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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils SB150015: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 30. Juni 2015 in einem Strafverfahren entschieden. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland hat gegen den Beschuldigten A. Anklage erhoben, unter anderem wegen falscher Anschuldigung und diverser Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz. Das Gericht sprach den Beschuldigten von einigen Anklagepunkten frei, verurteilte ihn jedoch zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, einer Geldstrafe und einer Busse. Zudem wurde eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschuldigten auferlegt, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, die auf die Gerichtskasse genommen wurden. Der Beschuldigte kann gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde einlegen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SB150015

Kanton:ZH
Fallnummer:SB150015
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB150015 vom 30.06.2015 (ZH)
Datum:30.06.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Falsche Anschuldigung etc.
Schlagwörter : Beschuldigte; Beschuldigten; Massnahme; Sinne; Freiheits; Freiheitsstrafe; Geldstrafe; Berufung; Busse; Verteidigung; Vorinstanz; Urteil; Anschuldigung; Vollzug; Anordnung; Delikt; Strasse; Kantons; Rechtspflege; Fahrens; Behandlung; Gericht; Staatsanwaltschaft; Irreführung; Zustand; Delikte; Polizei
Rechtsnorm:Art. 141 StPO ;Art. 158 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 31 SVG ;Art. 35 VRV ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 49 StGB ;Art. 50 StGB ;Art. 56 StGB ;Art. 59 StGB ;Art. 60 StGB ;Art. 9 BV ;Art. 90 SVG ;Art. 91a SVG ;Art. 96 SVG ;
Referenz BGE:129 I 57; 138 IV 120;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SB150015

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB150015-O/U/ad

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. Bussmann, Präsident, lic. iur. Ruggli und die Oberrichterin lic. iur. Wasser sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. Berchtold

Urteil vom 30. Juni 2015

in Sachen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, vertreten durch stv. Leitende Staatsanwältin lic. iur. Steinhauser,

Anklägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte

gegen

A. ,

Beschuldigter, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

betreffend falsche Anschuldigung etc.

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Andelfingen, Einzelgericht in Strafsachen, vom 14. Mai 2014 (GG140003)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 14. März 2014 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz :

  1. Der Beschuldigte A. ist schuldig

    • der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 2 StGB,

    • der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 StGB,

    • des mehrfachen vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand in qualifizierten Fällen im Sinne von Art. 91 Abs. 2 lit. a und lit. b SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG,

    • der versuchten vorsätzlichen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinne von Art. 91a Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB,

    • der vorsätzlichen Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch im Sinne von Art. 94 Abs. 1 lit. a SVG,

    • des mehrfachen vorsätzlichen Fahrens ohne Berechtigung im Sinne von Art. 95 Abs. 1 lit. a und lit. b SVG,

    • des vorsätzlichen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung im Sinne von Art. 96 Abs. 2 SVG,

    • des mehrfachen vorsätzlichen Missbrauchs von Ausweisen und Schildern im Sinne von Art. 97 Abs. 1 lit. a und lit. g SVG,

    • der vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 VRV,

    • des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 lit. a SVG,

    • des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrzeugausweis im Sinne von Art. 96 Abs. 1 lit. a SVG,

    • der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG,

    • des vorsätzlichen Entziehens vor einer Polizeikontrolle im Sinne von Art. 70 Abs. 1 der Strassenverkehrsverordnung des Kantons Bern vom

      20. Oktober 2004 (StrVV) in Verbindung mit Art. 6 StrVV.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 10 Monaten Freiheitsstrafe, wovon bis und mit heute 1 Tag durch Haft erstanden ist, sowie mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.- (entsprechend Fr. 300.-) und mit einer Busse von Fr. 1'000.-.

  3. Es wird eine ambulante Massnahme (Suchtbehandlung) angeordnet.

  4. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zugunsten der ambulanten Massnahme aufgeschoben.

  5. Für die Dauer der ambulanten Behandlung wird für den Beschuldigten eine Bewährungshilfe angeordnet.

  6. Die Geldstrafe und die Busse sind zu bezahlen.

  7. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  8. Es wird festgestellt, dass in diesem Strafverfahren keine Zivilforderungen angemeldet wurden.

  9. Die Entscheidgebühr wird angesetzt auf:

Fr. 1'500.00 ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 40.00 Kosten Kantonspolizei

Fr. 1'500.00 Gebühr Anklagebehörde

Fr. 1'509.00 Ausserkantonale Verfahrenskosten Fr. 6'349.90 Auslagen Untersuchung

Fr. 9'005.20 amtliche Verteidigung

Die Kosten werden im Umfang von Fr. 3'000.- dem Beschuldigten auferlegt. Alle übrigen Auslagen, inkl. der Kosten der Begutachtung und der amtlichen Verteidigung, werden auf die Staatskasse genommen.

Berufungsanträge:

  1. Der Vertreterin der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland: (Urk. 57 S. 1)

    1. Der Beschuldigte sei schuldig zu sprechen der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziffer 2 StGB sowie der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziffer 1 StGB. Im Übrigen sei festzustellen, dass Dispositivziffer 1 des Urteils des Bezirksgerichts Andelfingen vom 14. Mai 2014 bezüglich der weiteren strafbaren Handlungen in Rechtskraft erwachsen ist.

    2. Der Beschuldigte sei zu bestrafen mit 10 Monaten Freiheitsstrafe sowie einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 30.-sowie einer Busse von Fr. 1'000.--.

