleinen Schraubenzieher, hindeuten würden, zum Öffnen des Schlosses aber untauglich gewesen seien. Diese mechanischen Beschädigungen hätten das Einstecken eines Schlüssels verunmöglicht, doch habe sich mit dieser Methode der Schliesszylinder nicht gewaltsam überwinden lassen (Urk. 3). In diesem Zusammenhang wäre für die Beurteilung des Sachverhalts durchaus von Interesse gewesen, ob das Schloss, bevor es beschädigt wurde, verschlossen war oder nicht. Hierzu äussert sich der Bericht jedoch nicht und ist insgesamt für die Wahrheitsfindung im vorliegenden Fall wenig aussagekräftig.

    7. Sodann deutet auch der weitere Verlauf der Strafuntersuchung darauf hin, dass sich die Untersuchungsbehörden einseitig auf die Beschaffung von belastendem Beweismaterial konzentriert haben. Im Polizeirapport vom 6. März 2017 wurde festgehalten, dass der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben zwischen 2014 und 2016 Sozialhilfebezüger gewesen sei und er monatlich Fr. 700.- Alimente zahlen müsse. Trotzdem habe er in der Zwischenzeit Schmuck und Uhren im Wert von knapp Fr. 25'000.- anschaffen können (Urk. 5 S. 3). Nachdem damit bereits damals angedeutet und dem Beschuldigten in den polizeilichen Einvernahmen im Weiteren Verlauf der Untersuchung auch vorgehalten wurde, dass es ihm bei seinen finanziellen Verhältnissen nicht möglich gewesen sei, Schmuck und Uhren im vorgenannten Wert zu erwerben (Urk. 4; Urk. 7), ist nicht nachvollziehbar, weshalb die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten im Vorverfahren nicht näher abgeklärt wurden. Es hätte sich angeboten, Steuererklärungen des Beschuldigten beizuziehen, welche von Anfang an zur Überprüfung des Tatver-

      dachts und der für eine Straftat sprechenden Indizien hätten dienlich sein können. Weiter wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, anhand der durch den Beschuldigten selbst eingereichten Kaufbelege und Quittungen Abklärungen zum Erwerb der gestohlen gemeldeten Schmuckstücke zu treffen, doch auch dies unterliess die Untersuchungsbehörde vollends.

    8. Obwohl es in erster Linie der Staatsanwaltschaft obliegt, die notwendigen Beweise zu erheben, entbindet dies grundsätzlich weder die Vorinstanz noch das Berufungsgericht davon, diese von Amtes wegen zu erheben, wenn dadurch für die Sachverhaltsfeststellung entscheidende Fragen geklärt werden können (vgl. mit Blick auf das erstinstanzliche Hauptverfahren: G UT/FINGERHUTH, in: Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar StPO, 2. Auflage, Zürich et. al. 2014, Art. 343 N 26; vgl. Art. 389 StPO; BGer Urteil 6B_288/2015 vom 12. Oktober 2015 E. 1.5.2 ff. m.w.H.).

    9. Betreffend die aufgeführten Unklarheiten in Bezug auf den Tatort bzw. die Umstände des Einbruchs ist festzuhalten, dass mit Blick auf den Zeitablauf seit dem Einbruch am 2. September 2016 sich aus allfälligen ergänzenden Beweisabnahmen am Tatort keine entscheidenden Erkenntnisse mehr ergeben würden. Damit verbleiben einzig noch die vom Beschuldigten im Verfahren deponierten Aussagen, welche die Vorinstanz einer vertieften - in thematische Schwerpunkte unterteilten - Würdigung unterzog (vgl. Urk. 23 S. 7 ff.).

    10. Was die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten betrifft, erwog die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid, die diesbezüglichen Ungereimtheiten in seinen Aussagen würden ein weiteres Indiz für die Unglaubhaftigkeit seiner Behauptung, Opfer eines Einbruchdiebstahls geworden zu sein, darstellen (Urk. 23

      S. 10). Hierzu ist lediglich zu rekapitulieren, dass der Beschuldigte die fraglichen Anschaffungen nach dem letzten Einbruch in seine Wohnung im Jahr 2011, als ihm bereits einmal Schmuck von über Fr. 20'000.- gestohlen worden sei, getätigt haben will (Urk. 7 S. 3; Prot. I S. 12). Zwar ist zunächst festzuhalten, dass auf den ersten Blick tatsächlich fraglich ist, wie dem Beschuldigten diese Anschaffungen bei seinen knappen finanziellen Verhältnissen mit den damals bezogenen Leistungen der Krankentaggeldversicherung bzw. der Sozialhilfe möglich gewesen

