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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB160142: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschuldigte wurde schuldig gesprochen, das Berufsgeheimnis verletzt zu haben, indem er unberechtigt persönliche und sensible Informationen über den Privatkläger an dessen Arbeitgeberin weitergab. Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschuldigte objektiv und subjektiv den Tatbestand der Verletzung des Berufsgeheimnisses erfüllte. Trotz seiner Erfahrung und Ausbildung als Arzt handelte er eventualvorsätzlich und verstiess gegen die Standesregeln. Die Strafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 160.- wurde als angemessen erachtet, und der bedingte Vollzug wurde gewährt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB160142

Kanton:ZH
Fallnummer:SB160142
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB160142 vom 30.08.2016 (ZH)
Datum:30.08.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verletzung des Berufungsgeheimnisses etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Privatkläger; Arbeitgeber; Beschuldigten; Privatklägers; Bericht; Arbeitsfähigkeit; Arbeitgeberin; Recht; Gutachten; Berufung; Berufsgeheimnis; Auftrag; Informationen; Einwilligung; Anklage; Verletzung; Untersuchung; Berichts; Versicherung; Sinne; Daten; Berufsgeheimnisses; Beurteilung; Schweizer; Vertrauens
Rechtsnorm:Art. 13 DSG ;Art. 181 StGB ;Art. 321 StGB ;Art. 328b OR ;Art. 44 ATSG ;Art. 45 StGB ;Art. 57 KVG ;Art. 82 StGB ;
Referenz BGE:131 IV 1; 138 IV 74;
Kommentar:
Ueli Kieser, ATSG 3. Aufl., Art. 44 ATSG, 2015
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SB160142

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB160142-O/U/cw

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Präsident, und lic. iur. Ruggli, Ersatzoberrichter lic. iur. Wenker sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. Höfliger

Urteil vom 30. August 2016

in Sachen

A. ,

Beschuldigter und Berufungskläger

verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Verletzung des Berufungsgeheimnisses etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung - Einzelgericht, vom 18. November 2015 (GG150233)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 16. September 2015 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 10/3).

Urteil der Vorinstanz :

  1. Das Verfahren wird betreffend die Vorwürfe

    • der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 312 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (betreffend Anklagesachverhalt 1.2), sowie

    • der Verletzung der beruflichen Schweigepflicht im Sinne von Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 lit. c Ziff. 2, Art. 4, Art. 10a Abs. 1 lit. c, Art. 12 Abs. 2 lit. b und c und Art. 13 Abs. 1 DSG

      eingestellt.

  2. Der Beschuldigte ist schuldig der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (betreffend Anklagesachverhalt 1.3).

  3. Vom Vorwurf der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB wird der Beschuldigte freigesprochen.

  4. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 160.-.

  5. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  6. Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft II vom 31. März 2014 beschlagnahmte und bei der Bezirksgerichtskasse lagernde Patientendossier

    (act. 5/10) wird dem Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheids auf erstes Verlangen hin herausgegeben.

    Sollte der Beschuldigte das Patientendossier nicht innerhalb von sechs Monaten seit Rechtskraft dieses Entscheids zurückverlangen, wird dieses der Lagerbehörde zur gutscheinenden Verwendung freigegeben.

  7. Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft II vom 16. Dezember 2014 beschlagnahmte und bei den Verfahrensakten unter act. 4/1/1 gelagerte Original der vertrauensärztlichen Beurteilung des Privatklägers wird bei den Verfahrensakten belassen.

  8. Die Schadenersatzund Genugtuungsbegehren des Privatklägers werden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  9. Die Gerichtsgebühr wird angesetzt auf:

    Fr. 3'600.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 1'500.00 Gebühr Strafuntersuchung

    Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.

  10. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden zur Hälfte dem Beschuldigten auferlegt und zur Hälfte auf die Gerichtskasse genommen.

  11. Dem Beschuldigten wird eine Prozessentschädigung von Fr. 7'900.für anwaltliche Verteidigung aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  12. Der Beschuldigte wird verpflichtet, dem Privatkläger für das gesamte Verfahren eine Prozessentschädigung von Fr. 1'500.zu bezahlen.

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 42 S. 1)

    Der Berufungskläger sei der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB freizusprechen,

    unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

  2. Des Vertreters der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich: (Urk. 35, schriftlich)

    Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

    1. Prozessuales
  1. Verfahrensgang und Berufungsthema

    1. Mit Eingabe vom 19. November 2015 liess der Beschuldigte gegen das vorstehend im Dispositiv wiedergegebene Urteil des Bezirksgerichtes Zürich,

      8. Abteilung - Einzelgericht, vom 18. November 2015 Berufung anmelden (Urk. 22). Mit Eingabe vom 4. April 2016 (Montag) liess er nach Erhalt des begründeten Urteils am 14. März 2016 (Urk. 27/2) innert Frist die Berufungserklärung einreichen (Urk. 31). Anlässlich der Berufungsverhandlung stellte er die vorgenannten Anträge (vgl. Urk. 42 S. 1).

      Demnach verlangt der Beschuldigte sinngemäss einen Freispruch vom Vorwurf der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB betreffend Anklagesachverhalt 1.3.

    2. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurde kein Rechtsmittel erhoben und Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils beantragt (Urk. 35).

    3. Der Privatkläger liess sich nicht vernehmen.

    4. Folglich ist das vorinstanzliche Urteil hinsichtlich der Dispositivziffern 1 (Teileinstellung des Verfahrens), 3 (Teilfreispruch), 6 (Herausgabe), 7 (Einziehung) und 9 (Kostenfestsetzung) unangefochten geblieben und entsprechend bereits in Rechtskraft erwachsen, was vorab festzustellen ist.

  2. Strafantrag

    Die Vorinstanz hat zutreffend festgehalten, dass hinsichtlich des Vorwurfs der Verletzung des Berufungsgeheimnisses betreffend Anklageziffer 1.3. ein gültiger Strafantrag des Privatklägers vorliegt. Auf ihre Ausführungen kann vorab verwiesen werden (Urk. 30 S. 5 Ziff. II.2.3.; Art. 82 Abs. 4 StGB).

    Nicht gefolgt werden kann dem Einwand des Verteidigers (Urk. 42 S. 3 f. Rz. 7 f.), dass der heute zu prüfende Anklagevorwurf vom Strafantrag des Privatklägers nicht vollumfänglich gedeckt sei. Aus einem Strafantrag muss der unbedingt geäusserte Wille des Verletzten hervorgehen, dass gegen den Verdächtigen eine Strafverfolgung ausgelöst werde. Ferner hat er den Sachverhalt zu enthalten, welcher Gegenstand der Strafverfolgung sein soll; dieser kann auch pauschal gefasst werden, solange er bestimmbar bleibt. Nicht erforderlich ist dagegen eine rechtliche Würdigung (vgl. Trechsel/Jean-Richard, StGB PK, 2. Aufl., vor Art. 30 N 7 f.). Aus dem Schreiben Strafanzeige und Strafantrag seines Rechtsvertreters vom 18. Oktober 2013 geht im Kontext ausreichend klar hervor, dass der Privatkläger den Beschuldigten bestraft sehen will für die Weitergabe des vertrauensärztlichen Berichts an die B. AG, soweit dieser Informationen enthält, welche unter das ärztliche Berufsgeheimnis fielen und deshalb nicht hätten offenbart werden dürfen (vgl. z.B. a.a.O. S. 4 Rz. 23: Die widerrechtliche Weitergabe von Informationen durch den Arzt ). Dass der Privatkläger seinen Strafantrag auf die Verbalinjurien hätte einschränken wollen, kann entgegen der geäusserten Auffassung der Verteidigung (Urk. 42 S. 3 f. Rz. 8) gerade deshalb nicht angenommen werden, weil ihm der Inhalt des vertrauensärztlichen Berichts im Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht im ganzen Umfang bekannt war.

