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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB160381: Obergericht des Kantons Zürich

In dem Gerichtsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, ging es um den Vorwurf mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern. Der Beschuldigte wurde freigesprochen, da die Beweise nicht ausreichten, um die Anklage zu bestätigen. Die Zivilklage der Privatklägerin wurde auf den Zivilweg verwiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden auf die Gerichtskasse genommen. Die Genugtuung für den Beschuldigten wurde bestätigt. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB160381

Kanton:ZH
Fallnummer:SB160381
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB160381 vom 11.04.2017 (ZH)
Datum:11.04.2017
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_1035/2017
Leitsatz/Stichwort:Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern
Schlagwörter : Privatklägerin; Aussage; Beschuldigte; Aussageverweigerung; Vorinstanz; Aussageverweigerungsrecht; Berufung; Beschuldigten; Recht; Urteil; Aussagen; Befragung; Urteils; Einvernahme; Gericht; Staatsanwalt; Vertreter; Staatsanwaltschaft; Sinne; Mitwirkung; Auskunftsperson; Mitwirkungsverweigerungsrecht; Befragende; Verfahren; Beweis; Verteidigung; Gerichtskasse
Rechtsnorm:Art. 140 StPO ;Art. 141 StPO ;Art. 147 StPO ;Art. 152 StPO ;Art. 154 StPO ;Art. 158 StPO ;Art. 169 StPO ;Art. 180 StPO ;Art. 181 StPO ;Art. 402 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB160381

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB160381-O/U/dz

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Burger, Präsident, Oberrichterin Dr. Janssen und Ersatzoberrichterin lic. iur. Mathieu sowie der Gerichtsschreiber

lic. iur. Höfliger

Urteil vom 11. April 2017

in Sachen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. Wieser,

Anklägerin und Erstberufungsklägerin

sowie

1. A. ,

Privatklägerin und Zweitberufungsklägerin 2. B. ,

Privatklägerin

1 vertreten durch MLaw X1.

gegen

C. ,

Beschuldigter und Berufungsbeklagter

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

betreffend mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung, vom 23. Juni 2016 (DG160074)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 28. Januar 2016 ist diesem Urteil beigeheftet (HD Urk. 18).

Urteil der Vorinstanz:

  1. Der Beschuldigte ist der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Zivilklage der Privatklägerin 1 wird auf den Zivilweg verwiesen.

  3. Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz.

  4. Das Honorar der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 1 beträgt Fr. 4'000.-.

  5. Das Honorar des amtlichen Verteidigers beträgt Fr. 7'884.55.

  6. Die Kosten des Vorverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, inklusive derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Privatklägerin 1, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  7. Dem Beschuldigten werden Fr. 9'000.als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

Berufungsanträge:

  1. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich: (Urk. 83 S. 1)

    1. Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 23. Juni 2016.

    2. Schuldigsprechung des Beschuldigten der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB.

    3. Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.

    4. Anrechnung der erstandenen Haft von 89 Tagen Dauer.

    5. Vollzug der Freiheitsstrafe.

    6. Entscheid über die Zivilansprüche der Privatklägerschaft.

    7. Auflage der Verfahrenskosten (inkl. Barauslagen und Gebühr des Vorverfahrens im Gesamtbetrage von Fr. 9'441.65).

  2. Der Vertreterin der Privatklägerin 1: (Urk. 84 S. 1)

    1. Es sei der Freispruch gemäss Ziff. 1 des vorinstanzlichen Urteils aufzuheben und der Beschuldigte sei im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen.

    2. Es sei in Abänderung von Ziff. 2 des vorinstanzlichen Urteils der Beschuldigte zu verpflichten, die nicht gedeckten Kosten der Psychologin, lic. phil. D. , in der Höhe von Fr. 300.zu bezahlen.

    3. Es sei in Abänderung von Ziff. 2 des vorinstanzlichen Urteils festzustellen, dass der Beschuldigte aus den angeklagten Straftathandlungen gegenüber der Privatklägerin 1 dem Grundsatz nach schadenersatzpflichtig ist.

    4. Es sei der Beschuldigte in Abänderung von Ziff. 2 des vorinstanzlichen Urteils zu verpflichten, der Privatklägerin 1 eine Genugtuung von

      Fr. 12'000.zu bezahlen.

    5. Eventualiter seien die Zivilforderungen (Schadenersatz und Genugtuung) auf den Zivilweg zu verweisen.

    6. Unter ausgangsgemässer Anpassung der Kostenund Entschädigungsfolgen.

  3. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 85 S. 1)

    1. Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerin 1 seien abzuweisen.

    2. Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie der amtlichen Verteidigung seien auf die Gerichtskasse zu nehmen.

      Erwägungen:

      1. Verfahrensgang

        Gegen das eingangs wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 10. Abteilung, vom 23. Juni 2016 meldeten die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom

        28. Juni 2016 und die Vertreterin der Privatklägerin 1 mit Eingabe vom 29. Juni 2016 Berufung an (Urk. 47; Urk. 51). Das vollständig begründete Urteil (Urk. 58) wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der Vertreterin der Privatklägerin 1 am 25. August 2016 entgegen genommen (Urk. 57/1 und Urk. 57/3). Mit Eingaben vom 13. September 2016 reichten die Staatsanwaltschaft und die Vertreterin der Privatklägerin 1 die Berufungserklärungen ein (Urk. 59 und 60). Mit

