Zusammenfassung des Urteils SB170406: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschuldigte wurde für das Führen eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises schuldig gesprochen. Seine Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bülach wurde abgelehnt. Die Geldstrafe beträgt 50 Tagessätze zu Fr. 60.-, insgesamt Fr. 3'000.-. Der bedingte Strafvollzug aus einem früheren Urteil wurde widerrufen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt. Das Obergericht des Kantons Zürich hat das Urteil am 8. Februar 2018 gefällt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB170406 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 08.02.2018 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_392/2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Fahren ohne Berechtigung etc. und Widerruf |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Beschuldigten; Beruf; Berufung; Polizei; Kollegin; Beweis; Urteil; Führerausweis; Flughafen; Lebenspartnerin; Geldstrafe; Tagessätzen; Staatsanwaltschaft; Entzug; Person; Recht; Vorinstanz; Anklage; Führerausweises; Lenker; Berufungsverhandlung; Schuld; Gericht; Bundesgericht; Umstand; Indiz |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 2 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 37 SVG ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 404 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 46 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 90 SVG ;Art. 95 SVG ; |
Referenz BGE: | 127 I 38; 127 I 40; 133 I 33; 137 IV 219; 137 IV 57; |
Kommentar: | Fingerhuth, Tschurr, Zürich, 2007 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB170406-O/U/jv
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. M. Langmeier, Präsident, lic. iur. B. Gut und Oberrichterin lic. iur. R. Affolter sowie der Gerichtsschreiber Dr. iur. F. Manfrin
Urteil vom 8. Februar 2018
in Sachen
Beschuldigter und Berufungskläger
gegen
vertreten durch Stv. Leitende Staatsanwältin lic. iur. S. Steinhauser Anklägerin und Berufungsbeklagte
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland, Zweigstelle Flughafen, vom 5. Januar 2017 (Urk. 14) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 35 S. 21 ff.)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A. ist schuldig des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des erforderlichen Ausweises im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG.
Vom Vorwurf der vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 37 Abs. 2 SVG und Art. 18 Abs. 2 lit. c VRV wird der Beschuldigte freigesprochen.
Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 60.- (entsprechend Fr. 3'000.-).
Die Geldstrafe wird vollzogen.
Der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis vom 4. Oktober 2013 für eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 130.- unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren, verlängert durch das Urteil des Bezirksgericht Bülach vom 21. Januar 2015 um ein Jahr, gewährte bedingte Strafvollzug wird widerrufen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 1'200.-; die weiteren Auslagen betragen:
Fr. 1'500.- Gebühr für das Vorverfahren Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
(Mitteilungen.)
(Rechtsmittel.)
Berufungsanträge:
Des Beschuldigten: (Urk. 38)
Anfechtung / Einsprache in allen Punkten ausser Disp.-Ziff. 2
Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 42)
Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils
Erwägungen:
1. Untersuchung und erstinstanzliches Verfahren
Gegenstand des Strafverfahrens ist ein Vorfall vom 25. Dezember 2015. Befragungen bzw. Einvernahmen mit dem Beschuldigten fanden am 25. Dezember 2015, am 9. Juni 2016 und am 3. August 2016 statt (Urk. D1/2/1 - D1/2/3). Am
3. August 2016 wurde zudem die rapportierende Polizeibeamtin als Zeugin einvernommen (Urk. D1/3). Am 11. Januar 2017 ging die Anklage beim Bezirksgericht Bülach ein. Am 29. März 2017 fand die Hauptverhandlung statt, und im Anschluss an die Beratung wurde das Urteil gleichentags mündlich eröffnet (Prot. I S. 15 und 17). Am 4. April 2017 (Datum Eingang) meldete der Beschuldigte innert der 10-tägigen Frist von Art. 399 Abs. 1 StPO Berufung an (Urk. 29).
2. Berufungsverfahren
Die schriftlich begründete Fassung des Urteils wurde dem Beschuldigten am
12. Oktober 2017 zugestellt (Urk. 34). Am 30. Oktober 2017 ging die Berufungserklärung des Beschuldigten innert der 20-tägigen Frist von Art. 399 Abs. 3 StPO
hierorts ein. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Anschlussberufung und beantragte Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 42). Zur Berufungsverhandlung vom 8. Februar 2018 erschien der Beschuldigte persönlich (Prot. II S. 4).
Aufgrund der Berufungsanträge der Parteien ist das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich angefochten, mit Ausnahme des Freispruchs von der Verkehrsregelverletzung (Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer durch Abstellen des Fahrzeuges auf einer Einspurstrecke, Art. 37 Abs. 2 SVG; Dispositivziffer 2 des vorinstanzlichen Entscheids). Letzterer ist somit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Dessen Rechtkraft ist vorzumerken (Art. 404 Abs. 1 StPO).
Anklagevorwurf
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, sein Auto trotz Entzug des Führerausweises von seinem Wohnort an den Flughafen Zürich gelenkt zu haben (Urk. 14). Der Beschuldigte bestreitet dies und macht geltend, eine Kollegin habe am Steuer gesessen. Den Familiennamen, die Wohnadresse Kontaktdaten dieser Kollegin kann er jedoch nicht angeben, weshalb diese unbekannte Person im Rahmen der Untersuchung nicht ermittelt und befragt werden konnte.