  3. Anklageprinzip

Entgegen eines weiteren Einwands der Verteidigung (Urk. 42 S. 3 Rz. 6) ist auch keine Verletzung des Anklageprinzips ersichtlich. Der Anklagegrundsatz verlangt, dass die beschuldigte Person wissen muss, was ihr vorgeworfen wird. Die Anklageschrift vom 16. September 2015 wirft dem Beschuldigten vor, dass er

mit der Zustellung des vertrauensärztlichen Berichts an die B. AG seine berufliche Geheimhaltungspflicht verletzt habe, da der Umfang und der Detaillierungsgrad dieses Berichts den Rahmen eines vertrauensärztlichen Arztzeugnisses bei Weitem gesprengt habe. Sie hält auch fest, welche konkreten Informationen gestützt auf die Einwilligung des Privatklägers hätten weitergegeben werden dürfen. In der Folge zählt sie in einer Klammerbemerkung - lediglich beispielsweise einzelne Informationen bzw. Typen von Informationen auf, welche der Arbeitgeberin des Privatklägers nicht hätten offenbart werden dürfen (vgl. Urk. 10/3

  1. 6: (so Angaben zu den [ ] u.a. auf dem psychiatrischen Fachgebiet sowie in

    der Gesamtschau)). Damit ist hinreichend bestimmt dargetan, dass der vertrauensärztliche Bericht insgesamt Thema der Anklage ist. Dies war auch für den Beschuldigten klar ersichtlich, zumal dieser nie bestritt, den vertrauensärztlichen Bericht verfasst zu haben, und er den Inhalt desselben somit kannte.

    II. Schuldpunkt betr. Anklage Ziffer 1.3.
    1. Anklagevorwurf

      Hinsichtlich des im Berufungsverfahren noch relevanten Anklagevorwurfs kann auf die diesem Urteil angeheftete Anklageschrift vom 16. September 2015 verwiesen werden (Urk. 10/3 S. 6 f.).

    2. Sachverhalt

      1. Der Beschuldigte hat stets anerkannt, die gestützt auf die vertrauens- ärztliche Untersuchung vom 9. September 2013 erstellte Beurteilung der Arbeitsfähigkeit vom 10. September 2013 (Urk. 1/8/3) der B. Zürich AG zugesandt zu haben (Urk. 3/1 S. 13; Urk. 14 S. 11; Prot. II S. 9 ff.).

        Der äussere Sachverhalt ist damit erstellt.

      2. Der Beschuldigte bestreitet hingegen, dass er nicht berechtigt gewesen sei, der B. Zürich AG diesen Bericht zuzustellen (vgl. Urk. 42 S. 5 f.). Der

        Beschuldigte wirft damit eine Rechtsfrage auf, die im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen ist (vgl. nachstehend Ziff. 3.4.).

      3. Der Beschuldigte macht zudem geltend, dass er jedenfalls nicht willentlich gehandelt habe (vgl. Urk. 18 S. 16 f. Rz. 41 f.; Prot. II S. 9 ff.; Urk. 42

        S. 8 ff.) und bestreitet damit den eingeklagten inneren Sachverhalt, mit welchem ihm vorsätzliches Handeln vorgeworfen wird (vgl. Urk. 10/3 S. 7 letzter Abschnitt der Anklage Ziff. 1.3). Was die beschuldigte Person wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen und ist damit Tatfrage. Rechtsfrage ist demgegenüber, ob der Schluss auf (Eventual-)Vorsatz berechtigt erscheint. Als innerer Vorgang lässt sich dieser jedoch häufig nur anhand einer eingehenden Würdigung des äusseren Verhaltens sowie allenfalls weiterer Umstände erschliessen (vgl. BGE 138 IV 74 E. 8.4.1. m.w.H.). Aufgrund dieser engen Verzahnung von Tatund Rechtsfragen ist auch dieser Einwand des Beschuldigten im Rahmen der rechtlichen Würdigung zu prüfen (vgl. nachstehend Ziff. 3.5.).

    3. Rechtliche Würdigung

      1. Vorbemerkung

        Die Vorinstanz hat mit sorgfältiger, einlässlicher und überzeugender Begründung dargetan, dass das Verhalten des Beschuldigten den Tatbestand von Art 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowohl objektiv als auch subjektiv erfüllt und nicht durch eine Einwilligung des Beschuldigten im Sinne von Art 321 Ziff. 2 StGB gerechtfertigt war. Auf ihre Ausführungen kann vorab verwiesen werden (Urk. 30

        S. 16-22, Ziff. IV.2. f.). Diese zusammenfassend und ergänzend kann das Folgende festgehalten werden.

      2. Rechtliche Anforderungen an einen Bericht des Vertrauensarztes

        1. Aus Art. 328b OR ergibt sich nach der einschlägigen herrschenden arbeitsrechtlichen Lehre, dass der Arbeitgeber von seinem Vertrauensarzt nur diejenigen Angaben erheben darf, welche die Eignung des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis betreffen zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind. Dazu gehören Tatsache, Dauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie

          die Antwort auf die Frage, ob es sich um eine Krankheit einen Unfall handelt. Bei verbleibender Teilarbeitsfähigkeit sind zudem Fragen nach einer Ansteckungsgefahr, nach der näheren Bedeutung der Arbeitsunfähigkeit auf die Arbeitszeit und nach Arbeiten, welche der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht ausführen sollte, zulässig. Die Diagnose darf indes nicht erhoben werden. Der Vertrauensarzt (der wie jeder andere Arzt dem ärztlichen Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 StGB untersteht, vgl. dazu nachstehend Ziff. 3.4.1.a.) darf dem Arbeitgeber so weit Auskunft geben, als er vom Arztgeheimnis befreit ist, was (in der Regel) durch den Wunsch des Arbeitnehmers, ein Arztzeugnis

          ausund dem Arbeitsgeber zuzustellen, konkludent in dem durch Art. 328b abgesteckten Rahmen erfolgt (Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, N12 zu Art. 324a/b OR, S. 424 f.; Müller in: AJP/PJA 2010, Arztzeugnisse in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, S. 171.).

        2. Im Einklang mit diesen rechtlichen Vorgaben stehen die Standesregeln und die berufsinternen Anleitungen der Schweizerischen Ärzteschaft:

          Art. 11 der Standesordnung der Verbindung der Schweizer Ärzte und Ärztinnen FMH (nachfolgend: Standesordnung FMH) schreibt die Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vor.

          Art. 33 der Standesordnung FMH statuiert, dass (u.a.) beratende Ärzte und Ärztinnen von Versicherern und anderen Auftraggebern sowie arbeitsmedizinisch tätige Ärzte und Ärztinnen sich des Interessenskonflikts bewusst sein müssen, welcher zwischen der untersuchten Person einerseits und den Auftraggebern andererseits entstehen kann, und sich bei der Weiterleitung von Information zu bemühen haben, die Interessen beider Parteien angemessen zu berücksichtigen. Nach Art. 43 ist die Standesordnung für alle Mitglieder der FMH verbindlich (vgl.

