Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB170043 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 06.07.2017 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_908/2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Versuchte schwere Körperverletzung |
Zusammenfassung : | Es handelt sich um einen Gerichtsfall vor dem Obergericht des Kantons Zürich, bei dem es um eine versuchte schwere Körperverletzung geht. Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wovon 108 Tage bereits durch Haft verbüsst wurden. Es wurde eine ambulante Behandlung angeordnet, und der Beschuldigte muss die Gerichtskosten tragen. Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung haben Berufung eingelegt. Die Vorinstanz berücksichtigte einen Notwehrexzess strafmildernd. Es wurde festgestellt, dass der Beschuldigte eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung sowie ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol hat. Eine therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB wird empfohlen. Die Kosten des Verfahrens belaufen sich auf CHF 18'822.90 für die amtliche Verteidigung und CHF 9'413.95 für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung des Privatklägers. |
Schlagwörter : | Beschuldigte; Privatkläger; Beschuldigten; Privatklägers; Vorinstanz; Berufung; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verteidigung; Körper; Sinne; Gesicht; Aussagen; Notwehr; Urteil; Körperverletzung; Therapie; Verletzung; Zeuge; Behandlung; Gericht; Stoss; Freiheitsstrafe; Zeugen; Anklage; Massnahme; Person; ätzlich |
Rechtsnorm: | Art. 100 BGG ; Art. 122 StGB ; Art. 135 StPO ; Art. 138 StPO ; Art. 15 StGB ; Art. 16 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 350 StPO ; Art. 391 StPO ; Art. 400 StPO ; Art. 401 StPO ; Art. 42 StGB ; Art. 428 StPO ; Art. 48a StGB ; Art. 60 StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 134 IV 26; 135 IV 180; 138 IV 81; 139 IV 179; 141 IV 249; |
Kommentar: | Donatsch, Flachsmann, Hug, Weder, Kommentar zum schweizerischen Strafgesetzbuch, Zürich, Art. 22 StGB, 2010 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB170043-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur.
S. Hürlimann Winterhalter
Urteil vom 6. Juli 2017
in Sachen
Anklägerin und I. Berufungsklägerin
sowie
,
Privatkläger und III. Berufungskläger (Rückzug) unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
,
Beschuldigter und II. Berufungskläger sowie Anschlussberufungskläger amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 3. Juni 2016 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz :
(Urk. 64 S. 47 ff.)
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte B. ist schuldig der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 12 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 108 Tage durch Haft erstanden sind.
Die Freiheitsstrafe ist zu vollziehen.
Es wird eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) angeordnet.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zum Zweck der ambulanten Behandlung aufgeschoben.
Sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien werden der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung überlassen.
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger A. aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers A. wird abgewiesen.
Das Schadenersatzund Genugtuungsbegehren des Beschuldigten wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
CHF 6'000.00 ; die weiteren Kosten betragen: CHF 4'500.00 Gebühr Anklagebehörde
CHF 1'000.00 Auslagen OGZ, III. SK, betr. Haftbeschwerde
CHF 560.00 Kosten Kantonspolizei Zürich CHF 16'446.35 Gutachten/Expertisen etc. CHF 50.00 Auslagen Untersuchung CHF 699.40 Diverse Kosten
CHF 18'822.90 amtliche Verteidigung
CHF 9'413.95 unentgeltliche Rechtsverbeiständung Privatkläger Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens, einschliesslich derjenigen des Haftbeschwerdeverfahrens vor Obergericht, III. SK (Geschäfts-Nr. UB150131-O), ausgenommen jedoch diejenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers, werden dem Beschuldigten zu zwei Dritteln auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen.
Der amtliche Verteidiger wird mit CHF 18'822.90 (inkl. MwSt.) entschädigt. Diese Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung im Umfang von zwei Dritteln gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Der unentgeltliche Rechtsbeistand des Privatklägers wird mit CHF 9'413.95 (inkl.
MwSt.) entschädigt. Diese Kosten werden auf die Gerichtskasse genommen; vorbehalten bleibt eine Nachforderung im Umfang von zwei Dritteln gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
(Mitteilung)
15.-17. (Rechtsmittel)
Berufungsanträge:
(Prot. II S. 9 f.)
Der Staatsanwaltschaft:
Der Beschuldigte B. sei der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.
Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, unter Anrechnung der erstandenen Haft.
Im Übrigen sei das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 3. Abteilung, vom
19. September 2016 (DG160175) zu bestätigen (Dispositiv Ziff. 3 ff.).
Die Anträge des Beschuldigten / II. Berufungsklägers seien abzuweisen.
Der Verteidigung des Beschuldigten:
Das vorinstanzliche Urteil sei vollumfänglich aufzuheben.
Der Beschuldigte sei freizusprechen.
Dem Beschuldigten sei eine Genugtuung von Fr. 25'000.-- und Schadenersatz von Fr. 30'000.-zuzusprechen.
Ausgangsgemäss sei auf die Zivilforderungen nicht einzutreten.
Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zahlbar an den Rechtsvertreter, zuzüglich Mehrwertsteuer) für das erstund zweitinstanzliche Verfahren zu Lasten der Staatskasse.
Erwägungen:
Zum Verfahrensgang bis zum erstinstanzlichen Urteil kann auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Urk. 64 S. 4 f.).
Am 19. September 2016 meldeten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung im Anschluss an die Urteilseröffnung durch die Vorinstanz Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil an (Prot. I S. 23). Mit Eingabe vom
20. September 2016 meldete auch der Privatkläger Berufung an (Urk. 53). Nach
Zustellung des begründeten Urteils reichten die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft dem Obergericht ihre Berufungserklärungen ein (Urk. 65, Urk. 67). Die Verteidigung stellte gleichzeitig den Beweisantrag, es seien der Privatkläger
A.
sowie die Zeugen C. , D. , E.
und F.
durch die
Berufungsinstanz einzuvernehmen (Urk. 65). Die Staatsanwaltschaft stellte mit der Berufungsbegründung ihrerseits den Antrag, für den Beschuldigten sei umgehend Sicherheitshaft anzuordnen und es seien Therapie-/Behandlungsberichte sowie ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten einzuholen (Urk. 67 S. 2). Der Privatkläger zog indessen mit Eingabe vom 8. Februar 2017 seine Berufung zurück, wovon Vormerk zu nehmen ist (Urk. 72).
Mit Präsidialverfügung vom 10. Februar 2017 wurden dem Beschuldigten, dem Privatkläger sowie der Staatsanwaltschaft in Anwendung von Art. 400 Abs. 2 und 3 StPO sowie Art. 401 StPO je Kopien der Berufungserklärung der Gegenpartei zugestellt und Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erheben ein Nichteintreten auf die Berufungen zu beantragen. Zugleich wurde dem Beschuldigten und dem Privatkläger Frist angesetzt, um zu den Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, sowie dem Beschuldigten, um seine Beweisanträge zu begründen (Urk. 73). Die Stellungnahme und Begründung der Verteidigung ging am 14. Februar 2017 ein, in welcher sie gleichzeitig Anschlussberufung bezüglich der Berufung der Staatsanwaltschaft erklärte (Urk. 77). Der Privatkläger liess seinen Verzicht auf Stellungnahme und Erhebung von Anschlussberufung mitteilen (Urk. 96).