        Präsidialverfügung vom 21. September 2016 wurde unter Hinweis auf die Berufungserklärungen der Staatsanwaltschaft und der Privatklägerin 1 Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung bzw. zum Antrag auf Nichteintreten auf die Berufung angesetzt (Urk. 63). Mit Eingabe vom 23. September 2016 teilte Rechtsanwältin lic. iur. X2. mit, dass sie die Privatklägerin 2 nicht mehr vertrete (Urk. 65), und mit E-Mail vom 30. September 2016 auf entsprechende Nachfrage

        des Gerichtes hin, dass mit der Privatklägerin 2 vereinbart worden sei, dass diese keine Anschlussberufung erhebe (Urk. 65 und 66). Mit Eingabe vom 13. Oktober 2016 liess die Privatklägerin 1 beantragen, dass dem urteilenden Gericht eine Person des gleichen Geschlechts angehöre und dass sie für den Fall einer weiteren Befragung von einer Person gleichen Geschlechts zu befragen sei (Urk. 67). Ferner liess sie den Antrag stellen, dass die Publikumsund Medienöffentlichkeit von der Berufungsverhandlung und der zweitinstanzlichen Urteilseröffnung vollständig auszuschliessen sei, eventualiter, dass allfällige vom Gericht zugelassene Medienvertreter mit der Auflage zu belegen seien, die nötigen Schutzvorkehrungen zu treffen, damit ihre Identität und ihr familiäres sowie örtliches Umfeld weder bekannt gegeben würden noch durch die Umstände der Berichterstattung (in Wort und Bild) identifizierbar seien. Schliesslich liess sie den Antrag stellen, eine allfällige Medienorientierung durch das Gericht habe anonymisiert und in einer Form zu erfolgen, welche keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen zulasse (Urk. 67). Mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 wurde die Publikumsöffentlichkeit von der Berufungsverhandlung und von der zweitinstanzlichen Urteilser- öffnung ausgeschlossen. Die akkreditierten Gerichtsberichterstatter wurden unter der Auflage zur Berufungsverhandlung und zur zweitinstanzlichen Urteilseröffnung zugelassen, dass die Identität der Privatklägerin 1, der Privatklägerin 2 und des Beschuldigten nicht veröffentlicht werden dürfe und dass in der Berichterstattung jegliche Angaben zu unterlassen seien, die Rückschlüsse auf die Identität der Privatklägerinnen und des Beschuldigten erlauben würden, wie insbesondere Namensnennungen Nennung der korrekten Initialen, Nennung von Wohnort, Tatort, Schulort und Beifügen von Fotos der Beteiligten (Urk. 71). Die ursprünglich auf den 14. Februar 2017 angesetzte Berufungsverhandlung wurde aufgrund eines Unfalls der Vertreterin der Privatklägerin 1 resp. einer daraus resultierenden

        Verhandlungsunfähigkeit auf den heutigen Tag verschoben (Urk. 74 und 76/1-2; Prot. II S. 8 ff.). Das Verfahren ist spruchreif.

      2. Prozessuales
        1. Gemäss Art. 402 StPO hat die Berufung im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird somit im Umfang der Berufungsanträge gehemmt, während die von der Berufung nicht erfassten Punkte in Rechtskraft erwachsen (vgl. BSK StPO-Eugster, Art. 402 N 1 f.).

        2. Die Staatsanwaltschaft erklärte, die Berufung nicht zu beschränken (Urk. 59

          S. 1); die Privatklägerin 1 liess die Dispositivziffern 1 und 2 des vorinstanzlichen Urteils anfechten und verlangte eine ausgangsgemässe Anpassung der Kostenund Entschädigungsfolgen (Urk. 60 S. 2). Demnach ist keine Dispositivziffer des erstinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen.

        3. Die Verteidigung stellte anlässlich der Berufungsverhandlung den Antrag, es sei eine psychiatrische Untersuchung der Privatklägerin 1 betreffend ihre Urteilsfähigkeit bezüglich ihres Aussageverweigerungsrechts anzuordnen, falls das Berufungsgericht den Schluss der Vorinstanz, dass die entsprechende Urteilsfähigkeit vorgelegen habe, nicht teile (Urk. 82). Wie zu zeigen sein wird, erweist sich dieser Beweisantrag als obsolet (unten Ziff. III.6.4.).

      3. Schuldpunkt
        1. Wie die Vorinstanz zutreffend zusammenfasste (Urk. 58 S. 6), wird dem Beschuldigten vorgeworfen, seine damals achtjährige Tochter, die Privatklägerin 1, im Zeitraum von ca. April bis ca. Ende Juni 2015 zumindest monatlich anlässlich von Besuchswochenenden jeweils am Abend, als sie zu Bett ging bereits zu Bett gegangen war, mit Massageöl am entblössten Körper massiert und dabei auch ihr Gesäss sowie den Bereich ihrer Vulva massiert zu haben. Ferner habe er sich unbekleidet von seiner Tochter mit Massageöl massieren lassen und dabei auch von ihr verlangt, dass sie seinen Penis massiere. Dem sei die Privatklägerin 1 nachgekommen, wobei sich der Penis auch erigiert habe. Dabei habe er gewusst, dass es sich bei der Privatklägerin 1 um ein Kind unter 16 Jahren handelte und dass den gegenseitigen Massagen des Intimbereichs und des Gesässes jeweils eine sexuelle Bedeutung zukam zumindest damit gerechnet (Urk. 18 S. 2).

        2. Der Beschuldigte war während des gesamten Verfahrens in den wesentlichen Punkten ungeständig. Zwar erklärte er, er habe seine Tochter gelegentlich an den Beinen, Unterschenkeln und Oberschenkeln bis zu den hochgezogenen Pyjama-Hosen sowie am Oberkörper massiert und dabei ein Mal auch Babyöl verwendet. Dass er die Privatklägerin 1 Im Intimbereich massiert habe, stellte er aber durchwegs in Abrede. Ferner stritt er ab, dass die Privatklägerin 1 ihn massiert habe (Urk. 3/1 S. 3 ff.; Urk. 3/2 S. 3 ff.; Urk. 3/3 S. 4 ff.; Prot. I S. 13 ff.).

          1. Die Anklage stützt sich in erster Linie auf die Aussagen der Privatklägerin 1 in den Videobefragungen vom 26. Juni und vom 24. September 2015 (Urk. 5/1, Urk. 5/5, Urk. 5/6 und Urk. 5/8). Daneben liegen als Beweismittel die Aussagen der Privatklägerin 2 anlässlich ihrer Befragung als polizeiliche Auskunftsperson vom 17. Juni 2015 (Urk. 4) sowie anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung als Auskunftsperson (Urk. 39), ein Laborund ein Arztbericht (Urk. 6/3 und Urk. 6/6), ein Bericht der Psychotherapeutin der Privatklägerin 1 vom 31. Mai 2016 (Urk. 40/2) sowie die Kopie eines Briefes der Privatklägerin 1 an den Beschuldigten (Urk. 38) vor.