          Urk. 2/2) und damit auch für den Beschuldigten.

          Der Praxisleitfaden der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften und der Verbindung der Schweizer Ärzte und Ärztinnen (nachfolgend: Praxisleitfaden SAMW/FMH) stellt fest, dass das Arbeitsunfähigkeitszeugnis festzuhalten hat, seit wann die Arbeitsunfähigkeit besteht, wie lange sie dauern wird, ob sie vollständig teilweise ist und ob die Behandlung wegen

          Krankheit Unfall erfolgte. Der Praxisleitfaden hält weiter ausdrücklich fest, dass das Arbeitsunfähigkeitszeugnis an den Arbeitgeber keine Diagnose zu enthalten und der Arbeitgeber auch keinen Anspruch hat, diese zu erfahren (vgl. Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag - Ein Leitfaden für die Praxis,

          2. Aufl., Basel 2013, Seite 109, Urk. 2/4).

          Auch das Manual der Schweizerischen Gesellschaft für Vertrauensund Versicherungsärzte (nachstehend: Manual SGV) äussert sich zum Arbeitsunfähigkeitszeugnis. Hiezu führt es (u.a.) aus, dass Faktoren ohne tatsächlichen Inhalt, die nicht mit der Krankheit zusammenhängen, bei der Arbeitsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen seien, wobei zu diesen Faktoren u.a. die familiäre Situation, das Bildungsniveau, die wirtschaftliche Situation und soziokulturelle Faktoren gehören würden (vgl. Urk. 2/8, 3 f.). Auch dieses Manual weist explizit darauf hin, dass in das Arbeitsunfähigkeitszeugnis zuhanden eines Arbeitgebers und/oder Versicherers nur die unbedingt erforderlichen Angaben aufzunehmen seien, und definiert diese zugleich: Personalien des Betroffenen, Begriff Arbeitsunfähigkeit sowie Vermerk Krankheit bzw. Unfall, Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit, Grad derselben, Ausstellungsdatum des Zeugnisses, Stempel und Unterschrift des Arztes (a.a.O. S. 4).

        3. Von einem Arbeitsunfähigkeitszeugnis zuhanden eines Arbeitgebers eines Versicherers zu unterscheiden ist das ärztliche Gutachten. Das Manual SGV äussert sich auch hiezu: Im Unterschied zum Arbeitsunfähigkeitszeugnis soll ein solches Gutachten mindestens die acht folgenden Punkte umfassen: Einleitung (Datum der Beauftragung/ Grund für das Gutachten), Zur Verfügung gestellte und zusammengetragene Dokumente, Anamnese, Fachkonsultationen, Diagnosen (gemäss Nomenklatur ICD-10, DSM.IV), Beurteilung des Falls, Beantwortung der Fragen, Weitere Informationen (Urk. 2/8 S. 9 f.).

          Ausführliche Leitlinien zum versicherungspsychiatrischen Gutachten wurden von der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie verfasst (Leitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie für die Begutachtung psychischer Störungen vom 13. November 2003 [nachstehend: Leitlinien SGVP], welche in der Schweizerischen Ärztezeitung 2004/85 Nr. 20,

          S. 1048-1051 veröffentlicht wurden und auch im Internet, im elektronischen Archiv dieser Zeitschrift, greifbar sind). Die Leitlinien SGVP führen (u.a.) aus, dass ein Gutachten im Sinne dieser Leitlinien die schriftliche Äusserung eines unabhängigen psychiatrischen Experten zu einer versicherungspsychiatrischen Fragestellung im Rahmen eines Gutachtensauftrags sei, juristischen Qualitätsanforderungen gemäss der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zu genügen habe und eine Hilfsfunktion im Entscheidprozess der Verwaltung eines anderen Rechtsanwenders habe (S.1048). Auftraggeber eines solchen Gutachtens seien in der Regel Verwaltungen Gerichte. Das Gutachten diene dazu, einen allfälligen Gesundheitsschaden im psychiatrischen Fachgebiet und im gesamtmedizinischen Zusammenhang festzustellen. Je nach Anlass des Gutachtens und Fragestellung seien (u.a.) auch die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Exploranden zu erfassen (S. 1049). Das Gutachten solle so umfassend wie nötig sein und die folgenden Abschnitte enthalten: Einleitung, Akten und Anamnese, Subjektive Angaben des Exploranden, Befunde und weitere Untersuchungsergebnisse, Beurteilung inkl. Diagnose und Beantwortung der Fragen

          (S. 1051).

          Die Anordnung eines solchen (behördlichen) Gutachtens ist für den Bereich des Sozialversicherungswesens im Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, namentlich in Art. 44 ATSG geregelt (vgl. aber auch Ueli Kieser, ATSG Kommentar, 3. Aufl., 2015, Art. 44 N 5), und richtet sich im Bereich der Privatversicherungen nach Art. 138 ff ZPO.

      3. Der ärztliche Bericht des Beschuldigten vom 10. September 2013

        1. Zum Auftrag des Berichts

          Gemäss den Zeugenaussagen von C. , dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Privatklägers, gab dieser dem Beschuldigten erst telefonisch und dann anlässlich einer Besprechung am 3. September 2013 auch mündlich den Auftrag zu einer vertrauensärztlichen Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Privatklägers. Form und Inhalt des Berichts seien kein Thema gewesen und er

          (C. ) habe sich diesbezüglich auch keine Vorstellungen gemacht. Er habe

          ein normales Krankheitszeugnis (einfach ja nein, bzw. für wie lange eine Arbeitsunfähigkeit bestehe), bzw. eine Beurteilung über die Arbeitsfähigkeit in Bezug auf den Einsatz im Betrieb, in welchem Grad (etc.) erwartet. Der Umfang des Berichts sei im Vorfeld nie Thema gewesen, es sei für ihn (C. ) um die Beauftragung einer vertrauensärztlichen Untersuchung im herkömmlichen Sinne gegangen, wobei er solches das erste Mal gemacht habe (vgl. Urk. 4/1 S. 5, 12).

          Die (äussere) Darstellung des Zeugen C. wird durch die Aussagen des Beschuldigten im Wesentlichen bestätigt. So führte er aus, der Auftrag, den er erhalten habe, sei gewesen, die Arbeitsfähigkeit des Probanden zu beurteilen (Urk. 3/1 S. 6). Auf die Frage, ob ihm seitens der B. Zürich AG gesagt worden sei, in welchem Umfang er über die vertrauensärztliche Untersuchung zu berichten habe, gab er zur Antwort, er mache immer ausführliche Berichte. Er habe dem Auftraggeber gesagt, was seine Taxe sei, Fr. 1'300.-. Damit sei dem Auftraggeber auch klar gewesen, dass er einen detaillierten Bericht erstellen werde (a.a.O.). Der Beschuldigte bestätigte damit implizit, dass Inhalt, Form und Umfang des Berichts zwischen ihm und C. nicht eigens thematisiert worden waren. Entsprechende Aussagen machte der Beschuldigte auch anlässlich der Befragung im Rahmen der Berufungsverhandlung (vgl. Prot. II S. 10).