Mit Verfügung vom 14. Februar 2017 wurde die Eingabe der Verteidigung dem Privatkläger sowie der Staatsanwaltschaft zugestellt, unter Ansetzung einer Frist zur Stellungnahme dazu (Urk. 80). Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft ging am 3. März 2017 ein (Urk. 95).
Am 1. März 2017 fand die Haftanhörung mit dem Beschuldigten statt (Urk. 91), woraufhin der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Sicherheitshaft abgewiesen und dem Beschuldigten als Ersatzmassnahmen die Auflagen erteilt wurden, sich ärztlichen Behandlungen Kontrollen zu unterziehen und sich wöchentlich Urinproben abnehmen zu lassen (Urk. 93 S. 5).
Mit Präsidialverfügung vom 27. März 2017 wurden der Beweisantrag der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines ergänzenden psychiatrischen Gutachtens sowie derjenige der Verteidigung auf Einvernahme des Privatklägers A. sowie der Zeugen C. , D. , E. und F. abgewiesen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einholen eines Therapieberichts bei Dr. med.
G.
und Dr. med. H.
wurde hingegen gutgeheissen (Urk. 98 S. 3). Am
27. Juni 2017 ging der Therapiebericht Dr. med. G. ein (Urk. 105).
7. Zu Beginn der heutigen Berufungsverhandlung, zu welcher der Staatsanwalt lic. iur. U. Krättli, der Beschuldigte in Begleitung seines Verteidigers Rechtsanwalt
lic. iur. Y.
sowie Rechtsanwalt lic. iur. X.
als Rechtsvertreter des Privatklägers erschienen sind, waren keine Vorfragen zu entscheiden (Prot. II S. 10).
Umfang der Berufung
Der Beschuldigte verlangt mit seiner Berufung einen vollumfänglichen Freispruch und ficht damit das gesamte vorinstanzliche Urteil an (Urk. 65; Urk. 109). Damit ist das gesamte vorinstanzliche Urteil im Berufungsverfahren einer Überprüfung zu unterziehen.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den Schuldpunkt und die von der Vorinstanz ausgesprochene Strafe (Urk. 108).
Formelles
Soweit für die tatsächliche und die rechtliche Würdigung des eingeklagten Sachverhaltes auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen wird, so erfolgt dies in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO, auch ohne dass dies jeweils explizit Erwähnung findet.
Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die urteilende Instanz nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen muss (BGE 141 IV 249
E. 1.3.1; BGE 139 IV 179 E. 2.2; BGE 138 IV 81 E. 2.2, je mit Hinweisen). Die Berufungsinstanz kann sich somit auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken.
Anklageprinzip
Die Verteidigung bringt im Berufungsverfahren vor, die Vorinstanz gehe von einem nicht von der Anklage umfassten Vorwurf aus, wenn sie feststelle, der Beschuldigte habe dem Privatkläger die Frage nach seiner sexuellen Präferenz eher provokativ-unterstellend als fragend gestellt. Die Vorinstanz dürfe den Sachverhalt nicht nachbessern (Urk. 109 S. 4; Prot. II S. 12).
Es ist zwar zutreffend, dass in der Anklageschrift nicht wörtlich steht, der Beschuldigte habe dem Privatkläger die Frage nach seiner sexuellen Präferenz eher provokativ-unterstellend als fragend gestellt. Die Anklage geht jedoch davon aus, der Beschuldigte habe den Privatkläger als schwule Sau bezeichnet und ad maiore minus muss daher eine provokativ-unterstellende Frage nach der sexuellen Präferenz klar von der Anklage gedeckt sein. Es liegt somit keine Verletzung des Anklageprinzips vor.
Beweisanträge
Die Verteidigung stellte anlässlich der Berufungsverhandlung erneut den
Beweisantrag, es seien der Privatkläger A.
und die Zeugen C. ,
D. , E.
und F.
durch die Berufungsinstanz einzuvernehmen.
Diesen Beweisantrag stellte die Verteidigung jedoch nur für den Fall, dass von einem anderen Sachverhalt ausgegangen werde, als dies die Vorinstanz getan hat (Prot. II S. 11).
Das Gericht stützt sich bei der Beurteilung eines Falles auch auf die im Vorverfahren erhobenen Beweise (Art. 350 Abs. 2 StPO). Vorliegend sind alle von der Verteidigung genannten Personen im Verfahren bereits einvernommen worden und es ist kein formeller Mangel an den von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Einvernahmen ersichtlich. Ebenso sind inhaltlich keine wesentlichen Neuerungen zu erwarten, zumal der Vorfall nun bereits relativ lange zurückliegt. Schliesslich handelt es sich vorliegend auch nicht um ein Vier-Augen-Delikt, bei welchem es entscheidend auf den persönlichen Eindruck der aussagenden Person ankommt. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, dass das Berufungsgericht die von der Verteidigung genannten Personen erneut einvernimmt. Ergänzend kann auf die Erwägungen in der Präsidialverfügung vom 27. März 2017 verwiesen werden, mit welcher - unter anderem - die Beweisanträge des Beschuldigten bereits vorgängig einmal abgewiesen worden sind (Urk. 98).
Ausgangslage
Die Vorinstanz ist zurecht davon ausgegangen, dass aufgrund der Akten erstellt und unbestritten geblieben sei, dass der Beschuldigte am Abend des
August 2015 die I. Bar besucht und sich auch nach Mitternacht, also am
August 2015, noch dort aufgehalten habe. Dasselbe gelte für den Privatkläger. Unbestritten sei auch, dass der Beschuldigte und der Privatkläger im Verlaufe der Nacht aufeinandergetroffen und es schliesslich zur Eskalation gekommen sei, als sie sich einige Meter voneinander entfernt an der Bar des besagten Lokals befunden hätten. Der Beschuldigte habe anerkannt, dem Privatkläger mit einer Bierflasche einmal von vorne an den Kopf geschlagen bzw. gestossen zu haben, woraufhin der Privatkläger im Gesicht auf der linken Seite oberhalb des Auges geblutet habe (Urk. 64 S. 11).
Unklar ist hingegen der genaue Tathergang, insbesondere, wie die Verletzung des Privatklägers am Hinterkopf entstanden ist. Diesbezüglich ist der Sachverhalt nachfolgend zu erstellen.
Die Staatsanwaltschaft brachte vor, keine der befragten Personen habe von einer Drittperson gesprochen, nur der Beschuldigte habe zugeschlagen, niemand anders. Der Privatkläger sei auch nicht umgestürzt habe sich den Kopf irgendwo angeschlagen. Es sei zu betonen, dass das Verhalten des Beschuldigten mit seiner Flucht vom Tatort dazu geführt habe, dass der Sachverhalt schwieriger zu erstellen sei. Es könne nicht sein, dass man vom Tatort fliehe und über 10 Tage nach der Tat eine Verletzung am Schienbein präsentiere, welche angeblich in der Tatnacht entstanden und vom Privatkläger verursacht sein soll. Weiter habe niemand in der Bar einen Griff an den Hals des Beschuldigten gesehen, wohingegen mehrere Leute den versuchten Kopfstoss des Privatklägers gesehen hätten (Urk. 108 S. 2 ff.).