    3. Die Freiheitsstrafe sei zu vollziehen und die Geldstrafe sei zu bezahlen.

    4. Es sei eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse festzusetzen.

    5. Eventualiter sei eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 60 Abs. 1 StGB anzuordnen, unter Aufschub des Strafvollzuges.

  2. Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 58 S. 1)

    1. Der Beschuldigte sei vom Vorwurf der falschen Anschuldigung i.S.v.

      Art. 303 Ziff. 2 StGB und vom Vorwurf der Irreführung der Rechtspflege

      i.S.v. Art. 304 Ziff. 1 StGB freizusprechen.

    2. Der Beschuldigte sei milde zu bestrafen.

    3. Im Übrigen sei das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen.

    4. Die Kosten des Berufungsverfahrens, inklusive diejenigen der amtlichen Verteidigung, seien auf die Staatskasse zu nehmen.

      Erwägungen:

      1. Prozessgeschichte

        1. Mit Urteil des Einzelgerichts am Bezirksgericht Andelfingen vom 14. Mai 2014 (Urk. 44) wurde der Beschuldigte der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 2 StGB, der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 StGB, diverser Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz sowie der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes und der Strassenverkehrsverordnung des Kantons Bern schuldig gesprochen. Der Beschuldigte wurde mit 10 Monaten Freiheitsstrafe sowie mit einer unbedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.- und mit einer Busse von Fr. 1'000.bestraft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer ambulanten Massnahme (Suchtbehandlung) aufgeschoben, für deren Dauer zudem Bewährungshilfe angeordnet wurde.

          1. Nach Entgegennahme des vorinstanzlichen Urteilsdispositivs am

            19. Mai 2014 (vgl. Urk. 37) meldete die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland mit Schreiben vom 22. Mai 2014 (Urk. 39) Berufung an und liess - nachdem ihr am 5. Januar 2015 die begründete Ausfertigung des vorinstanzlichen Entscheids zugestellt worden war (vgl. Urk. 42/2) - die Berufungserklärung vom 8. Januar 2015 (Urk. 45) folgen.

          2. Innert ihm mit Präsidialverfügung vom 22. Januar 2015 (Urk. 47) angesetzter Frist liess der Beschuldigte unter dem 16. Februar 2015 Anschlussberufung erklären (Urk. 49).

        3. Heute fand in Anwesenheit der Vertreterin der Anklägerin sowie des Beschuldigten und seines amtlichen Verteidigers die Berufungsverhandlung statt (Prot. II S. 4 ff.). Der Fall ist spruchreif.

      2. Umfang der Berufung

        1. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland stellte anlässlich der Berufungsverhandlung die eingangs erwähnten Anträge (Urk. 57). Sie beantragt keine Änderung des vorinstanzlich festgesetzten Strafmasses, sondern ficht lediglich die Anordnung der ambulanten Massnahme und den dafür angeordneten Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe sowie die Kostenauflage an.

        Mit seiner Anschlussberufung beantragt der Beschuldigte die Aufhebung der Schuldsprüche betreffend die falsche Anschuldigung und die Irreführung der Rechtspflege sowie eine angemessene Reduktion der Strafe (Urk. 58).

          1. Das vorinstanzliche Dispositivziffer 1 enthält die Terminologie der am

            1. Januar 2013 in Kraft getretenen Fassung des Strassenverkehrsgesetzes. Zumal diese nicht milder ist als die zum Zeitpunkt der begangenen Delikte geltende Version (aSVG), hätte richtigerweise Letztere zur Anwendung gelangen müssen.

            Eine Korrektur des vorinstanzlichen Dispositivs drängt sich angesichts der inhaltlichen Deckungsgleichheit beider Fassungen jedoch nicht auf.

          2. Das vorinstanzliche Urteil wurde hinsichtlich der Dispositivziffern 1 teilweise (alle Schuldsprüche ausser diejenigen wegen falscher Anschuldigung und Irreführung der Rechtspflege), 8 (Vormerknahme keine Zivilforderungen) und 9 teilweise (Kostenfestsetzung) nicht beanstandet und ist damit insoweit in Rechtskraft erwachsen, was vorab festzustellen ist.

      3. Schuldpunkt

        1. Strittig ist der inkriminierte Sachverhalt hinsichtlich zweier Äusserungen des Beschuldigten: Einerseits soll der Beschuldigte nach dem Verursachen des Unfalles gegenüber der eingetroffenen Kantonspolizei Zürich bewusst wahrheitswidrig ausgesagt haben, von einem unbekannten flüchtigen Fahrzeuglenker angefahren worden zu sein (Anklageziffer 1.1.4.). Andererseits bestreitet der Beschuldigte, seine Angaben später im Kantonsspital Winterthur wiederum bewusst wahrheitswidrig dahingehend korrigiert zu haben, sein Bekannter B. habe das Fahrzeug gelenkt und den Unfall verursacht (Anklageziffer 1.1.5.).