Grundsätze der Beweiswürdigung
Freie Beweiswürdigung
Gemäss Art. 10 Abs. 2 StPO würdigt das Gericht die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnen Überzeugung. Es gibt weder feste Beweisregeln noch eine Rangordnung von Beweisen eine Beschränkung von Beweismitteln.
Gemäss dem in Art. 8 und 32 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Grundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Beschuldigten) ist bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld zu vermuten, dass ein Beschuldigter unschuldig ist (BGE 137 IV 219 E. 7.3 mit Hinweisen; BGE 127 I 38 E. 2a; Urteil des Bundesgerichts 6B_617/2013 vom 4. April 2014 E. 1.2). Ist das Gericht jedoch nach seiner freien Beweiswürdigung davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt so wie angeklagt ereignet hat, und bestehen an dieser Überzeugung keine objektiv begründeten Zweifel, so hat es einen Beschuldigten zu verurteilen.
Beweislast
Als Beweislastregel bedeutet der Grundsatz in dubio pro reo, dass es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des Beschuldigten zu beweisen, und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss (SCHMID, Strafprozessrecht, 4. A., Zürich 2004, N 599; BGE 127 I 40). Ein Beschuldiger darf nie mit der Begründung verurteilt werden, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweis).
Mitwirkungspflicht des Beschuldigten
Wenn allerdings der Beschuldigte eine ihn entlastende Behauptung aufstellt, ohne dass er diese wenigstens in einem Mindestmass glaubhaft machen kann, findet der Grundsatz in «dubio pro reo» keine Anwendung. Es tritt nämlich insoweit eine Beweislastumkehr ein, als nicht jede aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung von der Anklagebehörde durch hiebund stichfesten Beweis widerlegt werden muss. Ein solcher Beweis ist nur dann zu verlangen, wenn gewisse Anhaltspunkte wie konkrete Indizien eine natürliche Vermutung für die Richtigkeit der entlastenden Behauptung sprechen bzw. diese zumindest als zweifelhaft erscheinen lassen, wenn der Beschuldigte sie sonstwie glaubhaft macht (Urteile des Bundesgerichts 1P.641/2000 vom 24. April 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 110,
E. 3 und 4; 6B_562/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 2.1; je mit Hinweisen; Urteil des Obergerichts ZH SB160176 vom 20. September 2016 E. III/3.3; TRECHSEL, SJZ 77 [1981] S. 320). Andernfalls könnte jede Anklage mit einer abstrusen Schutzbehauptung zu Fall gebracht werden.
Gleich ist auch die Rechtsprechung im Fall, wenn sich der Beschuldigte weigert, zu seiner Entlastung erforderliche Angaben zu machen, obschon eine Erklärung angesichts der belastenden Beweiselemente vernünftigerweise erwartet werden dürfte (Urteile des Bundesgerichts 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 1.6; 1P.641/2000 vom 24. April 2001, publ. in: Pra 90/2001 Nr. 110, E. 3 und 4; 6B_562/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 2.1; je mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. Februar 1996 in Sachen John Murray gegen Grossbritannien, Rz. 47ff.). Eine solche erklärungsbedürftige Situation ist zwar zurückhaltend anzunehmen, sie liegt aber vor, wenn die übrigen Beweismittel einen Schuldspruch sehr nahe legen und der gesunde Menschenverstand keinen anderen Schluss zulässt, als dass der Beschuldigte schweigt bzw. die nötigen entlastenden Angaben nicht macht, weil die belastenden Indizien eben nicht anders als mit der Schuld zu erklären sind (vgl. EGMR, Murray gegen Grossbritannien, Rz. 52 für die belastenden Indizien in jenem Fall; TRECHSEL, a.a.O., S. 359).
Mosaik von Indizien
Einzelne belastende Momente vermögen isoliert betrachtet die Schuld eines Beschuldigten oftmals nicht rechtsgenügend zu belegen. Die einzelnen Elemente sind jedoch stets gesamthaft zu würdigen. Erst wenn sich in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Beweismittel ein Bild ergibt, das nicht mehr als Summe von blossen Zufälligkeiten erklärt werden kann, darf sich das Gericht von einem Sachverhalt als überzeugt erklären. Das Bundesgericht hat verschiedentlich zutreffend festgehalten, dass die Gesamtheit einzelner Indizien als Mosaik zu würdigen ist (vgl. dazu BGE 133 I 33 E. 4.4.1-4.4.3; Pra 2004 Nr. 51 S. 256, Ziff. 1.4.; Pra 2002 Nr. 180 S. 962 f., Ziff. 3.4.).
Beweiswürdigung im konkreten Fall
In der Berufungsbegründung wie auch anlässlich der Berufungsverhandlung vertritt der Beschuldigte die Auffassung, es lägen keine Beweise gegen ihn vor, er sei nur aufgrund der Meinung der vorinstanzlichen Richterin verurteilt worden (Urk. 38; Prot. II S. 5-8; vgl. auch Urk. 49 S. 19). Dem ist nicht so. Die Vor-
instanz hat vielmehr in überzeugender Weise die eigenen Aussagen des Beschuldigten und sein Aussageverhalten gewürdigt (Urk. 35 S. 4-14). Die nachfolgenden Erwägungen können diese zutreffende Beweiswürdigung nur in andere Worte fassen allenfalls punktuell verdeutlichen ergänzen (Art. 82 Abs. 4 StPO).