          Der Beschuldigte führte in der Untersuchung weiter aus, dass es selten vorkomme, dass er von einem Arbeitgeber als Facharzt für eine vertrauensärztliche Untersuchung beigezogen werde (Urk. 3/1 S. 5). Vor Vorinstanz sowie Berufungsgericht gab er dann an, es sei sein erster Fall gewesen, bei welchem ihm ein Arbeitgeber den Auftrag erteilt habe (Prot. I S. 7 und 12; Prot. II S. 9). Er führte in der Untersuchung weiter aus, er erstelle hauptsächlich Gutachten für Versicherungen, bei welchen es hauptsächlich um die Arbeitsfähigkeit gehe. Die Auftraggeber seien verschieden, das könne die IV, die SUVA auch private Versicherungen sein, Krankentaggelderund Krankenkassenversicherungen. Er führe seit über acht Jahren Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit aus. Es dürften mittlerweile über 1'500 Gutachten sein, die er erstellt habe (Urk. 3/1 S. 5 f.). Auf die Bemerkung der Staatsanwaltschaft, der Bericht des Beschuldigten sehe eher wie ein psychiatrisches Gutachten, denn wie ein ärztliches Zeugnis aus, antwortet er, sein

          Bericht trage als Titel vertrauensärztliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und nicht Gutachten. Auf die Nachfrage, wieso der Bericht derart detailliert ausgefallen sei, antwortete er, bei solchen Abklärungen gebe es Standards und er gehe streng nach den Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie vor. Eine fundierte versicherungspsychiatrische Einschätzung sei nur mit einem solchen Bericht möglich (a.a.O. S. 25).

        2. Zu Inhalt und Umfang des Berichts

Der Bericht des Beschuldigten vom 10. September 2013 ist an C. , den Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Privatklägers adressiert und umfasst insgesamt sieben Seiten (Urk. 4/1/1).

Direkt zur Frage der Arbeitsfähigkeit des Privatklägers enthält er allerdings nur wenige Ausführungen: Auf Seite 1 des Berichts stellt der Beschuldigte einleitend fest, dass er zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Privatklägers gebeten worden sei. Gegen Schluss auf Seite 7 zieht der Beschuldigte das Fazit, der Privatkläger präsentiere in der Gesamtschau keine objektivierbaren Defizite, welche ihn in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden. Es sei ihm in Abwesenheit einer relevanten psychischen Pathologie vollumfänglich zumutbar, zur Überwindung von beklagten unangenehmen Sensationen eine entsprechende Willensanstrengung zu unternehmen.

Zwischen diesen Anfangsund Schlusszeilen erläutert der Beschuldigte zunächst in einem ersten Teil mit der Überschrift Aktuelle Beschwerden mit Anamnese ausführlich die einige Jahre andauernde Krankengeschichte des Privatklägers und dessen momentanen Gesundheitszustand. Im Rahmen dieses Teils gibt er auch auf über einer Seite und im Originalton des Privatklägers dessen Sicht zum Konflikt zwischen ihm und dessen Arbeitgeberin bzw. konkret: dem Adressaten des Berichts wieder (S. 2, so z.B.: Herr C. Junior sei ein gefährlicher, rechtsüchtiger Psychopath, dem es beim Privatkläger um Krieg und Vernichtung gehe). In einem anschliessenden Teil kommt die aktuelle Lebenssituation des Privatklägers zur Sprache. Der Beschuldigte macht darin detaillierte Ausführungen zur Biographie, zum Eheleben sowie zu den finanziellen Verhältnissen des Privatklägers. So teilt er beispielsweise mit, dass das Ehepaar in absolut bewusst getroffener Entscheidung kinderlos geblieben sei, die Ehefrau einen Hochschulabschluss in exakten Wissenschaften habe und deren Familie in Frankreich lebe. Weiter wird nicht nur die schulische Laufbahn des Privatklägers aufgeführt, sondern auch dessen Ausführungen zu seiner Kindheit und den damaligen familiären Verhältnissen wiedergegeben, bis hin zu den beruflichen Tätigkeiten von dessen Eltern und Geschwistern, und wie sich das emotionale Klima innerhalb der Familie gestaltete. Sodann wird der aktuelle Tagesablauf des Privatklägers im Einzelnen geschildert.

Im anschliessenden Teil mit der Überschrift Untersuchung wird zunächst minutiös das Verhalten des Privatklägers anlässlich der vertrauensärztlichen Untersuchung beschrieben. Darauf werden unter dem Titel Psychopathologischer Befund sämtliche Prüfungskriterien betreffend möglicher störungsrelevanter Faktoren (Ich-Störungen, Wahn, Zwänge, Anorexie, Suizidalität etc.) und deren Vorhandensein Nichtvorhandensein beim Privatkläger wiedergegeben. Im nächsten Teil schliesslich diagnostizierte der Beschuldigte beim Privatkläger eine Anpassungsstörung (F43.2) ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Abschliessend begründete der Beschuldigte seine Diagnose mit einer ausführlichen Beurteilung der diagnostizierten Anpassungsstörung (wobei allerdings gerade zur Frage, weshalb diese keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit habe, keine Ausführungen gemacht werden).

    1. Objektive Tatbestandsmässigkeit von Art. 321 StGB

      1. Allgemeine Ausführungen

        1. Den objektiven Tatbestand der Verletzung des Berufsgeheimnisses erfüllt ein Arzt, der ein Geheimnis offenbart, das ihm infolge seines Berufes anvertraut worden ist das er in dessen Ausübung wahrgenommen hat (Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Beim Arztgeheimnis gehören etwa Anamnese, Untersuchungsergebnisse, Diagnose, Therapiemassnahmen, Prognose, physische psychische Besonderheiten und ebenso sämtliche Angaben über persönliche,

          familiäre, berufliche, wirtschaftliche finanzielle Umstände zu den geheimhaltungspflichtigen Tatsachen (BSK Strafrecht II - Oberholzer, Art. 321 N 14).

          Entgegen der Auffassung des Verteidigers (Urk. 42 S. 5 Rz. 11 ff.) fällt nicht bloss der therapeutisch tätige ('klassische') Arzt, sondern praktisch jeder mittels eines medizinischen Hochschulstudiums ausgebildete und beruflich arbeitende, namentlich auch der bloss diagnostisch tätige als medizinischer Experte fungierende Arzt unter das Tatsubjekt von Art. 321 StGB. Dies ergibt sich schon aus dem weitgefassten Wortlaut sowie der ratio legis der Strafbestimmung und wird so auch von der Lehre vertreten (vgl. Trechsel/Vest, StGB PK, 2. Aufl., Art. 321 N 9). Auch der Vertrauensarzt eines Arbeitgebers untersteht Art. 321 StGB (vgl. Manuel Stengel, der Vertrauensarzt im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, Diss., 2014, S. 146).