          2. Umstritten ist die Verwertbarkeit der Aussagen der Privatklägerin 1 anlässlich der beiden Videobefragungen vom 26. Juni und 24. September 2015. Der Verwertbarkeit der übrigen genannten Beweismittel steht nichts entgegen.

        4. Die Vorinstanz kam zum Schluss, das Recht zur Aussageverweigerung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StPO stelle ein höchstpersönliches Recht dar, über dessen Ausübung der urteilsfähige Minderjährige selber entscheide (Urk. 58 S. 8). Die Privatklägerin 1 sei im Zeitpunkt der Befragungen vom 26. Juni und 24. September 2015 diesbezüglich urteilsfähig gewesen, weshalb die Ausübung des Aussageverweigerungsrechts nicht an die gesetzliche Vertreterin habe abgetreten

        werden können (Urk. 58 S. 10 f.). Ihr Aussageverhalten anlässlich der zweiten Videobefragung sei klar und unmissverständlich als Aussageverweigerung zu werten. Mehrmals habe sie verbal, aber auch anhand ihrer Körpersprache unzweideutig zu verstehen gegeben, dass sie die Fragen, welche das Massieren an intimen Körperstellen von ihr des Beschuldigten nicht beantworten wolle. Dabei habe sie sich wiederholt ausdrücklich und direkt auf das ihr vorgehaltene Aussageverweigerungsrecht berufen. Zudem zeigten auch ihre Antworten zu den

        • ungeachtet des geltend gemachten Aussageverweigerungsrechts beharrlich gestellten Fragen, dass sie nicht habe aussagen wollen. So habe sie immer wieder erklärt, es nicht mehr zu wissen pauschale Antworten gegeben, um keine konkreten Belastungen machen zu müssen. Dabei gelte auch zu berücksichtigen, dass sich die Privatklägerin an einem für sie fremden Ort befunden habe und von einer fremden Person befragt worden sei. Dadurch sowie aufgrund des jungen Alters und ihrer Unerfahrenheit habe sie sich gegenüber der Befragerin in einer schwächeren Position befunden. Unter diesen Umständen seien an die Geltendmachung des Aussageverweigerungsrechts keine hohen Anforderungen zu stellen. Ihr wiederholt geäusserter Wunsch sei durch das Weiterführen der Befragung zu intimen Bereichen in schwerem Masse missachtet worden, sei doch ihre Unterlegenheit und kindliche Nachgiebigkeit zugunsten der Interessen der Strafverfolgung ausgenützt worden. Aus der Befragung werde deutlich, dass sich die Privatklägerin 1 während der langen Einvernahme bedrängt gefühlt und verbal wie nonverbal gegen die Befragung opponiert habe. In dieser Befragung sei das prozessual grundlegende Aussageverweigerungsrecht der Privatklägerin 1, welches ein massgebliches Element des fairen Verfahrens darstelle, wiederholt missachtet worden. Ihre Einvernahme vom 24. September 2015 könne daher als Ganzes für die Beweiswürdigung nicht verwertet werden (Urk. 58 S. 14 f).

            1. Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Berufung im Wesentlichen damit, dass es sich entgegen der Meinung der Vorinstanz beim Aussageverweigerungsrecht nicht um ein absolut, sondern um ein relativ höchstpersönliches Recht handle. Sei der Inhaber des Rechts urteilsfähig, werde es durch ihn selber dessen von ihm bezeichneten rechtsgeschäftlichen Vertreter ausgeübt. Sei der Inhaber dagegen urteilsunfähig, sei es durch den gesetzlichen Vertreter durch einen

              entsprechend mandatierten Beistand wahrzunehmen. Ob und wann bezüglich des Aussageverweigerungsrechts Urteilsfähigkeit vorliege, müsse einzelfallweise entschieden werden. Die Meinungen diesbezüglich seien unterschiedlich; es werde von einem Alter zwischen minimal 12 und maximal 16 Jahren ausgegangen. Dass ein Kind im Alter von weniger als 10 Jahren diesbezüglich urteilsfähig sei, sei von keiner Seite je vertreten worden. Die Privatklägerin 1 sei nicht in der Lage gewesen, den Entscheid über die Ausübung ihres Aussageverweigerungsrechts selbständig auszuüben. Sie sei nämlich vor einem Dilemma gestanden. Sie habe ihren eigenen Angaben gemäss das an ihr begangene Unrecht aufdecken wollen. Sie habe aussagen wollen, was ihr geschehen sei, um damit auch künftige, ihr äusserst unangenehme Übergriffe auf ihre Person zu verhindern. Andererseits habe sie aber riskiert, mit ihren Aussagen eine harte Bestrafung des eigenen Vaters herbeizuführen. Hinsichtlich der Abwägung dieser gegenläufigen Interessen sei die Privatklägerin 1 nicht nur nach gesetzlicher Fiktion, sondern auch konkret urteilsunfähig gewesen, und der Entscheid, sich im Strafverfahren gegen ihren Vater auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen, habe ihr durch die Prozessbeiständin abgenommen werden müssen. Diese sei streng den Interessen der Privatklägerin 1 selber verpflichtet, und es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Prozessbeiständin bei der Erfüllung ihrer Aufgabe nicht in ihrem Sinne gehandelt habe. Dasselbe gelte für die Frage, ob die Privatklägerin 1 bereit gewesen sei, Auskünfte zu Ereignissen zu geben, die ihre Intimsphäre betroffen hätten. Die Bereitschaft zur Aussage habe nicht bedeutet, dass die Privatklägerin 1 fortan zur Aussage verpflichtet gewesen wäre. Die Strafbehörden hätten aber an der strittigen Befragung vom 24. September 2015 von der grundsätzlichen Bereitschaft der Privatklägerin 1 zur Aussage ausgehen müssen. Dies habe sich nicht nur aus der ausdrücklichen und auch im Verlauf der Befragung zumindest implizit bekräftigten Zusicherung ihrer Prozessbeiständin ergeben, sondern auch aus dem Verhalten der Privatklägerin 1 anlässlich der Erstbefragung sowie letztlich aus dem Umstand, dass sie sich persönlich auch auf die Zweitbefragung eingelassen habe. Die Privatklägerin 1 sei anlässlich der beiden Einvernahmen hinreichend über ihre Verfahrensrechte orientiert worden und habe anlässlich der Einvernahme vom 24. September 2015 sodann selber demonstriert,