Mit Verfügung des Strassenverkehrsamts des Kantons Zürich wurde dem Beschuldigten wegen einer schweren Widerhandlung gegen Strassenverkehrsvorschriften der Führerausweis für den Zeitraum vom 10. Juli 2014 bis 9. Oktober 2014 sowie vom 1. Dezember 2015 bis 31. August 2016 entzogen (Urk. D1/5). Anlässlich einer Patrouillenfahrt am Freitagnachmittag, dem 25. Dezember 2015, fiel der Kantonspolizei Zürich ein Personenwagen der Marke Nissan Navara auf, welcher bei der Vorfahrt zur Ankunft beim Flughafen Zürich verkehrsbehindernd parkiert war (Urk. D1/1 S. 2). Der Lenker sass bei angelehnter Türe auf dem Fahrersitz und wurde von der Polizei aufgefordert, ihnen bis zu einem ca. 250 Meter entfernten Kontrollpunkt nachzufahren, wo die Überprüfung der Personalien stattfand. Dabei stellte sich heraus, dass dem Lenker - dem Beschuldigten - der Führerausweis entzogen worden war. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, er sei trotz Entzug des Ausweises von zu Hause zum Flughafen gefahren (Anklage Urk. 14 S. 2). Der Beschuldigte machte demgegenüber geltend, er habe nur im Fahrzeug gewartet; gefahren sei eine Kollegin seiner (damaligen, vgl. Urk. 49 S. 1) Lebenspartnerin (so zuletzt Urk. 49 S. 5 ff.; Prot. II S. 5-8). Dieser Geschichte des Beschuldigten kann kein Glauben geschenkt werden.
Als erstes fällt ins Gewicht, dass der Beschuldigte gegenüber den kontrollierenden Polizeibeamten zunächst eine falsche Identität angab und zudem behauptete, er habe sein Portemonnaie mit dem Führerausweis zuhause vergessen (Urk. D1/1 S. 2). Bereits vor Ort konnte ihm dies widerlegt werden, da ihm die Polizeibeamten auf einem elektronischen Gerät ein Foto von ihm zeigten und weil das Portemonnaie mit der Identitätskarte im Fahrzeug des Beschuldigten sichergestellt werden konnte (Urk. D1/1 S. 2 und D1/2/1 Antwort 6). Der Beschuldigte gab zur Angabe der falschen Personalien keine glaubhafte Rechtfertigung an. In seiner Einvernahme vom 3. August 2016 machte er geltend, er habe der Polizistin
gesagt, er könne nicht fahren und habe dabei seine Hände verworfen (Urk. D1/2/3
S. 2). Die Polizeibeamtin habe darauf resolut, ja fast nötigend auf ein Folgen insistiert. Er habe quasi fast Angst bekommen, dass sie eine Waffe ziehe. Beim Nachfahren sei ihm dann durch den Kopf gegangen, dass er einfach hätte stehen bleiben sollen. Aus diesem Grund habe er dann auch den falschen Namen angegeben (ähnlich zuletzt auch Urk. 49 S. 5 ff.; Prot. II S. 5-8). Sinngemäss gibt der Beschuldigte damit zu, dass er wegen der fehlenden Fahrerlaubnis falsche Personenangaben machte. Mit der Aufforderung der Polizisten, ihnen nachzufahren mit einer Angst vor einem Waffeneinsatz hat dies jedenfalls nicht das Geringste zu tun, da die Angabe falscher Personalien nichts daran änderte. Es ging dem Beschuldigten auch nicht darum zu erklären, weshalb er die kurze Strecke dem Polizeiwagen folgte, denn er hätte dies leicht damit rechtfertigen können, dass er ja von der Polizei dazu aufgefordert worden war. Vielmehr gibt es nur eine vernünftige und lebensnahe Erklärung für die Angabe falscher Personalien: Der Beschuldigte wollte vertuschen, dass er bereits die Strecke von zu Hause bis zum Flughafen gefahren war, obschon ihm sein Führerausweis entzogen worden war.
In seiner ersten polizeilichen Befragung vom 25. Dezember 2015 verweigerte der Beschuldigte auf alle Fragen jegliche Antwort (Urk. D1/2/1). Dies ist selbstverständlich sein Recht und allein daraus kann noch nicht auf eine Schuld geschlossen werden. Trotzdem liegt aber die Frage auf der Hand, weshalb er anlässlich seiner ersten Befragung nicht bereits geltend machte, dass nicht er, sondern eine Kollegin das Auto gefahren habe. Schliesslich wären mit einem solchen Standpunkt keinerlei Nachteile verbunden gewesen und er hätte die Situation schnell zu seinen Gunsten geklärt.