        2. Der Täter ist (u.a.) dann nicht strafbar, wenn er das Geheimnis aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten offenbart hat (Art. 321 Ziff. 2 StGB). Willigt der Geheimnisherr vorbehaltlos in die Offenbarung ein, liegt schon gar kein Geheimnis vor, weil der Geheimhaltungswille fehlt; in einem solchen Fall entfällt bereits die Tatbestandsmässigkeit. Handelt es sich um eine partielle Einwilligung, entfällt die Rechtswidrigkeit. Dabei ist erforderlich, dass der Geheimnisherr urteilsfähig ist und die Einwilligung vor dem Eingriff freiwillig und in Kenntnis aller wesentlichen Umstände geäussert wird (BSK Strafrecht II - Oberholzer, Art. 321 N 14; vgl. auch Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat,

        § 10 N 22). Eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten setzt demnach voraus, dass der Patient vom Arzt darüber aufgeklärt worden ist, welche Daten in welchem Umfang einem Dritten übermittelt werden sollen. So wird denn auch im Praxisleitfaden SAMW/FMH (Seite 100) festgehalten, dass für die Einwilligung des Patienten zur Auskunftserteilung an Dritte die Regeln des sog. 'informed consent' gelte, was heisse, dass der Patient, damit die Einwilligung gelte, genügend wissen müsse, welche Informationen der Arzt dem Dritten mitteilen werde (vgl. Urk. 2/4). Dies gilt namentlich auch für den Vertrauensarzt im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis; eine gültige Einwilligung liegt nur insoweit vor, als der Betroffene über Gegenstand, Zweck und Umfang der beabsichtigten Datenweitergabe aufgeklärt worden ist (vgl. Stengel, a.a.O., S. 118).

      2. Prüfung im vorliegenden Fall

  1. Der vorstehend in Ziff. 3.3. skizzierte - Inhalt des vertrauensärztlichen Berichts des Beschuldigten, welcher in seiner Funktion als Vertrauensarzt der Arbeitgeberin des Privatklägers Art. 321 StGB untersteht, geht in der Sache deutlich und im Umfang bei weitem über die in Ziff. 3.2. bezeichneten - Informationen hinaus, die von einem Arbeitgeber zur Abklärung der Arbeitsfähigkeit eines Arbeitnehmers benötigt werden und von ihm verlangt werden dürfen. Dieses Faktum wird auch seitens der Verteidigung nicht bestritten (Urk. 18 S. 15 Rz. 36), von welcher (lediglich) geltend gemacht wird, der Beschuldigte sei vorgängig durch den Privatkläger vollumfänglich vom Arztgeheimnis entbunden worden (vgl. a.a.O. Rz. 37; Urk. 42 s. 5 f. Rz. 15 ff.).

    Die Offenbarung an die Arbeitgeberin der ausführlichen Anamnese, des gesamten Untersuchungsergebnisses, der Diagnose, der subjektiven Äusserungen des Privatklägers zu seinem Konflikt am Arbeitsplatz und der zahlreichen Angaben zu dessen persönlichen, familiären, beruflichen und finanziellen Umständen war im Rahmen der dem Beschuldigten gestellten Aufgabe weder notwendig noch zulässig. In all diesen Teilen ist die Zustellung des Berichts des Beschuldigten an dessen Arbeitgeberin als objektive Verletzung des Berufsgeheimnisses zu werten, da dafür wie nachstehend zu zeigen ist keine rechtsgenügende Einwilligung seitens des Privatklägers im Sinne von Art. 321 Ziff. 2 StGB vorlag.

  2. Wie unter Ziff. 3.2.1. ausgeführt, wird der Vertrauensarzt durch die (mündliche) Erklärung des Arbeitnehmers, dass dem Arbeitgeber ein Arztzeugnis zugestellt wird, keinesfalls vollumfänglich, sondern lediglich in dem durch

    Art. 328b OR abgesteckten Rahmen von seiner Schweigepflicht befreit. Ob der

    Arbeitnehmer eine solche kurze, nicht weiter spezifizierte Äusserung mündlich schriftlich abgibt, kann keine Rolle spielen. Mit der Unterzeichnung des ihm am 9. September 2013 vom Beschuldigten vorgelegten Formulars Ermächtigung zur Einholung der Auskünfte und Entbindung vom ärztlichen Berufsgeheimnis

    (Urk. 1/8/2) - das zweite Formular (die Datenschutzerklärung, Urk. 1/8/1) ist für den hier zu beurteilenden Anklagepunkt nicht von Relevanz willigte der Privatkläger in Bezug auf seine Arbeitgeberin gemäss eindeutigem Wortlaut lediglich ein, dass der Beschuldigte zuhanden derselben ein ärztliches Zeugnis zustellen darf. Dieses schriftliche Einverständnis des Privatklägers ist letztlich nicht anders formuliert als eine entsprechende mündliche Äusserung und kann deshalb objektiv (nach den Grundsätzen des Vertrauensprinzips) auch inhaltlich nicht über eine solche hinausgehen.

    Wer vor Beginn einer vertrauensärztlichen Untersuchung mündlich schriftlich das Einverständnis abgibt, dass darüber seinem Arbeitgeber ein Arztzeugnis zugestellt wird, geht berechtigterweise davon aus, dass darin lediglich diejenigen Informationen zu stehen kommen, die üblicherweise und zulässigerweise in ein solches Zeugnis gehören. Dies gilt selbst dann, wenn er keine Vorstellung darüber haben sollte, um welche Informationen im einzelnen es sich dabei handelt. Er kann und muss nicht damit rechnen, dass der Arzt seinem Arbeitgeber nicht nur die effektiv für die konkrete Beurteilung der umstrittenen Arbeitsfähigkeit relevanten Informationen, sondern gleich auch sämtliche übrigen persönlichen und medizinischen Daten weiterleiten wird (vgl. in diesem Zusammenhang auch die von Stengel, a.a.O., S. 330 [Anhang 9], S. 332 [Anhang 11] und S. 337 [Anhang 15] aufgeführten Muster von einerseits vertrauensärztlichen Zeugnissen und andererseits einer Entbindung von der vertrauensärztlichen Schweigepflicht).

    Dass die vom Beschuldigten eingeholte Entbindungserklärung des Privatklägers soweit als Adressatin die Arbeitgeberin gemeint ist - nicht als eine vollumfängliche bzw. vorbehaltlose Befreiung vom Arztgeheimnis angesehen werden kann, zeigt sich auch daran, dass der Beschuldigte den Privatkläger im Vorfeld nicht darüber aufgeklärt hatte, welche Daten er dessen Arbeitgeberin übermitteln würde: Gemäss seinen eigenen Aussagen teilte der Beschuldigte dem Privatkläger auf dessen Nachfrage, wozu die zu unterzeichnenden Formulare seien, lediglich mit, dass er diese für seine Untersuchung brauche. Er sage jeweils allen seinen Probanden, das dies Standard sei. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft verneinte er, dass es noch anderweitige Aufklärungen gegeben habe (Urk. 3/1

    S. 15 und 23). Auch vor Vorinstanz sowie vor Berufungsgericht führte er aus, er habe dem Privatkläger die Formulare nicht erklärt (Prot. I S. 5; Prot. II S. 11). Die Entbindungserklärung des Privatklägers beruhte somit nicht auf einem 'informed consent'.

  3. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Beschuldigte durch die schriftliche Entbindungserklärung des Privatklägers nur im Umfang eines üblichen (arbeitsrechtlichen) vertrauensärztlichen Berichts von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Arbeitgeberin des Privatklägers befreit war. Die Ermächtigung des Beschuldigten ging lediglich dahin, der B. Zürich AG, bzw. deren Geschäftsführer C. mitzuteilen, ob und in welchem Grade eine Arbeitsunfähigkeit besteht, wie lange diese andauern wird und inwiefern die allfällige gesundheitliche Einschränkung einen konkreten Einfluss auf die Arbeitstätigkeit des Privatklägers hat.