              dass sie sich bewusst gewesen sei, Antworten verweigern zu können. Unter diesen Umständen habe es entgegen der Meinung der Vorinstanz keine Pflicht der Befragenden gegeben, die Einvernahme abzubrechen, sondern die Fortsetzung der Befragung sei der Privatklägerin 1 zuzumuten gewesen. Das Recht, Antworten zu verweigern, umfasse schliesslich nicht das Recht, keine Fragen gestellt zu bekommen (Urk. 59 S. 2 f.; vgl. auch Urk. 83 S. 2 ff.).

            2. Seitens der Beiständin der Privatklägerin 1 wird die Berufung zusammenfassend damit begründet, dass die strafprozessualen Vorgaben anlässlich beider Befragungen der Privatklägerin 1 eingehalten worden und entgegen den Ausführungen der Vorinstanz die Aussagen der Privatklägerin 1 nicht als Ganzes unverwertbar seien. Die Privatklägerin 1 habe sowohl in der Erstbefragung als auch in der zweiten Befragung belastende Aussagen gemacht. Sie habe sich nie grundsätzlich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen, sondern einzig in Bezug auf ihren Intimbereich. Die Aussagen der Privatklägern 1 müssten daher der richterlichen Beweiswürdigung unterzogen werden (vgl. Urk. 84 S. 11 f.).

            1. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Einvernahme der Privatklägerin 1 als Auskunftsperson (Urk. 58 S. 7 ff.), zum Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht der Privatklägerin 1 im Sinne von Art. 178 lit. b in Verbindung mit Art. 180 Abs. 1 StPO (Urk. 58 S. 8), zum erforderlichen Hinweis auf diese Rechte im Sinne von Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 158 Abs. 1 StPO (Urk. 58 S. 8) und zur

              sich auf Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 158 Abs. 2 und Art. 141 Abs. 1 StPO stützenden absoluten Unverwertbarkeit von Aussagen, die in Missachtung der Vorschriften gemäss Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 158 Abs. 1 StPO gemacht wurden (Urk. 58 S. 8 f.), sind zutreffend, weshalb darauf verwiesen werden kann. Anders als in den Fällen gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO gilt die Unverwertbarkeit auch dann, wenn die Aussagen zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich sind; dass das Aussageverweigerungsrecht gemäss Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 158 StPO zum Resultat führen kann, dass ein Täter freigesprochen wird, weil die Überführung des Täters im Ergebnis durch das Recht des jugendlichen Opfers, die Aussage zu verweigern, verhindert wird, wurde vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Zutreffend sind ferner auch die

              Ausführungen der Vorinstanz zur Opfereigenschaft der Privatklägerin 1, zum sich daraus ergebenden Aussageverweigerungsrecht gemäss Art. 169 Abs. 4 StPO und zu den bei der Beweiserhebung zu beachtenden Grundsätzen gemäss

              Art. 139 und Art. 140 StPO (Urk. 58 S. 8) sowie zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte eines Opfers gemäss Art. 152 StPO und zu besonderen Massnahmen zum Schutz von Kindern als Opfer im Sinne von Art. 154 StPO (Urk. 58 S. 9). Nicht

              zu beanstanden sind darüber hinaus grundsätzlich auch die Ausführungen der Vorinstanz zur konkreten Durchführung der Einvernahmen der Privatklägerin 1 (vgl. Urk. 58 S. 9 f.). Insbesondere ist die Vorinstanz grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass es sich beim Aussageverweigerungsrecht nicht um ein bloss relativ höchstpersönliches Recht handelt (Urk. 58 S. 10 f.). Hinsichtlich der Frage, ob die Privatklägerin 1 in rechtsgenügender Weise auf ihr Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht aufmerksam gemacht wurde, ist die Vorinstanz aber, wie nachfolgend unter Erw. 7.1 ff. darzulegen sein wird, zu Unrecht zum Schluss gekommen, dies sei anlässlich der Einvernahme vom 24. September 2015 der Fall gewesen. Zudem ging die Vorinstanz versehentlich von einem zu hohen Alter der Privatklägerin 1 aus (Urk. 58 S. 9 f.). Diese war im Zeitpunkt der Einvernahme vom 26. Juni 2015 gut achteinhalb und im Zeitpunkt der Einvernahme vom 24. September 2015 knapp neun Jahre alt.

            2. Der Entscheid über die Verweigerung der Aussage stellt bloss teilweise ein relativ höchstpersönliches Recht der Auskunftsperson dar. Urteilsfähige Minderjährige entscheiden selbst über die Ausübung der ihnen als Auskunftsperson zustehenden Rechte. Falls die Auskunftsperson nicht in der Lage ist, das Wesen und den Sinn des Rechts auf Aussageverweigerung zu begreifen und/oder entsprechend der gewonnenen Einsicht zu handeln, muss die einvernehmende Behörde einen gesetzlichen Vertreter bzw. Beistand zur Ausübung des Rechts beiziehen. Der gesetzliche Vertreter bzw. Beistand übt aber lediglich eine Sperrfunktion aus: Die Auskunftsperson darf nicht befragt werden, wenn sich der gesetzliche Vertreter bzw. Beistand für die Verweigerung der Aussage ausspricht, selbst wenn die Auskunftsperson selber zur Aussage bereit wäre. In diesem Sinne kommt dem Aussageverweigerungsrecht somit ein relativ höchstpersönlicher Charakter zu. Erklärt sich der gesetzliche Vertreter bzw. Beistand mit der Befragung des Urteilsunfähigen einverstanden, so kann dieser hingegen trotzdem von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen (Donatsch, in Donatsch/Hansjakob/Lieber, StPO Komm., Art. 180 N 20). Im Rahmen der konkreten Befragung hat das Aussageverweigerungsrecht demnach absolut höchstpersönlichen Charakter. Anders zu entscheiden würde heissen, dass ein urteils-

              unfähiges Kind zur Aussage gezwungen werden könnte, was unmöglich die Meinung des Gesetzgebers gewesen sein kann.