      sein sollen. Allerdings ist mit der Verteidigung (Urk. 47 S. 8) auch zu konstatieren, dass der Beschuldigte zu seinen finanziellen Verhältnissen nicht detailliert befragt, sondern vielmehr relativ pauschal der Deliktsbetrag den Lebensumständen des Beschuldigen gegenübergestellt wurde (Urk. 37 S. 9 f.). Der Beschuldigte machte an der Berufungsverhandlung ergänzende Ausführungen zu einem zusätzlichen Nebenjob in der Reinigung, wobei er dabei durchschnittlich Fr. 700.- bis Fr. 800.- verdient habe. Weiter gab der Beschuldigte im Rahmen der Befragung an der Berufungsverhandlung wie bereits vor Vorinstanz an, er habe einige Schmuckstücke von seiner Familie geschenkt bekommen (Prot. I S. 12; Prot. II S. 16). Sodann gab er auf entsprechenden Vorhalt, wonach er aufgrund seiner finanziellen Situation gar nicht in der Lage gewesen sei, neben seinen finanziellen Verpflichtungen noch Schmuck und Uhren im Wert von Fr. 25'000.- zu erwerben, zu Protokoll, er habe nicht alles auf einmal gekauft. Er habe den Schmuck jeweils in kleineren Beträgen von Fr. 100.- bis Fr. 200.- ratenweise abbezahlt und nach Abzahlung die Quittungen erhalten (Prot. II S. 16 und S. 20). Schliesslich führte er auch an der Berufungsverhandlung erneut aus, er habe der Polizei gesagt, Schmuck sei sein Hobby (Urk. 45 S. 19), was mit seinen in der Untersuchung deponierten Aussagen übereinstimmt, wobei er weiter angab, sich den Schuck selber zusammengespart zu haben und diesen nicht auf einmal gekauft zu haben (Urk. 7 S. 3 f.; Urk. 9 S. 4).

    11. In Ermangelung anders lautender Beweise ist daher mit der Verteidigung (Urk. 47 S. 8; Prot. II S. 6) zugunsten des Beschuldigten davon auszugehen, dass es ihm trotz seiner knappen finanziellen Verhältnisse möglich war, etwas Geld für den Erwerb von Schmuck und Uhren einzusetzen. Mit Hinweis auf das nachfolgende Ergebnis der Beweiswürdigung ist im Rahmen der weiteren Prüfung der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen festzuhalten, dass der Beizug von detaillierten Steuerunterlagen des Beschuldigten im vorliegenden Verfahren entbehrlich ist.

    12. Die Vorinstanz bezeichnete in ihren weiteren Erwägungen das Aussageverhalten des Beschuldigten betreffend den Abschluss einer Hausratsversicherung als ungewöhnlich und stützte sich dabei u.a. auf die Angaben im Polizeirapport vom 28. September 2016 sowie seine in der polizeilichen Einvernahme

      deponierten Aussagen (vgl. Urk. 23 S. 10 f.). Diesbezüglich ist Folgendes festzuhalten: Ein Polizeirapport ist grundsätzlich ein zulässiges Beweismittel, wobei er aber nur über die von den Polizeibeamten festgestellten Sachumstände Beweis zu bilden vermag. Im Polizeirapport verurkundete Aussagen können - wenn die betreffende Person nicht förmlich und schriftlich gemäss den Vorschriften der Strafprozessordnung von der Polizei befragt wurde - nicht zu Lasten eines Beschuldigten verwertet werden, weil das dafür gesetzlich vorgesehene Prozedere nicht eingehalten ist (vgl. BGer Urteil 6B_1057/2013 vom 19. Mai 2014 E. 2.3 m.w.H.). Der rapportierende Polizeibeamte D. wurde nie formell zu den von ihm vernommenen Äusserungen des Beschuldigten befragt, und der Beschuldigte bestätigte in seinen förmlichen Befragungen nie, geäussert zu haben, dass er über keine Hausratversicherung verfüge. Vielmehr erklärte er in seiner ersten Befragung am 9. Januar 2017 als polizeiliche Auskunftsperson, welche zu seinen Gunsten verwertbar ist, eine Hausratversicherung zu haben. Er bemerkte aber ausdrücklich, der gestohlene Schmuck sei nicht versichert (Urk. 4 S. 3). Diese Aussagen des Beschuldigten enthalten jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass er dem Polizeibeamten seine Hausratversicherung oder den früher gemeldeten Einbruch verheimlichen wollte. In der gleichentags unmittelbar folgenden Befragung als beschuldigte Person lieferten sich der Beschuldigte und der polizeiliche Sachbearbeiter einen nicht weiter ergiebigen Schlagabtausch darüber, was er wann zur Versicherung ausgeführt haben soll (Urk. 7 S. 2 f.). Die wiedergegebenen Aussagen des Beschuldigten stehen zwar - wie die Vorinstanz festhält (Urk. 23 S. 11) - tatsächlich in einem gewissen Widerspruch zur schliesslich ermittelten Versicherungsdeckung von maximal Fr. 20'000.- bei Diebstahl gemäss

      dem Versicherungsvertrag des Beschuldigten mit der B.