Die Verteidigung führt zum Tatgeschehen aus, es sei tatsächlich offensichtlich, dass der Privatkläger die Frage nach seiner sexuellen Orientierung als unerhörte Provokation aufgefasst habe. Daraus dürfe aber nicht geschlossen werden, dass es auch unterstellend-provokativ gemeint gewesen sei. Die Vorinstanz habe sodann bei der Sachverhaltserstellung noch zutreffend gewürdigt, dass der Stoss mit der Hand, in welcher er die Bierflasche hielt, erfolgt sei. Sie habe mithin festgehalten, dass der Stoss mit der Hand erfolgt sei. Bei der rechtlichen Würdigung sei die Vorinstanz dagegen davon ausgegangen, dass ein wuchtiger Stoss mit einer Glasflasche gegen das Gesicht des Privatklägers erfolgt sei. Die Art und Weise der Abwehrhandlung sei entscheidend. Als der Beschuldigte angegriffen worden sei, habe er sich instinktiv mit seiner stärkeren rechten Hand, in welcher sich das Bier befunden habe, gewehrt. Es könne keine Rede von einem Schlagen mit der Glasflasche sein. Vorliegend sei der abwehrende Stoss schnell und instinktiv erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass der Beschuldigte das Bier zum Trinken in seiner Hand gehalten habe, als er überraschend den abwehrenden Stoss habe vollführen müssen. Im Zweifel sei davon
auszugehen, dass er den Privatkläger mit der Hand getroffen habe (Urk. 109
S. 3 ff.).
Sachverhaltserstellung
Allgemeines
Die Vorinstanz hat die notwendigen Ausführungen zur Theorie der Aussagewür- digung gemacht, darauf kann verwiesen werden (Urk. 64 S. 12 f.). Im Weiteren hat sie die Aussagen sämtlicher einvernommenen Personen umfassend wiedergegeben, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls zu verweisen ist (Urk. 64 S. 14 ff.).
Verletzungen des Privatklägers
Der Privatkläger hat an der Stirn links, nahe der Nase durch die linke Augenbraue, zum Augenoberlied ausgerichtet, eine ca. 4 cm lange, in Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde mit vereinzelten, bis max. 0.5 cm langen, glattrandigen, oberflächlichen Ausläufern erlitten. Weiter hat er sich am Hinterkopf eine ca. 3 cm lange, quer zur Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde zugezogen. Die Verletzungen waren nicht lebensgefährlich und sind mit Ausnahme einer bleibenden Narbe wieder abgeheilt (Urk. 9/4; Urk. 9/8-10; Urk. 10/4; Urk. 5/3; Urk. 46 S. 10).
Glaubwürdigkeit der einvernommenen Personen
Die Vorinstanz hat zutreffend geschlossen, dass bei keiner der aussagenden Person die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt ist (Urk. 64 S. 13 f.).
Aussagen des Beschuldigten
Die Vorinstanz hat festgehalten, dass der Beschuldigte in sämtlichen Einvernahmen im Wesentlichen übereinstimmend aussagte (Urk. 64 S. 15 f.). Dies ist zutreffend. Zwar fällt auf, dass der Beschuldigte im Laufe der Untersuchung seine Handlungen etwas relativierte, indem er ausführte, er wisse nicht mehr, ob er den Privatkläger mit der Hand mit der Flasche getroffen habe (Urk. 3/3 S. 2).
Dies ist jedoch nicht als eigentlicher Widerspruch im Aussageverhalten zu bezeichnen. Insgesamt kann jedenfalls zur Erstellung des Anklagesachverhalts auf die Aussagen des Beschuldigten abgestellt werden.
Insofern ergibt sich, dass aufgrund der Aussagen des Beschuldigten als erstellt bezeichnet werden kann, dass er unter Verwendung einer Bierflasche mit Gewalt auf den Privatkläger eingewirkt und dessen Gesicht verletzt hat. Zuvor hatte er den Privatkläger gefragt, ob er schwul sei, woraufhin der Privatkläger zu ihm hingetreten und ihn angegangen war.
Aussagen des Privatklägers
Auf die Aussagen des Privatklägers kann grundsätzlich ebenfalls abgestellt werden, zu beachten ist jedoch mit der Vorinstanz, dass der Privatkläger im Tatzeitpunkt deutlich alkoholisiert gewesen war (über 1.56 Promille, vgl. Urk. 11/3), was einerseits Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Angaben weckt, andererseits Erinnerungslücken erklärt. Auffallend ist sodann, dass der Privatkläger sein Verhalten als tadellos darstellt, er sei gegenüber dem Beschuldigten nicht tätlich geworden, er sei nur vor ihn hingestanden (Urk. 4/1 S. 2 f.; Urk. 4/2 S. 4; 6). Demgegenüber belastet er auch den Beschuldigten nicht übermässig, indem er zum einen weder genaue Angaben über die gegen ihn ausgeteilten Schläge machen konnte, und zum anderen noch von einer dritten beteiligten Person spricht (Urk. 4/2 S. 5 ff.). Auf die Aussagen des Privatklägers kann grundsätzlich abgestellt werden, wobei aufgrund seines Rauschzustandes eine gewisse Zurückhaltung bei der Würdigung angezeigt ist.
Aussagen des Zeugen C.
Der Zeuge C.
machte grundsätzlich glaubhafte Aussagen. Es fällt jedoch
auf, dass er seine Aussagen im Laufe des Verfahrens bei zwei zentralen Punkten zugunsten des Beschuldigten abschwächte. In der ersten Einvernahme konnte er einen Schlag des Beschuldigten mit der Flasche gegen den Privatkläger noch ziemlich genau beschreiben, während er in der zweiten Einvernahme ausführte, er habe einen Schlag gehört und hernach die blutende Verletzung beim Privatkläger gesehen (Urk. 6/6 S. 3 ff.). Weiter relativierte er in der zweiten Einvernahme, er sei nicht sicher, ob der Ausdruck schwule Sau gefallen sei, es könne auch eine Frage in diese Richtung gewesen sein (Urk. 6/6 S. 6).
Aussagen der Zeugin D.
Auch auf die Aussagen der Zeugin D.
kann grundsätzlich abgestellt werden, wobei auch sie zum genauen Tathergang keine detaillierten Angaben machen kann.
Aussagen des Zeugen E.
Die Aussagen des Zeugen E.
sind zur Erstellung des Anklagesachverhalt
wenig hilfreich, da er erklärte, zur Zeit der Auseinandersetzung nicht anwesend gewesen zu sein.
Aussagen der Zeugin F.
Die Aussagen der Zeugin F. weisen keine nennenswerte Widersprüche auf, weshalb grundsätzlich auf sie abgestellt werden kann.