            3. Vor dem dargelegten Hintergrund konnte die Beiständin der Privatklägerin 1 einzig entscheiden, dass diese sich auf ihr Aussageresp. Mitwirkungsverweigerungsrecht beruft, und zwar unabhängig davon, ob dies der tatsächlichen Meinung der Privatklägerin 1 entsprach nicht, nicht aber, dass sie darauf verzichte. Dass die Beiständin sich nicht gegen die Einvernahme aussprach, hatte somit nicht zur Folge, dass die Privatklägerin 1 sich nicht mehr auf das Aussageresp. Mitwirkungsverweigerungsrecht berufen durfte. Es spielt mithin vorliegend im Ergebnis keine Rolle, ob die Privatklägerin 1 mit Bezug auf die Frage, ob sie sich auf das Aussageresp. Mitwirkungsverweigerungsrecht berufen wolle, urteilsfähig war; selbst wenn sie es nicht gewesen wäre, durfte sie sich darauf berufen. Die diesbezügliche Argumentation der Anklagebehörde (vgl. Urk. 59 S. 2; Urk. 83 S. 4 f.) geht daher ins Leere. Zudem hätte die Befragende vor diesem Hintergrund hinsichtlich des Aussageverweigerungsrechts genau gleich vorgehen müssen wie bei jeder anderen Auskunftsperson, der ein generelles Aussageverweigerungsrecht zusteht, und nicht von der grundsätzlichen Aussagebereitschaft der Privatklägerin 1 (so die Staatsanwaltschaft: Urk. 59 S. 3; Urk. 83 S. 5) ausgehen dürfen.

            4. Da es nach dem Dargelegten auf die Urteilsfähigkeit der Privatklägerin nicht ankommt, muss dem Beweisantrag der Verteidigung auf psychiatrische Untersuchung der Privatklägerin 1 betreffend ihre Urteilsfähigkeit bezüglich ihres Aussageverweigerungsrechts (vgl. vorstehend Ziff. II.3.) nicht nachgekommen werden.

          7.1. Dass die Vorinstanz gestützt auf Art. 180 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 158 StPO von der vollständigen Unverwertbarkeit der Einvernahme der Privatklägerin 1 vom 24. September 2015 ausging (Urk. 58 S. 14 f.), ist nicht zu beanstanden.

              1. Schon die Information über das Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht genügte in der konkreten Situation nicht. Die Befragende informierte die Privatklägerin 1 einleitend einzig während rund 4 (!) Sekunden über ihr Aussageverweigerungsrecht, indem sie erklärte Du muesch nüüt säge, wänn Du nöd möchtsch, aber Du därfsch (Urk. 5/6 09:13:28 - 09:13:32), ohne anschliessend auch nur sicherzustellen, dass die knapp Neunjährige, im Umgang mit Vertretern von Strafbehörden selbstredend unerfahrene Privatklägerin 1 überhaupt verstanden hatte, was für Rechte sie diesbezüglich hatte (dazu unter altem zürcherischem Recht ZR 97 [1998] Nr. 4 S. 11). Vielmehr ging die Befragende, von einem kurzen Innehalten abgesehen, nahtlos über zur Wahrheitspflicht, die dafür fast eine Minute lang abgehandelt wurde (Urk. 5/6 09:13:35 - 09:13:28) und bei der demgegenüber sehr wohl Rückfragen gestellt wurden resp. ein eigentlicher Dialog zwischen der Befragenden und der Privatklägerin 1 stattfand. Anlässlich der Einvernahme vom 26. Juni 2015 war dies bereits gleich abgelaufen (Urk. 5/1, Hinweis auf Aussageverweigerungsrecht: 09:05:08 - 09:05:13, Hinweis auf Wahrheitspflicht: 09:05:13 - 09:06:22).

              2. Der Hinweis auf das Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht muss es der Auskunftsperson ermöglichen, ihre Rolle und Bedeutung im Verfahren zu erkennen, so dass sie sich bewusst entscheiden kann, ob sie davon Gebrauch machen will nicht (BSK StPO-Kerner, Art. 180 N 2). Dass es dabei nicht nur um die Verweigerung von Aussagen auf einzelne Fragen, sondern primär um ein generelles Aussageverweigerungsrecht geht, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, indem in Art. 181 Abs. 2 StPO festgehalten wird, dass die Strafbehörden Auskunftspersonen, die zur Aussage verpflichtet sind oder sich bereit erklären auszusagen, auf die möglichen Straffolgen gemäss den Art. 303-305 StGB aufmerksam zu machen haben. Dies bedingt, dass die Auskunftsperson in irgendeiner Weise generell zum Ausdruck gebracht hat, Aussagen machen zu wollen, weshalb sie, falls sie dies nicht von sich aus macht aufgrund der Umstände klar ist, dass sie Aussagen machen will, danach zu fragen ist.