In seiner Einvernahme vom 9. Juni 2016 machte der Beschuldigte dann nach dem Schlussvorhalt geltend, jemand anderer sei gefahren, ohne dass er einen konkreten Namen nannte (Urk. D1/2/2 S. 6). Es sei eine Kollegin seiner damaligen Lebenspartnerin gewesen. Er habe dies nicht bereits früher gesagt, weil diese Kollegin nichts mit der Polizei zu tun haben wolle. Sie sei Ausländerin und Deutsch könne sie auch nicht (Urk. D1/2/2). Dies ist eine reichlich vage und nicht glaubhafte Erklärung. Jeder der ein Auto fährt muss damit rechnen, dass er ein-
mal gelegentlich in eine polizeiliche Verkehrskontrolle gerät und seine Personalien überprüft werden. Daran ist weder etwas Ehrenrühriges, noch sind damit irgendwelche Nachteile verbunden. Kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, aufgrund einer solch lapidaren Verkehrskontrolle zu sagen, er habe etwas mit der Polizei zu tun. Es handelt sich ja nicht um eine kriminalpolizeiliche Untersuchung. Merkwürdig und deshalb unglaubhaft ist zudem diese Behauptung des Beschuldigten, weil er im Zeitpunkt der Kontrolle noch gar nicht wissen konnte, dass die Kollegin nichts mit der Polizei zu tun haben wollte. Schliesslich wusste die Kollegin zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Beschuldigte in eine Verkehrskontrolle geraten war, weil sie ja angeblich im Flughabengebäude weilte. Es ist jedenfalls völlig lebensfremd, dass die unbekannte Kollegin dem Beschuldigten gegenüber bereits im Voraus und ohne konkreten Anlass gesagt haben soll, sie wolle sich im Falle einer Verkehrskontrolle dann nicht ausweisen. Anlässlich der Berufungsverhandlung führte der Beschuldigte neu ins Feld, dass ihm seine damalige Freundin im Nachhinein, als er dann irgendwann wieder zu Hause gewesen sei, mitgeteilt habe, dass die angebliche Lenkerin nichts mit der Polizei zu tun haben wolle. Darauf angesprochen, dass er im Zeitpunkt der Polizeikontrolle folglich noch gar nicht wissen konnte, dass die Kollegin nichts mit dem Ganzen zu tun haben wolle, gab er Folgendes zu Protokoll: Nein. Sie hat mir das natürlich in den letzten SMS, bevor sie [gemeint: die Polizei] mir das Telefon weggenommen haben, geschrieben, sie würden mit dem Taxi nach Hause gehen. Sie waren stinksauer. Sie wollen nichts damit zu tun haben. Dann konnte ich aber nichts mehr schreiben, weil sie mir das Telefon wegnahmen. Sie sagte, ich dürfe nicht mehr schreiben (Urk. 49 S. 15). Auch diese Vorbringen vermögen in keiner Weise zu überzeugen. Nach der Darstellung des Beschuldigten selbst soll die Polizei nach deren Eintreffen ihn zur sofortigen Nachfahrt genötigt und ihm beim Kontrollpunkt das Handy abgenommen haben (vgl. Prot. II S. 5 f.; Urk. 49 S. 13 f.). Angesichts dieser zeitlichen Abläufe ist es völlig unglaubhaft, dass der Beschuldigte nach Eintreffen der Polizei zunächst seine Ex-Freundin telefonisch per SMS über die Polizeikontrolle informiert, sie ihrerseits die unbekannte Kollegin darüber in Kenntnis gesetzt und seine Ex-Freundin dann schliesslich die angebliche Reaktion der Kollegin, wonach sie damit nichts zu tun haben wolle, dem Beschuldigten übermittelt hätte. Diese Darstellung steht im Widerspruch zu der vom Beschuldigten geschilderten quasi überfallsartig, nötigend durchgeführten Polizeikontrolle.
In der Einvernahme von 3. August 2016 nannte der Beschuldigte dann erstmals den Namen der ominösen Lenkerin. Sie heisse B. . An der Berufungsverhandlung war er sich deren Namen dann allerdings nicht mehr so sicher (Diese B. C. , wie auch immer die hiess [ ], Urk. 49 S. 7).
Beschreiben konnte er die angebliche B.
nicht aussagekräftig (Urk. 49
S. 9). Der Nachname sei ihm nicht bekannt. Es sei eine Kollegin seiner damaligen Lebenspartnerin. Sie sei Ausländerin und einen Tag zuvor von Italien hergekommen. Er habe sie zuvor aber nicht gekannt (Urk. D1/2/3; so auch anlässlich der Berufungsverhandlung, Urk. 49 S. 6 ff.). Auf die Frage, wie diese Person kontaktiert werden könne, gab der Beschuldigte zu Protokoll: Puh, keine Ahnung. Also meines Wissens hat auch meine Lebenspartnerin keinen Kontakt mehr zwischenzeitlich. Soviel ich weiss, haben sie Lämpen miteinander, sie lebt glaube ich auch in Scheidung zurzeit. Ich habe keine Ahnung, meine Lebenspartnerin hat meines Wissens auch keinen Kontakt mehr zu ihr (Urk. D1/2/3; ähnlich zuletzt auch Urk. 49 S. 9-11). Auch dies ist eine völlig unglaubhafte Aussage. Zum einen soll besagte Kollegin beim Beschuldigten zuhause die Festtage bis zum 10. Januar 2016 verbracht haben (Urk. D1/3/3 S. 4; Urk. 49 S. 7 f. und 17), wobei sie gemeinsam verschiedene Ausflüge gemacht hätten, zum anderen will er deren Nachnamen irgendwelche Kontaktdaten nicht kennen. Immerhin hätte der Beschuldigte ein halbes Jahr Zeit gehabt, seine ehemalige Lebenspartnerin nach dem Namen der Kollegin und dieser für ihn entscheidenden Entlastungszeugin zu fragen. Kommt hinzu, dass das Verhältnis zu dieser Kollegin ja auch nach Darstellung des Beschuldigten zumindest bis 10. Januar 2016 noch gut war, weshalb es für diese Kollegin zumindest bis zu diesem Zeitpunkt ein Leichtes gewesen wäre, den Beschuldigten vom Vorwurf des Fahrens ohne Führerausweis zu entlasten, zumal dies für sie keinerlei Umtriebe Nachteile bedeutet hätte. Es passt nun aber zum offensichtlichen Bestreben des Beschuldigten, die angebliche Kollegin möglichst vage und nicht greifbar zu halten, dass er neuerdings behauptet, seit etwa einem Jahr auch keinen Kontakt mehr zu seiner ehemaligen Lebenspartnerin und keine Ahnung zu haben, wo diese sei (Urk. 49 S. 17). Auch der Umstand, dass besagte Kollegin der damaligen Lebenspartnerin des Beschuldigten, welche er selbst zuvor nicht gekannt haben will, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt beim Beschuldigten zu Hause aufkreuzte, als die damalige Lebenspartnerin selbst im Ausland weilte - der Beschuldigte gab an, er habe am Tattag seine damalige Lebenspartnerin zusammen mit deren Sohn, die von Spanien angekommen seien, am Flughafen abholen wollen (Urk. D1/2/3 S. 4; Urk. 49 S. 11) ist doch eher aussergewöhnlich und trägt nicht zur Glaubhaftigkeit der Darstellung des Beschuldigten bei.