In all seinen weiteren Teilen stellt der Bericht des Beschuldigten vom

10. September 2013 objektiv eine ungerechtfertigte Verletzung des Berufsgeheimnisses dar.

    1. Subjektive Tatbestandsmässigkeit von Art. 321 StGB

      1. Allgemeine Ausführungen

        1. Strafbar ist ausschliesslich die vorsätzliche Verletzung des Berufsgeheimnisses, wobei Eventualvorsatz genügt. Der Täter muss im Wissen um den Geheimnischarakter und im Wissen um seine Schweigepflicht die Tatsache offenbaren dies zumindest in Kauf zu nehmen (BSK Strafrecht II - Oberholzer, Art. 321 N 21). Kenntnis der Geheimhaltungspflicht wird in der Ausbildung vermittelt und kann regelmässig vermutet werden (Trechsel/ Vest, StGB PK, 2. Aufl., Art. 321 N 26). Eventualvorsatz ist zu bejahen, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Eventualvorsatz kann angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs gewertet werden kann (vgl. z.B. Bundesgerichtsurteil 6S.359/2005 vom 22. Dezember 2006, E. 2.3.

          m.V.a. BGE 131 IV 1 E. 2.2 und 130 IV 58 E. 8.2)

        2. Hinsichtlich des Rechtfertigungsgrunds nach Art. 321 Ziff. 2 StGB muss in der Person des Arztes die Kenntnis zumindest die zu Recht erfolgte Annahme darüber vorliegen, dass eine Einwilligung erfolgt ist, damit diese Einwilligung ihre Wirkung entfalten kann (vgl. Stratenwerth, a.a.O. § 10 N 24; Keller, das ärztliche Berufsgeheimnis gemäss Art. 321 unter besonderer Berücksichtigung der Regelung im Kanton Zürich, 1993, S. 143).

      2. Prüfung im vorliegenden Fall

  1. Der Beschuldigte macht (zusammengefasst) geltend, dass er zum ersten Mal einen vertrauensärztlichen Bericht zuhanden eines Arbeitgebers verfasst habe. Er sei von einer fundierten und umfangreichen Beurteilung im Sinne eines Kurzgutachtens ausgegangen, wie er es von seiner Tätigkeit zuhanden von Versicherungen kenne. Der Privatkläger habe ihn ja von der Schweigepflicht entbunden und ihn ermächtigt, einen solchen Text zuhanden seiner Arbeitgeberin zu verfassen. Als er (mit der Arbeitgeberin) über die Bezahlung gesprochen habe, habe er die Taxe vorgeschlagen, welche er für umfangreiche Texte nehme, und dem sei zugestimmt worden (vgl. Urk. 14 S. 7 ff., bes., 7, 11 und 14). Sein Verteidiger führt aus, es sei für den Beschuldigten 'business-as-usual' gewesen. Nachdem er bereits mehr als 1'500 Gutachten erstellt gehabt habe, darunter einen Grossteil zum Thema Arbeitsfähigkeit, sei es ihm nicht bewusst gewesen, dass diesbezüglich ein Unterschied im Detaillierungsgrad bestehen solle, ob der Auftrag von einer Versicherung von einem Arbeitgeber erteilt werde. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er lediglich einen kurzen Bericht ohne Begrün- dung hätte erstellen sollen. Er sei weiter davon ausgegangen, dass auch dem Privatkläger klar gewesen sei, dass er nicht bloss einen kurzen Bericht verfassen würde, da einerseits die Sitzung so lang gedauert habe und er andererseits laufend Notizen verfasst habe. Der mit der Arbeitgeberin des Privatklägers vereinbarte Tarif sei auch derselbe gewesen wie derjenige mit den Versicherungen. Da

    er vom ärztlichen Berufsgeheimnis ausdrücklich entbunden worden sei, sei zumindest nicht nachweisbar, dass er den Willen zu einer Geheimnisverletzung gehabt habe, nachdem er diesen Bericht genauso erstellt habe, wie er es sich (gegenüber Versicherungen) gewohnt gewesen sei (Urk. 18 S. 12 Rz. 5, S.13 Rz. 28 und S. 16 f. Rz. 41 f.; auch Urk. 42 S. 6 Rz. 17 und S. 8 ff.)

  2. Die Ausführungen des Beschuldigten vermögen nicht zu überzeugen und der Auffassung seines Verteidigers kann nicht zugestimmt werden. Entgegen deren sinngemäss eingenommenen Standpunkt kann in subjektiver Hinsicht nicht von einem höchstens fahrlässigen (und in der Konsequenz straffreien) Verhalten des Beschuldigten ausgegangen werden.

    aa) Wie die Vorinstanz überzeugend ausgeführt hat (Urk. 30 S. 21 f.

    Ziff. IV.2.6.), muss davon ausgegangen werden, dass dem Beschuldigten, selbst wenn er zum ersten Mal ein ärztliches Gutachten zuhanden eines Arbeitgebers verfasst haben sollte, als erfahrenem Arzt mit langjähriger Berufserfahrung und als Mitglied der FMH deren Standesregeln und Praxisleitfaden bekannt waren. Entsprechend musste ihm klar gewesen sein, welche Informationen in einem vertrauensärztlichen Bericht zuhanden eines Arbeitgebers enthalten sein dürfen. Zudem beinhaltet der fragliche Bericht derart viele persönliche und sensible Informationen über den Privatkläger und dessen familiäres Umfelds sowie vertrauliche Ausführungen des Privatklägers über den Konflikt mit seiner damaligen Arbeitgeberin - deren Relevanz für die Frage der Arbeitsfähigkeit nicht ersichtlich ist -, dass es für den Beschuldigten augenfällig sein musste, dass er nicht berechtigt

    war, sämtliche dieser Angaben ungefiltert der Arbeitgeberin des Privatklägers wei-

    terzugegeben. Entgegen seinem Vorbringen ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte als ausgebildeter und erfahrener Arzt auch wusste, dass die mit der Auftraggeberin vereinbarte Entlöhnung des vertrauensärztlichen Berichts kein Gradmesser dafür sein konnte, in welchem Umfang er vom Arztgeheimnis entbunden sein würde, war doch selbstredend der Privatkläger und nicht dessen Arbeitgeberin Herr über die anlässlich der Untersuchung dem Beschuldigten anvertrauten von ihm wahrgenommenen Geheimnisse.

    bb) Ergänzend zur erstinstanzlichen Argumentation ist auszuführen, dass dem Beschuldigten aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufspraxis auch bekannt sein musste, dass wie es im Praxisleitfaden SAMW/FMH ausdrücklich festgehalten ist für die Einwilligung des Betroffenen zur Auskunftserteilung an Dritte die Regeln des sog. 'informed consent' gelten. Der Beschuldigte klärte den Privatkläger vorgängig nicht darüber auf, welche Informationen er dessen Arbeitgeberin mitteilen würde. Unter diesen Voraussetzungen musste ihm bewusst gewesen sein, dass die schriftliche Ermächtigungserklärung des Privatklägers vom 9. September 2013 nicht als ein umfassender und vorbehaltloser Generalverzicht auf das Arztgeheimnis verstanden werden konnte, sondern lediglich als Einwilligung in die Zustellung eines vertrauensärztlichen Zeugnisses an dessen Arbeitgeberin im üblichen, gesetzlich zulässigen Rahmen.