        2.1. Die umstrittenen inkriminierten Äusserungen des Beschuldigten ergeben sich aus dem Polizeirapport vom 29. November 2012 (Urk. 1 S. 5). Die Verteidigung erhob neben materiellen Rügen vorab diesbezügliche prozessuale Einwände. So wies sie vor Vorinstanz (Urk. 35 S. 5 und 7) zutreffend - darauf hin, die ausgerückten Polizeibeamten seien nie als Zeugen einvernommen worden, und machte damit implizit eine Verletzung der konventionsund verfassungsrechtlich garantierten Konfrontationsrechts des Beschuldigten geltend. Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung wies sie zudem darauf hin, dass die inkriminierten Aussagen des Beschuldigten sofern er diese überhaupt gemacht habe ohne vorherige Belehrung des Beschuldigten gemäss Art. 158 StPO erfolgt seien (Urk. 58 S. 3). Bei der Beurteilung der bestrittenen Vorwürfe stellt sich mithin vorab die von der Vorinstanz nicht erörterte - Frage, ob die im Polizeirapport festgehaltenen Aussagen des Beschuldigten als Beweismittel verwertbar sind.

            1. Eine beschuldigte Person ist vor Beginn der ersten Einvernahme gemäss Art. 143 und 158 StPO zu orientieren. Werden diese Hinweise unterlassen, statuiert Art. 158 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 141 Abs. 1 StPO die absolute Unverwertbarkeit der entsprechenden Einvernahme. Dies gilt grundsätzlich auch für polizeiliche Einvernahmen ab dem polizeilichen Ermittlungsverfahren, wobei die Polizei in engen Grenzen vorab um sich einen ersten Eindruck über das Geschehen verschaffen zu können informelle Befragungen durchführen darf (Riklin, OFK-StPO, Art. 158 N 2). Macht jedoch die beschuldigte Person Angaben, die in irgendeiner Form Eingang in die Strafakte finden sei es als Protokolle, Aktennotizen, Rapporte Berichte sind diese nur verwertbar, wenn

              vorgängig die Rechtsbelehrung nach Art. 158 StPO stattgefunden hat (BSK StPO-

              Ruckstuhl, Art. 158 N 7).

            2. Weder aus dem Polizeirapport, noch aus den übrigen Akten ergibt sich, dass der Beschuldigte von den untersuchenden Polizisten vorgängig zu den rapportierten und inkriminierten Aussagen vom 21. September 2012 auf die erwähnten Rechte hingewiesen worden wäre. Solches erfolgte erstmals eingangs der ersten formellen polizeilichen Einvernahme am 25. September 2012 (Urk. 5/1

        S. 1). Aussagen, die der Beschuldigte vor dem 25. September 2012 tätigte, sind

        daher prozessual nicht verwertbar.

        2.3. Ab der ersten formellen Einvernahme stellte sich der Beschuldigte vorwiegend auf den Standpunkt, er könne sich nicht mehr an derartige Äusserungen erinnern (Urk. 5/3 S. 6 f., Urk. 34A S. 17, Prot. II S. 19). Ausser den aus den angeführten Gründen unverwertbaren Aussagen, die im Polizeirapport festgehalten sind, liegen keine weiteren Beweismittel für die inkriminierten Äusserungen vor. Da der Sachverhalt somit diesbezüglich nicht erstellt werden kann, ist der Beschuldigte von den Vorwürfen der falschen Anschuldigung und der Irreführung der Rechtspflege freizusprechen. Ob eine Verwertung des Polizeirapports ebenfalls aufgrund eines Verstosses gegen die Teilnahmerechte des Beschuldigten ausgeschlossen wäre, kann folglich offen bleiben.

      4. Strafzumessung
        1. Der Beschuldigte liess mit Anschlussberufung sowie anlässlich der Berufungsverhandlung beantragen, er sei milder zu bestrafen (Urk. 49 S. 2, Urk. 58

          S. 1). Es ist daher im Folgenden die schuldangemessene Sanktion zu bestimmen.

        2. Im angefochtenen Entscheid werden die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung korrekt dargelegt und es wird ebenso zutreffend auf das in

        Art. 49 StGB statuierte Asperationsprinzip hingewiesen (Urk. 44 S. 13 ff.). Diese Erwägungen brauchen nicht wiederholt zu werden. Ergänzend ist festzuhalten, dass die Bildung einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB nur bei gleichartigen Strafen möglich ist, wobei das Gericht im konkreten Fall für die einzelnen konkreten Normverstösse gleichartige Strafen ausfällen würde (BGE 138 IV 120 E. 5.2 mit Hinweisen).

          1. Den Strafrahmen hat die Vorinstanz richtig abgesteckt (Urk. 44 S. 13). Neben verschiedener Übertretungen, für die eine Busse auszufällen sein wird, hat sich der Beschuldigte im vorliegenden Fall diverser Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz schuldig gemacht. Letztere sehen allesamt eine abstrakte Strafdrohung von Geldstrafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Ausserordentliche Umstände liegen keine vor, weshalb trotz Deliktsmehrheit von einer Strafrahmenerweiterung abzusehen ist.

          2. Die von der Vorinstanz vorgenommene Zusammenfassung der Delikte in die drei Sachverhaltskomplexe September 2012, August 2013 und September 2012 bis zur Anklage erfolgte zwar ohne Begründung und erscheint aufgrund der verschuldensmässig starken Divergenz der einzelnen Delikte nicht besonders sinnvoll, mag aber noch zulässig sein (dazu BGer 6B_1011/2014 vom

        1. März 2015 E. 4.4.). Indem die Vorinstanz für diese Abschnitte sowohl tatals

          auch täterbezogene Komponenten jeweils ohne Gewichtung aufführt und anschliessend lediglich das Gesamtverschulden benennt (erheblich, keineswegs leicht, leicht), erweist sich die Strafzumessung aber nicht genügend nachvollziehbar überprüfbar, wie dies Art. 50 StGB verlangt (vgl. dazu BGer 6B_352/2012 vom 1. November 2012 E. 2.3.). Es ist daher im Folgenden die

          Strafzumessung in Übereinstimmung mit den bundesrechtlichen Vorgaben vorzunehmen.