Würdigung der Aussagen
Mit der Vorinstanz kann gestützt auf sämtliche Aussagen nicht erstellt werden, dass der Beschuldigte den Privatkläger schwule Sau genannt hätte. Als erstellt bezeichnet werden kann jedoch, dass der Beschuldigte den Privatkläger auf provozierende Art danach gefragt hatte, ob er schwul sei (Urk. 64 S. 22). Dass die Frage des Beschuldigten, wie er anlässlich der Berufungsverhandlung ausführte (Urk. 107 S. 8), so gemeint gewesen sei, um dem Privatkläger sozusagen den Weg für ein coming out zu ebnen, erscheint lebensfremd und als nachgeschobener Beschönigungsversuch. Der Beschuldigte musste vielmehr damit rechnen, dass der Privatkläger diese Frage als Provokation auffassen könnte.
Sämtliche Zeugen und auch der Beschuldigte führten sodann aus, dass der Privatkläger auf diese Provokation so reagiert habe, dass er den Beschuldigten an-
gerempelt und versucht habe, ihm einen Kopfstoss (Schwedenkuss) zu verpassen, wobei er den Beschuldigten im Halsoder Brustbereich getroffen habe.
Weiter hat die Vorinstanz zutreffend geschlossen, dass zugunsten des Beschuldigten davon ausgegangen werden muss, dass er vom Privatkläger gegen das Schienbein getreten worden war. Der Privatkläger bestreitet dies zwar, allerdings sind seine Angaben zu seinem eigenen Tun in der Tatnacht mit Vorsicht zu wür- digen, zumal bereits erstellt werden konnte, dass er den Beschuldigten entgegen seiner Darstellung als Reaktion auf dessen Provokation angerempelt hatte, was er selbst in Abrede stellte. Die Sachdarstellung des Beschuldigten, welche er mit einer Fotografie (Urk. 3/2/1) und einem Arztbericht (Urk. 12/3) untermauert, erscheint sodann plausibel (Urk. 64 S. 23) und wird auch von keinem der Zeugen ausgeschlossen. Da der Fokus sämtlicher Zeugen offenbar auf den Kopf-
/Brustbereich der Parteien gerichtet war, ist nicht weiter verwunderlich, dass keiner der Zeugen einen Tritt gegen das Schienbein des Beschuldigten beschreiben konnte, zumal der Kopfstoss und der Fusstritt etwa zeitgleich erfolgt sein müssen.
Der Vorinstanz ist hingegen zu widersprechen, wenn sie zugunsten des Beschuldigten auch ein Packen mit einer Hand am Hals durch den Privatkläger als erstellt erachtet. Dass keiner der Zeugen, welche den Kopfstoss durch den Privatkläger beobachten konnten, ein Packen am Hals, welches zeitlich unmittelbar darauf erfolgt sein soll, beschrieben hat, erscheint seltsam. Zudem ist auch das Aussageverhalten des Beschuldigten zu diesem Packen am Hals wenig zuverlässig. Der Beschuldigte berichtet immer vom Kopfstoss und dem Tritt gegen das Schienbein. Auch an der Berufungsverhandlung erwähnte er ein Packen am Hals nicht von selbst, sondern erst auf Nachfrage (Urk. 107 S. 10). Die von der Vorinstanz als Indiz für die Richtigkeit der Ausführungen des Beschuldigten angeführte Schwellung am Hals rührt zudem offensichtlich vom Kopfstoss durch den Privatkläger her, was der Beschuldigte heute erneut bestätigte (Urk. 107 S. 9), und spricht damit keineswegs für ein Packen am Hals. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass ein Packen am Hals des Beschuldigten durch den Privatkläger nicht erstellt werden kann.
Durch das Geständnis des Beschuldigten ist sodann erstellt, dass er dem Privatkläger einmal eine Bierflasche von vorne gegen dessen Kopf geschlagen/gestossen hat, womit er die Verletzung im Gesicht des Privatklägers verursacht hat (Urk. 3/1 S. 3 f.; Urk. 107 S. 7 ff.). Es ist dabei davon auszugehen, dass der Beschuldige den Privatkläger nicht nur relativ sanft mit der Hand traf, wie die Verteidigung darzulegen versuchte (Urk. 109), sondern die Verletzung im Gesicht des Privatklägers zeugt doch von einer ziemlich wuchtigen Einwirkung mit einer Glasflasche.
Ein weiterer Schlag gegen den Hinterkopf des Privatklägers bzw. ein Wurf der Flasche durch den Beschuldigten kann sodann aufgrund der Aussagen aller Beteiligten nicht erstellt werden. Der Privatkläger selbst kann über die Anzahl der erlittenen Schläge keine Angaben machen, was wie erwähnt auf seinen Rauschzustand zurückzuführen ist. Schliesslich konnte auch keiner der Zeugen das Geschehen so genau beobachten, dass er die zweite Verletzung des Privatklägers am Hinterkopf erklären könnte. Sowohl der Zeuge C. als auch E. wollen letztlich fast nichts gesehen haben. Die Zeugin D.
konnte sodann zwar
einen Schlag des Beschuldigten beobachten, jedoch nicht angeben, wie oft zugeschlagen worden sei. Die Zeugin F. hat als einzige von einem Flaschenwurf gesprochen, was jedoch mit Verweis auf die zutreffende Begründung durch die Vorinstanz verworfen werden kann, zumal die Zeugin D. , welche das Geschehen aus derselben Perspektive mitbekommen hatte, keinen solchen Flaschenwurf schilderte (Urk. 64 S. 25). Keine der aussagenden Personen kann damit Aufschluss darüber geben, weshalb der Privatkläger zwei Kopfverletzungen erlitt.
Die Ausführungen der Vorinstanz zur Dritttäterhypothese können sodann übernommen werden (Urk. 64 S. 25 f.). Auch vor diesem Hintergrund kann der Anklagesachverhalt nicht weitergehend erstellt werden.
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass gestützt auf die vorhandenen Beweismittel der folgende Sachverhalt gemäss Eventualanklage als erstellt bezeichnet werden kann: Der Beschuldigte und der Privatkläger besuchten in der Tatnacht die I. Bar in Zürich. Die beiden trafen im Verlaufe der Nacht aufeinander. Schliesslich kam es zur Eskalation, als sie sich einige Meter voneinander entfernt an der Bar des besagten Lokals befanden. Der Beschuldigte sagte zum Privatkläger eher provokativ-unterstellend als fragend etwas im Sinne von bist du schwul, worauf der Privatkläger zum Beschuldigten hinging und ihn zur Rede stellte. Dabei trat er nahe an den Beschuldigten heran, rempelte ihn an bzw. machte eine Stossbewegung mit seinem Kopf gegen den Beschuldigten, wobei er ihn am Oberkörper im Halsoder Brustbereich traf. Beim Anrempeln trat der Privatkläger dem Beschuldigten zudem gegen das rechte Schienbein. In der Folge führte der Beschuldigte willentlich mit der Hand, in welcher er eine Bierflasche hielt, einen wuchtigen Stoss gegen das Gesicht des Privatklägers. Der Privatkläger erlitt dadurch an der Stirn links, nahe der Nase durch die linke Augenbraue, zum Augenoberlied ausgerichtet, eine ca. 4 cm lange, in Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde mit vereinzelten, bis max. 0.5 cm langen, glattrandigen, oberflächlichen Ausläufern.