              3. Da die Befragende nach dem Satz Du muesch nüüt säge, wänn Du nöd möchtsch, aber Du därfsch, von einem kurzen Innehalten abgesehen, nahtlos mit Ausführungen zur Wahrheitspflicht weiterfuhr und dann unbesehen während über 10 Minuten sukzessive zum eigentlichen Kern der Befragung führte, wurde für die Privatklägerin 1 nicht genügend klargestellt, dass sie von Anfang an hätte erklären können, überhaupt keine Aussagen machen zu wollen, also nicht nur einzelne Aussagen, sondern die Mitwirkung an der Befragung als solche zu verweigern. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hätte die Privatklägerin 1 nach einer generellen und eindeutigen Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht nämlich nicht sämtliche Fragen, welche die Befragende stellen wollte, gegen ihren Willen anhören müssen. Lässt sich dies nicht bereits aus Art. 181 Abs. 2 StPO resp. aus dem Mitwirkungsverweigerungsrecht ableiten, was vorliegend offen bleiben kann, müsste der Vorhalt konkreter Fragen nach genereller und eindeutiger Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht bei einem knapp neunjährigen Kind jedenfalls als unzulässige Druckausübung und damit als verbotene Beweiserhebungsmethode im Sinne von Art. 140 Abs. 1 StPO qualifiziert werden. Die Vorinstanz nahm zu Recht an, der Privatklägerin 1 sei wohl nicht bewusst gewesen, dass bzw. inwieweit sie auf ihrer Aussageverweigerung habe beharren dürfen (Urk. 58 S. 14). Dies steht in Einklang damit, dass sie im Zusammenhang mit Fragen zu Massagen am Penis des Beschuldigten fragte Wieso chan ich das nöd eifach la (Urk. 5/8 S. 25), was im Sinne von Wieso kann ich dazu nicht ein-

          fach nichts sagen verstanden werden muss. Ferner wird dies mit der nachfolgend im Rahmen des von der Vorinstanz zitierten Disputs (Urk. 58 S. 12) erfolgten Aussage Hani scho gseit, aber ich muss ja sägä plötzlich (Urk. 5/8 S. 27) untermauert. Da die Aufklärung über das Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht anlässlich der Videobefragung vom 26. Juni 2015 gleich abgelaufen war, kann auch nicht argumentiert werden, es sei der Privatklägerin 1 von der vorherigen Einvernahme her bestens bekannt gewesen, was das Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht beinhaltet. Doch selbst wenn die Privatklägerin 1 trotz der ungenügenden Ausführungen der Befragenden realisiert hätte, dass sie sich generell auf das Aussageverweigerungsrecht berufen und damit im Ergebnis die Mitwirkung an der Befragung verweigern konnte, bekam sie, weil sofort vom Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht weggelenkt wurde, keine realistische Chance, sich vorweg darauf zu berufen und die Befragung damit zum Abbruch zu führen. Von einem Kind im Alter der Privatklägerin 1 kann nicht erwartet werden, dass es der Befragenden ins Wort fällt, um sich auf seine Rechte zu berufen. Hätte die Befragende von Anfang an klare Verhältnisse geschaffen und die Privatklägerin 1 nach der Aufklärung über das Aussageresp. Mitwirkungsverweigerungsrecht gefragt, ob sie verstanden habe, was das bedeute und ob sie davon Gebrauch machen wolle nicht, hätte die Privatklägerin 1 letzteres, wie sich aus dem anschliessenden, von der Vorinstanz zutreffend geschilderten Aussageverhalten ergibt, aller Wahrscheinlichkeit nach getan.

            1. Hinzu kommt, dass die Privatklägerin 1 anlässlich der Einvernahme vom

              24. September 2015 im massgeblichen Punkt, ob es bei ihren Besuchen beim Beschuldigten im Zeitraum von ca. April bis ca. Ende Juni 2015 zu gegenseitigen Massagen im Intimbereich kam, nicht aussagen wollte, dies aber von der Befragenden nicht beachtet wurde. Die Vorinstanz hat dies zutreffend und mit zahlreichen Beispielen belegt begründet, weshalb grundsätzlich darauf verwiesen werden kann (Urk. 58 S. 11 ff.). Insbesondere von der Privatklägerin 1 getätigte Aussagen wie Papi wöt ich nüm meh redä, aso das isch eigentlich alles gsi glaub, wott ich nöd drüber redä können, wie auch die Vorinstanz feststellte (Urk. 58 S. 13), schlechterdings nicht anders verstanden werden, als dass die Privatklägerin 1 sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen wollte. Darüber hinaus hat die Vorinstanz zutreffend darauf hingewiesen, dass sie auch mit ihrer Körpersprache und mit ihrem ausweichenden Aussageverhalten immer wieder unzweideutig zu verstehen gab, von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen (vgl. Urk. 58 S. 13). Ferner ergibt sich aus dem von der Vorinstanz eingehend dargelegten Aussageverhalten der Privatklägerin 1 (vgl. Urk. 58 S. 13 f). auch klar, dass es ihr nicht bloss unangenehm war, über sexuelle Vorgänge mit dem Beschuldigten zu reden, wie dies die Anklagebehörde anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung geltend machte (Prot. I S. 19), sondern dass sie ihn schlechterdings nicht belasten wollte. Dies lässt sich insbesondere auch daraus ableiten, dass die Privatklägerin 1 den Beschuldigten dort, wo sie Aussagen zu seinen Lasten machte, teilweise in Schutz nahm. So erklärte sie

              auf die Frage, ob der Beschuldigte sie auch mal irgendwo massiert habe, wo sie das nicht gewollt habe, das sei aus Versehen geschehen, weil er es nicht gewusst habe (Urk. 5/8 S. 18). Dass die Privatklägerin 1, wie ihre Psychotherapeutin in ihrem Bericht vom 31. Mai 2016 (Urk. 40/2) festhielt, nicht einmal mit ihr über ihren Vater und allfällige Übergriffe durch ihn sprechen wollte (Urk. 40/2 S. 2), und sie ferner auch der Privatklägerin 2 gegenüber keine näheren Angaben machte, sondern das sagte, was genügte, um zu erreichen, was sie gemäss den Aussagen der Privatklägerin 2 erreichen wollte, nämlich nicht mehr zum Beschuldigten gehen zu müssen (dazu nachfolgend unter Erw. 9.), steht damit in Einklang. Dadurch, dass die von der Vorinstanz zitierten Äusserungen der Privatklägerin 1, nicht aussagen zu wollen, konsequent negiert wurden und ihre x-fache Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht unbeachtet blieb, geriet die Privatklägerin 1

        • verständlicherweise in eine sie überfordernde Situation, in der sie letztlich gegen ihren eigentlichen Willen den Beschuldigten belastende Aussagen machte.