              1. Das verschuldensmässig schwerste Delikt ist vorliegend das qualifizierte Fahren in fahrunfähigem Zustand gemäss Hauptdossier. Für dieses ist im Folgenden eine (theoretische) Einsatzstrafe festzulegen und es sind die Strafen für die weiteren Delikte zu asperieren.

                Objektiv weist das qualifizierte Fahren in fahrunfähigem Zustand gemäss Hauptdossier eine erhebliche Schwere auf. So fuhr der Beschuldigte mit einem Blutalkoholgehalt von ausserordentlich hohen 2.43 Gewichtspromille sowie unter gleichzeitigem Einfluss von Lorazepam immerhin beachtliche rund 15 Kilometer vom C. [Ort] bis zur Unfallstelle in D. . Dabei schuf er eine ernstliche Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer, was sich nicht zuletzt am eingetretenen Unfall zeigt. Aufgrund der nächtlichen Tatzeit ist immerhin davon auszugehen, dass das Verkehrsaufkommen zur Zeit der Rückfahrt gering war. Zu berücksichtigen ist weiter, dass mit Ausnahme des Vaters des Beschuldigten, dessen Auto Sachschaden erlitt, keine Drittpersonen zu Schaden gekommen sind was jedoch alleine dem Zufall zu verdanken ist. Subjektiv ist nachvollziehbar, dass sich der Beschuldigte aufgrund der Forderung seiner Exfreundin

                (vgl. Urk. 34A S. 12) genötigt sah, irgendwie Geld aufzutreiben. Darin lag schliesslich auch die Motivation seines C. besuchs. Ins Gewicht fällt aber, dass es dem Beschuldigten ohne Weiteres möglich gewesen wäre, sogleich aber am nächsten Tag in nüchternem Zustand mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins C. zu gelangen. Auch wenn ihm keine eigentliche kriminelle Energie attestiert werden kann, so erweisen sich die Delikte des Beschuldigten als unnötig und seine Handlungen aufgrund der von ihm geschaffenen Gefährdung als rücksichtslos. Die subjektive Tatschwere ist folglich als nicht mehr leicht zu qualifizieren und vermag die objektive Tatschwere damit etwas zu relativieren.

                Das Verschulden des Beschuldigten hinsichtlich des qualifizierten Fahrens

                in fahrunfähigem Zustand am Morgen des 21. September 2012 ist insgesamt als keineswegs leicht zu qualifizieren. Davon ausgehend rechtfertigt sich die Festsetzung einer Einsatzstrafe von fünf Monaten.

              2. Das (qualifizierte) Fahren in fahrunfähigem Zustand gemäss Nebendossier 1 wiegt objektiv nicht mehr leicht. Der Beschuldigte wies einen Blutalkoholgehalt von 0.71 Gewichtspromille auf, stand jedoch gleichzeitig unter dem Einfluss von Amphetamin. Die von ihm in diesem Zustand zurückgelegte Strecke von E. bis zur Autobahnauffahrt A5 in F. betrug erhebliche rund 20 Kilometer. Immerhin handelte es sich beim vom Beschuldigten benutzten Fahrzeug um ein Kleinmotorrad. Dennoch schuf der Beschuldigte eine nicht geringe Gefahr für die weiteren Verkehrsteilnehmer, indem er mit diesem auf die Autobahn auffuhr und erst nach ca. 500 Metern auf dem Pannenstreifen stehen blieb. Zu einem Unfall kam es jedoch am 13. August 2013 nicht. Subjektiv ist kein nachvollziehbares Motiv des Beschuldigten für diese Fahrt auszumachen. Dass der Beschuldigte die Verkehrsdelikte begangen haben will, um sich keine Busse für das Schwarzfahren im Zug einzuhandeln (Urk. 34A S. 22), erscheint abwegig. Wiederum ist das Handeln des Beschuldigten als egoistisch und die Verstösse als äusserst unnötig zu qualifizieren.

                Insgesamt bleibt es bei einem nicht mehr leichten Verschulden des Be-

                schuldigten.

              3. Angesichts deren engen Zusammenhangs sowie ihrer vergleichbaren Verschuldenshöhe (vgl. BGer 6B_1011/2014 vom 16. März 2015 E. 4.4.) erscheint es im vorliegenden Fall sinnvoll, das Verschulden des Beschuldigten für die übrigen Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz (Entwendung zum Gebrauch, mehrfaches Fahren ohne Berechtigung, mehrfacher Missbrauch von Ausweisen und Schildern, Fahren ohne Haftpflichtversicherung, versuchte Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit) gemeinsam zu beurteilen.