Ausgangslage
Die Staatsanwaltschaft würdigt in der Anklageschrift das Verhalten des Beschuldigten als versuchte schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB
i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB. Die Vorinstanz sprach den Beschuldigten entsprechend schuldig, ging aber vom Vorliegen eines Notwehrexzesses des Beschuldigten im Sinne von Art. 16 Abs. 1 StGB aus.
Die Verteidigung macht geltend, es liege keine versuchte schwere Körperverletzung vor. Die Vorinstanz behaupte, dem Beschuldigten sei die hohe Gefährlichkeit seiner Abwehrhandlung bekannt gewesen, auch sei dies allgemein bekannt. Dem könne nicht gefolgt werden. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass ein einmaliger Stoss mit der Hand, in welcher sich ein Bier befinde, Mund, Nase die Augen verstümmeln unbrauchbar machen würde. Auch sei es nicht sehr wahrscheinlich, dass nach diesem einmaligen Abwehrstoss das Gesicht direkt bleibend und schwer entstellt sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, die
schwere Körperverletzung sei derart wahrscheinlich gewesen, dass der Beschuldigte nicht mehr auf deren Nichteintreten habe vertrauen dürfen. Die Abwehr durch den Beschuldigten sei sodann verhältnismässig gewesen (Urk. 109 S. 7 ff.).
Versuchte schwere Körperverletzung
Gemäss Art. 122 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt, wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ Glied eines Menschen verstümmelt ein wichtiges Organ Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers der körperlichen geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht.
Der Privatkläger wies an der Stirn links, nahe der Nase durch die linke Augenbraue, zum Augenoberlied ausgerichtet, eine ca. 4 cm lange, in Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde mit vereinzelten, bis max. 0.5 cm langen, glattrandigen, oberflächlichen Ausläufern auf (Urk. 10/4). Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Lebensgefahr für den Privatkläger und es resultierte aufgrund des Stosses mit der Flasche auch keine der anderen schweren Schädigungen im Sinne von Art. 122 StGB. Somit ist der Taterfolg - das heisst eine Schädigung i.S.v. Art. 122 StGB - nicht eingetreten und der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. Folglich ist zu prüfen, ob eine versuchte schwere Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB vorliegt.
Ein Versuch gemäss Art. 22 Abs. 1 StGB liegt dann vor, wenn der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende führt wenn der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht eintritt dieser nicht eintreten kann. Um zu bestimmen, ob ein Versuch vorliegt ob es sich bloss um straflose Vorbereitungshandlungen handelt, bedient sich das Bundesgericht der Schwellentheorie. Danach beginnt der Täter mit der Ausführung der Tat, wenn er den letzten entscheidenden Schritt vollzieht, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt (point of no return), es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiter-
verfolgung der Absicht erschweren verunmöglichen (Donatsch, in: Donatsch/ Flachsmann/Hug/Weder, Kommentar zum schweizerischen Strafgesetzbuch, Zürich 2010, N 7 zu Art. 22).
Dass es sich beim Kopf eines Menschen um einen sehr sensiblen Körperteil handelt, ist allgemein bekannt und gerichtsnotorisch. Wird nun mit einer Glasflasche ungebremst gegen den Kopf bzw. das Gesicht einer Person eingewirkt, was der Beschuldigte erstelltermassen getan hat, so hat er offensichtlich den entscheidenden Schritt zu einer möglichen schweren Körperverletzung vollzogen und auch alles dafür getan, den verpönten Erfolg eintreten zu lassen. Der Beschuldigte traf den Privatkläger nahe am Auge und räumte dazu auch ein, dass er nicht habe ausschliessen können, den Privatkläger tatsächlich am Auge zu treffen (Urk. 107 S. 15). Zudem bestand die Möglichkeit, dass die Glasflasche durch den Schlag zerbricht. Damit war das Vorgehen des Beschuldigten in jedem Fall geeignet, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen, nämlich durch eine Entstellung des Gesichts den Verlust das Unbrauchbarmachen eines Auges Somit ist von einem vollendeten Versuch einer schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB auszugehen. Die objektiven Voraussetzungen hierfür sind erfüllt.
Ein Versuch gemäss Art. 22 Abs. 1 StGB setzt Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale voraus; soweit der Straftatbestand nicht eine abweichende Vorsatzform erfordert, genügt dabei Eventualvorsatz (Donatsch/ Tag, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 8. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2006, S. 131). Der Tatbestand der schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB setzt in subjektiver Hinsicht keine besondere Vorsatzform voraus, weshalb Eventualvorsatz genügt (Rehberg/Schmid/Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2008, S. 43 f.).
Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen hat, muss das Gericht bei Fehlen eines Geständnisses der beschuldigten Person aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser
die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2. mit Hinweisen). Wer unvermittelt und mit erheblicher Wucht mit einer Glasflasche gegen den Kopf seines Gegners einwirkt, kann und muss wissen, dass damit beim Opfer ohne weiteres ein lebensgefährlicher Zustand schwere bleibende Schädigungen verursacht werden könnten. Diese Schlussfolgerung ist auch aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung eines durchschnittlichen Erwachsenen unumstösslich. Der Beschuldigte anerkannte in diesem Zusammenhang, dass man durch den Stoss mit einer Glasflasche in das Gesicht Schnittverletzungen erleiden ein Auge verlieren könnte (Urk. 3/1 S. 9 f.). Der Beschuldigte kann nicht ernsthaft darauf vertraut haben, nur eine einfache Körperverletzung zu bewirken. Die Wahrscheinlichkeit von schweren Verletzungen war derart gross und das Ausmass der Pflichtverletzung derart eklatant, dass die Verhaltensweise des Beschuldigten nicht anders interpretiert werden kann, als dass er zumindest in Kauf genommen hat, dem Privatkläger lebensgefährliche anderweitig schwere Verletzungen im Sinne von Art. 122 StGB zuzufügen. Auch die Art und Weise der Tatbegehung gezielter Stoss gegen das Gesicht des Privatklägers lässt keine anderen Schlüsse zu. Wer jemandem eine Glasflasche mit einer Intensität ins Gesicht schlägt, dass daraus eine grössere Wunde resultiert, nimmt auch in Kauf, dass die Flasche zerbricht und eine bleibende Entstellung des Gesichts das Unbrauchbarmachen eines wichtigen Organs zur Folge haben kann. Somit nahm der Beschuldigte ohne Zweifel lebensgefährliche bzw. schwere Verletzungen beim Privatkläger durch seine Handlungen in Kauf und handelte damit eventualvorsätzlich.
Durch sein Verhalten hat der Beschuldigte demnach den Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB. Schuldausschlussgründe liegen keine vor. Der Beschuldigte beruft sich hingegen auf das Vorliegen einer Notwehrsituation.