      Versicherung

      (Urk. 6/1 S. 2). Daraus lässt sich allerdings nichts Wesentliches gegen den Beschuldigten ableiten, da Hausratversicherungen im Fall von Einbrüchen erfahrungsgemäss tatsächlich häufig nicht Leistungen in Höhe der Maximaldeckung erbringen. Dass der Beschuldigte angesichts dessen und in Anbetracht seiner Erfahrung aus einem früheren Schadensfall angab, nicht davon auszugehen, dass er nennenswerte Leistungen für den angeblich gestohlenen Schmuck erhalten werde, statt Angaben zur Höchstdeckung gemäss seiner Police zu machen, darf

      daher nicht überbewertet werden. Mit seinen davor deponierten Aussagen übereinstimmend gab er an der Einvernahme vom 9. Januar 2017 zu Protokoll, für Schmuck keine Versicherung zu haben. Zudem erklärte er jedenfalls in Widerspruch zur polizeilich rapportierten angeblichen Äusserung, über eine Hausratversicherung zu verfügen (Urk. 7 S. 2), was hier entscheidend ist. Jedenfalls ist darin

      - entgegen der Vorinstanz (Urk. 23 S. 11) - kein Indiz für seine Täterschaft zu sehen.

    13. Die Vorinstanz befasste sich sodann eingehend mit den Ausführungen des Beschuldigten zum Verschliessen der Wohnungstür und kam zum Schluss, dass sich diese mit dem Untersuchungsergebnis des FOR nicht vereinbaren liessen. Es kann an dieser Stelle darauf verzichtet werden, auf die weiteren Aussagen des Beschuldigten im Zusammenhang mit dem Bericht des FOR einzugehen und diese vor dem Hintergrund des forensischen Prüfergebnisses des zu würdigen. Denn selbst die Würdigung dieser Aussagen als Indiz zu Lasten des Beschuldigten würde letztlich nichts daran ändern, dass aufgrund fehlender Ermittlungen die realistische Möglichkeit verbleibt, dass ein Einbruch durch eine unbekannte Täterschaft in die Wohnung des Beschuldigten stattfand und die vom Beschuldigten angegebenen Gegenstände gestohlen wurden. Wie die Verteidigung zu Recht ins Feld führt, ist es nicht die Aufgabe des Beschuldigten aufzuzeigen, wie dies hätte geschehen können (Urk. 23 S. 5). Es wäre vielmehr Aufgabe der Untersuchungsbehörde gewesen, darzulegen, dass ein Eindringen Dritter mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

    14. In einer Gesamtbetrachtung besteht wohl gegenüber dem Beschuldigten ein Tatverdacht bzw. gibt es gegen den Beschuldigten sprechende Indizien. Allerdings gibt es selbst wenn man diese Indizien in ihrer Gesamtheit würdigt nach dem Gesagten an der Täterschaft des Beschuldigten nicht zu unterdrückende Zweifel, welche derart erheblich sind, dass sie nicht ohne Weiteres zu überwinden sind. In Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo ist der Beschuldigte deshalb von den Vorwürfen des versuchten Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs.1 StGB vollumfänglich freizusprechen.

V. Kostenund Entschädigungsfolgen
  1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ausser Ansatz zu fallen.

  2. Die amtliche Verteidigerin des Beschuldigten, Rechtsanwältin lic. iur. X. , reichte im Berufungsverfahren eine Honorarnote über einen Aufwand in der Höhe von Fr. 4'822.40 sowie Auslagen von Fr. 114.80 ein, was einer Forderung von insgesamt Fr. 4'937.20 entspricht (vgl. Urk. 48). Der geltend gemachte Aufwand ist sowohl ausgewiesen wie auch angemessen und demzufolge zu entschädigen. Zudem ist ein weiterer Zuschlag für die Berufungsverhandlung im Umfang von einer halben Stunde zu entschädigen. Demnach ist die Entschädigung für die amtliche Verteidigung auf pauschal Fr. 5'200.- (inkl. Barauslagen) festzusetzen.

  3. Ausgangsgemäss sind die Kosten der Untersuchung sowie beider gerichtlicher Verfahren, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung in der Höhe von Fr. 5'200.-, auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 426 StPO).

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    wird vollumfänglich freigesprochen.

  2. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Die Kosten der Untersuchung sowie beider gerichtlicher Verfahren, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung in der Höhe von Fr. 5'200.-, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis (versandt) sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, Geschäfts-Nr. 67555253, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)

    • die Koordinationsstelle Vostra mittels Kopie von Urk. 41 mit dem Vermerk Freispruch.

  5. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 12. März 2018

Der Präsident:

lic. iur. Ch Prinz

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Konrad

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