Nach der Version des Beschuldigten sei er zusammen mit B. an den Flughafen gefahren. Er habe sie dort aufgefordert, an besagter Stelle zu halten und dann schauen zu gehen, bei welchem Terminal das Flugzeug seiner Lebenspartnerin ankomme (Urk. D1/2/3 S. 4; Prot. I S. 11; Urk. 49 S. 11 f.). Er habe gedacht, er bleibe besser beim Auto, eben weil dies nicht gerade very nice geparkt gewesen sei und möglicherweise die Polizei komme und B. dann nicht reden könne (Urk. D1/2/3; Urk. 49 S. 12). Auch dies eine unglaubhafte Darstellung. Der Beschuldigte führte selbst aus, dass B. Spanisch und Englisch gesprochen habe (Urk. D1/2/3 S. 4; Urk. 49 S. 8). Die Polizei hätte sich problemlos mit ihr verständigen können. Des Weiteren ist es doch eher ungewöhnlich zumindest unfreundlich, dass der Beschuldigte, der mit den hiesigen Verhältnissen vertraut ist, den Gast B. in das Flughafengebäude hinein geschickt haben will, um das Ankunftsterminal ausfindig zu machen. Viel üblicher wäre gewesen, dass der Beschuldigte B. , die das Auto ja gelenkt haben soll, geheissen hätte im Auto zu warten, während er sich ins Flughafengebäude begebe. Anlässlich der Hauptverhandlung lieferte der Beschuldigte dann eine andere Begrün- dung, weshalb er an seiner Stelle B. ins Flughafengebäude geschickt habe: Ihr Handy funktionierte nicht. Deshalb sagte ich ihr, dass ich im Auto warte und dass sie nachschauen solle (Prot. I S. 13). Was die Aufgabenteilung mit dem Handy zu tun haben soll, bleibt rätselhaft.
Ganz abgesehen davon bringt es auch nichts, das Ankunftsterminmal in Erfahrung zu bringen, denn sowohl die Zollkontrolle als auch der Ankunftsbereich
für Autos am Flughafen Kloten ist für alle Terminals derselbe; die Ausgänge liegen lediglich etwas gestaffelt in kurzer Gehdistanz. Viel massgebender wäre der genaue Zeitpunkt, wann die ankommenden Personen durch den Ausgang schreiten, damit sie dann sofort das Auto besteigen können, was der Beschuldigte nach eigenem Bekunden beabsichtigte (Urk. D1/2/3 S. 5). Der Beschuldigte war denn auch am Telefonieren mit seinem Handy, als die Polizei auf ihn aufmerksam wurde (Urk. D1/3 S. 4). Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass er mit seiner Lebenspartnerin sprach (was denn auch der Beschuldigte an der Berufungsverhandlung zu Protokoll gab, Urk. 49 S. 13), um den genauen Treffpunkt zu vereinbaren, wann und wo diese ins Auto steigen konnte.
Zu Recht hat die Vorinstanz auch auf den Widerspruch hingewiesen, wonach der Beschuldigte in der Einvernahme vom 25. Juli 2016 geltend machte, er habe beim Eintreffen der Polizei mit B. telefoniert (Urk. D1/2/3 S. 2; anders dann allerdings wieder in der Berufungsverhandlung, Urk. 49 S. 13), im Widerspruch dazu dann bei der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geltend machte, er habe B. in das Flughafengebäude geschickt, weil deren Handy nicht funktioniert habe (Prot. I S. 13).
Nicht für den Beschuldigten spricht der Umstand, dass ihn die Polizisten auf dem Fahrersitz sitzend antrafen, so wie es eben typisch ist für jemanden, der zuvor den Wagen gelenkt hat. Selbstverständlich ist es möglich, dass er auf den Fahrersitz gewechselt hatte, nachdem er B. in das Flughafengebäude geschickt haben will. Allerdings gibt es keinen vernünftigen Grund, vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz zu wechseln, da ihm das Lenken des Autos ja untersagt war
und er bei der Rückkehr von B.
ohnehin wieder hätte wechseln müssen.
Auch dieses Indiz ist allein betrachtet noch kein schlüssiger Beweis. Es wäre aber doch erstaunlich, wenn die Version des Beschuldigten der Wahrheit entspräche, aber alle Indizien auf das Gegenteil hindeuten.