Notwehr
Die Vorinstanz hat die notwendigen theoretischen Ausführungen zur Notwehr im Sinne von Art. 15 StGB, zur Absichtsprovokation sowie zum Notwehrexzess im Sinne von Art. 16 StGB gemacht. Darauf kann verwiesen werden (Urk. 64 S. 31 f.).
Der Privatkläger versuchte den Beschuldigten erstelltermassen mit dem Kopf zu stossen und trat ihn gegen das Schienbein. In diesem Vorgehen des Privatklägers ist ein rechtswidriger, unmittelbarer Angriff im Sinne von Art. 15 StGB auf die körperliche Unversehrtheit des Beschuldigten zu sehen, weshalb das Vorliegen einer Notwehrsituation zu bejahen ist.
Diesem Angriff ging indes voran, dass der Beschuldigte zum Privatkläger provokativ-unterstellend etwas im Sinne von bist du schwul gesagt hatte. Diese Frage war für den Privatkläger offenbar ärgerlich und herausfordernd, was der Beschuldigte in Kauf nahm, wobei er jedoch nicht mit der vorstehend beschriebenen Reaktion des Privatklägers rechnen musste. Dem Beschuldigten kann mithin keine absichtliche Provokation des Privatklägers unterstellt werden, weshalb er sich uneingeschränkt auf sein Notwehrrecht berufen kann.
Daher stellt sich letztlich die Frage, ob die Abwehrhandlung des Beschuldigten wuchtiger Stoss mit einer Bierflasche gegen das Gesicht des Privatklägers verhältnismässig war nicht.
Der Beschuldigte war durch den Angriff des Privatklägers sicherlich irritiert, wurde aber nicht ernsthaft verletzt, auch wenn von einer relativ starken Einwirkung des Privatklägers auf den Beschuldigten gesprochen werden kann. Als Reaktion darauf versuchte der Beschuldigte zunächst den Privatkläger gemäss eigenen An-
gaben und den Aussagen der Zeugin F.
verbal zu beschwichtigen. Dann
versetzte er dem Privatkläger einen wuchtigen Stoss mit der Bierflasche ins Gesicht. Eine solche Reaktion kann nun nicht mehr als verhältnismässig bezeichnet werden. Der Beschuldigte nahm wie aufgezeigt durch sein Handeln beim Privatkläger äussert schwerwiegende Verletzungen in Kauf, während er selbst durch den Angriff des Privatklägers kaum Verletzungen erlitt und insofern auch keine
solchen zu befürchten hatte, als der Angriff mit blossen Händen erfolgte und der körperlich unterlegene Privatkläger mit einem Blutalkoholgehalt von über 1.56 ‰ deutlich betrunken war (Urk. 10/4 S. 2; Urk. 11/3). Sodann wäre ihm ohne weiteres offen gestanden, sich ohne Einsatz der Flasche zu wehren Hilfe von den übrigen Gästen der Bar in Anspruch zu nehmen. Es kann keine Rede davon sein, dass der Privatkläger den Beschuldigten fortgesetzt angegriffen und ihm so allein schon aus zeitlichem Aspekt keine Wahlmöglichkeit zu seiner Verteidigung gelassen hätte. Der Beschuldigte hätte sich für einen weniger gravierenden Eingriff in die körperliche Integrität des Privatklägers entscheiden müssen, zumal ein solcher aufgrund des alkoholisierten Zustands und der körperlichen Unterlegenheit des Privatklägers durchaus ausreichend gewesen wäre. Dies anerkennt der Beschuldigte selbst (Urk. 49 S. 11). Mit der Vorinstanz hat der Beschuldigte nach dem Gesagten die Grenzen der rechtfertigenden Notwehr nach Art. 15 StGB überschritten.
Mit der Vorinstanz ist sodann nicht von einem entschuldbaren Notwehrexzess im Sinne von Art. 16 Abs. 2 StGB auszugehen (Urk. 64 S. 34). Dass der Beschuldigte in entschuldbarer Aufregung Bestürzung über den Angriff durch den Privatkläger gehandelt hätte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere war es der Beschuldigte selbst, der durch eine völlig unnötige provokative Frage die Situation zur Eskalation brachte. Auch wenn er sich sodann durch die Reaktion des Privatklägers bedroht gefühlt haben mag, ist seine Handlung nicht entschuldbar.
Es liegt somit ein Notwehrexzess im Sinne von Art. 16 Abs. 1 StGB vor, womit die Strafbarkeit des Beschuldigten nicht aufgehoben ist. Dem Notwehrexzess als Strafmilderungsgrund ist hernach im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
Ausgangslage
Die Vorinstanz hat die theoretischen Grundlagen zur Strafzumessung zutreffend wiedergegeben, worauf zu verweisen ist (Urk. 64 S. 35 f.). Mit der Vorinstanz liegen keine aussergewöhnlichen Umstände vor, welche eine Erweiterung des ordentlichen Strafrahmens gebieten würden. Die Strafmilderungsgründe des Versuchs und des Notwehrexzesses sind innerhalb des ordentlichen Strafrahmens strafmindernd zu berücksichtigen, wobei der Versuch als verschuldensunabhängige Komponente erst nach Festsetzen einer Einsatzstrafe für das hypothetisch vollendete Delikt zu thematisieren ist.
Für das vom Beschuldigten begangene Delikt ist vorliegend von einem ordentlichen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen auszugehen (Art. 122 StGB).
Die Staatsanwaltschaft legte dar, die Vorinstanz habe bezüglich der subjektiven Tatschwere in geradezu extremem Mass den Notwehrexzess strafmildernd berücksichtigt. Die Reduktion aufgrund der subjektiven Tatschwere sei nicht nachvollziehbar, völlig unverständlich und absolut nicht angemessen. Weiter sei die einschlägige Vorstrafe deutlich straferhöhend zu werten (Urk. 108 S. 4 f.).
Tatkomponente
In objektiver Hinsicht ist festzuhalten, dass der Beschuldigte die Bierflasche gezielt gegen das Gesicht des Privatklägers einsetzte, wobei er nicht zu einem Schlag ausholte, sondern aus der Abwehr heraus zustiess. Der Beschuldigte entfernte sich jedoch nach der einzelnen gegen den Privatkläger geführten Stossbewegung und liess von diesem ab. Das objektive Verschulden für das mutmasslich vollendete Delikt kann gleichwohl keinesfalls als leicht qualifiziert werden.
Der Beschuldigte handelte sodann eventualvorsätzlich, und ihm kann auch zugute gehalten werden, dass er aus der Situation heraus handelte und der Tat keine Planung voranging. Ebenfalls ist beim Beschuldigten eine leicht verminderte Schuldfähigkeit zu verzeichnen (Urk. 14/14 S. 63), welche leicht strafmindernd wirkt. Das subjektive Verschulden vermag das objektive daher etwas zu relativieren.