    cc) In weiterer Ergänzung ist anzumerken, dass selbst ein im Auftrag eines öffentlichrechtlichen Krankenversicherers tätiger Vertrauensarzt (wie er in Art. 32 Standesordnung FMH und Art. 57 KVG geregelt ist) an das Arztgeheimnis gebunden ist und nicht einfach sämtliche in der Untersuchung wahrgenommenen Daten des Versicherten dem Versicherer offenbaren darf, sondern lediglich diejenigen, die für den Versicherer zur Beurteilung eines Leistungsanspruchs das Begründen einer Verfügung notwendig sind (vgl. Art. 57 Abs. 7 KVG). Auch ein im Auftrag übriger Sozialversicherer privater Versicherungen gutachterlich tätiger Arzt darf seinen Auftraggebern nur diejenigen Daten offenbaren, die für die Erfüllung von deren Aufgaben tatsächlich notwendig sind. Nicht nur gegenüber einer Arbeitgeberin, auch gegenüber einem Versicherer hat sich ein Vertrauensarzt demnach auf die Weitergabe von für die jeweilige Fragestellung erforderlichen Daten zu beschränken. Im Unterschied zu einem Arbeitgeber kann für einen Versicherer allerdings die Kenntnis der Diagnose und weiterer medizinischer Daten notwendig sein. Eine über die notwendigen Daten hinausgehende Weitergabe von Informationen bedarf sodann auch zuhanden einer Versicherung der ausdrücklichen, auf angemessene Aufklärung des Arztes erfolgten Einwilligung des Betroffenen (vgl. Ursula Uttinger, Ärztliche Schweigepflicht Datenschutz Ärzte in der Assekuranz und deren Berufsgeheimnis, in: Stephan Furrer [Hrsg.],

    Schweizerische Gesellschaft für Haftpflichtund Versicherungsrecht, Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen, 2010, S. 658 f.).

    Diese Sachund Rechtslage war dem Beschuldigten, der gemäss eigenen Aussagen bereits zahlreiche Gutachten zur Arbeitsfähigkeit von Versicherten zuhanden von privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherern erstellt hatte, zweifellos bekannt. Der Beschuldigte bestätigte denn auch vor Berufungsgericht, dass er die für einen Arzt einschlägigen, verschiedenen Rechtsgrundlagen, namentlich auch den Praxisleitfaden SAMW/FMH und die Standesordnung FMH, von der Praxis her kenne, zumal in dem Umfang, wie sie jedem gutachterlich tätigen Kollegen bekannt seien. Er führte weiter aus, er habe auch einen Kurs als (versicherungsrechtlicher) Vertrauensarzt gemacht, in welchem es auch einen Teil Recht bzw. rechtliche Grundlagen gegeben habe (Prot. II S. 11 f.). Zahlreiche Details im Bericht des Beschuldigten vom 10. September 2013 zur aktuellen Lebenssituation und zur biographischen Vorgeschichte des Privatklägers so etwa die Erwäh- nung von dessen freigewählter Kinderlosigkeit, die Ausführungen zu dessen Eheleben und finanziellen Situation, die Erwähnung des emotionalen Klimas im Elternhaus und die Beschreibung der beruflichen Ausbildung und Tätigkeiten der Ehefrau und weiterer Familienmitglieder können nun aber weder für einen Arbeitgeber noch für einen Versicherer als notwendig zur ausschliesslichen Abklärung der Arbeitsfähigkeit eines Betroffenen erachtet werden (zumal der Beschuldigte dem Privatkläger ja ohnehin eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit attestierte und sich demnach die Frage eines möglichen Leistungsanspruchs eines Arbeitgebers eines Versicherers überhaupt nicht stellte). Dies musste zweifellos auch dem gutachterlich erfahrenen Beschuldigten bewusst gewesen sein. Ebenso musste er gewusst haben, dass eine ohne vorgängige Aufklärung abgenommene schriftliche Ermächtigung eines Betroffenen zur Zustellung eines ärztlichen Zeugnisses an einen Versicherer einen Arbeitgeber nur als Einwilligung in die Preisgabe der jeweils notwendigen Daten, nicht aber als eine generelle und vorbehaltlose Befreiung vom Arztgeheimnis verstanden werden kann.

    dd) Anlässlich der Berufungsverhandlung gab der Beschuldigte an, dass er die Leitlinien SGVP nicht nur kenne, sondern an deren Ausarbeitung gar mitgewirkt habe (Prot. II S. 12). In der Untersuchung hatte er ausgeführt, er sei beim Verfassen des Berichts an die Arbeitgeberin des Beschuldigten streng nach den Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie vorgegangen (Urk. 3/1 S. 25). Tatsächlich weist sein Bericht all die Elemente auf, wie sie in den Leitlinien SGVP und im Manual SGV für die Erstellung eines versicherungspsychiatrischen Gutachtens gefordert werden (vgl. vorstehend Ziff. 3.2.3). Ein solches Gutachten, bei welchem es vorwiegend um den Gesundheitszustand und allenfalls auch dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit eines Betroffenen geht, ist allerdings strikte zu unterscheiden von einem blossen Arbeitsunfähigkeitszeugnis zuhanden eines Arbeitgebers Versicherers, bei welchem es einzig um die Frage der Arbeitsfähigkeit geht (vgl. hiezu vorstehend Ziff. 3.2.3.). Dass vorliegend nicht ein psychiatrisches Gutachten im Rahmen eines versicherungsrechtlichen Verfahrens zuhanden einer Verwaltungsoder einer Gerichtsbehörde gefragt war, ergibt sich auch ohne besondere Sachkenntnis allein aufgrund der Umstände der Auftragserteilung ohne Weiteres und musste deshalb auch für den diesbezüglich erfahrenen Beschuldigten offensichtlich sein. Der Beschuldigte wurde nicht durch einen behördlichen Entscheid und gemäss den Formalien von Art. 44 ATSG Art. 183 ff. ZPO als Gutachter bestellt, sondern erhielt den Auftrag formlos bzw. mündlich durch einen privaten Arbeitgeber. Auch wurden ihm seitens der Auftraggeberin kein Fragekatalog zum Vorliegen allfälliger somatischer, psychischer und/oder psychosomatischen Krankheitsbilder (und deren mögliche Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit) vorgesetzt, sondern es wurde ihm einzig und allein die schlichte Frage nach der Arbeitsfähigkeit gestellt. Aufgrund dieser Umstände kann nicht ernsthaft davon ausgegangen werden (und wird seitens des Beschuldigten letztlich auch nicht explizit geltend gemacht), dass der Beschuldigte irrtümlich der Auffassung gewesen sein könnte, er habe ein versicherungspsychiatrisches Gutachten zuhanden einer Behörde zu verfassen. Auch für die Annahme, dass er irrtümlich davon ausgegangen sein könnte, die

    B. Zürich AG habe ihn zu einem versicherungspsychiatrischen Privatgutachten im Einverständnis des Privatklägers beauftragt, bleibt aufgrund der schlichten, mündlichen Fragestellung sowie des bereits ausgeführten Umstandes, dass er mangels vorgängiger Aufklärung nicht von einem Generalverzicht

    des Privatklägers auf das Arztgeheimnis ausgehen konnte kein vernünftiger Spielraum.