          1. Zu ergänzen ist, dass die Befragende während der Befragung nicht nur in den von der Vorinstanz aufgezeigten Situationen das Aussageverweigerungsrecht der Privatklägerin 1 missachtete, sondern ihr auch, als sie erstmals auf Massagen am Gesäss zu sprechen kam, erklärte Weisch ich muss wüsse tut er dich a dä Füdlibagä, a dä Bei tut er zwüsched Füdlibagä, tut er au dört bim Loch wos Gaggi ussächunt wo tut er und wo tut er nöd Musch mer das ganz gnau säge., obwohl sich der letzte Satz mit dem Aussageund Mitwirkungsverweigerungsrecht der Privatklägerin 1 in keiner Weise vereinbaren lässt. Die Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht musste im Übrigen von der Privatklägerin 1 auch nicht begründet werden (Donatsch, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, StPO Komm., Art. 180 N 21), weshalb die Nachfrage der Befragenden Und du wotsch nöd drüber rede will ebenfalls bedenklich ist. Das Gleiche gilt für die Frage Wieso wotschäs dänn nod sägä (Urk. 5/8 S. 27) resp. Du wotschäs nöd säge will (Urk. 5/8 S. 38).

        1. Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass aufgrund dessen, dass die Einvernahme vom 24. September 2015 unverwertbar ist, nicht zu Lasten des Beschuldigten auf diejenige vom 26. Juni 2015 abgestellt werden kann. Dies ist der

          Fall, weil diesbezüglich die Teilnahmerechte des Beschuldigten nicht gewahrt wurden resp. weil er aufgrund der Unverwertbarkeit der Einvernahme der Privatklägerin 1 vom 24. September 2015 keine Möglichkeit hatte, auf verwertbare Weise Ergänzungsfragen zur ersten Einvernahme vom 26. Juni 2015 zu stellen und deshalb ein Anwendungsfall von Art. 147 Abs. 4 StPO vorliegt (vgl. Urk. 58 S. 11 und S. 15). Daher kann die von der Vorinstanz weiter aufgeworfene Frage, ob diese Einvernahme nicht ebenfalls als unverwertbar im Sinne von Art. 158 Abs. 2 StPO zu qualifizieren ist (Urk. 58 S. 15), offen bleiben.

        2. Was die Glaubwürdigkeit der Privatklägerin 2 angeht, kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Urk. 58 S. 15). Die Privatklägerin 2 erklärte anlässlich ihrer Befragung als polizeiliche Auskunftsperson vom 17. Juni 2015, die Privatklägerin 1 habe sie schon seit längerem gefragt, ob sie ihr nicht für die Übernachtungen beim Vater das Absperrgitter mitgeben kön- ne. Dabei handle es sich um ein Gitter, das man am Bett befestigen könne, damit Kinder nicht aus dem Bett fallen. Die Privatklägerin 1 habe auch immer häufiger gesagt, dass sie nicht zum Vater gehen wolle, und gestern habe sie ( ) erklärt, sie habe das Geknutsche satt, sie wolle nicht zum Vater, dieser solle auf dem Klappbett bei ihnen zuhause übernachten. Am Montagmorgen habe sie (die Privatklägerin 1) ihr gesagt, wenn der Beschuldigte und sie schlafen gingen, müsse sie ihre Pyjama-Hose ausziehen und dann massiere er sie und danach ziehe er seine Hose aus und dann müsse sie ihn massieren. Als sie die Privatklägerin 1 gefragt habe, seine Füsse seine Knie, habe sie gesagt, Nei sis Fudi. Auf entsprechende Frage stellte die Privatklägerin 2 klar, dass Fudi in der Ausdruckweise der Privatklägerin 1 alles (gemeint: im Intimund Gesässbereich) heissen könne (Urk. 4 S. 4). Auf die Frage, was ihr die Privatklägerin 1 konkret über das Massieren am Fudi sage, erklärte sie, nur das, mehr nicht (Urk. 4 S. 4). Anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung dazu als Auskunftsperson befragt bestätigte die Privatklägerin 2 diese Aussagen im Wesentlichen (Urk. 39

          S. 4 f.). Sie bekräftigte, dass die Privatklägerin 1 ihr gegenüber keine Details genannt habe (Urk. 39 S. 4). Die Privatklägerin 1 habe zuvor einige Male gesagt, dass sie heute nicht zum Beschuldigten gehen wolle, den Aufbruch zu ihm hinausgezögert und zur Begründung angegeben, dann müsse sie weniger lang dort

          (gemeint: beim Beschuldigten) sein (Urk. 39 S. 5 und S. 7). Was er genau gemacht habe und was sie genau beim Beschuldigten habe massieren müssen, habe die Privatklägerin 1 nicht erzählt (Urk. 39 S. 8).