Unwahrscheinlich ist die Geschichte des Beschuldigten auch durch den Umstand, dass die besagte B. dann spurlos auf dem Flughafen verschwunden sein soll, d.h. den Beschuldigten sangund klanglos bei seinem Auto zurückgelassen haben soll, obschon sie das Auto zuvor gelenkt haben soll und gewusst
habe, dass der Beschuldigte keinen Führerausweis hatte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung hätte sie den Beschuldigten im Ankunftsbereich der Autos gesucht und wäre zur Polizeikontrolle hinzugestossen. Sie hätte sich kaum einfach aus dem Staub gemacht. Dieser Umstand passt viel besser zur Version, wonach B. gar nicht existierte.
Abgerundet wird das Bild schliesslich durch die Motivlage. Der Beschuldigte wurde bereits rund zwei Jahre vor dem angeklagten Vorfall wegen Fahrens trotz Entzug des Führerausweises bestraft (Strafbefehl vom 21. Januar 2015, Urk. D1/11/1). Er hatte ein grosses Interesse, nicht erneut ins Visier der Strafbehörde zu gelangen. Dagegen ist kein vernünftiges Interesse der angeblichen Lenkerin des Autos, B. , erkennbar, sich nicht als Lenkerin des Autos auszugeben zu wollen, zumal sie nach Darstellung des Beschuldigten durchaus im Besitze eines Führerausweises gewesen sei (Urk. 49 S. 7).
Insgesamt bestehen keine Zweifel daran, dass der Beschuldigte sein Auto zum Flughafen gelenkt hatte. Dabei fallen vor allem die anfängliche Angabe einer falschen Identität ins Gewicht wie auch der Umstand, dass ausgerechnet der Name der angeblichen Entlastungszeugin nicht mehr genannt werden konnte, obschon diese Person zwei Wochen beim Beschuldigten und seiner damaligen Lebenspartnerin gewohnt haben soll. Auch dass der Beschuldigte keinerlei Kontaktdaten der Entlastungszeugin angeben konnte, ist völlig lebensfremd und spricht gegen ihn. Es wäre dem Beschuldigten ein Einfaches gewesen, seine Unschuld sofort an Ort und Stelle nachzuweisen, zumal dies für die behauptete Lenkerin keinerlei Nachteile nach sich gezogen hätte, wenn sie sich als Lenkerin ausgegeben hätte. Seinen oben unter E. III/2.3 dargestellten prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Beschuldigte in keiner Weise nachgekommen, indem er erst Monate nach dem Vorfall eine nicht mehr auffindbare unbekannte Entlastungszeugin präsentierte. Aufgrund der völlig unglaubhaften Angaben des Beschuldigten und seinem Aussageverhalten lässt sich kein anderer Schluss ziehen, als dass sich der Sachverhalt so ereignet hat, wie in der Anklageziffer 1.1. beschrieben.
Zur rechtlichen Würdigung kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 35 S. 14 f. E. 4.1.; Art. 82 Abs. 4 StPO). Der Beschuldigte wusste vom Entzug seines Führerausweises und hat wohl einfach darauf spekuliert, nicht in eine Verkehrskontrolle zu geraten.
Der Beschuldigte ist deshalb des vorsätzlichen Führens eines Motorfahrzeuges trotz Entzug des Führerausweises im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG schuldig zu sprechen.
Übergangsrecht
Per 1. Januar 2018 ist die Änderung des Strafgesetzbuches über das Sanktionenrecht in Kraft getreten. Grundsätzlich ist ein Täter gemäss Art. 2 Abs. 2 StGB nach dem geänderten Recht zu beurteilen, wenn dieses für ihn milder ausfällt.
Das neue Sanktionenrecht sieht in Art. 46 Abs. 1 StGB für den Fall eines Widerrufs vor, dass nunmehr zwingend eine Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB zu bilden ist, wenn die zu widerrufende und neue Strafe im konkreten Fall gleichartig sind. Neue und zu widerrufende Strafe sind folglich nicht kumulativ nebeneinander auszusprechen. Vielmehr ist in Anwendung des Asperationsprinzips gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB die für das schwerere Delikt festzusetzende Einsatzstrafe unter Einbezug der weiteren Tat (lediglich) angemessen zu erhöhen (vgl. dazu BGE 137 IV 57 E. 4.3.1). Die Anwendung des Asperationsprinzips bringt mit anderen Worten eine gewisse Privilegierung des Täters mit sich.
Wie zu zeigen sein wird, ist der vormals bedingt ausgefällte Geldstrafenvollzug zu widerrufen und für die hier zu beurteilende Tat eine unbedingte Geldstrafe auszufällen, mithin eine gleichartige Strafe wie die zu widerrufende Strafe.
Nachdem sich die Anwendung des Asperationsprinzips gemäss Art. 46 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 StGB (in der jetzt geltenden Fassung) für den Beschuldigten leicht milder auswirkt, gelangt insofern das neue Sanktionenrecht zur Anwendung.
Strafrahmen
Gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG i.V.m. Art. 34 und 40 StGB sowie dem Verschlechterungsverbot nach Art. 391 Abs. 2 StPO ist eine Strafe im Bereich von 3 bis 180 Tagen Geldstrafe festzusetzen.