Das Mass der Verschuldensreduktion für den Notwehrexzess hängt davon ab, wie stark das Notwehrrecht überschritten wird. Wesentlich ist demnach, in welcher Weise und in welchem Ausmass der Täter die Grenzen der Notwehr überschreitet (Mathys, Leitfaden Strafzumessung, N 147). Vorliegend wurde der Beschuldigte vom Privatkläger gegen das Schienbein getreten, mit dem Kopf gegen den Hals geschlagen und angerempelt, wobei die Gewalteinwirkung durch den erheblich betrunkenen Privatkläger als moderat bezeichnet werden kann. Ausserdem war es der Beschuldigte, der durch seine provozierende Frage an den Privatkläger massgeblich zur Eskalation der Situation beitrug. Das vom Beschuldigten gewählte Abwehrverhalten - Einsatz einer Bierflasche gegen das Gesicht des Privatklägers - überschreitet die Grenzen zur rechtmässigen Notwehr indessen nicht erheblich. Der Beschuldigte hatte die Bierflasche bereits in der Hand, als der Angriff durch den Privatkläger erfolgte. Dem Beschuldigten wären allerdings alternative Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, zumal die Bedrohung durch der Privatkläger nicht als derart unmittelbar und schwer bezeichnet werden kann, dass dem Beschuldigten keine Zeit blieb, besonnen zu handeln. Ausserdem war der Beschuldigte nicht allein, sondern hätte mit grösster Wahrscheinlichkeit auf die Hilfe der anwesenden anderen Gäste in der Bar zählen kön- nen. Eine Barmitarbeiterin bewegte sich bereits auf die Kontrahenten zu um zu schlichten. Insgesamt ist aufgrund des Notwehrexzesses eine spürbare Verschuldensreduktion angezeigt.
Einsatzstrafe
Das Gesamtverschulden für das mutmasslich vollendete Delikt ist daher gerade noch als leicht einzustufen, was einer Einsatzstrafe im Bereich des unteren Drittels des ordentlichen Strafrahmens bzw. einer Freiheitsstrafe von rund 15 Monaten entspricht.
Versuch
Als verschuldensunabhängige Tatkomponente muss berücksichtigt werden, dass es beim Versuch geblieben ist (Art. 22 i.V.m. Art. 48a StGB). Dies ist jedoch nicht dem Beschuldigten allein anzurechnen, sondern es ist in erster Linie
dem Zufall zu verdanken, dass beim Privatkläger keine deutlich gravierenderen Verletzungen entstanden sind. Insbesondere traf der Beschuldigte den Privatkläger nur unweit des linken Auges (Urk. 2/2 S. 8), was im gegebenen dynamischen Geschehen unmöglich zu kontrollieren war. Gleichwohl lag der tatbestandliche Erfolg recht fern und hat dem Beschuldigen nicht etwa z.B. durch weitere Schläge insistiert. Das Vorliegen eines Versuchs führt zu einer merklichen Reduktion der Strafe.
Täterkomponente
Zum Lebenslauf des Beschuldigten kann auf die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (Urk. 64 S. 37). Anlässlich der Berufungsverhandlung führte der Beschuldigte aus, er sei immer noch auf Arbeitssuche, habe sich aber auch beim Sozialamt angemeldet, da er mittlerweile ausgesteuert sei. Im übrigen besuche er regelmässig die Therapiesitzungen bei Dr. G.
und Dr. H.
(Urk. 107). Aus den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten ergibt sich nichts, was bei der Strafzumessung ins Gewicht fallen würde.
Der Beschuldigte ist einschlägig vorbestraft, weist jedoch im Gegensatz zum Stand vor Vorinstanz heute nur noch eine Vorstrafe auf. Am 11. Mai 2010 wurde der Beschuldigte wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung verurteilt. Dem Strafbefehl ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte am 28. November 2009 um ca. 23.00 Uhr anlässlich einer zunächst verbalen Auseinandersetzung einem Geschädigten zweimal den rechten Ellbogen ins Gesicht schlug, wodurch dieser Schmerzen im Kiefergelenk sowie einen vorübergehenden Tinnitus erlitt. Einem weiteren Geschädigten drückte der Beschuldigte wenige Minuten später eine brennende Halogen-Ständerlampe zweimal ins Gesicht und schlug diesen anschliessend mit der Lampe und mehrmals mit den Fäusten gegen den Kopf, wodurch sich der Geschädigte Verbrennungen im Gesicht, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf, eine Gehirnerschütterung sowie eine Nasenbeinfraktur zuzog. Dieses Vorgehen des Beschuldigten weist eine deutliche Ähnlichkeit mit der heute zu beurteilenden Tat auf. Diese Vorstrafe ist erheblich straferhöhend zu werten.
Der Beschuldigte flüchtete zunächst vom Tatort und stellte sich erst, nachdem er zur Verhaftung ausgeschrieben worden war (Urk. 18/1-3). Daraufhin zeigte sich der Beschuldigte von Beginn weg teilweise geständig, wobei ihm die belastenden Zeugenaussagen bekannt waren. Dennoch wirkt das Geständnis leicht strafreduzierend. Der Beschuldigte rechtfertigte sein Verhalten zwar bis zuletzt als dem Vorliegen einer Notwehrsituation angemessen und liess entsprechend Einsicht und Reue vermissen, wobei er andererseits Krankheitseinsicht zeigt und regelmässig zur Therapie geht, was insgesamt als positives Nachtatverhalten zu werten ist. Aufgrund des positiven Nachtatverhaltens ist eine weitere merkliche Reduktion der Strafe angezeigt.
Nach Berücksichtigung, dass es bei einem Versuch geblieben ist und nach Würdigung der Täterkomponenten ist die festgesetzte Einsatzstrafe auf 12 Monate zu reduzieren.
Strafart
Bei diesem Strafmass (12 Monate) ist zu entscheiden, ob eine Geldstrafe eine Freiheitsstrafe auszusprechen ist.
Im Strafbereich von 6 bis 12 Monaten kommen nebeneinander Geldstrafe und Freiheitsstrafe in Betracht (Art. 34 Abs. 1 und Art. 40 Satz 1 StGB). Der Beschuldigte erwirkte bei seiner ersten Verurteilung wegen eines ähnlich gelagerten Sachverhalts eine Geldstrafe. Dieser Sanktion ist offenbar nicht die erwünschte nachhaltige Wirkung zuteil geworden. Unter diesen Umständen und auch angesichts der heute zu beurteilenden Tat erscheint es als angemessen, den Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe zu belegen. Der Anrechnung der erlittenen Haft steht nichts entgegen.
Bei einer Strafhöhe von 12 Monaten sind die objektiven Voraussetzungen für einen bedingten teilbedingten Vollzug ohne Weiteres erfüllt.