          Objektiv wiegen diese Delikte leicht. Es werden dem Beschuldigten unter

          dem Titel Fahren ohne Berechtigung nur wenige Fahrten zur Last gelegt. Die Entwendung zum Gebrauch erfolgte zum Nachteil seines Vaters, der auf einen Strafantrag verzichtete (Urk. 17/1). Beim mehrfachen Missbrauch von Ausweisen und Schildern und dem Fahren ohne Haftpflichtversicherung handelt es sich objektiv nicht um Kavaliersdelikte. Der Handlungsablauf präsentierte sich aber überschaubar und betraf lediglich das Kleinmotorrad des Beschuldigten. Die Vereitelung der Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit wiegt ebenfalls leicht, zumal der Beschuldigte lediglich für kurze Zeit die Flucht ergriff und sogleich wieder zurückkehrte. Subjektiv wiegen diese Delikte dagegen nicht mehr leicht. Es kann diesbezüglich auf die Erwägungen unter obenstehender Ziffer 3.3.1. und

          3.3.2. verwiesen werden.

          Insgesamt wiegt das Tatverschulden hinsichtlich der weiteren Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz noch leicht.

          3.3.4. Die Einsatzstrafe ist aufgrund der weiteren Delikte den vorstehenden Erwägungen folgend angemessen zu einer Gesamtstrafe (vor Berücksichtigung der Täterkomponente) von acht Monaten zu erhöhen.

              1. Mit seiner Schwester bei seinen Eltern in G. und H. auf einem Bauernhof aufgewachsen, hatte der Beschuldigte aufgrund einer ADHSStörung sowie Legasthenie bereits früh schulische Probleme. Er schaffte zwar zuerst die Aufnahme in die Sekundarschule, fiel aber nach der Probezeit in die Realschule zurück. Auf Veranlassung der Jugendanwaltschaft kam der Beschuldigte früh in ein Heim und wohnte anschliessend bei einer Pflegefamilie. Nach Abschluss einer Landwirtschaftslehre arbeitete er zuerst im Bereich Apparatebau; später absolvierte er die Kranführerprüfung und arbeitete auf verschiedenen Baustellen. Der Beschuldigte lebte während rund einem Jahr auf der Strasse, sonst an verschiedenen Orten. Er zog nach , weiter nach F. , später nach

                H. in die Eigentumswohnung seiner Eltern und 2012 schliesslich nach

                E. . Zu dieser Zeit lernte er seine Exfreundin, eine [Angehörige des Staates I. ] mit Wohnsitz in ..., kennen. Im August/September 2012 verliess ihn diese nach fünf Jahren Beziehung und ging zurück nach I. , wo sie nach Aussagen des Beschuldigten eine gemeinsame Tochter gebar. Seit Ende 2013 wohnt der Beschuldigte in J. . Der Beschuldigte hat die von ihm zuletzt besetzte Stelle als Kranführer bei der Firma K. aus eigenem Antrieb ohne nachvollziehbaren Grund gekündigt und erzielt momentan kein Einkommen. Er wird von seinen Eltern unterstützt (Urk. 34A S. 1 ff., Urk. 12/11 S. 6 ff., Prot. II

                S. 9).

                Die persönlichen Verhältnisse zeigen, dass der Beschuldigte einen unruhigen Lebensweg hinter sich hat und sich gerade unmittelbar vor dem Unfall im September 2012 in einer schwierigen und belastenden Phase befand, da er unter der Trennung zu seiner Freundin und vor allem auch unter der Tatsache litt, keinen Kontakt zu seiner Tochter in I. zu haben. Dennoch sind diese Umstän- de noch nicht als derart ausserordentlich zu bezeichnen, dass sie einen Einfluss auf die Strafzumessung zu begründen vermöchten.

              2. Leicht Strafmindernd wirkt sich das Nachtatverhalten des Beschuldigten aus. So zeigte er sich zumindest bezüglich der Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz und das Betäubungsmittelgesetz ab der ersten polizeilichen Einvernahme geständig und verhielt sich diesbezüglich kooperativ. Auch war er einsichtig, Alkoholiker respektive alkoholkrank zu sein (Urk. 4/5 S. 18, Urk. 34A

                S. 9, Prot. II S. 13 f.). Eine Bereitschaft, sich ernsthaft mit diesem Problem auseinanderzusetzen, ist jedoch noch nicht vorhanden. Darauf wird zurückzukommen sein.

              3. Merklich straferhöhend sind demgegenüber die teilweise einschlägigen - Vorstrafen des Beschuldigten sowie die zahlreichen Führerausweisentzüge zu berücksichtigen (Urk. 46, Urk. 20/12-14).

              4. Bei der Täterkomponente überwiegen im Ergebnis die straferhöhenden Faktoren deutlich, weshalb die oben festgesetzte Einsatzstrafe spürbar zu erhöhen ist. Nach dem Wegfallen der falschen Anschuldigung sowie der Irreführung der Rechtspflege erscheint nunmehr eine Straferhöhung auf gesamthaft 10 Monate dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten angemessen.

            1. Auch wenn die Geldstrafe in Nachachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips für Strafen bis zu einem Jahr im Vordergrund steht, scheint von keiner Seite ernsthaft in Frage gestellt zu werden, dass es sich vorliegend aufdrängt, eine Freiheitsstrafe auszufällen (die Verteidigung wies lediglich einmal darauf hin, dass aus ihrer Sicht auch eine Geldstrafe in Betracht käme, Urk. 58 S. 6). Angesichts der Hartnäckigkeit der Delinquenz des Beschuldigten und der Tatsache, dass zahlreiche Geldstrafen die ihnen zugedachte präventive Wirkung verfehlten

              (vgl. Urk. 46), sowie berücksichtigend, dass der Beschuldigte mehrfach in gravierender Weise und mit keineswegs leichtem Verschulden delinquierte, erscheint es auch der erkennenden Kammer aus generalund spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht zweckmässig, die mildere Geldstrafe auszufällen, sondern gerechtfertigt, den Beschuldigten mit der härteren Sanktion, der Freiheitsstrafe, zu bestrafen.