Tatverschulden
Motivation des Gesetzgebers für die Bestimmung von Art. 95 SVG ist die abstrakte allgemeine Verkehrssicherheit. Führerausweisentzüge sind eine Sanktion für Fehlverhalten im Strassenverkehr, eine Art wirksamer Erziehungsmassnahmen. Bleiben solche Sanktionen von fehlbaren Lenkern unbeachtet, so würde dies über kurz lang zu Wildwest-Verhältnissen auf der Strasse und letztlich zu einer massiven Beeinträchtigung der allgemeinen Verkehrssicherheit führen. Wer solchen behördlichen Anordnungen keine Folge leistet, offenbart eine generelle Gleichgültigkeit gegenüber gesetzlichen Vorschriften im Strassenverkehr. Bleibt eine solche vorsätzliche Missachtung ohne spürbare Konsequenzen, wird letztlich das gesamte Strassenverkehrsrecht in seinen Grundpfeilern in Frage gestellt. Insofern handelt es sich bei einem Verstoss im Sinne von Art. 95 SVG nicht um ein blosses Bagatelldelikt, was bereits der hohe obere Strafrahmen von drei Jahren Freiheitsstrafe impliziert. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist demgegenüber bei Art. 95 SVG völlig irrelevant, ob der Fahrzeuglenker eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer herbeigeführt hat nicht (Urk. 35 S. 16). Dieser Umstand spielt für das Verschulden keine Rolle.
Massgebend für das objektive Tatverschulden ist demgegenüber die Länge bzw. die Dauer der vom Beschuldigten gefahrenen Strecke von seinem Wohnort D. am Zürichsee bis zum Flughafen. Dies ist keine kurze Strecke. Im Rahmen aller möglicher Tatvarianten sind aber auch weit schwerere denkbar, beispielsweise wenn jemand über Monate hinweg ohne Führerausweis ein Auto lenkt. In subjektiver Hinsicht fällt ins Gewicht, dass es sehr schnelle und häufige
Zugverbindungen zwischen D.
und dem Flughafen gibt. Es wäre für den
Beschuldigen leicht gewesen, öffentliche Verkehrsmittel ein Taxi zu benutzen. Er nahm sein Auto aus reiner Bequemlichkeit.
Insgesamt erscheint die von der Vorinstanz ausgefällte Einsatzstrafe von 40 Tagessätzen als angemessen.
Täterkomponenten
Es können die vorinstanzlichen Feststellungen im Wesentlichen wiederholt werden (Urk. 35 S. 17 E. 5.3): Der Beschuldigte ist 60 Jahre alt und wuchs in Zürich auf. Er besuchte die Primarschule und die Sekundarschule und absolvierte anschliessend eine Berufslehre als Maurer. Nach Abschluss der Lehre absolvierte er eine Weiterbildung als Polier und ist seither selbständig in diesem Beruf tätig. Sein Nettoeinkommen variiert zwischen Fr. 0.- und Fr. 10'000.-. Zur Zeit sei die Auftragslage schlecht, weshalb er vom Sozialamt mit Fr. 1'900.pro Monat unterstützt werde (Urk. 49 S. 5). Der Beschuldigte ist geschieden und hat zwei Söhne mit Jahrgängen 1990 resp. 1993, welche er finanziell nicht mehr unterstützen muss. Der Beschuldigte wurde verpflichtet, nachehelichen Unterhalt an seine ExFrau zu leisten, wobei er dieser Pflicht nach seinen eigenen Angaben aus finanziellen Gründen nicht nachkomme. Der Beschuldigte hat sich mittlerweile von seiner damaligen Lebenspartnerin getrennt und lebt alleine in einer Mietwohnung, für die er Fr. 2'400.pro Monat bezahlt (Urk. 49 S. 5). Seine Krankenkassenprämien betragen Fr. 400.pro Monat. Er hat Schulden im Umfang von ca. Fr. 80'000.bis Fr. 100'000.- (Prot. I S. 4 ff.; Urk. 49 S. 1 ff.). Aus dem Strafregisterauszug ist zudem ersichtlich, dass der Beschuldigte am 4. Oktober 2013 wegen einer groben Verkehrsregelverletzung und am 21. Januar 2015 bereits einmal wegen Fahrens trotz Entzug des Führerausweises bestraft wurde (Urk. 48). Weiter ist dem Auszug aus dem ADMAS zu entnehmen, dass der Beschuldigte am 17. September 2012 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verwarnt wurde und dass ihm der Führerausweis vom 10. Juli 2014 bis 9. Oktober 2014 wegen einer Geschwin-
digkeitsüberschreitung sowie vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. August 2016
wegen Fahrens trotz Entzug des Führerausweises entzogen wurde (Urk. D1/11/6). Die Probezeit der bedingten Geldstrafe vom 4. Oktober 2013 wurde um ein Jahr verlängert (Urk. D1/11/1).