In subjektiver Hinsicht kann dem Beschuldigten jedoch keine gute Prognose gestellt werden, dies in erster Linie gestützt auf das psychiatrische Gutachten. Beim Beschuldigten wurde eine einfache Aktivitätsund Aufmerksamkeitsstörung, ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol diagnostiziert sowie das deliktsrelevante Persönlichkeitsmerkmal des Aggressionsfokus festgestellt (Urk. 14/14 S. 62). Es bestehe eine deutliche Rückfallgefahr für Gewaltdelikte, die sich inzwischen aufgrund der eingehaltenen Alkoholabstinenz und des guten Einstiegs in die delikt-
orientierte Behandlung bei Dr. med. G.
auf ein langfristig moderates bis
deutliches Niveau habe senken lassen (Urk. 14/14 S. 57 ff. und S. 63). Gemäss
aktuellem Bericht von Dr. med. G.
werde das Rückfallrisiko den leichten
Therapiefortschritten entsprechend mittlerweile als moderat eingeschätzt, wobei die Fortführung der Behandlung zu empfehlen sei (Urk. 105 S. 2). Der psychiatrische Gutachter empfiehlt eine therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB. Aufgrund dieser im Gutachten fachärztlich attestierten Massnahmebedürftigkeit ist dem Beschuldigten mit Blick auf Art. 42 StGB eine ungünstige Legalprognose zu stellen (BGE 135 IV 180 E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_342/2010 vom 9. Juli 2010 E. 3.5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_71/2012 vom 21. Juni 2012 E. 6). Damit hat die Vorinstanz die ausgesprochene Strafe zurecht für vollziehbar erklärt (Urk. 64 S. 39 f.).
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen zur Anordnung einer Massnahme zutreffend wiedergegeben (Urk. 64 S. 40 f.). Die Staatsanwaltschaft beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils (Urk. 108 S. 1).
Hinsichtlich der Massnahmebedürftigkeit des Beschuldigten verwies die Vorinstanz auf das überzeugende forensisch-psychiatrische Gutachten von
med. pract. J.
(Urk. 14/14), aus welchem hervorgeht, dass beim Beschuldigten zum Tatzeitpunkt eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung, ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol sowie das deliktsrelevante Persönlichkeitsmerkmal des Aggressionsfokus festgestellt wurde (Urk. 14/14 S. 62). Die
Massnahmebedürftigkeit des Beschuldigten ist mit der Vorinstanz somit klar gegeben (Urk. 64 S. 41).
Zur Massnahmefähigkeit des Beschuldigten ist festzuhalten, dass gemäss Gutachter beim Beschuldigten mittels einer erfolgreichen Behandlung die Gefahr neuerlichen Straftaten deutlich gesenkt werden könne. Das derzeit bereits installierte therapeutische Setting sei als geeignet anzusehen, um das Ziel der Verminderung der Rückfallgefahr erreichen zu können (Urk. 14/14 S. 64 f.). Gemäss
aktuellen Therapiebericht von Dr. med. G.
sei das Rückfallriskio aufgrund
von Therapiefortschritten mittlerweile moderat (Urk. 105 S. 2), was für die Wirksamkeit der Behandlung spricht. Die Massnahmefähigkeit des Beschuldigten ist somit ebenfalls ohne Weiteres gegeben.
Der Gutachter empfiehlt in erster Linie eine therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB. Sollte eine solche Massnahme scheitern, müsste die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 60 StGB in Betracht gezogen werden. Da die derzeit laufenden Behandlungen beim Beschuldigten offenbar bereits eine positive Wirkung zeigen und trotz vereinzelten Therapieausfällen und
Rückfällen mit Alkoholkonsum gemäss Dr. med. G.
eine stationärpsychiatrische Behandlung nicht indiziert erscheine (Urk. 105 S. 2), spricht alles für die Durchführung einer Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB. Eine solche erweist sich ohne Weiteres als verhältnismässig.
Schliesslich ist der Beschuldigte mit der Durchführung einer ambulanten Behandlung einverstanden, womit auch die Massnahmewilligkeit gegeben ist.
Nach dem Gesagten ist somit eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) anzuordnen und der Vollzug der Freiheitsstrafe ist zu diesem Zweck aufzuschieben.
Mit der Vorinstanz sind sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung zu überlassen (Urk. 64 S. 43).
Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Pri-
vatkläger A.
aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wurde der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers wies die Vorinstanz ab (Urk. 64 S. 44 f.).
Den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zur Schadenersatzpflicht des Beschuldigten ist nichts hinzuzufügen (Urk. 64 S. 44).
Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers ist im Berufungsverfahren bereits aus prozessualen Gründen abzuweisen (Art. 391 Abs. 2 StPO), weshalb darauf nicht mehr weiter einzugehen ist.
Vorinstanzliches Verfahren
Da die Staatsanwaltschaft in diesem Punkt eine Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils verlangt, ist das vorinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv entsprechend zu bestätigen, auch wenn grundsätzlich eine volle Kostenauflage zulasten des Beschuldigten angezeigt wäre.
Berufungsverfahre n
Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf Fr. 3'000.festzusetzen.
Der amtliche Verteidiger ist antragsgemäss mit Fr. 8'100.-- (Urk. 110) und der unentgeltliche Vertreter des Privatklägers mit Fr. 400.-zu entschädigen (Urk. 103).
Die Kosten für den Therapiebericht von Dr. med. G.
belaufen sich
auf Fr. 250.- (Urk. 104). Hinzu kommen sodann die im Rahmen der angeordneten Ersatzmassnahmen entstanden Laborkosten in der Höhe von Fr. 169.- (Urk. 113), welche aus kanzleitechnischen Gründen versehentlich nicht in das Urteilsdispositiv aufgenommen wurden, was hiermit nachzuholen ist. Daraus erwächst dem Beschuldigten kein Rechtsnachteil, da für den Beginn der Rechtsmittelfrist die Zustellung des begründeten Entscheids massgebend ist (Art. 100 Abs. 1 BGG).
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der Beschuldigte unterliegt mit seiner Berufung vollumfänglich. Die Staatsanwaltschaft unterliegt betreffend Schuldpunkt und Strafe ebenfalls. Es rechtfertigt sich daher ausgangsgemäss, dem Beschuldigten die Kosten zur Hälfte aufzuerlegen und zur Hälfte auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers sind einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei eine Nachforderung für die Hälfte der Kosten vorbehalten bleibt (Art. 135 Abs. 4, Art. 138 Abs. 1 und Art. 426
Abs. 4 StPO).
Es wird beschlossen:
Vom Rückzug der Berufung des Privatklägers A. nommen.
wird Vormerk ge-
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Gegen kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte ist schuldig der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.
Der Beschuldigte wird bestraft mit 12 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 108 Tage durch Untersuchungsund Sicherheitshaft erstanden sind.
Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.
Es wird eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) angeordnet.
Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zum Zweck der ambulanten Behandlung aufgeschoben.
Sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien werden der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung überlassen.
Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger
aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers A. wird abgewiesen.
Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Ziff. 10-13) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft, werden dem Beschuldigten zur Hälfte auferlegt und zur Hälfte auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten für die die Hälfte dieser Kosten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 und Art. 138 Abs. 1 StPO vorbehalten.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (übergeben)
die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und die Privatklägerschaft
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
die Vertretung des Privatklägers (im Doppel für sich und die Privatklägerschaft)
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste
die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A
die KOST Zürich mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungsund Löschungsdaten
das Forensische Institut Zürich, Referenz-Nr. / , gemäss Disp.- Ziffer. 6.
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Zürich, 6. Juli 2017
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. S. Hürlimann Winterhalter
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