            2. Der vom Beschuldigten erfüllte Tatbestand von Art. 96 Abs. 2 SVG bedingt, dass mit der Aussprache einer Freiheitsstrafe zwingend eine Geldstrafe zu verbinden ist. Die aus diesem Grund von der Vorinstanz ausgesprochene Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.wird von der Anklage und von der Verteidigung ebenso wenig thematisiert wie die für die einfache Verletzung der Verkehrsregeln (Fahren mit dem Kleinmototorrad auf der Autobahn), die mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sowie das Entziehen vor einer Polizeikontrolle ausgesprochene Busse von Fr. 1'000.-. Beide erscheinen dem Verschulden sowie den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten denn auch angemessen und sind daher zu bestätigen.

          1. Der Beschuldigte ist somit insgesamt mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.zu bestrafen. Der eine bis heute in Haft verbrachte Tag ist an die Freiheitsstrafe anzurechnen.

          2. Ergänzend bleibt darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte aufgrund diverser am 6. Januar 2014 begangener Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes mit Strafmandat der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vom 28. Mai 2014 zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.sowie einer Busse von Fr. 1'500.verurteilt wurde (vgl. Urk. 55). Da das vorinstanzliche Erkenntnis vor dem Erlass des genannten Strafmandats erging, ist die Bildung einer Zusatzstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB zu den von der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten abgeurteilten Delikten im vorliegenden Verfahren trotz nunmehr gleichartiger Strafen - nicht möglich und es hat mit der soeben festgesetzten Strafe sein Bewenden.

      5. Vollzug

        Aufgrund der vorliegenden Strafhöhe von 10 Monaten Freiheitsstrafe sowie 10 Tagessätzen Geldstrafe wären die objektiven Voraussetzungen für die Gewährung des bedingten Vollzugs erfüllt (Art. 42 Abs. 1 StGB). Jedoch muss dem Beschuldigten vorliegend eine negative Legalprognose gestellt werden: Ins Gewicht fallen dabei die zahlreichen Vorstrafen (vgl. Urk. 46). Der Beschuldigte wurde in den Jahren 2006 bis 2009, aber auch erneut im Januar 2014 immer wieder straffällig. Zudem ist für die Prognosestellung relevant, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit trotz laufender Probezeit rückfällig wurde. Schliesslich bejaht das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich vom 9. Oktober 2013 aufgrund einer multiplen Substanzmittelproblematik sowie einer Alkoholabhängigkeit eine Rückfallgefahr des Beschuldigten gerade in Bezug auf Verkehrsdelikte (Urk. 12/11 S. 21 und 23). Wie bereits erwähnt, zeigte der Beschuldigte bis heute keine ersthaften Bemühungen, aktiv und nachhaltig gegen seine Alkoholsucht vorzugehen. So blieb es bei einem einzigen kurzen und erfolglosen Eintritt

        in die Klinik ... von November 2013 bis Januar 2014. Die gutachterlichen Erkenntnisse sind aufgrund der unveränderten äusseren Umstände nach wie vor zutreffend.

        Aufgrund der ungünstigen Prognose sind die Freiheitsund die Geldstrafe zu vollziehen. Die Busse ist ohnehin zu bezahlen.

      6. Massnahme
        1. Mit dem angefochtenen Urteil wurde für den Beschuldigten eine ambulante Massnahme (Suchtbehandlung) angeordnet und der Vollzug der Freiheitsstrafe zu diesem Zweck aufgeschoben. Dagegen erhob die Anklägerin Berufung; sie verlangt die Anordnung des Vollzugs der Freiheitsstrafe, eventualiter die Anordnung einer stationären Massnahme.

        2. Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die

        Voraussetzungen der Art. 59-61, 63 64 StGB erfüllt sind. Beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach Art. 59 StGB stützt sich das Gericht zwingend auf eine sachverständige Begutachtung. Diese äussert sich über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, die Art und Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und die Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme (Art. 56 Abs. 3 StGB). Das Gericht ist entsprechend dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht an die Schlussfolgerungen im Gutachten gebunden. Es darf jedoch in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe vom Gutachten abweichen. Einzig wenn gewichtige zuverlässig begründete Tatsachen Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern, kann das Gericht seine eigene Meinung anstelle jener des Gutachters setzen, da ansonsten gegen Art. 9 BV verstossen würde (BGE 129 I 57 E. 4).

          1. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer ambulanten Massnahme äussern sich das Gutachten vom 9. Oktober 2013 (Urk. 12/11) sowie das Ergänzungsgutachten vom 3. Februar 2014 (Urk. 12/14) deutlich: Es wird konstatiert, dass eine solche Behandlungsform aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes und des Gebrauchs von verschiedenen Substanzen wie Alkohol und Drogen als nicht ausreichend intensiv gewertet werden könne (Urk. 12/14 S. 4). Einer ambulanten Massnahme fehlt es gemäss Gutachten mithin an der notwendigen Geeignetheit zur Suchtbekämpfung (Urk. 12/11 S. 23 f.).