Die beiden Vorstrafen, vor allem die einschlägige, wirken deutlich straferhöhend. Der Beschuldigte wurde bereits am 4. Oktober 2013 wegen vorsätzlichen Lenkens eines Fahrzeuges trotz Entzug des Führerausweises bestraft. Wer sich nach einer solchen Verurteilung wiederum vorsätzlich trotz Entzug des Führerausweises hinters Steuer setzt, und dies erst noch während laufender Probezeit, offenbart eine erhebliche Unbelehrbarkeit. Dieser Fall ist ganz anders zu beurteilen als jener, bei welchem der Täter die Lehren aus einer ersten Verurteilung gezogen hat und sich danach nichts mehr zu Schulden kommen lässt. Mit einer bloss leichten Straferhöhung von nur gerade 10 Tagen hat die Vorinstanz diesem gravierenden Umstand zu wenig Rechnung getragen. Auch die Strafmassempfehlungen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich sehen für einen Wiederholungstäter eine Mindeststrafe von 45 Tagessätzen vor. Zieht man weiter die Begehung während der Probezeit, die zweite Vorstrafe wegen grober Verkehrsregelverletzung und die fehlende Einsicht des Beschuldigten in Betracht, gelangt man zu einer Strafe von deutlich über 50 Tagessätzen. Wegen des Verschlechterungsverbots im Rechtsmittelverfahren bleibt es aber bei den vorinstanzlichen 50 Tagessätzen (Art. 391 Abs. 2 StPO). Der Beschuldigte ist nicht geständig, weshalb unter diesem Titel keine Strafminderung resultiert.
Tagessatzhöhe
Der Beschuldigte ist selbständig erwerbend. Er sendete zwar das Formular betreffend seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ein, machte darin aber keine zahlenmässige Angaben über seinen Verdienst (Urk. 44). Gemäss seinen Aussagen verdiene er zwischen Fr. 0.-bis Fr. 10'000.-im Monat (Prot. I S. 6). Wenngleich der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung zu Protokoll gab, dass er momentan kein Einkommen erziele, korrigierte er die vor Vorinstanz gemachten Aussagen zu seinem Einkommen nicht (dazu Urk. 49 S. 2). Er lebe alleine in seiner Wohnung, welche monatlich Fr. 2'400.-koste (Prot. I S. 7; Urk. 49 S. 5). Offenbar kann er sich auch einen Mittelklassewagen leisten. Seine beiden Kinder
müsse er nicht mehr finanziell unterstützen, seiner geschiedenen Frau schulde er noch eine Kapitalabfindung von total Fr. 80'000.-, welche in monatlichen Raten zu Fr. 1'250.zu tilgen sei, die er momentan nicht abzahlen könne (Prot. I S. 6; Urk. 49 S. 3 sinngemäss). An seinen finanziellen Verhältnissen hat sich im Vergleich zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung mit anderen Worten nichts Wesentliches verändert. Unter diesen Voraussetzungen erscheint der von der Vorinstanz festgesetzte Tagessatz von Fr. 60.-als angemessen.
Vollzug
Es kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 35 S. 19
E. 6). Der Beschuldigte ist zum dritten Mal innert dreier Jahre wegen eines Verkehrsdelikts zu verurteilen. Offenbar lässt er sich durch Geldstrafen, insbesondere durch bedingte, kaum beeindrucken. Zudem ist er nicht geständig, was auf mangelnde Einsicht schliessen lässt. Die Strafe ist deshalb zu vollziehen.
Dieselben Argumente, welche gegen einen bedingten Vollzug sprechen, sind auch bezüglich des Widerrufs des Vollzugs der ersten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 130.-vom 4. Oktober 2013 anzubringen. Mit Urteil vom 21. Januar 2015 wurde der Vollzug dieser Strafe nicht widerrufen, sondern lediglich eine Verlängerung der Probezeit angeordnet. Der Beschuldigte hat diese Chance nicht genutzt, obschon ihm der Vollzug zum zweiten Mal angedroht wurde. Deshalb ist auch die Vorstrafe zu vollziehen.
Wie einleitend erwähnt, ist mit der zu widerrufenden Strafe eine Gesamtgeldstrafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB zu bilden (vgl. Art. 46 Abs. 1 StGB). Nachdem sich für die hier zu beurteilende Tat unter Berücksichtigung sämtlicher Tatund Täterkomponenten eine Geldstrafe von deutlich über 50 Tagessätzen rechtfertigte, würde eine Gesamtstrafe selbst unter Berücksichtigung des Asperationsprinzips von klar über 60 Tagessätzen resultieren. Aufgrund des Verschlechterungsverbots (Art. 391 Abs. 2 StPO) hat es allerdings bei den
vorinstanzlich total festgelegten 60 Tagessätzen (neue und widerrufene Strafe) sein Bewenden.
Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung. Somit ist das erstinstanzliche Kostendispositiv zu bestätigen, und der Beschuldigte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (Art. 426 Abs. 1 StPO und Art. 428 Abs. 1 StPO).
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach vom 29. März 2017 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
1. [ ]
2. Vom Vorwurf der vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 37 Abs. 2 SVG und Art. 18 Abs. 2 lit. c VRV wird der Beschuldigte freigesprochen.
3.-9. [ ]
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
ist schuldig des Führens eines Motorfahrzeugs
trotz Entzug des erforderlichen Ausweises im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG.
Der bedingte Vollzug der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis vom 4. Oktober 2013 ausgefällten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 130.-wird widerrufen.
Der Beschuldigte wird unter Einbezug der widerrufenen Strafe bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 60.-als Gesamtstrafe.
Die Geldstrafe wird vollzogen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 6 und 7) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 3'000.--.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beschuldigten auferlegt.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
den Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland sowie in vollständiger Ausfertigung an
den Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich
(PIN Nr. )
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A und Formular B
die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis (z.H. Akten A-7/2013/3319).
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 8. Februar 2018
Der Präsident:
lic. iur. M. Langmeier
Der Gerichtsschreiber:
Dr. iur. F. Manfrin
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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