        3. Mit den verwertbaren zur Verfügung stehenden Beweismitteln lässt sich der eingeklagte Sachverhalt, wie schon die Vorinstanz feststellte, nicht erstellen. Zwar liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der Anklageschrift umschriebenen Vorgänge sich tatsächlich ereignet haben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb die Privatklägerin 2 auch die Privatklägerin 1 die Geschichte mit dem Geknutsche, wie sie von der Privatklägerin 2 geschildert wurde, erfinden sollte. Der Ausdruck Geknutsche hat im Allgemeinen eine sexuelle Komponente, und zwar auch im Vokabulär eines achtjährigen Kindes, und wird von einem solchen normalerweise nicht für die Beschreibung üblicher körperlicher Kontakte zwischen diesem und einem Elternteil verwendet. Hinzu kommt, dass die Privatklägerin 1 diesen Ausdruck gemäss den Aussagen der Privatklägerin 2 verwendete um zu begründen, weshalb sie das Besuchswochenende beim Vater nicht wahrnehmen wollte, weshalb die Wortwahl überlegt erfolgt sein dürfte. Auch erscheinen die Aussagen der Privatklägerin 2, wie die Privatklägerin 1 sie betreffend des Gitters gefragt und ihr vom Ausziehen der Pyjama-Hose und von den gegenseitigen Massagen sowie davon, dass sie das Fudi des Beschuldigten massieren müsse, erzählt habe, authentisch, konstant und glaubhaft, und dass die Privatklägerin 1 dies ihrerseits erfunden haben könnte, erweist sich ebenfalls als realitätsfremd. Hätten sie den Beschuldigten zu Unrecht belasten wollen, hätten sie zudem weit gravierendere Aussagen machen können. Hinzu kommt, dass die Psychotherapeutin der Privatklägerin 1 bei dieser psychologische Auffälligkeiten feststellte, die mit dem Anklagesachverhalt vereinbar sind (Urk. 40/2 S. 2). Was indessen fehlt, ist der Nachweis eines sexuellen Kontextes der Massagen, wie sie von der Privatklägerin 2 zu Protokoll gegeben wurden, wenngleich ein solcher durchaus naheliegend wäre. Insbesondere steht aufgrund der Aussagen der Privatklägerin 2 nicht fest, dass der Beschuldigte, wie eingeklagt, das Gesäss und den Bereich der Vulva der Privatklägerin 1 massierte dass er von ihr verlangte, dass sie seinen Penis massiere, sie dem nachgekommen sei und der Penis sich auch erigiert habe. Aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffes Fudi im Sprachgebrauch

          der Privatklägerin 1 kann es sich auch lediglich um Teile des Gesässbereiches gehandelt haben, bei denen Massagen nicht zwangsläufig eine sexuelle Komponente aufweisen, sondern die beispielsweise auch bei Sportmassagen bearbeitet werden. Aufgrund der Aussagen der Privatklägerin 2 lässt sich ferner nicht erstellen, dass der Beschuldigte sich von der Privatklägerin 1 unter Verwendung von Massageöl massieren liess. Unter diesen Umständen lässt sich mit den Aussagen der Privatklägerin 2 kein Verhalten nachweisen, welches unter den Tatbestand der sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB subsumierbar wäre. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, tragen auch der Laborund der Arztbericht (Urk. 6/3 und 6/6) nichts Wesentliches zum Beweis der angeklagten Vorwürfe bei (vgl. Urk. 58 S. 15). Aus dem Arztbericht ergibt sich, dass die beiden bei der Privatklägerin 1 nachgewiesenen Keime nicht obligatorisch sexuell übertragbar sind und auch bei Kindern vorkommen, die keinen sexuellen Missbrauch erlitten haben. Die Kopie des anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung von der Privatklägerin 2 eingereichten Briefes der Privatklägerin 1 an den Beschuldigten (Urk. 38) schliesslich erhärtet zwar die Annahme, dass es

          zu einem schwerwiegenden Vertrauensbruch des Beschuldigten gegenüber der Privatklägerin 1 gekommen sein muss, doch lassen sich die eingeklagten sexuellen Übergriffe auch damit nicht erstellen.

        4. Der Beschuldigte ist daher nach dem Grundsatz in dubio pro reo vom Vorwurf der sexuellen Handlungen mit Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB freizusprechen.

      4. Zivilansprüche

        Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist das Begehren der Privatklägerin 1 betreffend Zivilansprüche (Urk. 42) gestützt auf Art. 126 Abs. 1 lit. d StPO auf den Zivilweg zu verweisen.

      5. Kostenund Entschädigungsfolgen

1. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens sind ausgangsgemäss auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 426 StPO).

    1. Im Berufungsverfahren sind die Kosten den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Vorliegend unterliegen die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerin 1 mit ihren Anträgen vollumfänglich. Die Kosten wären daher zur Hälfte auf die Gerichtskasse

      zu nehmen und zur Hälfte der Privatklägerin 1 aufzuerlegen (vgl. Griesser,

      in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, a.a.O., Art. 428 N 5). Da der Privatklägerin 1 indes mit Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft, Büro für amtliche Mandate, vom

      10. Juli 2015 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde (Urk. 12/5), sind auch die Kosten des Berufungsverfahrens vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen.

    2. Für das Berufungsverfahren ist die Entschädigung des amtlichen Verteidigers auf (gerundet) Fr. 6'600.- (inkl. 8 % MWSt.) und diejenige der unentgeltlichen Rechtsvertreterin der Privatklägerin 1 unter Berücksichtigung dessen, dass sie ihr Mandat im Rahmen ihrer Anstellung bei der ausgeübt hat, auf

Fr. 3'200.- (inkl. 8 % MWSt.) festzusetzen.

3. Die dem Beschuldigten von der Vorinstanz zugesprochene Genugtuung in Höhe von Fr. 9'000.- (Urk. 58 S. 17 f.) ist den Umständen angemessen und daher zu bestätigen.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte C.

    ist der mehrfachen sexuellen Handlungen mit

    Kindern im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB nicht schuldig und wird freigesprochen.

  2. Die Zivilklage der Privatklägerin 1 wird auf den Zivilweg verwiesen.

  3. Die erstinstanzliche Kostenfestsetzung (Dispositivziffern 3, 4 und 5) wird bestätigt.

  4. Die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Verbeiständung der Privatklägerschaft, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:

  6. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Verbeiständung der Privatklägerschaft, werden vollumfänglich auf die Gerichtskasse genommen.

  7. Dem Beschuldigten werden Fr. 9'000.als Genugtuung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  8. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (übergeben)

    • die Vertreterin der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin 1 (übergeben)

    • die Privatklägerin 2

      (Eine begründete Urteilsausfertigung - und nur hinsichtlich ihrer eigenen Anträge (Art. 84 Abs. 4 StPO) wird den Privatklägern nur zugestellt, sofern sie dies innert 10 Tagen nach Erhalt des Dispositivs verlangen.)

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich

    • die Vertreterin der Privatklägerin 1 im Doppel für sich und zuhanden der Privatklägerin 1

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • die Kantonspolizei Zürich, mit separatem Schreiben gemäss § 54 PolG

    • die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA nebst Formular Löschung des DNAProfils und ED-Materials

  9. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 11. April 2017

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Burger

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. Höfliger

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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