          2. Im angefochtenen Entscheid wird als Begründung für die entgegen diesen gutachterlichen Erwägungen angeordnete ambulante Massnahme die Motivationsbereitschaft des Beschuldigten für eine solche angeführt. Die Vorinstanz erwartet, dass sich auch durch eine ambulante Massnahme der Gefahr weiterer mit der Alkoholund Suchtmittelproblematik zusammenhängender Straftaten begegnen lasse (Urk. 44 S. 19).

          3. Die Vorinstanz verkennt dabei, dass die Gutachterin von vornherein nicht die fehlende Bereitschaft des Beschuldigten zu einer ambulanten therapeutischen Massnahme als Hindernis einer solchen anführte, sondern deren mangelnde Eignung vielmehr auf die Schwere der Abhängigkeit des Beschuldigten zurückführte, der einzig durch eine stationäre Massnahme begegnet werden könne.

        Triftige Gründe, von diesen gutachterlichen Feststellungen abzuweichen, wurden von der Vorinstanz keine genannt und sind auch nicht ersichtlich.

        Zudem kann die vorinstanzliche Überzeugung hinsichtlich der Motivation des Beschuldigten zu einer ambulanten Massnahme nicht geteilt werden. Auch wenn sich Letzterer selber als Alkoholiker bezeichnet und daher zumindest von einer gewissen Krankheitseinsicht ausgegangen werden kann, zeigt sich immer wieder eine deutliche Verharmlosung der Suchtproblematik: So ist der Beschuldigte der Meinung, er habe andere Probleme als Alkohol und Drogen (Urk. 34A S. 29)

        und er könne den Alkohol am besten bekämpfen, wenn er keine Probleme habe

        (Urk. 34A S. 9). Es ist auch nicht festzustellen, dass sich der Beschuldigte unabhängig vom vorliegenden Verfahren von sich aus um eine ambulante Therapie bemüht hätte, wie dies zu erwarten wäre, wenn die von der Vorinstanz angenommene Einsicht und Behandlungsbereitschaft beim Beschuldigten tatsächlich vorhanden wären. Aus Aussagen wie Einmal Alki, immer Alki (Urk. 34A S. 9), Ich weiss, dass ich mein Leben lang Probleme haben werde (Urk. 34A S. 29, Prot. II S. 14) spricht vielmehr eine gewisse Resignation des Beschuldigten gegenüber der Sucht. Die vom Beschuldigten geäusserte Bereitschaft zu einer ambulanten Massnahme erscheint vor diesem Hintergrund nicht einer inneren Überzeugung entsprungen, sondern durch das Strafverfahren und die drohende Freiheitsstrafe respektive freiheitsentziehende stationäre Massnahme bedingt. Es ist daher nicht angezeigt, eine solche Massnahme entgegen den gutachterlichen Feststellungen für erfolgversprechend zu erachten.

            1. Die Anordnung einer stationären Massnahme stellt folgerichtig die einzige mögliche Intervention dar, um einerseits den augenfällig massnahmebedürftigen Beschuldigten von seiner Sucht zu heilen und von weiterer Delinquenz abzuhalten sowie andererseits die Strassenverkehrsteilnehmer in Zukunft vor weiteren Fahrten des Beschuldigten in ausserordentlich starker Alkoholisierung und damit einhergehender Gefährdung des Publikums zu schützen. Angesichts der wiederholten Delinquenz des Beschuldigten und der Schwere der von ihm begangenen Taten, welche sich insbesondere in der von ihm geschaffenen erheblichen Gefahr für Leib und Leben Dritter zeigt, sowie der konkreten Rückfallgefahr in Bezug auf weitere derartige Delikte ist zudem zu konstatieren, dass die Anordnung

              einer freiheitsentziehenden Massnahme im vorliegenden Fall verhältnismässig ist. Die Gutachterin erachtet eine stationäre, fachbezogene suchtspezifische Behandlung inklusive Behandlung einer bekannten ADHS-Erkrankung denn auch als sinnvoll (Urk. 12/11 S. 23). Dass sie eine solche dennoch nicht als erfolgversprechend ansieht und deren Anordnung nicht empfiehlt, liegt an der offenkundigen Therapieunwilligkeit des Beschuldigten, welche sich sowohl anlässlich der gutachterlichen und der vorinstanzlichen Befragung (Urk. 12/11 S. 11 und 22,

              Urk. 34A S. 31) als auch in der heutigen Berufungsverhandlung mindestens in Bezug auf eine unter Zwang angeordnete stationäre Massnahme zeigte (Prot. II S. 14 f. und 20).