  3. Aufgrund sämtlicher vorgenannter Umstände kann nicht lediglich von einem sorgfaltspflichtwidrigen Nichtwissen bzw. einer fahrlässigen Unachtsamkeit des Beschuldigten ausgegangen werden. Aufgrund seiner ärztlichen Ausbildung und langjährigen Erfahrung musste sich ihm eine Verletzung des Berufsgeheimnisses (mochte sie ihm auch unerwünscht sein) - namentlich hinsichtlich der Weitergabe der subjektiven Äusserungen des Privatklägers zum Konflikt am Arbeitsplatz und der zahlreichen, mit der Frage der Arbeitsfähigkeit nicht in einem direkten Zusammenhang stehenden Detailangaben zu dessen persönlichen, familiären, beruflichen und finanziellen Umständen als derart wahrscheinlich aufdrängen, dass vorliegend auf eventualvorsätzliches Handeln zu schliessen ist. Auch dass er der Arbeitgeberin des Privatklägers, ohne letzteren vorgängig darüber aufzuklären, eine detaillierte Diagnose offenbarte (die Anpassungsstörung ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit) eine Diagnose zudem, von der er klar wusste, dass sie für seine Auftraggeberin mangels Auswirkungen auf die sie interessierende Frage der Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht relevant war - , muss vor dem Hintergrund sämtlicher vorstehend dargelegter Umstände als Inkaufnahme einer möglichen Verletzung des Berufsgeheimnisses gewertet werden. Auf den Punkt gebracht, hat sich der Beschuldigte über derart elementare, jedermann einleuchtende Vorschriften hinweggesetzt, dass sich der Schluss, dass es ihm gleichgültig war, diese ganz sensiblen Daten ohne rechtswirksame Einwilligung weiterzuleiten, gebieterisch aufdrängt.

3.6. Fazit

Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt folglich objektiv wie subjektiv den Tatbestand der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Berechtigten im Sinne von Art. 321 Ziff. 2 StGB war nicht gegeben. Der Beschuldigte ist somit der Verletzung des Berufungsgeheimnisses schuldig zu sprechen.

  1. Sanktion
    1. Einleitung

      Die Vorinstanz hat die vom Gesetz und der Rechtsprechung aufgestellten Regeln zur Strafzumessung und zum Strafvollzug zutreffend wiedergegeben. Das Bezirksgericht hat sodann auch eine ausführliche, sorgfältige und überzeugende konkrete Sanktionierung vorgenommen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann vorab vollumfänglich auf die entsprechenden Erwägungen verwiesen werden (Urk. 30 S. 23 ff. Ziff. V. und S. 26 f. Ziff. VI.).

    2. Tatkomponente

      Der Beschuldigte offenbarte der Arbeitgeberin des Privatklägers unberechtigterweise nebst ausführlichen medizinischen Daten insbesondere zahlreiche persönliche, teilweise sehr sensible Informationen über diesen, welche das Potential besassen, den vorbestehenden Konflikt zwischen diesen beiden Parteien zu verstärken. Unter Berücksichtigung aller möglichen unter den Tatbestand von

      Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB fallenden Delikte, ist das objektive Verschulden gleichwohl noch als leicht zu qualifizieren.

      Hinsichtlich der subjektiven Tatschwere fällt zu Gunsten des Beschuldigten ins Gewicht, dass er lediglich eventualvorsätzlich handelte. Der Beschuldigte hegte keine direkte Absicht, eine Berufsgeheimnisverletzung zum Nachteil des Privatklägers zu begehen. Der Beschuldigte hatte kein eigenes Interesse daran, diese Informationen weiterzugeben. Er wurde lediglich aufgrund eines beruflichen Auftrags tätig, bei welchem er die Standesordnung und die Empfehlungen der Schweizerischen Ärztegesellschaft FMH ausser Acht liess, obwohl ihm diese Berufsregeln bekannt sein mussten. Auch konnte er bereits aufgrund seiner blossen Kenntnis des Konflikts zwischen dem Privatkläger und dessen Arbeitgeberin erkennen, dass eine Weitergabe der zahlreichen persönlichen, familiären und finanziellen Informationen über den Privatkläger, ohne dass dieser davon wusste, unmöglich in dessen Einverständnis sein konnte, zumal die meisten Angaben für die

      Arbeitgeberin ohnehin nicht von Relevanz waren. Insgesamt ist das subjektive Verschulden vorliegend noch als leicht zu bewerten.

    3. Täterkomponente

      Hinsichtlich der Biographie und der finanziellen Verhältnisse des nicht vorbestraften Beschuldigten welche gemäss dessen Aussagen vor Berufungsgericht keine wesentlichen Veränderungen erfahren haben (vgl. Prot. II S. 4 ff.) kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden

      (Urk. 76 S. 25 Ziff. V.3). Demnach wirkt sich die Täterkomponente auf die Strafzumessung neutral aus.

    4. Strafe

      Unter Berücksichtigung aller relevanten Strafzumessungsgründe erweist sich die von der Vorinstanz ausgefällte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu

      Fr. 160.als angemessen. Die erstinstanzliche Strafe ist somit zu bestätigen.

    5. Vollzug

    In Bestätigung des zutreffend begründeten erstinstanzlichen Entscheids (Urk. 30 S,. 26 f. Ziff. VI) ist dem Beschuldigten sodann der bedingte Vollzug zu gewähren unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.

  2. Zivilpunkt

    Die Zivilansprüche des Privatklägers sind vorliegend auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen, wobei zur Begründung auf die einlässlichen Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden kann (Urk. 30 S. 28 ff. Ziff. VIII.).

  3. Kostenund Entschädigungsfolgen

Bei diesem Verfahrensausgang ist die erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsregelung (Dispositiv-Ziffern 10 bis 12) zu bestätigen und es sind dem

mit seiner Berufung scheiternden Beschuldigten überdies die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 8. Abteilung

    - Einzelgericht, vom 18. November 2015 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Teileinstellung des Verfahrens), 3 (Teilfreispruch), 6 (Herausgabe), 7 (Einziehung) und 9 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte A.

    ist schuldig der Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 321 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 160.-.

  3. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 2 Jahre festgesetzt.

  4. Die erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsregelung (Ziff. 10 bis 12) wird bestätigt.

  5. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird auf Fr. 3'000.festgesetzt und dem Beschuldigten auferlegt.

  6. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die erbetene Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten(übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich

    • die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die erbetene Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich

    • die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und zuhanden des Privatklägers

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

  7. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 30. August 2016

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. Höfliger

Zur Beac htung:

Der/die Verurteilte wird auf die Folgen der Nichtbewährung während der Probezeit aufmerksam gemacht:

Wurde der Vollzug einer Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit aufgeschoben, muss sie vorerst nicht bezahlt werden. Bewährt sich der/die Verurteilte bis zum Ablauf der Probezeit, muss er/sie die Geldstrafe definitiv nicht mehr bezahlen (Art. 45 StGB); Analoges gilt für die bedingte Freiheitsstrafe.

Eine bedingte Strafe bzw. der bedingte Teil einer Strafe kann im Übrigen vollzogen werden (Art. 46 Abs. 1 bzw. Abs. 4 StGB),

  • wenn der/die Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen Vergehen begeht,

  • wenn der/die Verurteilte sich der Bewährungshilfe entzieht die Weisungen missachtet.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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