            2. Dass die Erfolgschancen einer Behandlung wegen weitgehend fehlender Therapiewilligkeit nur gering sind, spricht jedoch nicht von vornherein gegen die Anordnung einer solchen. Allzu hohe Anforderungen an die Aussicht auf Heilung sind nämlich nicht zu stellen (BGer 6P.408/2006 und 6S.408/2006 vom

              2. Dezember 2006 E. 6.3). Einem anfänglichen Fehlen der Motivation des Beschuldigten für eine Behandlung darf demnach nicht vorschnell nachgegeben werden, da diese Haltung oftmals gerade krankheitsbedingt ist und die Herstellung der Therapiebereitschaft oft zum ersten Schritt einer Behandlung gehört. Die Therapiewilligkeit stellt sich mithin vielfach erst im Gespräch mit dem behandelnden Arzt und in der Therapieumgebung ein. Gerade im Falle des Beschuldigten ist nicht von vornherein auszuschliessen, dass sich eine Behandlungsbereitschaft allenfalls im Verlaufe einer Therapie einstellen könnte. Immerhin stellte er in der heutigen Befragung nicht in Abrede, einer stationären Massnahme zu bedürfen, und äusserte gar die Absicht, sich freiwillig in eine solche begeben zu wollen. Einzig mit einer zwangsweisen Anordnung einer Therapie sei er nicht einverstanden (Prot. II S. 14 f.). Diese Vorbehalte des Beschuldigten zu beseitigen, wird erste Aufgabe der Therapie sein müssen. Schliesslich ist zu erwarten, das die drohende mehrmonatige Freiheitsstrafe ihren Teil zur Förderung einer Therapiewilligkeit des Beschuldigten beitragen wird.

            3. Aus diesen Gründen ist im vorliegenden Fall entgegen den gutachterlichen Empfehlungen die Anordnung einer stationären Massnahme nicht alleine

        deshalb zu verwerfen, weil der Beschuldigte dazu nicht bereit scheint. Da die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung einer stationären Suchtbehandlung erfüllt sind, ist vielmehr eine solche anzuordnen und es ist der Vollzug der Freiheitsstrafe zu diesem Zweck aufzuschieben.

      7. Kostenund Entschädigung
    1. Im Falle einer Verurteilung trägt der Beschuldigte die gesamten Verfahrenskosten, ausgenommen derjenigen von Übersetzungen sowie unnötiger fehlerhafter Verfahrenshandlungen (Art. 426 Abs. 1 und 3 StPO). Diese Bestimmungen sind zwingend und lassen kein richterliches Ermessen zu (BGer 6B_811/2014 vom 13. März 2015 E. 1.4. und 6B_671/2012 vom 11. April 2013

      E. 1.2.).

    2. Die von der Vorinstanz erkannte teilweise Übernahme der Untersuchungsund Gerichtskosten durch die Staatskasse, um dem vollumfänglich schuldig gesprochen Beschuldigten einen Neustart in wirtschaftlicher Hinsicht zu erleichtern (Urk. 44 S. 21 f.), ist somit bundesrechtswidrig. Dem Beschuldigten sind infolge des mit Ausnahme der untergeordneten Vorwürfe der Irreführung der Rechtspflege und der falschen Anschuldigung anklagegemässen Schuldspruchs die gesamten Untersuchungskosten und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach Obsiegen und Unterliegen zu verteilen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte obsiegt mit seinem Antrag auf Freispruch von der Irreführung der Rechtspflege und falsche Anschuldigung. Seinem Antrag auf mildere Bestrafung wird dagegen nicht entsprochen. Andererseits obsiegt die Staatsanwaltschaft mit ihrem Eventualantrag auf Anordnung einer stationären Massnahme. Diese Umstände lassen es für angezeigt erscheinen, dem Beschuldigten die Kosten des Berufungsverfahrens zur Hälfte aufzuerlegen und sie im Übrigen auf die Staatskasse zu nehmen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Einzelgerichts am Bezirksgericht Andelfingen vom 14. Mai 2014 hinsichtlich der Dispositivziffern 1 teilweise (Schuldspruch wegen mehrfachen vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand in qualifizierten Fällen, versuchter vorsätzlicher Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, vorsätzlicher Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch, mehrfachen vorsätzlichen Fahrens ohne Berechtigung, vorsätzlichen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung, mehrfachen vorsätzlichen Missbrauchs von Ausweisen und Schildern, vorsätzlicher Verletzung der Verkehrsregeln, vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrzeugausweis, mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, vorsätzlichen Entziehens vor einer Polizeikontrolle im Sinne der Strassenverkehrsverordnung des Kantons Bern), 8 (Vormerknahme keine Zivilforderungen), 9 teilweise (Kostenfestsetzung), in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Von den weiteren Vorwürfen der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 2 StGB und der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von

    Art. 304 Ziff. 1 StGB wird der Beschuldigte A.

    freigesprochen.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten (wovon bis heute 1 Tag durch Haft erstanden ist) und mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.sowie mit einer Busse von Fr. 1'000.-.

  3. Es wird eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 60 StGB (Suchtbehandlung) angeordnet.

  4. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zugunsten der stationären Massnahme aufgeschoben.

  5. Die Geldstrafe und die Busse sind zu bezahlen. Bezahlt der Beschuldigte die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.

  6. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten auferlegt. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; die Rückzahlungspflicht bleibt vorbehalten.

  7. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 3'500.amtliche Verteidigung

  8. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung, werden dem Beschuldigten zur Hälfte auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung werden auf die Gerichtskasse genommen; die Rückzahlungspflicht bleibt im Umfang der Hälfte dieser Kosten vorbehalten.

  9. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben),

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland (übergeben),

    • das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste,

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten,

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz [mit dem Ersuchen um Vornahme der notwendigen Mitteilungen],

    • das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungsund Vollzugsdienste, mit Vermerk der Rechtskraft,

    • die Bundesanwaltschaft, 3003 Bern,

    • die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG),

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A.

  10. Rechtsmittel:

Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Zürich, 30. Juni 2015

Der Präsident:

Oberrichter Dr. Bussmann

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. Berchtold

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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